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Fachhochschule Hannover
Fachbereich Wirtschaft
Axel Will
Regionalisierungs- und Integrationsversuche
in Europa, Afrika, Asien und auf dem
amerikanischen Kontinent.
Darstellung und Bewertung
Diplomarbeit
Hrsg. von Dipl. Volkswirt Prof. Dr. Inse Cornelssen
Arbeitspapier Nr.63/01 des Fachbereichs Wirtschaft der FH-Hannover
ISSN Nr. 1436-1035 (print)
ISSN Nr. 1436-1507 (internet)
Axel Will
Regionalisierungs- und Integrationsversuche
in Europa, Afrika, Asien und auf dem
amerikanischen Kontinent.
Darstellung und Bewertung
Diplomarbeit
herausgegeben von
Prof. Dr. Inse Cornelssen
Hannover 2001
Vorwort der Herausgeberin
Axel Will kam im Frühjahr 2001 in Stockholm ums Leben, als er nach Abschluss seiner – hier vorliegenden - Diplomarbeit zum Studierende einen
Auslandsaufenthalt in Skandinavien absolvierte. Er war ein intellektuell
überdurchschnittlich anspruchsvoller und vielversprechender junger Mann,
der gerne bereit war, seine Fähigkeiten in den Dienst einer makroökonomisch hochinteressanten und bei entsprechendem Ergebnis politisch
wichtigen Analyse zu stellen, obwohl daraus lediglich der Schritt in die Promotion, nicht aber der Absprung in ein aussichtsreiches Berufsleben resultieren konnte.
Seine Diplomarbeit ist von beiden Prüfern als weit über dem Durchschnitt
liegend bewertet worden und erscheint nicht nur geeignet, als Diplomarbeit
in Form Grauer Literatur öffentlich zugänglich gemacht zu werden, denn die
Analyse, die hier vorgelegt wird, zeichnet sich aus durch die klare Herausarbeitung von Merkmalen für erfolgreiche bzw. weniger erfolgversprechende
Regionalisierungsanstrengungen, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewinnen, da die fortschreitende Globalisierung
derartige Schutzreaktionen von Ländergruppen nachgerade provoziert.
Bisher gab es keine derartige Untersuchung. Axel Will hat mit der Frage
nach der Prognostizierbarkeit des Erfolgs oder Misserfolgs von Regionalisierungsbemühungen Neuland betreten. Er tat dies zurückhaltend, wie es
seine Art war, vermied sorgfältig Formulierungen, die prahlend das eine
oder andere Kriterium herausstreichen, und lässt dem Leser Raum für eigene weiterführende Überlegungen, Erkenntnisse und Schlussfolgerungen,
bietet ihm hierfür einen exzellenten und höchst selten aufzufindenden
Überblick über sehr bekannte, aber auch weniger bekannte Kooperationen
auf und zwischen allen fünf Kontinenten und – vielleicht ist dies sein ungewolltes Vermächtnis, für das wir ihm besonders dankbar sein dürfen, macht damit Mut, die Zukunft unserer Welt nicht pessimistisch zu sehen,
auch nicht einem kleinkrämerischen Nutzen-Kalkül zu folgen, sondern Visionen zu entwickeln, die langfristig geeignet sind, Lebensbedingungen
eigenverantwortlich positiv zu gestalten.
Hannover, im September 2001
Inse Cornelssen
II
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeberin
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anlagenverzeichnis
II
III
XI
XII
XIII
XVII
Einführung
1
Erster Teil: Internationale Vereinbarungen
Regionalisierung und Integration
2
1.
Grundbegriffe wirtschaftlicher Integration
2
1.1.
1.2.
1.3.
1.4.
1.5.
1.6.
Präferenzzone
Freihandelszone
Zollunion
Gemeinsamer Markt
Wirtschafts- und Währungsunion
Vollständige Integration
2
3
3
4
4
4
2.
Europa
6
2.1.
Erste Ansätze europäischer Zusammenarbeit
nach dem zweiten Weltkrieg
Die Montanunion
NATO und Warschauer Pakt
Die Europäische Gemeinschaft
Die EFTA
6
7
8
8
9
2.1.1.
2.1.2.
2.1.3.
2.1.4.
2.2.
2.2.1.
2.2.2.
2.2.3.
Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit
durch Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft
seit 1969
Der erste Beitritt von EFTA-Staaten zur EG
Die Gemeinschaft als Handelsblock und
internationaler Vertragspartner
Die Süderweiterung
10
10
11
12
III
2.3.
2.3.1.
2.3.2.
2.4.
2.4.1.
2.4.2.
2.4.3.
2.4.4.
2.4.5.
2.5.
3.
3.1.
3.1.1.
3.1.1.1.
3.1.1.2.
3.1.1.2.1.
3.1.1.2.2.
3.1.2.
3.1.2.1.
3.1.2.2.
3.1.2.3.
3.1.2.4.
3.1.2.5.
3.2.
Vollendung der europäischen Zusammenarbeit
durch den europäischen Binnenmarkt und die
politische Einheit
Der Europäische Binnenmarkt
Die politische Union
12
13
14
Perspektiven der europäischen Zusammenarbeit
seit 1990
Die innere Integration
Die Osterweiterung
Die CEFTA
EFTA und EWR
Die zukünftige Region Europa
15
15
17
19
20
20
Zusammenfassung und Ausblick: “Europa –
50 Jahre danach”
21
Afrika
Ansätze afrikanischer Integration
Integrationsversuche über politische
Zusammenarbeit
Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU)
Die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (
SADC)
Die Vorgängerin SADCC
Ansätze zur Regionalisierung durch die SADC
Integrationsversuche über wirtschaftliche
Zusammenarbeit
Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer
Staaten (ECOWAS)
Die Westafrikanische Wirtschafts- und
Währungsunion (UEMOA)
Die Wirtschaftsgemeinschaft der Zentralafrikanischen
Staaten (CEEAC)
Die Zentralafrikanische Zoll- und Wirtschaftsunion
(UDEAC)
Die Wirtschaftsgemeinschaft der Länder der
Großen Seen (CEPLG)
Ausblick und Zusammenfassung:
“Afrika den Afrikanern”
23
24
25
25
26
27
28
28
28
29
30
30
31
31
IV
4.
Naher und Mittlerer Osten
4.1.
Ansätze regionaler Zusammenarbeit im Nahen und
Mittleren Osten
Die Arabische Idee als Grundlage für
Regionalisierung
Die Arabische Liga
Der Arabische Gemeinsame Markt
Die Arabische Maghreb Union
Der Schutz der Bodenschätze als Grundlage für
Zusammenarbeit
Der Golfkooperationsrat (GCC)
Die Economic Cooperation Organization (ECO)
4.1.1.
4.1.1.1.
4.1.1.2.
4.1.1.3.
4.1.2.
4.1.2.1.
4.1.2.2.
4.2.
32
33
33
34
35
35
36
36
38
Ausblick und Zusammenfassung: “Region ohne
Regionalisierung”
39
5.
Amerika
41
5.1.
Ansätze regionaler Zusammenarbeit in
Nordamerika
Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen
(NAFTA)
Die wirtschaftliche Bedeutung der NAFTA
Die Intentionen der Länder für den Abschluss des
Abkommens
Die neue handelspolitische Orientierung der USA
5.1.1.
5.1.1.1.
5.1.1.2.
5.1.1.3.
5.2.
5.2.1.
5.2.2.
41
41
41
43
45
Regionalisierungsversuche in Mittelamerika
Die Karibische Gemeinschaft (CARICOM)
Der Zentralamerikanische Gemeinsame Markt
(MCCA)
Das Zentralamerikanische Integrationssystem (SICA)
45
45
49
5.3.3.
Integrationsgedanken in Südamerika
Die Lateinamerikanische Integrationsassoziation
(ALADI)
Der Gemeinsame Markt des Ganzen Südens
(MERCOSUR)
Die Andengruppe
5.4.
5.4.1.
5.4.2.
5.4.3.
Die Regionalisierung des gesamten Kontinents
Die Gruppe der Drei (G-3)
Die Freihandelszone Alaska-Feuerland (FTAA)
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)
53
53
53
54
5.2.3.
5.3.
5.3.1.
5.3.2.
48
49
49
51
52
V
5.5.
Zusammenfassung und Ausblick:
”Von Alaska bis Feuerland- Ein Amerika”
54
6.
Asien-Pazifik
57
6.1.
Regionale Kooperation in Australien:
Das Australien-Neuseeland-Handelsabkommen
(ANZCERTA)
57
6.2.
6.2.2.
6.2.3.
Regionale Kooperationen im asiatisch-pazifischem
Raum
Der Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN)
Die schwierige Aufnahme neuer Staaten
Das Gemeinschaftsbewusstsein der ASEAN-Staaten
Wirtschaftliche Bedeutung der ASEAN und die
AFTA-Zone
Die Asiatic Pacific Economic Cooperation (APEC)
Die Südasiatische Regionalkooperation (SAARC)
6.3.
Die Black Sea Economic Cooperation Zone
65
6.4.
Ausblick und Zusammenfassung: “Asien: Regionund bald Weltmacht?
65
Zwischenbilanz: Regionalisierung oder
“Regionalitis“?
68
Zweiter Teil: Inhalte, Vertragsstrukturen und
Erfolgsaussichten ausgewählter
regionaler Kooperationen
70
8.
Die Verträge der Europäischen Union
70
8.1.
Die Vision „Vereintes Europa“
70
8.2.
Die einzelnen Regelungen über die europäische
Zusammenarbeit
Die wirtschaftspolitischen Bestimmungen des
Vertrages
Freier Handelsverkehr und Gemeinsame
Handelspolitik
6.2.1.
6.2.1.1.
6.2.1.2.
6.2.1.3.
7.
8.2.1.
8.2.1.1.
57
58
58
59
61
62
64
71
72
72
VI
8.2.1.2.
Freier Personen-, Dienstleistungs- und
Kapitalverkehr
Freier Personenverkehr
Freier Dienstleistungsverkehr
Freier Kapitalverkehr
Die rahmenpolitischen Inhalte des Vertrages
Der Umweltschutz
Umweltschutz und regionale Kooperation
Umweltschutz in der EG
Die Gemeinsame Verkehrspolitik
Der Weg zu einer Gemeinsamen Verkehrspolitik
Verkehrssicherheit
Umweltschutz und Verkehr
Wettbewerbsverzerrungen
Forschung und Entwicklung
73
73
75
75
77
77
77
77
79
79
80
81
81
82
Die zentralistische Komponente der EG:
Die Landwirtschaft
Gründe für die zentralistische Politik
Die Gestaltung einer gemeinsamen Agrarpolitik
Finanzielle Solidarität
Die Einheit des Marktes
Das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz
Die Zukunft der Landwirtschaft
83
84
85
85
85
87
87
8.2.4.1.
8.2.4.2.
Die rechtspolitischen Probleme der Integration im EUVertrag
Die Angleichung von Rechtsvorschriften
Die Wirtschafts- und Währungsunion
89
89
89
8.2.5.
Die wichtigsten Institutionen der EU
90
8.2.6.
8.2.6.1.
8.2.6.2.
Die unionspolitische Aufgabe des EU-Vertrages
Das „Gemeinschafts“- Konzept der EU
Die politische Union Europas
90
90
91
8.3.
Schlussbemerkungen
93
9.
AFRIKA: Der Vertrag zur Gründung der
Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft
(SADC)
95
9.1.
Die Vision der SADC
95
9.2.
Inhalte des SADC-Vertrages
96
8.2.1.2.1.
8.2.1.2.2.
8.2.1.2.3.
8.2.2.
8.2.2.1.
8.2.2.1.1.
8.2.2.1.2.
8.2.2.2.
8.2.2.2.1.
8.2.2.2.2.
8.2.2.2.3.
8.2.2.2.4.
8.2.2.3.
8.2.3.
8.2.3.1.
8.2.3.2.
8.2.3.2.1.
8.2.3.2.2.
8.2.3.2.3.
8.2.3.3.
8.2.4.
VII
9.2.1.
9.2.2.
Grundprinzipien der SADC
Die Institutionen der SADC
96
96
9.3.
9.3.1.
9.3.2.
9.3.3.
Die wirtschaftlichen Aussichten der SADC
Die Freihandelszone
Die Grundprobleme der SADC-Staaten
Korruption in den SADC-Staaten
97
97
98
98
9.4.
9.4.1.
9.4.1.1.
9.4.1.2.
Die politischen Aussichten der SADC
Vermittlung bei Konflikten
Angola und Mosambik
Die Demokratische Republik Kongo
100
100
100
101
9.4.2.
Konflikte zwischen den SADC-Staaten
102
9.5.
Schlussbemerkungen
103
10.
Die Deklaration des Verbandes südostasiatischer
Staaten (Association of South East Asian Nations,
ASEAN)
104
10.1.
Die Visionen der ASEAN Staaten
105
10.2.
Institutionen der ASEAN
107
10.3.
10.3.1.
10.3.2.
Konflikte innerhalb der ASEAN-Staaten
Der Sabah-Disput
Die Spratly-Inseln
107
108
109
10.4.
Die wirtschaftliche Kooperation
110
10.5.
Schlussbemerkungen
111
11.
Der Vertrag zur Errichtung eines Gemeinsamen
Marktes des Ganzen Südens (MERCOSUR)
112
11.1.
Die Vision des MERCOSUR
113
11.2.
11.2.1.
11.2.2.
Inhalte des MERCOSUR-Vertrages
Organe des Mercosur
Die Rechtsordnung des MERCOSUR
114
114
115
11.3.
11.3.1.
Die wirtschaftlichen Aussichten des Mercosur
Planung einer Freihandelszone
116
117
VIII
11.3.2.
11.3.3.
11.3.4.
Handel
Arbeitsmarkt und soziale Absicherung
Integrationsfortschritte
117
118
119
11.4.
Die politischen Aussichten des MERCOSUR
119
11.4.1.
11.4.1.1.
11.4.1.2.
Der Beitritt Chiles
Chiles Beitrittsziele
Erwartete Vorteile für Chile
119
120
120
11.4.2.
Die politische Funktion des MERCOSUR
121
11.5.
11.5.1.
11.5.2.
Der Gegensatz zwischen Umweltschutz und
wirtschaftlicher Entwicklung im Mercosur
Die Wasserstraße Paraná-Paraguay
Umweltschutz in den Mercosur-Staaten
121
122
124
11.6.
Schlussbemerkungen
125
12.
Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen
(NAFTA)
126
12.1.
Besitzstandswahrung als Motor der NAFTA
126
12.2
12.2.1.
12.2.1.1.
12.2.1.2.
Inhalte des NAFTA-Hauptvertrages
Vertragsidee und Warenhandel
Zölle
Ursprungsregelungen
127
127
127
128
12.2.2.
12.2.2.1.
12.2.2.2.
Die umstrittenen Sektoren
Der Energiesektor
Der Agrarsektor
129
129
131
12.2.3.
12.2.3.1.
12.2.3.2.
12.2.3.3.
Schaffung der Voraussetzungen eines freien
Handels
Technische Handelshemmnisse
Investitionen und Dienstleistungen
Wettbewerbspolitik
132
133
134
136
12.2.4.
12.2.5.
Der Schutz des geistigen Eigentums
Schlussbestimmungen
136
137
12.3.
Institutionelle Bestimmungen des NAFTA-Vertrages
137
12.4.
Die NAFTA-Nebenabkommen
138
IX
12.4.1.
12.4.2.
Das Umweltschutzabkommen
Das Arbeitsabkommen
138
139
12.5.
Die Auswirkungen des NAFTA-Abkommens
140
12.6.
Schlussbemerkungen
142
13.
Der Vertrag über den Golfkooperationsrat (GCC)
144
13.1.
13.1.1.
13.1.2.
13.1.3.
13.2.
Besitzstandswahrung als Grundlage des GCC
Erdölreichtum
Das Prinzip der Selbstverteidigung
Die neue Sicherheitsdoktrin des GCC
Inhalt des Kooperationsvertrages
144
144
145
146
147
13.3.
13.3.1.
13.3.1.1.
13.3.1.2.
Die innenpolitische Situation des
Golfkooperationsrats
Konflikte zwischen den GCC-Mitgliedern
Katar und Saudi-Arabien
Bahrain und Katar
148
148
149
149
13.3.2.
Das Verhältnis zu Israel
150
13.4.
Schlussbemerkungen
150
Schlusswort
152
Schrifttumsverzeichnis
153
X
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Partner der EG (AKP-Staaten)
11
Abb. 2:
Die Europäische Union und die Länder, mit denen
Beitrittsverhandlungen geführt werden
16
Abb. 3:
Die 4 CEFTA-Staaten
19
Abb. 4:
Karte der afrikanischen Staaten
23
Abb. 5:
Die Staaten der SADC
26
Abb. 6:
Die Mitglieder der Arabischen Liga
34
Abb. 7:
Die Mitglieder der AMU
35
Abb. 8:
Der Golf-Kooperationsrat (GCC)
37
Abb. 9:
Die Staaten der NAFTA
42
Abb. 10:
Die Mitglieder von Caricom und SICA
(ohne das kürzlich der Caricom beigetretene Surinam)
46
Abb. 11:
Die Mitglieder des Mercosur
51
Abb. 12:
Die ASEAN-Staaten
58
Abb. 13:
Die APEC-Staaten (ohne die kürzlich beigetretenen
Länder Peru, Russland und Vietnam)
63
Abb. 14:
Malaysia mit der Provinz Sabah
108
Abb. 15:
Das Südchinesische Meer mit den Spratly-Inseln
109
Abb. 16:
Die Wasserstraße Paraná-Paraguay
123
XI
Tabellenverzeichnis
Tab. 1:
Haushaltsausgaben der Europäischen Gemeinschaften
92
Tab. 2
Finanzierung der EU bis 2006
93
Tab, 3:
Entwicklung der Ausgaben des EAGFL,
94
Tab. 4:
Korruptionsindex
99
Tab. 5:
Reale Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts in
den NAFTA-Staaten von 1992 bis 1999
142
XII
Abkürzungsverzeichnis
ACM
ACS
AFTA
AKP
ALADI
AMC
AMM
AMU
ANZCERTA
APEC
ASEAN
Arab Common Market
Association of Caribbean States
Asean Free Trade Area
Afrika-Karibik-Pazifk-Staaten
Associatiòn Latinoamericana de Integracion
Arab Common Market
Asian Ministerial Meeting
Arab Maghreb Union
Australia New Zealand Closer Economic Relation Trade
Agreement
Asiatic Pacific Economic Cooperation
Association of South East Asian Nations
BGBl
BIP
BSECZ
Bundesgesetzblatt
Bruttoinlandsprodukt
Black Sea Economic Cooperation Zone
CAEU
CARICOM
CARIFTA
CBI
CEEAC
CPLG
CUFTA
Council of Arab Economic Communtiy
Caribbean Community and Common Market
Caribbean Free Trade Area
Caribbean Basin Initiative
Comunauté Economique des Etats de l‘ Afrique
Centrale
Communauté Economique de l‘ Afrique de L‘ Ouest
Central European Free Trade Agreement
Comité Europeen de Normalisation
Comité Europeen de Normalisation Electrique
Conseil Europeenne pour la recherche
Cooperation européenne dans la domaine Scientifique
Technique
Communité Economique des Pays des Grandes Lacs
Canada-USA Free Trade Agreement
DDR
Deutsche Demokratische Republik
EAG
EAGFL
Europäische Atomgemeinschaft
Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die
Landwirtschaft
CEAO
CEFTA
CEN
CENELEC
CERN
COST
XIII
ECO
ECU
ECOWAS
EEA
EFRE
EFTA
EG
EGKS
EGV
ERP
ESA
EU
EUFGL
EuGH
EURATOM
EUREKA
EUV
EVG
EWG
EWR
Economic Cooperation Organization
European Currency Unit
Economic Community of West African States
Einheitliche Europäische Akte
Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung
European Free Trade Association
Europäische Gemeinschaft
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
European Recovery Program
European Space Agency
Europäische Union
Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die
Landwirtschaft
Europäischer Gerichtshof
Europäische Atomgemeinschaft
European Research Koordination Agency
Vertrag über die Europäische Union.
Europäische Verteidigungsgemeinschaft
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
Europäischer Wirtschaftsraum
FAO
FAZ
FOA
FTA
FTAA
Food and Agriculture Organization of the UN
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Foreign Operations Administrations
Free Trade Agreement
Free Trade Area of the Americans
GAP
GASP
GATT
GCC
GMC
Gemeinsame Agrarpolitik
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
General Agreement on Tarifs and Trade
Gulf Cooperation Council
Grupo do Mercado Comun
HWWA
Hamburger Weltwirtschaftsarchiv
ICA
ITU
IWF
International Cooperation Administration
International Telecommunication Union
Internationaler Währungsfonds
LAFTA
Latino American Free Trade Agreement
XIV
LDC
Less Developed Countries
MCCA
MDC
MERCOSUR
MSA
Mercado Comùn Centroamericano
More Developed Countries
Mercado Comùn del Cono Sur
Mutual Security Agency
NAFTA
NAFTA
NATO
North American Free Trade Agreement
New Zealand – Australia Free Trade Agreement
North Atlantic Treaty Organization
OAU
OAS
ODECA
OECD
Organization for African Unity
Organization of American States
Organization for the Development of Central America
Organization for Economic Cooperation and
Development
Organization for European Economic Cooperation
Organ für Politik, Verteidigung und Sicherheit der SADC
OEEC
OPVS
PHARE
PMC
PTA
Pologne & Hongrie Assistance a la Reconstruction des
Economic
Post-Ministerial Conference
Preferential Trade Agreement
RCD
REMA
RGW
Rn.
Regional Cooperation for Development
Reuniao Especilizado de Meio Ambiente
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe
Randnote
SAARC
SADC
SADCC
SICA
SEANWFZ
SLORC
South Asian Association for Regional Cooperation
Southern African Development Community
Southern African Development Coordination
Conference
System of Central American Integration
Southeast Asia Nuclear Weapon Free Zone
State Law and Order Restoration Council
TÜV
Technischer Überwachungsverein
XV
UDEAC
UEMOA
UMA
Union Douaniere et Economique des Pays des Grands Lacs
Union Economique et Monetaire Ouest Africaine
Union du Maghreb Arabique
WM
Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht
(Wertpapiermitteilungen)
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handels- und
Wirtschaftsrecht
Zone of Peace, Freedom and Neutrality
ZOPFAN
XVI
Anlagenverzeichnis
Anlage 1: Treaty of the Southern African Development
Community
162
Fundort: Institut für Afrika-Kunde, Hamburg.
Anlage 2: The ASEAN Declaration (Bangkok Declaration)
186
Fundort: http://www.aseansec.org/
Anlage 3: Vertrag zur Errichtung eines Gemeinsamen
Marktes zwischen der Republik Argentinien,
der Föderation Republik Brasilien, der
Republik Paraguay und der Republik Uruguay
(Vertrag von Asunción)
190
Fundort: Max-Planck-Institut für ausländisches und
internationales Privatrecht: Rechtsquellen des
Mercosur.
Anlage 4: Zusatzprotokoll zum Vertrag von Asuncion über
die Institutionelle Struktur des MERCOSUR
(Protokoll von Ouro Preto)
198
Fundort: Max-Planck-Institut für ausländisches
und internationales Privatrecht: Rechtsquellen
des Mercosur.
Anlage 5: I. Dokumente: Charter of The Cooperation
Council For The Arab States of The Gulf
214
Fundort: http://www.gcc-sg.org/Charter.html
XVII
Regionalisierungs- und
Integrationsversuche in Europa,
Afrika, Asien und auf dem
amerikanischen Kontinent.
Darstellung und Bewertung
Einführung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit regionalen Zusammenschlüssen von
Staaten auf allen Kontinenten. Neben der Europäischen Union werden in
den folgenden Kapiteln auch eine Reihe weniger bekannter regionaler
staatlicher Verbindungen nähergebracht.
Bei der Vielzahl regionaler Zusammenschlüsse musste die Arbeit eine
Auswahl treffen. Vorrangig berücksichtigt wurden solche Zusammenschlüsse, die bei ihrer Gründung zumindest auch wirtschaftliche Vorteile im
Blick hatten oder später zu Wirtschaftskooperationen geführt haben, so wie
die Regionalisierung auch in der Literatur als eine in erster Linie
geographisch abgegrenzte Verdichtung wirtschaftlicher Aktivitäten
verstanden wird1.
Die ausgewählten Verbindungen sollen jedoch nicht nur hinsichtlich ihrer
wirtschaftlichen Bedeutung untersucht, sondern - soweit dies angebracht ist
- auch ihre Eigenheiten in rechtlicher, politischer, ethnischer, geschichtlicher
oder sonstiger Hinsicht angesprochen werden.
Der erste Teil soll viele der weltweit bestehenden regionalen Kooperationen
näher vorstellen, der zweite Teil einige dieser Verbünde vertiefend auf ihre
Visionen, Gegebenheiten bei ihrer Entstehung und den Inhalt ihrer
getroffenen Vereinbarungen hin beleuchten.
1
Vgl. Borrmann, Axel: Vorwort zu "Regionalismustendenzen im Welthandel", S. 5.
1
Erster Teil:
Internationale Vereinbarungen zur
Regionalisierung und Integration
Im ersten Teil der Arbeit werden viele der weltweit existierenden regionalen
Kooperations- und Integrationsversuche vorgestellt. Vorher ist es jedoch
erforderlich, Grundbegriffe verschiedener Stufen wirtschaftlicher regionaler
Integration zu klären.
1. Grundbegriffe wirtschaftlicher
Integration
Der Begriff "Integration" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "Herstellung einer Gesamtheit"2. Wenn im Zusammenhang mit internationalen
Wirtschaftsbeziehungen von Integration gesprochen wird, so bedeutet dies
die Überwindung nationalstaatlicher Grenzen, um mehrere Volkswirtschaften
zu einem bedeutenden Wirtschaftsraum zusammenzuschließen.3 Nach dem
Grad der Integration unterscheidet man zwischen
- Präferenzzone,
- Freihandelszone,
- Zollunion,
- Gemeinsamem Markt,
- Wirtschaftsunion und
- Vollständiger Integration.
1.1. Präferenzzone
Eine Präferenzzone ist die schwächste Integrationsform. Sie entsteht durch
bilateral (d. h. von zwei Staaten) oder multilateral (von mehreren Staaten)
geschlossene Vereinbarungen zwischen den Mitgliedsländern zur
Einräumung von Vorzugsbedingungen, um den Handel mit bestimmten
2
3
Duden, Konrad: Fremdwörterlexikon, S. 354 unter dem Stichwort "Integration".
Vgl. Kasten, Hans: Die europäische Wirtschaftsintegration, S. 11.
2
Gütern zu verbessern4. Bei Präferenzzonen gibt es keine insgesamt
einheitlichen Binnen- oder Außenzölle5, sondern die Binnenzölle werden für
bestimmte Produkte ganz oder teilweise abgebaut6.
1.2. Freihandelszone
Von Freihandelszone spricht man, wenn der gegenseitige Außenhandel
zwischen den Mitgliedsländern der Freihandelszone nicht durch Zölle oder
ähnliche Barrieren beschränkt wird7. Ein wichtiges Merkmal einer
Freihandelszone wie etwa der EFTA (European Free Trade Agreement) ist,
dass zwischen den einzelnen Mitgliedsländern der Freihandelszone keine
gemeinsame Handels- und Zollpolitik vereinbart wird, sondern jedes
Mitgliedsland gegenüber Drittländern souverän agieren kann8.
1.3. Zollunion
Unter einer Zollunion versteht man den Zusammenschluss mehrerer
selbständiger Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet9. Die Zollunion geht
wesentlich weiter als die Freihandelszone. Denn neben fehlenden
Beschränkungen des Außenhandels der Mitgliedsstaaten untereinander
betreiben die beteiligten Staaten auch eine gemeinsame Zollpolitik
gegenüber Drittländern; normalerweise werden dabei gemeinsame
Außenzölle und Beschränkungen für Importe aus Drittländern
4
Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus
Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83
(71).
5
Vgl. El-Agraa: The Economics of the European Community, S. 12.
6
Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus
Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83
(71).
7
Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus
Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83
(71).
8
Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus
Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83
(72).
9
Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus
Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83
(73).
3
ausgehandelt10. Das wichtigste Beispiel einer Zollunion ist die Europäische
Union, die inzwischen allerdings auf dem Weg zur Wirtschaftsunion ist.
1.4. Gemeinsamer Markt
Der Gemeinsame Markt stellt eine sehr hohe Stufe der Integration dar. Beim
Gemeinsamen Markt wie dem Europäischen Binnenmarkt gelten zwischen
den einzelnen Mitgliedsländern die Grundsätze der Zollunion und der
Freihandelszone. Zudem herrscht zwischen den Ländern freie Beweglichkeit
von Arbeitskräften und Kapital. Um den Bestand des Gemeinsamen Marktes
dauerhaft zu sichern, müssen die Mitgliedsländer allmählich das Steuersystem harmonisieren und einen gemeinsamen Ordnungsrahmen schaffen11.
1.5. Wirtschafts- und Währungsunion
Eine noch intensivere Form der regionalen Integration als der Gemeinsame
Markt ist die Wirtschafts- und Währungsunion. Bei dieser Form
internationaler Beziehungen soll der Gemeinsame Markt dahingehend
erweitert werden, dass die Mitgliedsländer eine gemeinsame Währung und
dementsprechend eine angeglichene Wirtschafts-, Finanz- und Fiskalpolitik
anstreben; langfristig ist dafür eine supranationale Instanz vorgesehen, die
die gemeinsame Binnenwirtschaftspolitik kontrolliert12.
1.6. Vollständige Integration
Von vollständiger Integration kann erst dann gesprochen werden, wenn die
einzelnen souveränen Staaten zu einem einheitlichen Gebilde
verschmelzen, etwa in Form der "Vereinigten Staaten von Europa". Dazu ist
10
11
12
Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus
Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83
(73).
Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus
Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83
(73).
Vgl. Demirelli, Tanja: Integrationstheorie: Zollunionstheorien (Protektionismus versus
Freihandel), in: Dorner, Klaus (Hrsg.): Aspekte der europäischen Integration, S. 71-83
(73).
4
sowohl eine wirtschaftliche als auch eine politische und verwaltungstechnische Integration mit einem einheitlichen Parlament erforderlich,
dessen Beschlüsse für die Mitglieder verbindlich sind. Diese totale
Integration bedeutet für die Mitgliedsstaaten den Verlust ihrer Souveränität
in vielen Bereichen.
5
2. Europa
Europa hat weltweit die bisher weiteste wirtschaftliche und politische
regionale Integration. Der regionale Integrationsgedanke ist aber auch in
Europa keine Selbstverständlichkeit gewesen. Denn der Gedanke der
Integration kam in Europa erst auf, nachdem sich die Staaten Europas
untereinander jahrhundertelang bekämpft hatten und nach dem Zweiten
Weltkrieg schwer zerstört waren. Demzufolge gab es die ersten Impulse zur
regionalen Integration in Westeuropa in der Nachkriegszeit.
2.1. Erste Ansätze europäischer
Zusammenarbeit nach dem zweiten
Weltkrieg
Im kriegszerstörten Europa zeichnete sich früh ab, dass eine dauerhafte
Integration nur dann erfolgreich sein könnte, wenn neben der
wirtschaftlichen Zusammenarbeit auch die politische Integration
vorangebracht werden würde. Denn am Ende des 2. Weltkrieges zeichnete
sich in Europa eine Blockbildung ab, als sich die Kriegspartnerschaft der
Siegermächte USA und Sowjetunion in eine Feindschaft wandelte.
Um Westeuropa nicht unter sowjetischen Einfluss fallen zu lassen, sondern
durch wirtschaftlichen Aufschwung ein Bollwerk gegen die Sowjetmacht zu
schaffen, formulierte der amerikanische General George C. Marshall 1947
den ab April 1948 verwirklichten nach ihm benannten Marshall-Plan. Mit
diesem Plan sollten unter Inanspruchnahme von 13 Millionen Dollar aus bis
1951 von den USA gewährten Subventionen und langfristigen Krediten im
Rahmen des European Recovery Program (ERP) vor allem der
Wiederaufbau der zerstörten deutschen Produktionsstätten forciert werden13.
Für die Verwaltung des Europäischen Wiederaufbauprogramms wurde die
Economic Cooperation Administration ins Leben gerufen, deren Aufgaben
1952 der Mutual Security Agency (MSA), 1953 die Foreign Operations
Administrations (FOA) und 1955 die ICA (International Cooperation
Administration) übernahm. Zur Forcierung der durch das ERP-Programm
bereitgestellten Mittel wurde 1948 die Organisation für Europäische
Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) gegründet. 1961 wurde die OEEC
zur OECD14.
13
14
Großes Lexikon in Wort und Bild, Bd. 8, S. 3336 unter dem Stichwort "Marshall, George".
Großes Lexikon in Wort und Bild, Bd. 8, S. 3336 unter dem Stichwort "Marshall, George".
6
Während also versucht wurde, insbesondere durch finanzielle Aufbauhilfen
Westeuropa wieder in die Weltwirtschaft zu integrieren, wurde der weltweite
Handel durch die Gründung der multilateralen Handels- und Währungsinstitutionen GATT (1947) und IWF (Internationaler Währungsfonds, 1945)
liberalisiert. In diesem Falle kann man den Regionalismus in Westeuropa
bereits als Schrittmacher für den Multilateralismus bezeichnen15.
2.1.1. Die Montanunion
Am 18.4.1951 kam es mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für
Kohle und Stahl (EGKS = Montanunion) zur ersten wirtschaftlichen
Integration in Westeuropa, als sich Frankreich, Italien, die Bundesrepublik
Deutschland und die Beneluxstaaten mit dem Ziel zusammenschlossen,
einen gemeinsamen Markt für Kohle, Stahl, Schrott und Eisen zu bilden.
Dieser erste wirtschaftliche Zusammenschluss hatte jedoch auch eine
politische Komponente.
Denn die ursprünglichen Gedanken der Siegermächte, Deutschland die
Kontrolle über die kriegswichtige Montanindustrie (Kohle, Koks, Stahl) zu
nehmen, indem entweder nach französischen Vorstellungen Deutschland
das Rheinland und das Ruhrgebiet verlieren sollte bzw. das Ruhrgebiet der
Viermächtekontrolle unterliegen könnte, wie es die Sowjetunion wollte,
wurden durch diesen Zusammenschluss ad acta gelegt16 und Deutschland
als gleichwertiger Vertragspartner behandelt. Eine langfristige, beständige
und funktionsfähige Partnerschaft zwischen diesen Staaten würde sich
jedoch nur dann entwickeln können, wenn es vor allem gelänge, die
Erzfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich zu überwinden.
Die Montanunion war der erste supranationale Zusammenschluss, bei dem
die Partnerstaaten bestimmte Hoheitsbefugnisse für die Dauer ihrer
Mitgliedschaft an eine übernationale Organisation abtraten. Damit war die
Montanunion von ihrer organisatorischen Struktur her das Modell für alle
weiteren Zusammenschlüsse in anderen Bereichen, die zusammen zu
15
16
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 50. Als "Multilateralismus" ist dabei ein "System einer vielfach verknüpften Weltwirtschaft mit allseitig
geöffneten Märkten zu verstehen" (so z.B. die Definition in Duden, Konrad:
Fremdwörterlexikon, unter dem Stichwort "Multilateralismus").
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (7).
7
einem vereinten Europa führen konnten. Bis dahin war der Weg allerdings
noch weit.
2.1.2. NATO und Warschauer Pakt
Um Westeuropa auch militärisch gegen die Sowjetunion und ihre
Verbündeten zu schützen, schlossen die meisten nicht-kommunistischen
Staaten Westeuropas sowie die USA und Kanada 1949 ein Verteidigungsbündnis, die NATO, dem später auch Deutschland beitreten durfte. Die
NATO war die erste vollendete Integration Westeuropas nach dem Zweiten
Weltkrieg. Sie betraf den militärisch-politischen Bereich und stellte die
Integrationsfähigkeit dieses ersten "Europas" auf eine harte Probe. Denn mit
der Gründung des Warschauer Pakts 1955 war die Welt "endgültig" in zwei
Blöcke geteilt.
Die sich wegen des Koreakrieges und den damit verschärfenden
Spannungen im Ost-West-Verhältnis anbietende Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), bei der die Streitkräfte aller beteiligten Länder
gemeinschaftlich kontrolliert worden wären, wurde wegen der erheblichen
Einschränkung der nationalen Souveränität insbesondere von Frankreich
abgelehnt17 .
2.1.3. Die Europäische Gemeinschaft
Die wirtschaftliche Integration schritt jedoch schnell voran. Auf Anregung der
Beneluxstaaten auf der Konferenz in Messina 1955 kam es 1957 zur
Unterzeichnung der Römischen Verträge über die Gründung der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen
Atomgemeinschaft (EAG oder EURATOM), die 1967 zusammen mit der
Montanunion zur Europäischen Gemeinschaft verschmolzen18.
Da der Aufbau der Europäischen Gemeinschaft Ende der 1950er Jahre sehr
zügig vonstatten ging, änderte sich das Bild Gesamteuropas entscheidend.
Neben der Ost-West-Blockbildung, die die gesamte Welt in zwei Teile zu
trennen begann, grenzten sich wirtschaftlich die Länder der Europäischen
Gemeinschaft von den anderen Ländern Westeuropas ab, woraufhin diese
17
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (7).
18
EG-Lexikon, S. 64 unter dem Stichwort "Europäische Gemeinschaft" für Kohle und Stahl.
8
ins Hintertreffen zu geraten drohten19. Für die Nicht-EWG-Länder stellte sich
daher die Frage des Beitritts oder Nichtbeitritts.
2.1.4. Die EFTA
Großbritannien war zunächst gegen eine Mitgliedschaft in der EGKS, da
man bei einer Mitgliedschaft die Schließung britischer Montanunternehmen
fürchtete20 und nicht an den Erfolg der Integrationsbemühungen glaubte.
Daher dachte Großbritannien erst daran, der Staatengemeinschaft
beizutreten, nachdem sich ohne britische Mitwirkung bereits die Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft herausgebildet hatte.
Da Großbritannien jedoch keine Souveränitätsrechte an die Gemeinschaft
abtreten, sondern die Schaffung einer umfassenden westeuropäischen
Freihandelszone ohne Souveränitätsabtretungen initiieren wollte, und
Frankreich befürchtete, auf diese Weise England zu stärken und sich selbst
zu schwächen, wurden 1958 schließlich die Verhandlungen über einen
Beitritt Großbritanniens abgebrochen21. Daraufhin gründeten auf Drängen
Großbritanniens die Nicht-EWG-Länder Großbritannien, Dänemark,
Schweden, Norwegen, Schweiz und Portugal die EFTA (European Free
Trade Agreement) als Gegengewicht zur EWG, um ihre Handelsinteressen
gegenüber der EWG zu schützen22.
Rechtliche Grundlage für die EFTA ist die Stockholmer Konvention von
1960. Diese Konvention ist in erster Linie ein Rahmenabkommen von Zielen
und Grundsätzen; genau geregelt ist lediglich der Abbau der internen Zölle
und Beschränkungen unter den Mitgliedsstaaten. Damit ist die EFTA im
Wesentlichen eine Freihandelszone, zumindest für Industriegüter.
Agrargüter sind vom Freihandel ausgeschlossen23. Typisch ist dabei, dass
die EFTA keine Bestimmungen über die freie Ortswahl der Arbeitnehmer
und den freien Kapitalverkehr vorsieht. Anders als die EG hat die EFTA
keine länderübergreifenden Kompetenzen, sondern ist vor allem ein
Konsultations- und Kooperationsorgan für die Mitgliedsstaaten24.
19
Vgl. Cornelssen, Inse: Vom Bipolarismus zum Multipolarismus, S. 6.
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (10).
21
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (11).
22
Vgl. Cornelssen, Inse: Vom Bipolarismus zum Multipolarismus, S. 6.
23
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 53 f.
24
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 54.
20
9
2.2. Vertiefung der europäischen Zusammen
arbeit durch Erweiterung der
Europäischen Gemeinschaft seit 1969
Ihr zügiges Wachstum machte die EG weiterhin für andere Staaten attraktiv.
Für die Gemeinschaft war eine Erweiterung seit der Haager Gipfelkonferenz
1969 zu einem festen Ziel geworden25, um nicht in die Stagnation zu
geraten. Erforderlich für eine Erweiterung waren jedoch eine Reihe interner
Maßnahmen wie etwa die Intensivierung der gemeinsamen Agrarpolitik, bei
der Großbritannien andere Vorstellungen hatte, und die Notwendigkeit der
EG, sich eigene Einnahmen zu sichern, um nicht von den Mitgliedsstaaten
abhängig zu sein. Zu diesem Zweck wurden die Haushaltsbefugnisse des
Europäischen Parlaments gestärkt26.
2.2.1. Der erste Beitritt von EFTA-Staaten zur EG
Zu einem Beitritt Großbritanniens und anderer EFTA-Staaten zur EG, die vor
allem mit dem Widerstand Frankreichs zu kämpfen hatten, kam es erst
durch den Wechsel der französischen Regierung von Charles de Gaulle zu
Georges Pompidou. Ein Grund für diese Wende war Frankreichs Sorge,
Deutschland könne durch die neue Ostpolitik stärker werden27 und die
Hoffnung, Großbritannien könne dafür ein Gegengewicht schaffen. 1973
wurden Dänemark, Großbritannien und Irland denn auch offizielle Mitglieder
der EG; Norwegen sprach sich in einer Volksabstimmung gegen den Beitritt
aus28.
25
"Triebkraft der regionalen Integration" (Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im
Welthandel, S. 65).
26
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 65.
27
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (11).
28
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (12).
10
2.2.2. Die Gemeinschaft als Handelsblock und
internationaler Vertragspartner
Die siebziger und achtziger Jahre sind durch eine zunehmende Vertiefung
der Europäischen Gemeinschaft geprägt. Die Gemeinschaft entwickelte sich
allmählich zum Handelsblock. Gleichzeitig festigte die EG auch ihre inneren
Strukturen. Dies hatte zur Folge, dass die EG zum "Verwaltungsstaat"
wurde, der bereits Mitte der 1980er Jahre 20.000 Beamtenstellen aufwies,
während die EFTA mit 67 Vollzeitstellen auskam29. Auch die Beziehungen
zwischen der EG und der EFTA wurden erweitert. 1973 schlossen beide
Institutionen das Freihandelsabkommen und vereinbarten untereinander
eine Freihandelszone30.
Abb. 1: Partner der EG (AKP-Staaten)
Quelle: Zürrer, Werner: Politische, wirtschaftliche, militärische
Zusammenschlüsse und Pakte der Welt, S. 56.
29
30
Vgl. Cornelssen, Inse: Vom Bipolarismus zum Multipolarismus, S. 7.
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 54.
11
Aber auch weltweit wird die Gemeinschaft immer mehr zum mächtigen
Handelsriesen, der nach außen geschlossen auftritt, einen Teil der Welt
durch Abkommen bindet und Produzenten anderer Länder den Zugang zu
diesen Märkten erschwert31. 1971 vereinbarte die Gemeinschaft mit 91
Entwicklungsländern Zollpräferenzen, und 1975 wurde das LoméAbkommen mit 69 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKPStaaten)32 abgeschlossen.
2.2.3. Die Süderweiterung
Verständlicherweise weckte die zunehmende Größe und Handelsmacht der
Gemeinschaft bei weiteren Staaten Beitrittswünsche. Folglich bereitete die
EG einen weiteren Schritt zur Integration von neuer Qualität vor: Die
Süderweiterung. Für die wirtschaftliche Integration der Gemeinschaft
bedeutete die Süderweiterung eine erhebliche Belastung, da mit
Griechenland, Portugal und Spanien Mitglieder beitreten wollten, deren
wirtschaftlicher Entwicklungsstand wesentlich niedriger war als der der
Gemeinschaft.
Diese Bedenken wurden jedoch aus politischen Gründen zurückgestellt, da
in den betreffenden Ländern gerade diktatorische Regime überwunden und
demokratische Regierungsformen eingeführt worden waren33. Um den
neuen Mitgliedsstaaten finanziell unter die Arme zu greifen, erhöhte die
Gemeinschaft ihre Unterstützungshilfen aus dem sog. Europäischen
Regionalfonds34.
2.3. Vollendung der europäischen
Zusammenarbeit durch den europäischen
Binnenmarkt und die politische Einheit
In den achtziger Jahren war die EG bereits ein festes und etabliertes System geworden, das sein Wachstum bewusst steuern und seine neuen
Bewerber sorgsam auswählen konnte35. Der nächste Schritt zur Integration
31
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 66.
Vgl. Abb. 1: Partner der EG.
33
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (18).
34
Zu diesem "Europäischen Fonds für regionale Entwicklung" siehe EG-ABC, S. 81 f.
35
Vgl. Cornelssen, Inse: Vom Bipolarismus zum Multipolarismus, S. 7.
32
12
Europas sollte die Vollendung des Binnenmarktes und die politische Einheit
sein.
2.3.1. Der Europäische Binnenmarkt
Die Vollendung des Binnenmarktes wurde im Januar 1985 durch den
Kommissionspräsidenten Jacques Delors initiiert, der die Vollendung des
Binnenmarktes bis 1992 ankündigte; 1989 nahm der Europäische Rat, d. h.
die Vertretung der einzelnen Mitgliedsstaaten, einen Stufenplan zur
Die
Errichtung
einer
Wirtschaftsund
Währungsunion
an36.
Binnenmarktkonzeption sollte Stagnation und Fehlentwicklungen im
Integrationsprozess überwinden. Der Binnenmarkt könnte für die
europäische Wirtschaft einen großen, mit den USA vergleichbaren
einheitlichen Markt schaffen und Produktion und Beschäftigung erheblich
beschleunigen37.
Augenblicklich besteht das wirtschaftliche Integrationskonzept Europas in
der Vollendung des unvollkommenen Binnenmarktes. Darunter ist ein
Binnenmarkt zu verstehen, der durch den Fortbestand von
Rechtsunterschieden und daraus entstehenden Hindernissen für den
zwischenstaatlichen Verkehr gekennzeichnet ist. Ein vollkommener
Binnenmarkt entsteht erst dann, wenn die Rechtstatbestände vollständig
vereinheitlicht sind38.
Damit verbunden sind jedoch auch zunehmende Befürchtungen im Ausland.
Denn eine rechtliche und technische Harmonisierung untereinander sowie
die gegenseitige Anerkennung nationaler Standards können Drittländer
diskriminieren. Auch wird der EG seit den achtziger Jahren zunehmend
vorgeworfen, einen protektionistischen Kurs einzuschlagen. Immerhin wurde
durch eine Reihe von Verordnungen, wie etwa die mehrfache Verschärfung
der Antidumping- und Antisubventionsverordnung, der Handel in der
Gemeinschaft gegen Handelspraktiken von Drittländern verteidigt39, so dass
die Kritiken nicht ganz unberechtigt erscheinen.
36
37
38
39
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (19).
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 70. Nach dem sog.
Cecchini-Bericht war immerhin mit einem Produktions- und Einkommenszuwachs von
4,5% sowie einem Beschäftigungszuwachs von 1,8 Millionen und einem Rückgang des
Preisniveaus von 6% zu rechnen.
Vgl. Steindorff, Ernst: Unvollkommener Binnenmarkt, in: Zeitschrift für das gesamte
Handels- und Wirtschaftsrecht (ZHR) 1994, S. 149-169 (160).
Ähnlich Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 71.
13
2.3.2. Die politische Union
Insbesondere die achtziger Jahre rückten auch die politische Einheit in
Europa immer stärker in den Vordergrund. Während EGKS, EWG und EAG
vor allem die wirtschaftliche Einigung Europas vorantreiben sollten, stellte
schon begrifflich die Formulierung des neuen Gebildes "Europäische Union"
einen Hinweis auf eine vorgesehene intensivere politische Zusammenarbeit
dar40.
Schon 1961 erarbeitete die EG unter dem Namen "Fouchet-Pläne" zwei
Entwürfe zur internationalen Zusammenarbeit; im Oktober 1972 wurde dann
in Paris die Europäische "Union" die offizielle Zielvorgabe für Europa41. 1981
legten der deutsche Außenminister Genscher und der italienische
Außenminister Colombo dem Europäischen Rat einen Plan zur Schaffung
der Europäischen Union und zur Stärkung der Europäischen Politischen
Zusammenarbeit vor. 1984 verabschiedete das Europäische Parlament
schließlich den Entwurf der Verfassung einer Europäischen Union42.
Mit der im Februar 1986 unterzeichneten Einheitlichen Europäischen Akte
(EEA) bestätigten die Mitgliedsstaaten der EG ihren Willen, "die Europäische
Union auf der Grundlage der nach ihren eigenen Regeln funktionierenden
Gemeinschaften einerseits und der europäischen Zusammenarbeit zwischen
den Unterzeichnerstaaten in der Außenpolitik andererseits, zu verwirklichen
und diese Union mit den erforderlichen Aktionsmitteln auszustatten."
Grundlage für eine politische Union, die die ökonomische Gemeinschaft
ergänzt, müsste also u. a. eine untereinander abgestimmte Außen- und
Sicherheitspolitik sein. Zu diesem Zweck fand 1990 eine Regierungskonferenz statt, die die Elemente für eine gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) schaffen sollte. Diese Regierungskonferenz stand
unter dem äußeren Druck der dramatischen Veränderungen in Osteuropa,
die die Öffnung des "Eisernen Vorhangs" mit sich brachte. Die befürchtete
Stärke eines wiedervereinten Deutschlands, der Zerfall der Sowjetunion und
die Unsicherheit über die politische und wirtschaftliche Zukunft der Länder
Osteuropas förderten die internationale Bereitschaft zur gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik43.
40
41
42
43
Vgl. Hitzler, Gerhard: Die Europäische Union in: Röttinger, Moritz (Hrsg.): Handbuch der
europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik der Europäischen Union, S. 19-42
(19).
Vgl. Hitzler, Gerhard: Die Europäische Union in: Röttinger, Moritz (Hrsg.): Handbuch der
europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik der Europäischen Union, S. 19-42
(19).
Vgl. Hitzler, Gerhard: Die Europäische Union in: Röttinger, Moritz (Hg): Handbuch der
europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik der Europäischen Union, S. 19-42
(26).
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (19).
14
Das Ergebnis der Bemühungen war das Maastricht- Abkommen von 1992,
in dem die Europäische Gemeinschaft erweitert wurde zur Europäischen
Union mit den drei Säulen EG-Vertrag, Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) und Zusammenarbeit in der Innen- und
Justizpolitik.
2.4. Perspektiven der europäischen
Zusammenarbeit seit 1990
Bereits seit den 1970er und 1980er Jahren und vor allem seit dem
Abkommen von Maastricht ist das Regionalisierungskonzept der
Gemeinschaft zunehmend auch interner Kritik ausgesetzt. Denn obwohl die
wirtschaftliche Integration schon weitgehend vollzogen ist und die politische
Integration langsam voranschreitet, gibt es in der Gemeinschaft noch einen
Nachholbedarf an innerer Integration.
2.4.1. Die innere Integration
Die europäische Integration ist nach wie vor kein Selbstläufer. Aufgabe für
die Zukunft der Union wird es zunehmend sein, die Identifikation der Bürger
mit dem Integrationsprozess zu fördern. Bereits der Kampf um das
Maastricht-Abkommen, die Volksabstimmung der Dänen und Franzosen
sowie die rege und teilweise berechtigte Diskussion zeigen die Probleme der
Integration auf; Maastricht war für viele eine "Brücke zu weit"44.
Nur die Lösung der politischen und wirtschaftlichen Probleme, wie vor allem
der Arbeitslosigkeit, kann die innere Integration dauerhaft festigen, die
politische Glaubwürdigkeit stärken und die Politikverdrossenheit, von der die
EU genauso wie alle anderen Institutionen betroffen ist, eindämmen. Wie
schwierig es zudem ist, eine gemeinsame Regionalisierungspolitik zu
betreiben, zeigte sich beim Balkankonflikt im ehemaligen Jugoslawien, wo
fehlende
Mittel,
unterschiedliche
Interessen
und
mangelnde
Entschlossenheit die Europäische Gemeinschaft daran gehindert haben,
rechtzeitig einzugreifen45.
44
Vgl. dazu Fitzmaurice, John: Die EG auf dem Weg ins nächste Jahrhundert, in: Röttinger,
Moritz (Hrsg.): Handbuch der europäischen Integration: Strategie-Struktur-Politik, S. 357369 (357).
45
Vgl. Strohmeier, Rudolf: Die Europäische Union, S. 101.
15
Abb. 2: Die Europäische Union und die Länder, mit denen
Beitrittsverhandlungen geführt werden.
Quelle: Focus-Fakten: Der Euro, S. 30.
16
2.4.2. Die Osterweiterung
Trotz dieser inneren Schwierigkeiten hat die EG bzw. EU nichts von ihrer
Anziehungskraft für andere Länder verloren. Neben der süd-, west- und
nordeuropäischen Integration wollen seit der Öffnung des Eisernen
Vorhangs auch immer mehr osteuropäische Länder der EU beitreten. So
wurden in den neunziger Jahren von Ungarn, Polen, Rumänien, Slowakei,
Lettland, Estland, Litauen, Bulgarien und Tschechien Beitrittsanträge an die
EU gestellt. Augenblicklich (Stand 1.1.2001) besteht die Europäische Union
aus folgenden 15 Staaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland,
Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg,
Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien46. Die Union ist also
von ursprünglich 6 auf 15 Staaten gewachsen.
Rechtlich ist der Beitritt grundsätzlich kein Problem, da gemäß Art. 49
EU-Vertrag jeder europäische Staat beantragen kann, Mitglied der
Gemeinschaft zu werden. Die Aufnahmebedingungen werden dabei durch
ein Abkommen zwischen den Mitgliedsstaaten und dem antragstellenden
Staat geregelt, wobei der Rat Beitrittsanträge auch ablehnen oder
zurückstellen kann, wie es etwa im Falle des Beitrittsantrages der Türkei
vom 14. April 1987 im Februar 1990 geschehen ist47.
Mit den Beitrittsverhandlungen dieser neuen Länder wird die EU vor eine
neue Belastungsprobe gestellt. Zu Zeiten des Kalten Krieges waren diese
Länder sozialistisch geprägt; dabei wurde ihre Wirtschaftskraft mitunter
soweit heruntergefahren, dass es in Ungarn zum Volksaufstand kam, in der
damaligen Tschechoslowakei der "Prager Frühling" einzog und in Polen seit
den 1980er Jahren stetig Unruhe herrschte. Seit der Öffnung des Eisernen
Vorhangs hat in diesen Ländern jedoch ein Umbruch in Richtung
Demokratie und Marktwirtschaft begonnen, der zwar unterschiedlich schnell
vonstatten geht48, aber durch wirtschaftliche Hilfen der EU beschleunigt
werden könnte, wenn das Land Mitglied werden würde.
Ansätze, die osteuropäischen Länder an die EG heranzuführen, unternahm
die Europäische Gemeinschaft bereits in den achtziger Jahren. Ende 1988
nahm die EG offizielle Beziehungen zu dem 1949 gegründeten und 1991
aufgelösten Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) auf und schloss mit
den mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten Sowjetunion, Bulgarien,
DDR, Polen, Rumänien, CSSR und Ungarn Abkommen über den Abbau von
46
47
48
Vgl. Abb. 2: Die Europäische Union und die Länder, mit denen Beitrittsverhandlungen
geführt werden.
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.) u. a.: Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 27,
Anm. 21.
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (29).
17
Einfuhrbeschränkungen, wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Bedingungen für Auslandsinvestitionen in den RGW-Staaten49.
bessere
Nach dem Umbruch im Ostblock verstärkte die EG ihre Hilfe für das sog.
PHARE-Programm von 1989 (Phare = Pologne & Hongrie Assistance à la
Reconstruction des Economies). Dieses Hilfsprogramm wurde beim
Weltwirtschaftsgipfel 1988 in Paris für Polen und Ungarn konzipiert. Später
wurden fast alle Länder Mittel- und Osteuropas sowie des Baltikums in das
PHARE-Programm einbezogen. Zunächst wurde durch das PHAREProgramm kurzfristig Hilfe gewährt, inzwischen werden jedoch auch
längerfristige Programme finanziert, um die Länder an die Gemeinschaft
heranzuführen und ihre Rechtsvorschriften an das Gemeinschaftsrecht
anzupassen; der Gesamtbetrag der bereitgestellten Mittel betrug 1995 nach
der damaligen Rechnungseinheit rund 1 Mrd. ECU (European Currency
Unit)50.
