Perspektiven Oktober 2016
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Perspektiven Oktober 2016
BayernLB Research | 02.12.2016 Ausblick 2017 - Perspektiven BayernLB Research Beachten Sie bitte den/die Hinweis/e auf der/den letzten Seite/n www.research.bayernlb.de, Bloomberg: BAYR Dezember 2016 Ausblick 2017 - Perspektiven Turbulenzen, aber keine Zinswende! Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 2 Impressum Perspektiven abgeschlossen am: 30. November 2016 BayernLB Research Bayerische Landesbank 80277 München (Briefadresse) E-Mail: [email protected] Leitung: Dr. Jürgen Michels, Telefon 089 2171-21750 Redaktion: Hubert Siply, Telefon 089 2171-21307 Layout&Grafik: Ingo Bothner, Telefon 089 2171-21787 BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 3 Editorial Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, Dr. Jürgen Michels, Chefvolkswirt und Leiter Research gemessen an den politischen Erdbeben ist das Jahr 2016 an den Finanzmärkten wie auch konjunkturell recht glimpflich verlaufen. Aus unserer Sicht sind die politischen Beben aber noch nicht beendet. Sowohl das Brexit-Votum als auch die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten werden ihre Wirkung erst 2017 richtig entfalten. Dabei kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur erahnen, wie sich diese beiden Schockwellen entwickeln und welche Konsequenzen sie haben. Das macht die Prognosen für Konjunktur und Finanzmärkte noch unsicherer als sie es in dem fragilen, von historisch hohen Verschuldungsquoten geprägten Umfeld ohnehin schon sind. Letztlich gehen wir davon aus, dass die Verwerfungen in Kombination mit neuen politischen Eruptionen die Weltwirtschaft im Jahr 2017 zwar dämpfen und für eine hohe Volatilität an den Märkten sorgen werden. In unserem Basisszenario erwarten wir aber weder einen globalen Konjunktureinbruch noch einen Tsunami an den Finanzmärkten. Vielmehr wird sich die graduelle Erholung der Weltwirtschaft fortsetzen. Brexit-bedingt werden die europäischen Ökonomien im Gegensatz zu den meisten anderen Regionen aber eine Wachstumsverlangsamung hinnehmen müssen. Zudem gibt es 2017 in Europa eine Reihe von Wahlterminen, bei denen eine weitere Verschiebung der politischen Tektonik – nicht zuletzt ausgelöst durch die Angst der Mittelschicht vor einem Absturz – zu sehr viel dramatischeren Beben als 2016 führen könnte. In einem Sonderkapitel diskutieren wir daher den politischen Ausblick für Europa und kommen zum Schluss, dass das wahrscheinlichste Szenario ein „Durchwurschteln“ mit mehr oder weniger verdeckten Maßnahmen auf dem Weg zu einer weiteren „Vergemeinschaftung“ ist. Die Probleme werden weiter in die Zukunft verschoben und das System bleibt fragil. Eine von der EU-Kommission angestrebte Intensivierung der europäischen Integration erscheint uns hingegen wenig aussichtsreich. Sollten „politische Unfälle“, die – wie wir 2016 gelernt haben – nicht auszuschließen sind, zum Erfolg populistischer Parteien, insbesondere in Italien oder Frankreich führen, kann es schlimmstenfalls zum Zerfall der Währungsunion und der EU kommen. Wir halten das nicht für wahrscheinlich. Sollte es dennoch soweit kommen, verlören nicht nur die Politiker in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten die Kontrolle, sondern auch die EZB wäre nicht mehr in der Lage, die Märkte zu kontrollieren. Es würde zu einem Markt-Tsunami mit drastischen Kursverlusten und globalen Auswirkungen kommen. Die Akteure an den Finanzmärkten werden die politischen Entwicklungen intensiv verfolgen und insbesondere im Vorfeld wichtiger Termine sehr nervös auf aktuelle Nachrichten reagieren. Daneben werden die Zentralbanken, wie in den vergangenen Jahren, das Marktgeschehen mit ihren Zinsentscheidungen und Wertpapierkäufen beeinflussen. Ausgehend vom Anstieg der Inflationserwartungen und der Renditen in den USA nach der Wahl stellt sich dabei die Frage, ob dieser Renditeanstieg nachhaltig ist und 2017 zum Jahr der Zinswende wird. Wir beantworten diese Frage, zumindest mit Blick auf die globalen Entwicklungen und Europa, mit Nein. Aus unserer Sicht ist die Weltwirtschaft wegen der in vielen Ländern nach wie vor hohen Verschuldung nicht auf einen nachhaltigen und ausgeprägten Zinsanstieg vorbereitet. Ein übermäßiger Anstieg der Zinsen in den USA würde in einer Reihe von Schwellenländern so starke wirtschaftliche Turbulenzen auslösen, dass diese die globale Erholung gefährden könnten. Wir gehen davon aus, dass derartige Kollateralschäden bei der Ausgestaltung der (Geld-)Politik in den USA berücksichtigt werden und die von Trump in Aussicht gestellten fiskalischen Lockerungsmaßnahmen nur zu einem kleineren Teil umgesetzt werden. Es wird also Turbulenzen, aber keine Zinswende geben. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 4 Aber auch eine moderate fiskalische Lockerung in den USA reicht aus, unsere Renditeprognosen sowohl für 2017 als auch für die kommenden fünf Jahre etwas anzuheben. Wir stellen unsere aktualisierten Mittelfrist-Projektionen in dieser Ausgabe vor. Um eine spürbare Verschärfung der Finanzierungskonditionen zu verhindern, erwarten wir, dass die Fed 2017 ihren flachen Zinserhöhungspfad mit nur zwei kleinen Schritten fortsetzt. Die anderen großen Zentralbanken (EZB, BoJ und BoE) werden ihre Kaufprogramme dagegen sogar ausweiten und dem globalen Zinsanstieg entgegenwirken. Wie wir aber 2016 an verschiedenen Punkten erfahren haben, haben die Zentralbanker einen Teil ihrer Marktmacht bereits eingebüßt. Daher präsentieren wir in einem weiteren Sonderkapitel nicht nur ausführlich unsere Leitzinsprognosen, sondern analysieren, was bei den Kapitalmarktzinsen alles schief gehen kann. Doch zurück zu unserem Basisszenario. Wir erwarten 2017 ein moderates Wachstum der Weltwirtschaft mit langsam steigenden Inflationsraten in den fortgeschrittenen Ländern und eine insgesamt lockere, wenn auch divergierende Geldpolitik. Bei leicht steigenden Renditen an den Staatsanleihemärkten, die auch zu einer moderaten Ausweitung der CreditSpreads führen sollten, dürfte 2017 nach vielen erfolgreichen Jahren zu einem schwierigen Jahr an den Rentenmärkten werden. Trotz der Ausweitung des Transatlantik-Spreads sowohl bei Staatsanleihen als auch bei Investment Grade Credits schneiden aufgrund der höheren Coupons bei Währungsabsicherung US-Investments besser ab als die in europäische Kernmärkte. Aufgrund einer weiteren Aufwertung des Dollars gegenüber dem Euro, bei der 2017 durchaus die Parität kurzfristig getestet werden könnte, sind die US-Märkte darüber hinaus sehr attraktiv. Innerhalb des Euro-Raums dürften die zahlreichen politischen Unwägbarkeiten den Druck auf die Peripheriestaaten hoch halten und es insbesondere bei Covered Bonds zu Spread-Ausweitungen kommen. Für Aktien erwarten wir 2017 trotz derzeit noch zu optimistischer Gewinnschätzungen und der Fortsetzung des FedZinserhöhungspfads höhere Notierungen. Dank des schwächeren Euro-Außenwerts sollten die europäischen Märkte dabei die Nase vor den bereits sehr ambitioniert bewerteten USMärkten haben. An allen Märkten werden wir es wegen der politischen Unsicherheit mit erhöhter Volatilität zu tun haben. Die Unsicherheit bezieht sich dabei nicht nur auf den Eintritt der politischen Risiken, sondern auch darauf, wie der Markt darauf reagiert. Insbesondere nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten war festzustellen, dass sich Markteinschätzungen innerhalb kürzester Zeit komplett umkehren können. Auch wenn uns mit dem Referendum über die Verfassungsänderung in Italien – bei dem wir eine Ablehnung erwarten – und wichtigen Sitzungen der EZB und der Fed bis Weihnachten noch turbulente Wochen bevorstehen könnten, wünsche ich Ihnen im Namen des Research-Teams der BayernLB eine friedvolle und besinnliche Adventszeit. Mit besten Grüßen Dr. Jürgen Michels BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 5 Inhalt Impressum.............................................................................................................................. 2 Editorial .................................................................................................................................. 3 Inhalt....................................................................................................................................... 5 Das Wichtigste im Überblick .................................................................................................. 6 Prognosen Gesamtwirtschaft ................................................................................................. 9 Prognosen Zins- und Rentenmärkte .................................................................................... 10 Prognosen Aktien, Devisen und Rohstoffe .......................................................................... 11 Sonderkapitel Europa mit Zerfallserscheinungen ....................................................................................... 12 Ausblick Geldpolitik: Was 2017 schief gehen kann ............................................................. 19 Fernglas: Politische Dominanz............................................................................................. 26 5-Jahres-Prognosen ............................................................................................................. 33 Rohstoffe: Trump sorgt nicht für Trendwende ..................................................................... 34 USA: Jahr 1 unter Präsident Trump ..................................................................................... 35 Euro-Raum: Ein schwieriges Jahr voraus ............................................................................ 39 Deutschland: Weltpolitisches Wildwasser ............................................................................ 43 Weitere Industrieländer ........................................................................................................ 47 Japan: Wirtschaft stabilisiert sich - Notenbankexperiment könnte gelingen Großbritannien: Die Brexit-Rechnung kommt noch Schwellenländer ................................................................................................................... 49 China: Das Wachstum verlangsamt sich weiter Türkei: Tourismus und (Auslands-)Investitionen dämpfen das Wachstum Devisen: Dollar-Stärke nach Trump-Sieg dürfte noch etwas weitergehen .......................... 50 Rentenmärkte: Neue Welt nach Trump? ............................................................................. 54 Aktienmärkte: Chancen überwiegen noch ........................................................................... 57 Das Research-Team der BayernLB ..................................................................................... 61 Disclaimer:............................................................................................................................ 62 Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................ 62 BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 6 Das Wichtigste im Überblick Globales Umfeld: Etwas höheres Wachstum mit vielen Fragezeichen Globale Wachstums- und Inflationsprognose marginal höher Die Aussichten für die Weltwirtschaft haben sich nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten wenig verändert und wir gehen für 2017 mit 2,7% und 2018 mit 3,0% von leicht höheren Wachstumsraten der Weltwirtschaft aus. Die Unsicherheit hat sich jedoch weiter erhöht. Politische Risiken sowohl in Europa, wo neben dem Beginn der Brexit-Verhandlungen wichtige Wahltermine anstehen, als auch in den USA können die Finanzmärkte stark beeinflussen und auch den Konjunkturverlauf dramatisch verändern. Dabei kommt es darauf an, wie stark die Zinsen mit der erwarteten fiskalischen Lockerung steigen, und ob dies zu Folgeschäden in den Schwellenländern führt. Höhere Preise für Öl und andere Rohstoffe leisten einen wichtigen Beitrag zum Anstieg der Inflationsraten in den Industrieländern. Obwohl sich die Produktionslücken in einigen Ländern mittlerweile geschlossen haben, ist bisher nur ein geringer Lohndruck zu verzeichnen. Daher verharren die Kerninflationsraten auf niedrigem Niveau und geben wenig Anlass zu einer deutlichen Straffung der Geldpolitik. Trotz des moderaten Zinserhöhungspfades der Fed wird die Geldpolitik weltweit locker bleiben. 2017 wird aus unserer Sicht nicht das Jahr einer dramatischen globalen Zinswende. Rohstoffmärkte: Trump-Sieg belastet Rohöl- und Goldpreisentwicklung Rohöl- und Goldpreisprognosen leicht niedriger Der Rohölpreis liegt weiter in einer Range zwischen 42 und 55 USD. Die Fundamentaldaten haben sich im November wenig geändert. Bis zuletzt haben Spekulationen über eine verbindliche Festlegung bereits vereinbarter Produktionsobergrenzen der OPECLänder den Ölpreis getrieben. Der Wahlsieg von Donald Trump hat dagegen bisher kaum dämpfende Effekte auf den Ölpreis. Allerdings dürften die angekündigten Maßnahmen die US-Produktion mittelfristig antreiben. Auch deshalb erwarten wir auf Sicht der kommenden Monate einen stabilen Ölpreis von rund 45 USD je Fass. Seit dem überraschenden Wahlsieg von Donald Trump ist der Goldpreis deutlich gesunken und notiert gegenwärtig mit ca. 1.180 Dollar je Feinunze unterhalb der gleitenden 200-Tage-Durchschnittslinie. Der nächste Zinsschritt in den USA im Dezember und die weitere Dollar-Aufwertung bilden weitere Belastungsfaktoren. Angesichts politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten scheint das weitere Rückschlagpotenzial aber begrenzt. Wir erwarten eine moderate Kurserholung und sehen den Goldpreis auf Jahressicht bei 1.300 Dollar je Feinunze. USA: Jahr 1 unter Präsident Trump Wachstumsprognosen für 2016 und 2017 leicht nach oben angepasst Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat unser Konjunkturbild verändert. Wir gehen allerdings nur von einer begrenzten Umsetzung der im Wahlkampf angekündigten Wirtschaftspolitik aus. Der Fokus wird wohl auf konjunkturstimulierenden Maßnahmen liegen. Entsprechend haben wir unsere BIP-Prognose für 2017 leicht nach oben angepasst und erwarten für 2018 ein BIP-Wachstum von 2,9%. Die Inflationsprognosen haben wir angesichts des niedrigen Ölpreises für 2016/17 abwärtsrevidiert, 2018 sollte sich die starke Konjunkturbelebung dann auch in höheren Verbraucherpreisen widerspiegeln und die Inflationsrate auf 2,5% bringen. Da die Finanzmärkte moderat auf Trumps Wahlsieg reagiert haben, steht der Zinsanhebung im Dezember 2016 nichts mehr entgegen. Im Jahr 2017 erwarten wir weiterhin nur zwei Zinsschritte Mitte und Ende des Jahres, 2018 sollten es dann drei Zinserhöhungen werden. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 7 Euro-Raum: Ein schwieriges Jahr voraus Wachstum fällt 2017 deutlich geringer aus 2017 verspricht ein turbulentes Jahr für die Währungsunion zu werden. Auf der politischen Ebene sind Wahlsiege von populistischen Kräften ein hohes Risiko. Auf konjunktureller Ebene drohen der Brexit-Prozess und der von US-Seite ausgelöste Zinsanstieg die Investitionstätigkeit zu bremsen. Die EZB wird einer möglichen Spirale aus steigenden Zinsen und Risikoprämien und konjunktureller Schwäche zwar entschlossen entgegen treten. Die expansive Wirkung der Geldpolitik dürfte trotz der von uns erwarteten Fortführung des QE-Programms über das gesamte Jahr 2017 hinaus aber geringer als in den beiden Vorjahren ausfallen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir auch 2017 einen spürbaren Impuls der Fiskalpolitik, der verhindern sollte, dass sich die Konjunktur stark eintrübt. Unter dem Strich dürfte sich das Wachstum im Euro-Raum 2017 auf 0,8% verlangsamen. Vor allem in der ersten Jahreshälfte erwarten wir eine geringe konjunkturelle Dynamik. Die Inflationsrate wird zwar zunächst weiter zulegen. Der zugrunde liegende Preisauftrieb wird sich aber nicht deutlich beschleunigen und die Inflations- wie auch die Kerninflationsrate dürften zum Jahresende 2017 unter 1,5% liegen. Deutschland: Weltpolitisches Wildwasser Keine Prognoseänderung Die Konjunktur hat sich nach dem überraschenden Brexit-Votum im Sommer leicht abgeschwächt. Die Aussichten zum Jahresende sind aber positiv. 2017 dürfte eine Investitionszurückhaltung im Zuge des Beginns der Brexit-Verhandlungen für konjunkturelle Bremseffekte sorgen, während sich die konjunkturstimulierenden Maßnahmen der Regierung Trump in den USA ab der zweiten Jahreshälfte 2017 positiv auf die deutsche Wirtschaft auswirken dürften. Entsprechend fällt auch der Ausblick für 2018 positiv aus und wir erwarten einen Anstieg der BIP-Wachstumsrate auf 1,5%. Hauptstütze der Konjunktur bleibt der Konsum. Während die gute Finanzierungssituation des Staates und die Flüchtlingsaufnahme zu steigenden öffentlichen Ausgaben führen, bleibt der private Konsum durch die anhaltend gute Arbeitsmarktsituation gestützt. Inflationsseitig dürfte der Anstieg der Jahresrate zu Beginn 2017 noch unterhalb der 2%-Marke zum Erliegen kommen. Die Kernrate dürfte 1,5% kaum überschreiten und damit die durchschnittliche Inflationsrate mit 1,6% auch 2017 noch unterhalb des EZBZiels bleiben. Devisen: Dollar-Stärke nach Trump-Sieg dürfte noch etwas weitergehen Prognosen in Richtung eines stärkeren Dollar geändert Bei veränderten wirtschaftspolitischen Aussichten, auch aufgrund der republikanischen Kongressmehrheiten und deutlich angehobener US-Renditeprognosen, passen wir unsere Wechselkursprognosen in Richtung eines stärkeren Dollars an. Dabei nehmen wir die größte Änderung auf Sicht von drei Monaten vor, weil wir davon ausgehen, dass zunehmende Erwartungen an die Konjunkturstimulierung den Dollar kurzfristig weiter stärken, bevor es zu einem Abspecken der Reformpläne kommt (im Zuge der anstehenden Diskussionen um die Schuldenobergrenze im März). Obwohl die Erwartungen somit teilweise enttäuscht werden dürften, rechnen wir im Jahresverlauf mit einer weiteren leichten Dollar-Aufwertung gegenüber Euro und Yen, da die Fed den Leitzins im Juni und Dezember 2017 erneut anheben sollte und die Aussicht auf eine Fortsetzung der Zinserhöhungen 2018 konkreter wird. Wir erwarten nun keine weitere Zinssenkung der BoE mehr. Da wir von einem graduelleren Abschwung der britischen Wirtschaft im Zuge der Brexit-Verhandlungen ausgehen, haben wir unsere Prognose zugunsten des Pfunds revidiert. