Resturlaub 2014 |

Transcription

Resturlaub 2014 |
ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 06.11.2014
THEMA:
RESTURLAUB 2014
Autor:
Heinz Pohl
EXPERTE IM STUDIO:
WOLFGANG BÜSER
Funktion:
MoMa-Rechtsexperte
_____________________________________________________________________
Was tun, wenn am Ende des Jahres noch Urlaubstage übrig sind. Meist gilt: Freie Tage
können nur ausnahmsweise ins nächste Jahr mitgenommen werden. Etwa dann, wenn
der Arbeitnehmer krank war oder der Chef ihn darum bittet. Unser Rechtsexperte Wolfgang Büser erläutert die Rechtslage und erklärt, wie das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu werten ist.
Die freien Tage können nur ausnahmsweise auf das folgende Jahr übertragen werden, etwa
weil der ursprünglich vorgesehene Termin nicht eingehalten werden konnte, weil der Arbeitnehmer krank wurde oder weil der Arbeitgeber selbst um eine Verlegung bat. Oder es sind Mitarbeiter derselben Abteilung krank geworden. Allein finanzielle Gründe sind kein Anlass, den
Urlaub auf das Folgejahr zu übertragen - wenn dies auch letztlich eine Frage der Verständigung
zwischen dem Mitarbeiter und seinem Chef ist.
„Übertragener“ Urlaub aus 2014 aber muss im Regelfall bis zum 31. März 2015 „genommen“,
also abgewickelt (nicht nur „angetreten“) sein, wenn er nicht verfallen soll. Es sei denn, Tarifoder Einzelarbeitsverträge sähen dafür einen späteren Termin vor. Darin sind Verfallsdaten bis
Juni, manchmal sogar bis September enthalten. Ausnahme: Beginnt ein Arbeitnehmer seine
Beschäftigung erst in der zweiten Jahreshälfte, so hat er lediglich Anspruch auf „Teilurlaub“.
Dieser wird auf Wunsch des Arbeitnehmers ohne zeitliche Begrenzung auf das ganze Folgejahr
übertragen. Eine unbeschränkte Übertragungsmöglichkeit gibt es außerdem für Teilnehmer am
Bundesfreiwilligendienst sowie für Arbeitnehmer, die sich in Elternzeit befinden.
Was passiert, wenn wegen einer längeren Krankheit der Urlaub nicht genommen werden konnte? Das Bundesarbeitsgericht hat dazu entschieden, dass der Urlaub dadurch nicht abgeschrieben werden muss. Und früher war es nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch so,
dass der Urlaub verfiel, wenn er wegen Krankheit (oder dauernder Erwerbsminderung) bis zum
Ende des Übertragungszeitraums – zum Beispiel dem 31. März – nicht genommen werden
konnte.
Doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dagegen entschieden: Der Urlaub kann auch
noch nach dem Ende des Übertragungszeitraums in dem betreffenden oder folgenden Jahr
genommen werden. Und sollte der Arbeitnehmer arbeits- oder erwerbsunfähig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, so muss der Urlaub bar abgegolten werden. (AZ: C 350/06) Eine
Begrenzung der Übertragung auf 15 Monate hält der EuGH allerdings für angemessen.
Ansonsten kann eine Barabgeltung des Urlaubs vom Arbeitnehmer nicht verlangt werden – jedenfalls für den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen nicht. Das Bundesurlaubsgesetz
sieht normalerweise lediglich für die Fälle eine Auszahlung vor, in denen Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen worden war.
Und was gilt für Teilzeitkräfte? Sie haben im Regelfall Urlaubsansprüche wie die Vollbeschäftigten auch. Sollte der Arbeitgeber einer Teilzeitkraft den ‘14er Urlaub verweigert haben (Motto
etwa: „Für Teilzeitkräfte gilt das Urlaubsgesetz nicht!“), so kann noch bis zum 31. März 2015 in
Ferien gegangen werden – oder bis zum nach Tarifvertrag späteren Termin. Wird die Teilzeitkraft erst danach aktiv, so kann der Arbeitgeber – gesetzlich untermauert – endgültig abwinken.
ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 06.11.2014
-2-
Urteile zum Thema „Resturlaub“
Bei Altersteilzeit im Blockmodell müssen Restansprüche erst "am Ende" abgegolten werden Sieht ein Tarifvertrag vor, dass Erholungsurlaub, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht,
verfällt, wenn er nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres genommen wurde, so hat es damit sein
Bewenden. Anderes könnte nur dann gelten, wenn der Urlaubsrest dadurch entstanden wäre, dass der
Arbeitgeber keine "Freistellung" ermöglicht hatte - sei es aus betrieblichen Gründen oder "einfach so".
(Der Arbeitnehmer hatte hier für die letzten zehn Monate seines "aktiven" Arbeitsverhältnisses in der Altersteilzeit die ihm nach Gesetz zustehenden 17 Tage abgefeiert, wollte aber nach Schluss der passiven
Phase noch die restlichen Tage, die ihm nach dem Tarifvertrag zugestanden hätten, abgegolten haben.