Grundlage der Beziehungen der mittel- und osteuropäischen Länder sind die
Europa-Abkommen. Dabei handelt es sich formal um Assoziationsabkommen nach Art. 310 EG-Vertrag, die erst nach der Zustimmung des
Europäischen Parlaments und der Ratifizierung durch alle Mitgliedsstaaten
der Gemeinschaft sowie des zu assoziierenden Staates in Kraft treten
können51.
Da mit diesem Verfahren ein erheblicher Zeitbedarf verbunden sein kann,
wurden Interimsabkommen geschlossen, die nur die in die ausschließliche
Zuständigkeit der Gemeinschaft fallenden Teile enthalten und in einem
abgekürzten Verfahren in Kraft treten konnten. Mit den Europa-Abkommen
soll neben der Schaffung einer Freihandelszone der Beitritt der assoziierten
Länder vorbereitet werden, wenn diese Länder dauerhaft die wirtschaftlichen
und politischen Voraussetzungen dafür erfüllen.
Für die Reformländer Osteuropas sind die Europa-Abkommen eine
außenpolitische Absicherung ihrer gerade erzwungenen Unabhängigkeit von
Russland und könnten einen weiteren Schritt zur Einbindung in das
westliche Bündnissystem bedeuten. Hinzu kommt, dass nur der vertraglich
mit der EU gesicherte Zugang die Investoren das Risiko eingehen lässt, sich
in den wirtschaftlich zurückgebliebenen Ländern Osteuropas zu engagieren
und dort die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben52.
49
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (29).
50
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (30).
51
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 31,
Anm. 31.
52
Ähnlich Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 74.
18
2.4.3. Die CEFTA
Auch die osteuropäischen Länder unter sich befinden sich in einem
wirtschaftlichen Integrationsprozess, der sich seiner Struktur nach eng an
Abb. 3: Die 4 CEFTA-Staaten.
Quelle: Baratta, Mario von: Fischer Almanach der internationalen
Organisationen 1995, S. 104.
die EG und die EFTA anlehnt. 1993 schlossen Polen, Ungarn, Tschechien
und die Slowakei das Mitteleuropäische Freihandelsabkommen (CEFTA)53.
Das Mitteleuropäische Freihandelsabkommen sieht den Abbau der Zölle und
mengenmäßigen Beschränkungen im gegenseitigen Handel mit
Industriegütern bis 2001 vor.
53
Vgl. Abb. 3: Die 4 CEFTA-/ Visegrad-Staaten.
19
2.4.4. EFTA und EWR
Auch west- und nordeuropäische Länder der EFTA streben in die EU. Da die
EU für die meisten EFTA-Länder der wichtigste Handelspartner ist, wurde
bereits 1991 das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum
(EWR) verabschiedet, in dem alle Handelshemmnisse zwischen den
Mitgliedsstaaten der EG und der EFTA abgebaut werden sollten54. Die
Zukunft des EWR ist jedoch ungewiss, da 1995 Finnland, Österreich und
Schweden die EFTA verlassen haben und der EU beigetreten sind, während
in Norwegen das Volk 1994 erneut einen Beitritt ablehnte. Aus Sicht der EG
ist eine Verbindung mit den hochentwickelten und finanzkräftigen EFTAStaaten durch den EWR wirtschaftsfördernd.
Zudem hatte der Kommissionspräsident Jacques Delors die Vorstellung,
durch die Einführung des EWR die Mitgliedschaft der EFTA-Staaten in der
EG durch eine "strukturierte Partnerschaft" überflüssig werden zu lassen55.
Da die EG jedoch nichts von ihrer Entscheidungsgewalt über den
Binnenmarkt an die EFTA-Länder abgeben wollte, kam es nicht zu einer
solchen Partnerschaft, sondern führte zu den bereits angesprochenen
Beitritten, so dass sich die EFTA allmählich auflöst.
Damit gehören noch Island, Liechtenstein (seit 1991), Norwegen und die
Schweiz zur EFTA.
2.4.5. Die zukünftige Region Europa
Sollte der Trend des "expandierenden Regionalismus"56 der letzten Jahre so
anhalten, wird Europa bald fast vollständig durch die EU dominiert werden.
Aus der Europäischen Regionalisierung könnte danach bald die Region
Europa werden, wobei diese Region "Europa" in der Zukunft nicht identisch
sein muss mit der geografischen Zone Europa. Mit der Türkei hat bereits ein
Land einen Beitrittsantrag gestellt, das zu einem Teil zu Asien gehört. Israel
hat kürzlich erneut seinen Willen bekräftigt, der EU beitreten zu wollen, und
sollte Russland einmal Mitglied der EU werden, würde Europa vom Atlantik
bis zum Pazifik reichen. Außereuropäische gesellschaftliche und kulturelle
Einflüsse existieren bereits in Europa z.B. durch Moslems aus der Türkei.
Den inneren Frieden Europas auch bei einer kontinentalübergreifenden
Regionalisierung zu erhalten, wird in Zukunft eine Herausforderung sein.
54
Vgl. Nienhaus, Volker: Geschichte, Institutionen und Strategien der Europäischen Union,
in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Wirtschaftspolitik, S. 5-139 (28).
55
Dazu Weidenfeld, Werner / Wessels, Wolfgang: Europa von A-Z, S. 105 unter dem
Stichwort "EFTA".
56
Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 73.
20
2.5. Zusammenfassung und Ausblick:
"Europa - 50 Jahre danach"
Streit um die EU-Osterweiterung, Demonstrationen gegen die
österreichische Regierungsbildung, endlose Diskussionen um den Vertrag
von Maastricht und ein schwacher Euro: Europa ist in die Diskussion
geraten - wieder einmal. Es ist wie Ironie des Schicksals, dass gerade das
fast ganz zerstörte und nur durch ein "Wirtschaftswunder" wieder
auferstandene Europa die meisten Probleme offensichtlich mit sich selbst
hat.
Vor 55 Jahren war dies anders. Als Europa und insbesondere Deutschland
schwer zerstört waren und am Boden lagen, nahm man dankend die Hilfe
der USA durch den Marshall-Plan an und errichtete in nur wenigen
Jahrzehnten eine Europäische "Gemeinschaft", die zwar nach wie vor auch
von nationalen Sichtweisen geprägt ist, sich in dieser Zeit aber zu einem
weltweit anerkannten und erfolgreichen Wirtschaftsriesen entwickelte, der
sogar Vorbild für andere "Regionalisierungstendenzen" wurde.
Selbst anfangs der EU ablehnend gegenüberstehende Staaten wie etwa
Großbritannien, die sich folgerichtig zur EFTA zusammenschlossen,
strebten später eine Mitgliedschaft in der EU an. Da auch die
osteuropäischen Länder in die EU eintreten wollen, gehört bald fast jedes
europäisches Land zur Europäischen Union. Dabei sind die Hilfen der EU für
die neu hinzutretenden Länder vor allem Hilfen zur Selbsthilfe. Sie stützen
die demokratische und politische Stabilität dieser Länder und stellen daher
Meilensteine für eine friedliches und wohlhabendes Europa dar.
Trotzdem oder gerade deshalb wird es eine der Hauptaufgaben der EU
bleiben, die innere Integration zu fördern. Der "Europäer", den die EU gerne
als Symbol für die Überwindung nationalstaatlicher Tradition nimmt, darf sich
nicht als Zwangseuropäer fühlen, der die Vorgaben der EU nur aus
Ohnmacht mitträgt. Die EU wird darüber nachdenken müssen, ob ihre
Strukturen basisdemokratisch genug sind, um beim Bürger akzeptiert zu
werden. Bedenkt man, wie die Verträge von Maastricht über die Wirtschaftsund Währungsunion zustande gekommen sind, bei denen die Bürger
vollends übergangen wurden und sich bei Referenden in Dänemark,
Norwegen oder Frankreich bereits Protest breit machte, so wird deutlich,
dass auch die Bürger Anteil nehmen wollen an "ihrem" Europa.
Dabei sind auch die dramatischen Veränderungen nicht zu vergessen, die
der Fall des Eisernen Vorhangs mit sich gebracht hat. Auch für einen
Großteil "mauergeprägter" Bürger sind die neuen Realitäten eines "freien"
und grenzenlosen Europas noch fremd. Politisch und wirtschaftlich wird sich
21
erst noch zeigen, ob das Regionalisierungskonzept Europa im Wettbewerb
mit Asien und den Vereinigten Staaten von Amerika mithalten kann.
Die "Vereinigten Staaten von Europa" jedenfalls werden noch einige Jahre
brauchen, bis sie sich zu Recht als Pendant ihrer berühmten
transatlantischen Schwester bezeichnen können. Bis dahin bleibt den
Europakritikern nur die Hoffnung auf Besserung der inneren Strukturen,
während sich die Europabefürworter weiter auf Aristide Briand und Gustav
Stresemann berufen können: "Europa muss sich vereinigen, sonst wird es
untergehen".
22
3. Afrika
Im Vergleich zu anderen Weltregionen hat Afrika die größte Anzahl von
Integrationsvereinbarungen. Dies beruht auch darauf, dass sich in Folge des
Strebens der afrikanischen Staaten nach Unabhängigkeit nach dem Zweiten
Weltkrieg viele neue Staaten mit neuen Ländernamen gebildet haben57.
Abb. 4: Karte der afrikanischen Staaten
Quelle: Jahrbuch Aktuell 2001 der Harenberg Kommunikation, S. 461.
57
Vgl. Abb. 4: Karte der afrikanischen Staaten.
23
Bislang hatte Afrika den geringsten Erfolg mit seinen Integrationsvereinbarungen58. Erst in letzter Zeit sind bei einigen afrikanischen
Regionalkooperationen Fortschritte zu verzeichnen, die der afrikanischen
Integrationsbewegung Hoffnung verleihen.
3.1. Ansätze afrikanischer Integration
Anfangs sollten die afrikanischen Integrationsversuche vor allem den
einsetzenden Nationalismus eindämmen, der in Afrika aufgekommen war,
nachdem sich in den letzten Jahrzehnten ein afrikanisches Land nach dem
anderen von der Kolonialherrschaft befreit hatte. Daher sollte durch den
Versuch einer regionalen Integration vor allem das Ziel verfolgt werden,
kollektiv eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung als Gegengewicht zu
den ökonomischen Großmächten zu erreichen. Ebenso war es nach der
politischen Befreiung der afrikanischen Staaten von den Kolonialherren
wichtig für die Länder, die früheren wirtschaftlichen Bindungen aus der
Kolonialzeit wiederherzustellen. Schließlich kam es im südlichen Afrika bei
einigen Ländern zu Integrationsbestrebungen, um sich von der
wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Republik Südafrika zu lösen59.
Mit dem Lagos Plan of Action von 1980 hat man versucht, für die vielen
Integrationsbemühungen und -abkommen in Afrika einen Rahmen zu
schaffen. Wie schwierig dieses Unterfangen war und ist, zeigt sich jedoch
schon darin, dass 16 afrikanische Länder drei oder mehr subregionalen
Zusammenschlüssen mit zum Teil widersprüchlichen Regelungen
angehören, wobei es z.B. Niger auf die stattliche Anzahl von sieben
verschiedenen Mitgliedschaften bringt60.
Zwar ist auch ein weiterer Versuch, durch den Vertrag von Abuja 1991 die
sehr zersplitterte afrikanische Integrationsbewegung doch noch zu
vereinheitlichen, ohne Erfolg geblieben, doch gibt es seit den 90er Jahren
auch positive Entwicklungen auf regionaler Ebene, etwa bei
Zusammenschlüssen wie der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft
oder der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten. Diese und
einige andere Ansätze, die stellvertretend für die Schwierigkeiten des
afrikanischen Kontinents stehen, sollen im folgenden angesprochen werden.
58
59
60
Dazu ausführlich Langhammer, Rolf / Hiemenz, Ulrich: Regional Integration Among
Developing Countries. Opportunities, Obstacles and Options, S. 34-51.
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 88.
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 88.
24
3.1.1. Integrationsversuche über politische
Zusammenarbeit
Einige afrikanische Kooperationen versuchen, wie nachfolgend erläutert,
über politische Zusammenarbeit die gesamte Integration voranzubringen.
3.1.1.1. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU)
Die Organisation für Afrikanische Einheit (Organization for African Unity,
OAU) ist ein Zusammenschluss in Afrika, der eine innerafrikanische
Zusammenarbeit in Politik, Kultur und Wirtschaft sowie die Einheit und
Souveränität der afrikanischen Staaten fördern soll. Einer der Hauptziele
dieser 1963 in Addis Abeba gegründeten Organisation ist die Schaffung von
Sicherheit und Frieden in Afrika, also einer Pax Africana61. Derzeit sind 54
afrikanische Staaten Mitglieder der OAU.
Die OAU ist auch im Ausland populär und hat dadurch auch international
Bedeutung, weil die OAU für die Staaten Afrikas insgesamt sprechen kann.
Für Streitigkeiten unter den Mitgliedsländern gibt es seit 1964 eine
Schiedskommission, mit der die Streitfälle ohne äußere Einmischung geklärt
werden sollen.
Die OAU konnte bisher zwar nur selten die einzelnen Konflikte in Afrika
dauerhaft lösen, hat aber einige Erfolge dadurch erzielt, dass sie die
Konflikte eingedämmt und damit einen Beitrag zur Reduzierung des
zwischenstaatlichen Konfliktpotentials geleistet hat62. Zudem gelang es der
OAU vor allem in den siebziger Jahren, durch eine konstruktive
Zusammenarbeit mit einigen führenden afrikanischen Politikern, afrikainterne Streitigkeiten zu lösen, als etwa der sambische Präsident Kaunda
den fünf Jahre dauernden Grenzkonflikt zwischen Somalia und Kenia
beendete oder der äthiopische Herrscher Haile Selassie zwischen Algerien
und Marokko vermitteln konnte63. Aktuell bemüht sich die OAU besonders
um eine Lösung im Eritrea-Konflikt. Ferner stimmte die 36. Gipfelkonferenz
der OAU im Juli 2000 der Schaffung einer Afrikanischen Union mit eigenem
Parlament und Gerichtshof zu, die vom libyschen Staatspräsidenten Gaddafi
initiiert wurde64.
61
Dazu ausführlich Matthies, Volker: Die friedenspolitische Rolle der Organisation der
Afrikanischen Einheit, in: Afrika Jahrbuch 1996, S. 49-62 (52).
62
Vgl. Matthies, Volker: Die friedenspolitische Rolle der Organisation der Afrikanischen
Einheit, in: Afrika Jahrbuch 1996, S. 49-62 (53).
63
Zu dieser Zusammenarbeit s. Kiplagat, Bethuel: Konfliktmanagement in Afrika, in:
Internationale Politik Nr. 3, 1998, S. 16-22 (17).
64
Vgl. Fischer Weltalmanach 2001, S. 991 unter dem Stichwort "OAU".
25
3.1.1.2. Die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft
(SADC)
Ein weiterer regionaler Zusammenschluss in Afrika, der über politische
Zusammenarbeit die Integration zu verbessern versucht, ist auch die
Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (Southern-African Development
Community, SADC) mit den Staaten Angola, Botswana, Lesotho, Malawi,
Mauritius, Mosambik, Namibia, Südafrika, Swasiland, Tansania, Sambia,
Simbabwe, der Demokratischen Republik Kongo und den Seychellen65.
Abb. 5: Die Staaten der SADC
Quelle: Investitionsführer Südliches Afrika 2000, S. 13.
Die Ziele der SADC sind langfristig eine weitreichende intensive
Zusammenarbeit der beteiligten Staaten auf politischen und wirtschaftlichen
Gebieten. Die SADC ist das Ergebnis eines gestiegenen Selbstbewusst65
Vgl. Abb. 5: Die Staaten der SADC.
26
seins und eines erhöhten Gemeinschaftsgefühls der ehemals unter
Kolonialherrschaft stehenden Mitglieder.
3.1.1.2.1. Die Vorgängerin SADCC
Bereits die Vorgängerin SADCC (Southern African Development
Community) wurde vor dem Hintergrund der Ablösung des weißen
rhodesischen Siedlerregimes durch eine schwarzafrikanische Regierung
gegründet66. Während das heutige Mitglied Südafrika Ende der siebziger
Jahre noch versuchte, unter seinen Nachbarstaaten die "Constellation of
Southern African States" zu bilden, schlossen sich Angola, Botswana,
Mosambik, Tansania und Sambia zusammen, um die SADCC zu gründen.
Sieht man die Lusaka-Deklaration von 1980 als Grundlage der SADCC an67,
so waren die wichtigsten Ziele der SADCC die Verringerung der
wirtschaftlichen Abhängigkeit von Südafrika, echte regionale Integration,
Konzentrierung der Mittel für innerstaatliche Projekte sowie eine konzertierte
Aktion zur wirtschaftlichen Befreiung. Antriebskraft für das SADCC-Bündnis
war zu diesem Zeitpunkt noch das gespannte Verhältnis und die
Abhängigkeit der Mitgliedsstaaten zum damaligen Apartheidstaat Südafrika.
Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Mitgliedsstaaten lag deutlich
unter 1000 US-Dollar pro Jahr, und Botswana, Lesotho und Swasiland
waren im Handelsverkehr fast völlig von Südafrika abhängig68.
Hinderlich für ein Funktionieren des SADCC-Bundes waren vor allem die
politischen und ideologischen Unterschiede der Mitgliedsstaaten und ihre
mangelnde Stabilität. Angola und Mosambik befanden sich in jahrelangem
Bürgerkrieg, unterhielten Freundschaftsverträge mit der Sowjetunion,
während Malawi und Botswana eine privatwirtschaftliche Ordnung
favorisierten.
Aus diesem Grund war eine innere Integration der Staaten untereinander
von Anfang an nur eine vage Hoffnung. Nach dem Fall des Eisernen
Vorhangs verschwanden die wirtschaftlichen und ideologischen Gegensätze
zwischen den Mitgliedsstaaten und 1994 wurde sogar der einstige Gegner
Südafrika Mitglied der 1992 neu gegründeten SADC.
66
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 102.
67
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 102.
68
Vgl. Lang, Winfried in: Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in
Nord und Süd, S. 103.
27
3.1.1.2.2. Ansätze zur Regionalisierung durch die SADC
Der Regionalisierungsprozess in dieser Region hat seit der Gründung der
SADC erhebliche Fortschritte gemacht69, weil vor allem der innerregionale
Handel für einige SADC-Staaten bedeutsam zugenommen hat, der
inzwischen z.B. für Malawi 66%, Mosambik 53% und Simbabwe 35% beträgt
und ein 1996 unterzeichnetes Handelsprotokoll weitere Verbesserungen
beim wirtschaftlichen Austausch erhoffen lässt70. Ferner denkt die SADC im
Hinblick auf die Erfolge, die andere regionale Zusammenschlüsse durch
gemeinsames Handeln auf politischer Ebene erreichen, allmählich daran,
einen Sicherheitsmechanismus einzuführen und sich damit von dem noch
aus der Zeit der Frontstaaten stammenden Prinzip der Nichteinmischung zu
lösen71.
3.1.2. Integrationsversuche über wirtschaftliche
Zusammenarbeit
Andere Regionalkooperationen in Afrika versuchen, vorwiegend über
wirtschaftliche Zusammenarbeit den Integrationsprozess zu fördern, indem
sie beispielsweise Zollunionen bilden.
3.1.2.1. Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer
Staaten (ECOWAS)
Die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (Economic
Community of West African States, ECOWAS) wurde 1975 in Lagos
gegründet und hat derzeit die Mitglieder Benin, Burkina Faso,
Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde,
Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo. Wichtigste
Ziele der ECOWAS sind die Anhebung des allgemeinen Lebensstandards
und die wirtschaftliche Zusammenarbeit in vielen Bereichen. Nach dem
69
So auch Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 200 unter dem Stichwort "SADC".
70
Vgl. van den Boom, Dirk: Zögerliche Regionalkooperationen in Afrika, in: Jahrbuch Dritte
Welt 1999, S. 173-182 (177).
71
Vgl. van den Boom, Dirk: Zögerliche Regionalkooperationen in Afrika, in: Jahrbuch Dritte
Welt 1999, S. 173-182 (178).
28
Vorbild der EG sollen eine Zollunion und ein gemeinsamer Markt entstehen
sowie militärische Konflikte in der Region vermieden werden72.
Die Integration der ECOWAS-Staaten leidet insbesondere an der
Heterogenität der Mitgliedsstaaten. Denn im Gegensatz zu anderen
Zusammenschlüssen hatten die Mitglieder der ECOWAS Länder keine
identischen Kolonialherren, sondern waren entweder englische,
französische oder portugiesische Kolonien.
Hinzu kommt, dass Westafrika nach der Aufteilung durch die Kolonialherren
England und Frankreich weitgehend französisch-, Ostafrika vorwiegend
englischsprachig wurde. Diese Aufteilung hatte jedoch eine wesentliche
Ausnahme: Nigeria. Das westafrikanische Land blieb englischsprachig und
hatte wegen der Größe und Bevölkerungszahl eine beherrschende Stellung.
Erst als es Nigeria gelang, Bedenken gegen seine Vormachtstellung zu
zerstreuen, was auch daran lag, dass sich Nigeria bei den
Neuverhandlungen mit der EG als Sprecher afrikanischer Interessen
profilieren konnte, kam es zur Entstehung von ECOWAS73.
Diese unterschiedliche koloniale Vergangenheit ist bis heute ein Hindernis
für die Integration geblieben, hinzu kommt die riesige Schuldenlast der
ECOWAS-Mitglieder, so dass die wirtschaftlichen Probleme der
Mitgliedsländer eine erfolgreiche Zusammenarbeit der ECOWAS erheblich
erschweren. Immerhin kann jedoch die ECOWAS in den letzten Jahren
neben langsam besser werdender wirtschaftlicher Zusammenarbeit
wenigstens einige aktuelle Einzelerfolge für sich verbuchen, so z.B. ein nach
mehrfachen Rückschlägen getroffenes Friedensabkommen für das
bürgerkriegsbelastete Liberia74.
3.1.2.2. Die Westafrikanische Wirtschafts- und
Währungsunion (UEMOA)
Die Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (Union Economique
et Monetaire Ouest Africaine, UEMOA) hat die Mitglieder Benin, Burkina
Faso, Elfenbeinküste, Mali, Niger, Senegal und Togo und ist die
Nachfolgeorganisation der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft
CEAO, die 1994 aufgelöst wurde. Hauptziel der UEMOA ist eine
Koordinierung der staatlichen Maßnahmen u.a. in den Bereichen
72
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 275
unter dem Stichwort "ECOWAS".
73
Vgl. Lang, Winfried, in: Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in
Nord und Süd, S. 90 f.
74
Vgl. Van den Boom, Dirk: Zögerliche Regionalkooperationen in Afrika, in: Jahrbuch Afrika
1999, S. 173 -182 .
29
Telekommunikation, Umwelt und Landwirtschaft. Die Bedeutung der
UEMOA ist jedoch sehr gering, da sie, wie schon die Vorgängerin CEAO,
überlagert wird durch die ECOWAS75.
3.1.2.3. Die Wirtschaftsgemeinschaft der
Zentralafrikanischen Staaten (CEEAC)
Auch die Wirtschaftsgemeinschaft der Zentralafrikanischen Staaten
(Communauté Economique des Etats de l`Afrique Centrale, CEEAC) soll
eine harmonische Zusammenarbeit in allen wirtschaftlichen Bereichen unter
den Mitgliedern schaffen. Zu den beteiligten Staaten gehören Angola,
Äquatorial-Guinea, Burundi, Gabun, Kamerun, Kongo, Ruanda, Sao Tomé
und Principe, Tschad und Zentralafrikanische Republik. Die CEEAC hat
bislang wenig Bedeutung. Bemerkenswert ist allerdings, dass diese
Gemeinschaft noch existiert, obwohl sich z.B. Burundi und Ruanda erheblich
bekämpfen76.
3.1.2.4. Die Zentralafrikanische Zoll- und Wirtschaftsunion
(UDEAC)
Harmonisierung der Wirtschaftspolitik und gemeinsame Außenzölle sind
auch das Ziel der Zentralafrikanischen Zoll- und Wirtschaftsunion (Union
Douanière et Economique de L`Afrique Central). Um Schäden
auszugleichen, die durch Zollmindereinnahmen entstehen, haben die
Mitgliedsstaaten einen Solidaritätsfonds eingerichtet77. Zu den Staaten der
UDEAC zählen Gabun, Kongo, Kamerun, Tschad, Zentralafrikanische
Republik und Äquatorialguinea.
Die UDEAC hat ein "einheitliches Produktionssteuersystem" entwickelt, bei
dem Industriebetriebe, die in andere Mitgliedsstaaten exportieren wollen,
einheitliche Abgaben zahlen müssen, um die Ausfälle für fehlende
Importzölle auszugleichen. Da somit "Quasi-Binnenzölle" entstehen, ist die
75
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 271
unter dem Stichwort "UEMOA".
76
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 272
unter dem Stichwort "Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten".
77
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 295
unter dem Stichwort "UDEAC".
30
UDEAC keine Zollunion und auch keine Freihandelszone78. Wird dieses
System nicht geändert, dann scheitert dieser Integrationsversuch.
3.1.2.5. Die Wirtschaftsgemeinschaft der Länder der Großen
Seen (CEPLG)
Die Wirtschaftsgemeinschaft der Länder der Großen Seen (Communité
Economique des Pays des Grands Lacs, CEPLG) von 1976 ist sowohl eine
Wirtschafts- als auch eine Sicherheitsgemeinschaft zwischen Burundi,
Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. Der Name dieser
Gemeinschaft rührt von den beiden großen Seen Tanganjika und Kiwu her,
die zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Burundi bzw.
Ruanda liegen. Neben der Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen
sollen die Mitgliedsländer vor allem bei Flüchtlingsproblemen und
ethnischen Konflikten unterstützt werden. Wegen der jüngsten Kämpfe
zwischen Burundi und Ruanda sowie des Zerfalls von Zaire ist die CEPLG
wirtschaftlich zusammengebrochen und hat ohne die Lösung der politischen
Probleme keine Chance79.
3.2. Ausblick und Zusammenfassung:
"Afrika den Afrikanern"
Dieses Motto der 1963 gegründeten und seither um afrikanische Einheit und
Interessen bemühten Organization for African Unity (OAU) kennzeichnet wie
kein anderes das neue Bewusstsein der afrikanischen Staaten, ihr Schicksal
selbst in die Hand zu nehmen, und ihre Konflikte selbst zu lösen. Mit der
Befreiung von den Kolonialherren, den immerhin in Ansätzen zunehmenden
Tendenzen zur Demokratisierung sowie dem Ende der Apartheid in
Südafrika ändert sich langsam das Bild Afrikas.
Allmählich macht auch die regionale Kooperation, die jahrzehntelang kaum
Erfolge brachte, seit Beginn der 90er Jahre Fortschritte. Neben der OAU, die
sich insbesondere für den Frieden in Afrika einsetzt, sind es vor allem
Regionalkooperationen wie die ECOWAS und die SADC, die erste Erfolge
erzielen.
78
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 296
unter "UDEAC".
79
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 274
unter dem Stichwort "Wirtschaftsgemeinschaft der Länder der Großen Seen".
31
Mit Hilfe dieser langsam zunehmenden regionalen Zusammenarbeit führt
Afrika einen bedeutsamen Modernisierungsprozess herbei. Zwar sieht es
augenblicklich so aus, als ob die meisten regionalen Zusammenschlüsse
wie etwa die CEEAC oder CEPLG auch in absehbarer Zeit wenig Erfolg
haben werden, doch vollzieht sich in Afrika bereits auf manchen Ebenen ein
Wandlungsprozess, der die Integration des Kontinents voran bringen kann.
So versucht sich Afrika neben verstärkten Bemühungen um die Bekämpfung
von Seuchen wie AIDS oder Malaria sowie der Bevölkerungsexplosion, auch
in Sachen Demokratisierung zu ändern. Allein zwischen April 1994 und April
1995 haben in fünf südafrikanischen Staaten (Südafrika, Malawi, Botswana,
Mosambik und Simbabwe) Mehrparteienwahlen stattgefunden. In anderen
Staaten waren sie bereits vorher abgehalten worden (Sambia, Angola,
Lesotho)80.
Für den Wandlungsprozess ist es ferner hilfreich, dass der Gedanke einer
wirtschaftlichen Integration weiter aufrechterhalten wird. Wenn auch die
Versuche einer umfassenden afrikanischen Integration bisher gescheitert
sind, so ist es doch wichtig, das Bewusstsein dahingehend zu schärfen,
dass eine wirtschaftliche Zersplitterung Afrikas den einzelnen Ländern eher
schadet als nutzt. Für ihre nutzbringende Beteiligung am Welthandel wäre
es daher auch vorteilhafter, möglichst viele grundlegende wirtschaftliche
Faktoren übereinstimmend zu beschließen. Sowohl für den Handel innerhalb
der Länder als auch multilateral hätte dies Stabilisierungstendenzen. Auch
wenn zu beachten ist, dass es innerhalb der afrikanischen Länder sehr
große Unterschiede gibt, in Bezug auf klimatische und gesundheitliche
Bedingungen, außerdem die Rohstoffvorkommen für die Wirtschaft sehr
unterschiedlich sind, wäre es für die Welthandelspartner der Länder von
Vorteil, mit möglichst einheitlichen Grundbedingungen zu arbeiten. Diese
Erfahrung hat sich auch in Westeuropa seit langem gefestigt.
Bis Afrika eine wirtschaftlich konkurrenzfähige Einheit besitzt, ist es jedoch
noch ein weiter Weg. Denn auch hier gilt für die regionale Kooperation, dass
Erfolge nur mit kleinen Schritten zu erreichen sind. Eifersüchteleien und
nationale Engstirnigkeit beherrschen auch bei der hoffnungsvollen SADCKooperation die Szene, so etwa bei den 1997 zwischen Namibia und
Botswana wieder aufgeflammten Grenzstreit um die Insel Situnga, die
wieder einmal beide Länder für sich beanspruchen81. Doch bleibt insgesamt
festzuhalten, dass die regionale Integration in Afrika allmählich erste
erfolgversprechende Ansätze zeigt und sich der "vergessene Kontinent"
möglicherweise bald als erfolgreicher Regionalkooperationspartner in
Erinnerung bringt.
80
Vgl. Meyns, Peter: Das Südliche Afrika - eine Region verändert ihr Gesicht, in: Jahrbuch
Dritte Welt 1996, S. 130-146 (132 f.).
81
van den Boom, Dirk: Zögerliche Regionalkooperationen in Afrika, in: Jahrbuch Dritte Welt
1999, S. 173-182 (178).
32
4. Naher und Mittlerer Osten
Im Nahen und Mittleren Osten ist regionale Kooperation besonders
schwierig. Eine allgemeine Regionalisierung oder Integration liegt hier in
ferner Zukunft, denn diese Region ist noch mehr als andere Gebiete in der
Welt gekennzeichnet durch militärische Konflikte, instabile politische
Systeme, jahrhundertelange religiöse und ethnische Probleme sowie
erhebliche Entwicklungsunterschiede. Hinzu kommt, dass einige dieser
Länder besonders gute Beziehungen zu großen Industrieländern haben und
diese guten Verbindungen aufrechterhalten und ausbauen, sich aber nicht
regional zusammenschließen wollen82.
4.1. Ansätze regionaler Zusammenarbeit im
Nahen und Mittleren Osten
Trotzdem hat es auch im Nahen und Mittleren Osten einige Ansätze zur
regionalen Zusammenarbeit gegeben. Zu diesen regionalen Ansätzen
gehören u.a.
- die Arabische Liga (League of Arab States),
- der Arabische Gemeinsame Markt (Arab Common Market, AMC),
- die Arabische Maghreb Union (Arab Maghreb Union, AMU),
- die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (Economic
Cooperation Organization, ECO) und
- der Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council, GCC).
4.1.1. Die Arabische Idee als Grundlage für
Regionalisierung
Ein Ansatzpunkt für regionale Zusammenarbeit in diesem Gebiet ist die
Arabische Idee, also der Gedanke einer arabischen Nation. In diesem
Zusammenhang gab es bisher schon eine Reihe von Versuchen,
untereinander zu kooperieren, von denen hier einige genannt werden sollen.
82
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 127.
33
4.1.1.1. Die Arabische Liga
Die Arabische Liga, gegründet am 22.3.1945 in Kairo, sollte Wegbereiter der
arabischen Einheit sein und die politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Interessen aller arabischen Staaten bündeln. Gründungsmitglieder waren
Ägypten, Irak, Südjemen, Jordanien, Saudi-Arabien und Syrien, später
kamen Algerien, Dschibuti, Komoren, Libyen, Marokko, Mauretanien,
Somalia, Sudan und Tunesien aus Afrika hinzu und aus Asien Bahrain,
Nordjemen, Katar, Kuwait, Libanon, Oman, Palästina und die Vereinigten
Arabischen Emirate.83
Abb. 6: Die Mitglieder der Arabischen Liga.
Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 57.
Bis heute ist es aber nicht gelungen, eine arabische Solidarität unter den
Staaten zu erreichen, wie sie noch 1996 auf dem Sondergipfel in Kairo
gefordert wurde. Es gelang zum Beispiel nicht, eine einheitliche Haltung zur
Rückgabe der besetzen Gebiete gegenüber Israel zu erreichen84. Die
Vorstellung einer arabischen Nation wird daher bis auf weiteres ein
"Märchen"85bleiben.
83
Vgl. Abb. 6: Die Mitglieder der Arabischen Liga.
Fischer Weltalmanach 2001, S. 965 unter dem Stichwort "Arabische Liga".
85
So der Kuwaiti Abdulla Bishara während des Kuwait-Krieges, zitiert nach: Kistenfeger,
Hartmut: Maghreb.Union und Golfrat: Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 6.
84
34
4.1.1.2. Der Arabische Gemeinsame Markt
Der Arabische Gemeinsame Markt (Arab Common Market, ACM) kam 1964
durch eine Resolution des Council of Arab Economic Community (CAEU)
zustande und wurde 1968 durch Ägypten, Irak, Jordanien und Syrien, später
vom Jemen (von 1982-1990 Demokratische Volksrepublik Jemen, seitdem
Vereinigtes Jemen), Libyen und Mauretanien ratifiziert. Der Gemeinsame
Arabische Markt sollte langfristig ähnlich wie die EG eine Zollunion zwischen
den arabischen Staaten schaffen, doch kam es lediglich in den ersten
Jahren nach der Ratifizierung zu einem Zollabbau der Staaten
untereinander, aber zu weiteren Integrationsmaßnahmen kam es nicht86.
Der gemeinsame Arabische Markt ist vollständig gescheitert. Da mehrere
arabische Staaten am gemeinsamen Markt nicht teilnehmen, fehlt es
geografisch an einem zusammenhängenden Wirtschaftsraum und wichtigen
Absatzmärkten; weil darüber hinaus politische Konflikte der beteiligten
Staaten den Zusammenhalt des ACM insgesamt gefährden, wird dieser
Markt in absehbarer Zeit bedeutungslos bleiben87.
4.1.1.3. Die Arabische Maghreb Union
Die Union des Arabischen Maghreb (UMA oder AMU) wurde am 17.2.1989
im marokkanischen Marrakesch gegründet und sollte vor allem die politi-
Abb. 7: Die Mitglieder der AMU
Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 528.
86
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 11
unter dem Stichwort "ACM".
87
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 12
unter dem Stichwort "ACM".
35
sche Versöhnung der arabischen Staaten vom Atlantischen Ozean
(Marokko) bis zum Mittelmeer (Tunesien, Libyen) erreichen88.
Diese Union des arabischen Westens (Maghreb = Westen) war erst möglich
geworden, nachdem es 1987 sowohl zwischen Marokko und Algerien als
auch zwischen Tunesien und Libyen sowie Algerien und Libyen zur
Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen gekommen war89.
Auch die Arabische Maghreb Union hatte die EG zum Vorbild. Vor allem
eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit nach dem Muster des EGBinnenmarktes wollte sich die AMU vornehmen. Zwar ist es bisher nicht
gelungen, die unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Länder zu
vereinheitlichen, so dass die AMU noch keine besondere wirtschaftliche und
politische Bedeutung hat, doch wird am Ziel der AMU festgehalten und
sogar eine größere Union unter Einschluss aller arabischen Staaten in Afrika
angestrebt90.
4.1.2. Der Schutz der Bodenschätze als Grundlage
für Zusammenarbeit
Viele arabische Staaten sind reich an Ölvorkommen, die somit auch die
wichtigste Einnahmequelle für diese Länder darstellen. Um diesen Reichtum
zu sichern, haben einige Staaten Kooperationsabkommen geschlossen.
4.1.2.1. Der Golfkooperationsrat (GCC)
Der Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council, GCC) ist ein regionaler
Zusammenschluss ölexportierender Staaten, der durch äußere Gefahren
möglich wurde. Mitglieder des Golf-Kooperationsrates sind die Staaten
Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten
Arabischen Emirate91.
88
Vgl. Abb. 7: Die Mitglieder der AMU.
Vgl. Baratta, Mario von: Fischer Almanach 1995, S. 529 f. unter dem Stichwort "UMA".
90
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 247
unter dem Stichwort "UMA".
91
Vgl. Abb. 8: Der Golf-Kooperationsrat (GCC).
89
36
Abb. 8: Der Golf-Kooperationsrat (GCC)
Quelle: Fischer Weltalmanach 2001, S. 976.
Die Gründung des Golf-Kooperationsrates am 14.2.1981 war eine Reaktion
auf die Revolution im Iran, also den Sturz des Schahs durch das KhomeiniRegime, den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan und den Beginn des
Golfkriegs zwischen dem Irak und dem Iran92. Unter dem Eindruck der
iranischen Revolution und der Kriege rundherum standen auch die Ziele des
GCC, nämlich die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik
der Mitgliedsstaaten zur Sicherung der eigenen Erzeugnisse, vor allem des
Erdöls, und der Erhalt der Sicherheit und Stabilität der Golfregion etwa durch
gemeinsame Abwehr von Terroraktionen93.
1984 hat die GCC eine gemeinsame Sicherheitstruppe unter saudiarabischer Führung aufgestellt. In der Außenpolitik unterstützte die GCC im
ersten Golfkrieg den Irak gegen den Iran. Wirtschaftspolitisch orientiert sich
die GCC weitgehend an der EG. Bereits 1983 wurde nach diesem Vorbild
Zollfreiheit für landwirtschaftliche und industrielle Güter sowie
Gleichberechtigung der Bürger in vielen Bereichen eingeführt94. 1988 wurde
mit der EG sogar selbst kooperiert und ein Rahmenabkommen
abgeschlossen. Im November 1999 beschlossen die Teilnehmerstaaten die
Schaffung einer Zollunion95. Seit 1991 haben die meisten Mitglieder
Sicherheitsabkommen mit NATO-Staaten. Ein positiver Aspekt des GCC ist,
dass die Teilnehmerstaaten in kritischen Phasen wie den Golfkriegen
zusammengestanden haben und eine Gemeinschaft insgesamt entstanden
ist. Gemeinsam wurde auch einigen Staaten in der Golfregion wie etwa Irak,
Jemen und Iran die Mitgliedschaft bisher verweigert96.
92
Vgl. Baratta, Mario von, Fischer Almanach 1995, S. 269 unter dem Stichwort "GCC".
Vgl. Baratta, Mario von, Fischer Almanach, S. 270 unter dem Stichwort "GCC".
94
Vgl. Baratta, Mario von: Internationale Organisationen, S. 223 f. unter dem Stichwort
"GCC".
95
Fischer Weltalmanach 2001, S. 976 unter dem Stichwort "GCC".
96
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 133
unter dem Stichwort "GCC".
93
37
Das gemeinsame Zusammenstehen darf allerdings auch nicht darüber
hinwegtäuschen, dass durch die Kuwait-Krise das arabische Lager tief
gespalten ist, weil die Idee der arabischen Einheit durch die unterschiedliche
Haltung gegenüber dem Irak während der Krise weiter "diskreditiert"
wurde97, auch der GCC von dieser Spaltung mit betroffen ist und sich in
einer "Identitätskrise" befindet98. Aufgrund der bisherigen Erfolge und der
Zusammenarbeit ist jedoch am Fortbestand des GCC kaum zu zweifeln.
4.1.2.2. Die Economic Cooperation Organization (ECO)
Eine weitere erwähnenswerte regionale Zusammenarbeit, bei der es
inzwischen vor allem um die Erschließung und Nutzung der Bodenschätze
geht, ist die Economic Cooperation Organization (ECO) von 1985 mit den
Mitgliedern Afghanistan, Aserbaidschan, Iran, Kasachstan, Kirgistan,
Pakistan, Türkei, Turkmenistan, Tadschikistan, Usbekistan und Nordzypern.
Einige dieser Staaten wie Iran, Kasachstan oder Usbekistan gehören zu den
erdöl- und erdgasreichsten Ländern der Welt, Kasachstan und Tadschikistan
besitzen riesige Mengen von Gold, Silber und Uran99.
Die ECO ist eine Wiederbelebung der Wirtschaftsgemeinschaft der Regional
Cooperation for Development (RCD) von 1964, die bis zum Sturz des
Schahs 1979 existierte, aber in dieser Zeit nur wenige wirtschaftsfördernde
Projekte voranbrachte100.
Ursprünglich bestand die ECO nur aus den drei Gründungsmitgliedern Iran,
Pakistan und Türkei. Inzwischen ist die Mitgliederzahl auf elf angestiegen.
Trotz sehr unterschiedlicher und untereinander zum Teil verfeindeter
Teilnehmerstaaten ist bisher noch kein Mitglied aus dem Verbund
ausgetreten, was bereits ein erster Erfolg dieses Zusammenschlusses ist.
Was die Zusammenarbeit der ECO-Länder insgesamt angeht, so ist sie
andererseits wegen der extrem schwierigen politischen und ethnischen
Probleme in den Teilnehmerländern bisher kaum über die alte RCD
hinausgekommen, hat aber bemerkenswerte Ergebnisse auf subregionaler
und kultureller Ebene, wie etwa die militärische und wirtschaftliche Union
von Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan von 1994101 und die
97
Vgl. Koszinowski, Thomas: Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt
1997, S. 276-285 (276).
98
Vgl. Baratta, Mario von, Fischer Almanach 1995, S. 27 unter dem Stichwort "GCC".
99
Zu den Bodenschätzen Alkazaz, Aziz: Economic Cooperation Organiza-tion (ECO):
Strukturen eines neuen Wirtschaftsraumes, in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, S. 249-258
(251 f.)
100
Vgl. Baratta, Mario von, Fischer Almanach, S. 190 unter dem Stichwort "ECO".
101
Vgl. Alkazaz, Aziz: Economic Cooperation Organisation (ECO): Strukturen eines neuen
Wirtschaftsraumes, in: Jahrbuch Dritte Welt 1996, S. 249-258 (253).
38
Zusammenarbeit bei Transport, Verkehr und Verbindungswesen zwischen
den Gründerstaaten Türkei, Iran und Pakistan.
4.2. Ausblick und Zusammenfassung
"Region ohne Regionalisierung"
Die Region Naher und Mittlerer Osten kennt keine Regionalisierung. Hier
auch nur im Entferntesten an dauernde Verständigung oder gar Integration
zu denken hieße, die Wirklichkeit zu verkennen.
Doch auch dieses krisengeschüttelte Gebiet ändert sich. Eine dauerhafte
umfassende Integration im Nahen und Mittleren Osten ist zwar nach wie vor
in weiter Ferne, doch geben die inzwischen zunehmend erfolgreichen
regionalen Integrationsansätze Anlass zur Hoffnung. Nach dem Scheitern
des Gemeinsamen Arabischen Marktes und dem tiefen Riss in der
arabischen Welt nach der Kuwait-Krise hat die Arabische Idee zwar schwere
Rückschläge erlitten, der Nahe und Mittlere Osten entwickelt sich aber
nunmehr zu einem Gebiet, in dem immer mehr auf regionaler und bilateraler
Ebene kooperiert wird. Gedanken der Versöhnung sowie Sorgen und Ängste
üben hier offensichtlich einen Zwang aus, der die Staaten langsam dazu
bringt, alten Hass zurückzustellen und vorsichtig zu beginnen, einzeln zu
kooperieren.
Die Einsicht, dass es ohne Versöhnung keinen Aufschwung und keine
friedliche Zukunft geben kann, führte bereits zur Gründung der Arabischen
Maghreb Union, jenem vom Atlantik bis zum Mittelmeer reichenden
Zusammenschluss, dessen Bund aus Staaten besteht, die sich von jeher mit
Misstrauen und Verachtung betrachteten.
Auch die Gemeinschaft der ölexportierenden Staaten, die sich nach ihrer
geographischen Lage Golf-Kooperationsrat nennt, hat ja ihren Ursprung in
der gemeinschaftlichen Sorge um die Sicherheit der Region, die nach dem
Sturz des Schah und der darauffolgenden fundamentalistischen Regierung
des Khomeini-Regimes sowie der Golfkriege, die diese Staaten als QuasiAugenzeugen erlebten, in einem solchen Maße bedroht war, dass die
Staaten gemeinsam handeln mussten.
Sogar Israel, das jahrzehntelang isoliert war, strebt neben der Mitgliedschaft
in der EU neuerdings auch erste Kooperationen mit islamischen Staaten an.
Seit Saddam Hussein durch den Kuwait-Angriff nicht nur Israel, sondern
auch die arabische Welt in Aufruhr gebracht hat, hat Israel auch bei den
arabischen Staaten bessere Karten. Mit den Golfstaaten und dem Jemen
haben bereits einige Länder signalisiert, mit Israel Frieden schließen zu
39
wollen, zudem wurden mit dem Oman Handelsvertretungen vereinbart, und
auch Katar hat sich bereit erklärt, Erdgas nach Israel zu liefern102. Nachdem
bereits Jordanien und die PLO mit Israel über Frieden verhandeln, scheint
für Israel nur noch der Konflikt mit Syrien wirklich von Bedeutung zu sein,
wenn der Friedensprozess nicht vollends scheitert103. Auch wenn ein Ende
der Auseinandersetzungen mit dem nördlichen Nachbarstaat nicht in Sicht
ist, so zeichnet sich auch hier ab, dass die Karten neu gemischt werden.
Hinzu kommt, dass Israel durch sein neues Bündnis mit der Türkei einen
Trumpf in der Hand hat. Gleichzeitig ist diese israelisch-türkische
Annäherung, die bereits zu militärischer Zusammenarbeit geführt hat, eine
neue Bedrohung für den Friedensprozess. Nicht nur, dass nun all jene
Mächte, die selbst eine Vormachtrolle in der Region spielen wollen, die
Annäherung zwischen Israel und der Türkei fürchten, wie der wegen seines
radikalen islamischen Fundamentalismus gefürchtete Iran oder auch
Ägypten104. Gerade ist ein neuer Konflikt zwischen Syrien und der Türkei
wieder aufgeflammt, der Konflikt um das Euphratwasser, also um die
Ressource, um die es in den nächsten Jahren die wohl häufigsten örtlichen
Konflikte geben wird 105.
Durch alle diese neuen Allianzen und Änderungen der bisherigen
Koalitionen bekommt die Regionalisierungsentwicklung im Nahen Osten ihre
Eigendynamik. Einerseits gelingt es nun Ländern wie Israel, endlich aus der
Isolation zu treten und Partnerschaften einzugehen, andererseits verstärken
diese neuen Koalitionen auch das allgemeine Misstrauen in diesem Gebiet,
so dass diese Gegend unruhig bleibt und daher an eine umfassende
Integration in dieser Krisenregion in naher Zukunft nicht zu denken ist.
102
Vgl. Koszinowski, Thomas:
1997, S. 276-285 (278 f.).
103
Vgl. Koszinowski, Thomas:
1997, S. 276-285 (279).
104
Vgl. Koszinowski, Thomas:
1997, S. 276-285 (282).
105
Vgl. Koszinowski, Thomas:
1997, S. 276-285 (281).
Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt
Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt
Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt
Neue Allianzen im Nahen Osten? in: Jahrbuch Dritte Welt
40
5. Amerika
Auch auf dem amerikanischen Kontinent gibt es eine Reihe bedeutsamer
Regionalisierungsversuche, von denen einige aktuelle Zusammenschlüsse
im Folgenden näher dargelegt werden.
5.1. Ansätze regionaler Zusammenarbeit in
Nordamerika
Die Regionalisierung Nordamerikas wird dominiert durch das
Nordamerikanische Freihandelsabkommen, das deshalb zunächst behandelt
wird.
5.1.1. Das Nordamerikanische
Freihandelsabkommen (NAFTA)
Das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA (North American
Free Trade Agreement) vom 17.11.1993 hat die Mitglieder Kanada, die USA
und Mexiko106; vorher hatten sich bereits die USA und Kanada zu einem
Freihandelsabkommen (CUFTA) zusammengeschlossen107.
5.1.1.1. Die wirtschaftliche Bedeutung der NAFTA
Neben dem Europäischen Wirtschaftsraum EWR ist die NAFTA die größte
Freihandelszone der Welt108. Zwischen den USA, Mexiko und Kanada
bestehen enge wirtschaftliche Beziehungen, denn Kanada führt allein etwa
78% seiner Exporte in die USA aus und bezieht von dort 66% seiner
Importe, während Mexiko etwa 76% der Exporte in die USA ausführt und
106
Vgl. Abb. 9: Die Staaten der NAFTA.
Zur Entstehung von CUFTA und NAFTA s. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im
Welthandel, S. 82.
108
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 148 unter dem Stichwort "NAFTA".
107
41
70% der Importe aus den USA stammen109. Mit etwa 370 Millionen
Menschen und einem Bruttosozialprodukt von rund 6500 Mrd. US-Dollar
entsteht mit der NAFTA ein größerer Markt als die EG. Man schätzt die
Gewinne durch die NAFTA für Mexiko und die USA auf etwa 15 Mrd. USDollar pro Jahr110.
Abb. 9: Die Staaten der NAFTA
Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 423.
Daher ist wohl auch der hohe Zufluss von Auslandskapital in Höhe von 30
Mrd. Dollar seit dem Regierungsantritt Salinas Ende 1988 als eine
vorweggenommene Reaktion auf den durch die NAFTA zu erwartenden
Modernisierungsschub in Mexiko anzusehen111.
Ein wesentlicher Unterschied der NAFTA im Vergleich zu anderen
Freihandelszonen wie etwa der EG besteht vor allem darin, dass es sich um
ein Abkommen zwischen zwei fortgeschrittenen Industrieländern und einem
eher noch unterentwickelten Schwellenland handelt. In dieser Tatsache sind
wohl auch die Gründe zu suchen, weshalb es bereits bei der Ratifizierung
des NAFTA-Abkommens zu Problemen kam.
109
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 148 unter dem Stichwort "NAFTA".
110
Vgl. Hufbauer, Gary / Schott, Jeffrey: Free Trade Areas, the Enterprise for the Americans
Initiative, and the Multilateral Trading System, in: Bradford, Colin: Strategic Options for
Latin America in the 1990s, S. 249 f.
111
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 85.
42
Denn neben anderen Organisationen drängten ein Teil der amerikanischen
Kongressabgeordneten
und
Gewerkschaften
auf
sozialund
um
besonders
arbeitspolitische
Verbesserungen
im
Vertrag112,
Sozialdumping wegen des Lohn- und Arbeitsgefälles zwischen Mexiko und
den USA zu verhindern. Deshalb wurden Zusatzabkommen zur NAFTA
abgeschlossen, in denen Mexiko verpflichtet wurde, die nationalen
Mindeststandards streng einzuhalten und zu kontrollieren und dafür zu
sorgen, dass die Arbeitsschutzbestimmungen verbessert werden113.
5.1.1.2. Die Intentionen der Länder für den Abschluss des
Abkommens
Die wichtigsten Ziele des NAFTA-Abkommens sind der Abbau von Zöllen
innerhalb von 10 Jahren, die Einführung von Schlichtungsverfahren für
Streitigkeiten über Straf- und Antidumpingzölle sowie weitere Bestimmungen
und Ausnahmeregelungen für bestimmte Bereiche wie Landwirtschaft,
Dienstleistungen114 und Personenkraftwagen115. Diese Maßnahmen konnten
weitgehend termingerecht umgesetzt werden116.
Die Ziele der einzelnen Staaten für dieses Abkommen waren jedoch sehr
unterschiedlich: Mexiko erwartete vom NAFTA-Abkommen vor allem eine
Steigerung des Realeinkommens um 5% und hoffte mit einigem Erfolg
darauf, die Kapitalflucht aus Mexiko einzudämmen117 .
Für Kanada stand offiziell an allererster Stelle ein besserer Zugang zum
amerikanischen Markt118 sowie die Verbesserung der Absatzchancen in
Mexiko, einem bisher relativ kleinen Exportmarkt119.
Allerdings dürfte das Ziel des Abbaus von Zöllen dabei nur ein
vorgeschobenes Argument für das Abkommen gewesen sein, da zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon 70% der kanadischen Exporte
112
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 150. unter dem Stichwort "NAFTA".
113
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 150 unter dem Stichwort "NAFTA".
114
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 82.
115
Dazu ausführlich Frontzkowski, Katja: Die Probleme des kanadischen Außenhandels
unter Berücksichtigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens, S. 20 ff.
116
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 150 unter dem Stichwort "NAFTA".
117
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen,
S. 150 unter "NAFTA".
118
Vgl. Helstelä, Pekka: Risikominderung durch wirtschaftliche Integration:
Freihandelsabkommen in Nordamerika, S. 43 m. w. N.
119
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 85.
43
zollfreien Zugang zu den USA hatten und nur 4%-5% der Waren mehr als
5% an Zöllen zu tragen hatten120. Daher ging es den Kanadiern wohl weniger
um einen "besseren" Zugang zum amerikanischen Markt als vielmehr um
einen "sicheren"121, also vor allem um Schutz vor zukünftigen
Protektionsmaßnahmen der USA122.
Treibende Kraft des NAFTA-Abkommens ist jedoch nach wie vor die USA,
die sich durch das Abkommen mehrere Verbesserungen versprach.
Zunächst einmal war für die USA die Stabilisierung der Wirtschaft und der
Politik Mexikos wichtig. Das Verhältnis zu Mexiko, welches in der
Vergangenheit immer wieder mit Konflikten behaftet war, sollte durch das
Abkommen reformiert werden123. Außerdem hoffte man in den USA, dass
sich die wirtschaftliche Lage Mexikos durch das Abkommen stark
verbessern würde und vor allem die hohe illegale Einwanderung von
Mexikanern in die USA, die an der Grenze zu Kalifornien bereits zum
"Mauerbau" geführt hat, erheblich vermindert werden könnte.
Diese Hoffnung hat sich allerdings nicht erfüllt. Denn durch den Aufschwung
der mexikanischen Wirtschaft hat sich in Mexiko die Kluft zwischen dem
relativ reichen Norden und dem armen Süden weiter vergrößert, die
Migrationswelle innerhalb Mexikos verschärft und die Zahl der illegalen
Einwanderer in die USA bisher nicht abgenommen124. Eine weitere Hoffnung
der USA war, dass durch die Stabilisierung Mexikos durch das NAFTAAbkommen der Drogenhandel in Mexiko eingedämmt werden könnte125. Ob
sich diese Hoffnung erfüllt, wird man erst in ein paar Jahren sagen können.
120
Vgl. Rotstein, Abraham: Hidden Costs of Free Trade in International Perspectives,
S. 3 ff.
121
Vgl. Helstelä, Pekka: Risikominderung durch wirtschaftliche Integration:
Freihandelsabkommen in Nordamerika, S. 43 m. w. N.
122
Dazu Rotstein, Abraham: Hidden Costs of Free Trade in international perspectives,
S. 3 ff.
123
Vgl. Lange, Joachim: Die politische Ökonomie des Nordamerikanischen
Freihandelsabkommens NAFTA, S. 196.
124
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen,
S. 150 unter "NAFTA".
125
Dazu
Lange,
Joachim:
Die
politische
Ökonomie
des
Nordamerik.