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 8 Rentenmärkte: Niedrigzinsumfeld bleibt im Euro-Raum intakt Keine Zinswende im Euro-Raum Die neuen Wirtschaftspläne von Trump und die damit verbundenen Erwartungen an Inflation und geldpolitische Aktion sind noch nicht vollumfänglich in US-Treasuries reflektiert. Wir sehen daher im nächsten Jahr noch einen weiteren Anpassungsbedarf; insbesondere bei US-Zinsen. Aufgrund politischer Unsicherheiten auch im Euro-Raum erwarten wir eine volatile Anpassungsperiode. Für Bundrenditen rechnen wir lediglich mit einer Zinsschleife, nicht aber mit der großen Zinswende. Covered Bonds: Mehr Risiken als Chancen – wir bleiben defensiv Unseres Erachtens spiegeln sich in den historisch niedrigen Covered Bond-Spreads der EU-Peripherie nicht mehr alle potenziellen Risiken der nächsten Monate wider, weshalb wir insbesondere Italien und Spanien weiterhin untergewichten. Dagegen erwarten wir, dass sich Covered Bonds aus EU-Kernländern, skandinavische Covered Bonds und gedeckte Anleihen aus Nicht-EWR-Ländern (Australien, Kanada, Neuseeland) überdurchschnittlich entwickeln. Für den Primärmarkt rechnen wir nach 125 Mrd. Euro (2016 YTD) für 2017 Neuemissionen zwischen 120 und 130 Mrd. Euro. Corporate Bonds: Risikofaktoren belasten zunehmend Nach der fulminanten Spread-Rally seit Ankündigung des CSPP im März 2016 haben die Risikoaufschläge ihr Einengungspotenzial größtenteils ausgeschöpft. Die SpreadVolatilität wird angesichts der politischen Risiken im Euro-Raum sowie der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung im Zuge der Trump-Wahl erhöht bleiben. Während sich die Spreads der Non-Financials 2017 nur aufgrund des weiterhin aktiven CSPP halbwegs stabil halten können, werden vorranging unbesicherte Bank-Anleihen von der Einführung einer neuen Gattung von Senior-Anleihen (sog. T3-Anleihen), die im Insolvenzund Abwicklungsfall zuerst herangezogen werden, beflügelt. Aktienmärkte: Chancen überwiegen noch Moderate Anhebung der Aktienindex-Prognosen Nachdem die europäischen Aktienindizes 2016 per saldo keine Unterstützung von Bewertungsänderungen erhalten haben, erscheint uns für 2017 eine leichte Bewertungsexpansion bzw. ein moderater Rückgang der Risikoprämien plausibel. Zwar werden politische Risiken weiter belasten und für Volatilität sorgen, von der sich 2017 und 2018 leicht beschleunigenden Weltwirtschaft sollten auf Jahressicht aber positive Impulse auf die Bewertungen ausgehen, auch wenn im Jahresverlauf im Zuge der Konkretisierung des Brexit in Europa noch Bremseffekte zu erwarten sind. In unserem Prognoseszenario gehen wir von einem DAX-KGV zum Jahresende 2017 von 13,5 sowie einer Bandbreite von 10,5 bis 14,0 aus (aktueller Wert: 12,5). Bei der Unternehmensgewinnentwicklung rechnen wir nach der Gewinnflaute 2016 für das Jahr 2017 mit einem Anstieg des Ergebnisses je Aktie auf Ebene der Indizes DAX, EURO STOXX 50 und S&P 500 im mittleren einstelligen Prozentbereich, was unter den aktuellen Konsens-Prognosen von +10% bis +14% liegt. Während europäische Unternehmen von der Währungsentwicklung Unterstützung bei der Gewinnentwicklung erhalten (Euro-Abwertung), werden US-Unternehmen ihr Ergebnis je Aktie weiter durch umfangreiche Aktienrückkäufe „aufpeppen“. Für den DAX prognostizieren wir vor diesem Hintergrund einen Jahresendstand 2017 von 12.000 Punkten (bisherige Annahme: 11.500). Dabei erscheint uns eine Schwankungsbreite von 9.400 bis 12.400 Punkten plausibel. Für die übrigen von uns prognostizierten Indizes erwarten wir 2017 Jahresendstände von 3.260 (EURO STOXX 50), 2.380 (S&P 500) und 20.000 (Nikkei 225) Die stärksten Kurszuwächse (ohne Dividenden) trauen wir 2017 damit dem japanischen Nikkei 225 zu. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 9 Prognosen Gesamtwirtschaft In Prozent Welt-BIP Anteil BIP-Wachstum Inflation Öffentl. Haushaltssaldo Öffentl. Schuldenstand Leistungsbilanzsaldo zum Vorjahr zum Vorjahr gemessen am BIP gemessen am BIP gemessen am BIP 2016 USA Euro-Raum Deutschland Frankreich Italien Spanien Niederlande Belgien Österreich Griechenland Finnland Portugal Irland Japan Großbritannien Schw eiz 25,4 16,3 4,7 3,4 2,6 1,7 1,1 0,6 0,5 0,3 0,3 0,3 0,4 5,8 4,0 0,9 1,6 1,6 1,8 1,2 0,8 3,2 2,0 1,2 1,5 0,1 0,9 1,2 1,0 0,8 2,0 1,6 Fortgeschrittene Länder 1) China Asien (o. Japan/China) Indien Indonesien Lateinamerika Brasilien Mexiko Russland Mittel- und Osteuropa Türkei Naher u. Mittlerer Osten Südafrika Schw ellenländer 1) Welt Quellen: Eurostat, IWF, BayernLB (1,5) (1,5) 2017 2018 2016 (0,6) (2,9) (1,6) (1,4) (1,2) (-0,2) (0,7) (0,8) (0,0) (0,5) (1,7) (1,5) 2,2 (2,0) 0,8 1,2 0,7 0,3 1,6 1,3 1,0 0,6 0,0 0,4 0,9 -1,5 1,0 (0,7) -0,2 (-1,3) 1,1 2,9 1,4 1,5 1,1 0,8 2,5 1,7 1,3 1,2 0,0 1,1 1,5 1,7 0,9 -0,1 1,4 58,3 1,6 (1,5) 1,5 (1,3) 2,0 0,7 15,7 9,7 2,9 1,2 6,4 2,5 1,6 1,9 3,1 1,0 3,4 0,4 41,7 100 6,7 (6,6) 4,6 7,5 5,0 -1,0 -3,3 2,2 -0,7 (-0,9) 2,4 (2,5) 3,1 2,6 0,1 3,8 2,5 6,3 4,8 7,8 5,3 1,6 1,0 2,0 0,8 2,4 2,8 3,0 0,8 4,3 2,7 6,1 5,0 8,0 5,5 2,0 1,5 2,2 1,3 2,4 2,0 3,3 1,6 4,4 3,0 2,0 2,8 5,3 3,7 11,1 8,7 2,9 6,8 3,8 7,5 5,5 6,5 5,0 2,4 1) Enthält auch weitere Länder (4,9) (5,5) (1,7) (2,5) (2,5) (2,9) (2,6) "-" nicht verfügbar 1,2 (1,3) 0,3 0,5 0,2 -0,1 -0,5 0,5 1,8 0,8 -1,0 0,2 0,4 0,2 -0,2 (-0,3) 0,7 -0,4 (1,8) (2,9) (4,0) (4,9) 2017 2018 2016 2,0 (2,2) 1,4 1,6 0,8 1,0 1,1 1,4 1,4 1,7 2,9 1,3 1,2 1,5 0,6 (0,2) 3,0 0,2 2,5 1,4 1,7 0,8 1,0 1,1 1,4 1,4 1,7 2,9 1,3 1,2 1,5 0,4 3,0 0,6 -5,0 -2,1 0,5 -3,6 -3,0 -4,6 -1,8 -3,0 -1,2 -3,5 -2,7 -3,0 -1,5 -5,1 -4,0 -0,2 1,7 1,9 -3,9 2,4 3,2 5,5 4,5 7,7 5,0 3,2 4,4 4,2 8,0 5,8 5,5 4,4 2,9 -3,0 -7,0 -2,5 -10,4 -3,0 -3,3 -2,0 -3,9 -4,7 - 2,3 3,0 5,3 4,2 9,5 6,1 3,5 4,9 4,2 7,7 6,1 6,0 4,8 2,9 (2,0) (3,2) (4,5) (9,3) (3,0) (7,2) (5,1) (6,3) (4,5) (-2,2) (0,3) (-4,0) (-4,0) (-3,5) (-7,1) (-2,8) (-8,7) (-3,5) (-3,5) (-3,7) 2017 2016 2017 2018 2016 2017 2018 (-4,5) (-3,0) (-0,2) -5,6 -1,9 0,2 -3,2 -3,0 -3,0 -1,9 -2,8 -0,8 -3,2 -2,5 -2,8 -2,1 -3,8 -3,5 0,2 107,4 92,4 68,6 97,3 134,0 100,7 64,0 104,8 83,8 183,4 64,0 129,5 78,1 233,1 89,7 45,0 109,0 92,8 66,6 99,2 136,2 101,5 63,7 105,4 82,7 184,9 64,5 130,4 79,3 234,3 91,0 44,5 109,1 93,2 64,4 100,5 137,8 101,0 62,9 105,5 81,0 185,4 64,6 130,5 78,8 235,1 91,8 43,5 -2,7 3,5 9,0 -2,1 2,4 1,7 8,7 0,6 2,8 0,5 -0,7 0,5 7,8 4,0 -5,5 10,0 -2,7 3,3 8,8 -2,3 2,2 1,5 8,3 0,5 2,8 1,0 -0,8 0,8 7,0 4,1 -4,5 9,5 -2,6 3,1 8,6 -2,6 2,0 1,5 8,0 0,5 2,7 1,5 -0,7 1,2 6,5 -4,3 -3,5 9,5 -4,0 (-3,8) -3,9 116,4 117,5 117,8 0,3 0,3 -0,7 -3,3 -6,7 -2,6 -9,1 -3,0 -2,5 -3,0 -3,8 -4,4 - -3,0 -6,5 -2,8 -8,0 -2,5 -2,3 -3,5 -3,7 -3,8 - 46,3 68,5 27,5 78,3 56,0 17,8 32,0 51,7 47,2 - 49,5 67,2 28,2 82,4 56,1 18,8 32,5 53,3 48,9 - 52,5 65,6 29,2 85,2 55,8 19,5 33,0 54,6 50,3 - 3,0 -1,3 -2,3 -0,8 -2,7 1,9 -5,0 -3,3 -0,3 - 2,8 -1,8 -2,3 -1,3 -2,8 2,3 -5,0 -3,2 -0,4 - 2,6 -2,0 -2,5 -1,5 -3,0 2,6 -5,5 -3,5 -0,5 - -5,8 -2,0 0,2 -3,5 -3,2 -3,6 -2,1 -3,0 -1,0 -3,7 -2,6 -2,8 -1,8 -4,0 -3,8 -0,1 (-5,2) (0,0) (-2,9) (-2,5) (-2,8) (-8,5) (-3,0) (-1,5) (-3,6) (-4,2) 2018 alte Prognosen in Klammern BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 10 Prognosen Zins- und Rentenmärkte Zinsen und Renditen in %, Spreads in Basispunkten Stand am 29.11.2016 in 3M Feb 2017 in 6M Mai 2017 in 12M Nov 2017 0,00 0,25 -0,75 1,50 0,05 0,25 - 0,50 -0,1 - 0,1 0,00 0,25 -0,75 1,50 0,05 0,50 - 0,75 -0,1 - 0,1 0,00 0,25 -0,75 1,50 0,05 0,50 - 0,75 -0,1 - 0,1 0,00 0,25 -0,75 1,50 0,05 0,75 - 1,00 -0,1 - 0,1 0,94 1,09 1,77 2,29 2,95 -0,31 -0,75 -0,46 0,22 0,87 1,00 1,30 2,00 2,60 3,20 -0,34 -0,80 -0,50 0,40 1,10 1,15 1,40 1,90 2,40 3,10 -0,35 -0,80 -0,50 0,30 1,00 1,30 1,80 2,40 2,70 3,30 -0,35 -0,70 -0,40 0,60 1,30 97 120 184 207 38 120 130 210 220 35 110 100 220 210 37 130 90 250 210 35 0,39 1,37 -0,75 -0,16 1,63 3,59 0,29 0,53 0,06 0,02 0,40 1,40 -0,80 -0,05 1,70 3,70 0,30 0,70 0,00 0,00 0,40 1,10 -0,80 -0,15 1,70 3,60 0,30 0,60 0,00 0,00 0,35 1,20 -0,75 0,15 1,70 3,90 0,30 0,90 0,00 0,00 Ø 6,3 Jahre Ø 5,1 Jahre 81 65 75 70 75 65 85 60 Ø 4,9 Jahre 17 20 25 25 Leitzinsen Euro-Raum Großbritannien 2) Schweiz Polen Tschechien USA 2) Japan USA/Euro-Raum USA Euro-Raum Rendite Spreads Bunds US Treasuries Treasuries. vs. Bunds Swap vs. Bund 3M USD-Libor 2 Jahre 5 Jahre 10 Jahre 30 Jahre 3M Euribor 2 Jahre 5 Jahre 10 Jahre 30 Jahre Steilheit 2-10 Steilheit 2-10 Spread 2 Jahre Spread 10 Jahre Spread 10 Jahre Ausgewählte Staatsanleihemärkte Großbritannien 3 Monate 10 Jahre Schweiz 3 Monate 10 Jahre Polen 3 Monate 10 Jahre Tschechien 3 Monate 10 Jahre Japan 3M Tibor 10 Jahre Corporate Bonds iBoxx € Non-Financials iBoxx € Financials (Senior) Covered Bonds iBoxx € Covered 1) Quelle: BayernLB 1) Monatsendstände 2) Einlagesatz USA: Treasuries; Euro-Raum: Bundesanleihen BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 11 Prognosen Aktien, Devisen und Rohstoffe Stand am 29.11.2016 in 3M Feb 2017 in 6M Mai 2017 in 12M Nov 2017 1) Aktienindizes DAX EURO STOXX 50 S&P 500 Nikkei 225 Devisen Dollar Japanischer Yen Britisches Pfund Schweizer Franken Schwedische Krone Norwegische Krone Kanadischer Dollar Australischer Dollar Chinesischer Renminbi Polnischer Zloty Tschechische Krone Südafrikanischer Rand USD pro EUR JPY pro EUR JPY pro USD GBP pro EUR USD pro GBP CHF pro EUR CHF pro USD SEK pro EUR SEK pro USD NOK pro EUR NOK pro USD CAD pro EUR CAD pro USD AUD pro EUR USD pro AUD CNY pro EUR CNY pro USD PLN pro EUR PLN pro USD CZK pro EUR CZK pro USD ZAR pro EUR ZAR pro USD Rohstoffe Rohöl-Brent (Dollar je Fass) Gold (Dollar je Feinunze) Quelle: BayernLB 10.620 3.038 2.205 18.307 11.000 3.110 2.260 18.800 10.900 3.040 2.220 18.200 11.800 3.240 2.360 19.700 1,07 120 112 0,85 1,25 1,08 1,01 9,77 9,18 9,09 8,53 1,43 1,34 1,42 0,75 7,33 6,90 4,44 4,17 27,1 25,4 14,8 13,9 1,03 118 115 0,90 1,14 1,07 1,04 9,75 9,47 9,35 9,08 1,45 1,41 1,45 0,71 7,21 7,00 4,40 4,27 27,0 26,2 15,7 15,2 1,03 118 115 0,92 1,12 1,06 1,03 9,75 9,47 9,35 9,08 1,45 1,41 1,45 0,71 7,21 7,00 4,40 4,27 27,0 26,2 16,3 15,8 1,02 120 118 0,95 1,07 1,05 1,03 9,60 9,41 9,40 9,22 1,45 1,42 1,45 0,70 7,24 7,10 4,45 4,36 26,5 26,0 17,0 16,7 46 1.188 45 1.200 45 1.250 45 1.300 1) Monatsendstände BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 12 Europa mit Zerfallserscheinungen Risiko eines Zerfalls der EU nach Brexit und Wahlsieg Donald Trumps gestiegen Die Zukunft Europas und insbesondere der Europäischen Union ist nach der Entscheidung der Briten, aus der EU auszutreten (Brexit), ungewiss. Das Risiko eines Zerfalls der EU ist seit unserer Analyse vom vergangenen Jahr („Europa vor der Zerreißprobe“) weiter gestiegen, besteht doch die Gefahr, dass der Brexit anderen Mitgliedsstaaten der Union als eine Art Blaupause für den eigenen Ausstieg dienen könnte. Hinzu kommt die unerwartete Wahl Donald Trumps zum neuen Präsidenten der USA, die den Rechtspopulisten, die sich oftmals für eine komplette Rückkehr zur Nationalstaatlichkeit einsetzen, bei den 2017 anstehenden Wahlen zusätzlichen Auftrieb verleihen könnte. Weitere „Beschleuniger“ sind ultraexpansive EZBPolitik, Reformstau und Flüchtlingskrise Weitere „Beschleuniger“ des Zerfalls der EU oder des Euro-Raums sind die Flüchtlingskrise, der Reformstau und die damit verbundene nachhaltig schwache Wirtschaftsentwicklung in einigen Ländern Süd- und Westeuropas sowie die ultra-expansive Geldpolitik der EZB. Da ein Ende der Niedrigzinsphase im Euro-Raum nicht absehbar ist, ruft dies mehr und mehr den Unmut der Bevölkerung in den wirtschaftsstärkeren Ländern, insbesondere in Deutschland, hervor. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ließ sich bei einer Preisverleihung jüngst sogar dazu verleiten, der EZB eine Mitschuld am Erstarken der rechtspopulistischen AfD zu geben. Die anhaltend schwache wirtschaftliche Entwicklung infolge des nur in kleinen Schritten vorankommenden Reformprozesses in Ländern wie Italien und Frankreich lässt populistische Parteien weiter erstarken. In Italien bekommt Ministerpräsident Renzi den Druck der Anti-Establishment-Bewegung „Movimento 5 Stelle“ um den Komiker Beppe Grillo, der sich für einen Ausstieg aus dem Euro ausgesprochen hat, deutlich zu spüren. Das von Renzi initiierte Verfassungsreferendum (am 4. Dezember), könnte zwar zu mehr politischer Stabilität in Italien beitragen, es erhöht aber auch die Gefahr, dass Grillo – unter sehr ungünstigen Umständen – nach Neuwahlen die Regierung stellen könnte. Des Weiteren ist die Flüchtlingskrise noch lange nicht ausgestanden. Sollte diese 2017 wieder an Dynamik gewinnen – beispielsweise aufgrund einer Aufkündigung des EUTürkei-Deals seitens der Türkei (EU verwehrt Visafreiheit) oder gar der EU infolge der jüngsten Entwicklungen in der Türkei (Entmachtung Parlament, evtl. Wiedereinführung Todesstrafe, Unterdrückung Pressefreiheit) – wäre das Wasser auf die Mühlen rechtspopulistischer Parteien. Insgesamt haben sich die politischen Risiken in Europa im Vergleich zum vergangenen Jahr weiter erhöht. Höchstrichterliches Urteil ist Stolperstein für Brexit Blockade des Brexit durch britisches Parlament unwahrscheinlich Was den Brexit angeht, musste die neue Premierministerin May schon einen herben Rückschlag hinnehmen: Anfang November entschieden die Richter des Londoner High Court, dass die britische Regierung für die Auslösung des EU-Austrittsartikels 50 die Zustimmung des Parlaments benötigt. Sollte dieses Urteil bestätigt werden – die Regierung hat Berufung beim Supreme Court (Oberstes Gericht) eingelegt – könnte theoretisch die Opposition zusammen mit Abweichlern aus der Regierungsfraktion den Austrittsantrag aus der EU blockieren. Die Anhörung vor dem Supreme Court wird Anfang Dezember stattfinden, mit einem Urteil wird im Januar 2017 gerechnet. Dass der Einreichung des Austrittsgesuchs durch das Urteil noch abgewendet wird, ist indes sehr unwahrscheinlich. Auch wir gehen nicht davon aus. So hat der Oppositionsführer und Chef der Labour-Partei Jeremy Corbyn bereits verlauten lassen, das Ergebnis des EU-Referendums nicht unterminieren zu wollen. Allerdings ist das Risiko eines „harten“ Brexit, d.h. ein Verlust des Zugangs Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt, mit dem Urteil – sollte es bestätigt werden – gesunken. Auch der von May angepeilte Termin zur Einreichung des Austrittsgesuches, spätestens Ende März 2017, würde bei Bestätigung des Urteils zur Disposition stehen. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 13 Populisten sehen sich europaweit im Aufwind Niederlande: Rechtspopulisten liegen in Umfragen vorn Ungeachtet dieser Unwägbarkeiten sehen sich die Populisten in anderen EU-Staaten weiter im Aufwind. In vier Staaten der EU (Niederlande, Frankreich, Deutschland und Tschechien), darunter drei Euro-Länder, stehen 2017 Parlaments- bzw. Präsidentschaftswahlen an, bei denen populistische Parteien bzw. Kandidaten gut abschneiden dürften. Die Niederländer sind am 17. März als erste dazu aufgefordert, ein neues Parlament zu wählen. Etwa seit Beginn der Grenzöffnungen für Flüchtlinge im September 2015 liegt die rechtspopulistische und EU-kritische Freiheitspartei PVV um Geert Wilders in Umfragen vorn und käme derzeit auf ca. 30 Sitze im Parlament. Dies würde einer Verdoppelung gegenüber der Wahl 2012 entsprechen. Die Regierungsbildung nach den Wahlen dürfte schwierig werden, denn die aktuelle Große Koalition, bestehend aus der liberalkonservativen VVD von Ministerpräsident Rutte und der sozialdemokratischen PvdA kommt schon seit Monaten in Umfragen nur noch auf ca. 40 Sitze (2012: 79 Sitze) und dürfte die erforderliche Mehrheit von 76 Sitzen deutlich verfehlen. Wer die Niederlande nach den Wahlen führen wird, bleibt also ungewiss, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Rechtspopulisten, in welcher Form auch immer, an der Regierung beteiligt sein werden. Wichtige Wahltermine in der EU im Jahr 2017 Quelle: Innenministerien und BayernLB Research Frankreich: Republikanischer Präsident wahrscheinlich Richtungsweisende Wahlen stehen 2017 auch in Frankreich an: Im Frühjahr wählen die Franzosen einen neuen Präsidenten und im Sommer ein neues Parlament (Nationalversammlung). Die Meinungsforschungsinstitute zeigen das recht eindeutige Bild, dass die Präsidentschaftswahl am Ende, d.h. in der Stichwahl zwischen dem republikanischen Kandidaten François Fillon und Marine Le Pen vom Front National ausgetragen wird. Aktuelle Umfragen liegen für einen Zweikampf zwischen Fillon und Le Pen zwar noch nicht vor – zu überraschend war der Erfolg Fillons bei den Vorwahlen der Republikaner –, in einer Umfrage des Instituts BVA vom September sprach sich aber eine deutliche Mehrheit von 61% für Fillon (und gegen Le Pen) aus. Die Gefahr eines radikalen Umschwungs nach den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 erscheint somit relativ gering. Weitere Terroranschläge – insbesondere kurz vor der Wahl – oder eine erneute Verschärfung der Flüchtlingskrise könnten die Stimmung im Land aber schnell drehen lassen. Es darf auch nicht unterschlagen werden, dass die Umfragen in der jüngeren Vergangenheit (Brexit, Wahlsieg Trump) die extremen Positionen unterschätzt haben. Tschechien: AntiEstablishmentBewegung ANO 2011 vorn Im Oktober 2017 findet auch eine Parlamentswahl in einem vergleichsweise jungen Mitgliedsstaat der Union, nämlich Tschechien, statt. Die Umfragen führt auch hier eine populistische Bewegung an, die selbsternannte „Aktion unzufriedener Bürger“ (ANO 2011). Bei der vorgezogenen Abgeordnetenhauswahl 2013 wurde die Partei aus dem Stand heraus BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 14 zweitstärkste Kraft im Parlament und bildet seit Anfang 2014 zusammen mit den Sozialund Christdemokraten die Regierungskoalition. Die ANO 2011 lässt sich ideologisch nur sehr schwer einordnen, sie positioniert sich aber klar gegen die etablierte politische Elite und prangert die Korruption an. Ein Austritt aus der EU wird allerdings nicht angestrebt. AfD könnte bei Bundestagwahl drittstärkste Kraft werden Deutschland: AfD kann auf zweistelliges Ergebnis hoffen Nachdem die rechtspopulistische und Euro-kritische Alternative für Deutschland (AfD) nach dem Bruch zwischen dem liberal-konservativen Flügel um Bernd Lucke und dem nationalkonservativen Flügel um Frauke Petry im Sommer 2015 eigentlich schon wieder in die Bedeutungslosigkeit zu versinken schien, verschaffte ihr die Flüchtlingskrise seit September 2015 wieder kräftigen Auftrieb. Bei den jüngsten Landtagswahlen erreichte sie durchweg zweistellige Ergebnisse, in den ostdeutschen Bundesländern lag das Ergebnis sogar jenseits der 20%-Marke. Die etablierten Parteien mussten hingegen teils herbe Verluste einstecken. Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass die AfD auch bei der im Herbst anstehenden Bundestagswahl mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen und sogar als drittstärkste Kraft direkt hinter den beiden Volksparteien CDU/CSU und SPD hervorgehen könnte (siehe Grafik unten). Auch wenn eine Regierungsbeteiligung der AfD auszuschließen ist, wird ihr Erfolg Einfluss auf die politische Agenda haben. Aus heutiger Sicht spricht sehr viel für eine Fortführung der Großen Koalition. Umfrageergebnisse zur Wahl des deutschen Bundestages im Herbst 2017 Durchschnitt der fünf aktuellsten Umfragen in % der Wählerstimmen, Stand: 22.11.2017 32,5 22,7 13,3 11,4 10,2 5,4 CDU SPD Afd Grünen Die Linke FDP Quelle: Umfrageinstitute und BayernLB Research Rechtspopulisten werden etablierte Parteien weiter unter Druck setzen Etablierte Parteien passen sich an Der Vormarsch populistischer Parteien wird unweigerlich dazu führen, dass sich die etablierten Parteien weiter der Programmatik der Rechtspopulisten „anpassen“ und ihre Themen aufgreifen werden. Die Rechtspopulisten werden gleichsam die etablierten Parteien immer weiter vor sich hertreiben. Das prominenteste Beispiel hierfür ist die UKIP in Großbritannien, die gemeinsam mit EU-kritischen Konservativen den damaligen Premierminister Cameron zum Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU gedrängt hat. Die Populisten machen sich dabei die allgemeine Skepsis der Bürger gegenüber der EU zu Nutze, die mit der Flüchtlingskrise wieder deutlich angestiegen ist (siehe Grafiken unten). Laut Eurobarometer – eine in regelmäßigen Abständen von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Umfrage zu unterschiedlichen Themen in den Mitgliedstaaten – ruft die Institution EU derzeit nur noch bei 34% aller EU-Bürger ein positives Bild hervor, und auch das Vertrauen in die EU sinkt seit Mitte 2015 stetig. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 15 Eurobarometer: Stimmung in der EU bzw. Vertrauen in die EU (jeweils in % der EU-Bevölkerung) Welches Bild ruft die EU bei Ihnen hervor? Wie viel Vertrauen haben sie in die Institution EU? EU ruft positives Bild hervor eher Vertrauen 60% 70% 50% 60% 40% eher kein Vertrauen 50% 40% 30% 20% 30% 20% Quelle: Europäische Kommission und BayernLB Research In den Niederlanden ist die Stimmung derzeit recht EU-skeptisch… Der nächste potenzielle Kandidat, der ein EU-Referendum einfordert, könnten die Niederlande sein. Denn sollte die rechtspopulistische PVV um Geert Wilders im März tatsächlich stärkste Kraft werden, wird dieser nichts unversucht lassen, ein Referendum ähnlich dem in Großbritannien zu initiieren, auch wenn er nicht an der Regierung beteiligt sein sollte. Tatsächlich ist die Stimmung in den Niederlanden derzeit ähnlich EU-skeptisch wie im Vereinigten Königreich: Im April 2016 lehnte eine Mehrheit der Bürger – wenn auch bei sehr niedriger Wahlbeteiligung (32%) – in einem Referendum, das als Stimmungsbarometer für das Vertrauen in die EU instrumentalisiert wurde, das EU-Abkommen mit der Ukraine ab. Einer Umfrage des Instituts Maurice De Hond vom Juni zufolge, würden sich 47% der Holländer für ein EU-Referendum aussprechen und 43% würden tatsächlich für einen Austritt aus der Union stimmen. …für ein EUReferendum müssten allerdings zunächst die Gesetze geändert werden Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2015 sind in den Niederlanden konsultative Referenden über noch nicht ratifizierte Verträge/Gesetze möglich (die Verfassung sieht Referenden eigentlich nicht vor). Für ein solches Referendum sind in einer ersten Phase 10.000 gültige Unterschriften innerhalb von vier Wochen nach Veröffentlichung des Gesetzes notwendig, und in einer zweiten Phase müssen 300.000 gültige Anträge innerhalb von sechs Wochen eingereicht werden. Die Wahlbeteiligung beim Referendum muss mindestens 30% betragen. Für ein EU-Referendum ist diese Art der Volksbefragung allerdings wohl nicht geeignet, da das Parlament im Vorfeld der Befragung ein Gesetz zum Austritt aus der EU verabschieden müsste, was höchst unwahrscheinlich ist. Ein „Nexit“-Referendum erscheint aufgrund der institutionellen Hürden somit mittelfristig eher unwahrscheinlich. In Frankreich benötigt der Präsident für ein EUReferendum die Zustimmung des Parlaments Auch in Frankreich dürfte es so schnell nicht zu einem EU-Referendum kommen, denn laut Verfassung setzt ein vom Präsidenten initiiertes Referendum auch die Zustimmung der Regierung und damit des Parlaments voraus. Selbst im Falle eines Sieges von Le Pen ist eine Mehrheit des Front National in der Nationalversammlung, die ein Monat nach der Präsidentschaftswahl (11. und 18. Juni) neu gewählt wird, aufgrund des Mehrheitswahlrechts unwahrscheinlich. Aktuelle Umfragen deuten zwar darauf hin, dass der Front National in der Nationalversammlung mit einem deutlichen Zuwachs an Sitzen rechnen kann (bis zu 60), von einer Mehrheit wird er aber wohl weit entfernt bleiben. In Deutschland ist ein Referendum über den Verbleib in der EU mittelfristig ebenfalls unwahrscheinlich, da laut Grundgesetz bundesweite, bindende Volksabstimmungen nicht erlaubt sind. Für ein EUReferendum müsste also zunächst die Verfassung geändert werden, was ebenfalls sehr unwahrscheinlich ist. Auch in Italien, wo die M5S ein Euro-Referendum fordert, verbietet die Verfassung Volksabstimmungen mit internationalem Bezug. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 16 Wie geht es mit der Europäischen Union weiter? Vier Szenarien zur Zukunft der EU Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, wie es mit der Union bzw. dem Euro-Raum mittel- bis langfristig weitergeht. Gilt auch dieses Mal der „alte“ Grundsatz, dass die EU – zumindest auf dem Papier – erst in der Krise stark ist? Oder leidet die Union, die nach den zahlreichen Erweiterungen deutlich heterogener geworden ist, und die sich faktisch nun schon seit mehr als fünf Jahren im Krisenmodus (Staatschuldenkrise und später Flüchtlingskrise) befindet, an einer strukturellen Überdehnung und steht kurz vor dem Zerfall? Für die Zukunft der EU sind prinzipiell vier Szenarien denkbar (siehe Tabelle unten): In einem ersten Szenario würde mit der Aktivierung des EU-Austrittsartikels 50 durch Großbritannien im kommenden Jahr eine Kettenreaktion ausgelöst werden, da dies den Populisten in anderen Ländern Auftrieb verleiht und diese, auch über Druck auf die etablierten Parteien, EU-Referenden forcieren. Erste potenzielle Kandidaten könnten hier nach den Wahlen die Niederlande oder Frankreich sein. Das zweite Szenario wäre das andere Extrem: Die EU reagiert auf den Brexit wie so oft mit einer weiteren Vertiefung der Integration. Mit dem Ausscheiden der Briten aus der Union wäre der Weg für eine engere Verzahnung der Außen- und Sicherheitspolitik („Verteidigungsunion“) frei; darüber hinaus könnte die Zusammenarbeit und Kontrolle in der Haushaltspolitik intensiviert werden („Fiskal- und Transferunion“). Jenseits dieser beiden Extreme sind zwei weitere Szenarien denkbar: So könnte die Zukunft der Union auch nach der von Bundesaußenminister Steinmeier gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Ayrault Ende Juni entwickelten Vision einer „flexiblen“ Union gestaltet sein – sozusagen eine EU mehrerer Geschwindigkeiten: Eine „Koalition der Willigen“ schreitet schneller voran als der Rest. Diese Idee ist nicht neu und wurde bereits bei der Einführung des Euro praktiziert. Gerade im Umgang mit der Flüchtlingskrise, bei der insbesondere mit den osteuropäischen Staaten Dissens herrscht, wäre dies evtl. ein gangbarer Weg. In einem vierten und letzten Szenario scheidet Großbritannien ab 2019 aus der EU aus und in der Rest-EU bleibt alles beim Alten. Dies würde einer Verwaltung des Status-Quo – mit Elementen der versteckten Vergemeinschaftung vor allem durch die EZB – gleichkommen, verbunden mit der Hoffnung, dass die Probleme über die Zeit kleiner werden („Durchwurschteln“). Mögliche Szenarien für die Weiterentwicklung der Europäischen Union Quelle: BayernLB Research BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 Verwaltung des Status Quo mit Elementen versteckter Vergemeinschaftung am wahrscheinlichsten 17 Von den vier Szenarien erscheinen die beiden ersten zumindest mittelfristig unwahrscheinlich. Wie schon diskutiert, sind die institutionellen Hürden in vielen Ländern für ein Ausscheiden aus der Union recht hoch. Daher ist trotz der Gefahr von politischen Unfällen eine Welle von Austritten aus der EU nicht zu erwarten. Eine Vertiefung der Integration ist aufgrund der unterschiedlichen Interessen zwischen Nord- und Südeuropa einerseits („Fiskalund Transferunion“) bzw. West- und Osteuropa andererseits (Flüchtlingskrise) ebenfalls recht unwahrscheinlich. Auch im Hinblick auf die jüngsten Erfolge der AfD dürfte eine Transferunion in Deutschland so schnell nicht durchsetzbar sein. Fortschritte bei der Integration dürften bestenfalls in der Sicherheits- und Außenpolitik erzielt werden. Realistischer ist die Weiterentwicklung einer „flexiblen“ Union. Immerhin wird diese in Teilen schon praktiziert (Einführung Euro, Flüchtlingspolitik). Allerdings dürfte eine Union, in der einzelne Ländergruppen immer weiter divergieren, früher oder später im Chaos enden, da die Zuständigkeiten übergeordneter Instanzen, wie beispielsweise des Europäischen Parlaments, immer weiter ausgehöhlt werden. Am wahrscheinlichsten ist vermutlich Szenario 4: Die Staats- und Regierungschefs der EU versuchen, sich mit den gegebenen Rahmenbedingungen weiter „durchzuwurschteln“ und den Status Quo zu verwalten – und zwar in der Hoffnung, dass die Probleme auch ohne einschneidende und schwer umsetzbare strukturelle Veränderungen verschwinden. Diese Vorgehensweise wurde im Prinzip auch schon in der Euro-Krise angewendet; in kleinen Dosen wurden und werden Medikamente verabreicht, die lediglich die Symptome (Auseinanderdriften der Spreads), nicht aber die Ursachen (strukturelle Probleme in süd- und westeuropäischen Ländern) bekämpfen. Das „Durchwurschteln“ dürfte von einer weiteren Ausdehnung verdeckter Vergemeinschaftung flankiert werden, bei der die EZB für die Euro-Raum-Staaten eine wichtige Rolle spielen dürfte. Diese Strategie ist kurz- bis mittelfristig erfolgversprechend. Langfristig ist sie aber keine Lösung und führt im ungünstigsten Fall tatsächlich zu einem Zerfall der EU. Unterschiedliche Marktauswirkungen der Szenarien Starker Markteinfluss bei Beibehaltung des Status Quo durch fortgesetzte Kaufpolitik der EZB Aus Kapitalmarktsicht stellen sich nun zwei Fragen: Sind die beschriebenen Szenarien geeignet, einen stärkeren Einfluss auf Angebot und Nachfrage auszuüben als andere Faktoren? Und: Welche Asset-Klassen wären wie betroffen? In den für uns wahrscheinlicheren Szenarien 3 und 4 („Flexible Union“ bzw. „Durchwurschteln“) ist die erste Frage zu bejahen, da mit einer Fortsetzung, wenn nicht gar Ausweitung der EZB-Käufe zu rechnen ist. Diese würden zu einem weiteren Bewertungsanstieg in allen Asset-Klassen führen, zumal Tapering-Erwartungen wieder ausgepreist würden. Ein negativer Markteinfluss wäre nur dann zu erwarten, wenn das Ausbleiben von Reformen zu einer weiteren Verschlechterung in den Krisenstaaten führte und die EZB hierauf nicht angemessen reagieren könnte. Die Folge wäre – neben einer negativen Marktreaktion aufgrund der tatsächlichen Verschlechterung der ökonomischen Bedingungen – eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Szenarien 1 und 2 („Zerfall der EU“ bzw. „Vertiefung der Integration“). Es wäre mit einem starken Einfluss auf die Märkte zu rechnen, da sich nicht nur politische Rahmenbedingungen signifikant änderten, sondern mit der Geldpolitik auch der derzeit entscheidende Faktor für die Nachfrage am Kapitalmarkt. Zerfall der EU würde Investoren in sichere Häfen treiben und hätte globale Auswirkungen zur Folge Die Kapitalmarktreaktionen auf Szenario 1 und 2 würden höchst unterschiedlich ausfallen. Eine steigende Wahrscheinlichkeit für den Zerfall der EU würde Investoren in die sicheren Häfen treiben und hätte globale Auswirkungen zur Folge. Zusätzlich zum Risk-off-Modus würde die Handlungsfähigkeit der EZB angezweifelt, die ihre Kaufprogramme zunächst aber zur Sicherung der Finanzmarktstabilität verstärken würde, wenn auch mit immer weniger Erfolg. Der Euro würde sich abschwächen. Bei Eintritt des Szenarios würde der Euro zunächst Mitglieder verlieren und wohl auch nicht als „Reste-Euro“ dauerhaft Bestand ha- BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 18 ben; zu den neu entstehenden Währungen würde er auf-, im Verhältnis zu anderen Währungen abwerten. Die EZB würde als Buyer of last Resort entfallen. Bunds würden zwar zunächst (bei steigender Szenario-Wahrscheinlichkeit) als sicherer Hafen profitieren, die Nachfrage zu einem späteren Zeitpunkt durch den Wegfall der EZB-Käufe aber negativ beeinträchtigt werden, wenn die Bundesbank kein eigenes Kaufprogramm auflegen würde. Die starke Unsicherheit würde darüber hinaus v.a. bei Nicht-EU-Investoren zu einem Abzug der Anlagen in Richtung USA und Japan führen, zumal sich die Risiken Deutschlands als Netto-Gläubiger der anderen Euroländer in Form hoher Forderungsverluste – auch aus dem Target-System – realisieren könnte. Die Spreads von Staatsanleihen und Credits würden sich (nicht nur in Europa) ausweiten, wobei mit einem steigenden Home-Bias zur Vermeidung des Wechselkursrisikos zu rechnen wäre. Bei Covered Bonds würde eine Flucht von der Peripherie in (v.a. Hypotheken-) Pfandbriefe einsetzen. Für Aktien wäre mit erheblichen Bewertungsabschlägen zu rechnen. Lockerungen von Geld- und Fiskalpolitik würden diese Trends bremsen, aber nicht umkehren. Marktfolgen einer Vertiefung der Integration sollten auf Europa begrenzt bleiben Die Marktfolgen durch eine Vertiefung der Integration sollten hingegen weitgehend auf Europa begrenzt bleiben. Durch eine echte Fiskal- und Transferunion würden Bunds als sicherer Hafen an Bedeutung verlieren und Staatsanleihe-Spreads (getrieben von beiden Seiten) einengen. Während Credit Spreads nur leicht tangiert werden, würden Covered Bonds der Peripherie profitieren, wobei (wiederum v.a. Hypotheken-) Pfandbriefe als Ersatz für den verlorenen sicheren Hafen angesehen werden könnten. Aktien könnten durch das höhere Renditeniveau, wohl aber nicht durch eine Fiskal- und Transferunion per se, negativ beeinträchtigt werden. Eine fiskalische Stimulierung würde vielmehr risikobehaftete Assets und den Euro zunächst beflügeln. Fazit: Das politische Risiko in Europa steigt weiter Verwaltung des Status Quo führt zu anhaltenden EZBInterventionen „Durchwurschteln“ ist eine riskante politische Strategie Die Zukunft der EU hängt davon ab, ob die unterschiedlichen Interessen zwischen Nordund Südeuropa in der Fiskal-, Finanz- und Wirtschaftspolitik einerseits bzw. zwischen West- und Osteuropa in der Flüchtlingskrise andererseits in Einklang gebracht werden können bzw. ob für alle Seiten ein tragfähiger Kompromiss gefunden werden kann. Der Verlauf der Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU dürfte diesen Prozess entscheidend