Begründung: Mit den 17 Tagen seien zunächst die tariflichen Ansprüche erfüllt worden, die gesetzlichen
Urlaubstage stünden deshalb noch zum Teil zu. Vor Gericht kam er damit nicht durch. Es gehe stets zunächst um den gesetzlich verbrieften Urlaubsanspruch, dann erst um die "Kür" nach Tarif. Dafür sei die
Frist aber abgelaufen gewesen. (BAG, 9 AZR 234/11)
Per "Erledigungsklausel" kann auf Ansprüche "verzichtet" werden - Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und noch Restansprüche auf Erholungsurlaub haben, können dafür eine
Barabgeltung verlangen. Haben sie jedoch im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs über das Ende ihrer
Tätigkeit per "Erledigungsklausel" auf die Zahlung einer Abfindung geeinigt und bestätigt, dass "mit Erfüllung des Vergleichs wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt" seien, so ist damit auch der Barabgeltungsanspruch untergegangen (wenn auch möglicherweise vom Arbeitnehmer "unbemerkt", weil er im
Zeitpunkt seiner Unterschrift von einem solchen Anspruch gar nichts wusste). Das Bundesarbeitsgericht:
"Die Erledigungsklausel im gerichtlichen Vergleich hat den mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
entstandenen Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs erfasst." (BAG, 9 AZR 844/11)
Was für den gesetzlichen Anspruch gilt, kann auch den Tarifbereich erfassen - Die für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch (von 4 Wochen pro Kalenderjahr) maßgebenden Gesetzesvorschriften
können auch für den darüber hinaus gehenden tariflichen Erholungszeitraum gelten. Dies allerdings nur
dann, wenn sich dies aus "deutlichen Anhaltspunkten ergibt". (Hier vom Bundesarbeitsgericht sowohl für
als auch gegen eine tarifliche Mehrurlaubsregelung entschieden. Danach durften die Tarifvertragsparteien
- anders als der Europäische Gerichtshof für den gesetzlichen Mindesturlaub - für den Mehrurlaub ein
frühes Verfallsdatum (hier den 31.5. des Folgejahres) festlegen, wenn ein Arbeitnehmer über das Jahresende hinaus arbeitsunfähig krank war und noch Resturlaub beanspruchen konnte. Andererseits wurde die
Tarifregelung gekippt, nach der der Mitarbeiter im Zeitpunkt des Fristablaufs (hier: der 31.5.) wieder arbeitsfähig sein musste, um noch einen Abgeltungsanspruch fordern zu können. Dafür fehle es in dem zu
beurteilenden Vertrag an "deutlichen Anhaltspunkten".) (BAG, 9 AZR 618/10)
Tarifvertragsparteien dürfen andere Verfallsregeln vorsehen - Tarifvertragsparteien haben das Recht,
für Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, andere
Verfallsregeln zu vereinbaren, als sie für den vierwöchigen Regelurlaub gelten. Lässt sich jedoch dem
Tarifvertrag nicht entnehmen, dass zwischen dem gesetzlichen und dem tarifvertraglich vorgesehenen
Zusatzurlaub unterschieden werden soll, so gilt das für den gesetzlichen Urlaub maßgebende Recht. Mit
der Folge, dass ein Arbeitnehmer, der noch (hier: 10 Tage) Resturlaub aus dem Vorjahr zu erhalten hat,
diesen Anspruch nicht verliert, wenn er über den Jahreswechsel hinaus bis Ende April des Folgejahres
arbeitsunfähig krank ist. (BAG, 9 AZR 80/10)
Die Erben gehen leer aus, wenn der Arbeitnehmer "zu früh" gestorben ist - Scheidet ein Arbeitnehmer aus seinem Arbeitsverhältnis aus und steht ihm noch Resturlaub zu, so hat der Arbeitgeber die entsprechenden Tage bar abzugelten. Stirbt ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer, bevor er wieder
gesund wurde und seinen Urlaub nehmen konnte, so haben seine Erben keinen Anspruch auf die Barabgeltung. So entschieden vom Bundesarbeitsgericht, das einer Erbengemeinschaft für zwei Jahre die geforderte Abgeltung für 35 Urlaubstage in Höhe von 3.230 Euro absprach. Mit dem Tod des Arbeitnehmers
sei der Urlaubsanspruch erloschen; er habe sich nicht in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Denn
"die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war nicht ursächlich dafür, dass der Urlaubsanspruch nicht
mehr erfüllt werden konnte". (BAG, 9 AZR 416/10 u. a.)
ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 06.11.2014
-3-
Resturlaubs-Abgeltung darf auch noch im folgenden Jahr verlangt werden - Scheidet ein Arbeitnehmer nach längerer Arbeitsunfähigkeit (hier Ende August) aus dem Arbeitsverhältnis aus, so ist er nicht
verpflichtet, den für seinen noch bestehenden (Rest-)Urlaub (hier von 16 Tagen) den Barabgeltungsanspruch noch im selben Kalenderjahr geltend zu machen. Er kann sich dafür auch noch bis zum nächsten
Jahr Zeit lassen (hier ging der Antrag beim vormaligen Arbeitgeber erst im Januar des Folgejahres ein was den Anspruch des ausgeschiedenen Mitarbeiters nicht beeinträchtigte). (BAG, 9 AZR 652/10)
Ansprüche aus den Vorjahren zeitnah geltend machen, sonst verfallen sie - Wird ein Arbeitnehmer
nach längerer Arbeitsunfähigkeit wieder gesund, so sollte er seinen während der Zeit seiner Krankheit
angesammelten Urlaub zeitnah nehmen, sonst verfällt er. Das ist die Quintessenz eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG). In dem entschiedenen Fall war ein Arbeitnehmer von Januar 2005 bis Mitte
Juni 2008 durchgehend arbeitsunfähig krank. Dann nahm er seine Arbeit wieder auf. Im Jahr 2008 nahm
er für 30 Tage seinen kompletten Urlaub. Die restlichen 90 Tage aus den Jahren 2005 bis 2007 wollte er
zu einem späteren Zeitpunkt nehmen. Dies hätte er aber ebenfalls noch im Jahr 2008 tun müssen, so das
BAG. Denn auch der aufgelaufene Urlaub aus den Vorjahren könne nur auf ein nächstes Kalenderjahr
übertragen werden, wenn dringende betriebliche oder "in der Person des Arbeitnehmers liegende" Gründe
vorliegen. Das war hier aber nicht der Fall, so dass die 90 Tage "Resturlaub" am 31. Dezember 2008
verfallen waren. (Ob dem Mitarbeiter die 90 Tage in vollem Umfang überhaupt noch zugestanden hätten,
ließ das BAG offen. Zitat: Der Senat hat die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Arbeitnehmer Urlaubsansprüche über mehrere Jahre ansammeln können, offen gelassen.)
(BAG, 9 AZR 425/10)
Die Urlaubsanrechnung muss schon genau erklärt werden - Einem Bank-Angestelltem, dem im November zum 31. März des Folgejahres gekündigt wurde, und der „ab sofort unter Anrechnung seiner Urlaubstage von seiner Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge" freigestellt worden ist, kann den Resturlaub für
die Zeit von April bis Dezember verlangen, wenn er den Kündigungsschutzprozess gewinnt und der Arbeitgeber in seinem Kündigungsschreiben nicht deutlich gemacht hat, wie viele Urlaubstage er genau
anrechne. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Zu Recht dürfe der Banker davon ausgehen,
dass sein Arbeitgeber ihm während der Kündigungsfrist - neben dem aus dem alten Jahr resultierenden
Urlaub - allenfalls (hier: 7,5 Tage) (Teil-)Urlaub für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März gewährt
hatte. Damit stehe ihm noch Resturlaub zu, da der Arbeitgeber den vollen Urlaubsanspruch für das ganze
Jahr habe erfüllen müssen (denn das Arbeitsverhältnis war ja nicht beendet worden). Der Angestellte
habe der Freistellungserklärung der Bank nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen können, ob sein
Arbeitgeber den vollen Urlaubsanspruch für das ganze Jahr oder lediglich den auf den Zeitraum vom 1.
Januar bis zum 31. März entfallenden Teilurlaubsanspruch erfüllen wollte. (BAG, 9 AZR 189/10)
Der Arbeitgeber darf "freistellen" und zugleich Urlaub gewähren - Stellt ein Arbeitnehmer einen Mitarbeiter, dem er gekündigt hat (hier, weil dieser zur Konkurrenz abwandern will), für die Dauer der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung frei, so hat er das Recht, gegebenenfalls noch vorhandenen Resturlaub
in dieser Zeit zu gewähren, "um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen
zu verhindern". Dies unabhängig davon, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzstreit offen ist, ob der Arbeitgeber Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabgeltung schuldet. (Hier ging
es um einen Außendienstmitarbeiter, also um einen Beruf, ist dem es "üblich ist, dass er in der Kündigungsfrist freigestellt wird", um den Kundenstamm zu schützen und Abwerbungen zu verhindern.)
(BAG, 9 AZR 934/06)
Für den Mehrarbeitszuschlag zählt der Urlaub nicht mit - Ist nach dem Tarifvertrag der Anspruch auf
einen Mehrarbeitszuschlag allein davon abhängig, dass über ein bestimmtes Monatssoll hinaus gearbeitet
wird (hier waren dafür 173 Stunden vorgesehen), "so stehen Zeiten des Urlaubs nicht der tatsächlichen
Arbeitsleistung gleich". Das kann zur Folge haben, dass in einem Restmonat, der (zum Beispiel) zur Hälfte mit Erholungsurlaub gefüllt ist, von dem Arbeitnehmer keine Überstundenzuschläge verlangt werden
können, weil er die "mindestens 173 Stunden Arbeitszeit" in diesem Monat nicht erreicht. Das Bundesarbeitsgericht: "Mehrarbeitszuschläge sollen besondere Belastungen abdecken, die während Urlaubszeiten
im Bezugszeitraum eben nicht auftreten". (AZ: 5 AZR 389/07)