Freihandelsabkommens NAFTA, S. 201 f.
44
5.1.2. Die neue handelspolitische Orientierung der USA
Eine der schwierigsten und in der Literatur umstrittensten Fragen126 ist die,
ob die Einführung der NAFTA eine neue handelspolitische und
gesamtwirtschaftliche Orientierung der USA darstellt.
Da sich die Handelsbilanz der USA seit 1950 bis in die achtziger Jahre stetig
verschlechtert hatte, interpretierten viele Autoren diesen Umstand als
Zeichen schwächerer internationaler Wettbewerbsfähigkeit der USA und
eine Art "Hegemonieverfall"127.
Die Gründung der NAFTA an sich hatte, wie oben dargelegt, viele Gründe.
Dabei muss man jedoch auch die sich neu entwickelnde Weltkarte
betrachten. Die EG war 50 Jahre nach Kriegsende ein starker
Wirtschaftsblock geworden, während mit Asien und Japan und den dortigen
Tigerstaaten weitere weltweite Konkurrenz durch regionale Zusammenarbeit
aufkam. Daher war es nur folgerichtig, dass die USA bei diesen
Regionalisierungstrends mitmachen bzw. gegensteuern musste, um den
Anschluss nicht zu verpassen, z.B. dadurch, dass sich mögliche
Partnerstaaten anderweitig zusammenschließen.
5.2. Regionalisierungsversuche in MittelAmerika
Mittelamerika versucht sehr intensiv, eine Zusammenarbeit unter den
Staaten zu erreichen, hat aber mit schweren politischen und sozialen
Problemen zu kämpfen.
5.2.1. Die Karibische Gemeinschaft (CARICOM)
Die Karibische Gemeinschaft (CARICOM) wurde 1973 gegründet.
Folgende Staaten gehören ihr derzeit als Mitglieder an: Antigua und
Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, Grenada, Guyana,
Jamaika, Montserrat, St. Kitts-Nevis, St. Lucia, Surinam, St. Vincent & the
Grenadines sowie Trinidad und Tobago.
126
Siehe dazu Lange, Joachim: Die politische Ökonomie des Nordamerikanischen
Freihandelsabkommens, S. 202 ff. m. w. N.
127
Vgl. Lange, Joachim: Die politische Ökonomie des Nordamerikanischen
Freihandelsabkommens, S. 203 m. w. N.
45
Abb. 10: Die Mitglieder von Caricom und SICA (ohne das kürzlich der
Caricom beigetretene Surinam)
Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 511.
Der Gedanke einer Karibischen Gemeinschaft entstand Mitte der sechziger
Jahre, als sich abzeichnete, dass Großbritannien der EG beitreten werde
und damit der traditionelle Markt für die bis dahin unter britischer Herrschaft
stehenden Inselstaaten entfallen könnte128. Somit wurde 1967 nach dem
Vorbild der EFTA die Karibische Freihandelszone (CARIFTA) gegründet129.
Für die industrialisierten Staaten Barbados, Guyana, Jamaika, Trinidad und
Tobago
bedeutete
dieser
Zusammenschluss
einen
schnellen
wirtschaftlichen Aufschwung, während die weniger entwickelten Staaten
nicht profitieren konnten, aber die gleiche Verteilung der Gewinne
verlangten130.
Kritisch wurde es, als die besser entwickelten Staaten die Umwandlung der
Freihandelszone in eine Zollunion mit gemeinsamem Außenzoll erreichen
wollten und die weniger entwickelten Länder aus Angst vor Benachteiligung
128
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 131.
129
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 131.
130
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried; Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 131.
46
die Verhandlungen blockierten131. Nach langen, schwierigen Verhandlungen
konnten sich die Staaten einigen und im Vertrag von Chaguaranamas 1973
die CARICOM bilden.
Im Gegensatz zur Vorgängerin CARIFTA stellt die CARICOM eine Zollunion
dar. Nach einer Konferenz der Regierungschefs der Karibischen
Gemeinschaft sollte diese Zollunion bis zum 1.1.1998 verwirklicht werden,
was auch gelungen ist132, da bereits Mitte des Jahres 1993 alle regionalen
Handelsbarrieren abgeschafft worden sind. Ein weiteres Ziel der Staaten der
CARICOM ist die Schaffung der Voraussetzungen für Niederlassungs- und
Dienstleistungsfreiheit und der Schutz vorhandener Ressourcen in der
Region133.
1994 wurden die Mitgliedsländer der CARICOM auch Mitglieder der
Vereinigung Karibischer Staaten (Association of Carribean States, ACS).
Wirtschaftlich bedeutsam für die CARICOM-Staaten ist die "Carribbean
Basin Initiative (CBI)". Die CBI war eine Idee Ronald Reagans, mit der den
karibischen Staaten dadurch Entwicklungshilfe zuteil werden sollte, dass
Erzeugnisse aus der Gegend zollfrei nach Amerika eingeführt werden und
mit Hilfe von Steuersubventionen US-amerikanische Firmen stärker in der
Karibik investieren sollten134. Hinzu kommen jährliche Finanzhilfen und
Unterstützungsleistungen für die technische Ausbildung135.
Die Möglichkeit, bestimmte Produkte zollfrei in die USA einführen zu dürfen,
war ein beachtlicher Wettbewerbsvorteil für die CARICOM-Staaten
gegenüber anderen Staaten. Durch die Eingliederung Mexikos in die NAFTA
haben die CARICOM-Staaten diesen Vorteil verloren. Trotz der damit
verbundenen Probleme wollen die CARICOM-Staaten dennoch nicht der
NAFTA beitreten, sondern lieber ihre Privilegien für den US-Markt
wiederbekommen. Dazu ist die US-Regierung jedoch schon allein deshalb
nicht bereit, weil sich die CARICOM-Staaten bemühen, Kuba zu integrieren,
indem sie die Aufnahme des Castro-Staates in die ACS befürworten136.
Auch wenn über die aktuellen wirtschaftlichen Sorgen der einzelnen
Mitgliedsstaaten nicht hinweggesehen werden kann, ist dennoch zu
konstatieren, dass die Regionalisierungsansätze in der Karibik recht weit
fortgeschritten sind, wenn man die Schwierigkeiten bei der Bildung der
131
Vgl. Lang, Winfried in: Esterbauer, Fried / Lang, Winfried; Integration und Kooperation in
Nord und Süd, S. 131.
132
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 26
unter dem Stichwort "CARICOM".
133
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 27
unter "CARICOM".
134
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 86.
135
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 27
unter dem Stichwort "CARICOM".
136
Ähnlich Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 27 unter dem Stichwort "CARICOM".
47
CARICOM und die sehr unterschiedlichen ökonomischen Voraussetzungen
der Staaten bedenkt, selbst wenn der Handel noch nicht sehr intensiv ist.
5.2.2. Der Zentralamerikanische Gemeinsame Markt
(MCCA)
Der Zentralamerikanische Gemeinsame Markt ist der älteste
Integrationsversuch Mittelamerikas. 1960 wurde dieser "Mercado Comùn
Centroamericano" (MCCA) zwischen Guatemala, Nicaragua, Costa Rica und
Honduras geschlossen. Dass es überhaupt zum Vertragsschluss kam, lag
daran, dass die USA ihre Wirtschaftshilfe davon abhängig machte, dass die
einzelnen Regierungen die Einigung der Region forcierten137. Immerhin hat
der Vertrag den Integrationsprozess soweit gefördert, dass 1966 bereits der
Freihandel zu 94% verwirklicht und die Industrialisierung in dieser Region
vorangebracht worden war138. Ein endgültiger dauerhafter Regionalisierungserfolg war jedoch durch immer wiederkehrende kriegerische Auseinandersetzungen, beispielsweise zwischen Honduras und EL Salvador oder
Nicaragua, ausgeschlossen. Honduras schied nach dem Krieg gegen El
Salvador ganz aus dem Gemeinsamen Markt aus139.
Nach der Revolution in Nicaragua 1979 war die Hoffnung auf
Wiederbelebung dieses Marktes auf lange Sicht gesunken140 und Mitte der
achtziger Jahre kam es praktisch zum Zusammenbruch der Integrationsbemühungen, bis es 1990 auf einem Gipfeltreffen in Antigua in Guatemala
zu einem Neubeginn des MCCA kam. Das wichtigste Ziel dieses neuen
MCCA ist ein gemeinsames Zollsystem141.
Ob dieser Neubeginn des MCCA jedoch erfolgreich sein wird, ist zu
bezweifeln. Denn die bisherigen Integrationsbemühungen beseitigten nicht
die tieferen Ursachen der Probleme dieser Region, insbesondere soziale
und ethnische Konflikte wie z.B. ein hoher Grad an Analphabetismus und
vor allem die politische Instabilität dieser Region142.
137
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 110.
138
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 110.
139
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 110.
140
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 111.
141
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 299 unter dem Stichwort "Zentralamerikanischer Markt".
142
Ähnlich Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtachaftsorganisationen,
S. 299 unter dem Stichwort "MCCA".
48
5.2.3. Das Zentralamerikanische Integrationssystem
(SICA)
Ein weiterer Versuch, die gewaltigen politischen und sozialen Spannungen
in Lateinamerika abzubauen, ist das Zentralamerikanische Integrations143
system (System of Central American Integration, SICA) von 1993 ,
welches die Mitglieder Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras,
Nicaragua und Panama hat.
Die SICA ist eine Neuauflage der Organisation der Zentralamerikanischen
Staaten (ODECA). Die SICA will langfristig aus Zentralamerika eine
demokratische, freie und wirtschaftlich interessante Region machen; die
ersten Ansätze dazu bilden die Schaffung einer Zollunion und die Einführung
des freien Personenverkehrs144.
5.3. Integrationsgedanken in Südamerika
Südamerika hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie Mittelamerika und
war deswegen bei seinen bisherigen Integrationsversuchen ebenfalls wenig
erfolgreich, wie im Folgenden zu erkennen ist.
5.3.1. Die Lateinamerikanische
Integrationsassoziation (ALADI)
Die Lateinamerikanische Integrationsassoziation (ALADI = Asociatiòn
Latinoamericana de Integraciòn) wurde 1980 in Montevideo gegründet und
ist die geografisch umfassendste Verbindung lateinamerikanischer Staaten.
Mitglieder der ALADI sind Argentinien, Brasilien, Mexiko, Chile, Kolumbien,
Peru, Uruguay, Venezuela, Bolivien, Ecuador und Paraguay. Die ALADI hat
sich langfristig zum Ziel gesetzt, in Lateinamerika und Mexiko einen
Gemeinsamen Markt zu errichten145, indem die Staaten untereinander einen
Präferenzrahmen schaffen, in dem sich die Staaten je nach der
143
Vgl. Abb. 10 auf S. 43: Die Mitglieder von Caricom und SICA.
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 201 unter dem Stichwort "SICA".
145
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 1
unter dem Stichwort "ALADI".
144
49
wirtschaftlichen Entwicklung
Konzessionen einräumen.
des
Handelspartnerlandes
gegenseitig
Im Unterschied zur gescheiterten Vorgängerinstitution LAFTA (Latino
American Free Trade Agreement), die eine Freihandelszone schaffen sollte,
bei der allen Mitgliedern alle Konzessionen zugute kamen, versucht die
ALADI Fortschritte zu erzielen, indem die Konzessionen weitgehend
bilateral, also zwischen den Vertragspartnern, ausgehandelt werden und
auch nur dem Verhandlungspartner zustehen, wobei es allerdings seit 1984
wenigstens Minimalpräferenzen für die gesamte Assoziation gibt.
Bedeutsam
in
diesem
Zusammenhang
ist
auch
die
sog.
Meistbegünstigungsklausel, nach der die Mitgliedsstaaten der ALADI
Konzessionen, die sie Drittländern einräumen, auch den Mitgliedsstaaten
der Gemeinschaft zu gewähren haben146.
Seit 1991 gibt es mit der EG ein Übereinkommen über wirtschaftliche
Zusammenarbeit, das für die Integration in der Zukunft bedeutsam sein
kann147. Dass diese Region insgesamt überhaupt integrationsfähig ist, wird
oft bezweifelt, da sie seit jeher große innere Unterschiede aufweist148 und
daher auch das regionale Bewusstsein in dieser Region nur sehr begrenzt
vorhanden sei. Dies liegt allerdings auch an der politischen Situation in
dieser Region. Obwohl demokratische Systeme allmählich zunehmen, sind
auch Militärdiktaturen wie in Paraguay nach wie vor präsent. Immerhin hat
der regionale Handel seit Gründung der Organisation zugenommen, auch
deshalb, weil z.B. Argentinien, Bolivien, Chile Paraguay und Uruguay
untereinander wichtige Märkte darstellen149.
146
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 92.
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 3
unter dem Stichwort "ALADI".
148
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 142.
149
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 143.
147
50
5.3.2. Der Gemeinsame Markt des ganzen Südens
(MERCOSUR) 150
Der Gemeinsame Markt des ganzen Südens (Mercado Comùn del Cono
Sur, MERCOSUR) wurde 1991 in Asuncion in Paraguay zwischen
Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay geschlossen, um unter diesen
Mitgliedern einen gemeinsamen Markt mit freiem Dienstleistungs- und
Produktionsverkehr zu schaffen und eine einheitliche Wirtschaftspolitik und
Gesetzgebung zu erreichen151. Seit dem Jahre 2000 ist auch Chile
Vollmitglied.
Abb. 11:
Die Mitglieder des Mercosur (Chile ist seit dem Jahre 2000
Vollmitglied)
Quelle: Fischer Weltalmanach 2001, S. 983.
150
Vgl. Abb. 11: Die Mitglieder des Mercosur.
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 144 unter dem Stichwort "MERCOSUR".
151
51
Derzeit gilt der MERCOSUR in Lateinamerika trotz erheblicher politischer
und wirtschaftlicher Schwierigkeiten als der hoffnungsvollste Integrationsversuch152.
5.3.3. Die Andengruppe
Ein weiterer Regionalisierungsversuch in Lateinamerika ist die Andengruppe
(oder der Andenpakt) mit Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und
Venezuela, die 1969 durch das Abkommen von Cartagena in Kolumbien
gegründet wurde. Die ersten zwei Jahrzehnte brachten jedoch nicht die
gewünschten Erfolge. Einheitliche Außenzölle, die bis 1975 errichtet werden
sollten, wurden nicht erreicht. Seit 1990/91 soll eine Freihandelszone
errichtet werden, und für später ist die Errichtung eines Gemeinsamen
Marktes vorgesehen153. Bisher hatte die Andengruppe keinen Erfolg. Von
Anfang an sprach auch alles dagegen, dass es hier zu einer dauerhaften
Integration kommen könnte. Politische Probleme verhinderten den Erfolg der
Organisation.
Das ursprünglich beteiligte Chile schied 1976 aus dem Verband aus, und
Venezuela konnte erst 1973 nach internen Problemen dazustoßen. Seit
1992 lässt Peru die Mitgliedschaft ruhen; es kann somit angenommen
werden, dass dieses Land - politische Kontinuität vorausgesetzt - in
absehbarer Zeit die Mitgliedschaft endgültig kündigen wird154.
Auch die wirtschaftlichen und politischen Strukturen machen wenig
Hoffnung. Die Hauptprodukte Erdöl und Kaffee sind stark exportabhängig.
Insbesondere Kolumbien und Bolivien sind durch den Einfluss mächtiger
Drogensyndikate innenpolitisch unter Druck geraten. Als ein pluralistischdemokratisches System könnte man allenfalls Venezuela bezeichnen155.
Aber gerade dieser Staat machte jüngst Schlagzeilen wegen angeblicher
Korruption und Veruntreuung von Staatseinnahmen. Die Konsequenz aus all
den bisherigen Missständen ist, dass dieser Regionalisierungsversuch als
gescheitert anzusehen ist und sich bald auflösen könnte156.
152
Dazu ausführlich das Sonderheft Lateinamerika der Zeitschrift "AußenWirtschaft" 1995,
insbesondere die Abhandlung auf den Seiten 4-5: Ein Markt, an dem man nicht
vorbeigehen kann.
153
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 6
unter dem Stichwort"Andenpakt".
154
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 6
unter dem Stichwort "Andenpakt".
155
Vgl. Lang, Winfried in: Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in
Nord und Süd, S. 126.
156
So auch Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen,
S. 7 unter dem Stichwort "Andenpakt".
52
5.4. Die Regionalisierung des gesamten
Kontinents
Neben den geografisch begrenzten Verbindungen in Nord-, Mittel- und
Südamerika gibt es auch Ansätze zu gesamten kontinentalen
Zusammenschlüssen, die nachfolgend behandelt werden.
5.4.1. Die Gruppe der Drei (G-3)
Unter der Gruppe der Drei ist der Zusammenschluss der erdölfördernden
Länder Kolumbien, Venezuela und Mexiko zu verstehen, um die
wirtschaftliche und politische Integration ihrer Länder durch eine
Freihandelszone zu fördern. Dabei sollen schrittweise die Handelszölle
abgebaut werden. Weil Mexiko Mitglied ist, bedeutet dieser
Zusammenschluss für Kolumbien und Venezuela den Zugang zur
nordamerikanischen Freihandelszone, während Mexiko durch die
Vereinbarung sich Handelsvergünstigungen mit den Staaten der
Andengruppe erhoffen kann157.
5.4.2. Die Freihandelszone Alaska-Feuerland (FTAA)
Ein aktuelles globales Integrationsprojekt stellt die Freihandelszone AlaskaFeuerland (Free Trade Area of the Americans) dar. Nach dieser Idee soll es
als Gegengewicht zur EU und Südasien eine westliche Freihandelszone von
Alaska bis Feuerland geben. Damit entstünde der weltweit größte
Binnenmarkt, wenn es gelänge, alle noch existierenden Zölle abzubauen
und demokratische Systeme in allen Mitgliedsstaaten einzuführen158.
157
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 94.
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 83
unter dem Stichwort "FTAA".
158
53
5.4.3. Die Organisation Amerikanischer Staaten
(OAS)
Die Organisation amerikanischer Staaten (Organization of American States,
OAS) ist ein Zusammenschluss von derzeit 35 amerikanischen Staaten, der
sich an der Charta der Vereinten Nationen orientiert und sich daher
ursprünglich insbesondere um den Frieden auf dem amerikanischen
Kontinent kümmerte. Daneben ist inzwischen der Aufgabenbereich
ausgedehnt worden und Umweltschutz, Drogenbekämpfung und
wirtschaftliche Unterstützung hinzugekommen. Das Hauptgewicht in der
OAS haben die Vereinigten Staaten. Daher sind die Ziele der OAS häufig
identisch mit denen der USA. Augenblicklich unterstützt die USA die OAS
ganz besonders, da die OAS sowohl von Nordamerika als auch von den
lateinamerikanischen Staaten als Verhandlungsinstitution akzeptiert wird
und die USA die lateinamerikanische Haltung zur Freihandelszone AlaskaFeuerland so in ihrem Sinne zu verändern versucht159.
5.5. Zusammenfassung und Ausblick:
"Von Alaska bis FeuerlandEin Amerika"
500 Jahre nach Kolumbus wird Amerika wieder entdeckt. Die Region
Amerika soll eins werden -zumindest wirtschaftlich. Geht es nach den
Vorstellungen der US-Regierung, so soll es bis zum Jahre 2005 "über alle
politischen und ideologischen Grenzen hinweg" von Alaska bis Feuerland
einen einheitlichen zollfreien Wirtschaftsraum (FTAA) geben, dessen riesiger
Umfang bereits daraus abzuleiten ist, dass er mit der NAFTA die neben dem
Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) weltweit größte Freihandelszone
beinhalten und zusammen mit den mittel- und südamerikanischen Staaten
ein Gebiet mit ca. 850 Millionen Menschen umschließen soll160.
Dabei stehen die Zeichen für diese Integration alles andere als gut. Um
eine solche Riesenregion zu "regionalisieren", muss man über regionale
Unterschiede entweder ganz hinwegsehen oder sie als gegeben hinnehmen.
Bei der jetzt geplanten Freihandelszone FTAA sollen jedoch Regionen
integriert werden, die von ihrer inneren und äußeren Struktur her in ihrer
Unterschiedlichkeit Extreme aufweisen.
159
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen,
S. 155 unter dem Stichwort "OAS".
160
Vgl. die Abhandlung: Ein Markt, an dem niemand vorbeigehen kann, in: Zeitschrift
AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 4-6 (4).
54
Auf der einen Seite stehen die hochentwickelten und politisch stabilen
Länder wie die USA, die sich von der Zollfreiheit vor allem einen besseren
Zugang zu dem mittel- und südamerikanischen Märkten erhofft, um die
eigene Weltmarktstellung noch zu erweitern; sie profitieren von dem
Zusammenschluss.
Auf der anderen Seite stehen die Länder Mittel- und Südamerikas. Ein Ruf
eilt dieser Region voraus: Lateinamerika muss mit dem Image kämpfen,
Hochburg für Drogen, Korruption, ungleiche Eigentumsverhältnisse und
Brutstätte für Terror und Gewalt zu sein. Fast logischerweise sind in dieser
unsicheren Gegend alle bisherigen Integrationsversuche wie etwa die
Bildung eines gemeinsamen Marktes (MCCA) oder eine Zusammenarbeit
der Andenstaaten im Andenpakt fehlgeschlagen. Nach den bisherigen
Erfahrungen sind Zweifel sicherlich erlaubt, ob sich diese Region überhaupt
integrieren lässt.
Doch diese Region zeichnet eine Besonderheit aus, die sie für Investoren
und als Integrationspartner interessant macht und daher die große
Freihandelszone nicht mehr utopisch erscheinen lässt: ihre bemerkenswerte
Widersprüchlichkeit. Zu diesen Widersprüchlichkeiten der Region passt
neben dem Umstand, dass es in dem von Kriminalität gebeutelten Brasilien
als einem der ganz wenigen Länder der Welt keine Probleme mit
Rassentrennung gibt, auch die Tatsache, dass insbesondere das heute
politisch gewaltsam unterdrückte Land Chile lange für Toleranz stand und
sich als Zufluchtsort für Andersdenkende, Künstler und politisch Verfolgte
internationale Bedeutung erworben hatte. Gerade auch diesem Umstand
verdankt die Region nun einen für die Zukunft nicht zu unterschätzenden
Standortvorteil, der gerade den MERCOSUR für Investoren besonders
interessant machen könnte: der Anteil an Einwanderern z.B. aus Europa, vor
allem Deutschland. So wird etwa der Anteil der deutschstämmigen
Bevölkerung in dieser Region auf etwa 5 Millionen Menschen geschätzt161 ein Umstand, der diese Gegend für zukünftige deutsche Investitionen
zusätzlich attraktiv macht. Deutschland ist inzwischen mit den Branchen
Fahrzeugbau, Chemie, Elektrotechnik bereits sehr stark in Lateinamerika
vertreten. Sao Paulo ist inzwischen einer der wichtigsten deutschen
Industriestandorte außerhalb Deutschlands162 .
Aber auch seine Rohstoffe sowie die klimatischen Verhältnisse und günstige
Kostenstrukturen machen Lateinamerika zu einem interessanten
Investitionsstandort. Auf diese Weise ist es tatsächlich vorstellbar, dass sich
ausgerechnet in dieser eher lebens- und integrationsfeindlich anmutenden
161
Vgl. die Abhandlung: Markt mit großer Zukunftsperspektive, in: Zeitschrift
AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 12-16 (14).
162
Vgl. die Abhandlung: Lateinamerika-Markt mit großer Zukunftsperspektive, in: Zeitschrift
AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 12-16 (14).
55
Region bald der viertgrößte Wirtschaftsblock entwickeln könnte - als solcher
gilt nämlich unter Insidern inzwischen der MERCOSUR163.
Dass Lateinamerika durchaus interessant werden könnte, hat in
zunehmenden Maße auch die EG erkannt, deren Verhalten allerdings
genauso zwiespältig ist wie die Region. Einerseits unterstützt sie die
Regionalisierungsbemühungen durch mehrere Kooperationsverträge wie
etwa die mit dem Andenpakt, wobei sie traditionsgemäß Wert legt auf die
Beachtung von Menschenrechten164, bedroht aber andererseits z.B. durch
die umstrittene Bananenmarktverordnung die Existenz hunderttausender
Bananenpflanzer165.
Wahrscheinlich muss man diese Region aber mit der ihr immanenten
Widersprüchlichkeit behandeln, um ihr gerecht zu werden und Erfolg zu
haben. Somit müssen mitunter auch persönliche Widerstände gebrochen
werden, um die Region voranzubringen. Einerseits muss man sich mit
autoritären Regimen arrangieren, andererseits jedoch die Bildung
demokratischer Strukturen fördern und unterstützen. Einerseits hilft der
Analphabetismus, die Staatsgewalt an der Macht zu halten, andererseits
setzt dauerhafter wirtschaftlicher Aufschwung und Wohlstand für alle voraus,
dass insbesondere das Bildungswesen gefördert wird.
Veränderungen in der Region sind notwendig, ohne Änderung ist die
Freihandelszone FTAA zum Scheitern verurteilt. Wer diese Region
verändern will, braucht Idealismus und Standfestigkeit, um Gefahren
begegnen zu können. Wenn sich genügend einsatzbereite Personen für
diese Aufgabe finden, besteht auch für diese Region Lateinamerikas
Hoffnung. Lateinamerika, dieses instabile und gewalttätige Gebiet, bald eine
freie, demokratische und wirtschaftlich interessante Region? Nichts ist
unmöglich - vielleicht!
163
Vgl. die Abhandlung: Ein Markt, an dem niemand vorbeigehen kann, in: Zeitschrift
AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 4-5 (4).
164
Vgl. die Abhandlung: Brüssel setzt auf Ausbau der Beziehungen, in: Zeitschrift
AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 15-17 (15).
165
Vgl. die Abhandlung: Markt mit großer Zukunftsperspektive, in: Zeitschrift
AußenWirtschaft 1995, Sonderheft Lateinamerika, S. 12-16 (14).
56
6. Asien-Pazifik
Auch im asiatisch-pazifischen Raum hat es in der Vergangenheit eine Reihe
von Versuchen regionaler Zusammenarbeit gegeben166. Heute existieren
noch die ANZCERTA, die ASEAN, die APEC, die SAARC sowie in Eurasien
die BSECZ.
6.1. Regionale Kooperation in Australien:
Das Australien-NeuseelandHandelsabkommen (ANZCERTA)
Das Australien-Neuseeland-Handelsabkommen (Australia New Zealand
Closer Economic Relation Trade Agreement, ANZCERTA) ist ein 1982
unterzeichnetes Abkommen zwischen Australien und Neuseeland. Mit
diesem Abkommen sollten schrittweise alle Handelsschranken zwischen
beiden Ländern abgebaut werden. Die ANZCERTA löste die NAFTA (New
Zealand-Australia Free Trade Agreement) von 1966 ab. International spielt
das ANZCERTA-Abkommen zwar kaum eine Rolle, jedoch haben die
Staaten im Juli 1990 alle Hemmnisse im Warenverkehr abgebaut und damit
die Freihandelszone realisiert und den erhofften Regionalisierungserfolg
bewirkt167.
6.2. Regionale Kooperationen im asiatischpazifischem Raum
Einer der weltweit wichtigsten und erfolgreichsten Regionalisierungsversuche ist der Verband südostasiatischer Staaten (Association of South
East Asian Nations, ASEAN), der zum Ziel die Förderung der regionalen
Zusammenarbeit auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem
Gebiet zur Festigung des Friedens hat168.
166
Dazu Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, Tabelle III.13, S. 103.
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 112.
168
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 14
unter dem Stichwort "ASEAN".
167
57
6.2.1. Der Verband südostasiatischer Staaten
(ASEAN)
Die ASEAN wurde am 18. August 1967 in Bangkok gegründet. Derzeit
besteht die ASEAN aus folgenden Mitgliedern: Brunei, Daressalam,
Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar (das ehemalige Birma),
Philippinen, Singapur, Thailand, und Vietnam169.
6.2.1.1. Die schwierige Aufnahme neuer Staaten
Die Aufnahme der beiden Staaten Myanmar und Vietnam enthielt
erheblichen politischen Zündstoff: Im Falle Myanmars hatte die führende
Oppositionspolitikerin San Suu Kyi in mehreren öffentlichen Appellen dafür
Abb. 12: Die ASEAN-Staaten
Quelle: http://www.asean.or.id
169
Vgl. Abb. 12: Die ASEAN-Staaten.
58
geworben, bis zum Rücktritt der regierenden Militärjunta Myanmar die
Aufnahme in die ASEAN zu verweigern; dennoch wurde Myanmar im Juli
1997 Mitglied der ASEAN170.
Noch brisanter war die Aufnahme Vietnams im Jahre 1995. Denn bisher war
seit Gründung der ASEAN ein gemeinsamer Grundsatz aller
Mitgliedsstaaten die Ablehnung des Kommunismus. Die Aufnahme des
kommunistischen Vietnam war vor allem deshalb möglich geworden, weil
Vietnam sich bereit erklärte, vietnamesische Flüchtlinge von anderen
südostasiatischen Staaten zurückzunehmen und mit der ASEAN gegen das
immer stärker werdende China zusammenzuarbeiten171.
Auch wenn sich die ASEAN schon länger um gute Beziehungen zu Vietnam
bemüht hatte, so stellte die Aufnahme Vietnams in die ASEAN dennoch eine
Zäsur dar. Möglicherweise spielte bei den Überlegungen, Vietnam die
Aufnahme in die ASEAN zu ermöglichen, auch ein Blick auf die ohnehin der
ASEAN häufig als Vorbild dienende EG eine Rolle. Auch die EG ist bereit, in
der Hoffnung auf wachsende Stärke Länder aus Osteuropa aufzunehmen,
die auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs starke sozialistische Kräfte
aufweisen.
Vietnam hat für die ASEAN-Runde zudem eine starke symbolische
Bedeutung. Der ASEAN-Zusammenschluss war eine Antwort auf die äußere
Bedrohung, die die Mitgliedsstaaten durch den Vietnamkrieg spürten. Mit der
Aufnahme von Vietnam deckt die ASEAN die Region fast vollständig ab und
zeigt damit, dass sie im Laufe der 30 bestehenden Jahre ein so starker
Zusammenschluss geworden ist, dass auch die Aufnahme eines ideologisch
anders ausgerichteten Staates ihren Zusammenhalt nicht mehr gefährden
kann.
6.2.1.2. Das Gemeinschaftsbewusstsein der ASEAN-Staaten
Der Regionalisierungsversuch der ASEAN kann insgesamt als Erfolg
betrachtet werden. Unter den Mitgliedsstaaten ist seit Mitte der siebziger
Jahre, als die Mitgliedsstaaten nach außen hin gemeinsam bei der UNO
oder dem GATT oder anderen Regionalorganisationen aufgetreten sind,
auch im Inneren ein Gemeinschaftsbewusstsein gewachsen.
Ähnlich wie bei der EG ist die Gemeinschaft der ASEAN-Staaten von Anfang
an dadurch gekennzeichnet, dass sich die teilnehmenden Staaten darüber
klar waren, in einer gefährdeten Zone zu leben und sich zusammenschließen zu müssen, auch wenn sie untereinander völlig unterschiedlich
170
171
Dazu: Wirtschaftshandbuch Asien-Pazifik 1997/98, S. 375.
Wirtschaftshandbuch Asien-Pazifik, S. 554.
59
und zum Teil sogar gegensätzlich waren172. Die Bangkok-Deklaration von
1967, mit der die ASEAN formal, aber ohne Vertragswerk, gegründet wurde,
sollte Stabilität und Sicherheit schaffen und ausländische Militärbasen für
eine bestimmte Zeit zulassen173.
Die "gefährliche Zone" ist insbesondere die Nähe zum Vietnamkrieg
gewesen, dessen Folgen auch für die nachbarschaftlichen ASEAN-Staaten
unabsehbar waren.174 Zusätzlich wurde das Gemeinschaftsbewusstsein der
Staaten auch dadurch gestärkt, dass die meisten ASEAN-Staaten sowohl
die Probleme kolonialer Abhängigkeiten kannten als auch die Besetzung
durch Japan im 2. Weltkrieg miterlebt hatten175.
Dennoch brauchte es viel Zeit, bis sich das innere gemeinschaftliche
Bewusstsein der ASEAN-Staaten gebildet hatte. Zu Beginn des ASEANZusammenschlusses bestand nämlich zwischen den Ländern noch ein
starkes Misstrauen wegen eventueller territorialer Ansprüche und des
Verdachts der Unterstützung von Untergrundorganisationen, so etwa die
angebliche Unterstützung moslemischer Aufständischer auf den Philippinen
durch Malaysia176. Somit mussten auch in dieser Region die einzelnen
Staaten erst langsam zueinander finden.
Einen bedeutenden Schritt für die Regionalisierung stellt die Kuala-LumpurErklärung der ASEAN vom 27.11.1971 dar. Mit ihr sollten die Beziehungen
zu China normalisiert und eine neutrale Zone geschaffen ("Zone of Peace,
Freedom and Neutrality", ZOPFAN) sowie die Region Südasien frei von der
Einmischung äußerer Mächte gehalten werden177.
172
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd.
S. 59.
173
Vgl. Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd,
S. 60.
174
Die vietnamesischen Nachbarstaaten Kambodscha und Laos wurden später in den Krieg
hineingezogen.
175
Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 60.
176
Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 66.
177
Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 60.
60
6.2.1.3. Wirtschaftliche Bedeutung der ASEAN und die
AFTA-Zone
Wirtschaftlich ist die ASEAN seit 1973 interessant, als die Mitgliedsstaaten
gemeinsame Verhandlungen mit Japan und der EG aufnahmen178. Mit der
EG wurde 1980 sogar ein Kooperationsvertrag abgeschlossen. 1976 wurde
der ASEAN-Verbund auf der Konferenz in Bali unmittelbar nach der
Wiedervereinigung Vietnams unter kommunistischer Führung vertraglich
festgelegt179. Darin wurde die ASEAN-Region als Freihandelszone und
Wirtschaftssektor deklariert.
1999 wurde auf der Gipfelkonferenz der Regierungschefs in Manila
beschlossen, einen gemeinsamen Markt mit einer einheitlichen Währung
ähnlich wie in Europa zu schaffen180
Höchstes Gremium der ASEAN ist die Staatsministerkonferenz der
Mitgliedsländer, die unregelmäßig zusammentritt und in der die strategische
Richtung beschlossen wird181. Aktuell hat sich die ASEAN als eine
Hauptaufgabe gestellt, bis zum Jahre 2003 (ursprünglich war das Jahr 2008
vorgesehen) eine Freihandelszone zumindest für industrielle Güter zu
errichten, die sog. AFTA (ASEAN Free Trade Area)182. Nach einem
Rahmenvertrag von 1992 sollen dadurch 90% der bisher von Importzöllen
betroffenen Güter von der Zolllast befreit werden; die Landwirtschaft betrifft
der Vertrag zwar nicht, doch dürfen die einzelnen Länder ihre Grenze auch
für landwirtschaftliche Produkte öffnen183.
Ein Hauptgrund für die Schaffung der Freihandelszone war, dass die
ASEAN bei der Ausweitung des internen Außenhandels zwischen den
Mitgliedsstaaten keine Fortschritte erzielen konnte184. Der Austausch von
Waren und Dienstleistungen war in diesem Gebiet immer schon ein
Hauptproblem für die Regionalisierung wegen unzureichender Infrastruktur
und zu ähnlicher Exportartikel. Deshalb war auch in der Vergangenheit der
Handel zwischen den Mitgliedsstaaten relativ gering. Zur Erhöhung dieses
Anteils sollen wenigstens die Zölle unter den Mitgliedsstaaten gelockert
werden.
178
Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 60.
Esterbauer, Fried / Lang, Winfried: Integration und Kooperation in Nord und Süd, S. 60.
180
Fischer Weltalmanach 2001, S. 968 unter dem Stichwort "ASEAN".
181
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 15
unter "ASEAN".
182
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 16.
Unter dem Stichwort "ASEAN".
183
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 16
unter dem Stichwort "ASEAN".
184
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 116.
179
61
Gleichzeitig erhoffen sich die ASEAN-Staaten von der Umsetzung der
Freihandelszone AFTA vor allem Investitionen in dieser Region. Die
bisherigen Erfolge in Südasien geben den Staaten auch Anlass zu der
Hoffnung, dass sich diese Region positiv weiter entwickelt. Die Region
Südasien hatte jahrelang eine der höchsten Wirtschaftswachstumsraten der
Welt (z.B. 7,7% im Jahre 1995)185. Die Südostasien-Krise 1997/98 ließ
allerdings auch Zweifel daran aufkommen, dass diese Regionen ein
dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum garantieren können.
6.2.2. Die Asiatic Pacific Economic Cooperation
(APEC)
Einer der am weitesten fortgeschrittenen Regionalisierungsversuche im
asiatisch-pazifischen Raum ist die Asiatic Pacific Economic Cooperation
(APEC). Die APEC wurde 1989 in Canberra auf Initiative Australiens
gegründet und hat derzeit die Mitglieder Australien, Brunei, Chile, China,
Hongkong, Indonesien, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland,
Papua-Neuguinea Peru, Philippinen, Republik Korea, Russland, Singapur,
Taiwan, Thailand, USA, Vietnam186. Schon durch die Gründung der APEC
entstand
eine pazifische Kooperation mit einem Anteil am
Welthandelsvolumen von über 30% und am Weltsozialprodukt von über
50%. Daher war es erforderlich, eine wirtschaftliche Integration von solchem
Ausmaß auch politisch abzusichern187.
Die APEC ist eine Antwort auf die Schaffung des europäischen
Binnenmarktes und des amerikanisch-kanadischen Freihandelsabkommens
CUFTA, später erweitert zur NAFTA188. Die stark exportabhängigen
asiatisch-pazifischen
Staaten
fürchteten
das
damalige
starke
Handelsbilanzdefizit der USA und damit um ihre Absatzchancen sowie die
Abschottung der europäischen Industrieländer durch den gemeinsamen
185
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 1
unter dem Stichwort "AFTA".
186
Vgl. Abb. 13: Die APEC-Staaten (ohne die kürzlich beigetretenen Länder Peru, Russland
und Vietnam).
187
Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 1.
188
Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 1.
62
Abb. 13: Die APEC-Staaten (ohne die kürzlich beigetretenen Länder
Peru, Russland und Vietnam)
Quelle: Fischer Almanach der internationalen Organisationen, S. 55.
europäischen Binnenmarkt189. Die APEC sieht sich selbst jedoch nicht als
neuen Wirtschaftsblock190, sondern eher als asiatisch-pazifische OECD191.
Die APEC ist ein loses informelles Forum, welches vor allem die
Liberalisierung des Handels, die Wirtschaftsbeziehungen und den
Technologietransfer zum Ziel hat192.
Die asiatisch-pazifische Region ist der wachstumsstärkste Wirtschaftsraum
der Welt. Hohe Wachstumsraten der Produktion, steigender Anteil am
Welthandel, schnelle Industrialisierung sowie die Fähigkeit zum raschen
strukturellen Wandel sind seine Kennzeichen193. Symptomatisch für den
raschen strukturellen Wandel in dieser Region ("Flexibilität") ist, dass es
möglich war, das Problem des Platzmangels im Stadtstaat Singapur dadurch
189
Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 2.
190
Dies wäre schon aufgrund der extrem unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsländer
nicht denkbar, s. Hilpert, S. 2 f.
191
So Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 9
unter dem Stichwort "APEC".
192
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 9
unter dem Stichwort "APEC".
193
Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 5.
63
zu lösen, dass ein Großteil der Industrien in Nachbarländer ausgelagert und
Singapur selbst zu einem Dienstleistungszentrum wurde 194.
Bisher besteht die Hauptarbeit der APEC aus der Sammlung und
Aufbereitung von Daten sowie der Kooperation in den Bereichen Handel,
Technologie, Energie, Telekommunikation, Fischerei und Meeresschutz195.
Noch ist die APEC kein Handelsabkommen wie etwa das GATT; einige
Mitgliedsländer wie Australien oder die USA haben mehrfach versucht, ein
solches Handelsabkommen durchzusetzen, sind jedoch bislang am
Widerstand derjenigen asiatischen APEC-Staaten gescheitert, die zugleich
auch dem ASEAN-Zusammenschluss angehören; diese Länder wollen
verhindern, dass die hoch industrialisierten Länder in der APEC das
Übergewicht gewinnen196. Wenn es bisher auch nicht zu einem
umfangreichen Handelsabkommen gekommen ist, so konnte die APEC
dennoch 1994 immerhin eine Freihandels- und Investitionszone
beschließen, die für die besser entwickelten Mitgliedsstaaten bis 2010 und
für die weniger entwickelten Staaten bis 2020 errichtet werden soll197.
Eine politische oder gar sicherheitspolitische Zusammenarbeit der APECStaaten steht zwar augenblicklich nicht im Vordergrund, erscheint jedoch auf
lange Sicht durchaus möglich, denn immerhin hatte bereits die dritte APECKonferenz 1992 in Seoul entsprechenden Charakter198.
6.2.3. Die Südasiatische Regionalkooperation
(SAARC)
In Südasien ist der einzig nennenswerte Versuch einer Regionalisierung die
Südasiatische Regionalkooperation (South Asian Association for Regional
Cooperation, SAARC) von 1980 mit den "blockfreien" Mitgliedsstaaten
Bangladesch, Bhutan, Indien, Malediven, Nepal, Pakistan und Sri Lanka.
Die ursprünglichen Ziele der SAARC waren vor allem die Kooperation auf
wirtschaftlichem und technischem Gebiet. Eine politische Integration
zwischen diesen Staaten war von Anfang an nicht vorgesehen. Die
194
Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 5.
195
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale Wirtschaftsorganisationen, S. 9
unter dem Stichwort "APEC".
196
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 9
unter dem Stichwort "APEC".
197
Vgl. Altmann, Jörn / Kulessa, Margareta: Internationale. Wirtschaftsorganisationen, S. 10
unter dem Stichwort "APEC".
198
Vgl. Hilpert, Hanns Günther: Wirtschaftliche Integration und Kooperation im asiatischpazifischen Raum, in: IFO-Studien zur Japanforschung Nr. 5, S. 258.
64
immensen politischen Spannungen zwischen den beteiligten Ländern,
insbesondere Indien und Pakistan, haben eine Kooperation bisher
verhindert. Ohne Besserung der politischen Verhältnisse dürfte dieser
Regionalisierungsversuch scheitern199.
6.3. Die Black Sea Economic Cooperation
Zone
In Eurasien gibt es bisher erst einen regionalen Zusammenschluss, der
durch die veränderten Verhältnisse in Osteuropa entstanden ist, die Black
Sea Economic Cooperation Zone (BSECZ) mit den Mitgliedern Albanien,
Armenien, Aserbaidschan, Bulgarien, Georgien, Griechenland, Moldawien,
Rumänien, Russland, Türkei und Ukraine. Dieser Zusammenschluss wurde
auf Betreiben der Türkei gegründet und dient ihr vor allem dazu, die eigene
politische und wirtschaftliche Position zu stärken200.
6.4. Ausblick und Zusammenfassung:
"Asien: Region - und bald Weltmacht?"
In dieser Region geht die Sonne auf - nicht nur meteorologisch, sondern
auch wirtschaftlich. Ost- und Südostasien gehören zu den
wachstumsstärksten Regionen der Welt, auch die Regionalisierung in Asien
ist weit fortgeschritten. Neben Europa kann Asien für sich in Anspruch
nehmen, den am weitesten fortgeschrittenen Integrationsprozess vorweisen
zu können.
Nimmt man als Beispiel die ASEAN, so steht diese ihrem selbsternannten
Vorbild EU in mancher Hinsicht wenig nach. Zwar ist der Handel zwischen
den Staaten nach wie vor relativ gering, doch ist der politische Bund der
ASEAN-Staaten in 30 Jahren seit seiner Gründung sehr gewachsen und hat
ähnlich wie die EU nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs mit Vietnam
auch ein kommunistisches Land mit aufgenommen. Mit der APEC hat sich
zudem ein geografisch riesiges Gebiet der Zusammenarbeit entwickelt, das
bald zu einer Freihandelszone werden kann.
199
200
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 127.
Vgl. Borrmann, Axel: Regionalismustendenzen im Welthandel, S. 128.
65
Doch auch die bisherigen beachtlichen Erfolge bei der Integration von
Staaten, die in der Vergangenheit oft misstrauisch einander
gegenüberstanden, können durch Zusammenschlüsse wie die APEC oder
ASEAN nicht darüber hinwegtäuschen, dass von einer echten Integration
dieser Region erst dann gesprochen werden kann, wenn China in diesem
Integrationsprozess voll eingebunden ist.
China zu integrieren wird jedoch auch in Zukunft schwierig sein. China ist
zwar Mitglied des weitgehend informellen Forums APEC, doch misstraut
China grundsätzlich den anhaltenden weltweiten Einbindungen in kollektive
Sicherheitsstrukturen201. Für China ist der Multilateralismus vor allem dazu
da, aufstrebende Großmächte klein zu halten202. Passend dazu legte sich
Staatspräsident Jiang Zemin Anfang 1996 fest, als er den "feindlichen
Kräften im Westen" vorhielt, China zu "verwestlichen" und zu "zersetzen"203.
Doch zersetzen könnte sich China allenfalls irgendwann selbst. Der Drache
speit Feuer - nicht nur aus seinen riesigen Waffenlagern, die ihn zu einem
der fünf größten Waffenexporteure und zur drittgrößten Nuklearmacht
machen204. Auch das riesige Menschenpotential, der Rohstoffreichtum sowie
eine politische Führung, die den Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft
zu kontrollieren versucht, könnte das "Reich der Mitte" bald zum "Reich der
Mittel" machen. China könnte im 21. Jahrhundert zu einem gewaltigen
Koloss werden.
Sollte es jedoch tatsächlich irgendwann gelingen, China fest in den
Integrationsprozess Asiens einzubeziehen, dann wird diese Region
womöglich einmal die stärkste der Welt sein. Dass Asien schrittweise
regionalisiert
werden
kann,
scheint
nach
den
bisherigen
Integrationsversuchen gut möglich. Denn ähnlich wie in Europa ist es auch
in Asien gelungen, funktionsfähige Partnerschaften zwischen Staaten zu
schließen, die sich bis dahin immer bekämpft hatten, und auch in Asien wie
in Europa sind diese Zusammenschlüsse teilweise nur durch äußere
Bedrohung möglich geworden. Häufig lassen sich unterschiedliche und
konkurrierende Staaten erst dann zur Einheit bekehren, wenn es gegen
einen gemeinsamen äußeren Feind geht. Auf diese Weise kann es
allerdings dann auch zu nationalistischen Tendenzen kommen, die zu
Konflikten mit anderen führen.
Um solche Tendenzen einzudämmen, kann eine interkontinentale
Kooperation hilfreich sein. Die APEC stellt ein Beispiel dar, wie so eine
201
Vgl. Heilmann, Sebastian: Der Ritt auf dem Tiger: Innerer Umbruch und internationaler
Aufstieg der Volksrepublik China, Jahrbuch Dritte Welt 1997, S. 184-199 (192).
202
Vgl. Heilmann, Sebastian: Der Ritt auf dem Tiger: Innerer Umbruch und internationaler
Aufstieg der Volksrepublik China, Jahrbuch Dritte Welt 1997, S. 184-199 (192).
203
Vgl. Heilmann, Sebastian: Der Ritt auf dem Tiger: Innerer Umbruch und internationaler
Aufstieg der Volksrepublik China, Jahrbuch Dritte Welt 1997, S. 184-199 (192).
204
Vgl. Heilmann, Sebastian: Der Ritt auf dem Tiger: Innerer Umbruch und internationaler
Aufstieg der Volksrepublik China, Jahrbuch Dritte Welt 1997, S. 184-199 (196).
66
weitläufige Zusammenarbeit aussehen kann. Sollte sich der ganze Kontinent
Asien zusammenschließen, ist es vor allem wichtig, dass es in Asien nicht
zu einem kontinentalen Nationalismus kommt, der den Weltfrieden bedrohen
könnte.
67
7. Zwischenbilanz: Regionalisierung oder
"Regionalitis"?
Regionalisierungen sind im Trend. Das Schlagwort "Gemeinsam sind wir
stark" kennzeichnet wohl am besten das Ziel, den eigenen wirtschaftlichen
Wohlstand durch Zusammenschlüsse zu verbessern. "Größer, höher,
weiter" heißt auch hier die Devise. Wie Unternehmen verschmelzen ganze
Regionen zu riesigen Handelszonen, bei denen sich die Teilnehmerstaaten
untereinander Vorteile gewähren, die sie gegenüber anderen verteidigen.
Nimmt man den Globus zur Hand, so sind in der Welt möglicherweise bald
drei riesige Regionalzonen bestimmend: Amerika mit der FTAA, Europa mit
der EU und Asien vorwiegend mit der ASEAN. Wie bei Unternehmen einer
Branche könnte man auch hier von den "großen Drei" sprechen205. Dabei
muss großzügig darüber hinweggesehen werden, dass Größe nicht
automatisch immer gleich Stärke ist und die Partner mancher
Regionalisierungen dem ersten Anschein nach kaum zueinander passen.
Ein wichtiges Kriterium der meisten erfolgreichen Regionalisierungsversuche
besteht ohne Zweifel darin, dass sie ursprünglich nicht freiwillig
zustandegekommen sind, sondern unter innerem und äußerem Druck und
sich langsam zu festen und etablierten Wirtschaftssystemen entwickelt
haben.
Solange Zusammenschlüsse den wirtschaftlichen Wohlstand heben und den
dauerhaften Frieden sichern, sind solche Regionalisierungen fördernswert.
Daraus allein aber schließen zu wollen, dass Regionalisierungen immer nur
vorteilhaft sind, wäre verfehlt. Beispielsweise sind die Vorteile einer engeren
Süd-Süd-Kooperation wie in Lateinamerika begrenzt. Zwar können durch
Markterweiterung die Gewinne gesteigert und neue Markterfahrung
gesammelt werden, mit der die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöht
wird. Probleme gibt es jedoch für solche peripheren Länder mit strukturellen
Problemen, die unter einer dauerhaft schwachen Währung leiden; denn
diese Länder können Kapitalzuflüsse, Steuereinnahmen und Arbeitsplätze
nicht langfristig sichern206. Die regionale Süd-Süd-Kooperation kann den
Zufluss von Hartwährungen nicht ersetzen, die zur Stärkung der eigenen
Währung und der Erfüllung internationaler Verpflichtungen erforderlich sind.
Um im Falle einer Krise die Gefahr einer dauerhaften Verschuldung
einzudämmen, müssen diese Länder nicht nur am Weltmarkt konkurrieren,
205
Vgl. Fritz, Barbara: Der MERCOSUR: Zwei Schritte vor, einer zurück, in: Jahrbuch Dritte
Welt 1996, S. 243-248 (248).
206
Vgl. Fritz, Barbara: Der MERCOSUR: Zwei Schritte vor, einer zurück, in: Jahrbuch Dritte
Welt 1996, S. 243-248 (248).
68
sondern auch untereinander, was zur Folge haben kann, dass der
Integrationsprozess Schaden nimmt207.
Doch diese einzelnen Probleme und Rückschläge sollten nicht entmutigen.
Im Allgemeinen kann festgestellt werden, dass Regionalisierungen dazu
führen können, das betreffende Gebiet friedlicher und lebenswerter zu
machen und dazu beizutragen, politische, ethnische und religiöse Konflikte
einzudämmen. Wenn Regionalisierungsversuche nicht zu einer krankhaften
"Regionalitis" werden, sondern sachlich und vorausschauend durchgeführt
werden, haben Regionalisierungen weiterhin Zukunft.
207
Vgl. Fritz, Barbara: Der MERCOSUR: Zwei Schritte vor, einer zurück, in: Jahrbuch Dritte
Welt 1996, S. 243-248 (248).
69
Zweiter Teil:
Inhalte, Vertragsstrukturen und
Erfolgsaussichten ausgewählter
regionaler Kooperationen
Der zweite Teil der Arbeit soll die Dokumente, Eigenheiten der Entstehung
und Erfolgsfaktoren einiger angesprochener Zusammenschlüsse näher
analysieren. Die Reihenfolge der Prüfung wird dabei durch die Visionen der
besprochenen Kooperationen bestimmt. Sie beginnt mit den starken
Visionen der EU, ASEAN und der SADC, darauf folgen die Hoffnungen des
MERCOSUR und endet mit den weniger visionären, mehr auf
Besitzstandswahrung ausgerichteten Zusammenschlüssen NAFTA und
GCC.
8. Die Verträge der Europäischen
Union
Die Europäische Union ist das Ergebnis einer Vision, die nach den
Erfahrungen zweier Weltkriege vor 50 Jahren den damaligen
Gegebenheiten entsprechend nur eine ideelle Vorstellung sein konnte: das
Vereinte Europa.
8.1. Die Vision "Vereintes Europa"
Um die Vision des Vereinten Europa Wirklichkeit werden zu lassen, haben
die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft im Vertrag über die
Europäische Union vom 7. Februar 1992 (Vertrag von Maastricht) - jetzt in
seiner konsolidierten Fassung, beruhend auf Art. 12 des sog. Amsterdamer
Vertrages vom 2. Oktober 1997208 - beschlossen, feste Grundlagen für die
Gestalt des zukünftigen Europa zu schaffen und eine Europäische Union zu
gründen (Präambel). Aufgabe der Union ist es, die Beziehungen zwischen
den Mitgliedsstaaten sowie zwischen ihren Völkern solidarisch zu gestalten
(Art. 3 Abs. 3 EUV) in einem "System offener Märkte" (Art. 4 EGV).
208
BGBl. 1999 II, S. 416.
70
Dies ist jedoch - wie im ersten Teil beschrieben - das bisherige Ergebnis
einer langen Kette von Bemühungen zur zunächst rein wirtschaftlichen
Kooperation westeuropäischer Staaten. Gemäß Art. 47 des EU-Vertrages
bleiben die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVertrag u.a.) in ihrer zur Zeit geltenden - z.T. durch den EU-Vertrag
geänderten - Fassung bestehen.
In der Erwartung, dass über gemeinsame Erfahrungen auf wirtschaftlichtechnischen Gebieten allmählich auch politische Fragen gemeinsam gelöst
werden könnten209, strebte der Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft
vom
25.3.1957
zunächst
einen
wirtschaftlichen
Zusammenschluss an. Mit der stetigen Vertiefung der Gemeinschaft, dem
Fall des Eisernen Vorhanges sowie der zunehmenden globalen Bedeutung
Europas sind inzwischen die Voraussetzungen geschaffen worden, mit
denen nun auch eine politische Einheit (Union) Europas näher rückt. Diesem
Zweck dienen auch die Einführung der "Unionsbürgerschaft" in der
Präambel des EUV und die Art. 17 ff. EGV, ergänzend zur bisherigen
jeweiligen Staatsbürgerschaft.
8.2. Die einzelnen Regelungen über die
europäische Zusammenarbeit
Die Europäischen Verträge gehören zu den komplexesten Verträgen
regionaler Kooperation. Allein der EG-Vertrag hat über 300 Artikel. Im
folgenden werden die Bereiche der europäischen Einigung unterteilt in
-wirtschaftspolitische,
-rahmenpolitische,
-zentralistische,
-rechtspolitische,
-institutionelle und
-unionspolitische
Inhalte der Verträge.
209
Vgl. Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Präambel, Rn. 3.
71
8.2.1. Die wirtschaftspolitischen Bestimmungen des
Vertrages
Eine der Hauptvorgaben der Präambel des Vertrages zur Europäischen
Union ist nach wie vor die wirtschaftliche Einigung Europas durch die
Europäischen Gemeinschaften. Diese besteht vorwiegend in der
Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes durch die Schaffung eines
freien
Handelsverkehrs
und
Durchführung
einer
Gemeinsamen
Handelspolitik, weitgehende Ermöglichung persönlicher Bewegungsfreiheit
innerhalb des Gemeinschaftsraumes sowie eines freien Dienstleistungs- und
Kapitalverkehrs.