beeinflussen. Unabhängig davon und angesichts des wachsenden Populismus ist nicht zu erwarten, dass sich die Staats- und Regierungschefs mittelfristig zu einer umfassenden EU-Reform durchringen werden. Vielmehr dürften sie sich auf die Verwaltung des Status Quo beschränken und evtl. die eine oder andere kleinere Adjustierung vornehmen – Einigungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Für die Finanzmärkte bedeutet dies eine fortgesetzte Unterstützung durch die Kaufprogramme der EZB, die eher erweitert als reduziert werden. Es gilt der Grundsatz des „New Normal“: Schlechte Nachrichten sind zunächst gute, weil sie die EZB zu mehr Aktivität zwingen. Die langfristigen Konsequenzen stehen sowohl bei der EZB-Politik als auch bei den Reaktionen der Marktteilnehmer im Hintergrund, zumal ein Ende nicht absehbar ist. Mit dem weiteren „Durchwurschteln“ riskiert die EU allerdings auch ihr Fortbestehen, denn implizit bedeutet dies, dass sie keine klare Strategie für die Zukunft verfolgt, sondern nur darauf hofft, dass die Probleme von alleine verschwinden. Langfristig birgt diese Vorgehensweise tatsächlich die Gefahr eines Zerfalls der Union. Aus rein rationalen, überwiegend wirtschaftlichen Gründen dürfte es jedoch nicht so weit kommen, weshalb wir die Wahrscheinlichkeit eines Zerfalls der EU – und damit schwerwiegende Marktverwerfungen – für gering halten. Die jüngste Vergangenheit hat uns aber gelehrt, dass Rationalität nicht immer das entscheidende Kriterium bei Wahlen sein muss. [email protected] [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 19 Ausblick Geldpolitik: Was 2017 schief gehen kann Unser geldpolitischer Ausblick auf das Jahr 2017 wirkt auf den ersten Blick wie ein Déjàvu. Die US-Notenbank wird, wie im Vorjahr, nach einem Zinsschritt im Dezember Signale in Richtung eines weiterhin nur sehr graduellen Normalisierungskurses senden. Wir erwarten im Jahresverlauf 2017 nur zwei weitere Zinsschritte, zur Jahresmitte und zum Jahresende. Im Gegensatz dazu werden die Notenbanken in Japan, Großbritannien und im EuroRaum ihren expansiven Kurs fortsetzen. Dabei dürften die Zentralbanker mehr Rücksicht auf Kollateralschäden, vor allem im Bankensystem, nehmen und die Profitabilitätsprobleme in vielen Bereichen des Finanzmarktes bei künftigen Entscheidungen höher gewichten. Dies spricht gegen noch negativere Notenbankzinsen und für eine graduelle Versteilung der Zinskurven. Hohe Verschuldung spricht gegen deutlichen Zinsanstieg Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren müssen die Geldpolitiker 2017 aber verstärkt darauf achten, dass der Anstieg der Kapitalmarktzinsen, der nach dem Wahlsieg Trumps eingesetzt hat, nicht zu stark ausfällt und sich verstetigt. Ansonsten droht eine deutliche Verschärfung der Finanzierungskosten für die öffentliche und private Hand. Dafür erscheint die Konjunktur sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern nach wie vor als nicht robust genug. Verantwortlich dafür ist die weltweite Schuldenlast, die sich auch 2016 nicht verringert hat. Die Verschuldungsquoten sind in vielen Regionen und Sektoren nach wie vor sehr hoch (siehe Abbildungen unten). Der konjunkturdämpfende Effekt einer geldpolitischen Straffung ist schwer abzuschätzen, fällt auf diesem Schuldenniveau aber wohl deutlich höher als in der Vergangenheit aus. Dennoch: Die Renditen für Papiere mit längeren Laufzeiten werden 2017 zumindest temporär weiter steigen. Die Notenbanken werden aber versuchen, eine deutliche Zinswende zu verhindern, da diese zum jetzigen Zeitpunkt eine spürbare Abkühlung der Weltwirtschaft – oder gar eine globale Rezession – verursachen könnte. Soweit unsere Basisprognose. Allerdings lohnt der Blick auf mögliche Risikoszenarien und die Beantwortung der Frage, welche Entwicklungen bereits 2017 zu einem deutlichen Zinsanstieg führen könnten. Diese Risiken kommen primär aus den USA. Doch zunächst zur Basisprognose für die geldpolitischen Entscheidungen im Jahr 2017. Hohe Verschuldung spricht gegen Zinswende Risiko vor allem in Schwellenländer Globale Verschuldung einzelner Sektoren in Bio. USD Verschuldung verschied. Ländergruppen in % gem. am BIP Haushalte Unternehmen Staat 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Industrieländer Schwellenländer 280 230 180 130 80 2008 2010 2012 Quelle: BIZ, IWF, BayernLB Research 2014 2008 2010 2012 2014 Quelle: BIZ, IWF, BayernLB Research BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 20 Ausblick 2017: Notenbanken verhindern deutlichen Zinsanstieg Trump-Sieg treibt Zinsspekulationen Die US-Notenbank dürfte ihren graduellen Straffungskurs 2017 fortsetzen. Dabei steht sie vor der Herausforderung, die Zinserwartungen auch bei optimistischerem Konjunkturausblick im Zaum zu halten. Die US-Wirtschaft hat sich bereits deutlich erholt und nähert sich der Normalauslastung. Dies zeigt auch die deutlich gesunkene Arbeitslosenquote und der langsam steigende Lohn- und Preisauftrieb. Historische geldpolitische Faustregeln (TaylorRegeln) legen für 2017 teils sogar eine rasche Anhebung der Leitzinsen nahe, um zügig ein „normales“ Zinsniveaus zu erreichen, welches laut Fed-Schätzungen im Bereich von 3% liegt (siehe Abbildung unten links). Was die Robustheit der US-Erholung und die Entwicklung der Weltwirtschaft angeht, teilt die Fed unsere Skepsis und strebt gemäß bisheriger Konjunktur- und Inflationserwartung wohl keine deutliche Straffung der Geldpolitik an. Seit der US-Wahl haben Hoffnungen auf eine deutlich nachfragesteigernde Wirkung von Fiskalmaßnahmen der Trump-Regierung die Konjunktur- und Inflationserwartungen allerdings zusätzlich angeheizt und zu einem Anstieg der nominalen Kapitalmarktzinsen geführt. Dieser spiegelt Erwartungen eines steileren Straffungspfads der Leitzinsen wider. Verstärkt wurde der Zinsanstieg am langen Ende durch den defizitwirksamen Charakter der Maßnahmen, welcher über eine erhöhte Treasury-Emissionstätigkeit das Angebot an US-Anleihen deutlich steigern könnte und damit den Zinsanstieg zusätzlich stützt. Die Fed dürfte diesen Anstieg der Zinserwartungen mit Skepsis betrachten. Zinsregeln sprechen für höheres Leitzinsniveau Finanzierungskonditionen ziehen an Fed-Leitzins, Zins nach untersch. geldpolitischen Regeln in %, ab Dez. 2016 Prognose Handelsgewichteter nominaler US-Dollar und Rendite 10jährige US-Treasuries in % Leitzins Yellen-Regel Taylor-Regel 10y US-Treaus. (rS) 6 130 3,1 4 125 2,8 2 120 2,5 115 2,2 110 1,9 -6 105 1,6 -8 Jan. 06 Jul. 08 Jan. 11 Jul. 13 Jan. 16 100 Jan. 14 0 -2 -4 Quelle: Bloomberg, BayernLB Research Warum die Fed dennoch nur langsam straffen wird US-Dollar (lS) 1,3 Nov. 14 Sep. 15 Jul. 16 Quelle: US-Treasury, BLS, Datastream, BayernLB Research Ein deutlicher Anstieg der Leitzinsen würde zum einen die Straffung der inländischen Finanzierungskonditionen vom langen Ende her verschärfen und zum anderen zu einer noch deutlicheren Aufwertung des US-Dollars führen. In der Summe könnten sich die monetären Konditionen stark eintrüben (siehe Abbildung rechts). Auch droht ein restriktiverer Kurs der Fed das globale Zinsniveau mit nach oben zu treiben. Ein höheres Zinsniveau hätte angesichts der nach wie vor sehr hohen Verschuldung der öffentlichen und privaten Hand über eine steigende Zinsbelastung in vielen Regionen der Welt einen erheblichen konjunkturellen Bremseffekt zur Folge, da Ausgaben für Konsum und Investitionen stärker als in vergangenen Straffungsphasen eingeschränkt werden müssten. Zudem würden wohl zahlreiche Schwellenländer in Turbulenzen geraten. So dürften erhebliche Kapitalabflüsse in den Dollar-Raum die Folge sein, wodurch die Abwertungsbewegungen der betroffenen Währungen verstärkt werden könnten. Dies würde vor allem Schwellenländer mit hoher DollarAuslandsverschuldung rasch in Schieflage bringen und die globalen Aussichten zusätzlich trüben. Die Finanzmarktturbulenzen wiederum wären ein erhebliches Problem für die kapi- BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 21 talmarktabhängige US-Wirtschaft. Aus diesem Grund erwarten wir ein vorsichtiges Vorgehen der Fed, welches den weiteren Anstieg der Kapitalmarktzinsen begrenzen sollte. Hierfür spricht auch, dass von Seiten der Inflation ein etwas höheres Zinsniveau derzeit zwar angebracht scheint, auf Sicht der kommenden Monate aber nicht mit einer deutlichen Beschleunigung des Preisauftriebs zu rechnen ist, auch wenn unsicher ist, was die USAdministration letztlich plant. Daher erscheint ein deutlich restriktiver Kurs der Fed mit Blick auf die Inflationsaussichten nicht zwingend erforderlich. Zudem scheint der FOMC dazu bereit, ein temporäres und begrenztes Überschießen der Inflation über das 2%-Ziel als unproblematisch anzusehen. BoJ wird Zinskurve auf niedrigem Niveau „kontrollieren“ Die japanische Notenbank wird 2017 versuchen, ihre bisher erfolgreiche Politik der „yield curve control“ fortzusetzen. Nachdem diese Politik zu Beginn das Ziel hatte, die Zinskurve graduell zu versteilen, ist die BoJ mittlerweile bemüht, ein zu starkes Anziehen der längerfristigen Kapitalmarktzinsen zu verhindern. Und bisher war der Einsatz dieses neuen Instruments durchaus erfolgreich. So haben sich die Kapitalmarktzinsen in Japan trotz des zuletzt deutlichen Renditeanstiegs in den USA im November um lediglich 10 Basispunkte erhöht und das Kaufvolumen des QE-Programms konnte – wie beabsichtigt – geringfügig vom langen auf das kurze Ende verschoben werden. Im Zuge des zumindest für einige Zeit andauernden US-induzierten Trends steigender Renditen am langen Ende ist allerdings damit zu rechnen, dass die BoJ Ihre QE-Kaufvolumina (aktuell 80 Bio. Yen pro Jahr) hoch halten und vielleicht sogar ausweiten muss. Ein deutlich geringeres QE-Kaufvolumen erwarten wir auch auf Jahressicht nicht. Eine Anhebung der Zielwerte für die längerfristigen Zinsen ist nur bei unerwartet positiven japanischen Konjunkturdaten zu erwarten. Wir sind diesbezüglich aber weiter sehr skeptisch. Zudem birgt eine Ausrichtung hin zu höheren Zielwerten das Risiko eines Kontrollverlustes, sollte die Glaubwürdigkeit der BoJ nicht vollständig gewährleistet sein. Und dessen kann sich die Notenbank wohl nicht sicher sein. BoE wird Geldpolitik weiter lockern Die Bank of England (BoE) wird nach der Artikel-50-Erklärung zum Austritt aus der EU, die wir bis Ende des ersten Quartals 2017 erwarten, ihre Geldpolitik wohl weiter lockern. Im Umfeld eines abwertenden Pfundes und großer Skepsis gegenüber Null-/ bzw. Negativzinsen im geldpolitischen Rat der BoE erwarten wir jedoch keine Zinssenkung mehr. Präferiertes Instrument der Lockerung sollte vielmehr eine Aufstockung des QE-Programms sein. In Großbritannien spricht die Unsicherheit über die konjunkturellen Folgen des BrexitProzesses gegen Zinsanstiege, selbst bei einem starken Inflationsauftrieb durch einen deutlich nachgebenden Außenwert des Pfundes. Auch andere Notenbanken werden ihren expansiven Kurs 2017 nicht beenden. So dürfte etwa die Schweizer Notenbank kontinuierlich bemüht sein, einen stärkeren Franken im Umfeld politischer Turbulenzen zu verhindern. Hierfür wird sie ihre Interventionen am Devisenmarkt fortsetzen, die FrankenLiquidität hoch und die Leitzinsen stark negativ halten. EZB vertreibt Tapering-Gespenst … Im Euro-Raum wird die EZB die Mindestlaufzeit ihres QE-Kaufprogramms auf ihrer Dezember-Sitzung bis September 2017 verlängern. Um diese Entscheidung vor dem Hintergrund des – trotz des jüngsten Renditeanstiegs – nach wie vor virulenten Knappheitsproblems v.a. bei Bundesanleihen glaubwürdig treffen zu können, wird sie wohl an wichtigen Parametern drehen. Denn das derzeitige Design des Anleihekaufprogramms beinhaltet nach wie vor technische Beschränkungen, sodass die Bundesbank in Schwierigkeiten kommen könnte, ihr monatliches Kaufvolumen zu erfüllen. Nach wie vor können Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von zwei bis vier Jahren nicht gekauft werden, da deren Rendite unterhalb des Einlagensatzes von -0,4% liegt. Dies betrifft deutsche Anleihen (Bundes- und Länderanleihen sowie Agencies) im Volumen von 413 Mrd. Euro. Anleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren können erst seit vier Wochen wieder gekauft werden, was dem Knappheitsproblem seitdem entgegen gewirkt hat. Um das Tapering-Gespenst aber glaubhaft und nachhaltig zu verdrängen, muss die EZB aber verdeutlichen, dass sie BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 22 die QE-Käufe auch bei einem neuerlichen Renditerückgang mindestens über das Gesamtjahr 2017 mit 80 Mrd. Euro monatlich fortführen kann. Somit dürfte sie im Dezember weitreichendere Anpassungen ihres QE-Programms beschließen, um bei einer möglichen Gegenbewegung nicht sofort wieder in einen Engpass zu geraten. Bisher konnte die Bundesbank ihr Kaufvolumen zur Umgehung der Renditeuntergrenze auf längere Laufzeiten verlagern. Dies hat jedoch die Zinskurve stark verflacht. Zusätzlich dürfen nur 33% des ausstehenden Volumens einer Anleihe gekauft werden (ISIN-Limit), was eine noch umfangreichere und dauerhafte Verschiebung der Käufe ans lange Ende verhindert. … und löst QEProgramm vom Depo-Satz Wir gehen daher davon aus, dass die EZB nach der Dezember-Sitzung den nationalen Notenbanken und damit auch der Bundesbank erlauben wird, auch Anleihen mit einer Rendite unterhalb des Einlagensatzes zu erwerben. Mit der Zinsuntergrenze soll bisher verhindert werden, dass die Notenbanken bereits zum Kaufzeitpunkt einen erwarteten Verlust auf QE-Käufe erleiden. Dies würde passieren, wenn eine Notenbank Anleihen mit einer Rendite unterhalb des Einlagesatzes kauft. Denn die verkaufende Geschäftsbank kann die erhaltene Liquidität wieder risikofrei zu genau diesem Zinssatz von derzeit -0,4% als Überschussreserve in der Einlagefazilität der EZB parken. Während die Geschäftsbank netto also einen Zinsertrag verbuchen würde, schriebe die jeweilige Notenbank einen Verlust in gleicher Höhe. Dies ist jedoch eine unvollständige Betrachtung, da die Käufe zu Renditen unterhalb des Einlagesatzes nur einen Teil der zu erwerbenden Anleihen umfassen. Die Bundesbank hat in der Vergangenheit und würde wohl auch in Zukunft hauptsächlich Anleihen mit einer Rendite oberhalb des Einlagesatzes kaufen. Somit wird beim Gesamtengagement der Bundesbank nicht zwangsläufig ein Verlust anfallen, wenn ab Dezember auch Anleihen mit einer Rendite unterhalb des Einlagesatzes gekauft würden. Das ISIN-Limit für Anleihen ohne CACs (seit 1. Januar 2013 vorgeschriebene Umschuldungsklausel) sollte in diesem Schritt nicht erhöht werden, da es zu Mikro-Verzerrungen auf der Bund-Kurve und trotz des globalen Trends steigender Renditen am langen Ende zu einer ungewollten Verflachung am ultra-langen Kurvenende führen würde (zu den Details siehe Bondletter vom 8. Juli 2016). Sollte die EZB Anleihen zu Renditen unterhalb des Einlagesatzes kaufen, würde sie nicht nur glaubhaft versichern können, dass das QEProgramm länger laufen kann. Die EZB könnte dadurch die Renditen am kurzen bis mittleren Kurvenende der Bund-Kurve niedrig halten, auch wenn die Zinsen am langen Ende weiter steigen. EZB könnte auch mehr Peripherieanleihen kaufen Sollte die EZB deutlich steigende Risikoprämien befürchten, könnte der Rat eine Verschiebung der Käufe zu Gunsten der Peripherie beschließen. Eine solche Entscheidung bereits im Dezember ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Bisher kaufen die einzelnen Zentralbanken Anleihen nach ihrem Anteil am EZB-Kapitalschlüssel. Das heißt für Deutschland, dass die Bundesbank 25,6% der im PSPP gekauften Staats- und Länderanleihen sowie Agencies erwirbt. Der Anteil Italiens am Kapitalschlüssel beträgt dagegen nur 17,5%. Eine mögliche Alternative zum Kapitalschlüssel wäre eine Gewichtung nach der Größe des jeweiligen Anleihemarktes. Somit müsste das Eurosystem (und damit die Bundesbank) aufgrund der geringeren Schuldenquote Deutschlands – und in dessen Folge einer geringeren Verschuldung am Kapitalmarkt – weniger deutsche Staatspapiere kaufen. Gemessen an der Kapitalmarktverschuldung würde der deutsche Anteil am PSPP-Programm deutlich auf ca. 17% fallen. Dadurch müsste die Bundesbank merklich weniger Staatspapiere kaufen und das Knappheitsproblem wäre spürbar gemildert. Heikel ist jedoch, dass im Gegenzug ein gewichtigerer Anteil von Anleihen aus Staaten mit höherer Verschuldung gekauft werden müsste. Beispielsweise würde die italienische Notenbank ihren Anteil an den PSPP-Käufen um fast 10 Prozentpunkte auf knapp 27% erhöhen. Neben dem italienischen könnten sich auch das französische, österreichische und belgische Schatzamt über zusätzliche Notenbanknachfrage nach ihren Schuldtiteln freuen, da sich deren Anteile im Vergleich zur aktuellen Gewichtung um rund 14%, 15% und 45% erhöhen würden. Politische Gründe spre- BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 23 chen jedoch gegen eine solche Entscheidung, weshalb wir sie nur in einem der Risikoszenarien, die wir im nächsten Abschnitt skizzieren, für wahrscheinlich halten. Abgesehen davon gehen wir nur in schwierigen Marktphasen von einer temporären Verschiebung der Käufe in Richtung Peripherie aus. Umstellung auf Marktgewicht wäre Umverteilung von Bundesbank zu Banca d'Italia EZB-Kapitalschlüssel gegenüber marktgewichteter Quote, in % Kapitalschlüssel Marktgewicht 30 25 20 15 10 5 0 DE FR IT SP NL BE AT PO FI IR Quelle: EZB, Bloomberg, BayernLB Research Auch stärkerer Fokus auf Unternehmensanleihen möglich Auch im Fall eines weiteren Anstiegs der Risikospreads für Unternehmensanleihen und einer drohenden Ansteckung in Form steigender Kreditzinsen dürfte die EZB kurzfristig intervenieren. Zunächst dürfte die EZB dabei versuchen, den Anteil der Corporate Bonds im existierenden Kaufprogramm zu erhöhen. Sollte die Ausweitung der Credit-Spreads dabei aber Hand in Hand mit steigenden Peripherie-Spreads gehen, wäre im Verlauf von 2017 sogar eine nochmalige Ausweitung der monatlichen Käufen von derzeit 80 Mrd. Euro wahrscheinlich. Sollte sich der Stress auf Non-Investment Grade-Papiere fokussieren und die Gefahr eines Überschwappens auf die Finanzierungskonditionen durch Banken bestehen, können wir uns auch eine Erweiterung der Corporate Bond-Käufe auf High YieldPapiere vorstellen. Dabei sollte das Volumen aber gering sein. Soweit unser Basisszenario, das die Mehrheit der Marktteilnehmer bis zuletzt geteilt hat, wie die Entwicklung von ein Blick auf die Kapitalmarktzinsen und Zinserwartungen zeigt (Abbildung zu Kapitalmarktzinsen und Zinsprognosen). Ins Wanken geraten sind diese Annahmen aber infolge des überraschenden Trump-Siegs. Was 2017 schiefgehen kann Der deutliche Anstieg der Kapitalmarktzinsen in den USA und in vielen anderen Regionen seit dem Wahlsieg von Donald Trump liefert bereits eine erste Antwort auf die Frage nach dem größten Risiko für den globalen Zinsausblick 2017. Allerdings zeigen wir im Folgenden eine Reihe weiterer Risikofaktoren für das Zinsbild auf, welche isoliert oder in Kombination miteinander für eine deutliche Abweichung vom Basisszenario sorgen könnten. Risiko 1: Zinswende auf Zeit à la Trump Die Wahl Donald Trumps hat, nach kurzem Schock, zu einem erheblichen Anstieg der Kapitalmarktzinsen in den USA gesorgt. Dieser hat sich in andere Regionen der Welt übertragen. Gemessen an der Marktreaktion seit dem 9. November wird eine Umsetzung und zumindest ein temporär Erfolg der diskutierten Fiskalpläne erwartet (siehe USA-Ausblick 2017 auf S.27). Denn analog zu den US-Kapitalmarktzinsen sind auch die marktbasierten BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 24 Inflationserwartungen gestiegen, und die US-Aktienmärkte liegen deutlich im Plus. Entgegen unserer Erwartung könnte Trump nicht nur einen Teil der Fiskalmaßnahmen umsetzen, sondern die derzeitigen Hoffnungen sogar voll erfüllen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass die stimulierende Wirkung der Regierungsmaßnahmen stärker als von uns erwartet ausfällt, wenn sich die private Nachfrage in den USA robuster gegenüber einer Verschärfung der Finanzierungskonditionen zeigt. In diesem Szenario könnte sich die USNotenbank veranlasst sehen, den Expansionsgrad der Geldpolitik schneller zurückzunehmen. Der Anstieg der Renditen am langen Ende würde dadurch noch stärker ausfallen und länger andauern. Dieser Zinsanstieg würde sich dann auch weltweit durchsetzen. Im Fall, dass sowohl in den übrigen Industrieländern als auch in den Schwellenländern eine solche Verschärfung der Finanzierungskosten ohne größere Nachfragerückgänge überstanden würde, wäre in der Folge mit einer nachhaltigen globalen Zinswende zu rechnen. Aufgrund der historisch hohen Verschuldungsquoten in weiten Teilen der Welt (einschließlich der USA) halten wir dieses Szenario aber für wenig wahrscheinlich. Da Rückfallpotenzial erhöht sich mit jedem Basispunkt höherer Zinsen. Risiko 2: USLohndynamik springt tatsächlich an Viele Analysten sehen die größten Risiken nach wie vor am US-Arbeitsmarkt und bei der Lohnentwicklung. Denn ein unerwartet rasches Anziehen der Löhne könnte den Inflationsdruck auch kurzfristig deutlich verstärken und die Fed auf einen steileren Zinsanhebungspfad zwingen. Der Lohnanstieg würde vor allem dann deutlich ausfallen, wenn zusätzlich politische Eingriffe das Arbeitskräfteangebot verringern würden. Auch hier geht der Blick zu den Plänen des neuen US-Präsidenten, mehr illegale Migranten auszuweisen. Diese Bevölkerungsgruppe (11,1 Mio. Personen, 5% der Erwerbspersonen) bildet einen wichtigen Arbeitskräftepool im Niedriglohnsektor und hält das Lohnniveau niedrig. Ein Ausfall dieser Gruppe könnte die Löhne kurzfristig deutlich steigen lassen und über höhere Produktionskosten auf die Verbraucherpreise durchschlagen. Ein ähnliches Risiko droht im Fall, dass sich die nach wie vor ungewöhnlich geringe Partizipationsrate als strukturelle Verschiebung am Arbeitsmarkt herausstellt und der betroffene Teil der Erwerbspersonen auch künftig nicht mehr an den Arbeitsmarkt zurückkommt. Der unerwartet deutliche Anstieg der Lohndynamik im Oktober hat die Aufmerksamkeit in diesem Bereich wieder erhöht. Risiko 3: Die Rückkehr des TaperingGespenst im EuroRaum Merklich höhere US-Inflationserwartungen könnten auch die Hoffnung auf eine schneller anziehende Inflation im Euro-Raum nähren. Seit dem Trump-Sieg hat sich der Anstieg der langfristigen Inflationserwartung in den USA auch zur Hälfte im Euro-Raum vollzogen. Diese könnte im ersten Quartal 2017 zusätzlich durch das dann vorherrschende Inflationsumfeld angeheizt werden. Wir erwarten aufgrund eines stärkeren Basiseffektes, dass die Headline-Inflation im Frühjahr 2017 bis auf 1,6% anschwillt. Sollten die Investoren zu diesem Zeitpunkt auch ein Anziehen der Kerninflation antizipieren, könnten sich ihre Erwartungen denen der EZB stark annähern, dass das EZB-Inflationsziel bereits Ende 2018 bzw. Anfang 2019 nachhaltig erreicht wird. Rechnet man von diesem Endpunkt zurück, wann das EZB-Kaufprogramm reduziert werden könnte, würde man wohl bereits mit einem Beginn des QE-Taperings im vierten Quartal 2017 rechnen. Vor der Oktober-Sitzung der EZB rechneten zwar rund 85% der von Bloomberg befragten Analysten mit einem Tapering noch vor Jahresende 2017. Dieser Anteil dürfte in den vergangenen Wochen aber wieder deutlich gesunken sein. Ein erneutes Umdenken würde zu spürbar höheren Bundrenditen führen. Unser Modell zeigt eine QE-Prämie von ca. 30 Basispunkten bei 10-jährigen Bunds. Die Finanzierungskonditionen dürften sich in diesem Szenario in den Semi-KernLändern sowie in der Peripherie noch deutlich stärker verschärfen, sofern sich die EZBKäufe wie bisher nach dem Kapitalschlüssel richten. Einen Vorgeschmack darauf lieferte die jüngste Marktphase. So hat sich mit anziehenden Bundrenditen die Risikoprämie zwischen Frankreich und Deutschland im zehnjährigen Bereich von ca. 25 auf deutlich über 40 Basispunkte ausgeweitet. Die Peripherie war merklich stärker betroffen, italienische Spreads weiteten sich um über 45 Basispunkte aus, wodurch die zehnjährige Rendite wie- BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 25 der merklich über 2% gestiegen ist. Diese Bewegung würde sich weiter beschleunigen, wenn die Schuldentragfähigkeit durch ein höheres Renditeniveau angezweifelt wird. In einem Tapering-Szenario würden die Hoffnungen schwinden, dass die EZB in der Lage ist, dauerhaft für niedrigere Risiko-Spreads zu sorgen. Sofort dürfte dann die Frage nach einer stärkeren direkten Vergemeinschaftung im Euro-Raum aufkommen, was den Anstieg der Bundrenditen aufgrund einer Kreditverwässerung weiter anfachen könnte. Gestiegene US-Inflationserwartung schwappt auf den Euro-Raum über Unterschiedliche Ausstrahlung des USZinsanstiegs Langfristige Inflationserwartungen gemessen an 5J5J Inflationsswaps in Prozent 10J Renditen in Prozent USA (lS) 2,0 2,4 1,8 2,2 1,6 2,0 1,4 1,8 1,2 1,6 Jan 15 1,0 Jul 15 Jan 16 Jul 16 Quelle: Bloomberg, BayernLB Research Risiko 4: BoE und SNB geben expansiven Kurs auf USA (lS) Euro-Raum (rS) 2,6 Japan (rS) Deutschland (rS) 2,5 0,9 2,3 0,7 2,1 0,5 1,9 0,3 1,7 0,1 1,5 -0,1 1,3 Okt. 15 -0,3 Apr. 16 Okt. 16 Quelle: Bloomberg, BayernLB Research Auch andere Notenbanken können 2017 einen Zinsschock auslösen, wenn auch in geringerem Ausmaß. Hier steht die Bank of England derzeit im Fokus. Eine plötzliche Abkehr vom expansiven Kurs und Zinsanhebungen zur Stabilisierung des Pfundes sind nach den jüngsten Äußerungen von Ratsmitgliedern zumindest nicht auszuschließen. Auch die SNB könnte sich zu einer Aufgabe ihres Interventionskurses genötigt sehen, wenn der Aufwertungsdruck auf den Franken zu stark wird. Damit würde die SNB ihre umfangreichen Käufe von Bundesanleihen einstellen (die SNB legt ihre Euro-Reserven vor allem in deutsche Staatsanleihen an. Pro Monat kauft die SNB derzeit deutsche Bundesanleihen im Volumen von rund einer Milliarde Euro. Beide Szenarien hätten einen Zinsschock zur Folge, der aber wohl geringer als in den beiden obigen Fällen ausfallen würde. [email protected] [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 26 Fernglas: Politische Dominanz Steigender Einfluss politischer Ereignisse Zusammen mit dem Jahresausblick 2017 aktualisieren wir unsere Mittelfristprognosen mit einem Horizont von fünf Jahren. Bei diesen Fernglas-Projektionen für die Entwicklung von Makro- und Marktindikatoren im Euro-Raum und den USA berücksichtigen wir auch die Wirkung von Megatrends, die sich vor allem bei der Entwicklung des Produktionspotenzials bemerkbar machen. Nach dem Brexit-Votum und der Wahl Donald Trumps zum US Präsident dürfte die Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen – einer der von uns analysierten Megatrends – von besonderer Bedeutung für die Entwicklungen in den kommenden fünf Jahren sein. Unerwartete Entscheidungen der Wähler könnten in der EU und im Euro-Raum zu einem Auseinanderbrechen führen und die wirtschaftliche Entwicklung dramatisch verändern. Auch wenn wir einen Zerfall Europas nicht prognostizieren, bleibt er neben der Unberechenbarkeit der Politik von Präsident Trump eines der größten Risiken für unsere Mittelfristprojektionen. Globales Umfeld: Unter der Last politischer Ereignisse in Industrieländern Trump hat wenig Einfluss auf mittelfristiges globale Konjunktur Inflation langsam auf dem Vormarsch Ausblick bleibt sehr unsicher Unsere Sicht auf die Weltwirtschaft hat sich trotz der Wahl Donald Trumps nicht deutlich verändert und wir prognostizieren weiterhin ein moderates Wachstum der Weltwirtschaft von ca. 2¾ % über die nächsten fünf Jahre. Wir gehen davon aus, dass viele der im Wahlkampf von Trump geforderten protektionistischen Maßnahmen, die zu einem globalen Handelskrieg hätten führen können, nicht umgesetzt werden (siehe Box). Durch die – wenn auch im Vergleich zu den Plänen wohl nur teilweise durchgeführten – fiskalischen Lockerungsmaßnahmen in den USA kommt es jedoch zu einem früher als bisher erwarteten Anstieg der US-Zinsen. Diese Verschärfung der Finanzierungskonditionen dürften die USA noch gut verkraften. Viele Schwellenländer – insbesondere diejenigen, die ihre Auslandsverschuldung in den vergangenen Jahren im Rahmen der niedrigen US-Zinsen stark ausgeweitet haben – könnten jedoch bei einem deutlichen und nachhaltigen Zinsanstieg in den USA in Zahlungsbilanzschwierigkeiten kommen. Eine solche Entwicklung würde durch starke Währungsverluste beschleunigt werden. In unserem Basisszenario gehen wir nicht von weitverbreiteten Zahlungsbilanzkrisen aus, erwarten jedoch, dass sich straffere Finanzierungskonditionen und volatilere Wechselkurse dämpfend auf die Entwicklung in einer Reihe von Schwellenländern auswirken. Zudem sollte der Spielraum für eine Wiederholung der markanten fiskalischen Lockerung in China vom Jahresanfang 2016 deutlich kleiner geworden sein. Diese hatte zu einer Belebung der chinesischen Wirtschaft, positiven Effekten für Chinas Handelspartner und zur Erholung vieler Rohstoffpreise geführt. Wir gehen davon aus, dass die Erholung der Rohstoffpreise in diesem Umfeld anhält. Beim Ölpreis erwarten wir nach einer Seitwärtsbewegung im kommenden Jahr einen graduellen Anstieg auf 60 USD im Jahr 2020. In Kombination geringeren Produktionslücken in vielen Ländern sollte dies zum Ende des Prognosehorizonts in einen nachhaltigen moderaten Inflationsanstieg führen. Neben den angesprochenen Abwärtsrisiken für die globale Konjunktur bestehen nach wie vor geopolitische Unwägbarkeiten, die mit steigendem Einfluss nationalistischer Bewegungen in vielen Regionen der Welt weiter gestiegen sind. Es gibt jedoch auch Chancen, dass im Umfeld einer im historischen Vergleich lockeren Geldpolitik staatliche Investitionsinitiativen – ausgehend von den USA und Japan – die Zurückhaltung der privaten Investoren beenden könnten. Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung (zwei weitere Megatrends) dürften dabei im Fokus stehen. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 27 Annahmen zur Umsetzung des Wahlprogramms von Donald Trump: Steuerreform: Die Steuerreform beinhaltet die Vereinfachung und Senkung der Einkommenssteuer mit einem Höchstsatz von 33% statt bisher ca. 40%. Zudem wird die Körperschaftssteuer auf einen Einheitssatz von 15% gesenkt (aktuell bis zu 35%) und durch einmalig niedrige Steuersätze soll die Repatriierung international erzielter Gewinne von US-Unternehmen unterstützt werden. Da die vollständige Umsetzung eine zu hohe Verschuldung mit sich brächte, dürfte der US-Kongress die Rahmenbedingungen so anpassen, dass nur ein Drittel der Kosten für den US-Haushalt anfallen. Staatliches Ausgabenprogramm: Trump hat nach seiner Wahl ein umfassendes Infrastrukturprogramm angekündigt. Wir erwarten in unserem Basisszenario allerdings, dass Trump nur einen kleinen Teil davon umsetzen und stattdessen die automatische Ausgabenbremse für den Verteidigungshaushalt aufheben wird. Handelsreform: Die von Trump im Wahlkampf angestrebten Schutzzölle auf mexikanische Produkte von 35% und auf Produkte aus China in Höhe von 45% werden in unserem Basisszenario nicht umgesetzt. Im Falle Mexikos hindert wohl das NAFTAAbkommen (nordamerikanisches Handelsabkommen) die Regierung. Im Falle Chinas kann Trump das Land wohl nicht als Währungsmanipulator deklarieren, was Voraussetzung für die Erhebung landesweiter Zölle wäre. Wir erwarten daher die Einführung eines produktspezifischen Zolls, der die Chinesen am meisten treffen sollte. Dieser dürfte jedoch moderat bei etwa 10% liegen und bilateral für kleinere Auseinandersetzungen sorgen, jedoch keinen internationalen Handelskrieg auslösen. Immigrationsreform: Mit Blick auf die bisherigen Aussagen Trumps erwarten wir die zusätzliche Abschiebung von 2 bis 3 Millionen Immigranten, verteilt über die vierjährige Amtszeit. Damit lägen die Kosten der Immigrationsreform im Rahmen des aktuellen Budgetplans. Sollte Trump die Kosten erhöhen wollen, z.B. durch den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, bräuchte er die Zustimmung des Kongresses, der einem solchen Plan nicht zustimmen dürfte. Energiereform: Die Regierung wird viele Regulierungen aufheben. Durch neu freigegebene Gebiete für das Fracking wird die Ölförderung deutlich zunehmen. Zinspolitik: Fed Chair Yellen bleibt bis zum Ende ihrer Amtszeit Ende Januar 2018 im Amt und garantiert damit einen nur sehr graduellen Zinsanstieg. Ihre Nachfolge wird dann wohl ein geldpolitischer Falke antreten, der generell für eine schnellere Straffung steht. USA: Nur temporärer Wachstumsschub auf Kosten des Staatshaushaltes Konjunkturdynamik erreicht 2018 ihren Höhepunkt Der Fünfjahresausblick für die USA hängt maßgeblich von Trumps Regierungsprogramm und dessen zeitlicher Umsetzung ab. Für 2017 nehmen wir an, dass die ersten Entscheidungen der neuen Administration erst ab der zweiten Jahreshälfte wirksam werden. Dies betrifft vor allem die Punkte, die Trump alleine, also ohne Hilfe des Kongresses, umsetzen kann, wie z.B. die Auferlegung von Schutzzöllen. Die angestrebte Ausweitung der staatlichen Ausgaben sollte im Frühjahr beschlossen werden, jedoch ebenfalls erst in der zweiten Jahreshälfte Wirkung zeigen. Der Konjunktureffekt dieser Maßnahmen ist daher im Jahr 2017 noch gering, dafür aber durch einen statistischen Überhang im Jahr 2018 umso größer. Zudem dürfte die Steuerreform im Jahr 2017 ausgearbeitet werden und zum Jahresende 2017 in Kraft treten, so dass sich deren Effekt vor allem im Jahr 2018 zeigt (mehr zum US-Wirtschaftsbild 2017 finden sie im US-Kapitel auf S. 35). Auch mit der Umsetzung der Energiereform ist erst im Jahr 2018 zu rechnen. Zusammengenommen wird dies zu einem Anstieg des BIP-Wachstums auf 2,9% im Jahr 2018 führen. Die dynamische Konjunkturentwicklung dürfte sich Anfang 2019 fortsetzen. Danach sollte die Dynamik jedoch mangels weiterer Impulse abnehmen. Auch wegen steigender Finanzierungskosten für den Privatsektor, die sich dämpfend auf Investitionen und Konsum auswirken sollten, erwarten BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 28 wir für 2020 bis 2021 nur noch schwache Wachstumsraten. Wir unterstellen dabei keine unmittelbaren Konjunktureffekte aus der Immigrationsreform. Wir gehen aber davon aus, dass Zuwanderer von der neuen Abschottungsrhetorik abgeschreckt werden, was die Immigration verringern und das Potenzialwachstum leicht senken dürfte. Verschuldung steigt deutlich an Höhere Inflation macht schnellere Zinsanhebung notwendig Verantwortlich für die volatile Konjunkturentwicklung der nächsten fünf Jahre ist der Staat. Die stärkere Konjunkturdynamik im zweiten Halbjahr 2017 und 2018 wird hauptsächlich durch steigende Defizite finanziert. Ab 2017 legt daher die Neuverschuldungsquote in den USA um einen Prozentpunkt auf bis zu 6,0% des BIP