8.2.1.1. Freier Handelsverkehr und Gemeinsame
Handelspolitik
Um die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes voranzutreiben, ist
vor allem ein freier Handelsverkehr erforderlich. Darum verzichten die
Mitgliedsstaaten nach Art. 23 ff. des EG-Vertrages (EGV)210 auf Zölle und
ähnliche Abgaben. Ebenso sind nach Artikel 28 und 29 mengenmäßige
Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren zwischen den
Mitgliedsstaaten grundsätzlich verboten. Somit gibt es für die meisten Waren
einen weitgehend freien Handelsverkehr.
Je mehr der freie Handelsverkehr unter den Mitgliedsstaaten verwirklicht ist,
desto mehr ist es naheliegend, gegenüber Nicht-EU-Ländern eine
gemeinsame Handelspolitik zu betreiben. Unter gemeinsamer Handelspolitik
(geregelt in Art. 131-134 des EG-Vertrages) versteht die Gemeinschaft in
der Praxis vor allem, gegenüber Drittländern Zollsätze nur gemeinsam
festzulegen und zu ändern und sich gegen Dumpingversuche und aus ihrer
Sicht ungerechtfertigte Subventionen der Wirtschaft in diesen Ländern
kollektiv zu wehren.
Was die Zollsätze anbetrifft, so hat die Gemeinschaft einer Reihe von
Entwicklungsländern Zollpräferenzen gewährt, was zwar wegen der
Meistbegünstigungsklausel des GATT 1994 nur eingeschränkt zulässig,
aber bei Entwicklungsländern nach Art. XXXVI GATT möglich ist211. Gegen
210
Die in den folgenden Kapiteln angegebenen Artikelnummern des EU- bzw. EG-Vertrages
beziehen sich auf die Nummern der sog. "konsolidierten Fassung" mit den Änderungen
durch den Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997. Eine Übereinstimmungstabelle der
alten und neuen Artikelnummern findet sich bei Lenz, EG-Vertrag: Kommentar zu dem
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, S. 71-82.
211
Vgl. Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 133, Rn. 13.
72
Dumpinglieferungen aus Billiglohnländern wehrt sich die EG vor allem mit
sog. Anti-Dumping-Zöllen. Dumping liegt vor, wenn der Einfuhrpreis in die
EG geringer ist als der "Normalwert" einer Ware, wobei die Preise so
ermittelt werden müssen, dass sie vergleichbar sind212. Ob Zölle auf solche
Dumpinglieferungen wirtschaftlich sinnvoll sind, ist sehr fraglich, weil viele
Länder von Billigeinfuhren auch profitieren, etwa bei Rohstoffen.213 Daher ist
es schon eine notwendige Voraussetzung für die Verhängung von AntiDumping-Zöllen, dass die jeweilige Dumpingpraxis zu einer Schädigung in
der EG selbst führt214.
Der Gemeinschaft wird bei diesen Anti-Dumping-Zöllen gerne vorgeworfen,
sie würde auf diese Weise Protektionismus betreiben, also andere Länder
vom Markt ausschließen wollen. Diese Sichtweise ist jedoch zu einseitig.
Billigimporte aus Drittländern können dazu führen, dass durch starken
Preisdruck innerhalb der EG die "moralischen" Werte des Warenverkehrs
verloren gehen, indem arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen in
zunehmendem Maße umgangen werden, der Gesundheits- und
Verbraucherschutz missachtet wird oder sogar durch falsche
Kennzeichnung billige fremde Waren als eigene deklariert werden. Damit es
nicht zu solchen Auswüchsen kommt, kann es daher geboten sein, die
billigen Importe durch Zölle zu verteuern.
8.2.1.2. Freier Personen-, Dienstleistungs- und
Kapitalverkehr
Um das Regionalisierungskonzept eines freien Handels zu verwirklichen,
muss weiter ein freier Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr
ermöglicht werden. Diese Aspekte werden nachfolgend behandelt.
8.2.1.2.1. Freier Personenverkehr
Freier Personenverkehr bedeutet, dass sich jede Person im
Gemeinschaftsgebiet frei bewegen kann. Diese freie Bewegungsmöglichkeit
gehört zu den wichtigsten Grundrechten der Unionsbürger und betrifft einen
sehr persönlichen Bereich, nämlich den Willen, selbst entscheiden zu
können, wohin man geht und wie lange man dort bleibt. So
212
Im Einzelnen: Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 133, Rn. 17.
Zur gesamten Problematik: Nicolaysen, Gert: Zum Anti-Dumping-Recht der EWG, in:
Zeitschrift Europarecht 1991, S. 224-235 (224).
214
Dies fordert auch Art. 3 des Antidumping-Kodex des GATT 1994.
213
73
selbstverständlich dieses Grundrecht für EU-Bürger allmählich auch wird, so
zeigt sich die Wichtigkeit dieses Grundrechts doch besonders
plastisch am Beispiel eines Landes, das von seiner geografischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Struktur her eigentlich zu EU gehören
müsste, sich aber mehrheitlich noch nicht zum Beitritt durchringen konnte:
Die Schweiz.
Für die Schweizer, die wie Robinson auf seiner Insel umgeben sind vom
"Europäischen Ozean", gab es bislang erhebliche Probleme in den EUStaaten, die erst jetzt durch das sog. "Personenverkehrsabkommen"215,
dem die Schweizer Bürger per Referendum am 21. Juni 2000 zugestimmt
haben, entschärft worden sind. Vorher hatten Schweizerinnen und
Schweizer, die im Ausland eine Ausbildung machen oder einer beruflichen
Tätigkeit nachgehen wollten, als "Ausländer" erhebliche Nachteile, mussten
sich um Aufenthaltsgenehmigungen bemühen und drohten im europäischen
Vergleich zu Menschen zweiter Klasse zu werden. Dieselben Probleme
hatten dementsprechend auch Schweizer Unternehmen, die schweizerische
Mitarbeiter in ihre EU-Niederlassungen entsenden wollten 216. Mit dem
Personenverkehrsabkommen sind immerhin wesentliche Erleichterungen im
Grenzverkehr zwischen der Schweiz und der EU erreicht worden217.
Die freie Bewegungsmöglichkeit von Personen innerhalb der Gemeinschaft
funktioniert reibungslos jedoch nur dann, wenn zwischen den Staaten die
Grenzkontrollen abgebaut werden. Im Schengener Abkommen vom 14. Juni
1985 hat die EU den schrittweisen Abbau der innergemeinschaftlichen
Grenzkontrollen beschlossen. Um dadurch die innere Sicherheit nicht zu
gefährden, müssen allerdings die Außengrenzen stärker gegen illegale
Einwanderung, Kriminalität und Schleppertum gesichert werden. Deshalb ist
eine engere internationale Zusammenarbeit von Justiz, Polizei und
Vollzugsbehörden erforderlich.
215
Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten
einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit
vom 21. Juni 1999. Dieses Abkommen ist eines von insgesamt sieben bilateralen
Abkommen zwischen der Schweiz und der EU, die mit der Annahme des Referendums
durch das Schweizer Volk nun Gültigkeit besitzen. Die Abkommen sind im Internet unter
http://www.europa.admin.ch veröffentlicht.
216
Vgl. Hauser, Heinz / Zimmermann, Thomas: Zum wirtschaftlichen und
integrationspolitischen Stellenwert der bilateralen Verträge Schweiz-EU, in:
Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen
1999, S. 463-479 (475).
217
Näheres dazu auch bei Kellenberger, Jakob: Zur wirtschaftspolitischen Bedeutung der
bilateralen Verträge Schweiz-EU, in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für
internationale Wirtschaftsbeziehungen 1999, S. 7-21 (13 ff.).
74
8.2.1.2.2. Freier Dienstleistungsverkehr
Obwohl aus diesen Gründen die unbegrenzte Freizügigkeit innerhalb der
Europäischen Gemeinschaft auch Probleme mit sich bringt, ist sie eine
elementare Grundlage für die Integration Europas. Dazu gehört auch ein
freier
Dienstleistungsverkehr.
Mögliche
Beschränkungen
der
Dienstleistungsfreiheit kann es entweder dadurch geben, dass der
Dienstleistungserbringer diskriminiert wird, weil er eine andere
Staatsangehörigkeit besitzt bzw. in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig
ist als dem, in dem die Dienstleistung erbracht wird, oder weil es
Beschränkungen aufgrund innerstaatlicher Vorschriften oder Praktiken gibt,
die für alle Dienstleister gelten, aber denjenigen benachteiligen, der aus
einem anderen Mitgliedsstaat kommt. Für diese Fälle sind die Artikel 49 und
50 des EG-Vertrages einschlägig, nach denen Beschränkungen des
Dienstleistungsverkehrs gegenüber Angehörigen aus anderen Mitgliedsstaaten verboten sind.
Eine dritte Möglichkeit, die Dienstleistungsfreiheit zu beschränken, besteht
darin, Zugangserfordernisse für einzelne Berufe und Tätigkeiten zu
errichten, etwa im gewerblichen Bereich wie dem Handwerk oder vor allem
in reglementierten Berufen wie z.B. für Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten
und Steuerberater. Für diese Berufe erlässt der Rat nach den Artikeln 47
und 55 EGV Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome,
Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise.
Auch für Arbeitnehmer ist inzwischen die Freizügigkeit innerhalb der
Gemeinschaft gewährleistet. Damit soll in Bezug auf Beschäftigung,
Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen jede unterschiedliche
Behandlung, die nur auf der anderen Staatsangehörigkeit beruht,
ausgeschlossen sein, es sei denn, der Arbeitnehmer dient in der öffentlichen
Verwaltung (Art. 39 Abs. 2, Abs. 4). Was für die abhängig Beschäftigten gilt,
muss entsprechend auch für die Selbständigen und die Unternehmen
gelten. Deshalb gewährt die Gemeinschaft diesen Berufsgruppen in Art. 43
EGV unbeschränkt das sog. Niederlassungsrecht, mit dem der Unternehmer
den Standort seines Unternehmens innerhalb der Gemeinschaft frei wählen
kann.
8.2.1.2.3. Freier Kapitalverkehr
Je mehr eine Gemeinschaft mehrerer Staaten zusammenwächst, desto
enger sind auch die Kapital- und Zahlungsströme miteinander verflochten.
Der EG-Vertrag verbietet daher in Artikel 56 auch in diesem Bereich alle
Beschränkungen zwischen den Mitgliedsstaaten. Allerdings ist ein
75
integrierter europäischer Kapitalmarkt derzeit noch nicht in Sicht, da das
Kapital in seiner europäischen Bewegungsfreiheit noch durch
unterschiedliche gesetzliche und verwaltungstechnische Regelungen
behindert wird218.
Vor allem die verschiedenen Steuervorschriften, insbesondere die
unterschiedliche Besteuerung der Kapitalerträge wie Zinsen und Dividenden
in den Mitgliedsstaaten und die unterschiedliche Verpflichtung der Banken,
Kontrollmitteilungen
zu
machen,
führen
zu
Verzerrungen
im
grenzüberschreitenden Kapitalverkehr und haben bisher zu einer
innereuropäischen Kapitalflucht vor allem nach Luxemburg geführt.
Änderungen mögen hier zwar einerseits gewünscht sein, so wie die EUFinanzminister am 27. November 2000 beschlossen haben, dass auch
Luxemburg ab 2003 Kontroll-mitteilungen über Zinserträge mit anderen EULändern austauschen soll219, doch ist hierbei zu bedenken, dass eine
Harmonisierung im Eurosteuerland zu Disharmonien in den einzelnen
Mitgliedsstaaten führt, da auf diese Weise auch ein Anreiz geschaffen wird,
Kapital aus Euroland in ferne, exotische Sonnen- und Urlaubsländer - wie
die Bahamas - zu transferieren.
Steuern sind zudem ein sehr plastisches Beispiel dafür, wie schwierig der
Spagat zwischen Harmonisierung und Integration einerseits und den
nationalen Interessen andererseits ist. Denn zur Erreichung einer echten
Wirtschaftsgemeinschaft ist eine Steuerharmonisierung erforderlich220. Für
das Steuerrecht gilt aber nach wie vor der Artikel 5 des EG-Vertrages, nach
dem die Mitgliedsstaaten in der Ausgestaltung ihrer nationalen
Steuergesetze souverän bleiben, sofern es keine messbaren
Wettbewerbsverzerrungen gibt221. Beim Geld verstehen die einzelnen
Regierungen eben keinen Spaß. Die einzelnen Länder ziehen es vor, sich
die Steuereinnahmen selbst zu sichern; denn wenn es um das eigene Geld
geht, vertraut man lieber mehr den eigenen Institutionen als einer der
Gemeinschaft. Auch deshalb wird die Harmonisierung des Steuerbereichs in
der Gemeinschaft wohl noch lange dauern222.
218
Vgl. Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 56, Rn. 26.
Vgl. dazu Capital 26/2000: Vor dem Zinstribunal, S. 10-12.
220
Vgl. Grabitz, Eberhard / Hilf, Meinhard: Das Recht der Europäischen Union.
Loseblattkommentar, Vorbem. zu Art. 95, Rn. 15.
221
Vgl. Lenz, Carl Otto: EG-Kommentar, Vorbem. Art. 90-93, Rn. 20.
222
Dazu Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Vorbem. Art. 90-93, Rn. 27.
219
76
8.2.2. Die rahmenpolitischen Inhalte des Vertrages
Neben der Verwirklichung des Binnenmarktes muss die EU auch geeignete
Rahmenbedingungen für Bereiche schaffen, die eine engere Verbindung der
Staaten automatisch mit sich bringt, wie etwa Transport und Verkehr, den
ohnehin grenzüberschreitenden Umweltschutz oder die Zusammenarbeit bei
Forschung und Entwicklung.
8.2.2.1. Der Umweltschutz
Ein schwieriges und zuweilen heikles Thema bei regionalen Kooperationen
ist das Thema Umwelt und Umweltschutz und damit der Schutz der
natürlichen Lebensgrundlagen. Denn die Frage, ob der Zusammenhalt einer
Regionalkooperation dadurch gefördert wird, dass gerade im Umweltbereich
zusammengearbeitet wird, lässt sich nicht ohne weiteres bejahen.
8.2.2.1.1. Umweltschutz und regionale Kooperation
Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist schon ein Bereich, der
grenzüberschreitend bedeutsam ist und daher internationaler Regelungen
und Zusammenarbeit bedarf. Das Thema Umwelt kann jedoch bei
regionalen Zusammenschlüssen auch ein großes Konfliktpotential
beinhalten. Da die Mitgliedsländer untereinander auch Konkurrenten um
Industriestandorte sind, werden Umweltschutzaspekte gerne erst einmal
zurückgedrängt. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass einige
Mitgliedsstaaten eher bereit sind, aus dem Verbund ganz auszutreten als
den eigenen Industriestandort durch regionale Umweltschutzmaßnahmen zu
gefährden.
8.2.2.1.2. Umweltschutz in der EG
Dass der Bestand der EG insgesamt trotz des Konkurrenzdenkens um
nationale Standorte durch die Umweltfrage nie ernsthaft gefährdet gewesen
ist, liegt zum einen an der zunehmenden Sensibilität der Öffentlichkeit, die
durch moderne Kommunikationsmittel immer mehr und immer schneller von
Umweltvergehen und ihren Gefahren erfährt, und zum anderen an der
wachsenden Einsicht , dass die Natur keine Landesgrenzen kennt und damit
77
etwa die Luft- und Wasserverschmutzung im Nachbarland unweigerlich auch
das eigene Land betreffen.
Das Spannungsverhältnis zwischen Industrie und Umweltschutz ist ein
wesentlicher Grund dafür, dass erst 1987 in der Einheitlichen Europäischen
Akte (EEA) ein spezifisches Umweltkapitel in den Unionsvertrag
eingearbeitet worden223 ist, auch wenn die EG bereits seit Anfang der 1970er
Jahre im Rahmen einer extensiv ausgelegten Annexkompetenz zum
Gemeinsamen Markt nach Art. 95 ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage
europäisches Umweltrecht in die Römischen Verträge eingebaut hat224.
Wie schwierig das Spannungsverhältnis zwischen Industrie und Umwelt
tatsächlich ist, lässt sich schon daraus ersehen, dass noch bei der
Unterzeichnung der Schlussakte der EEA die Regierungsvertreter der
einzelnen Mitgliedsstaaten deutlich erklärten, dass sich die Tätigkeit der
Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes nicht störend auf die
einzelstaatliche Politik der Nutzung der Energieressourcen auswirken darf225.
Inzwischen hat sich allerdings der Umweltgedanke so weit durchgesetzt,
dass im Amsterdamer Vertrag von 1997 sogar die Grundvorschrift des Art. 2
des EWG-Vertrages dahin geändert worden ist, dass es nunmehr die
Aufgabe der Gemeinschaft ist, ein hohes Maß an Umweltschutz zu
fördern226.
Die Präambel des Vertrages über die Europäische Union sieht ebenfalls die
Stärkung des Umweltschutzes vor. Auch bekommt die Umweltpolitik durch
Art. 6 des EG-Vertrages mit der sog. "Querschnittsklausel" einen
besonderen Stellenwert. Danach müssen die Erfordernisse des
Umweltschutzes bei allen Gemeinschaftspolitiken miteinbezogen werden.
Zwar ist die Rechtsnatur dieser Klausel nach wie vor ungeklärt227, doch ist
sie vom Wortlaut her mehr als ein politischer Programmsatz, und hat den
Charakter eines verbindlichen Rechtssatzes228. Sie ist somit zumindest eine
Stützungsnorm für die Ziele der Umweltpolitik der Europäischen
Gemeinschaft nach Art. 174 EGV, also die Erhaltung und den Schutz der
Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität, der Schutz der menschlichen
Gesundheit, umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen
Ressourcen sowie die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene
zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme. Nach Art. 175
Abs. 1 EGV beschließt der Rat darüber, ob die Gemeinschaft tätig werden
soll.
223
Vgl. Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 130, Rn. 1.
Vgl. Lenz, Carl Otto: Vorbem. Art. 174-176, Rn. 1.
225
So Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 130, Rn. 1.
226
Hierzu Hailbronner, Kay / Klein, Eckart: Handkommentar zum Vertrag über die
Europäische Union, Art. 130, Rn. 30.
227
Dazu eingehend: Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 6, Rn. 1.
228
Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 6, Rn. 8.
224
78
Das europäische Umweltrecht hat inzwischen extreme Ausmaße
angenommen. Zu Schutz und Erhaltung der Umwelt wurden in den letzten
dreißig Jahren einige hundert Rechtsakte erlassen, wie z.B. Luftreinhaltung,
Gewässerschutz, Abfallwirtschaft, Chemikaliensicherheit oder Naturschutz229. Ferner ist die EG Vertragspartner von mehreren internationalen
Umweltschutzverträgen, die gemäß Art. 300 EGV abgeschlossen wurden.
8.2.2.2. Die Gemeinsame Verkehrspolitik
Für eine erfolgreiche, harmonische und ausgewogene Entwicklung des
innergemeinschaftlichen Wirtschaftslebens ist auch eine gemeinsame
Verkehrspolitik erforderlich. Die Verkehrspolitik ist eine der Grundlagen
eines Gemeinsamen Marktes überhaupt, da die gemeinsame Nutzung der
vorhandenen Verkehrswege einen umfassenden zwischenstaatlichen
Handel erst möglich macht. Aus diesem Grund fordert der EG-Vertrag in
Artikel 70 ausdrücklich eine gemeinsame Verkehrspolitik, für die nach Art.
71 der Rat die Rechtsetzungskompetenz hat. Solange bis der Rat
gemeinsame Regeln für den Verkehr zwischen den Mitgliedsstaaten
aufgestellt hat, müssen sich die Mitgliedsstaaten an die sog.
"Stillhalteverpflichtung" nach Artikel 72 EGV halten, nach der
Verkehrsunternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat nicht schlechter
behandelt werden dürfen als die inländischen.
8.2.2.2.1. Der Weg zu einer Gemeinsamen Verkehrspolitik
Der Weg zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik in Europa war in der
Vergangenheit allerdings äußerst schwierig. Noch bis 1985 gab es kaum
Erfolge bei der Verwirklichung einer gemeinsamen Verkehrspolitik. Grund
dafür waren vor allem die "unüberbrückbaren" Gegensätze zwischen den
Mitgliedsstaaten, die den Verkehr schon immer stark reglementiert haben,
wie etwa Deutschland, Frankreich und Italien, und den Mitgliedsstaaten, die
dem Verkehr schon immer mehr freien Lauf ließen. Einigungsversuche über
gemeinsame Regelungen des Verkehrs wurden zudem dadurch erschwert,
dass bis 1986 hier noch das sog. Konsensprinzip praktiziert wurde, nach
dem bei Entscheidungen alle Mitgliedsstaaten zustimmen mussten.
229
Ein vollständiger Überblick über die wichtigsten Rechtsakte der EG und die
völkerrechtlichen Umweltverträge finden sich bei Storm, Peter Christoph / Lohse, Siegbert:
EG-Umweltrecht, systematische und ergänzbare Sammlung der Verordnungen, Richtlinien
und sonstigen Rechtsakte der EU zum Schutz der Umwelt, 3 Bände, Stand: 31. Erg.Lieferung, August 1998.
79
Außerdem besteht der Eindruck, dass in der Gemeinschaft bis dahin die
Verkehrspolitik für nicht so wichtig genommen wurde230.
Erst das sog. "Untätigkeitsurteil" des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)
vom 22.5.1985231 weckte die Gemeinschaft auf. Die Mailänder Beschlüsse
des Rates im Juni 1985 und die seit 1987 zunehmende Praktizierung der
Mehrheitsregel232 brachten dann endlich entscheidende Fortschritte in der
Verkehrspolitik. Seitdem hat der Rat die Verkehrspolitik förmlich an sich
gerissen und versucht nun, gleiche Wettbewerbsbedingungen bei den
Verkehrsabgaben zu schaffen, die Verkehrssicherheit zu verbessern, den
Umweltschutz im Verkehr mit zu berücksichtigen sowie den gemeinsamen
Binnenmarkt im Verkehr zu verwirklichen.
8.2.2.2.2. Verkehrssicherheit
Bei der Verkehrssicherheit sind nicht zuletzt wegen des zunehmenden
öffentlichen Drucks Fortschritte erzielt worden. Im EG-Vertrag ist ein neuer
Art. 71 Abs. 1 lit. c eingeführt worden, mit dem der Rat Maßnahmen zur
Verbesserung der Verkehrssicherheit erlassen kann. Damit hat die
Gemeinschaft ein Instrument in die Hand bekommen, mit dem sie ihre
eigenen Vorstellungen von Verkehrssicherheit durchsetzen kann.
Es ist allerdings anzunehmen, dass in Sachen Verkehrssicherheit auch
weiterhin Vieles erst einmal auf nationaler Ebene geregelt wird, einfach um
den unterschiedlichen Verkehrsgewohnheiten in den Mitgliedsstaaten
gerecht werden zu können. Es hat jedoch auch schon vor der Einführung
der eigenständigen Ermächtigungsgrundlage des Art. 71 Abs. 1 lit. c einige
wesentliche gemeinschaftliche Rechtsakte der EG gegeben wie die
Angleichung der TÜV-Regeln233 oder die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen234.
230
Siehe bei Lenz, Carl Otto: Vorbem. Art. 70 ff. EG-Vertrag, Rn. 11.
Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, Rs 13/83, abgedruckt und
rezensiert von Erdmenger, Jürgen in: Zeitschrift Europarecht 1985, S. 75-405.
232
Lenz, Carl Otto: Vorbem. Art. 70 ff, Rn. 12.
233
Richtlinie des Rates Nr. 96/96/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedsstaaten über die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge und Anhänger v.
20.12.1996.
234
Richtlinie des Rates Nr. 91/671/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedsstaaten über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit einem Gewicht von
weniger als 3,5 t vom 16.12.1991.
231
80
8.2.2.2.3. Umweltschutz und Verkehr
Der Umweltschutz spielt im Verkehr ohnehin eine zentrale Rolle. Die
Verunreinigung der Luft ist zu einem großen Teil auf Abgase von
Kraftfahrzeugmotoren zurückzuführen. In den letzten Jahren sind durch
technische Verbesserungen wie die Einführung von Katalysatoren die
individuellen Emissionen von PKWs und LKWs reduziert worden.
1991 hat ferner die EG eine Richtlinie235 erlassen, nach der neuen PKWs nur
dann eine Betriebserlaubnis erteilt werden darf, wenn sie bestimmte
Emissionsgrenzwerte einhalten. Auch für LKW, Busse, Zwei- und Dreiräder
wurden per Richtlinie Grenzwerte festgelegt. Die zukünftige Aufgabe im
Umweltschutz wird ohnehin weniger sein, umweltschützende Regelungen
aufzustellen - es gibt inzwischen viele Einzelregelungen von Grenzwerten sondern vielmehr, das Bewusstsein für Umweltschutz so zu schärfen, dass
die Grenzwerte nicht aus Angst vor Sanktionen, sondern aus eigener
Überzeugung eingehalten werden.
8.2.2.2.4. Wettbewerbsverzerrungen
Zu Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Abgaben in den
einzelnen Mitgliedsstaaten kam es in der Vergangenheit u.a. durch
unterschiedlich hohe Kraftfahrzeugsteuersätze und die oft willkürliche
Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren insbesondere für
Autobahnen. Eine inzwischen wegen mangelnder Beteiligung des
Europäischen Parlamentes für nichtig erklärte Richtlinie des Rates von 1993
sah niedrige Mindestsätze für die Kraftfahrzeugsteuer in allen
Mitgliedsländern vor und gab den Mitgliedsstaaten ausdrücklich das Recht,
entfernungs- oder zeitabhängige Autobahngebühren zu erheben, wobei die
zeitabhängige Autobahngebühr 1250 Euro jährlich nicht überschreiten
durfte. Trotz der Nichtigkeitserklärung gilt die Richtlinie weiter bis eine neue
Richtlinie erlassen ist, wobei die Neufassung lediglich geänderte
Höchstsätze vorsieht236.
Da es also offensichtlich den einzelnen Mitgliedsstaaten immer noch
möglich ist, Maut- und Benutzungsgebühren auf ihren Inlandsstrecken zu
erheben, dürfte der Streit um die Mautgebühren unvermindert weitergehen,
der aktuell zusätzlich noch durch hohe Treibstoffpreise angeheizt wird. Die
derzeitigen Streiks und Blockaden etwa in Frankreich zeigen zudem die
Schwierigkeiten auf, die auch eine europäische Zentralregierung hätte.
235
236
Richtlinie 91/441/EWG vom 26.6.1991 (Euro I für PKW).
Näheres bei Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 71, Rn. 18.
81
Da das Transportgewerbe für volle Supermärkte, Warenhäuser und
Einzelhandelsgeschäfte sorgt, sichert es die Versorgung der Bevölkerung
und kann daher enormen Druck auf die jeweilige Regierung ausüben.
Solche starken Einzelinteressen und Lobbyismus sind jedoch Gift für eine
gemeinsame europäische Politik. Trotzdem setzt das Ziel eines
gemeinsamen Binnenmarktes langfristig eine insgesamt gemeinsame
Verkehrspolitik voraus. Eine solche gemeinsame Verkehrspolitik
einzurichten, hat sich die Europäische Gemeinschaft auch zur Aufgabe
gemacht237. Dazu sind gemeinsame Regeln für den internationalen Verkehr
erforderlich. Für den sog. "Wechselverkehr, d.h. den Verkehr aus oder in
das Hoheitsgebiet eines EG-Mitgliedsstaates und den sog. "Transitverkehr",
also den Verkehr durch einen Mitgliedsstaat, ist dieser Auftrag auch schon
weitgehend erfüllt238.
8.2.2.3. Forschung und Entwicklung
Damit die Gemeinschaft international wettbewerbsfähig bleiben kann, bietet
sich auch eine Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung an.
Deswegen unterstützt die Gemeinschaft Unternehmen, Forschungszentren
und Hochschulen vor allem in der Weise, dass sie Forschungsprogramme
mit Unternehmen und Hochschulen durchführt, die Forschungsausbildung
fördert sowie die Zusammenarbeit mit dritten Ländern verstärkt (Art. 163,
164 EGV).
Zu den bekanntesten Kooperationsinitiativen gehören die EUREKA und die
COST. Die EUREKA-Initiative (European Research Koordination Agency)
kam 1985 auf Anregung Frankreichs zustande und umfasst inzwischen 25
Staaten, zu denen neben den EU-Staaten auch Norwegen, Schweiz, Island,
Türkei und mehrere Staaten aus Osteuropa gehören239. EUREKA hat die
Aufgabe, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Hochtechnologieforschung zu fördern.
Die Initiative COST ("Coopération europeénne dans le domaine de la
recherche Scientifique et Technique") - Europäische Zusammenarbeit auf
dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung - umfasst
heute sogar 28 europäische Staaten, darunter auch Malta und Kroatien.
COST ist kein Forschungsprogramm der EU, sondern hilft bei der
Begleichung der hierbei anfallenden Kosten, z.B. Seminaren und
Reisekosten240.
237
Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 74, Rn. 1.
Dazu ausführlich Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 71, Rn. 8.
239
Vgl. Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 164, Rn. 13.
240
Vgl. Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 164, Rn. 17.
238
82
Bekannte internationale Organisationen, mit denen die EU bei Forschung
und Entwicklung kooperiert, sind z.B. in Europa die ESA (European Space
Agency, Europäische Weltraumagentur), die CERN (Europäische
Organisation für Kernforschung) sowie im globalen Bereich die OECD. Für
die wissenschaftlichen und technologischen Ziele stellt der Rat ferner nach
Art. 166 Abs. 1 EGV ein mehrjähriges Rahmenprogramm auf.
Für eine erfolgreiche regionale Zusammenarbeit ist es ferner erforderlich,
dass die Gemeinschaft zukunftsorientiert arbeitet. Dazu gehört bei
vorwiegend rohstoffarmen Industriestaaten wie den zentraleuropäischen
Ländern insbesondere eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung
und technologischen Entwicklungen. Zur Erreichung dieses Zieles
unterstützt die Gemeinschaft Forschungszentren und Hochschulen und
versucht den Binnenmarkt für die Zusammenarbeit untereinander zu öffnen,
vor allem durch die Beseitigung von rechtlichen und steuerlichen
Hindernissen. Ferner sollen insbesondere kleinere und mittlere
Unternehmen unterstützt werden. Problematisch kann in diesem
Zusammenhang allerdings eine Konzentration von Forschungs- und
Entwicklungsvorhaben sein. In diesen Fällen sollte versucht werden, einen
Ausgleich zu erzielen.
8.2.3. Die zentralistische Komponente der EG:
Die Landwirtschaft
Ein Kapitel für sich ist die Landwirtschaft der EG. Wenn auch für die
allermeisten Waren der freie Warenverkehr innerhalb der EG weitgehend
verwirklicht worden ist, so gilt dies nicht für die Landwirtschaft.
Damit ist "das" Thema der EG der letzten 30 Jahre schlechthin
angesprochen. Die Landwirtschaft ist seit dem Beginn der EG einer der
heikelsten und umstrittensten Bereiche. Während sich in den anderen
Bereichen die Gemeinschaft zunächst darauf konzentrierte, die
Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene zu fördern und die Politik
zunächst weitgehend noch den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen
bleiben sollte, wollte die Gemeinschaft bei der Landwirtschaft von Beginn an
auch eine gemeinsame Politik betreiben. Daher ist die Gemeinsame
Agrarpolitik (GAP) lange schon ein Beispiel für zentralistische Politik der EG,
die aus Brüssel die gesamte Landwirtschaft der Mitgliedsländer regelt.
Seitdem gibt es in der EG kaum einen Bereich, der für so wichtig befunden
wird wie die Landwirtschaft, was leicht einleuchtet, wenn man bedenkt, dass
der weitaus größte Teil des Gemeinschaftshaushalts durch Ausgaben auf
dem Gebiet der Landwirtschaft gebunden wird241. 1994 kostete die
241
Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 38, Rn. 7.
83
Landwirtschaft beispielsweise
Gesamtausgaben entsprach242.
36 Milliarden
ECU,
was
52,4%
der
Auf der anderen Seite war es gerade die Landwirtschaftspolitik, mit der die
EG beinahe ihre Existenz aufs Spiel setzte, als es ihretwegen insbesondere
in den siebziger und achtziger Jahren zu heftigen Bauernprotesten und
schweren inneren Konflikten zwischen den Mitgliedsstaaten kam. Auch
neuerdings zeigt sich anlässlich der sog. BSE-Krise, dass notwendige
Maßnahmen, die die Landwirtschaft betreffen, im Bereich der Koordinierung
zwischen "Brüssel" und den Mitgliedsstaaten Schwierigkeiten bereiten.
8.2.3.1. Gründe für die zentralistische Politik
Warum sich die EG ausgerechnet für eine zentralistische Gemeinsame
Agrarpolitik entschieden hat und trotz dieser immensen Streitereien immer
an ihr festhielt, erscheint im ersten Moment verwunderlich, doch dafür gibt
es handfeste Gründe. Denn für eine gemeinsame Landwirtschaftspolitik
spricht die immense Bedeutung der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist in
fast allen Staaten die traditionelle Wirtschaftsform, prägt ihre Kulturen und
Strukturen und ist damit auch ein Stück Identität. Außerdem nutzt die
Landwirtschaft die Natur in ihrem ursprünglichem Zustand und hat daher
auch eine landschaftspflegende und damit umweltschützende Aufgabe.
Besondere Bedeutung hat die Landwirtschaft jedoch deshalb, weil sie die
Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sichert und damit
verantwortlich ist für den elementarsten Bereich der Existenzsicherung. Da
die Gefahr von Unruhen und Umstürzen in einem Staat besonders hoch ist,
wenn die Grundversorgung der Bevölkerung nicht gesichert ist, hat der Staat
ein eigenes Interesse daran, die eigene Bevölkerung zu möglichst geringen
Preisen in ausreichendem Maße zu versorgen.
Auf der anderen Seite haben die landwirtschaftlichen Betriebe jedoch ein
Interesse daran, möglichst viele ihrer Produkte zu möglichst hohen Preisen
abzusetzen. Freie Marktwirtschaft bei landwirtschaftlichen Produkten birgt
daher die Gefahr, dass sich die Betriebe Preiskämpfe liefern, rationalisieren
müssen und am Ende viele kleinere Betriebe schließen müssen.
Schließlich könnte sogar ein Monopolbetrieb übrig bleiben, der kleinere
Betriebe aufgekauft hat und seine hohen Investitionen durch Höchstpreise
für Grundnahrungsmittel auszugleichen versucht. Solche extrem hohen
Preise könnten dann sogar die Grundversorgung der Bevölkerung
gefährden.
242
Zahlen bei Baßeler, Ulrich: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, S. 605.
84
Auf der anderen Seite lässt sich die Nachfrage nach landwirtschaftlichen
Produkten nur schwer steigern, auch wenn sich die Einkommen der
Konsumenten erhöhen, was sich leicht daraus ersehen lässt, dass der
Konsument nicht beliebig viele Schnitzel täglich verzehren kann243. Daher
würden hohe Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft zu einem
kräftigen Preisverfall bei den Agrarprodukten führen und die Existenz vieler
Betriebe gefährden.
8.2.3.2. Die Gestaltung einer gemeinsamen Agrarpolitik
Aus all diesen Gründen ist es angebracht, die Landwirtschaft nicht allein
marktwirtschaftlichen Regeln zu überlassen. Für diesen Weg hat sich auch
die EG entschieden. Das Konzept, das sich schließlich herausbildete, hatte
als Hauptziele der gemeinsamen Agrarpolitik die Förderung der
Landwirtschaft durch Steigerung des technischen Fortschrittes und
Rationalisierung, die Stabilisierung der Märkte und die Versorgung und
Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen (Art. 33 EG-Vertrag)
und wird in Art. 32 Abs. 4 mit "Gestaltung einer gemeinsamen Agrarpolitik"
umschrieben. Die Eckpfeiler dieser Politik sind seitdem die Einheit des
Marktes, Gemeinschaftspräferenz und finanzielle Solidarität.
8.2.3.2.1. Finanzielle Solidarität
Der Grundsatz der finanziellen Solidarität stellt klar, dass die Kosten des
Gemeinsamen Agrarmarktes von allen Mitgliedsstaaten gemeinsam zu
tragen sind. Seit 1962 existiert für die Aufbringung und Verteilung der
erforderlichen Mittel der "Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für
die Landwirtschaft (EAGFL)244.
8.2.3.2.2. Die Einheit des Marktes
Um die Einheit des Marktes zu gewährleisten, musste für den freien
Warenverkehr mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen ein Binnenmarkt
243
Landwirtschaftliche Produkte gelten als Güter mit geringer Einkommenselastizität der
Nachfrage, d. h. die Nachfrage steigt bei steigendem Einkommen nur noch wenig,
vgl. Baßeler, Ulrich: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 606 f.
244
Zu diesem Fonds ausführlich Lenz, Carl Otto: EG-Kommentar, Art. 87-100.
85
geschaffen werden, in dem Zölle und ähnliche Hemmnisse abgeschafft
werden und die EG ein gemeinsames Agrarpreissystem und gemeinsame
Wettbewerbsregeln einführte. Ferner kann ein gemeinsamer Binnenmarkt
bei landwirtschaftlichen Produkten nur dann reibungslos funktionieren, wenn
auch die verwaltungs- und gesundheitsrechtlichen Bestimmungen der
Mitgliedsstaaten angeglichen sowie ein gemeinschaftlicher Außenschutz für
die Ein- und Ausfuhr landwirtschaftlicher Produkte geschaffen wird. Die Ziele
der
Gemeinsamen
Agrarpolitik,
nämlich
Produktivitätssteigerung,
Einkommenssicherheit für die Landbevölkerung, Stabilisierung der Märkte
und Versorgung der Verbraucher zu angemessenen Preisen sind in Art. 33
EGV festgelegt.
Zur Erreichung dieser Ziele wird nach Art. 34 EGV eine gemeinsame
Organisation der Agrarmärkte geschaffen, und zwar durch drei
abschließende Formen, entweder durch gemeinsame Wettbewerbsregeln,
wie sie etwa zur Koordinierung der nationalen Beihilfepolitiken nach Art. 36
EGV geschaffen werden, oder durch Koordinierung der Regelungen der
einzelstaatlichen Marktordnungen (bei Kartoffeln und Honig) oder der
wichtigsten Organisationsform, der Errichtung europäischer Marktordnungen. Diese europäischen Marktordnungen haben mehrere Elemente
herausgebildet: Das Preis- und Interventionssystem, das System des
Außenschutzes, die Beihilfensysteme und Maßnahmen zur Regelung der
landwirtschaftlichen Überschusserzeugung. Das Preis- und Interventionssystem soll das einheitliche Preisniveau auf dem Binnenmarkt und
gegenüber Drittländern sichern.
Jedes Jahr wird für jedes Erzeugnis ein sog. Richtpreis festgesetzt. Dieser
Preis ist der angestrebte Marktpreis des jeweiligen Erzeugnisses und soll die
Einnahmen der Landwirte sichern. Dieser Preis ist lediglich ein "politischer
Preis", hat somit aber für die Marktbeteiligten keinerlei Bindungswirkung245.
Wird dieser Preis allerdings unterschritten, dann interveniert die EG, indem
die zuständigen Interventionsstellen der Mitgliedsländer (in Deutschland die
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) landwirtschaftliche
Erzeugnisse ankauft.
Die Interventionsstellen sind zu diesem Ankauf verpflichtet. Anfänglich war
diese Ankaufsverpflichtung sogar unbegrenzt, so dass sich dieses System
zu einem eigenen Absatzweg entwickeln konnte, später wurde diese
kostspielige Intervention ganz abgeschafft (z.B. bei Schweinefleisch) oder
eingeschränkt (z.B. bei Rindfleisch oder Milch).
Ein weiteres eigenständiges Stützungsinstrument sind die sog.
Einkommensbeihilfen, die dann gezahlt werden, wenn für den Verbraucher
ein möglichst niedriger Marktpreis erzielt werden soll und die Landwirte für
ihre Einkommensverluste entschädigt werden sollen. Dabei wird ein sog.
"Orientierungspreis" festgelegt, der das vom Erzeuger zu erzielende
245
Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 34, Rn. 9.
86
Einkommen vorgibt. Die Differenz zwischen Orientierungspreis und
tatsächlich niedrigerem Marktpreis wird den Erzeugern als Einkommensbeihilfen gezahlt246 .
Die Stützungsmaßnahmen haben in allen landwirtschaftlichen Bereichen zur
Überproduktion geführt und die Kosten für die Überschussverwertung durch
Ausfuhrerstattungen, Lagerhaltung oder Vernichtung ein solches Ausmaß
erreicht, dass die Finanzierbarkeit an sich in Frage gestellt war247. Mit
Nichtvermarktungs-, Stillegungs-, Umstellungs- und Aufgabeprämien sowie
direkten Eingriffen in die Produktion durch Senkung der Ankaufpreise,
Erhebung von Mitverantwortungsabgaben oder der Einführung von
Quotensystemen 248 wurde dieser Finanzierungskrise bisher begegnet.
8.2.3.2.3. Das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz
Das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz schützt die Bevorzugung der
landwirtschaftlichen Erzeugnisse der EG gegenüber Agrarprodukten aus
Drittländern. Dazu entwickelte die EG das System der sog. Agrarabschöpfungen, also bestimmten Zöllen, die an der Gemeinschaftsgrenze
erhoben wurden, um die Unterschiede auszugleichen zwischen dem
jeweiligen billigen Einfuhrpreis und dem vom Rat festgesetzten
Schwellenpreis249. Diese Einfuhrabschöpfungen existierten bis 1995. Dann
wurden sie als ein Ergebnis der Uruguay-Runde des GATT abgeschafft und
durch feste Zölle für Agrarprodukte ersetzt250. Nach wie vor gibt es jedoch
die Ausfuhrabschöpfungen, die als Ausfuhrabgaben erhoben werden dürfen,
wenn der Weltmarktpreis höher ist als der Marktpreis im EG-Raum, um zu
hohe Ausfuhren zu verhindern und die Versorgung der Bevölkerung
sicherzustellen.
8.2.3.3. Die Zukunft der Landwirtschaft
Schon dieser Abriss der Probleme der EG zeigt, wie schwierig eine
gemeinsame landwirtschaftliche Politik ist und wie künstlich geschaffen sie
im Rahmen einer Regionalkooperation wirkt. Andererseits hat sich jede
Kooperation aber auch zur eigenen Landwirtschaft zu bekennen, da nur sie
die Versorgung der eigenen Bevölkerung sichern kann.
246
Lenz, Carl Otto: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 34, Rn. 31.
Lenz, Carl Otto: Art. 34, Rn. 34.
248
Dazu ausführlich: Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Art. 34, Rn. 37 ff.
249
Ähnlich Baßeler, Ulrich, Grundprobleme der Volkswirtschaftslehre, S. 608.
250
Dazu VO (EG) Nr. 3290/94 des Rates vom 22.12.1994.
247
87
Um die europäische Landwirtschaft reif für das nächste Jahrtausend zu
machen, hat die Kommission 1997/98 weit reichende Vorschläge für eine
Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik gemacht. Mit dieser sog. "Agenda
2000" soll durch eine stärker marktorientierte Preispolitik die
Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft erhöht und die agrarpolitischen
Voraussetzungen für den baldigen Eintritt der mittel- und osteuropäischen
Staaten geschaffen werden. Ziele der Agenda 2000 sind eine
wettbewerbsfähige Landwirtschaft mit umweltgerechten Produktionsverfahren, die Erhaltung der traditionellen Landwirtschaft, eine einfache,
verständliche Agrarpolitik und eine Agrarpolitik, die die hohen Ausgaben
rechtfertigt251.
Die Wettbewerbsfähigkeit soll dabei durch Preissenkungen bei den
wichtigsten Waren erreicht werden, wobei die Einkommenseinbußen durch
Ausgleichszahlungen beglichen werden sollen. Dieser Ausgleich soll neu
geregelt werden, indem die Mitgliedsstaaten die Unterstützungsleistungen
nach eigenem Ermessen verteilen können und Wettbewerbsverzerrungen
vermieden werden sollen. Ferner sollen direkte Beihilfen davon abhängig
werden, dass die Umweltvorschriften eingehalten und die Rechtsvorschriften vereinfacht werden. Auch ist vorgesehen, eine Reihe
komplizierter und teilweise zusammenhangloser Rechtsvorschriften
aufzuheben252.
Ferner sollen Ungerechtigkeiten beseitigt werden, indem Beihilfen nur
solchen Personen zukommen, die auch tatsächlich eine landwirtschaftliche
Tätigkeit ausüben. Auf diese Weise soll es möglich werden, die seit 1992 zu
beobachtenden Missbräuche zu unterbinden, die dadurch entstehen, dass
durch juristische Kunstgriffe auch Personen Auszahlungen beziehen, die
keinen landwirtschaftlichen Beruf ausüben253. Bestimmte Aspekte, die alle
gemeinsamen Marktorganisationen mit Direktzahlungen betreffen, sind
darüber hinaus in einer horizontalen Verordnung zusammengefasst
worden254.
Die wichtigsten Herausforderungen für die Landwirtschaft sind nach wie vor
die Bekämpfung der Überproduktion, der Schutz der Gesundheit der
Verbraucher255, der Erhalt der Landwirtschaft durch finanzielle Sicherung, die
Dezentralisierung der Verwaltung und die Vereinfachung der Rechtsvorschriften.
251
Zur Agenda 2000 grundlegend Europäische Kommission: Politische Gesetzgebungsinitiativen 1998, in: Die Lage der Landwirtschaft in der Europäischen Union: Bericht 1998,
S. 25-33 (26f.).
252
Zu dieser Neuorientierung Europäische Kommission: Politische Gesetzgebungsinitiativen, in: Die Lage der Landwirtschaft in der Europäischen Union: Bericht 1998, S. 2533 (26 f.).
253
Vgl. Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Rn. 53 (S. 153 unten).
254
Dazu Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Art. 34, Rn. 54.
255
Die aktuelle BSE-Krise zeigt die Bedeutung dieser Aufgabe sehr deutlich.
88
8.2.4. Die rechtspolitischen Probleme der
Integration im EU-Vertrag
Wenn Europa zusammenwächst, wachsen auch Recht und Politik
zusammen. Alles, was bisher die einzelnen Staaten geregelt haben, wird
allmählich übergeordnet durch gemeinschaftliche Instanzen entschieden.
8.2.4.1. Die Angleichung von Rechtsvorschriften
Die gesamte Problematik von Integration und nationaler Souveränität
spiegelt sich bei der Angleichung der Rechtsvorschriften wider. So lange, bis
es ein einheitliches "Europa-Recht" gibt, erlässt der Rat nach Art. 94 EGVertrag Richtlinien für die Angleichung. Ähnliches gilt auch auf dem
privatwirtschaftlichen
Sektor
für
alle
wettbewerbsbeschränkenden
Vereinbarungen und Verhaltensweisen von international agierenden
Unternehmen, die untersagt werden müssen, wenn sie den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen (Art. 81 EGV). Ebenso müssen
staatliche Beihilfen, die den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten
beeinträchtigen, verboten werden (Art. 87 EGV).
8.2.4.2. Die Wirtschafts- und Währungsunion
Wenn das langfristige Ziel europäischer Integration die Ablösung nationaler
Aufgaben durch zentrale gemeinschaftliche Institutionen ist, so hat dafür der
EG-Vertrag schon die ersten Anfänge gemacht. Eine wesentliche
"Vergemeinschaftung" ist die Vorgabe einer gemeinschaftlichen Wirtschaftsund Währungspolitik als Eckpfeiler einer Währungsverfassung (geregelt in
Art. 98-124)256. Schon jetzt ist die Kompetenz für geld- und
währungspolitische Entscheidungen auf die Europäische Zentralbank
teilweise übergegangen. Ähnlich wie ihr Vorbild Deutsche Bundesbank soll
diese Institution in Zukunft eine ähnlich starke und stabile Währungspolitik
betreiben.
256
Vgl. Lenz, Carl Otto: EG-Vertrag, Vorbem. Art. 98, Rn. 2.
89
8.2.5. Die wichtigsten Institutionen der EU
Die wichtigsten Institutionen der EU sind die Europäische Kommission, der
Ministerrat, der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs, das
Europäische Parlament und der Europäische Gerichtshof.
Der Europäische Kommission (Art. 211 ff. EGV), die aus 20 Mitgliedern
besteht und von einem Präsidenten geleitet wird, obliegt vor allem die
Sicherstellung des Funktionierens und der Entwicklung des Gemeinsamen
Marktes. Der Ministerrat (auch kurz "Rat" genannt, Art. 202 ff. EGV), setzt
sich aus den jeweiligen Fachministern zusammen (dazu auch Art. 23 Abs. 6
GG, Art. 203 EGV). Er ist das zentrale Entscheidungsorgan der EU. Seit
Anfang der 70er Jahre gibt es auch den "Europäischen Rat der Staats- und
Regierungschefs" - nunmehr in Art. 4 des EU-Vertrages verankert. Er hat die
Aufgabe, über die Entwicklung der Politik der Gemeinschaft zu entscheiden.
Das Europäische Parlament (Art. 189 ff. EGV) wird seit 1979 von den
Völkern der Gemeinschaft direkt gewählt (Art. 189 EGV), trotzdem muss es
noch um jede Kompetenz ringen. Schließlich ist noch der Europäische
Gerichtshof zu nennen (Art. 220 EGV), der sich aus 15 Richtern
zusammensetzt und dem die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und
Anwendung der Verträge obliegt. Seit 1989 ist dem EuGH das Europäische
Gericht (EuG) erster Instanz beigeordnet.
8.2.6. Die unionspolitische Aufgabe des EUVertrages
Die Europäische Union soll auch eine politische Union werden. Dazu sind
ein innerer Zusammenhalt der Staaten und erste Schritte zu einem vereinten
Europa erforderlich.
8.2.6.1. Das "Gemeinschafts"- Konzept der EU
Der Erfolg einer Partnerschaft zwischen verschiedenen Staaten, gleich
welcher formalen Natur diese auch sein mag, hängt zu einem großen Teil
davon ab, dass die Partnerstaaten dauerhaft zusammen und in Konfliktfällen
"konsensfähig" bleiben.
90
In der Vergangenheit scheiterten viele Regionalisierungsversuche - z.B. in
Südamerika oder in Afrika - auch daran, dass durch ständige Austritte von
Ländern ein dauerhafter Zusammenhalt nicht möglich war. Daher muss jede
Regionalkooperation Maßnahmen ergreifen, um den inneren Zusammenhalt
zu stärken und das Ausscheren einzelner Länder in kritischen Situationen zu
verhindern.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um die Mitglieder zusammenzuhalten, ist es, für wirtschaftliche und soziale Ausgewogenheit zu sorgen.
Dazu hat sich die Gemeinschaft nach Art. 158 EGV als Ziel gesetzt, die
Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und die
Rückstände der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern. Zwar ist
dieses Ziel zunächst nur eine wirtschaftliche Vorgabe, doch gibt es einige
Ansätze zur politischen Umsetzung, wie z.B. den sog. Kohäsionsfonds nach
Art. 155, 161 EGV, mit dem die Schaffung transeuropäischer Verkehrswege
und umweltschützende Maßnahmen finanziell unterstützt werden, wobei die
Leistungen aus diesem Fonds gerade den Mitgliedsstaaten zugute kommen
sollen, deren Bruttosozialprodukt pro Kopf weniger als 90% des
Gemeinschaftsdurchschnitts beträgt257.
Erwähnenswert ist ferner der Europäische Fonds für regionale Entwicklung.
Gemäß Art. 160 EGV hat der Europäische Fonds für regionale Entwicklung
die Funktion, durch Beteiligung an der Entwicklung und an der strukturellen
Anpassung der rückständigen Gebiete und an der Umstellung der
Industriegebiete mit rückläufiger Entwicklung zum Ausgleich der wichtigsten
regionalen Ungleichgewichte in der Gemeinschaft beizutragen. Der EFRE
wurde 1975 errichtet. Die Mittel für den Fonds sind im allgemeinen
Haushaltsplan der Gemeinschaft enthalten.
8.2.6.2. Die politische Union Europas
Mit dem Vertrag von Maastricht ist auch die politische Union Europas ein
Stück näher gerückt. Der Unionsvertrag enthält mehrere gemeinsame
Politiken und Formen der Zusammenarbeit der einzelnen Regierungen, die
eine noch engere Allianz unter den Staaten erzielen sollen.
Ein Vereintes Europa als Staat an sich gibt es noch nicht. Denn bei den
Verhandlungen über die Einheitliche Europäische Akte waren die
Mitgliedsstaaten nicht bereit, diesen entscheidenden Schritt zu gehen,
257
Geiger, Rudolf: Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 130 d, Rn. 13.
91
sondern beschränkten sich darauf, die Verwirklichung der Europäischen
Union als Ziel festzulegen258.
Daher bleibt es zunächst dabei, dass die europäische Einigung sich
langsam durch eine immer engere Zusammenarbeit vollzieht. Ein
Meilenstein zur politischen Einigung wäre es, wenn die Europäische Union
tatsächlich eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik betreiben
würde. Denn dies würde bedeuten, dass Europa nach außen hin mit einer
Stimme sprechen würde. Doch so weit ist es noch nicht. Augenblicklich
werden lediglich Politikressorts wie die Justiz- und Innenpolitik sowie die
Außen- und Sicherheitspolitik angenähert. Trotzdem ist zu vermerken, wie
sehr eine weit vorangekommene wirtschaftliche Integration auch politische
Einigungsschritte nach sich ziehen kann. Dies zeigten in Deutschland vor
allem die Änderungen des Grundgesetzes in den Artikeln 23, 24 und 88
EGV: die Möglichkeit zur Übertragung von Hoheitsrechten auf
zwischenstaatliche Einrichtungen und die Übertragung von Befugnissen der
Deutschen Bundesbank auf die Europäische Zentralbank.
Tab. 1: Haushaltsausgaben der Europäischen Gemeinschaften
1958-1998
In Mio RE / ERE / ECU*
Gesamtaus davon
EAGFL
gaben
1958
1960
1970
1980
1990
1998
8,6
28,3
5 448,4 5 228,3
16 057,1 11 596,3
45 504,6 27 233,8
83 529,2 40 397,0
Sozialfond Regionalfon Industrie Verwaltung Sonstiges
s
ds
u.a.**
64,0
502,0
3 212,0
6 807,8´´
751,8
4 554,1
12 045,3``
212,8
1 738,7
3 062,7
8,6
23,4
114,7
938,3
2 298,1
4 354,4
4,9
41,4
2 056,1
7 567,9
16 862,0
* RE (=Rechnungseinheit) bis 1970; ERE 1980; ECU ab 1990
** 1980 und 1990: Industrie, Energieforschung; 1998: "Mittel (Zahlungen)"
´´
Strukturfonds insgesamt; 25 643,2 (darin neben Sozial- und Regionalfonds: EAGFL,
Abt. Ausrichtung : 3 521,5; Gemeinschaftsinitiativen: 2 588,8
Darin: Kohäsionsfonds: 2 648,8; Außenpolitische Maßnahmen (ohne GASP):
4 315,0
``
Quellen: Kommission der EG, Jahreswirtschaftsbericht; Amtsblatt der EG I.
44 vom 16.2.1998; zitiert nach: Mickel, Wolfgang (Hrsg.):
Handlexikon der Europäischen Union, 1998, S. 295.
258
Von der Groeben, Hans / Thiesing, Jochen / Ehlermann, Claus-Dieter: Handbuch des
Europäischen Rechts: Systematische Sammlung mit Erläuterungen, Kommentar zu Artikel
A des Vertrages zur Europäischen Union, Rn. 1.