im Jahr 2019 zu. In den folgenden Jahren würde sich die Neuverschuldung mit Blick auf die Steuerreform und basierend auf der aktuellen Sozialgesetzgebung und unter Berücksichtigung der Alterung der USBevölkerung deutlich ausweiten. An dieser Stelle erwarten wir jedoch Konsolidierungsmaßnahmen durch die Trump Administration, um den Staatshaushalt nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen. Dennoch erhöhen die staatlichen Maßnahmen die Schuldenquote bis zum Ende des Prognosehorizonts wohl um etwas mehr als sechs Prozentpunkte auf dann ca. 114% des BIP. Auch die Inflation bleibt nicht unberührt von den Vorhaben Trumps. Als eine der ersten Maßnahmen sollte sich Ende 2017 ein Schutzzoll auf bestimmte Produkte in steigendem Preisdruck bemerkbar machen. Dies zeigt sich allerdings erst deutlich in der Jahresrate 2018. Hier treibt auch die beschleunigte Konjunkturdynamik durch stärker anziehende Löhne (wir nehmen dann Vollbeschäftigung an) die Inflation. Dieser Effekt sollte sich allerdings ab Ende des Jahres 2019 langsam verflüchtigen. Bremsend auf die Verbraucherpreisteuerung wirkt zudem eine weniger expansive Geldpolitik der Fed in den kommenden fünf Jahren. Nach zwei Zinsschritten im Jahr 2017 sollten vier Zinsschritte 2018 folgen und drei weitere Schritte 2019. Federführend wird hier der neue, von Trump eingesetzte FedChair sein, der wohl im Vergleich zu Janet Yellen eine restriktivere Geldpolitik bevorzugen dürfte. Allerdings sollte der Zinsanhebungspfad auf einem Niveau von 3% im Jahr 2019 enden. Zu diesem Zeitpunkt dürften die Aufwärtsrisiken für die Inflation moderat sein und die nachlassende Konjunkturdynamik signalisieren, dass die US-Wirtschaft für einen weiteren Anstieg der Finanzierungskosten nicht gewappnet ist. Outputlücken schließen sich schneller Inflationsziel bleibt im Euro-Raum unerreicht Outputlücke (% des BIP), Schätzung von Dezember 2016 und August 2016, ab 2016 Prognose Jährliche Inflationsrate in %, Schätzung von Dezember 2016 und August 2016, ab 2016 Prognose USA USA (alt) ER ER (alt) 4,0 Prognose 2,0 0,0 -2,0 -4,0 -6,0 2001 2006 2011 2016 2021 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 Prognose 2001 2006 2011 2016 2021 Quelle: Eurostat, BLS, Datastream, BayernLB Research BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 29 Euro-Raum: Kraftlose Erholung in stürmischem Umfeld Starker Einfluss politischer Faktoren in den kommenden Jahren Große politische Herausforderungen in der Währungsunion Inflation bewegt sich weiterhin nur zögerlich ins Ziel Unsere Fünfjahresprognosen für den Euro-Raum stehen im Vergleich zum Sommer noch stärker unter dem Einfluss von politischen Faktoren. Außenpolitisch sorgt auf der einen Seite das Brexit-Votum für eine Konjunkturdelle, vornehmlich im Jahr der formalen Auslösung des Brexit, die wir in der ersten Jahreshälfte 2017 erwarten. Die Aktivierung des Austrittsprozesses hat sich damit im Vergleich zu unserer letzten Mittelfristprognose im August zeitlich etwas nach hinten verschoben, und das Vereinigte Königreich hat sich in der zweiten Jahreshälfte 2016 besser als erwartet geschlagen. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit eines harten Brexit mit deutlichen Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU aber gestiegen. Auf der anderen Seite sorgt die noch schwer abschätzbare Politik Trumps in den USA für veränderte Rahmenbedingungen. Während mögliche neue Handelsbarrieren der USA wohl kaum gegen Europa gerichtet sein dürften, sollten die Euro-Länder insbesondere 2018 von einer etwas erhöhten – staatlich stimulierten – Nachfrage aus den USA profitieren. Allerdings führen die durch die Trump-Politik stärker steigenden US-Zinsen auch zu höheren Finanzierungskosten im Euro-Raum, insbesondere in den finanzschwachen Mitgliedsländern. Wir gehen davon aus, dass die EZB Maßnahmen ergreift, um einer ungerechtfertigten Verschlechterung der Finanzierungskonditionen entgegenzuwirken. Trotz der weiterhin ultralockeren EZB-Politik dürfte sich ab 2019 die Abkühlung der US-Kojunktur auch im Euro-Raum dämpfend bemerkbar machen. Risiken für die Konjunktur bestünden im Falle eines deutlicheren Zinsanstiegs in den USA. Auch die politischen Risiken im Euro-Raum sind zuletzt weiter gestiegen. So bergen die anstehenden politischen Ereignisse (mehr dazu im Sonderkapitel auf S.12) die Gefahr, dass dringend benötigte Reformen bis Ende 2017 vollständig unter den Tisch fallen, da der Handlungsspielraum der etablierten Parteien unter dem steigenden Druck populistischer Parteien deutlich eingeschränkt werden dürfte. Auch deswegen bleiben wir davon überzeugt, dass die Konsolidierungsanstrengungen in der Währungsunion im Prognosezeitraum nur sehr begrenzt ausfallen werden. Insbesondere zur Verringerung der konjunkturellen Belastungen aus dem Brexit rechnen wir in einigen Ländern sogar mit zusätzlichen fiskalischen Impulsen, wie auch jüngst von der EU-Kommission gefordert. Angesichts der von uns unterstellten stärkeren (verdeckten) Vergemeinschaftung der Schulden wird ein Teil des Fiskalimpulses aber nicht unmittelbar auf Länderebene haushaltswirksam. In Summe dürfte die Schuldenquote im Euro-Raum auf Sicht der kommenden fünf Jahre nur geringfügig sinken. In der Betrachtung der großen Länder steht dabei einem Rückgang in Deutschland und einer Stabilisierung in Spanien ein Anstieg der Schuldenquoten in Italien und Frankreich entgegen. Insgesamt bleibt die Verschuldung weiter viel zu hoch und gefährdet die Stabilität der Währungsunion. Ein von den USA ausgehender Aufwärtsdruck auf Staatsanleiherenditen könnte daher trotz zusätzlicher EZB-Interventionen zu gravierenden Marktverwerfungen und im Extremfall zum Zerfall des Euro-Raums führen. Die Inflation bleibt kraftlos. Zwar führen der im Vergleich zur letzten Prognose bessere Startwert der Produktionslücke (höheres BIP-Wachstum 2016) und der zusätzliche, kurzfristige Konjunkturimpuls bis 2018 dazu, dass sich die Produktion im Euro-Raum am Ende des Prognosehorizonts wieder auf Normalauslastung zu bewegen könnte. Eine Überauslastung der Kapazitäten ist aber nicht zu erwarten, was den Preisauftrieb schwach hält. Die Inflationsrate im Euro-Raum wird daher wohl noch bis 2021 die Marke von „unter, aber nahe 2%“ unterschreiten. Erst am Ende des Progonsehorizonts dürfte das Erreichen des Inflationsziels absehbar werden und eine erste Leitzinsanhebung gerechtfertigt sein. Die Geldpolitik bleibt somit über den gesamten Prognosehorizont sehr expansiv, mit steigenden Risiken für die Entstehung von Überbewertungen in einigen Marktsegmenten. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 30 Verschuldung bleibt hoch Etwas steilerer US-Leitzinspfad erwartet Staatsverschuldung in % am BIP, ab '16 Prognosen Fed und EZB-Leitzins, Dez. vs. August-Schätzung, ab '16 Pr. DE FR IT ES Fed Fed (alt) ER EZB EZB (alt) 6 140 5 120 4 100 3 80 2 60 1 40 0 20 -1 2001 2006 2011 Quelle: Eurostat, BayernLB Research 2016 2021 2001 2006 2011 2016 2021 Quelle: EZB, Fed, Datastream, BayernLB Research Rentenmarkt: Niedrigzinsumfeld auch bei moderat höheren US-Zinsen TransatlantikSpread vor neuen Höhen Die Divergenz der Notenbankpolitik in den USA und dem Euro-Raum dürfte sich 2017 deutlich ausweiten. Dies sollte dazu führen, dass Bundrenditen nur teilweise von einem höheren Zinsniveau in den USA beeinflusst werden und dadurch der Transatlantik-Spread neue Rekordstände erreicht. Dies gilt insbesondere für das kurze Ende der Kurven, wo Bundrenditen nahe ihren Rekordtiefs verharren und Leitzinserhöhungen der Fed auf der anderen Seite des Atlantiks für höhere US-Renditen entlang der Kurve sprechen. US-Treasuries werden in den nächsten beiden Jahren trotz der Trump-Effekte unterhalb ihres fairen Niveaus rentieren, da die globale Nachfrage nach höherrentierlichen Anlagen einen dynamischen Zinsanstieg in den USA verhindert. EZB-Tapering frü- Ab dem zweiten Halbjahr 2017 dürften das Zurückfahren des EZB-Anleihekaufprogramms – welches wir aber frühestens ab Mitte 2018 erwarten – in den Fokus der Marktakteure drängen und zu einem Anstieg der Bundrenditen am langen Ende führen, die sich dann nicht mehr so deutlich von den Entwicklungen in den USA abkoppeln dürften. Nachdem wir die erste EZB-Leitzinserhöhung jedoch erst 2021 erwarten und die EZB-Bilanzsumme auch im Tapering-Modus weiterhin zunimmt, bleibt das kurze Ende wohl über 2017 hinaus verankert und dürfte erst 2019 über den Einlagesatz steigen. hestens Mitte 2018 US-Zinsplateau wird bereits 2019 erreicht In den USA dürfte das Zinsplateau am Geld- und Kapitalmarkt bereits im Jahr 2019 erreicht werden, nachdem sich ab dann die Inflation stabilisieren und die Fed ihre Zinserhöhungen beenden sollte. Für 10-jährige US-Treasuries erwarten wir einen durchschnittlichen Höchststand von rund 3,2% in den Jahren 2019 und 2020, wobei kurzfristige Ausreißer auf bis zu 4% möglich erscheinen. Trotz der schwächeren Konjunkturperspektiven zum Ende des Prognosehorizontes sollten US-Treasury-Renditen keinen nachhaltigen Rückgang zeigen, da das Haushaltsdefizit hoch bleibt und gleichzeitig die US-Notenbank ihren Anleihebestand abbaut. Die Bundrenditen hingegen dürften auch dann – von einem noch immer sehr niedrigen Niveau – weiter leicht steigen, da sich die Konjunktur- sowie Inflationsdynamik verbessern sollten und das Erreichen des EZB-Inflationsziels erst im Jahr 2021 abzusehen ist. Im Jahr 2019 dürfte die 1%-Renditemarke erreicht werden und bis 2021 erwarten wir einen weiteren, moderaten Anstieg auf 1,2%, da die EZB auch dann noch fällig werdende Anleihen ihres QE-Bestandes wiederanlegen wird. Im Vergleich zu unserem Hauptszenario werden am Terminmarkt für in fünf Jahren 10-jährige US-Treasury sowie Bund-Renditen in Höhe von 3,25% respektive 1,15% eingepreist, was in etwa unseren Prognosen entspricht. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 Stärkere SpreadAusweitungen in der Peripherie 31 Die Risiko-Prämien von Anleihen aus der Peripherie gegenüber Bundesanleihen dürften aufgrund politischer Risiken und der Tapering-Spekulationen hoch bleiben. Einer möglichen Aufwärtsspirale würde die EZB jedoch entgegentreten, weshalb Phasen größerer Spread-Ausweitungen im ersten Halbjahr 2017 wieder Kaufgelegenheiten bieten. In den Folgenjahren ist neben den EZB-Anleihekäufen, die weiterhin unterstützend wirken, entscheidend, ob und wie sich die politische Landkarte im Euro-Raum nach den Wahlen 2017 verändert, was den Fortschritt auf dem Weg der „Vergemeinschaftung“ von Schulden über unseren Prognosehorizont beeinflussen könnte. Devisen: Euro-Erholung erst nach langem Tal Dollar vor weiterer Aufwertung Ausgehend von einem bereits deutlich gestärkten Dollar-Niveau im Jahr 2017 – bedingt durch geweckte Zinserwartungen – rechnen wir in den Folgejahren mit einer weiteren Dollar-Aufwertung. Die von uns erwartete, „abgespeckte“ Version von schuldenfinanzierten Steuersenkungen und Ausgabensteigerungen sollte besonders 2018 für ein relativ hohes BIP-Wachstum (von 2,9%) und eine Inflationsrate über dem Fed-Ziel von 2% sorgen, während Konjunktur und Inflation im Euro-Raum eher auf der Stelle treten. Die damit einhergehende zunehmende Divergenz der Renditen – insbesondere am kurzen Ende – dürfte den Höhenflug des Dollars weiter unterstützen und im Jahresdurchschnitt 2019 zu einem Kurs von 0,95 Dollar je Euro führen (inflationsbereinigt entspricht dies nahezu dem Rekordtief von 0,82 Dollar aus dem Jahr 2000). Gegenbewegung erst ab 2020 2020 werden die schuldenfinanzierten US-Stimulierungseffekte wohl ausgelaufen sein und das dortige Wachstum sollte auf ein „normales“ Niveau (von 1,9%) zurückgehen. Zudem erwarten wir, dass der Euro gegenüber dem Dollar schon ab Mitte 2018 durch eine graduelle Verringerung der monatlichen QE-Anleihekäufe der EZB („Tapering“) gestützt wird. Mit dem Ende des EZB-Kaufprogramms dürfte sich ab 2020 die zuvor sehr hohe Renditedifferenz zwischen US- und Bundesanleihen (als Maßstab für die „risikolose“ Rendite im EuroRaum) spürbar einengen und die im Jahr 2021 erwartete erste EZB Zinserhöhung auf der Agenda der Investoren stehen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der bis dahin wohl weiter divergierenden Leistungsbilanzsalden in den USA und im Euro-Raum (geringeres Defizit bzw. höherer Überschuss) rechnen wir bis 2021 mit einer deutlichen Euro-Erholung auf 1,05 Dollar je Euro. Ausgeprägte Risiken für Euro und Dollar, besonders im Fall einer Rezession Unser Ausblick unterliegt jedoch hoher Unsicherheit. Sollte es beispielsweise beim Auslaufen der US-Stimulierungseffekte entgegen unserer Erwartung zu einer Rezession kommen, bestünden sowohl für den Dollar als auch für den Euro ausgeprägte Risiken. Diese könnten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Vordergrund rücken und für erhebliche Volatilität am Devisenmarkt sorgen. In den USA würde die Fed im Rezessionsfall wohl den Leitzins absenken, ein erneutes QE-Programm auflegen und den Dollar dadurch unter Druck bringen. Im Euro-Raum hingegen könnten die Kapitalmärkte die Schuldentragfähigkeit einiger Mitgliedsstaaten in Frage stellen, die Stabilität des Euro-Raums als ganzes anzweifeln und den Euro spürbar schwächen. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 32 Transatlantik-Spread weitet sich weiter aus Euro-Abwertung setzt sich fort 10J Renditen (%) und Spread (US-DE; Bp); ab 2016 Prognose USD je EUR, Zinsdifferenz EZB-Fed (Dez); ab 2016 Prognose Spread (rS) Bunds (lS) US Treasuries (lS) 8 6 300 USD/EUR (lS) Diff. EZB - Fed (rS) 1,60 1,5 200 4 1,45 0,5 1,30 -0,5 100 2 0 0 -2 -100 2001 2006 2011 2016 Quelle: Bloomberg, BayernLB Research 2021 1,15 -1,5 1,00 -2,5 0,85 -3,5 2001 2006 2011 2016 2021 Quelle: Reuters Datastream, BayernLB Research Aktienmarkt: Im Durchschnitt nur moderate Renditen über fünf Jahre Aufwärtszyklus setzt sich bis 2018 noch fort Steigende Zinsen und Konjunkturverlangsamung sorgen 2019 für Korrektur Total-Return über fünf Jahre im mittleren einstelligen Prozentbereich Am US-Aktienmarkt – bereits im achten Jahr des Aufwärtszyklus – wird sich der Aufwärtstrend nach unserer Prognose 2017 und 2018 noch fortsetzen, erreicht dann aber bereits seine Endphase. Unterstützung erhalten die Aktienmärkte zunächst noch von der moderaten Entwicklung der Weltwirtschaft, die für eine gemäßigte Aufwärtsentwicklung der Unternehmensgewinne sowie eine leichte Bewertungsexpansion spricht. Da sich die Gewinnmargen vielfach schon auf hohem Niveau befinden und damit wenig Aufwärtspotenzial haben, werden die Unternehmensgewinne aber nur im prozentual einstelligen Bereich steigen. Auch die Bewertungen sind in Teilbereichen – insbesondere in den USA – im historischen Vergleich schon relativ hoch und weisen damit nur noch begrenztes Potenzial auf. Die Kurssteigerungen werden daher ebenfalls nur einstellig ausfallen. Die Geldpolitik wirkt zunächst noch unterstützend für Aktien. Zwar schreitet die Fed in ihrem Straffungszyklus voran, der Zinspfad bleibt aber noch flach und die Reinvestitionen der fälligen Wertpapiere aus den QE-Programmen werden erst ab 2018 langsam zurückgefahren. Gleichzeitig halten die EZB und die Bank of Japan an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest. Der fortgesetzte Anstieg der US-Leitzinsen sowie der Kapitalmarktzinsen wirkt dann 2019 allerdings zunehmend negativ. Da wir dann auch mit einem Rückgang der Konjunkturdynamik in den Vereinigten Staaten und im Euro-Raum rechnen, erwarten wir 2019 eine Korrektur an den Aktienmärkten. Diese dürfte dann auch das Ende des Aufwärtszyklus am US-Aktienmarkt markieren und in das Jahr 2020 hineinreichen. Anschließend dürften sich die Aktienmärkte wieder erholen. Auf Basis des geschilderten Szenarios erwarten wir für die prognostizierten Aktienindizes im Fünfjahreszeitraum bis 2021 durchschnittliche Kurszuwächse im unteren einstelligen Prozentbereich. Hinzu kommen die Dividendenrenditen, die im Prognosezeitraum einen hohen Anteil an der Gesamtrendite von Aktien aufweisen werden (in Europa über die Hälfte). Der durchschnittliche Total-Return aus Kurszuwächsen und Dividenden dürfte sich im mittleren einstelligen Prozentbereich bewegen. [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 33 Prognosen Gesamtwirtschaft 5-Jahreshorizont, in Prozent USA EuroRaum Deutschland Frankreich Italien Spanien BIP (zum Vorjahr) 2016 2017 2018 2019 2020 2021 1,6 2,2 2,9 2,4 1,9 1,9 1,6 0,8 1,4 1,2 1,2 1,2 1,8 1,2 1,5 1,4 1,3 1,2 1,2 0,7 1,1 1,2 1,2 1,2 0,8 0,3 0,8 0,8 0,8 0,8 3,2 1,6 2,5 2,2 2,2 1,9 Inflation (zum Vorjahr) 2016 2017 2018 2019 2020 2021 1,2 2,0 2,5 2,3 2,3 2,1 0,3 1,4 1,4 1,5 1,7 1,8 0,5 1,6 1,7 1,9 2,0 2,1 0,2 0,8 0,8 1,0 1,3 1,6 -0,1 1,0 1,0 1,1 1,3 1,7 -0,5 1,1 1,1 1,5 1,8 2,1 Öffentl. Haushaltssaldo (gemessen am BIP) 2016 -5,0 2017 -5,8 2018 -5,6 2019 -5,9 2020 -6,0 2021 -6,2 -2,1 -2,0 -1,9 -1,7 -1,6 -1,7 0,5 0,2 0,2 0,2 0,2 0,0 -3,6 -3,5 -3,2 -2,8 -2,8 -2,8 -3,0 -3,2 -3,0 -2,8 -2,7 -2,7 -4,6 -3,6 -3,0 -2,8 -2,7 -2,7 Öffentl. Schuldenstand (gemessen am BIP) 2016 107 2017 109 2018 109 2019 110 2020 112 2021 114 92 93 93 93 92 91 69 67 64 62 60 58 97 99 101 101 101 101 134 136 138 139 140 140 101 102 101 100 99 98 Quellen: Eurostat, BEA, BLS, BayernLB Devisen, Zinsen und Aktien 5-Jahreshorizont Leitzinsen in %1) 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Staatsanleihen in %1) Euro-Raum USA Bunds 2J Bunds 5J Bunds 10J Treasuries 10J 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,25 0,63 1,13 2,13 3,00 3,00 3,00 -0,80 -0,70 -0,60 -0,40 -0,20 0,00 -0,60 -0,40 -0,20 0,00 0,30 0,50 0,30 0,60 0,90 1,00 1,10 1,20 2,50 2,70 3,10 3,20 3,20 3,00 Spreads2) Devisen3) iBoxx Euro Non-Fin EUR/USD DAX EuroSTOXX 120 130 160 150 140 130 1,11 1,03 0,99 0,95 0,98 1,05 -1,2 7,4 5,6 -6,5 -2,7 10,9 -5,8 5,8 4,3 -6,5 -0,9 9,5 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quellen: Eurostat, BEA, BLS, BayernLB 1) Jahresendstand Aktien in % zum Vorjahr S&P500 Ölpreis Dollar/Fass 9,1 6,7 5,0 -8,0 -2,2 11,1 45 45 50 55 60 60 2) Spreads in Basispunkten 3) Jahresdurchschnitte BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 34 Rohstoffe: Trump sorgt nicht für Trendwende Ölpreis: Zwischen Trump-Euphorie und OPEC-Sorgen Kein Ölpreisanstieg in Sicht Der Rohölpreis bewegt sich in der seit Frühjahr 2016 ausgebildeten Range zwischen 42 und 55 USD seitwärts. Er wird dabei weiterhin primär von angebotsseitigen Faktoren getrieben. Dabei haben sich im Verlauf der vergangenen Wochen Sorgen und Hoffnungen abgewechselt, ob die OPEC-Staaten auf ihrem Treffen am 30.11.16 die bereits vereinbarten Produktionsobergrenzen von 32,5 bis 33 Mio. Fass pro Tag verbindlich festlegen und ob diese Obergrenzen dann auch nachhaltig eingehalten werden. Zudem haben einige Länder wie Nigeria, Libyen oder der Iran ihre Produktion im November weiter gesteigert oder eine höhere künftige Produktion in Aussicht gestellt. Die Impulse von der Nachfrageseite fielen dagegen weiter nur moderat aus, auch wenn die jüngsten Konjunkturdaten insgesamt leicht positiv überrascht haben. Der Wahlsieg von Donald Trump hat bisher kaum dämpfende Effekte auf den Ölpreis, auch wenn die angekündigten Maßnahmen zum Abbau der Regulierung im Energiesektor die US-Produktion in den kommenden Jahren antreiben sollten. Nachdem an den Märkten Zweifel an der Nachhaltigkeit der von uns erwarteten Einigung der OPEC im November hoch bleiben dürften, revidieren wir unser kurzfristiges Ölpreisbild und unterstellen nun einen lediglich stabilen Ölpreis im Bereich von 45 USD je Fass auf Sicht der kommenden 12 Monate. In der kurzen Frist dominieren die Abwärtsrisiken, vor allem wenn die Zweifel am OPEC-Beschluss noch stärker werden oder die OPEC sich nicht einigen kann. Mittelfristig könnte der Ölpreis dann stärker von der Markteinschätzung zur Wirkung des wirtschaftspolitischen Maßnahmenpakets der TrumpAdministration getrieben werden. Vor allem ein noch stärkerer US-Dollar und Schritte in Richtung einer Ausweitung des US-Angebots würden den Ölpreis zusätzlich belasten. [email protected] Goldpreis: Trump-Effekt war nur eine Eintagsfliege Erwartungen über mögliche Zinserhöhungen dämpfen den Goldpreis Am Wahltag schoss der Goldpreis nach dem sich abzeichnenden Wahlsieg von Trump kurzfristig um mehr als 4% über die Marke von 1300 Dollar je Feinunze. Der Effekt verhallte jedoch schon nach kurzer Zeit. Danach fiel der Goldpreis wieder markant unter die 300Dollar-Marke und notiert gegenwärtig mit 1.180 Dollar unterhalb der gleitenden 200-TageDurchschnittslinie. Weitere Belastung droht dem Goldpreis vom nächsten Zinsschritt in den USA im Dezember und der fortgesetzten Dollar-Aufwertung. Unterstützung dürfte der Goldpreis dagegen von Unsicherheiten über die weitere Entwicklung der Weltkonjunktur und den Unklarheiten über die künftige Wirtschafts- und Außenpolitik des neuen USPräsidenten erhalten, sodass das Rückschlagpotenzial des Goldpreises ebenfalls begrenzt bleiben sollte. Im Hinblick auf die zu erwartenden politischen Unsicherheiten prognostizieren wir auf Sicht der kommenden Monate eine moderate Kurserholung und sehen den Goldpreis auf Jahressicht bei 1.300 Dollar je Feinunze. Dies entspricht einer leichten Abwärtsrevision unseres bisherigen Bildes. [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 35 USA: Jahr 1 unter Präsident Trump Am Anfang ändert sich nicht viel Das Jahr 2017 beginnt – zumindest konjunkturell – wie das Jahr 2016 endet. Einen „BigBang“-Moment wird es mit dem Regierungswechsel zum Jahresanfang nicht geben. Das liegt zum einen daran, dass Donald Trump erst am 20. Januar vereidigt wird. Zum anderen ist eine Volkswirtschaft, ähnlich einem großen Schiff, relativ schwerfällig. Vom Befehl des Kapitäns zur Kursänderung bis zum tatsächlichen Richtungswechsel braucht es Zeit. Dies gilt auch für die US-Wirtschaft unter Trump, soweit nicht die Finanzmärkte den Kurswechsel durch starke Ausschläge beschleunigen. Da sich dies aktuell nicht abzeichnet, erwarten wir im ersten Quartal 2017 weiterhin eine gemäßigte Wachstumsdynamik. Ähnlich der Entwicklung der letzten Jahre dürften sich allerdings die, in den USA mittlerweile üblichen, aber bisher in der statistischen Saisonbereinigung nicht berücksichtigten, starken Schneestürme bremsend auswirken. Der Arbeitsmarkt sollte sich weiterhin robust zeigen und auch die Inflation dürfte ihre Dynamik halten. Was nach den ersten Monaten des Jahres 2017 passiert, hängt dann jedoch deutlich von der Politik des neuen Präsidenten ab. Im Frühjahr wird’s spannend: Trumps Wirtschaftspläne treffen auf die Realität Wohl nur wenige Maßnahmen der Immigrations- und Handelsreformen werden umgesetzt Schuldenobergrenze muss wieder angehoben werden Verschuldung des Gesamtstaates und Schuldenobergrenze in Bio. USD, ab Jul. 2016 Prognosen Obergrenze Verschuldung 21 20 19 18 17 16 15 14 Jan. 12 Jan. 14 Jan. 16 Quelle: US-Treasury, Datastream, BayernLB Research Die ersten Maßnahmen Trumps dürften diejenigen sein, für die er keine Zustimmung des Kongresses benötigt. Hierzu zählen die Immigrations- und Handelsreformen. Wie im Kapitel zum Fünfjahresausblick beschrieben (S.26) erwarten wir hier aber nur kleinere Änderungen, auch wenn sie im Zentrum des Trump-Wahlkampfs standen. So dürfte die neuen Regierung im Bereich der Handelspolitik nur eine Minimalumsetzung der alten Forderungen nach Schutzzöllen und Protektionismus durchführen und nur einen gemäßigten Zoll auf spezifische Produkte erheben, anstatt einen landesspezifischen Zoll einzuführen (z.B. für chinesische Produkte). Da diese Prognose jedoch weitestgehend vom Gutdünken Donald Trumps abhängt, besteht hier ein erhebliches Risiko. Zwar hat sich Trump seit der Wahl nicht mehr zu Zöllen geäußert und auch viele seiner übrigen Forderungen aus dem Wahlkampf abgeschwächt oder vollständig fallen gelassen. Er hat allerdings auch mehrere Hardliner in sein Kabinett berufen, die ihn in seiner ursprünglichen protektionistischen Richtung bestätigen könnten. Sollte sich Trump daher anders entscheiden, könnte er das NAFTA-Abkommen innerhalb von sechs Monaten aufkündigen und stattdessen bilaterale Verträge mit Kanada und Mexiko aushandeln. Im Falle Mexikos würde ein solcher Vertrag durch die Marktmacht der USA deutlich stärker zu Gunsten der Vereinigten Staaten ausgerichtet sein und wahrscheinlich spürbar höhere Zölle auf viele mexikanische Produkte beinhalten (z.B. Automobile, um die heimische Produktion wieder zu beleben). Abgesehen von den ersten Tagen der Amtszeit Trumps lässt sich als einer der wichtigsten Termine des Jahres 2017 der 15. März im Kalender anstreichen. Nach einem Kompromiss aus dem letzten Haushaltsstreit im Oktober 2015 wurde nämlich die Schuldenobergrenze bis zu diesem Datum ausgesetzt, d.h. die Schuldenobergrenze wird am 15. März wieder auf den dann aktuellen Stand der nominalen Verschuldung eingesetzt. Nachdem die Republikaner sich bei den Anhebungen der Schuldenobergrenze in den letzten sechs Jahren immer wieder quer gestellt haben und die Streitigkeiten um einen angemessenen Haushaltsplan im Oktober 2013 in einen Regierungsstillstand („Government Shutdown“) eskalieren ließen, wird es interessant werden, wie sich die republikanische Partei im Jahr 2017 verhält. Denn zusammen mit der Anhebung der Schuldenobergrenze dürfte auch ein neuer Haushaltsplan verabschiedet werden. So hatte der Kongress im letzten September nur eine kurze Fortführung des aktuellen Budgetplans bis zum 9. Dezember 2016 beschlossen. Aufgrund der im Januar eintretenden neuen Machtverhältnisse wird der noch amtierende Kongress die Frage eines neuen Budgetplans im Dezember wohl erneut vertagen (über eine Continuing Resolution) und diese Aufgabe dem neuen Kongress überlassen. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 36 Als Termin für das Auslaufen des „Übergangsbudgetplans“ bietet sich der 15. März 2017 an. Die Krux bei der Sache ist das neue Verhältnis zwischen Präsident und Kongress. In den vergangenen Jahren hat sich die republikanische Partei unter großem Einfluss der Tea-Party-Bewegung gegen höhere staatliche Ausgaben der Regierung Obama positioniert. Präsident Trump hat jedoch selbst ein Infrastrukturprogramm in Aussicht gestellt, das der Philosophie der Tea-Party-Bewegung gegen höhere Ausgaben widerspricht, den Demokraten allerdings entgegenkommen würde. Dies birgt erhöhtes Konfliktpotenzial und könnte die Beziehung des neuen Präsidenten zu seiner Partei auf die Probe stellen. Wir erwarten, dass sich Trump und die Republikaner am Ende auf einen Kompromiss zur Schuldenobergrenze und Verabschiedung eines Haushaltsplans einigen werden, mit dem die Ausgaben für Infrastrukturmaßnahmen nur leicht angehoben werden und stattdessen die seit 2013 eingeführte automatische Ausgabenbremse („Sequestration“) für den Verteidigungshaushalt aufgehoben wird. Für letzteres sollte die Zustimmung aller Parteiflügel der Republikaner groß sein. Auch die Steuerreform wird abgespeckt Ein weiterer Punkt ist die Steuerreform, das Herzstück des Trump´schen Wahlprogramms. Im Original sind hier eine Vereinfachung der Einkommenssteuerklassen und die Nivellierung der Körperschaftssteuer auf einen Satz von 15% vorgesehen. Dies soll zwar zumindest teilweise mit der Schließung von Steuerschlupflöchern sowie der Repatriierung im Ausland erzielter Gewinne von US-Unternehmen finanziert werden. Der Großteil der Reform wird jedoch über geringere staatliche Einnahmen defizitwirksam (siehe auch Fünfjahresausblick S. 26). Die Steuerreform hat generell die volle Unterstützung der Republikaner. Aufgrund des zu erwartenden Anschwellens der staatlichen Verschuldung, die bei vollständiger Umsetzung der Reform am Ende von Trumps Amtszeit bei etwa 118% gemessen am BIP liegen würde (zum Vergleich 2015: 105,6%), dürfte jedoch nur eine abgespeckte Version der Reform mehrheitsfähig sein. Wir gehen daher davon aus, dass die Einkommensgrenzen bzw. einzelne Steuersätze so angepasst werden, dass im Staatshaushalt nur noch ein Drittel des ursprünglichen Volumens angesetzt wird. In den neuen Haushaltsplan sollte die Steuerreform bereits grob eingerechnet werden. Die genaue Ausarbeitung dürfte jedoch mehrere Monate im Kongress benötigen und wohl erst im Laufe des zweiten Halbjahres 2017 in Kraft treten. Die Rechnung bitte: Konjunktureffekte auf Kosten des Staatshaushaltes Konjunkturdynamik dürfte vor allem 2018 deutlich zulegen Inflation wird 2018 spürbar anziehen Die Konjunkturdynamik wird im Jahr 2017 entsprechend stark von den oben genannten politischen Beschlüssen getrieben. Nach einem eher durchwachsenen Jahresstart dürften sich im zweiten Quartal beim Konsum sowie beim privaten und gewerblichen Bau leichte Nachholeffekte zeigen. Das zweite Halbjahr sollte konjunkturell von den erhöhten staatlichen Ausgaben, z.B. für Verteidigung, positiv beeinflusst werden. Zudem sollte sich die Steuerreform zum Ende des Jahres 2017 langsam bemerkbar machen und den Konsum stärker fördern. Größere Wachstumseffekte werden allerdings erst im Jahr 2018 zu spüren sein, für das wir einen Anstieg der Jahreswachstumsrate auf 2,9% (2017: 2,2%) erwarten. Dabei geht das stärkere Wachstumsraten größtenteils auf Kosten des Staatshaushalts. So dürften die höheren Staatsausgaben in Kombination mit einem Teil der Steuerreform das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit von 5,0% im Jahr 2016 auf 5,8% im Jahr 2017 steigen lassen. 2018 kommt es dann zu einer leichten Reduktion der Neuverschuldung, da wir dann nur noch die Steuerreform berücksichtigen, jedoch keinen zusätzlichen Impuls mehr aus der Abschaffung der Sequestration erwarten. In diesem Konjunkturbild wird sich der Arbeitsmarkt weiter beleben und die Arbeitslosenquote sollte, wenn auch mit geringerem Tempo, auf 4,6% im Jahresdurchschnitt 2018 sinken. Dabei dürften sich allmählich Überhitzungserscheinungen andeuten. So sollte das Tempo des Stellenaufbaus weiter abnehmen, da die Kapazitäten am Arbeitsmarkt zuneh- BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 37 mend ausgeschöpft werden und sich der Fachkräftemangel bemerkbar macht. Entsprechend wird sich die Lohndynamik beschleunigen und mit einigen Monaten Verzögerung in eine steigende Inflationsrate übersetzen. Dabei sollten zum Jahresende 2017 auch die einführten produktspezifischen Schutzzölle auf die Verbraucherpreise wirken und diese anziehen lassen. Zusammengenommen führt das im Jahr 2017 noch zu einer gemäßigten Verbraucherpreisteuerung von 2,0% (der niedrige Ölpreis bremst den Preisauftrieb). 2018 dürfte die Inflationsrate jedoch spürbar zulegen und dabei deutlich über das Inflationsziel der Fed von 2% hinausschießen. Dies zwingt die Fed zu einer weniger expansiven Geldpolitik, die die Inflationsrate auf eine Jahresrate von 2,5% bremsen sollte. Was macht die Fed daraus? Yellens sehr flacher Zinspfad unterstützt Trumps Wirtschaftspolitik Die Fed reagiert sowohl auf die aktuelle Datenentwicklung als auch auf den Konjunkturund Inflationsausblick. Hierbei spielt Fed-Präsidentin Yellen Trump durchaus in die Karten. Denn, obwohl er im Wahlkampf eine deutlich restriktivere Geldpolitik forderte, dürfte der äußerst langsame Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik Trumps wirtschaftspolitische Maßnahmen unterstützen. So erwarten wir, dass die Fed im Jahr 2017 trotz eines starken Konjunkturausblicks und einer rasch anziehenden Inflationsrate zum Jahresende lediglich zwei Zinsschritte vornehmen wird. Dies hilft der Regierung, die deutlich steigende Neuverschuldung noch zu erschwinglichen Konditionen zu finanzieren. Wie lange der Zinspfad flach bleibt, hängt wiederum auch von Trump ab. Aktuell sind noch zwei Gouverneurssitze im FOMC-Board offen. Mit der republikanischen Mehrheit im Senat kann Trump hier relativ schnell zwei Kandidaten nominieren und vom Senat absegnen lassen. Zudem endet die erste Amtszeit Yellens als Fed Chair Ende Januar 2018. Die Diskussionen über ihren Nachfolger dürften sich Ende 2017 zuspitzen. Bei diesen Personalentscheidungen bevorzugen die Republikaner traditionell geldpolitische Falken. Es bleibt daher offen, ob sich Trump ihnen angesichts der steigenden Neuverschuldung anschließen oder eher einen moderaten Kandidaten bevorzugen wird. Prognose USA Preis- und saisonbereinigte Vierteljahreswerte, Vp bzw. Vj in Prozent Private Konsumausgaben Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 2015 2016 2017 2018 2015 2016 2016 2016 2016 2017 2017 2017 2,3 1,6 4,3 2,8 2,7 1,6 2,5 2,5 3,2 2,7 2,5 3,6 Ausrüstungsinvestitionen -2,6 -9,5 -3,0 -4,7 2,0 2,2 4,0 4,0 3,5 -2,9 1,6 4,7 Wohnungsbauinvestition 11,5 7,8 -7,7 -4,4 5,0 1,0 4,0 4,0 11,7 4,5 1,5 3,7 Staatskonsum und - investit. 