92
8.3. Schlussbemerkungen
Das Vereinte Europa - die Europäische Union - entwickelt sich langsam aber
stetig. Diese regionale Kooperation ist damit zum Vorbild für andere
Zusammenschlüsse geworden. Schwierigkeiten, die sich gezeigt haben,
etwa betreffend die teilweise Abgabe nationaler Souveränitätsrechte in
vielen Einzelbereichen (z.B. Steuerwesen, Landwirtschaft) sind auch
anderswo kritische Punkte. Ihre Überwindung im Konsens ist für andere
Zusammenschlüsse beispielhaft. Die beabsichtigte Verbesserung der
Lebensverhältnisse in den Mitgliedsstaaten, vor allem den bisher
benachteiligten (z.B. Portugal), ist erreicht worden; ein Antriebsfaktor für
manche beitrittswilligen Länder. Ein Problem bleibt die Finanzierung des
Tab. 2: Finanzierung der EU bis 2006 ("Finanzielle Vorausschau")
in Mio Euro
Jahr
Landwirt Struktur- Interne
Externe Verwal- Reserschaft fonds
Politikbe- Politik- tung
ven
reiche
bereiche
Gesamtverpflichtungen
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
46 050
46 920
47 820
48 730
49 670
50 630
51 610
36 640
37 470
36 640
35 600
34 450
33 410
32 470
6 390
6 710
8 880
7 050
7 230
7 410
7 600
6 870
7 070
7 250
7 430
7 610
7 790
7 900
4 730
4 820
4 910
5 010
5 100
5 200
5 300
850
850
600
350
350
350
350
101 530
103 840
104 100
104 170
104 170
104 790
105 230
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Zahlungen98 800
Zahlungen1,24
in % des
BSP
Obergrenz 1,27
e BSP
2006
101 650 102 930 103 520 103 810 104 170 104 560
1,24
1,22
1,20
1,18
1,15
1,13
1,27
1,27
1,27
1,27
1,27
1,27
Quelle: EU-Nachrichten - Dokumentation Nr. 2 vom 19.3.1998, zitiert nach:
Mickel, Wolfgang (Hrsg.): Handlexikon der Europäischen Union,
1998, S. 295.
93
Tab. 3: Entwicklung der Ausgaben des EAGFL,
Abt. Garantie, 1975-1998
Jahr
In Mio ECU
In % des Gesamthaushalts
1975
1980
1985
1990
1998
4 336,4
11 485,5
19 859,0
26 522,0
40 937,0
70,5
71,5
69,8
56,9
49,0
* 1975: RE; 1980: ERE; 1994 ohne Währungsreserve (1 Mrd. ECU)
Quelle: Kommission der EG, div. Gesamtberichte; für 1998 Abl, der EG I. 44
vom 16. 2. 1998; zitiert nach: Mickel, Wolfgang (Hrsg.): Handlexikon der
Europäischen Union, 1998, S. 295.
EG-Haushalts, der in den letzten Jahrzehnten und Jahren gewaltig
gewachsen ist und - wenn die Prognosen eintreten - bis 2006 die
schwindelerregende Summe von 105 230 Millionen Euro betragen wird259.
259
Vgl. Tab. 1: Haushaltsausgaben der Europäischen Gemeinschaft zwischen1958-1998,
sowie Tab. 2: Finanzierung der EU bis 2006 ("Finanzielle Vorausschau") und Tab. 3:
Entwicklung der Ausgaben des EAGFL, Abt. Garantie, 1975-1998
94
9. AFRIKA: Der Vertrag zur Gründung
der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC)
In Afrika sind Regionalisierungsversuche häufig gescheitert. Zu den
hoffnungsvollen Kooperationen gehört jedoch die Südafrikanische
Entwicklungsgemeinschaft (SADC), die derzeit die Mitglieder Angola,
Botswana, Demokratische Republik Kongo, Lesotho, Malawi, Mauritius,
Mosambik, Namibia, Südafrika, Swasiland, Tansania, Sambia, die
Seychellen sowie Simbabwe hat und deren Hauptquartier sich in Gaborone
(Botswana) befindet260. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit, die gezeigt
haben, dass eine Regionalisierung in Afrika mit rein wirtschaftlichen
Zusammenschlüssen schwer zu erreichen ist, da die politischen
Verhältnisse eine intensivere Zusammenarbeit oft verhinderten261, war die
Gründung der Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft SADC ebenso
wie schon ihre Vorgängerin, die SADCC, von Anfang an mehr politisch
ausgerichtet und sollte über politische Annäherung den einzelnen Staaten
zunehmend auch wirtschaftliche Vorteile einbringen.
9.1. Die Vision der SADC
Untersucht man den Vertrag der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft daraufhin, ob auch diese Staatenverbindung eine Vision hat,
so weisen einige Andeutungen auf eine sehr afrikanische Vision hin. In der
Präambel des "Treaty of the Southern African Development Community"262
bekennen sich die Staaten dazu, dass in einer immer mehr unabhängigen
Welt gegenseitiges Verständnis, gute Nachbarschaft und bedeutungsvolle
Kooperation unentbehrlich sind für die Realisierung dieser SADC-Idee. Die
Formulierung "immer mehr unabhängige Welt" ("increasingly independent
world") ist eine Anspielung auf die Befreiung der afrikanischen Staaten von
den Kolonialherren und das Ende der Apartheid und soll den Staaten die
Chancen aufzeigen, die diese Kooperation gerade auch dafür bietet, ohne
fremden Einfluss handeln zu können. Damit umschreibt die Präambel die
Vision, dass Afrika einmal den Afrikanern gehören könnte263.
260
Vgl. Abb. 5.
Vgl. Meyns, Peter: Die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika nach der
Apartheid - neue Ziele, alte Probleme, in: Verfassung und Recht in Übersee (VRÜ) 1998,
S. 171-195 (171).
262
So der offizielle Name des SADC-Vertrages, abgedruckt in der Anlage 1.
263
s.o. Seite *?*, unter 3.2.
261
95
9.2. Inhalte des SADC-Vertrages
Der Vertrag der SADC orientiert sich an bekannten international
anerkannten und erfolgreichen Regionalkooperationen wie der EU. Nach
Artikel 3 des Vertrages ist die SADC eine internationale Organisation mit
eigenen Rechten und Pflichten, die selbst klagen oder auch verklagt werden
kann.
9.2.1. Grundprinzipien der SADC
Die Grundprinzipien der SADC ergeben sich aus Artikel 4 des Vertrages.
Danach sind alle Mitgliedsstaaten gleichberechtigt, pflegen untereinander
Solidarität und Frieden, schützen Menschenrechte, Demokratie und Recht,
ziehen alle den gleichen Nutzen und bemühen sich, Konflikte friedlich
beizulegen. Mag dieser Artikel auch wie die übliche feierliche Einleitung
einer Deklaration klingen, so werden hier jedoch genau die Dinge
angesprochen, woran Kooperationen in Afrika bisher regelmäßig gescheitert
sind ("Frieden", "Menschenrechte", "Solidarität", "Demokratie"). Um so
wichtiger wird es für den Erfolg der SADC sein, dass diese Prinzipien
eingehalten werden und nicht nur leere Worte bleiben.
9.2.2. Die Institutionen der SADC
Zur Koordinierung und Überwachung der SADC-Kooperation und ihrer
Erfolge hat die SADC Institutionen eingerichtet (Art. 9). Die höchste Ebene
("Summit") der SADC sind die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten mit
einem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter aus ihren Reihen. Hinzu
kommt ein Rat mit jeweils einem Minister der Mitgliedsstaaten, der sich
mindestens einmal im Jahr trifft und dessen Entscheidungen einstimmig zu
treffen sind.
Unterstützt wird der Rat von einem Ständigen Ausschuss nach Artikel 13.
Der Ständige Ausschuss besteht aus je einem Offiziellen aus jedem
Mitgliedsstaat, vorzugsweise aus dem Wirtschafts- oder Finanzministerium.
Der Ständige Ausschuss soll eine Art technisch beratender Ausschuss für
den Rat sein. Auch für Entscheidungen des Ständigen Ausschusses gilt das
Einstimmigkeitsprinzip. Ferner werden nach Artikel 12 Kommissionen
gebildet, um die Kooperations- und Integrationspolitik in bestimmten
Bereichen durchzusetzen.
96
Verantwortlich für die strategische Planung der Programme der SADC und
die Aus- und Durchführung der Entscheidungen des Summits und des Rats
ist das Sekretariat. Dieses organisiert auch die Treffen der SADC-Mitglieder,
verwaltet die Finanzen und die allgemeinen Belange und untersteht dem
Exekutivsekretariat. Das Exekutivsekretariat ist verantwortlich für die
Konsultierung und Koordination der einzelnen Regierungen der
Mitgliedsstaaten untereinander. Es steht dem Sekretariat vor und beruft
dieses. Das Exekutivsekretariat wird für 4 Jahre berufen und kann dann für
weitere Perioden gewählt werden.
Um die Befolgung des Vertrages zu sichern, setzt die SADC einen
Gerichtshof ("Tribunal") ein. Die Mitglieder für den Gerichtshof werden für
eine bestimmte Periode ernannt. Die Entscheidungen des Gerichtshofes
sind endgültig und verbindlich. Jeglicher Streit über den SADC-Vertrag, der
nicht freundschaftlich beigelegt werden kann, soll vor den Gerichtshof
kommen. Die SADC finanziert sich vorwiegend aus den Beiträgen der
Mitgliedsstaaten. Zur Rechnungsprüfung bestellt der Rat jedes Jahr externe
Prüfer. Grundsätzlich ist die SADC offen für die Aufnahme weiterer
Mitglieder (Art. 8). Andererseits kann jedes Mitgliedsland auch beantragen,
aus der SADC auszutreten.
9.3. Die wirtschaftlichen Aussichten der SADC
Die SADC hat sich inzwischen zu einer bemerkenswerten regionalen
Wirtschaftsgemeinschaft mit rund 190 Millionen Einwohnern und einem
Bruttoinlandsprodukt von umgerechnet knapp 170 Mrd. US-Dollar entwickelt,
was allein schon 60% der Wirtschaftsleistung der gesamten Region SubSahara-Afrika entspricht264. Der Zusammenhalt der SADC-Staaten wird
auch dadurch gefördert, dass die einzelnen Staaten der SADC wie
Mosambik, Botswana und Tansania in den letzten Jahren für afrikanische
Verhältnisse überdurchschnittliche Wirtschaftswachstumsraten hatten.
9.3.1. Die Freihandelszone
Im Rahmen des "SADC Free Trade Protocol" haben die SADC-Staaten nun
vereinbart, eine Freihandelszone zu errichten. Dieses Freihandels-
264
Einzelne Daten hierzu in: Investitionsführer Südliches Afrika 2000 des FAZ-Instituts für
Management-, Markt- und Medieninformationen, S. 10.
97
abkommen ist seit dem 1.9.2000 in Kraft. Ferner wurde auf dem
Gipfeltreffen der SADC im August 2000 eine Zollunion beschlossen, die
2008 errichtet sein soll265. Mit der Freihandelszone und der Zollunion könnte
der Wirtschaftsraum "Südliches Afrika" zu einer Einheit zusammenwachsen
und international konkurrenzfähig werden266. Über die Durchführung der
einzelnen Schritte besteht jedoch noch keine Übereinstimmung, so dass
noch nicht alle Staaten die Vereinbarung ratifiziert haben267. Auch wenn es
in Detailfragen noch "Abstimmungsprobleme" zwischen den einzelnen
Staaten gibt, könnte in absehbarer Zeit die SADC einer der wenigen
regionalen Kooperationen in Afrika werden, die auch auf wirtschaftlichem
Gebiet erfolgreich ist.
9.3.2. Die Grundprobleme der SADC-Staaten
Trotz dieser beachtlichen ersten wirtschaftlichen Erfolge, die die regionale
Kooperation der SADC einer Reihe von Mitgliedsstaaten gebracht hat, ist
nicht zu verkennen, dass einige SADC-Staaten Länder sind, die zu den
ärmsten der Welt zählen (Mosambik), ihre Bewohner an Hunger und
Krankheiten wie Aids oder Ebola leiden (Malawi), Kriegs- und
Flüchtlingselend zu ertragen haben (Angola), stark übervölkert und
wirtschaftlich teilweise völlig unterentwickelt sind.
Eine der wichtigsten und grundlegendsten Aufgaben für eine erfolgreiche
und dauerhafte SADC-Kooperation wird es sein, die wirtschaftliche
Entwicklung zu fördern. Um diese Länder wirtschaftlich voranzubringen, sind
inländische, vor allem aber ausländische Investitionen dringend erforderlich.
9.3.3. Korruption in den SADC-Staaten
Einer der wesentlichen Faktoren, der Unternehmen von Investitionen in den
SADC-Staaten abhalten kann und damit die wirtschaftliche Entwicklung
insgesamt behindert, ist Korruption. An sich ist Korruption überall auf der
Welt zu einem Problem geworden, wird aber öffentlich besonders gern mit
afrikanischen Staaten in Verbindung gebracht268.
265
Fischer Weltalmanach 2001, S. 1041.
Investitionsführer Südliches Afrika 2000 des FAZ-Instituts für Management-, Markt- und
Medieninformationen, S. 10.
267
Investitionsführer Südliches Afrika 2000 des FAZ-Instituts für Management-, Markt- und
Medieninformationen, S. 11.
268
Dazu eingehend: Investitionsführer Südliches Afrika 2000 des FAZ-Instituts für
Management-, Markt- und Medieninformationen, S. 20.
266
98
Tab. 4: Korruptionsindex: Corruption Perceptions Index 1999
(Punkte von 1 = starke Korruption bis 10 = nahezu korruptionsfrei)
Ranking
Land
24
29
34
36
45
56
56
93
Botswana
Namibia
Südafrika
Mauritius
Malawi
Simbabwe
Mosambik
Sambia
Bewertung
6,1
5,3
5,0
4,9
4,1
4,1
3,5
3,5
1,9
Zum Vergleich
1
14
25
38
82
90
99
Dänemark
Deutschland
Japan
Italien
Russland
Kenia
Kamerun
10,0
8,0
6,0
4,7
2,4
2,0
1,5
Quelle: Transparency International, in: Investitionsführer Südliches Afrika
2000 des FAZ- Instituts für Management-, Markt- und
Medieninformationen, S. 21.
Eine Studie von Transparency International, einer Nichtregierungsorganisation, die sich dem weltweiten Kampf gegen die Korruption
verschrieben hat und 1999 auf der Grundlage einer Befragung von
Geschäftsleuten 99 Staaten auf Korruption untersucht und daraufhin eine
Korruptionstabelle269 erstellt hat, kann dies nicht bestätigen. In dieser
Korruptionsliga stehen die einzelnen SADC-Staaten im Vergleich zu
anderen Ländern der Welt sehr unterschiedlich dar. Botswana etwa hat
besser abgeschnitten als Japan, Belgien oder Italien. Aber auch Namibia,
Südafrika und Mauritius kommen in Sachen Korruption hierbei besser weg
als das EU-Land Italien. Etwas mehr betroffen von der Korruption sind
Malawi, Simbabwe und Mosambik. Auf dem Index steht allerdings Tansania.
Dieser Staat gilt als einer der korruptesten Staaten der Welt. Dennoch ist
gerade diese Korruptionstabelle ein Beleg dafür, dass die Korruption in
269
Vgl. Tab. 4: Korruptionsindex: Corruption Perceptions Index 1999.
99
Afrika nicht grundsätzlich schlimmer ist als in vergleichbaren anderen Zonen
der Welt.
9.4. Die politischen Aussichten der SADC
Ob die SADC langfristig erfolgreich sein wird, hängt vor allem von einer
wirtschaftlichen und politischen Gesamtverbesserung in den einzelnen
Mitgliedsstaaten ab. Der erste entscheidende Erfolgsfaktor für die SADCKooperation ist die politische Zusammenarbeit der einzelnen Staaten
insbesondere bei der Beilegung von Konflikten.
9.4.1. Vermittlung bei Konflikten
Die Vermittlung und Hilfe bei der Lösung militärischer und anderer Konflikte
unter den Mitgliedsstaaten ist die wichtigste und schwierigste Aufgabe für
die SADC. Denn über einigen Staaten scheint ein militärischer Fluch zu
liegen.
9.4.1.1. Angola und Mosambik
Angola und Mosambik waren jahrzehntelang in blutige Befreiungskämpfe
gegen ihre ehemaligen Kolonialherren verstrickt. Nach dem Ende des
Befreiungskampfes ging er in beiden Staaten nahtlos über in einen ebenso
grausamen Bürgerkrieg. Während in Mosambik inzwischen mehrere tausend
UNO-Soldaten einen unsicheren Frieden überwachen, geht in Angola der
Krieg unvermindert weiter. Da alle Kriegsparteien in Angola zudem wegen
des riesigen Rohstoffreichtums Angolas (vor allem Erdöl und Diamanten)
den Krieg finanzieren können, wollen diese die Machtfrage in Angola
militärisch entscheiden270.
270
Kühne, Winrich: Kriege und Konfliktursachen im subsaharischen Afrika, in: Jahrbuch
Dritte Welt 2000, S. 115-131 (120).
100
9.4.1.2. Die Demokratische Republik Kongo
Die SADC steht oft vor der Entscheidung, militärisch einzugreifen oder auf
diplomatischem Wege zu verfahren. Besonders heikel wird die Situation
dann, wenn die diplomatischen Versuche erfolglos bleiben, wie im Falle der
Demokratischen Republik Kongo, die den gesamten SADC-Verbund mit in
den Krieg zog.
Die Aufnahme des inzwischen wieder Kongo genannten ehemaligen Zaire
im Jahre 1997 in den SADC-Verbund war von Anfang an eine Entscheidung,
die weniger von der Vernunft getragen wurde als vielmehr von der Aussicht
auf eine Ausweitung der Region in einen bisher abgeschotteten
Wirtschaftsraum271. Die SADC-Staaten wussten von Beginn an um die
angespannte Lage im Kongo, die jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen führen konnte. Trotzdem entschlossen sich nach Ausbruch des
Bürgerkriegs im Jahre 1998 und vergeblichen diplomatischen Vermittlungsversuchen mehrere SADC-Länder, Truppen in den Kongo zu entsenden.
Als sich die Kongo-Rebellen auf dem Vormarsch auf die Hauptstadt
Kinshasa befanden, eilte Kongos Präsident Kabila nach Luanda, wo er
Angola und Namibia dringend um Militärhilfe bat. Sofort wurde ein Treffen
der Verteidigungsminister der SADC-Staaten nach Harare einberufen, auf
dem Mosambik, Namibia, Sambia, Simbabwe, Angola, Botswana, Südafrika
und Tansania vertreten waren, während die anderen fünf SADC-Mitglieder
fehlten272. Offiziell einigten sich die Teilnehmerstaaten darauf, Kabila jede
Hilfe zu gewähren, um Ruhe und Ordnung im Kongo wiederherzustellen.
Nach dem Fall einer Garnisonsstadt 80 km vor Kinshasa schickten
Simbabwe, Angola und Namibia Truppen in den Kongo273. Damit waren die
Würfel gefallen und die SADC in einen militärischen Konflikt in einem
Mitgliedsstaat verwickelt, den man nach dem SADC-Vertrag eigentlich
friedlich beilegen sollte. Dabei muss allerdings klargestellt werden, dass ein
militärisches Eingreifen nicht grundsätzlich den SADC-Vorstellungen
widerspricht. Denn nach einer Vereinbarung der SADC-Staaten im Rahmen
eines Abkommens über die Gründung eines Organs für Politik, Verteidigung
und Sicherheit der SADC (OPVS) 1996 waren - wenig konkretisierte Strafmaßnahmen bei einem Scheitern der Diplomatie möglich274. Auf dem
folgenden SADC-Gipfel wurde die Truppenentsendung der drei Staaten zum
Schutz von Kinshasa noch einmal gutgeheißen, auch wenn Südafrikas
Bemühungen um Waffenstillstand, Einstellen der Truppenbewegungen und
Anerkennung der Regierung Kabila unterstützt wurden.
271
Afrika Jahrbuch 1998, S. 324.
Afrika Jahrbuch 1998, S. 326.
273
Afrika Jahrbuch 1998, S. 326.
274
Afrika Jahrbuch 1998, S. 327.
272
101
Zu einem Waffenstillstand kam es jedoch nicht. Im Gegenteil, als die
Rebellen die Stadt Kindu einnahmen, also die Einstellung der
Truppenbewegungen missachteten, uferte der Krieg erst richtig aus.
Simbabwe, Angola, Namibia und immer mehr Staaten außerhalb der SADC
verstärkten ihre Truppenbewegungen in die Konfliktregion. Diplomatische
Beilegungsversuche der SADC blieben weiter erfolglos.
Die SADC hat im Falle der Demokratischen Republik Kongo also genau das
Gegenteil von dem erreicht, was sie ursprünglich erreichen wollte. Mit der
Einbindung in den SADC-Verbund wollte sich die SADC flächenmäßig
vergrößern und außenpolitisch stärken. Das Ergebnis dieser Aktion ist ein
inzwischen unübersehbarer Krieg in der Republik Kongo275 und ein Schlag
gegen die regionale Integration in der Region Südafrika276.
Dennoch hat die SADC die Regionalisierung in dieser traditionell
konfliktreichen Umgebung vorangebracht, denn die Beziehungen unter den
SADC-Staaten haben sich merklich verbessert. Das Beispiel Kongo zeigt
allerdings auch, wie schwierig die vertragliche Vorgabe, Konflikte friedlich
beizulegen, tatsächlich umzusetzen ist.
9.4.2. Konflikte zwischen den SADC-Staaten
Untereinander sind die SADC-Staaten ebenfalls nicht frei von Konflikten.
Grenzstreitigkeiten und Wasserknappheit sind typische Probleme dieser
Region, die ein großes Konfliktpotential enthalten und daher auch in Zukunft
häufig auftreten werden. Zwischen Botswana und Namibia, zwei der
stabilsten Staaten der SADC, wäre es 1998 deswegen beinahe zu einem
bewaffneten Konflikt gekommen.
In "guter Tradition" hatte Botswana 1992 von Kanada bereits 13
Kampfflugzeuge gekauft, weil es einen "Krieg um Wasser" fürchtete, und
das chronisch wasserarme Namibia schaute sich schon mal nach
russischen Waffen um277. Wasser ist Grundlage des Lebens und jeder
Wirtschaftstätigkeit. Botswana und Namibia stritten sich darüber, ob Namibia
berechtigt ist, Wasser aus dem Grenzfluss Chobe zu entnehmen. Da der
Chobe viel Wasser aus dem Kavango-Delta in Botswana transportiert, sein
eigener Wasserstand und Verlauf sich jedoch ständig ändert, hängt die
275
Zur Zeit stellt sich die Lage wie folgt dar: Kabila hatte Mobuto vertrieben, die Macht an
sich gerissen, wurde jedoch im Januar 2001 von einem Leibwächter erschossen.
Daraufhin hat sein Sohn die Nachfolge angetreten. Die Kämpfe im Kongo halten
unvermindert an.
276
Dazu Afrika Jahrbuch 1998, S. 328.
277
Kühne, Winrich: Kriege und Konfliktursachen im subsaharischen Afrika, in: Jahrbuch
Dritte Welt 2000, S. 115-125 (120).
102
Berechtigung zur Wasserentnahme davon ab, wo die Grenze zwischen den
beiden Staaten zu ziehen ist. Bei dieser konkreten Auseinandersetzung
zwischen Botswana und Namibia konnte ein Waffengang gerade noch
abgewendet und Friedensverhandlungen aufgenommen werden. Da
ähnliche Konflikte jedoch auch in Zukunft zu befürchten sind, muss sich erst
noch zeigen, wie eng der Zusammenhalt der SADC tatsächlich ist.
9.5. Schlussbemerkungen
Die SADC hat sich viel vorgenommen, wenn sie Unabhängigkeit, gute
Nachbarschaft, Verständnis und Kooperation erreichen will. Der KongoKonflikt darf kein Rückfall in alte Zeiten werden, in denen Konflikte
ausschließlich militärisch gelöst wurden und dauerhafte Kooperationen in
Afrika verhinderten.
Immerhin hat der Konflikt im Kongo trotz unterschiedlicher Auffassungen der
einzelnen Staaten den Bestand der SADC bisher nicht gefährdet. Das ist
wichtig, denn sie ist nach wie vor eine hoffnungsvolle Kooperation für die
südafrikanische Region, die bei einigen Staaten schon zu wirtschaftlichem
Aufschwung geführt und die innere Stabilität gefördert hat.
103
10. Die Deklaration des Verbandes
südostasiatischer Staaten
(Association of South East Asian
Nations, ASEAN)
Die ASEAN ist heute die erfolgreichste Regionalkooperation auf dem
asiatischen Kontinent. Doch auch die ASEAN ist ein klassisches Beispiel
dafür, dass oftmals äußerer Zwang zur Zusammenarbeit von Staaten führt.
1967 war auf dem asiatischen Kontinent der Krieg zwischen den USA und
dem damaligen Nord-Vietnam (Vietnamkrieg) ausgebrochen. Für die
Anrainerstaaten Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand
hatte sich damit die äußere Lage bedrohlich verändert und jeder dieser
Staaten musste von diesem Zeitpunkt an um seine Zukunft und Sicherheit
fürchten, da niemand voraussagen konnte, welche Folgen der Vietnamkrieg
noch haben würde.
In dieser beängstigenden Situation war es für diese damals völlig
verschiedenen und untereinander sogar verfeindeten Staaten (besonders
Indonesien und Malaysia) im wahrsten Sinne des Wortes eine Frage des
Überlebens, ob sie wenigstens bei dieser, jeden Einzelnen betreffenden
unmittelbaren Bedrohung in der Lage sein würden, gemeinsam zu handeln.
Allen Beteiligten war dabei klar, dass der Krisenherd Vietnam einen
Flächenbrand verursachen konnte, wenn auch noch seine unmittelbaren
Nachbarn in Streit gerieten. Daher mussten militärische Auseinandersetzungen zwischen den Staaten unbedingt vermieden werden - bei den
damaligen Feindschaften einiger Staaten untereinander alles andere als
eine leichte Aufgabe. Gleichzeitig war auch das Solidaritätsgefühl der
Mitgliedsstaaten noch nicht sehr ausgeprägt, sondern jedes Land fürchtete
in erster Linie um die eigene Sicherheit und wollte eine gemeinschaftliche
Organisation, die vor allem die eigene Souveränität schützen sollte278.
Fraglich war nur, wie solch eine Zusammenarbeit möglich sein konnte, ohne
die Sicherheit der Region noch mehr zu gefährden.
Eine Militärallianz zwischen den Staaten hatte wenig Aussicht auf Erfolg.
Denn die eigenen Militärpotentiale hätten kaum ausgereicht, um potentielle
Aggressoren abzuschrecken und damit eine engere Zusammenarbeit mit
den USA erforderlich gemacht279. Auf diese Weise jedoch hätten sich die
Staaten aus der Sicht der kommunistischen Widerstandskämpfer als Feinde
278
279
Vgl. Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 144.
Vgl. Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 150.
104
dargestellt, somit die Spannungen verschärft und möglicherweise hineingezogen werden können.
Zudem hätte eine Militärallianz im Falle einer bewaffneten Aggression gegen
ein Mitgliedsland eine gegenseitige Beistandsverpflichtung durch alle
Mitgliedsstaaten bedeutet, die wegen der feindseligen Haltung einiger
Länder untereinander nur schwer zu garantieren war280. Aus diesen
Gründen musste die angestrebte Kooperation zumindest offiziell auf eine
andere Grundlage gestellt werden.
Da nach asiatischer Auffassung das größte Bedrohungspotential für die
nationale Sicherheit politische Instabilitäten sind, die von anderen Mächten
ausgenutzt werden können, wirtschaftliches Wachstum jedoch die Gefahr
dieser Instabilitäten vermindert281, war es einerseits sicherheitspolitisch
geboten, die geplante Kooperation auf eine gemeinsame wirtschaftliche
Entwicklung hin auszurichten, andererseits bot sich auf diese Weise eine
Chance, Sicherheitsfragen, die der eigentliche Anstoß zur Zusammenarbeit
waren, im Gründungsdokument weitgehend auslassen zu können.
Anders als bei anderen internationalen Organisationen wurde das
Gründungsdokument der ASEAN kein Vertrag, sondern eine Deklaration.
Zwar spielt es völkerrechtlich kaum eine Rolle, ob es sich um einen Vertrag
oder eine Deklaration handelt, da die einzelnen Bestimmungen
gleichermaßen bindend sind. Entscheidend ist jedoch der politische
Hintergrund dieses "kleinen Unterschieds". Mit der Benennung des
Dokuments als Deklaration sollte sein unverbindlicher Charakter
hervorgehoben werden282. Damit konnten die Mitgliedstaaten deutlich
machen, dass sie ihre nationale Souveränität nicht an eine übergeordnete
Organisation abgeben wollten.
10.1. Die Visionen der ASEAN Staaten
Die wesentlichen Grundlagen ihrer Zusammenarbeit haben die ASEANStaaten in der Bangkok-Deklaration vom 8. August 1967283 niedergelegt. In
der Präambel werden als Ziele an erster Stelle die Sicherung des Friedens
und der Stabilität genannt. Erst am Ende der Präambel werden auch
sicherheitspolitische Aspekte erwähnt. So erklären die Staaten, dass die
ausländischen Militärstützpunkte nur zeitlich begrenzt vorgesehen seien.
Hier klingen also die Wunschvorstellungen der ASEAN-Staaten an. Eine
spezifische Vision brauchte der ASEAN-Bund nicht zu haben, da mit dem
280
So Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 151.
Vgl. Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 143 f.
282
Dazu Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 142.
283
Vgl. Anlage 2.
281
105
Beginn des Vietnamkrieges die Sicherung des Friedens in der Region über
allem stand.
In Südostasien war allerdings schon lange die Vision einer neutralen Zone
lebendig. Wie schwierig diese Vision zu "leben" war, zeigt sich darin, dass
die ASEAN-Staaten andererseits die ausländischen Militärbasen immer
begrüßt haben, weil sie die Staaten vor dem Zugriff anderer Mächte
schützten. Diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit begleitet
Südostasien seit dem Ende des zweiten Weltkrieges. 1954, nach dem Ende
des Indochinakrieges, unterstützte die Genfer Friedenskonferenz eine
"implizite Neutralität" Indochinas, indem sie Kambodscha nach dessen
Verfassung offiziell neutral werden ließ ebenso wie Laos 1962. Wie
bedeutungslos diese Erklärungen angesichts der späteren Verwicklungen
dieser Staaten in den Vietnamkrieg waren, zeigt das Dilemma dieser
Region284.
Doch der Wunsch nach Neutralität in der Region blieb. In der ASEANGründungsurkunde wurde der Wunsch noch nicht ausdrücklich
angesprochen. 1970 forderte dann Malaysia offen, ganz Südostasien für
neutral zu erklären, wofür die Großmächte garantieren sollten. Die
Neutralität sollte verhindern, dass die Regionalstaaten in die Konfrontation
der Großmächte mit einbezogen würden. Auch innerhalb der ASEANStaaten selbst wurde der malaysische Vorschlag abgelehnt, weil vor allem
Indonesien befürchtete, Malaysia wolle eine gemeinsame Annäherung der
Regionalstaaten an China erreichen285.
Daran erkennt man, dass die ASEAN-Staaten selbst nie glaubten, neutral
bleiben zu können und sich dementsprechend verhielten. Somit war auch
die Erklärung von Kuala Lumpur 1971, mit der eine "Zone des Friedens und
der Neutralität (ZOPFAN)" erreicht werden sollte, nur ein Hilferuf mitten im
Vietnamkrieg, mit dem die Staaten sich und der Welt ihre Sehnsucht nach
einem friedlichen und freien Südostasien zum Ausdruck brachten, und das
zu einer Zeit, als mehr Bomben286 auf Vietnam fielen als während des
gesamten Zweiten Weltkriegs auf Europa.
Trotzdem hielten die ASEAN-Staaten am ZOPFAN-Konzept fest und
bestätigten nach dem Ende des Vietnamkriegs 1976 ihre Ziele. Auch wenn
es damals noch nicht gelang, Vietnam einzubinden, so gaben die ASEANStaaten ihre Vision der Zone des Friedens und Neutralität nie auf, bis das
Ende des Kalten Krieges auch die Eiszeit mit Vietnam beendete. Seit 1995
gehört Vietnam zur ASEAN dazu und im Dezember 1995 unterzeichneten
die heutigen ASEAN-Staaten den Vertrag über eine nuklearwaffenfreie Zone
in Südostasien (Southeast Asia Nuclear Weapon Free Zone, SEANWFZ).
284
Vgl. Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East-Asia, S. 158
Ergänzend Leifer, Michael: ASEAN and the Security of South-East Asia, S. 159 f.
286
Meilensteine des 20. Jahrhunderts, S. 467.
285
106
So ist für die ASEAN-Staaten wenigstens offiziell ein Teil ihrer Vision in
Erfüllung gegangen.
10.2. Institutionen der ASEAN
Das höchste Gremium der ASEAN ist das Gipfeltreffen. Hierbei wird vor
allem über programmatische Grundsatzentscheidungen beraten. Dazu
kommen die informellen Gipfeltreffen, die zum offenen Gedankenaustausch
einberufen werden und unverbindlichen Konsultationen dienen.
Ferner gibt es die Ministertreffen, bei denen die jeweiligen Ressortminister
der ASEAN-Staaten jährlich zusammenkommen. Bei diesen Treffen werden
die Richtlinien der Politik bestimmt und die verschiedenen Tätigkeiten
der ASEAN aufeinander abgestimmt. Zur Koordinierung der sektorübergreifenden Politik gibt es die Gemeinsamen Ministertreffen. Die Außenminister der ASEAN-Staaten treffen sich jährlich auf dem ASEAN-Ministerial
Meeting (AMM). Die Koordination zwischen ASEAN und AMM regelt das
Ständige Komitee.
Auf Empfehlung des AMM ernennen die Regierungschefs der ASEAN den
Generalsekretär287. Das ASEAN-Sekretariat befindet sich in Djakarta / Indonesien. Die ASEAN Post-Ministerial Conference (PMC) ist eine Zusammenkunft der Außenminister nach ihrem jährlichen Treffen mit Vertretern
ihrer weltweiten Partner wie der Europäischen Gemeinschaft oder den
Vereinigten Staaten288.
10.3. Konflikte innerhalb der ASEAN-Staaten
Seit der Gründung der ASEAN 1967 gab es zwischen den fünf
Gründerstaaten sowie Brunei keine militärischen Auseinandersetzungen.
Die regionale Kooperation der ASEAN-Staaten hat somit zumindest ihr
eigenes Gebiet zu einer 30-jährigen Friedenszone gemacht, womit sich
dieser Teil ihrer Vision erfüllt hat, obwohl zwischen den Staaten nach wie vor
eine Reihe Konfliktfelder ungelöst sind289. Ernsthaft bedroht wurde der
287
Seit 1997 ist Rodolfo Certeza Severino von den Philippinen Generalsekretär.
Vgl. Feske, Susanne: Der ASEAN-Staatenbund, in: Dahm, Bernhard / Ptak, Roderich
(Hrsg.): Südostasien-Handbuch: Geschichte, Gesellschaft. Politik, Wirtschaft, Kultur,
S. 541-561 (547 f.).
289
Zu den Konflikten im Einzelnen s. Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 132145.
288
107
ASEAN-Verbund durch die inneren Konflikte nicht. Es gibt jedoch zwei
Ausnahmen: Der Sabah-Disput und der Dauerstreit um die Spratly-Inseln.
10.3.1. Der Sabah-Disput
Der Streit um die malaysische Provinz Sabah290 zwischen Malaysia und den
Philippinen war bereits 1969 die große Bewährungsprobe für die ASEAN,
als die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern abgebrochen
wurden, nachdem die Philippinen auf ihren Anspruch auf die Provinz
beharrt hatten291. Seitdem liegen Malaysia und die Philippinen im Dauerstreit
über Sabah. Versuche, den Streit zu beenden, wie etwa durch den
philippinischen Präsidenten Fidel Ramos, blieben erfolglos.
Abb. 14: Malaysia mit der Provinz Sabah
Quelle:
Seibert / Wendelberger: Großes Lexikon in Wort und Bild, Bd. 8, S. 3285.
Beiden Seiten könnte zudem an einem offenen Konflikt gelegen sein. Die
philippinische Regierung meint, in Sabah würden die islamischen Separatisten der philippinischen Provinz Mindanao bewaffnet und ausgebildet,
während Malaysia Probleme mit der Bevölkerung Sabahs hat, die immer
290
291
Vgl. Abb. 14: Malaysia mit der Provinz Sabah.
Vgl. Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 138.
108
mehr Autonomie fordert292. Der Streit um Sabah bleibt daher auch
mittelfristig eine schwere Belastung für die ASEAN.
10.3.2. Die Spratly-Inseln
Das Tauziehen um die Spratly-Inseln ist der zweite gefährliche Konflikt, der
die ASEAN begleitet. Die Spratlys sind 400 kleine Riffe und Sandbänke im
Südchinesischen Meer293. Mit den ASEAN-Staaten Philippinen, Brunei,
Abb. 15: Das Südchinesische Meer mit den Spratly-Inseln.
Quelle: Internationale Politik, Nr. 10/95, S. 18.
292
293
Dazu Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 139.
Vgl. Abb. 15: Das Südchinesische Meer mit den Spratly-Inseln.
109
Vietnam und Malaysia sowie den Küstenanrainern Taiwan und China
erheben gleich sechs Länder Ansprüche auf die Spratly-Inseln.
Die Spratlys wurden im 2. Weltkrieg von Japan besetzt. Nach dem Krieg
haben die anspruchstellenden Staaten (außer Brunei) jeweils einige Inseln
besetzt, aber keiner dieser Staaten hat bisher alle Inseln kontrolliert. Die
größte Gefahr geht in diesem Konflikt von China aus, das militärisch mit
Abstand am stärksten gerüstet ist und wiederholt betont hat, das gesamte
Südchinesische Meer sei sein Territorium294.
Die Drohgebärden haben ihren Grund: Die Spratly-Inseln sollen reich an Öl.
Gas, Fischbeständen und anderen Ressourcen sein, die China und die
anderen umliegenden Staaten dringend brauchen295. Eine dauerhafte
Lösung des Spratly-Problems ist derzeit nicht in Sicht und wird die ASEAN
noch weiter begleiten.
10.4. Die wirtschaftliche Kooperation
In den dreißig Jahren ihres Bestehens hat sich die ASEAN auch zu einer
beachtenswerten Wirtschaftskooperation entwickelt. Vorbild für die ASEAN
ist die Europäische Gemeinschaft. In der ASEAN-Deklaration war ohnehin
die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein wesentlicher Punkt.
Doch erst mit dem Ende des Vietnamkriegs hatten die ASEAN-Staaten
genügend Ruhe und Sicherheit in der Region, um beim Bali-Gipfel 1976 und
ein Jahr später in Kuala Lumpur die schon lange angeregte Freihandelszone
mit einigen Abkommen zur Reduzierung der Außenzölle zu beginnen, die sie
bis zur Übereinkunft der AFTA-Freihandelszone (AFTA: Asian Free Trade
Agreement) 1992 schrittweise erweiterten296.
Parallel dazu vereinbarten die ASEAN-Staaten das Preferential Trade
Agreement (PTA), mit dem die Staaten untereinander viele Handelshemmnisse abbauen wollten. Bis zum AFTA-Beschluss gelang es auf diese
Weise, bei rund 16.000 Produkten Präferenzen von 25 bis 50 Prozent zu
gewähren. Zwar betraf das PTA-Abkommen nur einen sehr geringen
Prozentsatz des gesamten internen ASEAN-Handels, doch konnte dieses
Abkommen die Mauern durchbrechen, die bis dahin insbesondere von
Indonesien und Malaysia gegen jegliche Änderungen von Zolltarifen
aufgebaut worden waren297.
294
Zu den einzelnen Ansprüchen s. Makinda, Samuel: Das Tauziehen um die SpratlyInseln, in: Internationale Politik (Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für auswärtige
Politik e.V.), 1995, Nr. 10, S. 16-22 (17).
295
Vgl. Makinda, Samuel, a.a.O., S. 19.
296
Vgl. Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 229 f.
297
Näheres bei Dosch, Jörn: ASEAN - Bilanz eines Erfolges, S. 230.
110
Mitte des Jahres 2002 könnte die AFTA bereits verwirklicht sein. Auch die
AFTA sehen viele Beobachter als eine Antwort auf die Binnenmärkte in
Europa (EG) und in Nordamerika (NAFTA) an, um die internationale
Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern298.
Hier wird der Wandel deutlich, den die ASEAN inzwischen vollzogen hat.
Aus der Sicherheitskooperation ASEAN ist die Wirtschafts- und Sicherheitskooperation ASEAN geworden. Beim Gipfeltreffen Ende November 1999 in
Manila beschlossen die ASEAN-Staaten nach dem Vorbild Europa einen
gemeinsamen Markt mit gemeinsamer Währung.
An diesem Treffen nahmen auch Vertreter von China, Japan und Südkorea
teil. Gemeinsam wollen diese 13 ostasiatischen Staaten mit einer
verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit für Sicherheit und Wohlstand
in der Region sorgen299. Somit ist abzusehen, dass die gesamte Region
Ostasien in Zukunft näher zusammenrücken wird.
10.5. Schlussbemerkungen
Die ASEAN zeigt, wie es sich lohnt, auch in schwierigen Zeiten an Visionen
festzuhalten. Als eine Notgemeinschaft gegründet, die ums blanke
Überleben alte Feindschaften hintanstellen musste, wurde der Wunsch nach
Frieden und Neutralität zum gemeinsamen Band der Staaten gerade zu
einem Zeitpunkt, an dem an Frieden in der Region am allerwenigsten zu
denken war.
30 Jahre später lässt sich resümieren, dass es die ASEAN-Staaten trotz
aller inneren Differenzen geschafft haben, ein Übergreifen des Vietnamkrieges zu verhindern und ihr Gebiet zu einer Zone von Frieden und
relativem Wohlstand zu machen. Mit dem geplanten Gemeinsamen Markt
wird die ASEAN-Kooperation auch in wirtschaftlicher Hinsicht ihrem Vorbild
Europa näherkommen.
298
Vgl. Feske, Susanne: Der ASEAN-Staatenbund, in: Dahm, Bernhard / Ptak, Roderich
(Hrsg.): Südostasien-Handbuch: Geschichte, Gesellschaft. Politik, Wirtschaft, Kultur,
S. 541-561 (549).
299
Vgl. Fischer Weltalmanach 2001, S. 968 unter dem Stichwort "ASEAN".
111
11. Der Vertrag zur Errichtung eines
Gemeinsamen Marktes des Ganzen
Südens (MERCOSUR)
Südamerika ist für Regionalisierungsversuche bisher ein extrem schwieriges
Pflaster gewesen. Nach vielen erfolglosen Integrationsversuchen der
Vergangenheit stellt der 1991 zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und
Uruguay geschlossene "Vertrag zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes
des Ganzen Südens" (Mercosur) nach langer Zeit wieder einen
hoffnungsvollen Versuch dar, wenigstens einen Teil von Lateinamerika
endlich zu vereinigen.
Nach einem "verlorenen Jahrzehnt" mit harten wirtschaftlichen und sozialen
Tiefschlägen in den 80er Jahren unternimmt der Mercosur-Vertrag einen
neuen Versuch, die Ziele der traditionsreichen Lateinamerikanischen
Integrationsbewegung (ALADI) umzusetzen300. Die gefährlichen Wirtschaftskrisen der achtziger Jahre, aber auch die Ablösung der diktatorischen
Regime durch junge Demokratien haben in Lateinamerika die Einsicht
genährt, zusammen stärker sein zu können und die Integrationsphantasien
für diese Region wieder gestärkt.
Damit nicht auch dieses Mal alle Einigungsversuche im Sande verlaufen,
konzentriert sich die Integrationsbewegung jetzt erst einmal auf die
Annäherung von wenigen Ländern, nachdem in den sechziger Jahren die
gleichzeitige Integration vieler Länder misslungen ist. Vorbild für den
Mercosur ist die Europäische Gemeinschaft. Sollte der Mercosur einmal
anstreben, wie diese eine supranationale Gemeinschaft mit einem
staatenübergreifenden Gemeinschaftsrecht zu werden, würde dies bei
einigen Staaten allerdings Verfassungsänderungen notwendig machen.
Zwar erlauben sowohl die Artikel 31 und 75 der argentinischen als auch die
Artikel 137, 141 und 145 der paraguayischen Verfassung den Beitritt zu
internationalen Organisationen, in Brasilien und Uruguay sieht die jeweilige
Verfassung diese Möglichkeit jedoch nicht vor. Der Fall Uruguay ist dabei
zudem sehr kompliziert. Erst 1996 hat das uruguayische Volk in einer
Abstimmung eine Verfassung angenommen, die keinerlei Abgabe nationaler
Souveränitätsrechte an supranationale Organisationen vorsieht.
Sieht man diese Volksabstimmung als "unausgesprochenen Ausdruck eines
politischen Willens, der sich gegen jede Form von gesetzlich geregelter
300
Ähnlich Schonebohm, Dieter: Auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Markt? Der
Mercosur und seine Institutionen, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-DatenDokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 11 (15).
112
Übertragung nationaler Hoheitsrechte" 301 richtet, so könnte ausgerechnet
die Einrichtung einer internationalen Organisation als Ausdruck der Missachtung des demokratisch geäußerten Willens des uruguayischen Volkes
verstanden werden und den ersten vorsichtigen demokratischen
Gehversuchen in dieser Region schaden - ein weiteres Beispiel von vielen,
für die Region typischen Widersprüchlichkeiten.
11.1. Die Vision des MERCOSUR
Das eben genannte Beispiel zeigt, wie sensibel der Regionalisierungsversuch MERCOSUR behandelt werden muss, um nicht, wie in der
Vergangenheit bei anderen regionalen Kooperationsversuchen in
Lateinamerika, zu enttäuschenden Ergebnissen zu führen. Dementsprechend wird im MERCOSUR-Vertrag abgesehen von der allgemeinen
Hoffnung auf Frieden und Wohlstand auch keine spezifische Vision
ausdrücklich angesprochen. Stillschweigend klingt beim Mercosur jedoch die
visionäre Vorstellung durch, wenigstens ansatzweise so erfolgreich wie das
große Vorbild in Europa zu werden302.
Als erster Schritt zur Verwirklichung dieser Vision wurde 1991 in Asunción
zwischen Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay zunächst ein
provisorischer Vertrag geschlossen, mit dem bis zum 31. Dezember 1994
ein freier Warenverkehr, die Beseitigung von Zöllen, eine gemeinsame
Außenpolitik,
angemessene
Wettbewerbsbedingungen
und
eine
Harmonisierung der Gesetzgebung erreicht werden sollten (Art. 1). Auch
diese Ziele lassen erkennen, wie sehr sich der Mercosur von Anfang an am
EG-Vertrag orientieren wollte. Mit dem Protokoll von Ouro Preto vom 17.
Dezember 1994, das am 15. Dezember 1995 formell in Kraft getreten ist, ist
die Übergangszeit des Vertrages von Asunción vorbei und hat der
Südamerikanische Gemeinsame Markt (Mercosur) nunmehr seine
endgültige institutionelle Struktur erhalten.
301
So Schonebohm, Dieter: Auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Markt? Der Mercosur
und seine Institutionen in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997,
Nr. 34/35, S. 11(18).
302
Vielleicht könnte die Vision heißen "MERCOSUR: Das Europa des Südens".
113
11.2. Inhalte des MERCOSUR-Vertrages
Mit dieser Festschreibung ist der Südamerikanische Gemeinsame Markt
gegenüber anderen Wirtschaftsräumen eine rechtsfähige und einheitlich
handelnde Organisation mit einheitlichem Außenzolltarif (Art. 34) geworden.
Dies hat zur Folge, dass der Mercosur insbesondere Verträge abschließen,
Güter erwerben und veräußern sowie Vermögen verwalten kann. Daher war
es u.a. auch 1995 möglich, zwischen dem Mercosur als Rechtsperson und
der Europäischen Gemeinschaft in Madrid ein Rahmenabkommen zu
schließen. Was die Zölle zwischen den Mitgliedsstaaten angeht, so ist die
ursprüngliche Absicht des Vertrages von Asunción, einen gemeinsamen
Außenzolltarif einzuführen, für die meisten Waren verwirklicht303.
11.2.1. Organe des Mercosur
Die wichtigsten Organe des Mercosur wurden bereits in der Übergangszeit
errichtet, danach in der vereinbarten Weise beibehalten und ihre
Kompetenzen genauer umschrieben. Nach Artikel 2 des Protokolls von Ouro
Preto haben Entscheidungsgewalt der Rat des Gemeinsamen Marktes, die
Gruppe Gemeinsamer Markt und die Handelskommission des Mercosur, die
in der endgültigen institutionellen Struktur neu hinzugekommen ist. Oberstes
Organ des Mercosur ist der Rat des Gemeinsamen Marktes, der sich aus
den Außenministern und aus den Wirtschaftsministern zusammensetzt, die
Integration politisch steuern soll und die Verantwortung für die Durchsetzung
der Ziele hat (Art. 3-7). Die Aufgaben des Rates im Einzelnen sind in Art. 8
festgelegt. Seine Entscheidungen sind nach Art. 9 für alle Vertragsstaaten
verbindlich.
Das Exekutivorgan des Mercosur ist nach Art. 10 die Gruppe Gemeinsamer
Markt. Ihre Aufgaben sind in Art. 14 festgelegt. Danach obliegt ihr vor allem
die Vorbereitung sowie die Ausführung der Entscheidungen des Rates, der
sie auch mit der Außenvertretung beauftragen kann. Die von der Gruppe
gefassten Beschlüsse sind ebenfalls für die Vertragsstaaten verbindlich (Art.
15 des Protokolls).
Im Protokoll von Ouro Preto ist als ein weiteres Organ die
Handelskommission hinzugekommen, die ihre Arbeit allerdings vorher schon
aufgenommen hatte. Sie soll die gemeinsame Handelspolitik der
Mitgliedsstaaten und die Verhältnisse zu Drittstaaten koordinieren. Ihre
303
Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt. (MERCOSUR) und
seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1996, S. 1997-2005
(1997).
114
Aufgaben im Einzelnen ergeben sich aus Art. 19 des Protokolls. Als
Maßnahmen kann die Handelskommission "Richtlinien" oder "Vorschläge"
erlassen, von denen jedoch nur die Richtlinien für die Vertragsstaaten
bindend sind (Art. 20).
Hilfsorgane des Rates ohne eigene Entscheidungsgewalt sind die Fachministertreffen, die Gemeinsame Parlamentarische Kommission und das
Beratungsforum für Wirtschafts- und Sozialfragen. Die Fachministertreffen
werden periodisch im halbjährlichen Rhythmus oder nach Bedarf von der
Gruppe organisiert. Ihre Ergebnisse werden in Form von "Übereinkünften"
niedergelegt, die nach Art. 8 Nr. VI des Protokolls zu ihrer Wirksamkeit der
Bestätigung des Rates bedürfen.
Die "Gemeinsame Parlamentarische Kommission" ist ebenfalls neu in die
jetzige Verfassung eingefügt worden. Nach Art. 22 ist sie das
Vertretungsorgan der Parlamente und soll die Verfahren und die
Harmonisierung der Gesetzgebung beschleunigen (Art. 23-25). Das
Beratungsforum für Wirtschafts- und Sozialfragen (Art. 28-30) besteht aus
Vertretern von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen aus den
Mitgliedsstaaten und unterstützt mit Empfehlungen die Vorgaben des Rates.
Mit dem Protokoll von Ouro Preto hat der Mercosur auch eine eigene
Verwaltungsstruktur erhalten. Es gibt nun ein in Art. 31 beschriebenes
Verwaltungssekretariat, deren Tätigkeiten - z.B. die Veröffentlichung der
Rechtsnormen - in Art. 32 des Protokolls festgelegt sind.
11.2.2. Die Rechtsordnung des MERCOSUR
In diesem Protokoll wird 1995 auch erstmalig die Rechtsordnung näher
umschrieben, die der Mercosur erhalten soll. Nach Art. 41 Nr. 1 des
Protokolls ist die wichtigste Rechtsquelle der Vertrag von Asunción, dessen
Vorschriften weiter Bestand haben, soweit sie nicht den Bestimmungen des
Protokolls oder einer Ratsentscheidung während der Übergangszeit
widersprechen. Ferner gehören auch die im Rahmen des Vertrages von
Asunción geschlossenen Abkommen und Protokolle mit zum Mercosur
(Art. 41 Nr. II). Da diese Abkommen formell als Entscheidungen des Rates
ergehen und erst danach von den Vertragsstaaten unterzeichnet werden,
gehören sie zum Gemeinschaftsrecht. Damit genügt schon die
Unterzeichnung von nur zwei Mitgliedsstaaten, um das Abkommen zwischen
diesen Staaten als Abkommen des Mercosur in Kraft zu setzen304.
304
Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und
seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 19972005 (2003).
115
Ferner gehören zu den Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts nach
Art. 41 Nr. III des Protokolls von Ouro Preto die "Entscheidungen" des
Rates, die "Beschlüsse" der Gruppe und die "Richtlinien" der
Handelskommission. Im Vergleich zur europäischen Nomenklatur ist zu
beachten, dass die unterschiedliche Bezeichnung dieser Akte nicht ihre
rechtliche Qualität, sondern allein die Zuordnung zu einem bestimmten
Organ betrifft305.
Die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in nationales Recht ist
grundsätzlich den Mitgliedsstaaten überlassen. Diese sind nach Art. 38 des
Protokolls verpflichtet, für die innerstaatliche Durchsetzung zu sorgen und
das Verwaltungssekretariat darüber zu informieren. Um das gleichzeitige
Inkrafttreten im gesamten Vertragsgebiet zu sichern, sieht Art. 40 des
Protokolls ein umständliches Verfahren vor.
Ob sich das Gemeinschaftsrecht gegenüber den nationalen Rechtsordnungen durchsetzen wird, ist - abgesehen von den bereits
angesprochenen verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten - eine für die
künftige Entwicklung des Mercosur zentrale Frage. Einerseits existieren
gerade in lateinamerikanischen Staaten traditionell sehr ausgeprägte
Souveränitätsvorstellungen, die die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts
in den einzelnen Staaten erschweren, andererseits könnte aber gerade die
Orientierung an Europa, dessen Staaten ja auch nur Schritt für Schritt bereit
sind, ihre Souveränitätsrechte abzutreten, den Integrationsprozess in
Lateinamerika fördern. Auch hier sei jedoch vor zu hohen Erwartungen
gewarnt; wenn es tatsächlich zu einem dauerhaften Integrationsprozess
kommt, so ist dies schon ein großer Erfolg für Lateinamerika. Hoffnung auf
eine solche einsetzende Integration machen immerhin einige Fortschritte auf
wirtschaftlichem und politischem Gebiet.
11.3. Die wirtschaftlichen Aussichten des
Mercosur
Was die Regionalisierung in dieser Zone angeht, so soll der
Südamerikanische Gemeinsame Markt Ausgangspunkt eines fortschreitenden Integrationsprozesses sein.
305
Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und
seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 19972005 (2004).
116
11.3.1. Planung einer Freihandelszone
Wichtigstes Anliegen dieses Verbundes ist die Einrichtung einer Freihandelszone, die zu einer Zollunion weiterentwickelt werden soll306. Zwar gibt
es seit dem 1. Januar 1995 zwischen den Staaten keine Binnenzölle mehr
und besteht gegenüber Drittländern ein gemeinsamer Außenzolltarif, doch
ist ein Gemeinsamer Markt noch nicht verwirklicht, da es noch immer einige
Zölle und Handelshemmnisse gibt. Ferner sind kaum Ansätze für einen
freien Dienstleistungsverkehr erkennbar und es gibt auch keine
uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für Arbeitnehmer. Diese ist zwar für die
Zukunft vorgesehen, doch existiert für Arbeitnehmer zumindest bis 2005
noch Visumspflicht und die Notwendigkeit der Einholung von Arbeitsgenehmigungen307.
11.3.2. Handel
Auf wirtschaftlicher Ebene hat der Zusammenschluss des Mercosur für die
beteiligten Staaten bisher schon Vorteile gebracht. Insgesamt stieg der
Handel der Mercosur-Staaten untereinander seit 1991 um mehr als das
Dreifache, ihr Handel mit dem Rest der Welt knapp um das Doppelte. In den
ersten Jahren profitierte besonders Brasilien vom Mercosur, dessen
Industrie bis 1994 einen gewaltigen Handelsbilanzüberschuss erwirtschaftete und von außen viel Kapital erhielt. Allerdings haben die
wirtschaftliche Stabilisierung und die dadurch bedingte relative Aufwertung
des brasilianischen Real schon in den folgenden Jahren 1995 und 1996
erneut zu Defiziten in der brasilianischen Handelsbilanz geführt. Daher
musste die Regierung bereits mehrmals Gegenmaßnahmen ergreifen, so
etwa Anfang 1997, als sie die Kreditlinien für Importeure aus den
Mitgliedsstaaten sperrte. Diese Maßnahme belastete das Verhältnis
zwischen den Mercosur-Partnern schwer, zumal die Bestimmungen auch
nach Protesten und Gesprächen auf Ministerebene nur wenig gelockert
wurden308.
306
Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und
seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 19972005 (1997).
307
Hierzu Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR)
und seine neue Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996,
S. 1997-2005 (S. 2003, Anm. 94).
308
Eingehend dazu: Klein, Wolfram: Lernprozess Integration: Unternehmer und
Gewerkschaften im Mercosur, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation
1997, S. 73-88 (76).
117
Wenn auch der intraregionale Handel erheblich angestiegen ist, so muss
dabei doch bedacht werden, dass sich das Wachstum auf einige
dynamische Branchen konzentriert hat, vor allem dem Auto, den
Nahrungsmitteln und dem petrochemischen Sektor, während es in anderen
Sektoren wenig Bewegung gab. Auch die kleinen und mittleren
Unternehmen konnten den Integrationsprozess bislang nur wenig für sich
nutzen. 1999 ist der Warenverkehr innerhalb des Mercosur durch eine
aktuelle Krise um fast 30% zurückgegangen 309.
11.3.3. Arbeitsmarkt und soziale Absicherung
Problematisch ist auch die Arbeitsmarktlage und die soziale Absicherung
vieler Bevölkerungsteile. Die Region teilt das Schicksal vieler anderer
Wachstumsregionen. Die schnell wachsende Wirtschaft hat einerseits neue
Arbeitsplätze geschaffen, dafür jedoch durch Rationalisierung andere
vernichtet. Als Beispiel sei nur Uruguay erwähnt, dessen Industrieproduktivität zwischen 1985 und 1995 um 78% stieg, während sich zugleich
die Anzahl der Arbeitsplätze halbierte310.
Dieser hohe Anstieg vor allem in Argentinien und Uruguay verdeutlicht die
Probleme einer Region, die einerseits den Anschluss an die Industrieländer
finden will, andererseits die "soziale Gerechtigkeit" explizit zum Ziel des
Integrationsprozesses erklärt hat311.
Trotz dieser negativen Begleiterscheinungen muss aber hervorgehoben
werden, dass die Ursache für solche bedenklichen Entwicklungen nicht darin
zu finden ist, dass die Staaten versuchen, sich zusammenzuschließen, weil
sich langfristig die Länder nur gemeinsam aus der Rückständigkeit befreien
und Anschluss an die Weltwirtschaft finden können. Diese Erscheinungen
zeigen lediglich, dass weder der Integrationsprozess an sich noch das durch
ihn vorangetriebene wirtschaftliche Wachstum für einen dauerhaften
industriellen Aufschwung und die Linderung der sozialen Probleme
ausreichen. Ohne den Mercosur wäre die Lage dort mit Sicherheit noch
schlimmer312.
309
Fischer Weltalmanach 2001, S. 983 unter dem Stichwort "Mercosur".
Vgl. Klein, Wolfram: Lernprozess Integration: Unternehmer und Gewerkschaften im
Mercosur, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997, S. 73-88 (76).
311
So auch Klein, Wolfram: Lernprozess Integration: Unternehmer und Gewerkschaften im
Mercosur, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997, S. 73-88 (76).
312
So im Ergebnis auch Klein, Wolfram: Lernprozess Integration: Unternehmer und
Gewerkschaften im Mercosur, in: Reihe Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation
1997, S. 73-88 (77).
310
118
11.3.4. Integrationsfortschritte
Allerdings hat der Mercosur-Zusammenschluss auf vielen Gebieten auch
schon Fortschritte bei der Integration gebracht. Mit den im August 1995
unterzeichneten Protokollen über den gewerblichen Rechtsschutz und die
gegenseitige Anerkennung von Hoch- und Fachhochschulabschlüssen sind
wesentliche Hindernisse unter den Mitgliedsstaaten aus dem Weg geräumt
worden. Das Jahr 2000 ist für den Mercosur zudem politisch sehr erfolgreich
gewesen.
11.4. Die politischen Aussichten des
MERCOSUR
Ein Hauptanliegen des Mercosur-Zusammenschlusses ist es, auch die
politischen Beziehungen zwischen den Staaten Südamerikas zu verbessern,
was sich am Beispiel Chiles zeigen lässt.
11.4.1. Der Beitritt Chiles
Im Jahr 2000 konnte der Mercosur einen seiner ersten größeren Erfolge
feiern; denn Chile ist dem Vertrag beitreten. Mit dem Beitritt Chiles rückt ein
wichtiges Ziel dieses neuen Integrationsgebildes, die Aufnahme weiterer
Staaten, näher. Auch dieser erste Erfolg wurde erst möglich, nachdem
einige Hindernisse überwunden werden konnten. Denn zunächst hatte sich
Chile nach der Gründung des Mercosur trotz heftigen Werbens der
Mitgliedsländer drei Jahre lang auf eine distanzierte bis ablehnende
Beobachterposition beschränkt. Erst ab 1994 setzte sich durch politische
Einflussnahme eine allmähliche Annäherung an den Mercosur durch. Sie
wurde am 25. Juni 1996 mit der Unterzeichnung eines "Acuerdo de
Complementación Económica" abgeschlossen. Dass es überhaupt möglich
wurde, dass Chile so schnell dem Mercosur beitreten konnte, lag an einer
wesentlichen Änderung gegenüber der früheren ALADI. Die dort bis dahin
geltende fünfjährige Sperrfrist für Beitrittsverhandlungen wurde nämlich
gestrichen313.
313
Vgl. Samtleben, Jürgen: Der Südamerikanische Gemeinsame Markt (MERCOSUR) und
seine Verfassung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 1996, S. 1997-2005
(1998), Rn. 20 m. w. N.
119
11.4.1.1. Chiles Beitrittsziele
Wichtigstes Ziel für Chile bei diesem Zusammenschluss ist, das eigene
wirtschaftliche Wachstum durch Öffnung nach außen zu steigern, da Chile
selbst nur einen begrenzten Binnenmarkt hat und große Teile der
Bevölkerung nur eine geringe Kaufkraft aufweisen. Ein wichtiger Vorteil für
Chile ist dabei, dass Devisen aufgrund der Stärke der Währung, des hohen
Zuflusses an Auslandskapital und einer aktiven Wechselkurspolitik seit Ende
der achtziger Jahre kein Engpass mehr sind. Allerdings ist die Handelsbilanz
Chiles mit dem Mercosur und den anderen potentiellen Beitrittskandidaten,
von Venezuela und Mexiko abgesehen, bisher negativ314.
11.4.1.2. Erwartete Vorteile für Chile
Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen mit den Mercosurstaaten vertiefen, die chilenischen Ausfuhren
dadurch erhöhen und damit das Handelsbilanzdefizit abnimmt. Sorgen
bereiten der chilenischen Wirtschaft indes die Preisschwankungen von
Kupfer und Zellulose und ihrem einstigen Exportschlager Salpeter. Die
übermäßige Ausbeutung der Ressourcen belastet zudem den Boden und
die Vegetation sowie das Wasser und die Luft 315.
Chile hat seit 1991 eine relativ stabile Wirtschaftsentwicklung. Mit hohen
Wachstumsraten, geringer Auslandsverschuldung und Inflation sowie
wachsender Modernisierung steht Chile im Vergleich etwa zu Argentinien
und Brasilien auf verhältnismäßig solider Grundlage. Auf der anderen Seite
ist Chile ein kleines Land mit wenig Bevölkerung, starker Einkommenskonzentration, zentralistischem Aufbau, geringer Industrialisierung und
hohem Rohstoffexport.
Mit dem Beitritt Chiles zum Mercosur werden sich vor allem die
wirtschaftlichen Beziehungen Chiles zu den wesentlich mehr industrialisierten Ländern Argentinien und Brasilien vertiefen. Daher waren die
vorsichtigen Annäherungsversuche zwischen Chile und Brasilien in den
letzten Jahren besonders wichtig.
Sogar die traditionell schwierigen Beziehungen zwischen Chile und Bolivien,
das 1997 auch bereits assoziiertes Mitglied des Mercosur geworden ist,
haben sich infolge einer langsam zunehmenden wirtschaftlichen Zusammen314
Vgl. Minkner, Mechthild: Mercosur - die strategische Option Chiles in Lateinamerika, in:
Reihe Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 39-63 (42).
315
Vgl. Minkner, Mechthild: Mercosur - die strategische Option in Lateinamerika, in:
Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 39-63 (44).
120
arbeit auch auf politischer Ebene ansatzweise verbessert. Chile unterstützt
Bolivien bei dessen Exportabwicklung am Pazifik316.
11.4.2. Die politische Funktion des MERCOSUR
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit hat unter den Staaten auch zu einer
vorsichtigen politischen Annäherung geführt. Diese ist auch notwendig, weil
sich ohne politische Zusammenarbeit weder der vorsichtige wirtschaftliche
Aufschwung fortsetzen lässt noch Zukunftsprobleme wie Umweltschutz und
Globalisierung in Angriff genommen werden können.
11.5. Der Gegensatz zwischen Umweltschutz
und wirtschaftlicher Entwicklung im
Mercosur
So erfreulich die Belebung der internationalen Handelsbeziehungen im
Mercosur nach dem Vertrag von Asunción auch war, so stieß die praktische
Umsetzung schnell an ihre Grenzen, da es zu wenig Verkehrswege für den
Warenaustausch gab und daher der Kollaps drohte. Jahrzehntelang
betrieben die Mercosurstaaten eine Politik des Isolationismus, kämpften
insbesondere Argentinien und Brasilien um die Vorherrschaft und
verhinderten so ein grenzüberschreitendes Netz von Verkehrswegen317.
Dass es zu wenig Transportwege in oftmals auch noch schlechtem Zustand
gibt, ist in zweifacher Hinsicht problematisch. Die Verbesserung des
Transportwegenetzes bedeutet erstens teure Investitionen in den weiteren
Ausbau der Straßen und zweitens eine erhebliche Mehrbelastung für die
Umwelt. Dieses Problem betrifft alle Verkehrswege zu Lande, zu Wasser
und in der Luft.
316
Näher dazu Minkner, Mechthild: Mercosur - die strategische Option Chiles in
Lateinamerika, in: Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 3963 (44).
317
Vgl. Happe, Barbara: Mercosur und Umweltpolitik am Beispiel der Wasserstraße ParanáParaguay, in: Reihe Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35,
S. 89-100 (93).
121
11.5.1. Die Wasserstraße Paraná-Paraguay
Südamerika ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr Fortschritt und
Industrialisierung das Gesicht einer Landschaft verändern können. Gerade
die Region am Amazonas bietet noch weite Teile von wilder, nahezu
unberührter Natur, deren Ursprünglichkeit durch Waldrodungen und
Industrialisierung bereits erste Risse bekommen hat.
Es ist abzusehen, dass Investoren nur dann in die Mercosur-Region
kommen werden, wenn Verkehrswege, Versorgung und der Gesamteindruck
dem gewünschten Standard entsprechen. Was dies für die Gebiete
bedeutet, lässt sich am Beispiel des Ausbaus der Wasserstraße ParanáParaguay (Hidrovia Paraná-Paraguay-HPP) erahnen318.
Die Wasserstraße Paraná-Paraguay ist eine Verbindung des brasilianischen
Hinterlandes mit den Häfen Buenos Aires in Argentinien und Nueva Palmira
in Uruguay319.
Umweltpolitisch besonders bedenklich bei der Planung des Ausbaus ist die
Einbeziehung auch des Oberlaufs des Rio Paraguay. Denn dieser führt
mitten durch den sog. Pantanal. Der Pantanal ist ein riesiges
Naturschutzgebiet und hochsensibles Ökosystem im Dreiländereck
Brasilien, Bolivien, Paraguay, wobei der Hauptteil in Brasilien liegt320. Der
Pantanal speichert das Wasser in der Regenzeit, welches in der Trockenzeit
knapp wird und sichert damit eine weitgehend gleichmäßige
Wasserversorgung. Ohne diesen Ausgleich käme es zu krassen
jahreszeitlichen Schwankungen. Überschwemmungen und Perioden mit
Niedrigwasser würden sich abwechseln, ein Problem, um das (im Gebiet der
EU) an Rhein und Rhone seit langem gerungen wird, wo als Folge von
Flussbegradigungen Hochwasserkatastrophen häufig zu Millionenschäden
führen.321 Sollte der Ausbau der Wasserstraße tatsächlich so vorgenommen
werden wie geplant, so könnte Ähnliches auf das Gebiet des Pantanal
zukommen.
318
Dieses Beispiel kann als stellvertretend für viele Infrastrukturprojekte in dieser Region
angesehen werden. Ausführlich wird dieses Projekt besprochen bei Happe, Barbara:
Mercosur und Umweltpolitik am Beispiel der Wasserstraße Paraná-Paraguay, in:
Lateinamerika. Analysen-Daten-Dokumentation 1997, Nr. 34/35, S. 89-100.
319
Vgl. Abb. 16: Die Wasserstraße Paraná-Paraguay.
320
Siehe Karte bei Happe, Barbara: Mercosur und Umweltpolitik am Beispiel, der
Wasserstraße Paraná-Paraguay, in: Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997,
Nr. 34/35, S. 89-100 (93).
321
Ähnlich Happe, Barbara: Mercosur und Umweltpolitik am Beispiel der Wasserstraße
Paraná-Paraguay, in: Lateinamerika. Daten-Analysen-Dokumentation 1997, Nr. 34/35,
S. 89-100 (96).
122
Abb. 16: Die Wasserstraße Paraná-Paraguay
Quelle: Lateinamerika, Daten-Analysen-Dokumentation 1997, S. 93.
123
11.5.2. Umweltschutz in den Mercosur-Staaten
Der Gegensatz von infrastrukturellem Fortschritt und Umweltschutz wird den
Mercosur in den folgenden Jahren ständig begleiten. Denn auch in
Südamerika kann der Fortschritt die natürlich gewachsene Umwelt
bedrohen. Somit wird hier auch Umweltpolitik immer bedeutsamer. Im
Vorfeld des Vertrages von Asunción spielte die Umweltpolitik allerdings nur
eine geringe Rolle. Immerhin findet sich in der Präambel des Vertrages ein
Verweis auf den Schutz der Umwelt. Erst die UN-Umweltkonferenz in Rio de
Janeiro 1992 und der sich stetig verstärkende Druck seitens nichtstaatlicher
Umweltorganisationen und der Regierungen der Grenzregionen führten zu
einer allmählichen Einbindung umweltpolitischer Fragestellungen in den
Mercosur-Verhandlungsprozess.
1992 verabschiedete der "Grupo do Mercado Comun (GMC) in Las Lenas
die Resolution 22/92, in der die Gründung einer spezifischen Umweltkommission "Reuniao Especializado de Meio Ambiente (REMA)
beschlossen wurde. Die REMA soll die gültige Umweltgesetzgebung der
Mitgliedsstaaten überprüfen und über Vorschläge eines gemeinschaftlichen
Umweltrechts beraten.
Ferner gibt es jährlich eine Umweltkonferenz von Regierungsververtretern
aus den Grenzregionen unter Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen, die gemeinsame Wege finden wollen, auch die umweltpolitischen Fragestellungen mit in den Mercosur-Entscheidungsprozess
einfließen zu lassen. Dabei geht es in erster Linie um aktuelle
Umweltprobleme in der Region, zu denen häufig saurer Regen, Versandung
der Flüsse durch Abholzung oder Verschmutzung und die Verseuchung des
Wassers infolge fehlender Kanalisation in den Städten oder der immer noch
zu intensive Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft gehören. Die
Erfolge der Umweltkonferenz sind jedoch bisher gering.
Zwar wächst die grundsätzliche Bereitschaft zwischen den MercosurStaaten, bei grenzüberschreitenden Umweltproblemen mit den Nachbarländern in Einzelfällen über eine Harmonisierung von Umweltnormen zu
verhandeln, doch gilt grundsätzlich nach wie vor die Maxime, dass den
Nationalstaaten möglichst wenig Befugnisse zu entziehen sind. Auch fehlt es
an einer Regionalpolitik, der ein ökologisches und sozial abgestimmtes
Raumordnungskonzept zugrunde liegt. Eine Koordinierung der Infrastrukturpolitiken findet auf Mercosur-Ebene ebenfalls nicht statt.
124
11.6. Schlussbemerkungen
Der MERCOSUR bleibt trotz aller Probleme Lateinamerikas hoffnungsvollster Regionalisierungsversuch. Der Mercosur ist der viertgrößte
Wirtschaftsblock der Welt, leidet allerdings an geringer Kaufkraft der
Bewohner, extrem unterschiedlichen sozialen und schwierigen politischen
Verhältnissen.
Die politischen Beziehungen der MERCOSUR-Staaten, die jahrzehntelang
eine intensive Zusammenarbeit verhindert haben, verbessern sich merklich
und der Beitritt Chiles ist hier ein erster gemeinschaftlicher Erfolg. Ferner ist
der Handel unter den Mercosur-Staaten seit seiner Einrichtung deutlich
angestiegen und die lange blockierte gemeinsame Schaffung von
Verkehrswegen ist der erste Schritt zu einem regionalen Wirtschaftsraum.
Auch wenn der Traum eines Europas des Südens noch lange nicht in
Erfüllung gehen wird, so ist der Mercosur für die gesamte Region
Lateinamerika dennoch eine große Chance.
125
12. Das Nordamerikanische
Freihandelsabkommen (NAFTA)
Die NAFTA ist der wichtigste Regionalverbund in Nordamerika. Die Geburt
des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens war äußerst schwer. In
Kanada führte die Befürwortung des Freihandelsabkommens für die
Konservative Partei zu einem Verlust von 150 (!) von 154 Parlamentssitzen,
in den USA konnte erst der neugewählte Präsident Clinton Ende 1992 eine
Abstimmungsmehrheit für das Abkommen erreichen und Mexikos Präsident
Salinas brachte die NAFTA-Vorlage erst vor sein Parlament, nachdem die
USA und Kanada bereits zugestimmt hatten322.
Der langfristige Erfolg der NAFTA wird davon abhängen, ob die beteiligten
Staaten in der Lage sind, ihre traditionelle Außenhandelspolitik neu
auszurichten. Für die USA bedeutet dies ein weiteres Abrücken von den
protektionistischen Tendenzen der letzten Jahrzehnte und für Kanada und
Mexiko die Überwindung ihrer Angst, in die Abhängigkeit der USA zu
geraten323.
12.1. Besitzstandswahrung als Motor der
NAFTA
Die NAFTA ist von den USA als Antwort auf die Europäische Gemeinschaft
und die starke asiatische Konkurrenz ins Leben gerufen worden in der
Hoffnung, dadurch ihre starke Stellung behalten und ausbauen zu können.
Die dominierende Rolle in der NAFTA beansprucht deswegen auch die
USA.
Der Vertrag über die Nordamerikanische Freihandelszone vom 17.11.1993324
enthält einen Hauptvertrag, zwei Nebenabkommen über Umweltschutz- und
Arbeitsmarktfragen sowie zwei bilaterale Agrarabkommen zwischen den
USA und Mexiko beziehungsweise zwischen Kanada und Mexiko.
322
Zu diesen "Geburtswehen" eingehend Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische
Freihandelszone, S. 22 f.
323
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 25.
324
In Deutschland steht das umfangreiche Vertragswerk z.B. im Hamburger Institut für
Weltwirtschaft (HWWA) zur Einsichtnahme zur Verfügung.
126
12.2. Inhalte des NAFTA-Hauptvertrages
Der Hauptvertrag des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens besteht
aus folgenden Teilen:
- Vertragsidee und Warenhandel mit vertiefenden Zoll- und
Ursprungsregelungen,
- Spezielle Bestimmungen zu Energie- und Agrarprodukten,
- Technische Handelshemmnisse,
- Investitionen und Dienstleistungen,
- Schutz des geistigen Eigentums,
- Institutionelle Fragen,
- Schlussbestimmungen.
12.2.1. Vertragsidee und Warenhandel
Die Hauptidee der NAFTA ist eine Freihandelszone, also die Schaffung
eines möglichst freien Handels von Waren und faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Staaten USA, Kanada und Mexiko. Freier
Handel ist nur sinnvoll, wenn zwischen den Staaten allmählich die
Zollschranken fallen.
12.2.1.1. Zölle
Für die meisten Güter sieht der NAFTA-Vertrag vor, innerhalb von 15 Jahren
nach dem Inkrafttreten des Vertrages am 1. Januar 1994 die Zollschranken
abzubauen.
Im Anhang 302.2 des NAFTA-Vertrages werden die Güter in 5
Produktkategorien A, B, C, C+ , D eingeteilt, für die es jeweils einen
bestimmten Zeitpunkt für den Zollabbau gibt325. Bereits am 1. Januar 1994
begann der Zollabbau der Kategorie A, die bereits rund ein Drittel aller
Produkte enthält, u.a. chemische Produkte, Papier und Schuhwaren. Die
Zölle der Kategorie B (Düngemittel, Mineralien, Gummiprodukte) sind bis
zum 1. Januar 1998 abgebaut worden. Die "Zoll-Deadline" der Kategorie C
(Möbel, Spielwaren, Plastik) ist der 1. Januar 2003. Bis zum 1. Januar 2008
sind auch die Zölle der Kategorie C+, zu der einzelne Agrarerzeugnisse wie
325
Dazu Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 44 f.
127
Geflügelfleisch gehören, abzubauen326. Kategorie D schließlich besteht aus
den Gütern, die vor dem Abkommen bereits zollfrei gewesen sind und weiter
zollfrei bleiben sollen.
Die festgeschriebenen Zollreduktionen sind das Ergebnis von schwierigen
Verhandlungen und Kompromissen, die deswegen teilweise nur schwer
erklärbare Ergebnisse haben. Nach der Position 76.07 des kanadischen
Tarifs ist zum Beispiel der Import von "unbedruckten" Aluminiumfolien in
Kanada ab 1. Januar 1994 zollfrei, jedoch der Zoll von Aluminium"produkten", wie beispielsweise Verpackungen, erst nach fünf Jahren und
der Zoll auf "bedruckten Folien" nach zehn Jahren327.
Besonders problematisch ist unter den Ländern der Handel mit Autos und
Autobestandteilen. In diesem Markt herrschten vor der NAFTA völlig
ungleiche Ausgangsbedingungen. Die großen Autohersteller Chrysler, Ford,
General Motors, Nissan und Volkswagen haben schon lange Produktionsstätten in Mexiko aufgebaut und können von dort aus ihre Fahrzeuge in die
offenen Märkte USA und Kanada exportieren.
Dagegen war der mexikanische Markt für US-amerikanische und kanadische
Autos fast vollständig geschlossen. Durch den NAFTA-Vertrag musste
Mexiko nun seinen Markt öffnen und für alle drei Handelspartner gleiche
Marktbedingungen schaffen328. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits
erfolgt. Die Zölle auf Personen- und Lieferwagen wurden zum 1. Januar
1994 schon zu 50 Prozent gesenkt, der Rest soll bei Personenwagen
innerhalb der nächsten zehn Jahre folgen, bei Lieferwagen schon binnen
fünf Jahren. Alle Importrestriktionen sollen zudem innerhalb der nächsten
Jahre abgebaut sein.
12.2.1.2. Ursprungsregelungen
Die im NAFTA-Vertrag vereinbarten Zollsenkungen beziehen sich ausschließlich auf Produkte, die ihren Ursprung in den Vertragspartnerstaaten
haben. Ein Ursprungsprodukt liegt vor, wenn das Gut in seiner Gesamtheit
aus einem der Vertragspartnerländer stammt oder in ihm ausreichend beoder verarbeitet worden ist. Detailfragen und Anwendungen der
Ursprungsberechnung werden in Kapitel 4 und 5 des NAFTA-Abkommens
besprochen sowie in Anhang 401. Ferner können die Vertragsparteien bei
importierten Gütern die Anbringung der Ursprungsbezeichnung verlangen.
Ausnahmen von diesem Erfordernis gelten allerdings für Rohprodukte und
326
Die meisten Agrargüter fallen nicht unter den Zollabbau; sie werden deshalb in Kapitel 7
des NAFTA-Vertrages gesondert behandelt.
327
Beispiel bei Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 43 f.
328
Senti, Richard: NAFTA. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen, S. 47.
128
wenn die Etikettierung technisch unmöglich ist oder das Produkt beschädigt
werden würde, wobei die USA und Mexiko von diesen Ausnahmen häufig
Gebrauch machen.329
Vollständige Ursprungsprodukte sind nach Kapitel 4 und 5 des NAFTAVertrages unter anderem Erze und Mineralien aus den Partnerstaaten,
Früchte, Obst und Gemüse, die im NAFTA-Raum geerntet wurden, lebende
Tiere, die in diesen Ländern geboren und aufgezogen worden sind, sowie
Wild und Fische aus den Vertragsländern. Vorprodukte mit Ursprung aus
einem Partnerland sind wie ursprungseigene Produkte zu betrachten.
Weiter kann ein Nicht-Ursprungsland aus einem Drittland durch
ausreichende Be- und Verarbeitung in einem Partnerstaat zu einem
Ursprungsprodukt werden. Die Berechnung des Inlandsanteiles kann nach
der Verkehrswertmethode (Transaction Value Method) oder der
Nettokostenmethode (Net Cost Method) berechnet werden, wobei es dem
Importeur, soweit nichts anderes bestimmt ist, freisteht, welche
Berechnungsart er wählt330. Produkte mit einem Fremdanteil von weniger als
sieben Prozent des Verkehrswertes gelten laut Vertrag immer als
Ursprungsprodukte. Komplizierte Ursprungsvorschriften bestehen außerdem
u.a. für Milchprodukte, Tabakwaren, Bier, Zucker, Öl, Kaffee, bei denen
allmählich eine Vereinfachung der Ursprungsregeln vorgenommen werden
soll. Betrachtet man das Kapitel Zölle und Ursprungsregeln insgesamt, so ist
ein schneller und möglichst vollständiger Abbau der Zölle und eine
Vereinfachung des gesamten Zoll- und Ursprungssystems zu empfehlen.
12.2.2. Die umstrittenen Sektoren
Die durch den NAFTA-Vertrag geplante Liberalisierung zwischen Kanada,
USA und Mexiko ist besonders schwierig in einigen sensiblen Bereichen wie
Energie und Landwirtschaft.
12.2.2.1. Der Energiesektor
Der Energiesektor war immer schon ein wunder Punkt in diesen Ländern, da
alle drei Staaten in der Förderung und Verarbeitung von Energieträgern tätig
sind und dieser Bereich in diesen Ländern nicht nur wirtschaftliche, sondern
auch außerordentliche sicherheits- und sozialpolitische Funktion hat.
329
330
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 46.
Art. 402 des NAFTA-Vertrages erläutert die Berechnungsmethoden.
129
Die extreme Bedeutung der Energiewirtschaft für die Staaten lässt sich am
besten am Beispiel der Erdölwirtschaft von Mexiko zeigen. Erdöl ist in
Mexiko nicht nur ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, sondern seit jeher ein
Politikum.
Gelang es im 19. Jahrhundert britischen und nordamerikanischen
Gesellschaften, in Mexiko erfolgreich Öl zu fördern und wurden sie dafür
1901 von dem damaligen Präsidenten Porfirio Diaz mit einem Gesetz
belohnt, nach dem ausländische Gesellschaften alle Rechte an der
Mineralölgewinnung und eine mehrjährige Steuerfreiheit erhielten, so
erklärte die Verfassung von 1917 die Bodenschätze Mexikos zum nationalen
Eigentum. Seitdem benötigen Gesellschaften, die in Mexiko Öl fördern
wollen, eine Konzession331.
Konnte Mexiko bis Anfang der zwanziger Jahre sogar zweitgrößter
Ölproduzent der Welt werden, so schauten sich die ausländischen
Gesellschaften nach der Verstaatlichung nach Alternativen um und gingen
vorwiegend nach Venezuela, wodurch Mexikos Ölförderung rapide sank.
1938 kam die gesamte Erdölwirtschaft des Landes in die Hände der
staatlichen Gesellschaft PEMEX, deren Erdölförderung erst 1974 den Stand
von 1921/22 wieder erreichen konnte332. Immerhin ist es unter großem
finanziellen Aufwand inzwischen gelungen, neue Ölfelder zu erschließen,
wobei Mexiko ohnehin als eines der Länder mit den größten Erdölreserven
der Welt gilt 333. Die Verstaatlichung der mexikanischen Ölwirtschaft schützt
zwar die Mexikaner vor ausländischen Konzernen, hat aber auch ihre
Schattenseite. Die PEMEX wirkt wie ein Staat im Staate334, denn sechs der
elf Vorstandsmitglieder werden direkt durch den Staatspräsidenten
bestimmt335.
Diese innenpolitische Situation in Mexiko musste auch der NAFTA-Vertrag
berücksichtigen. Die Vertragsparteien respektieren deshalb unbedingt die
Verfassungsrechte der einzelnen Partnerstaaten, auch wenn der freie
Handel dadurch beeinträchtigt wird. Um die gesamten Verhandlungen nicht
scheitern zu lassen, mussten die USA und Kanada mehrfach betonen, das
mexikanische Verfassungsrecht nicht in Frage stellen zu wollen.
Weiter verpflichten sich die Vertragspartner, in allen vertraglich nicht
geregelten Bereichen das GATT-Abkommen anzuwenden. Danach dürfen
z.B. außer für Antidumping- und Ausgleichsabgaben keine Minimal- oder
331
Gormsen, Erdmann: Mexiko: Land der Gegensätze und Hoffnungen. Fakten-ZahlenÜbersichten, S. 175
332
Gormsen, Erdmann, Mexiko: Land der Gegensätze und Hoffnungen. Fakten-ZahlenÜbersichten, S. 176.
333
1991 ca. 6979 Mrd. Tonnen, s. Gormsen, Erdmann: Mexiko: Land der Gegensätze und
Hoffnungen. Fakten-Zahlen-Übersichten, S. 117.
334
Gormsen, Erdmann: Mexiko: Land der Gegensätze und Hoffnungen. Fakten-ZahlenÜbersichten, S. 177.
335
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 55.
130
Maximalpreisvorschriften erlassen werden336. Kanada hatte bis dahin die
Höhe der Stromexportpreise nach den Preisen für Alternativenergie
ausgerichtet337 und muss nun auf diese staatliche Strompreisfestsetzung
verzichten.
Das Energiekapitel 6 des NAFTA-Vertrages lehnt sich eng an das Free
Trade Agreement zwischen Kanada und den USA an. Zusätzlich erlaubt der
5. Abschnitt des Energiekapitels, angelehnt an das GATT-Abkommen,
allgemeine Schutzmaßnahmen, so etwa, vorübergehend Ausfuhrverbote
und Ausfuhrbeschränkungen zu erlassen, um einen kritischen Mangel an
wichtigen Produkten zu verhüten. Ausfuhrsteuern auf Energie sind allerdings
verboten, wenn sie nicht von allen Staaten gleichmäßig erhoben werden.
Was Dienstleistungen und Investitionen im Energiebereich angeht, so hat
der NAFTA-Vertrag die bestehenden Regelungen nur unwesentlich
verändert. In den USA können Ausländer problemlos im Energiesektor
investieren, in Kanada ist dies mit staatlicher Einwilligung genauso möglich,
in Mexiko sind ausländische Beteiligungen normalerweise nicht erlaubt.
Immerhin hat Mexiko 1993 ein Gesetz über ausländische Investitionen
verabschiedet, das unter der Oberaufsicht des Staates vereinzelt private
Energieproduzenten und ausländische Beteiligungen zulässt, - vielleicht ist
dies ein Zeichen Mexikos für eine gewisse Öffnung gegenüber den
Partnerstaaten338.
12.2.2.2. Der Agrarsektor
Neben dem Energiebereich ist auch der Agrarsektor ein heißes Eisen unter
den Partnerstaaten, was allein schon daran liegt, dass etwa in Mexiko ein
Fünftel der arbeitenden Gesamtbevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist.
Dort fühlte man sich durch die wachsende Konkurrenz der USA und
Kanadas bedroht. Umgekehrt fürchteten Kanada und die USA Billigimporte
aus Mexiko, wenn der Agrarmarkt untereinander zu sehr geöffnet wird.
Zwischen Kanada und den USA bietet traditionell der Handel mit Weizen
heftigen Diskussionsstoff. Aus all diesen Gründen haben es die
Vertragspartner in Kapitel 7 des NAFTA-Vertrages bei der Erklärung
belassen, die Märkte allmählich gegenseitig öffnen zu wollen339.
Nach dem Agrarabkommen sind die nichttariffären Handelshemmnisse bis
zum 1. Januar 1994 aufzuheben. In Anlehnung an die WTO unterscheidet
336
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 55.
Näher zu dieser Strompreispolitik: Hufbauer, Gary / Schott, Jeffrey: North American Free
Trade: Issues and Recommendations, S. 205.
338
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 56 f.
339
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 58.
337
131
das Abkommen zwischen inländischen Produktionssubventionen und
Exportsubventionen. Inländische Produktionssubventionen sind in dem
Ausmaß erlaubt, als sie den Außenhandel nicht oder nur minimal stören und
mit den Vorschriften der WTO übereinstimmen.
Der Agrarhandel zwischen den USA und Kanada ist im Free Trade
Agreement (FTA) festgelegt. Das Kernstück der Vereinbarung ist ebenfalls
die Abschaffung beziehungsweise die Reduktion der Exportsubventionen,
die den Handel zwischen den beiden Ländern stören. Die Vereinigten
Staaten haben allerdings das Recht, den Import von Zucker mengenmäßig
zu begrenzen, während Kanada auf den Import von Gerste, Hafer und
Weizen eine begrenzte Abgabe erheben darf340. Konflikte zwischen den
USA und Kanada gab es in den letzten Jahren neben dem Dauerthema
Weizen auch bei Milchprodukten und Geflügel. Von den USA unter Druck
gesetzt, erklärte sich Kanada 1994 bereit, die Weizenexporte in die USA auf
1,5 Mio Tonnen zu beschränken. 1995 wurde diese Selbstbeschränkung
jedoch wieder aufgehoben.
Insgesamt ist festzuhalten, dass es einen vollständig freien Agrarmarkt
weder durch den NAFTA-Vertrag noch durch die bilateralen Abkommen
geben wird, da die einzelnen Länder weder willens noch in der Lage sind,
ihre traditionelle Agrarpolitik aufzugeben und ihre Landwirtschaft einer
weltoffenen Konkurrenzwirtschaft auszusetzen. Trotzdem wird durch die
Verträge der Agrarhandel zwischen den NAFTA-Partnern insgesamt
liberaler.
12.2.3. Schaffung der Voraussetzungen eines freien
Handels
Damit der freie Handel unter den Staaten auch funktioniert, müssen einige
Voraussetzungen geschaffen werden wie ungehinderter Kapital- und
Dienstleistungsverkehr, eine Wettbewerbsordnung sowie der Abbau
technischer Handelshemmnisse.
340
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 60.
132
12.2.3.1. Technische Handelshemmnisse
Um die Liberalisierung des Handels zu verwirklichen, muss ferner alles
getan werden, um technische Handelshemmnisse zwischen den Staaten
abzubauen. Technische Handelshemmnisse zwischen den Staaten
entstehen vor allem mangels einheitlicher technischer Normen. Die
Vereinheitlichung von Normen ("Standardisierung") ist im internationalen
Handel für eine funktionierende Logistik und Absatzwirtschaft unbedingt
erforderlich.
Insbesondere für den Vertrieb und die Verteilung von Waren im
internationalen Verkehr müssen Normen fast in allen Bereichen
vereinheitlicht werden. Ohne eine solche Normenvereinheitlichung ist ein
Absatz vieler Waren überhaupt nicht möglich. Wenn beispielsweise in
Frankreich hergestellte Füllfederhalterpatronen wegen anderer Länge, Breite
oder Dicke nicht in deutsche Füllfederhalter passen, so sind diese
französischen Patronen in Deutschland nicht absetzbar. Infolgedessen
besteht seit langem ein internationales Bemühen, die unterschiedlichen
Normen zu standardisieren.
Der Begriff Standardisierung umfasst dabei die Erarbeitung, Formulierung,
Veröffentlichung
und
unterstützende
Anwendung
von
Normen.
Standardisierung ist der Weg, um einen Standard zu erreichen341.
Gegenstände der Standardisierung können bestimmte Erzeugnisse,
Verfahren oder Dienstleistungen sein. Vor allem bestimmte Werkstoffe,
Bauteile und Methoden kommen als Normungsgegenstand in Frage342. Ziel
der Normung ist es, die Gebrauchstauglichkeit der entsprechenden Dinge zu
verbessern. Normen haben zwar im allgemeinen keinen rechtlichen
Verbindlichkeits-, sondern mehr Empfehlungscharakter, werden aber häufig
zu Industriestandards entwickelt und dann von den meisten
Marktteilnehmern anerkannt. Für die Angleichung der Normen innerhalb der
EG sind das Comité Europeen de Normalisation (CEN und das CENELEC)
zuständig, deren Mitglieder die EU- und EFTA-Staaten sind343. Ähnliche
Einrichtungen sind auch für den NAFTA-Zusammenschluss zu empfehlen,
um die Einheitlichkeit technischer Normen zu schaffen.
International gibt es verschiedene Vereinbarungen zur Vereinheitlichung:
Der Kodex über Technische Handelshemmnisse des GATT beziehungsweise der Vertrag über Technische Handelshemmnisse der WTO sowie die
Vereinbarungen im Rahmen der Internationalen Organisation für
341
Tröster, Norbert: Euro-Normen für Transportverpackungen, in: Dynamik im Handel 5/97,
S. 20-26 (20).
342
Tröster, Norbert: Euro-Normen für Transportverpackungen, in: Dynamik im Handel 5/97,
S. 20-26 (20 f).
343
Tröster, Norbert: Euro-Normen für Transportverpackungen, in: Dynamik im Handel 5/97,
S. 20-26 (24).
133
Standardisierung (ISO), der Internationalen Telekommunikation (ITU) und
der Food and Agriculture Organization (FAO).
Die NAFTA-Partnerstaaten bekräftigen ausdrücklich ihren Willen, die in
diesen Vereinbarungen eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten344.
Darüber hinaus enthält der NAFTA-Vertrag drei Schwerpunkte: Erstens soll
das Inländergleichbehandlungsprinzip gelten, wonach ausländische Güter
und Dienstleistungen nicht schlechter behandelt werden sollen als
einheimische. Zweitens gilt das Meistbegünstigungsprinzip, nach dem alle
Vorteile und Vorrechte, die ein NAFTA-Staat einem anderen Staat gewährt,
sofort auch allen weiteren NAFTA-Partnern zu gewähren ist.
Das NAFTA-Abkommen an sich strebt keine Harmonisierung der Schutzund Sicherheitsbestimmungen an, sondern eine gegenseitige Rechtsanerkennung und Gleichwertigkeit. Werden technische Vorschriften neu
geschaffen oder geändert, verlangt der Vertrag eine vorherige
Benachrichtigung der davon betroffenen Partnerländer für allgemeine Güter
binnen 30 Tagen. Den Partnerstaaten ist das Recht der Stellungnahme
einzuräumen.
12.2.3.2. Investitionen und Dienstleistungen
Die zunehmende Globalisierung erfordert nicht nur einen freieren
Güterhandel, sondern auch einen ungehinderteren Zahlungs-, Kapital- und
Dienstleistungsverkehr sowie eine einheitliche Wettbewerbsordnung. Die
einzelnen Länder sind daran interessiert, dass Investoren und Handelsleute
ausländisches Kapital ungehindert ins Inland zur Schaffung von Arbeitsplätzen und inländisches Kapital ungehindert ins Ausland verbringen
können. Um Kapital für Investitionen anzulocken, dürfen ausländische
Investoren nicht ungünstiger behandelt werden als inländische und müssen
die Vorteile, die ein NAFTA-Staat einem anderen Staat gibt, auch allen
NAFTA-Partnern gewährt werden.
Auch der NAFTA-Vertrag befolgt das Prinzip, innerhalb eines Staatenverbundes Benachteiligungen bei Investitionen zu verhindern. Der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr ist zwischen den Staaten weitgehend liberalisiert, einige Dienstleistungen sind jedoch aus verschiedenen
Gründen von der Liberalisierung im NAFTA-Raum ausgenommen345.
Ausnahmen ergeben sich aus drei Anhängen zu den Vereinbarungen und
aus dem Investitionsgesetz von Mexiko aus dem Jahr 1993, das viele
Dienstleistungen, etwa in der Energiewirtschaft, Telekommunikation und
Tourismus nur einheimischen Bürgern und Unternehmen erlaubt und
344
345
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 69.
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 81.
134
ausländische Beteiligungen ausschließt, während sie in anderen Bereichen
begrenzt möglich sind, so etwa bei Banken bis zu 30% und Verlagen bis zu
40%.
Kapitel 14 des NAFTA-Vertrages befasst sich mit den Finanzdienstleistungen. Dabei wurde aus der FTA-Vereinbarung die sog. Glass-SteagallRegel übernommen, nach der die übliche Trennung zwischen den üblichen
Bankgeschäften und dem Handel mit Staatspapieren nicht gilt. Damit haben
die staatlich anerkannten Banken der USA und Kanadas in beiden Ländern
das Recht, neben ihren Bankgeschäften auch den Handel mit Staatspapieren zu betreiben. Kritiker betrachten diesen Teil des Vertrages
allerdings weniger als einen Akt der Liberalisierung, sondern eher als
cleveren Schachzug, um Staatspapiere im Börsenhandel der USA und
Kanada optimal plazieren zu können346.
Zudem gewährt die Übernahme der FTA-Bestimmungen den Kanadiern die
Sicherheit, dass die USA auf Änderungen der Bankengesetzgebung
verzichten, die eine Schlechterstellung der kanadischen gegenüber den USamerikanischen Banken zur Folge hätte .
Im Bereich Finanzdienstleistungen hat der NAFTA-Vertrag drei Schwerpunkte. Zunächst wird das Recht garantiert, im ganzen Freihandelsraum
Finanzinstitute zu gründen, danach dürfen diese Finanzinstitute grenzüberschreitend ihre Dienstleistungen erbringen, soweit keine Ausnahmen
bestehen. In Wirklichkeit bestehen hier so viele Ausnahmen, dass der
einzige Erfolg der NAFTA-Vereinbarung ist, dass die vorher bestehenden
Restriktionen nicht verschärft worden sind. Mexiko etwa verbietet das
grenzüberschreitende Versicherungsgeschäft überhaupt347.
Ferner soll der NAFTA-Vertrag einen gemeinsamen Telekommunikationsmarkt mit einheitlichen Standards für die technische Ausrüstung der
Telekommunikationsnetze sowie der End- und Zusatzgeräte schaffen, die
allen Personen und Firmen der Vertragspartner zu gleichen Bedingungen
offenstehen.
Dafür sollen innerhalb von zehn Jahren alle Zölle und Handelshemmnisse
abgebaut werden, allen Personen Nordamerikas eine uneingeschränkte
Nutzung der Telekommunikationsnetze und -dienste gewährt werden und
die Lizenzvergaben fair erfolgen. Zudem haben die Vertragspartner dafür zu
sorgen, dass eventuell bestehende Monopolstellungen von Telekommunikationsunternehmen in einem Land nicht zu Wettbewerbsverzerrungen im
Gesamtgebiet führen
.
346
347
Dazu Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 86.
Näheres Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 83 ff.
135
12.2.3.3. Wettbewerbspolitik
Ein weiteres Ziel des NAFTA-Vertrages ist die Schaffung von fairem
Wettbewerb. Mit dem Ergebnis der Verhandlungen über die Wettbewerbsbestimmungen, die zwischen den Ländern gelten sollen, sind alle
Staaten jedoch bisher unzufrieden. Da jedes Land in erster Linie daran
interessiert ist, seine eigenen Industrien zu schützen bzw. seine eigene
Wirtschaft zu stärken, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern.
Grundsätzlich verpflichten sich die Vertragspartner zwar in Kapitel 15 des
NAFTA-Vertrages, den Wettbewerb nicht zu verfälschen, doch ist entgegen
der ursprünglich geäußerten Absicht nicht einmal ein gemeinsames
Schiedsgericht zur Einigung bei Wettbewerbsstreitigkeiten entstanden,
sondern jedes Land hat seine eigene Wettbewerbsbehörde348.
Ähnliches gilt auch für Maßnahmen, mit denen sich die Länder vor den
Folgen des NAFTA-Vertrages schützen wollen. Obwohl der NAFTA-Vertrag
ein Freihandelsabkommen ist, das sich die Liberalisierung des Handels
zwischen den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko auf die Fahnen
geschrieben hat, haben sich die Länder vorsichtshalber ein Kapitel im
NAFTA-Vertrag reservieren lassen, das ihnen die Möglichkeit gibt, gegen
eine vertragliche Abmachung, z.B. Zollabbau oder mehr Marktöffnung,
"Schutzmaßnahmen" zu ergreifen, wenn durch diesen etwaigen Zollabbau
die Einfuhrmenge dermaßen zunimmt, dass die eigene Wirtschaft bedroht ist
oder auch, wenn die USA und Kanada durch das Lohngefälle gegenüber
Mexiko zu sehr unter Druck geraten.
12.2.4. Der Schutz des geistigen Eigentums
Weltweit sind bereits unzählige Raubkopien aller Art aufgetaucht, vor allem
in China, aber auch in Südamerika, so dass für Industriebetriebe der Schutz
vor geistigem Diebstahl immer wichtiger wird. Im NAFTA-Vertrag befasst
sich das Kapitel 17 mit dem Schutz der geistigen Eigentumsrechte.
Anerkannt werden die bestehenden internationalen Konventionen, zu denen
die Genfer Konvention vom Jahr 1971 zum Schutz der Hersteller von
Tonträgern vor unerlaubtem Kopieren, die Pariser Konvention vom Jahr
1971 zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (revidiert 1979), die
Pariser Konvention vom Jahr 1883 über den Schutz des gewerblichen
Eigentums (1979) und die Internationale Konvention vom Jahr 1978 zum
Schutz neuer Pflanzenarten gehören.
348
In den USA z. B. das Department of Justice oder in Kanada das Bureau of Competiton
Policy
136
Für die Einzelbestimmungen des Abkommens gilt das Prinzip der
Inländergleichbehandlung, nach dem Angehörige aus Vertragspartnerstaaten in bezug auf den Schutz der geistigen Eigentumsrechte nicht
ungünstiger behandelt werden dürfen als eigene Staatsangehörige349. Ziel
der Vereinbarung über den Schutz des geistigen Eigentums ist es,
Eigentumsverletzungen in allen Partnerstaaten verfolgen zu können und
durch gegenseitige Rechtshilfe weitere Zuwiderhandlungen zu verhindern. In
den USA und Kanada gibt es bereits Zivil- und Strafverfahrensordnungen,
die dieses vorsehen350.
12.2.5. Schlussbestimmungen
In den Schlussbestimmungen des Kapitels 21 sind noch einige Ausnahmen
des gemeinsamen Güter- und Dienstleistungsmarktes geregelt. Dazu gehört
u.a. die Unterhaltungsindustrie. Von der Einhaltung des Urheberrechts und
dem Abbau von Zöllen auf Produkte der Unterhaltungsindustrie
(Musikinstrumente) abgesehen, kann jedes Land seine Unterhaltungsindustrie frei gestalten351. Ferner beharren die Vertragsparteien darauf, ihre
Steuerhoheit beizubehalten.
12.3. Institutionelle Bestimmungen des
NAFTA-Vertrages
Die zunehmend engere Verflechtung zwischen den Partnerstaaten macht
ohnehin gemeinschaftliche Institutionen erforderlich. Die Kapitel 18 bis 20
befassen sich daher mit institutionellen Fragen, während Kapitel 22 sich mit
den Beitrittsmöglichkeiten für weitere Länder befasst. Wichtige Institutionen
des NAFTA-Abkommens sind die Kommission und das Sekretariat. Die
Kommission setzt sich aus Vertretern auf Ministerebene zusammen und trifft
sich jährlich wenigstens einmal. Sie ist für die Verwirklichung und die
Weiterentwicklung des Vertrages verantwortlich und überwacht die Arbeit
der Ausschüsse, Unterausschüsse und Arbeitsgruppen, die sie zur Erfüllung
einzelner Aufgaben in eigener Kompetenz einsetzen kann. Beschlüsse der
Kommission erfordern Einstimmigkeit. Den Vorsitz der Kommission
übernimmt in regelmäßiger Folge eines der Vertragsländer. Der Kommission
steht ein Sekretariat zur Erledigung der laufenden Geschäfte zur Verfügung.
349
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 90 f.
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 96.
351
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 109.
350
137
Außerdem haben die jahrelangen Differenzen zwischen den Vereinigten
Staaten und Kanada über die kanadischen Subventionen im Handel mit
Fischen, Schweinefleisch und Holz dazu geführt, ein Streitschlichtungsverfahren im FTA einzuführen, das weitgehend in die NAFTA übernommen
worden ist. Ferner sind Beitrittsverhandlungen nach Kapitel 22 des NAFTAVertrages grundsätzlich mit jedem Land möglich, das willens und in der
Lage ist, die mit der NAFTA-Kommission ausgehandelten Bedingungen zu
akzeptieren.
12.4. Die NAFTA-Nebenabkommen
Im Laufe der Verhandlungen über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen tauchten immer mehr Befürchtungen auf, die zunehmende
Liberalisierung des Marktes könnte das Umweltschutzniveau in den USA
und Kanada weiter absenken und zu einer weiteren Verlagerung von
Arbeitsplätzen in das Niedriglohnland Mexiko führen. Aus diesen Gründen
wurde zwischen den Staaten um spezielle Regelungen in den Bereichen
Umwelt und Arbeit gerungen.
Die Umweltverhandlungen waren zwar lang und hart, mündeten aber am 12.
August 1993 in einem gemeinsamen Nebenabkommen, das am 1. Januar
1994 in Kraft trat. Zum Schutz ihrer Arbeitskräfte schlossen die USA am 23.
Mai 1991 und Kanada am 4. Mai 1992 zunächst jeweils einen bilateralen
Vertrag mit Mexiko. Da jedoch diese bilateralen Verhandlungen allgemein
als nicht ausreichend beurteilt wurden, kam es unter dem Einfluss des
damaligen Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton 1993 zwischen den USA
und Mexiko zu einem NAFTA-Zusatzabkommen über Arbeitsmarktfragen,
das zusammen mit den anderen NAFTA-Verträgen am 1. Januar 1994 in
Kraft getreten ist352.
12.4.1. Das Umweltschutzabkommen
Das Umweltschutzabkommen fordert in seiner Präambel die Vertragsparteien auf, die Handelsvereinbarungen in Übereinstimmung mit dem
Schutz und der Erhaltung der Umwelt anzuwenden sowie für eine
nachhaltige Entwicklung und Durchsetzung des Umweltschutzes
einzutreten. Im Nahrungsmittelbereich können die Vertragspartner jedoch
nach Kapitel 7 ihre nationalen Standardvorschriften beibehalten. Bei
Unvereinbarkeit zwischen dem NAFTA-Vertrag und internationalen Umwelt352
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 112.
138
schutzvereinbarungen haben nach Kapitel 1 letztere Vorrang. Diese
Bestimmung kam auf Druck der Umweltschutzorganisationen in den Vertrag,
um sicherzustellen, dass der NAFTA-Vertrag in jedem Fall die
internationalen Verpflichtungen im Umweltbereich einhält353. Sanktionen bei
Nichteinhaltung sieht der Vertrag jedoch nicht vor.
Das Zusatzabkommen behandelt im wesentlichen vier Themen: Die
Verbesserung der gegenseitigen Information zur Erreichung der im Vertrag
festgehaltenen Umweltschutzziele, die Einführung neuer Rechtsverfahren,
die Einrichtung einer Streitschlichtungsstelle sowie die Schaffung einer
Kommission für Umweltfragen zur Überwachung und Durchsetzung des
Vertragswerks. Dieses Abkommen verpflichtet die Vertragsparteien über die
nationalen Umweltschutzmaßnahmen zu berichten, Maßnahmen zu
Bekämpfung von Umweltkatastrophen zu erarbeiten, die eigene
Umweltgesetzgebung zu optimieren und den Export von verbotenen
Pestiziden und Giftstoffen zu verhindern. Außerdem soll Privatpersonen
rechtliches Gehör gewährt werden. Privatpersonen mit rechtlich
zugesicherten Interessen ("with a legally recognized interest) sollen sogar
das Recht haben, auf Schadensersatz zu klagen und den Staat zu
entsprechenden Maßnahmen zu verpflichten. Ferner hat jedes Vertragspartnerland das Recht auf eine Streitschlichtung. Zur Überwachung des
Umweltschutzabkommens ist eine Kommission vorgesehen mit einem Rat,
einem Sekretariat und beratenden Ausschüssen.
12.4.2. Das Arbeitsabkommen
Im Gegensatz zum Umweltabkommen, das den NAFTA-Vertrag ergänzt und
erweitert, ist das Arbeitsabkommen ein eigenständiger Vertrag, mit dem die
Arbeitsbedingungen und der Lebensstandard in den Partnerstaaten
verbessert werden sollen. Ein solches Extraabkommen war nötig, weil die
NAFTA-Staaten nicht dazu bereit waren, den Arbeitsmarkt zu vereinheitlichen. Nach wie vor kann jedes Partnerland seinen Arbeitsmarkt
selbständig gestalten und sich gegen den Zustrom von Arbeitskräften aus
den Nachbarstaaten mit Arbeitsbewilligungs- und Einreisevorschriften
schützen.
Im NAFTA-Vertrag selbst gibt es daher nur ein Kapitel über den
Arbeitsmarkt (Kapitel 16), das vorsieht, für einige Berufsgruppen wie
Marketingagenten, Monteure und Händler das Einreise- und Aufenthaltsverfahren zu erleichtern. Zudem gibt es im Anhang 1603.04 der NAFTA
noch ein Zusatzabkommen zwischen den USA und Mexiko, nach dem zehn
353
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 114.
139
Jahre lang jährlich 5.500 Mexikanern eine zeitlich befristete Aufenthaltsbewilligung gewährt wird.
Mehr enthält der NAFTA-Vertrag über den Arbeitsmarkt nicht. Andere
wichtige Themen wie Organisationsfreiheit, Streikrecht, Kinderarbeit,
Diskriminierungen, Versorgung und Mindestlöhne behandelt daher das
zusätzliche Arbeitsabkommen. Wichtigste Ziele des Arbeitsabkommens sind
gegenseitige Information über den jeweiligen Arbeitsmarkt, Harmonisierung
des Arbeitsrechts sowie die Lösung von Arbeitskonflikten innerhalb der
Partnerstaaten. Auch für die Umsetzung des Arbeitsabkommens ist eine
Kommission zuständig mit einem Rat, der aus den einzelnen
Arbeitsministern besteht, und einem Sekretariat. Die Anwendung des
Arbeitsabkommens im konkreten Einzelfall ist kompliziert, da die nationalen
arbeitsrechtlichen Vorschriften sehr voneinander abweichen. Klagen
amerikanischer oder mexikanischer Arbeiter in Kanada werden durch das
Arbeitsabkommens meist gar nicht berührt, weil in Kanada 80 % bis 90 %
der Arbeitsplätze unter das Recht der kanadischen Provinzen fallen und
somit das NAFTA-Abkommen nur 10 % bis 20 % der kanadischen
Arbeitskräfte betrifft, da in Kanada der Bundesstaat nach seiner Verfassung
nicht in das Recht der Provinzen eingreifen darf354.
12.5. Die Auswirkungen des NAFTAAbkommens
Nach 7 Jahren NAFTA-Abkommen können die Auswirkungen und Erfolgsaussichten des Abkommens noch nicht endgültig beurteilt werden, doch
zeichnen sich bereits einige Trends ab.
Der Abbau der Zölle zwischen den Staaten verläuft planmäßig ebenso wie
die Liberalisierung des Kapitalverkehrs, während es im Bereich der
zwischenstaatlichen Investitionen nach wie vor Schwierigkeiten unter den
Staaten gibt. Für die USA ist der Schutz der geistigen Eigentumsrechte nach
wie vor ein Problem, da die meisten Eigentumsverletzungen durch
Straßenhandel begangen werden, der kaum kontrolliert werden kann355.
Die einzelnen Staaten haben vom NAFTA-Abkommen auf unterschiedliche
Weise profitiert. Mexiko hätte ohne die NAFTA erhebliche Schwierigkeiten
bekommen. Die mexikanische Finanzkrise der Jahre 1994 und 1995 wäre
ohne die NAFTA für Mexiko nicht so leicht zu beheben gewesen. Die
354
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 120.
Zum Ganzen: Preusse, Heinz Gert: Sechs Jahre Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (NAFTA) - Eine Bestandsaufnahme, in: Außenwirtschaft: Schweizerische
Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen 2000, S. 333-370 (336 ff.).
355
140
äußerst hohe Auslandsverschuldung des Landes sowie das punktuell
besonders schwierige wirtschaftliche Gesamtumfeld zwang die Regierung
Mexikos im Dezember 1994, die Dollarbindung des Neuen Mexikanischen
Pesos aufzugeben. Die anschließende Abwertung des Pesos, gepaart mit
den ausbrechenden Unruhen in Mexikos "Armenhaus Chiapas" und die
Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Luis Donaldo Colosio und des
Generalsekretärs Ruiz brachten das Land in große wirtschaftliche und
politische Schwierigkeiten.
Um aus dieser Krise herauszukommen, hat Mexiko von den USA eine
Kredithilfe von rund 20 Milliarden US-Dollar erhalten, zu denen noch rund
18 Milliarden US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds kamen, obwohl
Finanzhilfen im NAFTA-Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehen sind356. Durch
diese Hilfe geriet Mexikos Volkswirtschaft zwar in eine starke Abhängigkeit
von den USA, auch weil fast 90 % seiner Exporte dorthin gehen357. Die
Finanzhilfen der USA und des Internationalen Währungsfonds halfen Mexiko
aber bei der Inflationsbekämpfung. Die Teuerungsrate fiel nach 16 % im
Jahre 1997 und 19 % im Folgejahr 1998 auf schätzungsweise 13 % für das
Jahr 2000358.
Nach der letzten Statistik der OECD359 zeigt sich weiterhin die positive
Wirkung mit einer für das Jahr 2001 erwarteten Inflationsrate von 6,5 %,
nachdem sie im vergangenen Jahr mit 9,5 % schon so niedrig wie schon
lange nicht mehr gewesen ist. Zudem lag das Wirtschaftswachstum 2000 bei
7 %, wobei der Außenhandel 30 % zum mexikanischen Bruttoinlandsprodukt
beiträgt. Mehr als 80 % des Außenhandels wickelt Mexiko mit seinem
Vertragspartner USA ab. Allerdings ist das Ziel, die grundsätzliche
Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung, noch längst nicht
erreicht, da im zweitgrößten Land Lateinamerikas die Zahl der Armen,
besonders in den südlichen Bundesstaaten, noch immer extrem hoch ist360.
Daher sorgt die starke Zuwanderung mexikanischer Arbeiter in die USA
weiter für Spannungen zwischen beiden Staaten, wie sich auch beim
aktuellen ersten Treffen des neuen US-Präsidenten George W. Bush mit
seinem mexikanischen Amtskollegen Vicente Fox zeigt, dass nach wie vor
Hunderttausende Mexikaner in die USA flüchten361.
Kanada und die USA befanden sich zu Beginn der neunziger Jahre in einer
schweren Rezession, der ab 1992 in den USA und in Kanada ein
356
Senti, Richard: NAFTA. Die Nordamerikanische Freihandelszone, S. 152.
Munzingers Archiv, IH-Länder aktuell, Nr. 7/2000, Wirtschaft, unter dem Stichwort
"Mexiko", S. 1.
358
Munzingers Archiv, IH-Länder aktuell, Nr. 7/2000, Wirtschaft, unter dem Stichwort
"Mexiko", S. 1.
359
Abgedruckt in: HAZ vom 11. Januar 2001, S. 14.
360
"Mexikos Inflationsrate erstmals seit Pesokrise wieder einstellig", in: HAZ vom 11. Januar
2001, S. 14.
361
Zu dem Treffen: Wachsende Bedeutung Mexikos, in FAZ vom 16.02.2001, S. 7.
357
141
Wirtschaftsboom folgte, wie die nachstehende Tabelle362 zeigt. Der
einheitliche Wirtschaftsraum der NAFTA hat Anteil daran, dass Kanada am
Wirtschaftsaufschwung der USA so stark wie noch nie profitieren konnte
Tab. 5: Reale Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den
NAFTA-Staaten von 1992 bis 1999
Jahr
USA
Kanada
Mexiko
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2,3
3,5
2,3
3,4
3,9
3,9
3,9
4,1
0,8
2,3
4,1
2,1
1,8
3,7
3,0
3,7
3,7
2,0
4,5
6,2
5,2
7,0
4,8
3,5
Quelle: Preusse, Heinz Gert: Sechs Jahre Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (NAFTA) - Eine Bestandsaufnahme, in: Außenwirtschaft:
Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen
2000, S. 341.
12.6. Schlussbemerkungen
Abschließend sei noch angemerkt, wie sich nach 7 Jahren das NAFTAAbkommen aus Sicht der USA darstellt, die ursprünglich das Abkommen
angeregt hat.
In der Öffentlichkeit wird in den USA das NAFTA-Abkommen nach wie vor
skeptisch beurteilt363. Trotzdem sind und bleiben die USA schon aufgrund
ihrer Stärke der Motor der NAFTA, auch wenn sie einer Weiterentwicklung
der NAFTA noch nicht zugestimmt haben364 und profitieren auch davon.
362
Vgl. Tab. 5: Reale Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der NAFTA-Staaten
von 1992 bis 1999.
363
So Preusse, Heinz Gert: Sechs Jahre Nordamerikanisches Freihandelsabkommen
(NAFTA) - Eine Bestandsaufnahme, in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für
internationale Wirtschaftsbeziehungen 2000, S. 333-370 (359).
364
So Preusse, Heinz Gert: Sechs Jahre Nordamerikanisches Freihandelsabkommen
(NAFTA) - Eine Bestandsaufnahme, in: Außenwirtschaft: Schweizerische Zeitschrift für
internationale Wirtschaftsbeziehungen 2000, S. 333-370 (362).
142
Erstens sind Kanada und Mexiko wichtige Handelspartner für die USA und
sehr wichtige Absatzmärkte. Zweitens sind das FTA und der NAFTA-Vertrag
auch eine US-Reaktion auf die Integrationsbestrebungen in Europa und die
Ausweitung und Erstarkung der EG. Darum wollten die USA ein
handelspolitisches Gegengewicht zu Europa.
Hinzu kommt die spezifische sicherheitspolitische Bedeutung der NAFTA für
die USA. Für die Vereinigten Staaten muss die Förderung und Erhaltung der
politischen Stabilität in den Ländern, mit denen sie im Norden wie im Süden
nicht weniger als mehrere tausend Meilen gemeinsame Grenze teilen, lieb
und selbstverständlich, auch teuer sein angesichts der politischen Situation
in Kuba, Nicaragua, Panama und Grenada.
143
13. Der Vertrag über den
Golfkooperationsrat (GCC)
Im Nahen und Mittleren Osten erfolgreiche Kooperationen zu finden, ist nicht
leicht. Zu den erfolgreichen Kooperationen gehört der Golfkooperationsrat
(Gulf Cooperation Council (GCC)) von 1981, der zwischen den Golfstaaten
Kuwait, Bahrain, Saudi-Arabien, Katar, Oman und den Vereinigten
Arabischen Emiraten geschlossen wurde365.
13.1. Besitzstandswahrung als Grundlage des
GCC
Im Mai 1981 gründeten Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Katar, die
Vereinigten Arabischen Emirate und Oman den Golfkooperationsrat. Von
Anfang an ergab sich eine gewisse Solidarität zwischen den bis dahin nicht
immer harmonisch nebeneinander existierenden Staaten durch die
gemeinsame Furcht vor den starken und aggressiven Nachbarn Irak und
Iran, die die Führungsrolle am Golf anstrebten und gegenüber einigen
Emiraten sogar territoriale Ansprüche geltend machten. Den entscheidenden
Impuls für die Gründung des Golfkooperationsrates lieferte schließlich der
Krieg zwischen Iran und Irak.
Auch wenn Untersuchungen sehr unterschiedliche Erfolgsfaktoren
herausfinden, führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass die Basis des für
diese oft unruhige Gegend bemerkenswerten Kooperationserfolges die
erstklassige wirtschaftliche Situation in diesen reichen Golfstaaten ist. Der
Golfkooperationsrat hatte deswegen von Anfang an auch nicht zum Ziel,
wirtschaftlichen Aufbau zu fördern, sondern eher den vorhandenen reichen
Bestand zu sichern.
13.1.1. Erdölreichtum
Der Reichtum dieser Region rund um den Persischen Golf hat diesen Teil
der Welt zu einem der Zentren der Weltwirtschaft gemacht. Weit mehr als
365
Vgl. Anlage 5.
144
die Hälfte aller weltweiten Erdölreserven lagern in der Golfregion366. Immer
wieder bekommen die westlichen Industrieländer schmerzhaft ihre
Abhängigkeit von den Erdölreserven des Mittleren Ostens zu spüren, so
besonders während der Ölkrise 1973/74, aber auch in diesen Tagen, in
denen schon die erhebliche Verteuerung der Rohölimporte die Industrieländer "nervös" macht. Daher ist es leicht verständlich, dass die großen
Industriestaaten auch ein strategisches Interesse daran haben, den Zugriff
auf die dortigen Ölreserven zu sichern und gegebenenfalls auch militärisch
einzugreifen.
13.1.2. Das Prinzip der Selbstverteidigung
Genau diese Einmischung anderer Mächte wollte der Golfkooperationsrat
allerdings ursprünglich verhindern. Bei der Gründung des Golfkooperationsrates 1981 erklärte der Oberste Rat, das höchste Gremium, noch deutlich,
dass die Sicherheit des Golfes in der eigenen Verantwortung seiner Staaten
läge. Auch wenn kaum anzunehmen ist, dass die GCC-Staaten angesichts
der großen militärischen Überlegenheit der beiden Nachbarn Irak und Iran
ernsthaft geglaubt haben, die Golfregion verteidigen zu können, so zeigte
der Rat doch öffentlich Widerstand gegen die Versuche der Supermächte,
sich in die Angelegenheiten der Region einzumischen367.
Aus Stolz und Nationalbewusstsein glaubten die Golfanrainer wohl durch ein
kollektives Sicherheitssystem ihre Region selbst schützen die Bewahrung
der Herrschaftssysteme und die nationale Souveränität jedes Landes
gewährleisten zu können368. Dadurch konnte sich nach der Bildung des
Kooperationsrats ein Verständnis für die Notwendigkeit einer gemeinsamen
Sicherheitsanstrengung entwickeln. Innere Gefährdungen wie beispielsweise ein Umsturzversuch in Bahrain im Dezember 1981 stärkten dieses
Bewusstsein noch zusätzlich. Ausdrücklich wurde deswegen 1982 die
gemeinschaftliche Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit in der Weise
betont, jede Aggression gegen irgendein GCC-Mitglied als einen Angriff
gegen alle Mitglieder anzusehen369.
Jahre später zeigte die Besetzung des GCC-Mitglieds Kuwait durch den Irak
dem Golfkooperationsrat - im wahrsten Sinne des Wortes - seine Grenzen
auf und zerstörte den Traum von der kollektiven Selbstverteidigung.
366
Siehe Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in
arabischen Welt, S. 119.
367
Siehe Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in
arabischen Welt, S. 115.
368
Ähnlich Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in
arabischen Welt, S. 106.
369
Vgl. Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation in
arabischen Welt, S. 115.
145
der
der
der
der
Gnadenlos wurde den GCC-Staaten nun klargemacht, dass sie trotz
gewaltiger Waffenkäufe während des ersten Jahrzehnts des Bestehens des
Golfkooperationsrates nicht in der Lage waren, dem Irak, also auch nur
einem ihrer von Beginn an gefürchteten Nachbarn, ein militärisch
abschreckendes Potential entgegenzusetzen370. Die endgültige Abkehr von
der Doktrin der Selbstverteidigung vollzog der GCC im August 1990 mit dem
Einverständnis des saudischen Königs Fahd, amerikanische Truppen in sein
Land zu lassen, um es vor dem Irak zu schützen.
Allerdings hatte das Prinzip der Selbstverteidigung bereits vorher schon
Risse bekommen. Als der Iran 1986 immer mehr Öltanker im Golf angriff,
suchte Kuwait Schutz bei den USA und der Sowjetunion.
Kuwait konnte sich damals an beide Großmächte wenden, da es sich durch
seine betont neutrale Außenpolitik im Ost-West-Konflikt das Wohlwollen
beider Staaten erworben hatte und der einzige GCC-Staat war, der
überhaupt diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion unterhielt371. Für die
USA war Kuwait dagegen ein ganz wichtiger Öllieferant, so dass sie den
Kuwaitis gerne erlaubten, ihre Öltanker unter amerikanischer Flagge fahren
zu lassen. Von der Sowjetunion durften die Kuwaitis drei sowjetische
Öltanker chartern372, die die Iraker nicht wagten, anzugreifen.
13.1.3. Die neue Sicherheitsdoktrin des GCC
Als der Irak Kuwait überfiel und die Amerikaner Kriegsschiffe in den Golf
sandten, schmolz der Widerstand der GCC-Staaten gegen fremde Hilfe. Von
Anfang an widersetzte sich der Golfrat einer Lösung, die nur arabische
Staaten betraf, sondern setzte auf den UN-Sicherheitsrat373. Für die antiirakische Koalition leisteten die GCC-Mitglieder organisatorische und
finanzielle Hilfe und sandten auch selbst einige Truppenkontingente.
Somit verkehrte sich die ursprüngliche Sicherheitsdoktrin des GCC
allmählich ins Gegenteil. Wollten die Golfstaaten anfänglich gerade
verhindern, dass ihre Ölvorkommen die Großmächte auf den Plan rufen und
sich in die inneren Angelegenheiten der Emirate einmischen könnten, so ist
370
Vgl. Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation
arabischen Welt, S. 116.
371
Dazu Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation
arabischen Welt, S. 116.
372
Vgl. Kistenfeger, Hartmut. Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation
arabischen Welt, S. 116
373
Vgl. Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation
arabischen Welt, S. 118.
in der
in der
in der
in der
146
der Ölreichtum nun die Sicherheitsgarantie der Staaten374. Da der zweite
Golfkrieg gezeigt hat, dass nur militärische Stärke oder starke
Bündnispartner den Bestand des eigenen Landes wirklich sichern können,
schloss Kuwait nach dem Ende der Golfkrise ein umfangreiches
Militärabkommen mit den USA, ließ Bahrain für die US-Armee ein
Hauptquartier einrichten und schlossen die GCC-Staaten mit Großbritannien
und Frankreich weitere Abkommen375.
13.2. Inhalt des Kooperationsvertrages
Formal ähnelt der Vertrag über den Golfkooperationsrat anderen
Regionalverträgen. Das erste und wichtigste Organ des Golfkooperationsrates ist der Oberste Rat, der sich aus den Staatschefs der sechs Staaten
zusammensetzt, deren Präsidenten im Rotationsverfahren wechseln und der
einmal im Jahr zusammentritt. Beschlussfähig ist der Rat, wenn mindestens
zwei Drittel der Mitglieder anwesend sind, wobei das Konsensprinzip, also
Einstimmigkeit, gilt376. Der Ministerrat erarbeitet Vorschläge für den
Obersten Rat und legt ihm diese vor. Seine Hauptaufgabe liegt darin, in
Zusammenarbeit mit den einzelnen Fachministerien der Mitgliedsstaaten die
Vertiefung der Kooperation zu begleiten.
Das Generalsekretariat in Riad, dessen Generalsekretär vom Obersten Rat
jeweils auf drei Jahre ernannt wird, soll Pläne zur Koordination und
Integration auf allen Gebieten erarbeiten, wobei es vorwiegend auf Weisung
des Obersten Rates und des Ministerrates handelt. Der Stab des
Generalsekretariats soll dabei seine Aufgaben unabhängig von nationalen
Weisungen und Erwägungen durchführen377. Ferner gibt es eine
Schlichtungskommission, die bei Streitigkeiten von Mitgliedsstaaten über die
Auslegung der Charta zusammentritt. Sie erarbeitet einen Lösungsvorschlag
und legt ihn dem Obersten Rat vor378.
Eine Besonderheit der GCC-Charta im Vergleich zu anderen vergleichbaren
Regionalisierungsverträgen besteht darin, dass eine Erweiterung der
374
So auch Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in der
arabischen Welt, S. 118.
375
Siehe dazu Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in
der arabischen Welt, S. 121.
376
Vgl. Ursula Braun: Der Kooperationsrat arabischer Staaten am Golf: Eine neue Kraft?
Regionale Integration als Stabilitätsfaktor, S. 35 f.
377
Vgl. Braun, Ursula: Der Kooperationsrat arabischer Staaten am Golf: Eine neue Kraft?
Regionale Integration als Stabilitätsfaktor, S. 36 f.
378
Vgl. Braun, Ursula: Der Kooperationsrat arabischer Staaten am Golf. Eine neue Kraft?
Regionale Integration als Stabilitätsfaktor, S. 38.
147
Organisation durch andere Staaten nicht vorgesehen ist, es sei denn, die
Charta wird durch Beschluss des Obersten Rates geändert379.
Dieser Vertrag betont damit in besonderer Weise den regionalen
(begrenzten) Charakter dieser Kooperation. Dennoch hat es immer wieder
Versuche und Überlegungen gegeben, andere Staaten einzubeziehen. Irak,
Nord- bzw. Südjemen und Jordanien waren zum Beispiel als Kandidaten im
Gespräch, doch haben sich die Verhandlungen über eine Aufnahme jeweils
zerschlagen.
13.3. Die innenpolitische Situation des
Golfkooperationsrats
Nach außen hin gelang es dem Golfkooperationsrat auch bei schwierigen
Prüfungen wie den beiden Golfkriegen weitgehend, gemeinsam zu handeln
und ihre Existenzgrundlage, die Ölvorkommen der Golfregion, zu schützen.
Innenpolitisch hat der GCC jedoch auch mit erheblichen Problemen zu
kämpfen.
13.3.1. Konflikte zwischen den GCC-Mitgliedern
Auch wenn sich der Golfkooperationsrat allmählich zu einer Gemeinschaft
entwickelte, so gelang es im ersten Jahrzehnt seines Bestehens doch nicht
ganz, eine Atmosphäre aus Stabilität, Vertrauen und Sicherheit unter den
GCC-Mitgliedern zu schaffen, was sich beispielsweise aus dem Umstand
ersehen lässt, dass in den Vorkriegstagen vom Juli 1990 in Kuwait kaum
geringeres Misstrauen gegenüber Saudi-Arabien herrschte als gegenüber
dem Irak. Erst nach dem zweiten Golfkrieg soll sich zwischen den beiden
Ländern ein besseres Verhältnis entwickelt haben380. Hauptgrund für die
Konflikte beider Staaten ist die unklare Grenzziehung.
379
Vgl. Braun, Ursula: Der Kooperationsrat arabischer Staaten am Golf: Eine neue Kraft?,
Regionale Integration als Stabilisierungsfaktor, S. 47.
380
Siehe dazu Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat: Regionale Kooperation in
der arabischen Welt, S. 133.
148
13.3.1.1. Katar und Saudi-Arabien
Allgemein sind Grenzkonflikte das größte Problem unter den GCC-Staaten
und stellen daher das Hauptrisiko für den Bestand des Regionalverbundes
dar. Zu den gefährlichsten Grenzkonflikten gehörte dabei der Streit zwischen
Katar und Saudi-Arabien. Katar kündigte am 1. Oktober 1992 den
Grenzvertrag mit Saudi-Arabien von 1965, nachdem es im Grenzgebiet
beider Staaten zu einer Schießerei gekommen war. Katar warf SaudiArabien vor, den Grenzposten Khafus angegriffen zu haben. Saudi-Arabien
wiederum entgegnete, dieser Grenzposten sei zur Irritierung der
Öffentlichkeit während des zweiten Golfkrieges 14 Kilometer tief in
saudischem Gebiet aufgestellt worden und nach dem Ort Khafus in Katar
benannt worden. Es habe sich bei dem Schusswechsel lediglich um eine
Auseinandersetzung unter Beduinen gehandelt381.
13.3.1.2. Bahrain und Katar
Ebenfalls schwer belastend für den GCC ist der ewige Konflikt zwischen den
Emiraten Bahrain und Katar. Eigentlich ist es ein Streit zwischen den
Herrscherfamilien Al-Thani und Al-Khalifa, die sich beide ursprünglich im 18.
Jahrhundert auf der katarischen Halbinsel niederließen, sich dann aber
zerstritten. Die Al-Khalifa mussten sich nach Bahrain zurückziehen, sehen
aber heute noch Katar als ihr Gebiet an382.
Die Auseinandersetzung zwischen beiden Staaten steigerte sich, als
Bahrain für Erdölbohrungen die Hawar-Inseln und das Korallenriff Fascht adDibal beanspruchte, die ganz nahe bei Katar liegen. Unterstützung erhielt
Bahrain von der damaligen britischen Schutzmacht und nach deren Abzug
vom neuen Vermittler Saudi-Arabien, doch Katar gab sich mit diesem
Ergebnis nicht zufrieden, und so war es nur eine Frage der Zeit, wann es zu
militärischer Gewalt zwischen den Staaten kommen würde.
1938 war es dann so weit, als Bahrain auf dem Korallenriff eine Bohrinsel
errichten wollte. Kampfhubschrauber aus Katar griffen das Korallenriff an
und nahmen die dortigen Arbeiter vorübergehend fest, woraufhin Bahrain
seine Streitkräfte auf den Hawar-Inseln verstärkte. Saudi-Arabien konnte bei
dieser Eskalation noch erfolgreich vermitteln, doch ist der Konflikt immer
noch ungelöst und flackert immer wieder auf, zuletzt 1991 als ein
381
Näheres zu dem Konflikt bei Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat:
Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 135f.
382
Einzelheiten zu dem Familienstreit bei Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat:
Regionale Kooperation in der arabischen Welt, S. 136.
149
bewaffnetes katarisches Schnellboot in bahrainisches Gebiet fuhr383. Nach
wie vor stehen sich auch die beiden Herrscherfamilien nahezu unversöhnlich
gegenüber. Für die Regionalisierung der Golfregion ist der seit über hundert
Jahren bestehende Streit zwischen Katar und Bahrain ein ständiger,
schwieriger Begleiter. Besonders problematisch gerade auch für den
Verbund des Golfkooperationsrates ist dabei die Tatsache, dass beide
Seiten nicht einmal diplomatische Beziehungen miteinander unterhalten384.
Trotzdem gibt es derzeit keine Anzeichen dafür, dass der Golfkooperationsrat an der katarisch-bahrainischen Fehde oder anderen
bestehenden Differenzen insgesamt scheitern könnte. Gerade die letzten
zwanzig Jahre mit zwei Golfkriegen, dem Ende des Ost-West-Konflikts
sowie der Globalisierung der Weltwirtschaft haben den Staaten der
Golfregion gezeigt, wie wichtig der Zusammenhalt der Ölscheichtümer
geworden ist.
13.3.2. Das Verhältnis zu Israel
Ein Sonderproblem ist das Verhältnis der GCC-Staaten zu Israel. Die GCCStaaten sind allesamt Gegner Israels. Israel ist jedoch nach wie vor der
wichtigste Verbündete der USA im Nahen Osten. Zwar hat sich das
Verhältnis einiger Staaten zu Israel leicht gebessert, doch schwächt die
Fixierung der GCC-Staaten auf den Schutz durch die USA ihre
Verhandlungsposition im Nahost-Konflikt. Im Zweifel ist nach den bisherigen
Erfahrungen des GCC mit den arabischen "Brüdern" davon auszugehen,
dass er sich in kritischen Situationen auf die Seite der USA stellen wird, so
wie er es auch während der Kuwait-Krise getan hat.
13.4. Schlussbemerkungen
Der Golfkooperationsrat gibt ein Beispiel, dass auch schwerwiegende, sehr
alte Fehden einem regionalen Zusammenschluss nicht den Erfolg
verwehren können. Letztlich überwiegen die sich für alle Mitglieder aus der
Kooperation ergebenden Vorteile, hier vor allem die gemeinsame Förderung
des Ölreichtums und die gemeinsame Konfliktbewältigung bei äußeren und
inneren Streitigkeiten. Hier ist auch besonders deutlich erkennbar, wie sich
383
Dazu Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation in der
arabischen Welt, S. 137 .
384
Vgl. Kistenfeger, Hartmut: Maghreb-Union und Golfrat. Regionale Kooperation in der
arabischen Welt, S. 137.
150
bei den regionalen Zusammenschlüssen wirtschaftliche und politische
Erfolge gegenseitig bedingen.
Der Erfolg des Golfkooperationsrates lässt sich aktuell am besten damit
belegen, dass in der Neujahrsnacht 2000/2001 die Meldung veröffentlicht
wurde, dass die GCC-Staaten zum ersten Mal in der Geschichte dieser
Region einen Verteidigungspakt mit einer gemeinsamen Eingreiftruppe
beschlossen haben. An eine baldige Auflösung des Golfkooperationsrats ist
daher nicht zu denken.
151
Schlusswort
Regionalisierungs- und Integrationsversuche haben auf jedem Kontinent ihre
spezifische Geschichte. Die Schwierigkeiten und Erfolgsfaktoren sind oft ein
Spiegelbild der jeweiligen Region. Daher verläuft die Integration auch sehr
unterschiedlich. In einigen Fällen wird insbesondere Wert auf wirtschaftliche
Integration gelegt, in anderen steht die politische Integration im Vordergrund.
Was die wirtschaftliche Integration angeht, ist weiterhin anzumerken, dass
sich auch die Weltwirtschaft in einem starken Konzentrationsprozess
befindet, so wie sich im Augenblick abzeichnet, dass sich der amerikanische
Kontinent zusammenschließt und die Welt bald aus drei riesigen
kontinentalen Wirtschaftsblöcken bestehen wird.
152
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161
Anlage 11
Treaty of the
Southern African
Development
Community
Treaty adopted at the
SADC Summit, Windhoek, Namibia,
August 1992
162
Preamble
We, the Heads of State or Government of:
The People's Republic of Angola
The Republic of Botswana
The Kingdom of Lesotho
The Republic of Malawi
The Republic of Mozambique
The Republic of Namibia
The Kingdom of Swaziland
The United Republic of Tanzania
The Republic of Zambia
The Republic of Zimbabwe
HAVING REGARD to the objectives set forth in "Southern Africa Toward
Economic Liberation - A Declaration by the Governments of independent
States of Southern Africa, made at Lusaka, on the 1st April, 1980";
IN PURSUANCE of the principles of "Towards a Southern African
Development Community - A Declaration made by the Heads of State or
Government of Southern Africa at Windhoek, in August, 1992," which
affirms our commitment to establish a Development Community in the
Region;
DETERMINED to ensure, through common action, the progress
well-being of the peoples of Southern Africa;
and
CONVINCED of the need to mobilise our own and international resources to
promote the implementation of national, interstate and regional policies,
programmes and projects within framework for economic integration;
DEDICATED to secure, by concerted action, international understanding,
support and cooperation;
MINDFUL of the need to involve the peoples of the Region centrally in the
process of development and integration, particularly through the guarantee
of democratic rights, observance of human rights and the rule of law;
RECOGNISING that, in an increasingly interdependent world, mutual
understanding, good neighbourliness, and meaningful cooperation among
the countries of the Region are indispensable to the realisation of these
ideas;
163
TAKING INTO ACCOUNT the Lagos Plan of Action and the Final Act of
Lagos of April 1980, and the Treaty establishing the African Economic
Community signed at Abuja, on the 3rd of June, 1991;
BEARING IN MIND the principles of international law governing relations
between States;
HAVE DECIDED TO ESTABLISH AN INTERNATIONAL ORGANISATION
TO BE KNOWN AS THE SOUTHERN AFRICAN DEVELOPMENT
COMMUNITY (SADC), AND HEREBY AGREE AS FOLLOWS:
Chapter 1
Article 1: Definitions
In this Treaty, unless the context otherwise requires:
1. "Treaty" means this Treaty establishing SADC;
2. "Protocol" means an instrument of implementation of this Treaty, having
the same legal force as this Treaty;
3.
"Community" means the organisation
established by Article 2 of this Treaty;
for
economic
integration
4. "Region" means the geographical area of the Member States of SADC;
5. „Summit“ means the Summit of the Heads of State or Government of
SADC established by Article 9 of this Treaty;
6. "High Contracting Parties” means States, herein represented by Heads of
State or Government or their duly authorised representatives for
purposes of the establishment of the Community;
8. "Council" means the Council of Ministers of SADC established by Article
9 of this Treaty;
9. "Secretariat" means the Secretariat of SADC established by Article 9 of
this Treaty;
164
10. „Executive Secretary“ means the chief executive officer of SADC
appointed under Article 10 (7) of this Treaty;
11. "Commission" means a commission of SADC established by Article 9 of
this Treaty;
12. “Tribunal" means the tribunal of the Community established by Article 9
of this Treaty;
13. "Sectoral Committee" means a committee referred to in Article 38 of this
Treaty;
14. "Sector Coordinating Unit" means a unit referred to in Article 38 of this
Treaty;
15. “Standing Committee” means the Standing Committee of Officials
established by Article 9 of this Treaty;
16. "Fund" means resources available at any given time for application to
programmes, projects and activities of SADC as provided by Article 26
of this Treaty.
Chapter Two
Establishment and Legal Status
Article 2: Establishment
1. By this Treaty, the High Contracting Parties establish the Southern
African Development Community (hereinafter referred to as SADC).
2. The Headquaters of SADC shall be at Gabarone, Republic of Botswana.
Article 3
1. SADC shall be an international organisation, and shall have legal
personality with capacity and power to enter into contract, acquire, own
or dispose of moveable or immovable property and to sue and be sued.
165
2. In the territory of each Member State, SADC shall, pursuant to
paragraph 1 of this Article, have such legal capacity as is necessary for
the proper exercise of its functions.
Chapter Three
Principles, Objectives and General Undertakings
Article 4: Principles
SADC and its Member States shall act in accordance with the
following principles:
(a) sovereign equality of all Member States;
(b) solidarity, peace and security;
(c) human rights, democracy, and the rule of law;
(d) equity, balance and mutual benefit;
(e) peaceful settlement of disputes.
Article 5: Objectives
1. The objectives of SADC shall be to:
(a) achieve development and economic growth, alleviate poverty,
enhance the standard and quality of life of the peoples of Southern
Africa and support the socially disadvantaged through regional
integration;
(b) evolve common political values, systems and institutions;
(c) promote and defend peace and security;
(d) promote self-sustaining development on the basis of collective self
-reliance, and the interdependence of Member States;
(e) achieve complementarity between national and regional strategies
and programmes;
(f) promote and maximise productive employment and utilisation of
resources of the Region;
(g) achieve sustainable utilisation of natural resources and effective
protection of the environment;
166
(h) strengthen and consolidate the longstanding historical, social and
cultural affinities and links among the peoples of the Region.
2. In order to achieve the objectives set out in paragraph 1
of this Article, SADC shall:
(a) harmonise political and socio-economic policies and plans of Member
States;
(b) encourage the peoples of the Region and their institutions to take
initiatives to develop economic, social and cultural ties across the
Region, and to participate fully in the implementation of the
programmes and projects of SADC;
(c) create appropriate institutions and mechanisms for the mobilisation of
requisite resources for the implementation of programs and
operations of SADC and its Institutions;
(d) develop policies aimed at the progressive elimination of obstacles to
the free movement of capital and labour, goods and services, and of
the peoples of the Region generally, among Member States;
(e) promote the development of human resources;
(f) promote the development, transfer and mastery of technology;
(g) improve economic management and performance through regional
cooperation;
(h) promote the coordination and harmonisation of the international
relations of Member States-,
(i) secure international understanding, cooperation and support, and
mobilise the inflow of public and private resources into the Region;
(j) develop such other activities as Member States may decide in
furtherance of the objectives of this Treaty.
Article 6: General Undertakings
1. Member States undertake to adopt adequate measures to promote the
achievement of the objectives of SADC, and shall refrain from taking
any measure likely to jeopardise the sustenance of its principles, the
achievement of its objectives and the implementation of the provisions
of this Treaty.
2. SADC and Member States shall not discriminate against any person on
grounds of gender, religion, political views, race, ethnic origin, culture or
disability.
3. SADC shall not discriminate against any Member State.
167
4. Member States shall take all steps necessary to ensure the uniform
application of this Treaty.
5. Member States shall take all necessary steps to accord this Treaty the
force of national law.
6. Member States shall cooperate with and assist institutions of SADC in
the performance of their duties.
Chapter Four
Membership
Article 7: Membership
States listed in the Preamble hereto shall, upon signature and ratification of
this Treaty, be members of SADC.
Article 8: Admission of New Members
1. Any state not listed in the Preamble to this Treaty may become a
member of SADC upon being admitted by the existing members and
acceding to this Treaty.
2. The admission of any such state to membership of SADC
effected by a unanimous decision of the Summit.
shall
be
3. The Summit shall determine the procedures for the admission of new
members and for accession to this Treaty by such members.
4. Membership of SADC shall not be subject to any reservations.
168
Chapter Five
Institutions
Article 9: Establishment of Institutions
1. The following Institutions are hereby established:
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
The Summit of Heads of State or Government;
The Council of Ministers;
Commissions,
The Standing Committee of Officials;
The Secretariat; and
The Tribunal.
2. Other institutions may be established as necessary.
Article 10: The Summit
1. The Summit shall consist of the Heads of State or Government of all
Member States, and shall be the supreme policy-making institution of
SADC.
2. The Summit shall be responsible for the overall policy direction and
control of the functions of SADC.
3.
The Summit shall adopt legal instruments for the implementation of the
provisions of this Treaty; provided that the Summit may delegate this
authority to the Council or any other institution of SADC as the Summit
may deem appropriate.
4. The Summit shall elect a Chairman and a Vice-Chairman of SADC from
among its members for an agreed period, on the basis of rotation.
5. The Summit shall meet at least once a year.
6. The Summit shall decide on the creation of Commissions, other
institutions, committees and organs as the need arises.
169
7. The Summit shall appoint the Executive Secretary and the Deputy
Executive Secretary, on the recommendation of Council.
8. Unless otherwise provided in this Treaty, the decisions of
shall be by consensus and shall be binding.
the Summit
Article 11: The Council
1. The Council shall consist of one Minister from each Member State,
preferably a Minister responsible for economic planning or finance.
2. It shall be the responsibility of the Council to:
(a) oversee the functioning and development of SADC;
(b) oversee the implementation of the policies of SADC and the proper
execution of its programmes;
(c) advise the Summit on matters of overall policy and efficient and
harmonious functioning and development of SADC;
(d) approve policies, strategies and work programmes of SADC;
(e) direct, coordinate and supervise the operations of the institutions of
SADC subordinate to it;
(f) define sectoral areas of cooperation and allocate to Member States
responsibility for coordinating sectoral activities, or reallocate such
responsibilities;
(g) create its own committees as necessary;
(h) recommend to the Summit persons for appointment to the posts of
Executive Secretary and Deputy Executive Secretary;
(i) determine the Terms and Conditions of Service of the staff of the
institutions of SADC;
(j) convene conferences and other meetings as appropriate, for
purposes of promoting the objectives and programmes of SADC;
and
(k) perform such other duties as maybe assigned to it by the Summit or
this Treaty.
3. The Chairman and Vice-Chairman of the Council shall be appointed by
the Member States holding the Chairmanship and the
Vice-Chairmanship of SADC respectively.
4. The Council shall meet at least once a year.
5.
The Council shall report and be responsible to the Summit,
6. Decisions of the Council shall be by consensus.
170
Article 12: Commissions
1. Commissions shall be constituted to guide and coordinate cooperation
and integration policies and programmes in designated sectional areas.
2. The composition, powers, functions, procedures and other matters
related to each Commission shall be prescribed by an appropriate
protocol approved by the Summit
3.
The Commissions shall work closely with the Secretariat.
4.
Commissions shall be responsible and report to the Council.
Article 13: The Standing Committee of Officials
1. The Standing Committee shall consist of one permanent secretary or an
official of equivalent rank from each Member State, preferably from a
ministry responsible for economic planning or finance.
2. The Standing Committee shall be a technical advisory committee to the
Council.
3. The Standing Committee shall be responsible and report to the Council.
4. The Chairman and Vice-Chairman of the Standing Committee shall be
appointed from the Member States holding the Chairmanship and the
Vice-Chairmanship, respectively, of the Council.
5. The Standing Committee shall meet at least once a year.
6. Decisions Oft the Standing Committee shall be by consensus.
Article 14: The Secretariat
1. The Secretariat shall be the principle executive institution of SADC, and
shall be responsible for:
(a) strategic planning and management of the programmes of SADC;
(b) implementation of decisions of the Summit and of the Council;
(c) organisation and management of SADC meetings;
171
(d) financial and general administration;
(e) representation and promotion of SADC; and
(f) coordination and harmonisation of the policies and strategies of
Member States.
2. The Secretariat shall be headed by the Executive Secretary.
3. The Secretariat shall have such other staff as may be determined by the
Council from time to time.
Article 15: The Executive Secretary
1. The Executive Secretary shall be responsible to the Council for the
following:
(a) consultation and coordination with the Governments and other
institutions of Member States;
(b) pursuant to the direction of Council or Summit, or on his/ her own
initiative, undertaking measures aimed at promoting the objectives
of SADC and enhancing its performance;
(c) promotion of cooperation with other organisations for the
furtherance of the objectives of SADC;
(d) organising and servicing meetings of the Summit, the Council, the
Standing Committee and any other meetings convened on the
direction of the Summit or the Council;
(e) custodianship of the property of SADC;
(f) appointment of the staff of the Secretariat, in accordance with
procedures, and under Terms and Conditions of Service determined
by the Council;
(g) administration and finances of the Secretariat;
(h) preparation of Annual Reports on the activities of SADC and its
institutions;
(i) preparation of the Budget and Audited Accounts of SADC for
submission to the Council;
(j) diplomatic and other representations of SADC;
(k) public relations and promotion of SADC;
(l) such other functions as may, from time to time, be determined by
the Summit and Council.
3. The Executive Secretary shall liaise closely with Commissions, and other
institutions, guide, support and monitor the performance of SADC in the
various sectors to ensure conformity and harmony with agreed policies,
strategies, programmes and projects.
172
4. The Executive Secretary shall be appointed for four years, and be eligible
for appointment for another period not exeding four years.
Article 16: The Tribunal
1. The Tribunal shall be constituted to ensure adherence to and the proper
interpretation of the provisions of this Treaty and subsidiary instruments
and to adjudicate upon such disputes as may be referred to it.
2. The composition, powers, functions, procedures and other related
matters governing the Tribunal shall be prescribed in a Protocol
adopted by the Summit.
3.
Members of the Tribunal shall be appointed for a specified period.
4. The Tribunal shall give advisory opinions on such matters as the
Summit or the Council may refer to it.
5. The decisions of the Tribunal shall be final and binding.
Article 17: Specific Undertakings
1. Member States shall respect the international character and
responsibilities of SADC, the Executive Secretary and other staff of
SADC, and shall not seek to influence them in the discharge of their
functions.
2. In the performance of their duties, the members of the Tribunal, the
Executive Secretary and the other staff of SADC shall be committed to
the international character of SADC, and shall not seek or receive
instructions from any Member States, or from any authority external to
SADC. They shall refrain from any action incompatible with their
positions as international staff responsible only to SADC.
173
Chapter Six
Meetings
Article 18: Quorum
The quorum for all meetings of the Institutions of SADC shall be two-thirds
of its Members.
Article 19: Decisions
Except as otherwise provided in this Treaty, decisions of the Institutions of
SADC shall be taken by consensus.
Article 20: Procedure
Except as otherwise provided in this Treaty, the Institutions of SADC shall
determine their own rules of procedure.
Chapter Seven
Cooperation
Article 21: Areas of Cooperation
1. Member States shall cooperate in all areas necessary to foster regional
development and integration on the basis of balance, equity, and mutual
benefit.
174
2. Member States shall, through appropriate institutions of SADC,
coordinate, rationalise, and harmonise their overall macro-economic
and sectoral policies and strategies, programmes and projects in the
areas of cooperation.
3. In accordance with the provisions of this Treaty, Member States
to co-operate in the areas of:
agree
(a) food security, land and agriculture;
(b) infrastructure and services;
(c) industry, trade, investment and finance;
(d) human resources development, science and technology,
(e) natural resources and environment;
(f) social welfare, information and culture; and
(g) politics, diplomacy, international relations, peace and security.
4. Additional areas of cooperation may be decided upon by the Council.
Article 22: Protocols
1. Member States shall conclude such Protocols as may be necessary in
each area of cooperation, which shall spell out the objectives and scope
of, and institutional mechanisms for, cooperation and integration.
2. Each Protocol shall be approved by the summit on the recommendation
of the Council, and shall thereafter become an integral part of this
Treaty.
3. Each Protocol shall be subject to signature and ratification by the parties
thereto.
Article 23: Non-Governmental Organisations
1. In pursuance of the objectives of this Treaty, SADC shall seek to involve
fully, the peoples of the Region and nongovernmental organisations in
the process of regional integration.
2. SADC shall cooperate with, and support, the initiatives of the peoples of
the Region and non-governmental organisations, contributing to the
objectives of this Treaty in the areas of cooperation in order to foster
175
closer relations among the communities, associations and peoples of
the Region.
Chapter Eight
Relations with Other States, Regional and International
Organisations
Article 24
1 . Subject to the provisions of Article 6(1), Member States and SADC shall
maintain good working relations and other forms of cooperation, and
may enter into agreements with other states, regional and international
organisations, whose objectives are compatible with the objectives of
SADC and the provisions of this Treaty.
2. Conferences and other meetings may be held between Member States
and other Governments and organisations associated with the
development efforts of SADC to review policies and strategies and
evaluate the performance of SADC in the implementation of its
programmes and projects, identify and agree on future plans of
cooperation.
Chapter Nine
Resources, Funds and Assets
Article 25: Resources
1. SADC shall be responsible for the mobilisation of its own and other
resources required for the implementation of its programmes and
projects.
176
2. SADC shall create such institutions as may be necessary for the
effective mobilisation and efficient application of resources for regional
development.
3.
Resources acquired by SADC by way of contributions, loans, grants or
gifts, shall be the property of SADC.
4. The resources of SADC maybe made available to Member States in
pursuance of the objectives of this Treaty, on terms and conditions
mutually agreed between SADC and the Member States involved.
5. Resources of SADC shall be utilised in the most efficient and equitable
manner.
Article 26: Fund
The Fund of SADC shall consist of contributions of Member States, income
from SADC enterprises and receipts from regional and non-regional
sources.
Article 27: Assets
1. Property, both movable and immovable, acquired by or on behalf of
SADC shall constitute the assets of SADC, irrespective of their location.
2. Property acquired by Member States, under the auspices of SADC,
shall belong to the Member States concerned, subject to provisions of
paragraph 3 of this Article, and Articles 25 and 34 of this Treaty.
3. Assets acquired by Member States under the auspices of SADC shall
be accessible to all Member States on an equitable basis.
177
Chapter Ten
Financial Provisions
Article 28: The Budget
1. The budget of SADC shall be funded by contributions made by Member
States, and such other sources as may be determined by the Council.
2. Member States shall contribute to the budget of SADC in proportions
agreed upon by the Council.
3. The Executive Secretary shall cause to be prepared, estimates of
revenue and expenditure for the Secretariat and Commissions, and
submit them to the Council, not less than three months before the
beginning of the financial year.
4. The Council shall approve the estimates of revenue and expenditure
before the beginning of the financial year.
5. The financial year of SADC shall be determined by the Council.
Article 29: External Audit
1. The Council shall appoint external auditors and shall fix their fees and
remuneration at the beginning of each financial year.
2. The Executive Secretary shall cause to be prepared and audited annual
statements of accounts for the Secretariat and Commissions, and
submit them to the Council for approval.
178
Article 30: Financial Regulations
The Executive Secretary shall prepare and submit to the Council for
approval financial regulations, standing orders and rules for the
management of the affairs of SADC.
Chapter Eleven
Immunities and Privileges
Article 31
1. SADC, its Institutions and staff shall, in the territory of each Member
State, have such immunities and privileges as are necessary for the
proper performance of their functions under this Treaty, and which shall
be similar to those accorded to comparable international organisations.
2. The immunities and privileges conferred by this Article shall be
prescribed in a Protocol.
Chapter Twelve
Settlement of Disputes
Article 32
Any dispute arising from the interpretation or application of this Treaty,
which cannot be settled amicably, shall be referred to the Tribunal.
179
Chapter Thirteen
Sanctions, Withdrawal and Dissolution
Article 33: Sanctions
1. Sanctions may be imposed against any Member State that:
(a) persistently fails, without good reason, to fulfil obligations assumed
under this Treaty;
(b) implements policies which undermine the principles and objectives
of SADC; or
(c) is in arrears for more than one year in the payment of contributions
to SADC, for reasons other than those caused by natural calamity or
exceptional circumstances that gravely affect its economy, and has
not secured the dispensation of the Summit.
2. The sanctions shall be determined by the Summit on a case-by-case
basis.
Article 34: Withdrawal
1. A Member State wishing to withdraw from SADC shall serve notice of its
intention in writing, a year in advance, to the Chairman of SADC, who
shall inform other Member States accordingly.
2. At the expiration of the period of notice, the Member State shall, unless
the notice is withdrawn, cease to be a member of SADC.
3. During the one year period of notice referred to in paragraph 1 of this
Article, the Member State wishing to extent that it is not inconsistent with
the provisions of this Treaty, continue to subsist, operate or bind
Member States or SADC as if it were established or undertaken under
this Treaty, until the Council or Summit determines otherwise withdraw
from SADC shall comply with the provisions of this Treaty, and shall
continue to be bound by its obligations.
4. A Member State which has withdrawn shall not be entitled to claim any
property or rights until the dissolution of SADC.
180
5. Assets of SADC situated in the territory of a Member State which has
withdrawn, shall continue to be the property of SADC and be available
for its use.
6. The obligations assumed by Member States under this Treaty shall, to
the extent necessary to fulfil such obligations, survive the termination of
membership by any State.
Article 35: Dissolution
1. The Summit may decide by a resolution supported by three quarters of
all members to dissolve SADC or any of its Institutions, and determine
the terms and conditions of dealing with its liabilities and disposal of its
assets.
2. A proposal for the dissolution of SADC may be made to the Council by
any Member State, for preliminary consideration, provided, however,
that such a proposal shall not be submitted for the decision of the
Summit until all Member States have been duly notified of it and a period
of twelve months has elapsed after the submission to the Council.
Chapter Fourteen
Amendment of the Treaty
Article 36
1. An amendment of this Treaty shall be adopted by a decision of three
quarters of all the Members of the Summit
2. A proposal for the amendment of this Treaty may be made to the
Executive Secretary by any Member State for preliminary consideration
by the Council, provided, however, that the proposed amendment shall
not be submitted to the Council for preliminary consideration until all
Member States have been duly notified of it, and a period of three
months has elapsed after such notification.
181
Chapter Fifteen
Language
Article 37
The working languages of the SADC shall be English and Portuguese, and
such other languages as the Council may determine.
Chapter Sixteen
Saving Provisions
Article 38
A Sectoral Committee, Sector Coordinating Unit or any other institution,
obligation or arrangement of the Southern African Development
Coordination Conference which exists immediately before the coming into
force of this Treaty, shall to the
Chapter Seventeen
Signature, Ratification, Entry into Force, Accession, and
Depositary
Article 39: Signature
This Treaty shall be signed by the High Contracting Parties.
182
Article 40: Ratification
This Treaty shall be ratified by the signatory States in accordance with their
constitutional procedures.
Article 41: Entry into Force
This Treaty shall enter into force thirty (30) days after the deposit of the
instruments of ratification by two thirds of the States listed in the Preamble.
Article 42: Accession
This Treaty shall remain open for accession by any State subject to Article 8
of this Treaty.
Article 43: Depositary
1. The original texts of this Treaty and protocols And all instruments of
ratification and accession shall, be deposited with the Executive
Secretary of SADC, who shall transmit certified copies to all Member
States.
2. The Executive Secretary shall register this Treaty with the Secretaries of
the United Nations Organisation and the Organisation of African Unity.
183
Chapter Eighteen
Termination of the Memorandum of Understanding
Article 44
This Treaty replaces the Memorandum of Understanding on the Institutions
of the Southern African Development Coordination Conference dated 20th
July 1981.
IN WITNESS WHEREOF, WE, the Heads of State or Government have
signed this Treaty.
DONE AT WINDHOEK, on this day of August, 1992, in two (2) original texts
in the English and Portugese languages, both texts being equally authentic.
Signed:
People's Republic of Angola
Republic of Botswana
Kingdom of Lesotho
Republic of Malawi
Republic of Mozambique
Republic of Namibia
Kingdom of Swaziland
United Republic of Tanzania
Republic of Zambia
Republic of Zimbabwe
Remark
1) Kopie des Exemplars der Bibliothek des Instituts für Afrika-Kunde, Hamburg.
184
Anlage 21
The ASEAN Declaration
(Bangkok Declaration)
185
The ASEAN Declaration
(Bangkok Declaration)
Thailand, 8 August 1967
The Presidium Minister for Political Affairs/ Minister for Foreign Affairs of
Indonesia, the Deputy Prime Minister of Malaysia, the Secretary of Foreign
Affairs of the Philippines, the Minister for Foreign Affairs of Singapore and
the Minister of Foreign Affairs of Thailand:
MINDFUL of the existence of mutual interests and common problems
among countries of South East Asia and convinced of the need to
strengthen further the existing bonds of regional solidarity and cooperation;
DESIRING to establish a firm foundation for common action to promote
regional cooperation in South-East Asia in the spirit of equality and
partnership and thereby contribute towards peace, progress and prosperity
in the region;
CONSCIOUS that in an increasingly interdependent world, the cherished
ideals of peace, freedom, social justice and economic well-being are best
attained by fostering good understanding, good neighbourliness and
meaningful cooperation among the countries of the region already bound
together by ties of history and culture;
CONSIDERING that the countries of South-East Asia share a primary
responsibility for strengthening the economic and social stability of the
region and ensuring their peaceful and progressive national development,
and that they are determined to ensure their stability and security from
external interference in any form or manifestation in order to preserve their
national identities in accordance with the ideals and aspirations of their
peoples;
AFFIRMING that all foreign bases are temporary and remain only with the
expressed concurrence of the countries concerned and are not intended to
be used directly or indirectly to subvert the national independence and
freedom of States in the area or prejudice the orderly processes of their
national development;
DO HEREBY DECLARE:
FIRST, the establishment of an Association for Regional Cooperation among
the countries of South-East Asia to be known as the Association of
South-East Asian Nations (ASEAN).
186
SECOND, that the aims and purposes of the Association shall be:
1. To accelerate the economic growth, social progress and cultural
development in the region through joint endeavours in the spirit of
equality and partnership in order to strengthen the foundation for a
prosperous and peaceful community of South-East Asian Nations;
2. To promote regional peace and stability through abiding respect for justice
and the rule of law in the relationship among countries of the region and
adherence to the principles of the United Nations Charter;
3. To promote active collaboration and mutual assistance on matters of
common interest in the economic, social, cultural, technical, scientific
and administrative fields;
4. To provide assistance to each other in the form of training and research
facilities in the educational, professional, technical and administrative
spheres;
5. To collaborate more effectively for the greater utilization of their
agriculture and industries, the expansion of their trade, including the
study of the problems of international commodity trade, the improvement
of their transportation and communications facilities and the raising of
the living standards of their peoples;
6. To promote South-East Asian studies;
7. To maintain close and beneficial cooperation with existing international
and regional organizations with similar aims and purposes, and explore
all avenues for even closer cooperation among themselves.
THIRD, that to carry out these aims and purposes, the following machinery
shall be established:
(a) Annual Meeting of Foreign Ministers, which shall be by rotation and
referred to as ASEAN Ministerial Meeting. Special Meetings of Foreign
Ministers may be convened as required.
(b) A Standing committee, under the chairmanship of the Foreign Minister of
the host country or his representative and having as its members the
accredited Ambassadors of the other member countries, to carry on the
work of the Association in between Meetings of Foreign Ministers.
(c) Ad-Hoc Committees and Permanent Committees of specialists and
officials on specific subjects.
187
(d) A National Secretariat in each member country to carry out the work of
the Association on behalf of that country and to service the Annual or
Special Meetings of Foreign Ministers, the Standing Committee and
such other committees as may hereafter be established.
FOURTH, that the Association is open for participation to all States in the
South-East Asian Region subscribing to the aforementioned aims, principles
and purposes.
FIFTH, that the Association represents the collective will of the nations of
South-East Asia to bind themselves together in friendship and cooperation
and, through joint efforts and sacrifices, secure for their peoples and for
posterity the blessings of peace, freedom and prosperity.
DONE in Bangkok on the Eighth Day of August in the Year One Thousand
Nine Hundred and Sixty-Seven.
Remark
1) Fundort: http://www.aseansec.org/
188
Anlage 3
Vertrag von Asunción (26 März 1991)6
Vertrag zur Errichtung eines Gemeinsamen
Marktes zwischen der Republik Argentinien, der
Föderativen Republik Brasilien, der Republik
Paraguay und der Republik Uruguay
189
Die Republik Argentinien, die Föderative Republik Brasilien, die Republik
Paraguay und die Republik Uruguay, im weiteren als “Vertragsstaaten"
bezeichnet;
IN DER ERWÄGUNG, daß die Erweiterung der derzeitigen Dimensionen
ihrer nationalen Märkte im Wege der Integration eine grundlegende
Bedingung dafür darstellt, ihre Prozesse der wirtschaftlichen Entwicklung
bei [gleichzeitiger] sozialer Gerechtigkeit zu beschleunigen;
IN DEM VERSTÄNDNIS, daß diese Zielsetzung erreicht werden soll mittels
der wirksamsten Ausnutzung der verfügbaren Ressourcen, der Erhaltung
der Umwelt, der Verbesserung der Infrastruktur, der Koordinierung der
makroökonomischen Politiken und der Ergänzung der verschiedenen
Wirtschaftssektoren, auf der Grundlage der Prinzipien der Gradualität, der
Flexibilität und des Gleichgewichts;
I. - Institutionelle Grundlagen
UNTER BERÜCKSICHTIGUNG der Entwicklung der internationalen
Ereignisse, insbesondere der Festigung der großen Wirtschaftsräume und
der Wichtigkeit eine angemessene internationale Einbindung ihrer Länder zu
erreichen;
BEKUNDEND, daß dieser Integrationsprozeß eine angemessene Antwort
auf jene Ereignisse darstellt;
IN DEM BEWUSSTSEIN, daß der vorliegende Vertrag als ein neuer Ansatz
angesehen werden muß in dem Bemühen um die fortschreitende
Entwicklung der Integration von Lateinamerika, gemäß der Zielsetzung des
Vertrages von Montevideo von 1980;
ÜBERZEUGT von der Notwendigkeit, die wissenschaftliche und
technologische Entwicklung der Vertragsstaaten zu fördern und ihre
Wirtschaften zu modernisieren, um das Angebot und die Qualität der
verfügbaren Güter und Dienstleistungen zu vergrößern mit dem Ziel, die
Lebensbedingungen ihrer Einwohner zu verbessern;
ÜBERZEUGT von der Notwendigkeit, die wissenschaftliche und
technologische Entwicklung der Vertragsstaaten zu fördern und ihre
Wirtschaften zu modernisieren, um das Angebot und die Qualität der
verfügbaren Güter und Dienstleistungen zu vergrößern mit dem Ziel, die
Lebensbedingungen ihrer Einwohner zu verbessern
190
UNTER BEKRÄFTIGUNG ihres politischen Willens, die Grundlagen für
einen immer engeren Zusammenschluß zwischen ihren Völkern zu errichten
in dem Bestreben, die oben erwähnten Zielsetzungen zu erreichen,
VEREINBAREN;
Kapitel I - Vorhaben, Grundsätze und Instrumente
Art. 1 - Die Vertragsstaaten entscheiden sich, einen Gemeinsamen Markt zu
errichten, der bis zum 31. Dezember 1994 gebildet sein soll, welcher sich
„Gemeinsamer Markt des Südens" (MERCOSUR) nennen wird. Dieser
Gemeinsame Markt umfaßt:
den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren
zwischen den Ländern, unter anderem, im Wege der Beseitigung der
Zollabgaben und nicht-tarifären Hemmnisse des Warenverkehrs und
jedweder anderen gleichwertigen Maßnahme7;
die Aufstellung eines gemeinsamen Außenzolls und die Annahme einer
gemeinsamen Handelspolitik gegenüber dritten Staaten oder Staatenverbindungen und die Koordination der Positionen in regionalen und
internationalen handelswirtschaftlichen Foren
die Koordination der makroökonomischen und sektoralen Politiken8
zwischen den \Vertragsstaaten die Außenhandels-, Landwirtschafts-,
Industrie-. Finanz-, Geld-, Wechsel- und Kapital-, Dienstleistungs-, Zoll-,
Transport- und Kommunikationspolitik und andere, die vereinbart werden,
um angemessene Wettbewerbsbedingungen zwischen den Staaten
sicherzustellen;
die Verpflichtung der Vertragsstaaten, ihre Gesetzgebungen auf den
einschlägigen Gebieten zu harmonisieren, um die Stärkung des
Integrationsprozesses zu erreichen.
,Art. 2 - Der Gemeinsame Markt wird auf der Gegenseitigkeit der Rechte
und Pflichten zwischen den Vertragsstaaten beruhen.
Art. 3 - Während der Übergangszeit, die sich von dem Inkrafttreten des
vorliegenden Vertrages bis zum 31. Dezember 1994 erstrecken wird, und
um die Errichtung des Gemeinsamen Marktes zu erleichtern, beschließen
die Vertragsstaaten eine Allgemeine Ursprungsregelung, ein System der
Streitbeilegung und Klauseln über Schutzmaßnahmen, die sich in den
Anhängen II, III und IV des vorliegenden Vertrages finden.
191
Art. 4 - In den Beziehungen mit dritten Ländern gewährleisten die
Vertragsstaaten faire Handelsbedingungen. Zu diesem Zweck wenden sie
ihre nationalen Gesetzgebungen an, um Importe zu verhindern, deren
Preise durch Subventionen, Dumping oder irgendwelche anderen unlauteren
Praktiken beeinflußt sind.
Gleichzeitig koordinieren die Vertragsstaaten ihre entsprechenden
nationalen Politiken mit dem Ziel, gemeinsame Normen über Handelswettbewerb auszuarbeiten.
Art. 5 - Während der Übergangszeit sind die Hauptinstrumente zur
Errichtung des Gemeinsamen Marktes
a) ein Programm der Handelsliberalisierung, das in fortschreitenden,
linearen und automatischen Zollsenkungen besteht, welche durch die
Beseitigung von nicht-tarifären Hemmnissen oder Maßnahmen gleicher
Wirkung begleitet werden, sowie anderer Beschränkungen des Handels
zwischen den Vertragsstaaten, um am 31. Dezember 1994 einen Zoll
von Null zu erreichen, ohne nicht-tarifäre Hindernisse im gesamten
Zollbereich (Anhang I);
b) die Koordination der makroökonomischen Politiken, die sich schrittweise
und in Übereinstimmung mit den Programmen des Zollabbaus und der
Beseitigung, der im vorherigen Buchstaben bezeichneten nicht-tarifären
Handelshemmnisse vollziehen wird;
c)
ein gemeinsamer Außenzoll, der die
Vertragsstaaten im Außenhandel fördert;
Wettbewerbsfähigkeit
der
d) der Abschluß von sektoralen Abkommen mit dem Ziel, den Einsatz und
die Mobilität der Produktionsfaktoren zu optimieren und effiziente,
funktionsfähige Größenordnungen zu erreichen.
Art. 6 – Die Vertragsstaaten erkennen einzelne Abweichungen im
[Übergangs-] Rhythmus für die Republik Paraguay und für die Republik
Uruguay an, die sich aus dem Programm der Handelsliberalisierung
(Anhang I) ergeben.
Art. 7 - Im Bereich von Steuern, Abgaben und anderen internen
Belastungen genießen die Produkte mit Ursprung aus dem Gebiet eines
Vertragsstaats in den anderen Vertragsstaaten die gleiche Behandlung, die
dem nationalen Produkt zukommt.
Art. 8 - Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die bis zum Datum der
Abschlusses des vorliegenden Vertrages eingegangenen Verpflich-tungen,
einschließlich der im Rahmen von ALADI geschlossenen Abkommen
aufrechtzuerhalten und ihre Positionen bei den auswärtigen Verhandlungen
192
über Handelsfragen zu koordinieren, die sie während der Übergangszeit
unternehmen. Dazu:
a)
vermeiden sie, die Interessen der Vertragsstaaten bei den
Verhandlungen über Handelsfragen, die sie [einzeln] untereinander
bis zum 31. Dezember 1994 führen, zu beeinträchtigen;
b)
vermeiden sie, die Interessen der anderen oder die Ziele des
Gemeinsamen Marktes in Abkommen, die sie mit anderen
Mitgliedsländern von ALADI während der Übergangszeit führen, zu
beeinträchtigen,
c)
werden sie sich untereinander konsultieren, sofern sie über
weitreichende Pläne eines Zollabbaus, gerichtet auf die Bildung von
Freihandelszonen, mit den Mitgliedsländern von ALADI verhandeln,
d)
erweitern sie automatisch auf die übrigen Vertragsstaaten jedweden
Vorteil, Vergünstigung, Freiheit, Befreiung oder Vorrecht, die sie
einem Produkt gewähren, das seinen Ursprung, in dritten Ländern,
die von nicht Mitglieder von ALADI sind, hat oder für solche bestimmt
ist.
Kapitel II – Organstruktur
Art. 9 – Die Verwaltung und Durchführung, des vorliegenden Vertrages und
der besonderen Abkommen und Entscheidungen, die in dem rechtlichen
Rahmen, den dieser für die Übergangszeit festlegt , angenommen werden,
steht in der Verantwortung der folgenden Organe:
a)
b)
Rat des Gemeinsamen Marktes
Gruppe Gemeinsamer Markt.
Art. 10 - Der Rat ist das oberste Organ des Gemeinsamen Marktes, dem die
politische Führung desselben zusteht und dem es zukommt, Entscheidungen zu treffen, um die Einhaltung der Zielsetzungen und Fristen
sicherzustellen, die zur endgültigen Errichtung des Gemeinsamen Marktes
festgelegt worden sind.
Art. 11 - Der Rat besteht aus den Außenministern und den Wirtschaftsministern der Vertragsstaaten.
Er tagt, sooft es für angebracht gehalten wird, und mindestens einmal im
Jahr unter Beteiligung der Präsidenten der Vertragsstaaten.
193
Art, 12 – Die Präsidentschaft des Rates wird im Wege der Rotation der
Vertragsstaaten und in alphabetischer Reihenfolge für Zeiträume von sechs
Monaten ausgeübt.
Die Tagungen des Rates werden von den Außenministern koordiniert, und
andere Minister oder Amtsträger auf Ministerebene können zur Teilnahme
an ihnen eingeladen werden9.
Art. 13 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt ist das Exekutivorgan des
Gemeinsamen Marktes und wird von den Außenministern koordiniert.
Die Gruppe Gemeinsamer Markt hat das Initiativrecht. Ihre Aufgaben sind
die folgenden:
-
über die Einhaltung des Vertrages zu wachen;
-
die Vorkehrungen zu treffen, die zur Erfüllung der vom Rat angenommenen Entscheidungen notwendig sind;
-
konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, gerichtet auf die Anwendung des
Programms der Handelsliberalisierung, die Koordination der makroökonomischen Politiken und die Aushandlung von Abkommen mit
Dritten;
-
das Arbeitsprogramm festzulegen, das den Fortschritt hin zur Errichtung
des Gemeinsamen Marktes sichert.
Die Gruppe Gemeinsamer Markt kann die Untergruppen einrichten, die zur
Erfüllung ihrer Verpflichtungen notwendig sind. Anfänglich stehen ihr die in
Anhang V erwähnten Unter[arbeits]gruppen zu Verfügung.
Die Gruppe Gemeinsamer Markt stellt ihre Geschäftsordnung innerhalb 60
Tagen nach ihrer Einsetzung auf10
Art. 14 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt besteht aus vier ordentlichen
Mitgliedern und vier stellvertretenden Mitgliedern je Land, welche die
folgenden öffentlichen Stellen vertreten:
-
Außenministerium;
-
Wirtschaftsministerium oder seine Entsprechungen (Bereiche Industrie,
Außenhandel und/oder Wirtschaftskoordination);
-
Zentralbank.
194
Beim Ausarbeiten und Formulieren von konkreten Maßnahmen im Verlauf
ihrer Arbeiten bis zum 31. Dezember 1994 kann die Gruppe Gemeinsamer
Markt, wenn sie es für angemessen hält, Vertreter anderer Stellen der
öffentlichen Verwaltung und des privaten Sektors hinzuziehen.
Art. 15 – Der Gruppe Gemeinsamer Markt steht ein Verwaltungs-sekretariat
zur Verfügung, dessen Hauptaufgaben in der Aufbewahrung der Dokumente
und Verbreitung der Aktivitäten jener bestehen. Es hat seinen Sitz in der
Stadt Montevideo.
Art. 16 – Während der Übergangszeit werden die Entscheidungen des
Rates des Gemeinsamen Marktes und der Gruppe Gemeinsamer Markt im
Einvernehmen und in Anwesenheit aller Vertragsstaaten getroffen.
Art. 17 – Die offiziellen Sprachen des Gemeinsamen Marktes sind Spanisch
und Portugiesisch und die offizielle Fassung der Arbeitsdokumente ist die
Sprache des Sitzlandes einer jeder Tagung.
Art. 18 – Vor der Errichtung des Gemeinsamen Marktes am 31. Dezember
1994 berufen die Vertragsstaaten eine außerordentliche Tagung ein mit dem
Ziel, die endgültige institutionelle Struktur der Verwaltungsorgane des
Gemeinsamen Marktes festzulegen, ebenso wie die besonderen Befugnisse
eines jeden von ihnen und sein Entscheidungsverfahren.
Kapitel III - Geltung
Art. 19 – der vorliegende Vertrag hat eine unbestimmte Dauer und tritt 30
Tage nach dem Datum der Hinterlegung der dritten Ratifikationsurkunde in
Kraft. Die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung der Republik
Paraguay hinterlegt, welche das Hinterlegungsdatum den Regierungen der
übrigen Vertragsstaaten mitteilt.
Die Regierung der Republik Paraguay notifiziert der Regierung eines jeden
der übrigen Vertragsstaaten das Datum des Inkrafttretens des vorliegenden
Vertrages.
Kapitel IV - Beitritt
Art. 20 – Der vorliegende Vertrag steht den übrigen Mitgliedsländern von
ALADI zum Beitritt mittels Verhandlungen offen, deren Anträge durch die
195
Verhandlungsstaaten nach fünf Jahren der Geltung dieses Vertrages
behandelt werden können.
Doch können vor der besagten Frist die Anträge von Mitgliedsländern von
ALADI berücksichtigt werden, die nicht Teil eines subregionalen
Integrationsvorhabens oder einer außerregionalen Vereinigung sind.
Die Aufnahme der Anträge erfolgt durch einstimmige Entscheidung der
Vertragsstaaten.
Kapitel V - Kündigung
Art. 21 – Der Vertragsstaat, der sich von dem vorliegenden Vertrag lösen
möchte, muß diese Absicht den übrigen Vertragsstaaten ausdrücklich und
förmlich mitteilen, wobei er innerhalb von sechzig (60) Tagen die Übergabe
des Kündigungsschreibens an den Außenminister der Republik Paraguay
vornehmen muß, welcher es an die übrigen Vertragsstaaten verteilt.
Art. 22 – Mit der förmlichen Kündigung enden für den kündigenden Staat die
Rechte und Pflichten, die seiner Stellung als Vertragsstaat entsprechen,
wobei [jedoch] an denjenigen festgehalten wird, die sich aus dem
Liberalisierungsprogramm des vorliegenden Vertrages und aufgrund anderer
Aspekte ergeben, welche die Vertragsstaaten gemeinsam mit dem
kündigenden Staat innerhalb von sechzig (60) Tagen nach der förmlichen
Kündigung vereinbaren. Diese rechte und Pflichten des kündigenden
Staates bleiben für eine Zeit von zwei (2) Jahren ab dem Datum der
erwähnten förmlichen Kündigung bestehen.
Kapitel VI – Allgemeine Bestimmungen
Art. 23 – Der vorliegende Vertrag wird „Vertrag von Asunción“ genannt.
Art. 24 – Mit dem Ziel, die Bildung des Gemeinsamen Marktes zu
erleichtern, wird eine Gemeinsame Parlamentarische Kommission des
MERCOSUR eingerichtet. Die Exekutiven der Vertragsstaaten halten die
entsprechenden Legislativen unterrichtet über die Entwicklung des
Gemeinsamen Marktes, der Gegenstand des vorliegenden Vertrages ist.
GESCHEHEN in der Stadt Asunción, am sechsundzwanzigsten März des
Jahres neunzehnhunderteinundneunzig, in einem Original in den Sprachen
196
Spanisch und Portugiesisch, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch
sind. Die Regierung der Republik Paraguay ist der Depositar des
vorliegenden Vertrages und übersendet den Regierungen der übrigen
unterzeichnenden und beitretenden Staaten ordnungsgemäß beglaubigte
Abschriften desselben.
Anmerkungen
6) Übersetzung: Jan Kleinheisterkamp und Jürgen Samtleben. Eine englische Übersetzung des Vertrages ist abgedruckt in International Legal
Materials 30 (1991) 1041 ff.
7) Nach dem portugiesischen Text: „Maßnahme gleicher Wirkung“ (s.o.
Fn. 2).
8) Die Entscheidung Nr. 6 des Rates des Gemeinsamen Marktes vom 15. 6.
1999 (CMC/Dez. 6/99) betrifft die Koordination der makroökonomischen
Politiken.
9) CMC/Dec.2/98 (Boletin Oficial MERCOSUR II/7 p-15); Geschäftsordnung
des Rates des Gemeinsamen Marktes .
10) CMC/Dec. 4/91 (Dromi II I 144): Geschäftsordnung der Gruppe
Gemeinsamer Markt.
197
Anlage 4
Protokoll von Ouro Preto (17. Dezember 1994)14
Zusatzprotokoll zum Vertrag von Asunción
über die Institutionelle Struktur des
MERCOSUR
198
Die Republik Argentinien, die Föderative Republik Brasilien, die Republik
Paraguay und die Republik Uruguay, im weiteren als „Vertragsstaaten“
bezeichnet;
IN ERFÜLLUNG der Bestimmungen des Artikels 18 des Vertrages von
Asunción vom 26. März 1991;
IM BEWUSSTSEIN der Bedeutung der erreichten Fortschritte und der
Inkraftsetzung der Zollunion als Etappe zum Aufbau des Gemeinsamen
Markts
UNTER BEKRÄFTIGUNG der Grundsätze und Zielsetzungen des Vertrages
von Asunción und im Hinblick auf die Notwendigkeit einer besonderen
Aufmerksamkeit für die weniger entwickelten Länder und Regionen des
MERCOSUR;
IM HINBLICK auf die dem gesamten Integrationsprozeß eigene Dynamik
und die daraus folgende Notwendigkeit, die institutionelle Struktur des
MERCOSUR an die geschehenen Veränderungen anzupassen;
VEREINBAREN:
Kapitel I – Struktur des MERCOSUR
Art. 1 – Die institutionelle Struktur des MERCOSUR verfügt über die
folgenden Organe:
I.
Den Rat des Gemeinsamen Marktes (CMC) [Consejo del Mercado
Común];
II.
Die Gruppe Gemeinsamer Markt (GMC) [Grupo Mercado Común];
III.
Die Handelskommission des MERCOSUR (CCM) [Comisión de
Comercio del MERCOSUR];
IV.
Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission (CPC) [Comisión
Parlamentaria Conjuta];
V.
Das Beratungsforum aus Wirtschaft und Gesellschaft (FCES) [Foro
de Consulta Económico-Social];
VI.
Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR (SAM) [Secretaría
Administrativa del MERCOSUR];
199
Einziger Unterabsatz – Im Rahmen der Bestimmungen dieses Protokolls
können die Ratsorgane geschaffen werden, welche notwendig sind, um die
Zielsetzung des Integrationsprozesses zu verfolgen15 .
Art. 2 – Organe mit Entscheidungsbefugnis und von intergouvernementaler
Art sind: der Rat des Gemeinsamen Marktes, die Gruppe Gemeinsamer
Markt und die Handelskommission des MERCOSUR.
Abschnitt I – Der Rat des Gemeinsamen Marktes
Art. 3 – der Rat des Gemeinsamen Marktes ist das oberste Organ des
MERCOSUR, dem die politische Führung des Integrationsprozesses obliegt
und das Treffen von Entscheidungen, um die Einhaltung der im Vertrag von
Asunción festgelegten Zielsetzungen sicherzustellen und die endgültige
Errichtung des Gemeinsamen Marktes zu erreichen.
Art. 4 – der Rat des Gemeinsamen Marktes besteht aus den
Außenministern und aus den Wirtschaftsministern oder den ihnen
entsprechenden [Ministern] der Vertragsstaaten.
Art. 5 – Die Präsidentschaft des Rates des Gemeinsamen Marktes wird im
Wege der Rotation der Vertragsstaaten, in alphabetischer Reihenfolge, für
einen Zeitraum von sechs Monaten ausgeübt.
Art. 6 – Der Rat des Gemeinsamen Marktes tagt so oft, wie er es für
angebracht hält, mindestens jedoch ein Mal pro Halbjahr unter Beteiligung
der Präsidenten der Vertragsstaaten.
Art. 7 – Die Tagungen des Rates des Gemeinsamen Marktes werden von
den Außenministern koordiniert, und andere Minister oder Amtsträger auf
Ministerebene können zur Teilnahme daran eingeladen werden16 .
Art. 8 – Aufgaben und Befugnisse des Gemeinsamen Marktes sind:
I.
II.
III.
IV.
Über die Einhaltung des Vertrages von Asunción, seiner Protokolle
und der in seinem Rahmen geschlossenen Abkommen zu wachen;
Grundsätze der Politik zu entwerfen und die für die Bildung des
Gemeinsamen Marktes notwendigen Aktionen voranzutreiben;
Die Vertretung der Rechtspersönlichkeit des MERCOSUR
wahrzunehmen;
Abkommen im Namen des MERCOSUR mit dritten Ländern,
Ländergruppen und internationalen Organisationen auszuhandeln
und zu unterzeichnen. Diese Funktionen können durch
ausdrückliches Mandat unter den in Ziffer VII des Artikel 14
200
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
formulierten Voraussetzungen der Gruppe Gemeinsamer Markt
übertragen werden;
Sich zu den von seiten der Gruppe Gemeinsamer Markt
eingereichten Vorschlägen zu äußern;
Ministerausschüsse zu schaffen und sich zu den von selbigen
übersandten Übereinkünften zu äußern;
Die Organe zu schaffen, die er für geboten hält, sowie sie zu
verändern oder aufzulösen;
Den Inhalt und die Reichweite seiner Entscheidungen zu erläutern,
wenn er es für notwendig hält;
Den Direktor des Verwaltungssekretariats des MERCOSUR zu
ernennen;
Entscheidungen in Finanz- und Haushaltsfragen zu erlassen;
Die Geschäftsordnung der Gruppe Gemeinsamer Markt zu
genehmigen.
Art. 9 – Der Rat des Gemeinsamen Marktes äußert sich durch
Entscheidungen, welche für die Vertragsstaaten bindend sind.
Abschnitt II – Die Gruppe Gemeinsamer Markt
Art. 10 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt ist das Exekutivorgan des
MERCOSUR.
Art. 11 – Die Gruppe gemeinsamer Markt besteht aus vier ordentlichen
Mitgliedern und vier stellvertretenden Mitgliedern pro Land, die von den
jeweiligen Regierungen berufen werden und unter denen sich
zwingenderweise Vertreter der Außenministerien, der Wirtschaftsministerien (oder entsprechender Ministerien) und der Zentralbanken
befinden müssen. Die Gruppe Gemeinsamer Markt wird von den
Außenministerien koordiniert.
Art. 12 – Bei Ausarbeitung und Vorschlag konkreter Maßnahmen im Verlauf
ihrer Arbeit kann die Gruppe Gemeinsamer Markt, wenn sie es für
angemessen erachtet, Vertreter anderer Organe der öffentlichen Verwaltung
oder der institutionellen Struktur des MERCOSUR hinzuziehen.
Art. 13 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt tritt zu ordentlichen und
außerordentlichen Tagungen sooft zusammen, wie es notwendig ist, nach
Maßgabe der Bestimmungen der Geschäftsordnung17 .
Art. 14 – Aufgaben und Befugnisse der Gruppe Gemeinsamer Markt sind:
201
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
Innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs über die Einhaltung des
Vertrags von Asunción, seiner Protokolle und der in seinem Rahmen
geschlossenen Abkommen zu wachen;
Dem Rat des Gemeinsamen Marktes Entwürfe für Entscheidungen
vorzuschlagen;
Die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen für die Erfüllung der vom
Rat des Gemeinsamen Marktes gefaßten Entscheidungen;
Arbeitsprogramme aufzustellen, welche die allmähliche Errichtung
des Gemeinsamen Marktes sichern;
Zur Erfüllung ihrer Aufgaben solche Organe wie Unterarbeitsgruppen und Sonderausschüsse zu schaffen, zu ändern oder
aufzulösen;
Stellung zu nehmen zu den Vorschlägen oder Empfehlungen, die ihr
von den übrigen Organen des MERCOSUR im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten unterbreitet werden;
Unter Beteiligung von Vertretern aller Vertragsstaaten, mit
ausdrücklicher Ermächtigung durch den Rat des gemeinsamen
Marktes und innerhalb der Grenzen der zu diesem Zweck erteilten
besonderen Mandate, im Namen des MERCOSUR Verträge mit
dritten Ländern, Ländergruppen oder internationalen Organisationen
auszuhandeln. Bei entsprechendem Mandat kann die Gruppe
Gemeinsamer Markt solche Abkommen unterzeichnen. Soweit sie
vom Rat des Gemeinsamen Marktes hierzu autorisiert ist, kann die
Gruppe Gemeinsamer Markt solche Abkommen unterzeichnen.
Soweit sie vom Rat des Gemeinsamen Marktes hierzu autorisiert ist,
kann die Gruppe Gemeinsamer Markt die genannten Vollmachten
auf die Handelskommission des MERCOSUR übertragen;
Den Haushalt und den jährlichen Rechnungsabschluß des
Verwaltungssekretariats des MERCOSUR zu billigen;
In Finanz- und Haushaltsfragen auf der Grundlage der vom Rat
ausgehenden Vorgaben Beschlüsse zu fassen;
Dem Rat des Gemeinsamen Marktes seine Geschäftsordnung
vorzulegen;
Die Tagungen des Rates des Gemeinsamen Marktes zu
organisieren und die Berichte und Untersuchungen auszuarbeiten,
die dieser von ihr anfordert;
Den Direktor des Verwaltungssekretariats des MERCOSUR
auszuwählen; die Tätigkeit des Verwaltungssekretariats des
MERCOSUR zu überwachen;
Die Geschäftsordnungen der Handelskommission und des
Beratungsforums aus Wirtschaft und Gesellschaft zu genehmigen.
Art. 15 – Die Gruppe Gemeinsamer Markt äußert sich durch Beschlüsse, die
für die Vertragsstaaten bindend sind.
202
Abschnitt III – Die Handelskommission des MERCOSUR
Art. 16 – Die Handelskommission des MERCOSUR, als das der Gruppe
Gemeinsamer Markt zur Unterstützung beigeordnete Organ, ist dafür
zuständig, über die Anwendung der von den Vertragsstaaten zur
Verwirklichung der Zollunion vereinbarten Instrumente einer gemeinsamen
Wirtschaftspolitik zu wachen, sowie die Themen und Bereiche zu verfolgen
und zu überprüfen, die mit den gemeinsamen Wirtschaftspolitiken, dem
Handel innerhalb des MERCOSUR und [dem] mit Drittländern
zusammenhängen.
Art. 17 – Die Handelskommission des MERCOSUR besteht aus vier
ordentlichen Mitgliedern und vier stellvertretenden Mitgliedern pro
Vertragsstaat und wird von den Außenministern koordiniert.
Art. 18 – Die Handelskommission des MERCOSUR tagt mindestens einmal
im Monat oder sonst, sofern es von der Gruppe Gemeinsamer Markt oder
irgendeinem der Vertragsstaaten von ihr verlangt wird.
Art. 19 – Aufgaben und Befugnisse der Handelskommission des
MERCOSUR sind:
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
Über die Anwendung der gemeinsamen Instrumente der
Handelspolitik innerhalb des MERCOSUR und mit dritten Ländern,
internationalen Organisationen und von Wirtschaftsabkommen zu
wachen;
Die Anträge der Vertragsstaaten bezüglich der Anwendung und
Erfüllung des gemeinsamen Außenzolls und der übrigen
Instrumente einer gemeinsamen Handelspolitik zu begutachten und
zu ihnen Stellung zu nehmen;
Die Anwendung der Instrumente einer gemeinsamen Handelspolitik
in den Vertragsstaaten zu verfolgen;
Die Fortentwicklung der Instrumente einer gemeinsamen
Handelspolitik für die Verwirklichung der Zollunion zu analysieren
und diesbezüglich gegenüber der Gruppe Gemeinsamer Markt
Vorschläge zu formulieren;
Die mit der Verwaltung und Anwendung des gemeinsamen
Außenzolls und der von den Vertragsstaaten vereinbarten
Instrumente einer gemeinsamen Handelspolitik verknüpften
Entscheidungen zu treffen;
Die Gruppe Gemeinsamer Markt über die Fortentwicklung und
Anwendung der Instrumente einer gemeinsamen Handelspolitik, die
Behandlung der erhaltenen Anträge und über die diesbezüglichen
erlassenen Entscheidungen zu informieren;
203
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
Der Gruppe Gemeinsamer Markt neue Vorschriften oder
Änderungen der bestehenden Vorschriften in Handels- und
Zollfragen des MERCOSUR vorzuschlagen;
Die Überprüfung der Zolltarife für bestimmte Positionen des
gemeinsamen Außenzolls vorzuschlagen, auch zur Berücksichtigung von Fällen neuer Produktionstätigkeiten im Bereich des
MERCOSUR;
Die zur angemessenen Erfüllung ihrer Funktionen notwendigen
Fachausschüsse einzurichten, sowie deren Tätigkeit zu leiten und
zu überwachen18 ;
Die mit der gemeinsamen Handelspolitik zusammenhängenden
Arbeiten zu erledigen, um die sie die Gruppe Gemeinsamer Markt
ersucht;
Sich eine Geschäftsordnung zu geben, die sie der Gruppe
Gemeinsamer Markt zur Genehmigung vorlegt19 .
Art. 20 – Die Handelskommission des MERCOSUR äußert sich durch
Richtlinien oder Vorschläge. Die Richtlinien sind für die Vertragsstaaten
bindend.
Art. 21 – Über die Aufgaben und Befugnisse hinaus, die in den Artikeln 16
und 19 des vorliegenden Protokolls festgelegt sind, obliegt der
Handelskommission des MERCOSUR die Beratung über die von den
Nationalen Sektionen der Handelskommission des MERCOSUR vorgelegten
Beschwerden, die auf die Vertragsstaaten oder auf Vorlagen von Privaten –
natürlichen oder juristischen Personen – zurückgehen und mit den in den
Artikeln 1 oder 25 des Protokoll von Brasilia vorgesehen Situationen
zusammenhängen, wenn sie in ihren Zuständigkeitsbereich fallen.
Erster Unterabsatz – Die Prüfung der betreffenden Beschwerden im
Rahmen der Handelskommission des MERCOSUR steht der Einleitung
eines Verfahrens nach dem Protokoll von Brasilia zur Beilegung von
Streitigkeiten durch den Vertragsstaat, der die Beschwerde erhoben hat,
nicht entgegen.
Zweiter Unterabsatz – Die Beschwerden, die auf die in diesem Artikel
festgelegten Fälle zurückgehen, werden nach der im Anhang zu diesem
Protokoll vorgesehenen Verfahrensordnung behandelt.
204
Abschnitt IV – Die Gemeinsame Parlamentarische
Kommission
Art. 22 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission ist das
Vertretungsorgan der Parlamente der Vertragsstaaten im Rahmen des
MERCOSUR.
Art. 23 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission setzt sich aus
einer jeweils gleichen Zahl an parlamentarischen Vertretern der
Vertragsstaaten zusammen.
Art. 24 – Die Mitglieder der Gemeinsamen Parlamentarischen Kommission
werden von den jeweiligen nationalen Parlamenten im Einklang mit ihren
internen Verfahrensregeln ernannt.
Art. 25 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission bemüht sich um
die Beschleunigung der entsprechenden innerstaatlichen Verfahren in den
Vertragsstaaten für ein rasches Inkrafttreten der von den in Artikel 2 dieses
Protokolls vorgesehenen Organen des MERCOSUR ausgehenden
Vorschriften. In gleicher Weise leistet sie Beistand bei der Harmonisierung
der Gesetzgebungen, uns zwar so, wie es der fortschreitende Integrationsprozeß erfordert. Wenn es notwendig sein sollte, ersucht der Rat die
Gemeinsame Parlamentarische Kommission um die Prüfung vorrangiger
Themen.
Art. 26 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission übermittelt
Empfehlungen an den Rat des Gemeinsamen Marktes über die Gruppe
Gemeinsamer Markt.
Art. 27 – Die Gemeinsame Parlamentarische Kommission gibt sich eine
Geschäftsordnung20 .
Abschnitt V – Das Beratungsforum aus Wirtschaft und
Gesellschaft
Art. 28 – Das Beratungsforum aus Wirtschaft und Gesellschaft ist das
Vertretungs-organ der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sektoren und
setzt sich aus einer gleichen Anzahl von Vertretern jedes Vertragsstaates
zusammen.
Art. 29 – Das Beratungsforum aus Wirtschaft und Gesellschaft hat
beratende Funktion und äußert sich mittels Empfehlungen an die Gruppe
Gemeinsamer Markt.
205
Art. 30 – Das Beratungsforum aus Wirtschaft und Gesellschaft legt seine
Geschäftsordnung der Gruppe Gemeinsamer Markt zur Genehmigung vor21
Abschnitt VI – Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR
Art. 31 – Der MERCOSUR verfügt über ein Verwaltungssekretariat als
Organ zur operativen Unterstützung. Das Verwaltungssekretariat des
MERCOSUR ist verantwortlich für die Erbringung von Dienstleistungen an
die übrigen Organe des MERCOSUR und hat ständigen Sitz in der Stadt
Montevideo.
Art. 32 – Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR versieht folgende
Tätigkeiten:
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
Als offizielles Dokumentationsarchiv des MERCOSUR zu dienen;
Für die Veröffentlichung und Verbreitung der im Rahmen des
MERCOSUR angenommenen Normen zu sorgen. In diesem
Zusammenhang obliegt ihm:
I.
In Abstimmung mit den Vertragsstaaten die offiziellen Übersetzungen in Spanisch und Portugiesisch aller von den Organen
der institutionellen Struktur des MERCOSUR angenommenen
Entscheidungen anzufertigen, gemäß den Bestimmungen des
Artikel 39;
II.
Das Amtsblatt des MERCOSUR herauszugeben.
Die logistischen Aspekte der Tagungen des Rates des Gemeinsamen
Marktes,
der
Gruppe
gemeinsamer
Markt
und
der
Handelskommission des MERCOSUR zu organisieren und im
Rahmen des Möglichen auch die der übrigen Organe des
MERCOSUR, wenn diese an seinem ständigen Sitz tagen. Bei
Tagungen außerhalb seines ständigen Sitzes soll das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR dem Staat, in dem die Tagung
stattfindet, seine Unterstützung leisten;
Alle Vertragsstaaten regelmäßig zu informieren über die Maßnahmen, die von jedem Land ins Werk gesetzt wurden, um die von
den in Artikel 2 dieses Protokolls vorgesehenen Organen des
MERCOSUR ausgehenden Vorschriften in ihre Rechtsordnung
einzugliedern;
Die nationalen Listen der Schiedsrichter und Sachverständigen zu
führen, sowie weitere Arbeiten zu erledigen, die im Protokoll von
Brasilia vom 17. Dezember 1991 bestimmt sind;
Die Arbeiten zu erledigen, die ihm vom Rat des Gemeinsamen
Marktes, der Gruppe Gemeinsamer Markt und der Handelskommission des MERCOSUR aufgetragen werden;
206
VII.
VIII.
Seinen Haushaltsentwurf auszuarbeiten und nach seiner Billigung
durch die Gruppe Gemeinsamer Markt alle notwendigen Maßnahmen
zu seiner korrekten Durchführung zu treffen;
Jährlich seine Rechnungslegung der Gruppe Gemeinsamer Markt
vorzulegen, sowie einen Bericht über seine Tätigkeit.
Art. 33 – Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR wird von einem
Direktor geleitet, der Staatsangehöriger eines der Vertragsstaaten ist. Er
wird von der Gruppe Gemeinsamer Markt im Rotationssystem nach
vorheriger Anhörung der Vertragsstaaten ausgewählt und vom Rat des
gemeinsamen Marktes berufen. Die Amtszeit beträgt zwei Jahre, bei
Ausschluß der Wiederwahl.
Kapitel II - Rechtspersönlichkeit
Art. 34 – Der MERCOSUR besitzt Rechtspersönlichkeit im Sinne des
Völkerrechts.
Art. 35 – Der MERCOSUR kann in Ausübung seiner Befugnisse sämtliche
für die Verwirklichung seiner Zielsetzungen notwendigen Handlungen
ausführen, insbesondere Verträge schließen, bewegliche und unbewegliche
Güter erwerben und veräußern, vor Gericht auftreten, vermögen verwalten
und übertragen.
Art. 36 – Der MERCOSUR wird Sitzabkommen schließen22 .
Kapitel III - Entscheidungsverfahren
Art. 37 – Die Entscheidungen der Organe des MERCOSUR werden im
Einvernehmen und in Anwesenheit aller Vertragsstaaten getroffen.
Kapitel IV – Innerstaatliche Anwendung der von den Organen des
MERCOSUR ausgehenden Vorschriften
Art. 38 – Die Vertragsstaaten verpflichten sich, alle notwendigen
Maßnahmen durchzuführen, um in ihrem jeweiligen Staatsgebiet die
Einhaltung der von den in Artikel 2 dieses Protokolls vorgesehenen Organen
des MERCOSUR ausgehenden Vorschriften sicherzustellen.
207
Einziger Unterabsatz – Die Vertragsstaaten informieren das
Verwaltungssekretariat des MERCOSUR über die dazu getroffenen
Maßnahmen.
Art. 39 – Im Amtsblatt des MERCOSUR werden vollständig in spanischer
und portugiesischer Sprache abgedruckt der Wortlaut der Entscheidungen
des Rates des Gemeinsamen Marktes, der Beschlüsse der Gruppe
Gemeinsamer Markt, der Richtlinien der Handelskommission des
MERCOSUR und der Schiedssprüche zur Beilegung von Streitigkeiten
sowie jeglicher Akt, für den es der Rat des Gemeinsamen Marktes oder die
Gruppe Gemeinsamer Markt notwendig erachtet, ihm offizielle Publizität
zukommen zu lassen23 .
Art. 40 – Zu dem Zweck, das gleichzeitige Inkrafttreten der von den in
Artikel 2 dieses Protokolls vorgesehenen Organen des MERCOSUR
ausgehenden Vorschriften zu gewährleisten, ist das nachstehende
Verfahren zu befolgen:
I.
II.
III.
Sobald die Vorschrift verabschiedet ist, führen die Vertragsstaaten
die zu ihrer Eingliederung in die [jeweilige] nationale Rechtsordnung
erforderlichen Maßnahmen durch und teilen dieselben dem
Verwaltungssekretariat des MERCOSUR mit;
Wenn alle Vertragsstaaten die Eingliederung in ihre jeweiligen
innerstaatlichen Rechtsordnungen gemeldet haben, teilt das
Verwaltungssekretariat des MERCOSUR die Tatsache jedem
Vertragsstaat mit;
Die Vorschriften treten in den Vertragsstaaten gleichzeitig 30 Tage
nach dem Datum der Mitteilung durch das Verwaltungssekretariat
des MERCOSUR gemäß dem vorstehenden Buchstaben in Kraft. Zu
diesem Endziel veröffentlichen die Vertragsstaaten innerhalb der
genannten Frist den Beginn der Geltung der entsprechenden
Vorschriften in ihren jeweiligen Amtsblättern.
Kapitel V – Rechtsquellen des MERCOSUR
Art. 41 – Die Rechtsquellen des MERCOSUR sind:
I.
II.
III.
Der Vertrag von Asunción, seine Protokolle und die zusätzlichen
oder ergänzenden Instrumente,
Die im Rahmen des Vertrages von Asunción geschlossenen
Abkommen und ihre Protokolle;
Die Entscheidungen des Rates des Gemeinsamen Marktes, die
Beschlüsse der Gruppe Gemeinsamer Markt und die Richtlinien der
208
Handelskommission des MERCOSUR, die seit Inkrafttreten des
Vertrages von Asunción angenommen wurden.
Art. 42 – Die von den Artikel 2 dieses Protokolls vorgesehenen Organen
ausgehenden Vorschriften haben bindenden Charakter und, sofern es
notwendig ist, müssen sie in die nationalen Rechtsordnungen mittels der von
der Gesetzgebung jedes Landes vorgesehenen Verfahren eingegliedert
werden.
Art. 43 – Die Streitigkeiten, die zwischen den Vertragsstaaten über die
Auslegung, Anwendung oder Nichteinhaltung der Bestimmungen des
Vertrages von Asunción, der in dessen Rahmen geschlossenen Abkommen
sowie der Entscheidungen des Rates des Gemeinsamen Marktes, der
Beschlüsse der Gruppe Gemeinsamer Markt und der Richtlinien der
Handelskommission des MERCOSUR auftreten, werden den im Protokoll
von Brasilia vom 17. Dezember 199124 festgelegten [Streit-] Beteiligungsverfahren unterworfen.
Einziger Unterabsatz – Die Richtlinien der Handelskommission des
MERCOSUR werden auch in die Artikel 19 und 25 des Protokolls von
Brasilia aufgenommen.
Art. 44 – Vor der vollständigen Vereinheitlichung des Gemeinsamen
Außenzolls nehmen die Vertragsstaaten eine Überprüfung des derzeitigen
Systems der Streitbeilegung des MERCOSUR vor mit Ausrichtung auf die
Annahme des Ständigen Systems, auf das sich der Absatz 3 des Anhangs
III des Vertrages von Asunción und der Artikel 34 des Protokolls von Brasilia
beziehen.
Kapitel VII - Haushalt
Art. 45 – Das Verwaltungssekretariat des MERCOSUR verfügt über einen
Haushalt, um seine Betriebskosten und solche, die von der Gruppe
Gemeinsamer Markt bestimmt werden, abzudecken. Dieser Haushalt wird
zu gleichen Teilen durch Beiträge der Vertragsstaaten finanziert.
Kapitel VIII - Sprachen
Art. 46 – Die offiziellen Sprachen des MERCOSUR sind Spanisch und
Portugiesisch. Die offizielle Fassung der Arbeitsdokumente ist die Sprache
des Sitzlandes der jeweiligen Tagung.
209
Kapitel IX - Revision
Art. 47 – Die Vertragsstaaten werden, wenn sie dies für angemessen halten,
eine diplomatische Konferenz einberufen mit der Zielsetzung, die mit diesem
Protokoll festgelegte institutionelle Struktur des MERCOSUR zu überarbeiten, sowie die spezifischen Befugnisse eines jeden seiner Organe.
Kapitel X - Geltung
Art. 48 – Das vorliegende Protokoll, Bestandteil des Vertrages von
Asunción, hat eine unbestimmte Dauer und tritt 30 Tage nach dem Datum
der Hinterlegung der dritten Ratifikationsurkunde in Kraft. Das vorliegende
Protokoll und die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung von
Paraguay hinterlegt.
Art. 49 – Die Regierung der Republik Paraguay notifiziert den Regierungen
der übrigen Vertragsstaaten das Datum der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden und des Inkrafttretens dieses Protokolls.
Art. 50 – In Fragen des Beitritts oder der Kündigung gelten für das
vorliegende Protokoll insgesamt die im Vertrag von Asunción festgelegten
Vorschriften. Der Beitritt zu und die Kündigung des Vertrages von Asunción
oder des vorliegenden Protokolls und des Vertrages von Asunción.
Kapitel XI - Übergangsvorschriften
Art. 51 – Die im Vertrag von Asunción vom 26. März 1991 vorgesehene
institutionelle Struktur sowie die durch diese geschaffenen Organe bleiben
bis zum Inkrafttreten des vorliegenden Protokolls bestehen.
Kapitel XII - Allgemeine Vorschriften
Art. 52 – Das vorliegende Protokoll wird „Protokoll [von] Ouro Preto“
genannt.
Art. 53 – Alle Bestimmungen des Vertrages von Asunción vom 26. März
1991, die im Widerspruch zu der Regelung des vorliegenden Protokolls und
210
dem Inhalt der vom Rat des Gemeinsamen Marktes während der
Übergangszeit verabschiedeten Entscheidungen stehen, sind hiermit
aufgehoben.
GESCHEHEN in der Stadt Ouro Preto, Föderative Republik Brasilien, am
siebzehnten des Monats Dezember neunzehnhundertvierundneunzig, in
einem Original, in den Sprachen Portugiesisch und Spanisch, wobei beide
Texte gleichermaßen authentisch sind.
Die Regierung der Republik Paraguay übersendet den Regierungen der
übrigen Vertragsstaaten eine beglaubigte Abschrift des vorliegenden
Protokolls.
Anmerkungen
14) Übersetzung: Jochen Terpitz, Jan Kleinheisterkamp und Jürgen
Samtleben. Eine englische Übersetzung des Protokolls ist abgedruckt in
International Legal Materials 34 (1995) 1244 ff.
15) CMC/Dec. 18/98 (Boletín Oficial MERCOSUR III/8 p. 52); Schaffung des
Forums für politische Konsultation und Abstimmung 8 Foro de Consulta y
Concertación Política).
16) CMC/Dec. 2/98 (Boletín Oficial MERCOSUR II/7 p. 15); Geschäftsordnung des Rates des Gemeinsamen Marktes.
17) CMC/Dec. 4/91 (Dromi II I 144); Geschäftsordnung der Gruppe
Gemeinsamer Markt.
18) CCM/Dir. I/95 (Dromi VI 5429); Einrichtung der Fachausschüsse I-10 der
Handelskommission.
19) CCM/Dir. 5/96 und GMC/Res. 61/96 (Dromi VII 6200); Geschäftsordnung der Handelskommission des MERCOSUR.
20) Geschäftsordnung der Gemeinsamen Parlamentarischen Kommission
vom 3.8.1995 (Dromi II 1093).
211
21) GMC/Res. 68/96 (Dromi VII 6337): Geschäftsordnung des Beratungsforums aus Wirtschaft und Gesellschaft.
22) Sitzabkommen zwischen Uruguay und dem MERCOSUR über die
Tätigkeit des Verwaltungssekretariats des MERCOSUR vom 17.12.1996
(CMC/Dec. 4/96. Dromi VIII 6475, 6937, Uruguay Gesetz 16.829, Diario
Oficial vom 10.6.1997); Abkommen zwischen Uruguay und dem
MERCOSUR
über
die
Einrichtung
des
Sitzes
des
Verwaltungssekretariats des MERCOSUR in dem „MERCOSURGebäude“ vom 10.12.1998 /CMC/Dec.22/98, Boletin Oficial
MERCOSUR III/8 p. 56; Uruguay: Resolution 81/999, Diario Oficial vom
25.2.1999).
23) GMC/Res. 18/97 (Boletin Oficial MERCOSUR ½ p. 190), Art. 1:
„Öffentlichen Charakter haben die Entscheidungen des Rates (CMC),
die Beschlüsse der Gruppe (GMC), die Richtlinien der
Handelskommission (CCM), die Schiedssprüche (Beschlußteil) und die
Gemeinsamen Erklärungen der Präsidenten.“
24) Siehe unten Doc. 8.
212
Anlage 51 :
The Cooperation Council – Charter
The Supreme Council – Rules of Procedure
The Ministerial Council – Rules of Procedure
The Commission for the Settlement of Disputes – Rules of
Procedure
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Cooperation Council for The Arab States
of the Gulf
The United Arab Emirates
The State of Bahrain
The Kingdom of Saudi Arabia
The Sultanate of Oman
The State of Qatar, and
The State of Kuwait
Being fully aware of the ties of special relations, common characteristics and
similar systems founded on the creed of Islam which bind them; and
Desiring to effect coordination, cooperation and Integration between them in
all fields; and,
Having the conviction that coordination, cooperation, and integration
between them serve the sublime objectives of the Arab Nation and,
Having the conviction that coordination, cooperation, and integration
between them serve the sublime objectives of the Arab Nation; and,
In pursuit of the goal of strengthening cooperation and reinforcement of the
links between them; and
In an endeavour to complement efforts already begun in all essential areas
that concern their peoples and realize their hopes for a better future on the
path to unity of their States; and
In conformity with the Charter of the League of Arab States which calls for
the realization of closer relations and stronger bonds; and
In order to channel their efforts to reinforce and serve Arab and Islamic
causes,
Have agreed as follows:
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ARTICLE ONE
The Establishment of the Council
A Council shall be established hereby to be named The Cooperation Council
for the Arab States of the Gulf hereinafter referred to as the Cooperation
Council (GCC).
ARTICLE TWO
The Cooperation Council shall have its headquarters in Riyadh, Saudi
Arabia.
ARTICLE THREE
Cooperation Council Meetings
The Council shall hold its meetings in the state where it has its
headquarters, and may convene in any member state.
ARTICLE FOUR
Objectives
The basic objectives of the Cooperation Council are:
1. To effect coordination, and interconnection between Member States in all
fields in order to achieve unity between them.
2. To deepen and strengthen relations, links and areas of cooperation now
prevailing between their peoples in various fields.
3. To formulate similar regulations in various fields including the following:
a. Economic and financial affairs
b. Commerce, customs and communications
c. Education and culture
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4. To stimulate scientific and technological progress in the fields of industry,
mining, agriculture, water and animal resources, to establish scientific
research; to establish joint ventures and encourage cooperation by the
private sector for the good of their peoples.
ARTICLE FIVE
Council Membership
The Cooperation Council shall be formed of the six states that participated in
the Foreign Ministers' meeting held in Riyadh on 4 February 1981.
ARTICLE SIX
Organization of the Cooperation Council
The Cooperation Council shall have the following main organizations:
1. The Supreme Council to which shall be attached the Commission for
Settlement of Disputes.
2. The Ministerial Council.
3. The Secretariat General.
Each of these organizations may establish sub-agencies as may be
necessary.
ARTICLE SEVEN
Supreme Council
The Cooperation Council shall be formed of the six states that participated in
the Foreign Ministers' meeting held in Riyadh on 4 February 1981.
1. The Supreme Council is the highest authority of the Cooperation Council
and shall be formed of heads of member states. Its presidency shall be
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rotatory based on the alphabetical order of the names of the member
states.
2. The Supreme Council shall hold one regular session every year.
Extraordinary sessions may be convened at the request of any member
seconded by another member.
3. The Supreme Council shall hold its sessions in the territories of member
states.
4. A Supreme Council's meeting shall be considered valid if attend by twothirds of the member states.
ARTICLE EIGHT
The Functions of the Supreme Council
The Supreme Council shall endeavour to realize the objectives of the
Cooperation Council, particularly as concerns the following:
1. Review matters of interest to the member states.
2. Lay down the higher policy for the Cooperation Council and t he basic
lines it should follow.
3. Review the recommendations, reports, studies and joint ventures
submitted by the Ministerial Council for approval.
4. Review reports and studies, which t he Secretary-General is charged to
prepare.
5. Approve the bases for dealing with other states and international
organizations.
6. Approve the rules of procedure of the Commission for the Settlement of
Disputes and nominate its members.
7. Appoint the Secretary-General.
8. Amend the Charter of the Cooperation Council.
9. Approve the Council's internal rules of procedure.
10. Approve the budget of the Secretariat General.
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ARTICLE NINE
Voting in the Supreme Council
The Cooperation Council shall be formed of the six states that participated in
the Foreign Ministers' meeting held in Riyadh on 4 February 1981.
1. Each member of the Supreme Council shall have one vote.
2. Resolutions of the Supreme Council in substantive matters shall be
carried by unanimous approval of the member states participating in the
voting, while resolutions on procedural matters shall be carried by
majority vote.
ARTICLE TEN
Commission for the Settlement of Disputes
1. The Cooperation Council shall have a commission called ''The
Commission for the Settlement of Disputes'' which shall be attached to
the Supreme Council.
2. The Supreme Council shall establish the composition of the Commission
for every case on an "ad hoc" basis in accordance with the nature of the
dispute.
3. If a dispute arises over interpretation or implementation of the Charter and
such dispute is not resolved within the Ministerial Council or the Supreme
Council, the Supreme Council may refer such dispute to the Commission
for the Settlement of Disputes.
4. The Commission shall submit its recommendations or opinion, as
applicable, to the Supreme Council for such action as the Supreme
Council deems appropriate.
ARTICLE ELEVEN
Ministerial Council
I .The Ministerial Council shall be formed of the Foreign Ministers of the
member states or other delegated ministers. The Council Presidency
shall be for the member state, which presided the last ordinary session of
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the Supreme Council, or if necessary, for the state which is next to
preside the Supreme Council.
2. The Ministerial Council shall convene every three months and may hold
extraordinary sessions at the invitation of any member seconded by
another member.
3. The Ministerial Council shall determine the venue of its next session.
4. A Council's meeting shall be deemed valid if attended by two-thirds of the
member states.
ARTICLE TWELVE
Functions of the Ministerial Council
I. Propose policies, prepare recommendations, studies and projects aimed
at developing cooperation and coordination between member states in
various fields and adopt the resolutions or recommendations required in
this regard.
2. Endeavour to encourage, develop and coordinate activities existing
between member states in all fields. Resolutions adopted in such matters
shall be referred to the Ministerial Council for further submission, with
recommendations to the Supreme Council for appropriate action.
3. Submit recommendations to the Ministers concerned to formulate policies
whereby the Cooperation Council's resolutions may be put into effect.
4. Encourage means of cooperation and coordination between the various
private sector activities, develop existing cooperation between the
member states' Chamber of Commerce and Industry, and encourage the
movement within the GCC of workers who are citizens of the member
states.
5. Refer any of the various aspects of cooperation to one or more technical
or specialized committee for study and presentation of appropriate
recommendations.
6. Review proposals related to amendments to this Charter and submit
appropriate recommendations to the Supreme Council.
7. Approve Rules of Procedure of both the Ministerial Council and the
Secretariat General.
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8. Appoint the Assistant Secretaries-General, as nominated by the
Secretary-General, for a period of three year, renewable.
9. Approve periodic reports as well as internal rules and regulations relating
to administrative and financial affairs proposed by the Secretary-General,
and submit recommendations to the Supreme Council for approval of the
budget of the Secretariat General.
10. Make arrangements for meetings of the Supreme Council and prepare
its agenda.
11. Review matters referred to it by the Supreme Council.
ARTICLE THIRTEEN
Voting in the Ministerial Council
1. Every member of the Ministerial Council shall have one vote.
2. Resolutions of the Ministerial Council in substantive matters shall be
carried by unanimous vote of the member state present and participating
in the vote, and in procedural matters by majority vote.
ARTICLE FOURTEEN
The Secretariat General
1. The Secretariat General shall be composed of a Secretary-General who
shall be assisted by assistants and a number of staff as required.
2. The Supreme Council shall appoint the Secretary-General, who shall be a
citizen of one of the Cooperation Council states, for a period of three
years, which may be renewed once only.
3. The Secretary-General shall nominate the Assistant Secretaries-General.
4. The Secretary-General shall appoint the Secretariat General staff from
among the citizens of member states, and may not make exceptions
without the approval of the Ministerial Council.
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5. The Secretary-General shall be directly responsible for the work of the
Secretariat General and the smooth flow of work In its various
organizations. He shall represent the Cooperation Council with other
parties within the limits of the authority vested in him.
ARTICLE FIFTEEN
Functions of the Secretariat General
The Secretariat General shall:
1. Prepare studies related to cooperation and coordination, and to integrated
plans and programs for member states' action.
2. Prepare periodic reports on the work of the Cooperation Council.
3. Follow up the implementation by the member states of the resolutions and
recommendations of the Supreme Council and Ministerial Council.
4. Prepare reports and studies requested by the Supreme Council or
Ministerial Council.
5.
Prepare the draft of administrative and financial regulations
commensurate with the growth of the Cooperation Council and its
expanding responsibilities.
6. Prepare the budgets and closing accounts of the Cooperation Council.
7. Make preparations for meetings and prepare agendas and draft
resolutions for the Ministerial Council.
8. Recommend to the Chairman of the Ministerial Council the convening of
an extraordinary session of the Council when necessary.
9. Any other tasks entrusted to it by the Supreme Council or Ministerial
Council.
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ARTICLE SIXTEEN
The Secretary-General and the Assistant Secretaries-General and all the
Secretariat General staff shall carry out their duties in complete
independence and for the joint benefit of the member states.
They shall refrain from any action or behavior that is incompatible with their
duties and from divulging confidential matters relating to their appointments
either during or after their tenure of office.
ARTICLE SEVENTEEN
Privileges and Immunities
1. The Cooperation Council and its organizations shall enjoy on the
territories of all member states such legal competence, privileges and
immunities as are required to realize their objectives and carry out their
functions.
2. Representatives of the members on the Council, and the Council's
employees, shall enjoy such privileges and immunities as are specified in
agreements to be concluded for this purpose between the member states.
A special agreement shall organize the relation between the Council and
the state in which it has its headquarters.
3. Until such time as the two agreements mentioned in item 2 above are
prepared and put into effect, the representatives of the member states in
the Cooperation Council and its staff shall enjoy the diplomatic privileges
and immunities established for similar organizations.
ARTICLE EIGHTEEN
Budget of the Secretariat General
The Secretariat General shall have a budget to which the member states
shall contribute in equal amounts.
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ARTICLE NINETEEN
The Implementation of the Charter
1. This Charter shall go into effect as of the date it is signed by the Head of
States of the six member states named in this Charter's preamble.
2. The original copy of this Charter shall be deposited with the Ministry of
Foreign Affairs of the Kingdom of Saudi Arabia which shall act as
custodian and shall deliver a true copy thereof to every member state,
pending t he establishment of the Secretariat General, at which time the
latter shall become depository.
ARTICLE TWENTY
Amendments to the Charter
1. Any member state may request an amendment of this Charter.
2. Request for Charter amendments shall be submitted to the SecretaryGeneral who shall refer t hem to the member states at least four months
prior to submission to the Ministerial Council.
3. An amendment shall become effective if unanimously approved by the
Supreme Council.
ARTICLE TWENTYONE
Closing Provisions
No reservations may be voiced in respect of the provisions of this Charter.
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ARTICLE TWENTYTWO
The Secretariat General shall arrange to deposit and register copies of t his
Charter with the League of Arab States and the United Nations, by
resolution of the Ministerial Council.
This Charter is signed on one copy in the Arabic language at Abu Dhabi
City, United Arab Emirates, on 21 Rajab 1401 corresponding to 25 May
1981.
The United Arab Emirates
The State of Bahrain
The Kingdom of Saudi Arabia
The Sultanate of Oman
The State of Qatar
The State of Kuwait
Remark
1) Fundort: http://www.gcc-sg.org/Charter.html
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