1,0 1,6 -1,7 0,2 0,2 0,0 0,5 2,0 1,8 0,7 0,5 1,1 Inlandsnachfrage 1,3 0,8 1,2 2,2 2,2 1,4 2,5 2,8 3,2 1,6 2,1 2,9 Exporte -2,7 -0,7 1,8 10,1 3,2 3,0 2,4 1,0 0,1 0,9 3,3 0,9 Importe 0,7 -0,6 0,2 2,1 3,0 3,5 1,7 2,0 4,6 0,8 2,4 1,7 Außenbeitrag * -0,5 0,0 0,2 0,9 -0,1 -0,2 0,0 -0,2 -0,7 0,0 0,0 -0,2 Bruttoinlandsprodukt 0,9 0,8 1,4 3,2 2,3 1,3 2,6 2,7 2,6 1,6 2,2 2,9 Arbeitsm arkt Stellenaufbau (oh. Landw .) Durchschnitt in '000 229 180 167 153 Arbeitslosenquote in % 5,3 4,9 4,8 4,6 Quelle: BayernLB Research, Prognosen in blau *) Wachstumsbeitrag in Prozent des BIP [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 38 USA: Ausgewählte Wirtschaftsindikatoren Wohnungsbau erreicht neue Nachkrisen- Höhen Stimmungsindikatoren Wohnungsbau und Häuserpreise Saisonbereinigte Monatswerte Saisonbereinigte Monatswerte Dienstleistungssektor (ISM) Salden Verarbeitendes Gewerbe (ISM) Salden 195 62 60 58 56 54 52 50 48 46 belebt sich im zweiten Halbjahr 1300 190 1200 185 1100 180 1000 900 175 800 170 Nov 14 Konjunkturdynamik Wohnungsbaubeginne in Tsd. (rS) S&P/Case-Shiller Häuserpreisindex 20 (lS) 1400 Mrz 15 Jul 15 Nov 15 Mrz 16 Jul 16 Nov 16 700 Nov Mrz 14 15 Jul 15 Nov Mrz 15 16 Jul 16 Nov 16 Quelle: ISM, BayernLB Research Quelle: US Census, S&P, BayernLB Research Konsumausgaben und Sparquote Bruttoinlandsprodukt Saisonbereinigte Vierteljahreswerte Preis- und saisonber. Quartalswerte,ggü. Vp in %, annualisiert 5 Konsumausgaben, real, Vp in %, annu. (lS) Sparquote (%) des verfügb. Einkommens (rS) 6,5 6 5 4 4 6,0 3 5,5 2 5,0 1 4,5 0 4,0 -1 3 2 0 1 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 13 14 14 14 14 15 15 15 15 16 16 16 Verbraucherpreise nähern sich langsam dem Fed-Ziel von 2% an Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 13 14 14 14 14 15 15 15 15 16 16 16 Quelle: BEA, BayernLB Research Quelle: BEA, BayernLB Research Beschäftigung und Arbeitslosenquote Verbraucherpreise Saisonbereinigte Monatswerte Veränderung ggü. Vj. in Prozent 6,5 Beschäftigungsaufbau auß. LW in Tsd. (rS) Arbeitslosenquote, in Prozent (lS) 350 2,5 300 2,0 6,0 250 200 5,5 150 100 5,0 4,5 Nov 14 Mrz 15 Jul 15 Nov 15 Quelle: BLS, BayernLB Research Mrz 16 Jul 16 Nov 16 Verbraucherpreise Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) 1,5 1,0 0,5 50 0,0 0 -0,5 Nov 14 Mrz 15 Jul 15 Nov 15 Mrz 16 Jul 16 Nov 16 Quelle: BLS, BayernLB Research BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 39 Euro-Raum: Ein schwieriges Jahr voraus 2017 drohen konjunkturelle und politische Ansteckungseffekte Das Jahr 2017 verspricht ein schwieriges und turbulentes Jahr für die Währungsunion zu werden. Negative Ansteckungseffekte drohen auf zwei Ebenen. Auf der politischen Ebene können die kräftigen Stimmengewinne und Siege von populistischen Kräften bei Wahlen und Abstimmungen in verschiedenen Regionen der Welt ein hohes Risiko sein, wenn sie auf den Euro-Raum überschwappen (siehe Sonderkapitel Europa mit Zerfallserscheinungen ab S. 12). Auf konjunktureller Ebene drohen der Brexit-Prozess und der von US-Seite ausgelöste Zinsanstieg, die Investitionstätigkeit zu bremsen. Letzteres gilt vor allem deshalb, da die Geldpolitik der EZB – selbst bei der von uns unterstellten Beibehaltung des Expansionsgrads durch die QE-Verlängerung – weniger wirksam sein dürfte als in den vergangenen Jahren. Vor diesem Hintergrund kommt der Fiskalpolitik eine noch größere Bedeutung zu. Der bereits angelegte fiskalpolitische Richtungswechsel dürfte die Konjunktur auch 2017 stützen. Wegen der Sorgen vor einem weiteren Erstarken populistischer Kräfte dürften die Stimmen für eine Konsolidierung dagegen immer weniger zu hören sein. Brexit-Prozess und US-Zinsschock dämpfen Wirtschaftsausblick 2017 Anders als 2016 dürfte der Brexit-Prozess 2017 zu einem erheblichen Belastungsfaktor für die Konjunktur im Euro-Raum werden. So werden wichtige, bisher aufgeschobene Weichenstellungen mit der Artikel-50-Erklärung in Gang gesetzt. Dies gilt sowohl auf politischer Ebene als auch auf der Ebene von Unternehmen und Haushalten. Dies wiederum dürfte die wirtschaftlichen Konsequenzen des Brexit-Prozesses schrittweise zurück ins Bewusstsein von Marktteilnehmern und Investoren rücken. Die negativen Effekte der Nachfrageschwäche in Großbritannien auf den Euro-Außenhandel werden – zusammen mit einer erhöhten Investitionszurückhaltung – das Wachstum in der Währungsunion insgesamt um rund ½ Prozentpunkt bremsen (siehe Abbildung links). Die noch dominierenden Hoffnungen auf einen „Brexit light“ werden dabei zunehmend enttäuscht werden. Weniger Wachstum in allen Euro-Ländern Bruttoinlandsprodukt 2017, preisbereinigt, Veränderung zum Vorjahr in Prozent, Vorjahresergebnis in gelb Anstieg auch der Kreditzinsen nach TrumpSchock? Kapitalmarktzinsen: IBOXX Euro non-fin. Corp. –BBB Kreditzinsen: CCC Index für Unternehmen, jeweils in Prozent 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 ES NL DE BE PT ER FR AT FI IT GR IR Negative BrexitEffekte nach der Auslösung von Artikel 50 EUV Quelle: BayernLB Research Quelle: BayernLB Research Als weitere konjunkturelle Belastungsfaktoren dürften sich das höhere Zinsniveau und der Anstieg der Risikoprämien nach der US-Wahl herausstellen. Auch wenn wir die Erwartungen eines deutlichen Konjunkturimpulses und einer auch im Euro-Raum schneller steigenden Inflation durch die Wirtschaftspläne der neuen US-Administration für überzogen halten, dürften die Kapitalmarktzinsen auch im Euro-Raum über das gesamte Jahr 2017 höher als 2016 sein. Damit steigt das Risiko, dass sich die immer noch sehr günstigen Kreditkonditi- BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 40 onen für Unternehmen und Haushalte verschärfen (siehe Abbildung rechts auf S.39). Und das bremst die Wirtschaft, nachdem der deutliche Rückgang der Kreditzinsen in den vergangenen Jahren ein wichtiger Treiber der konjunkturellen Erholung war. EZB kann Zinsanstieg nicht mehr vollständig kompensieren Nachlassende Wirkung der Geldpolitik könnte ein Drittel des Wachstums kosten Auch wenn die EZB einer möglichen Abwärtsspirale aus steigenden Risikoprämien und konjunktureller Schwäche entschlossen entgegen treten wird, dürfte die expansive Wirkung der Geldpolitik geringer als 2015 und 2016 ausfallen. Dies gilt auch deshalb, da die EZB – trotz Verlängerung des QE-Programms – im Umfeld steigender Headline-Inflationsraten zumindest temporär Schwierigkeiten haben könnte, das im Herbst 2016 erstmals aufgetretene „Tapering-Gespenst“ nachhaltig zu vertreiben. Eine nachlassende Wirkung der Geldpolitik ist vor allem deshalb ein Risiko, da laut Schätzungen von EZB und Bundesbank die geldpolitischen Impulse der EZB in den beiden Vorjahren immerhin für rund ein Drittel des Wachstums im Euro-Raum verantwortlich waren. Auf eine geringere Wirkung der Geldpolitik deutet auch die bereits seit Mitte 2015 zu beobachtende Abschwächung des Kreditimpulses hin (siehe Abbildung). Hierzu trägt zwar auch die zunehmende Finanzierung von Unternehmen über den Kapitalmarkt bei. Angesichts der nach wie vor überragenden Bedeutung der bankbasierten Finanzierung im Euro-Raum ist gerade im Umfeld erhöhter Volatilität und steigender Risikoprämien eine anhaltende Aufstockung der Kreditvergabe aber unabdingbar, um den Investitionsspielraum von Unternehmen zu erhöhen und damit die Konjunktur zu stimulieren. Denn die Außenfinanzierung von Unternehmen im EuroRaum erfolgt nur zu gut 4% auf kapitalmarktbasierten Schuldverschreibungen. Kreditwachstum zwar positiv, Kreditimpuls verliert aber seit Mitte 2015 an Kraft Kreditvergabe von Euro-Banken an Unternehmen und Haushalte, Kreditwachstum zum Vorjahr in Prozent, Kreditimpuls: Veränderung des Kreditwachstums in Prozent des Bruttoinlandsprodukts Quelle: BayernLB Research Schwache Lohndynamik bremst Inflation und setzt Politik unter Druck Unter dem Strich dürfte sich das Wachstum im Euro-Raum 2017 auf 0,8% verlangsamen. Vor allem in der ersten Jahreshälfte erwarten wir eine geringe konjunkturelle Dynamik. Der Bremseffekt dürfte in den meisten Euro-Ländern in der oben genannten Größenordnung liegen. Eine klare Reihenfolge der Wachstumsdynamik zwischen Kern- und Peripherieländern ergibt sich dabei nicht. Besonders schwach bleibt das wirtschaftliche Expansionstempo in Italien und Frankreich. In diesem Umfeld wird der Abbau der Arbeitslosigkeit und der nach wie vor bestehenden Unterauslastung von Produktionskapazitäten insgesamt nicht weiter vorankommen, und die Lohndynamik dürfte kaum stärker werden. Dies hat zwei wichtige Konsequenzen. Zum einen bleibt damit der zugrunde liegende Preisauftrieb sehr gering, und die Kernrate der Inflation dürfte sich nur wenig in Richtung des EZB-Ziels von „unter, aber nahe 2%“ bewegen. Zum anderen dürfte der politische Druck hoch bleiben, und Anti-Establishment-Bewegungen erhalten weiteren Zulauf. Damit einhergehend könnte BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 41 die Verteilungsfrage zunehmend ins Zentrum der politischen Diskussion rücken, wodurch Bereitschaft und Fähigkeit zu Strukturreformen weiter verringert werden könnten. Wenig Sparanstrengungen Fiskalische Impulse 2017 auch in Krisenländern Struktureller Primärsaldo in % des Produktionspotenzials, Veränderung zum Vorjahr in %-Punkten Struktureller Primärsaldo in % des Produktionspotenzials, Veränderung 2017 zum Vorjahr in %-Punkten; EU-Prognose 2,0 BE IR NL FR PT AT ER GR ES DE IT 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Impuls Bremseffekt -0,75 -0,5 -0,25 Quelle: EU-Kommission, BayernLB Research 0 0,25 0,5 0,75 Quelle: EU-Kommission, BayernLB Research Fiskalpolitik muss wieder Rolle des Stabilisators übernehmen Vor diesem Hintergrund erwarten wir auch 2017 einen fiskalischen Impuls, welcher eine noch schwächere konjunkturelle Entwicklung verhindern wird. Die Fiskalpolitik wird dabei nicht nur den finanziellen Spielraum nutzen, der sich durch die niedrigen Zinsen und die gute Konjunktur der vergangenen Jahre ergibt (die staatlichen Zinsausgaben liegen 2017 mit rund 2% gemessen am Bruttoinlandsprodukt etwa zwei Prozentpunkte niedriger als vor der Finanzkrise). Sie wird darüber hinaus wohl auch den um Zinsausgaben und konjunkturelle Effekte bereinigten Haushaltssaldo (struktureller Primärsaldo) weiter senken. Zur Konsolidierung müsste sich dieser Saldo erhöhen. Anders als von der EU-Kommission gefordert, wird der Impuls dabei nicht primär aus Ländern mit fiskalischem Spielraum (positiver struktureller Haushaltssaldo) kommen. Vielmehr dürften auch Italien, Spanien und – anders als von der EU-Kommission erwartet – auch Frankreich die Fiskalpolitik weiter lockern. Ein stärkerer Fiskalimpuls ist durchaus möglich, vor allem wenn z.B. in Italien Ausgaben für Erdbebenhilfe und Flüchtlingskrise als Sondereffekte behandelt werden. Prognose Euro-Raum Preis- und saisonbereinigte Vierteljahreswerte, Vp bzw. Vj in Prozent Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 2015 2016 2017 2018 2015 2016 2016 2016 2016 2017 2017 2017 Private Konsumausgaben 0,3 0,6 0,2 0,3 0,2 0,2 0,2 0,2 1,8 1,5 0,9 0,9 Staatsverbrauch 0,6 0,6 0,2 0,3 0,2 0,3 0,3 0,3 1,4 1,7 1,1 0,8 Bruttoanlageinvestitionen 1,5 0,5 1,1 0,5 0,3 -0,5 -0,8 0,5 2,9 3,1 0,1 2,8 Inlandsnachfrage 0,8 0,4 0,2 0,4 0,3 0,2 0,1 0,3 1,7 1,8 0,9 1,2 Exporte 0,7 0,1 1,2 0,6 0,7 0,6 0,2 0,5 6,2 2,5 2,3 4,0 Importe 1,4 -0,2 1,1 0,8 0,8 0,7 0,2 0,5 6,2 3,1 2,6 3,7 Außenbeitrag * -0,3 0,1 0,1 -0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,3 -0,1 0,0 0,3 Bruttoinlandsprodukt 0,5 0,5 0,3 0,3 0,2 0,1 0,1 0,3 1,9 1,6 0,8 1,4 10,9 10,1 10,0 9,8 Arbeitsm arkt Arbeitslosenquote in % Quelle: Eurostat, BayernLB Research; Prognosen in blau *) Wachstumsbeitrag in Prozent des BIP [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 42 Euro-Raum: Ausgewählte Wirtschaftsindikatoren Gedämpfter Optimismus von Unternehmen und Verbrauchern Industrie- und Verbrauchervertrauen Auftragslage und Industrieproduktion Salden, saisonbereinigte Monatswerte Saisonbereinigte Vierteljahreswerte, Salden/Vp in Prozent Industrieproduktion (lS) Auftragseingang Industrie (rS) Verbrauchervertrauen Industrievertrauen 3 3 2 2 1 1 0 -1 -1 -2 0 -2 -4 -6 -8 -10 -12 -14 Nov 14 Kreditdynamik bleibt positiv, entwickelt aber keine Kraft Mai 15 Nov 15 Mai 16 Nov 16 0 -5 -10 -15 -20 -25 -30 Q3 13 Q3 14 Q3 15 Q3 16 Quelle: EU-Kommission, BayernLB Research Quelle: Eurostat, EU-Kommission, BayernLB Research Kreditentwicklung Bruttoinlandsprodukt Veränderung zum Vorjahr in Prozent Preis- und saisonbereinigt, Vp in Prozent, annualisiert Unternehmenskredite Haushaltskredite 3,5 3 3,0 2 2,5 2,0 1 1,5 0 1,0 -1 0,5 -2 Nov 14 Stabilisierung der Ölpreise sorgt für temporär höhere Inflation 0,0 Mai 15 Nov 15 Mai 16 Nov 16 Q3 13 Q3 14 Q3 15 Quelle: EZB, BayernLB Research Quelle: Eurostat, BayernLB Research Arbeitsmarkt Verbraucherpreise Saisonbereinigte Vierteljahreswerte Vj in Prozent Erwerbstätige Arbeitslosenquote, in Prozent (lS) 13,0 Verbraucherpreise (HVPI) Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) 600 12,5 Q3 16 500 12,0 1,5 1,0 400 11,5 0,5 11,0 300 10,5 200 10,0 9,5 9,0 Q3 13 Q3 14 Q3 15 Quelle: Eurostat, BayernLB Research Q3 16 0,0 100 -0,5 0 -1,0 Nov 14 Mai 15 Nov 15 Mai 16 Nov 16 Quelle: Eurostat, BayernLB Research BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 43 Deutschland: Weltpolitisches Wildwasser Politische Risiken dominierenden Das Jahr 2017 steht auch für die deutsche Wirtschaft im Zeichen der politischen Unsicherheit. Zum einen stehen in Deutschland im Herbst Bundestagswahlen an. Die damit verbundene Unsicherheit dürfte jedoch im Vergleich zu den schwer abschätzbaren Folgen der Brexit-Entscheidung und der möglicherweise neuen wirtschaftspolitischen Agenda in den USA unter einer Regierung Trump moderat ausfallen. Als exportorientierte Volkswirtschaft ist Deutschland aber von den außenwirtschaftlichen Unwägbarkeiten besonders stark betroffen, da Großbritannien und die USA zwei der drei wichtigsten Absatzmärkte der deutschen Wirtschaft sind. Insgesamt dürfte 2017 zumindest konjunkturell daher kein euphorisches Jahr werden. Grund für akute Konjunktursorgen besteht aber ebenfalls nicht. Konjunkturelle Ausgangslage 2016: Eine kurze Bestandsaufnahme Das dritte Quartal 2016 fiel recht kraftlos aus. Mit einer BIP-Wachstumsrate von 0,2% gegenüber dem Vorquartal konnte das Wachstumstempo aus den ersten beiden Quartalen (0,7% und 0,4%) nicht gehalten werden. Impulse kamen unverändert vom Konsum (privat und öffentlich) und steigenden Bauinvestitionen, während Ausrüstungsinvestitionen nach dem überraschenden Brexit-Votum leicht rückläufig waren. Auch vom Außenhandel gingen Bremseffekte auf das Wachstum aus. Insgesamt bleiben aber die Aussichten für die deutsche Konjunktur weiterhin recht positiv. Sowohl die Aufträge im Verarbeitenden Gewerbe als auch die Stimmungsindikatoren sprechen dafür, dass auch zum Jahreswechsel mit positiven Wachstumsraten zu rechnen ist. Geschäftsklima und Einkaufsmanagerindizes befinden sich, nachdem sie eine kurzfristige Verunsicherungsphase nach dem BrexitVotum hinter sich gelassen haben, wieder auf deutlich höheren Niveaus. Auch hat der unerwartete Wahlsieg Trumps nicht zu einem Stimmungseinbruch geführt. Ausblick 2017: Gute Voraussetzungen, aber viele Risiken 2017 wird konjunkturell herausfordernd Für das kommende Jahr erwarten wir konjunkturell kein ruhiges Fahrwasser, was auch an der Vielzahl von politischen Ereignissen liegt. So dürfte die tatsächliche Brexit-Auslösung durch Großbritannien gegen Ende des ersten Quartals zwar vor allem die Wirtschaft im Vereinigten Königreich belasten, aber auch an der exportlastigen Industrie in Deutschland nicht spurlos vorbeigehen. Immerhin ist Großbritannien der drittwichtigste Absatzmarkt für deutsche Güter. Unsicherheit sorgte für Stimmungsrückgang Arbeitsmarktschwäche kündigt sich an Unsicherheitsindex (lS, invertiert, 2 Monate verzögert) und ifo Geschäftsklima (rS) Arbeitslose und Unterbeschäftigung in Tausend zum Vormonat Unsicherheit (inv.) Arbeitslose ifo 0 111 110 100 Unterbesch. 20 10 109 200 108 0 300 107 -10 106 400 105 500 104 Apr 16 Jul 16 Okt 16 Quelle: policyuncertainty.com, ifo Institut, BayernLB Research -20 -30 Jan 15 Jul 15 Jan 16 Jul 16 Quelle: Arbeitsagentur, BayernLB Research BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 44 Bereits der überraschende Ausgang des Brexit-Referendums hatte die Unsicherheit auch in Deutschland spürbar erhöht und die Unternehmensstimmung belastet (siehe Abbildung vorherige Seite links). Da Unsicherheit bei Investitionsvorhaben belastet, sollte sich der Bremseffekt zum Beginn der Brexit-Verhandlungen in einer kurzfristigen Investitionszurückhaltung zeigen, die im weiteren Jahresverlauf aber nur in Teilen wieder nachgeholt wird. Auch die weiterhin sehr expansive Geldpolitik, die günstige Rahmenbedingungen für die Finanzierung von Investitionsprojekten sicherstellt, dürfte in dem von Unsicherheit geprägten Umfeld Schwankungen der Investitionstätigkeit nicht verhindern können. Die weniger stark von außenwirtschaftlichen Entwicklungen abhängigen Bauinvestitionen dürften 2017 dagegen hoch bleiben. Hierfür sprechen die hohe Zahl der Baugenehmigungen und weiterhin steigende Immobilienpreise. Allerdings besteht das Risiko, dass ein Anstieg des Zinsniveaus die Flucht der Kapitalanleger in den Immobilienmarkt auf der Suche nach Rendite etwas abbremst. Robuster öffentlicher und privater Konsum Außenhandel eher kraftlos Aufwind sollte die Konjunktur unverändert vom Konsum bekommen, sowohl von privater als auch von öffentlicher Seite. Auf privater Seite begünstigen die weiterhin hervorragenden Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt (geringe Arbeitslosenquote, Lohnsteigerungen) den Konsum. Auch dürfte die Mindestlohnanhebung zu Jahresbeginn 2017 den Konsum durch Kaufkraftgewinne anschieben. Der Mindestlohn wird im Rahmen der vereinbarten zweijährigen Anpassung zum ersten Mal angehoben. Der Anstieg beträgt 4% (von 8,50 auf 8,84 Euro) und kommt etwa einem Zehntel der abhängig Beschäftigten zu Gute. Dies sorgt angesichts der weiterhin deutlich unter 2% liegenden Inflationsrate für spürbare Kaufkraftgewinne. Da der Mindestlohn vornehmlich von einkommensschwächeren Personen bezogen wird, deren Sparneigung vergleichsweise gering ist, dürften die Konsumausgaben unmittelbar steigen. Auch die kräftige Rentenerhöhung zur Jahresmitte 2016 (4,25% in den alten, und 5,95% in den neuen Bundesländern) sollte noch positive Nachwirkungen entfalten, da sich die zusätzlichen Einnahmen dieser Personengruppe meist nur zögerlich in höheren Konsumausgaben niederschlagen. Die öffentlichen Ausgaben werden wegen der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen hoch bleiben. Auch die Bundestagswahl spricht dafür, dass der Sparstrumpf der Bundesregierung nicht allzu tief unter der Matratze vergraben wird. Die Voraussetzungen für einen hohen öffentlichen Konsum sind bei sprudelnden Steuereinnahmen und sinkender Zinslast hervorragend. Während der Fiskus vor der Finanzkrise noch knapp 3% gemessen am BIP für Zinsen aufwenden musste, sind es derzeit nur noch rund 1,5%. In Summe dürften die finanzpolitischen Maßnahmen 2017 erneut leicht expansiv wirken, wobei das BIP insbesondere durch zusätzliche investive Ausgaben positive Impulse erhalten sollte. Die geplante Anhebung des Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages, um der kalten Progression entgegenzuwirken, werden den öffentlichen Haushalt 2017 zwar spürbar belasten, dafür aber den privaten Konsum stützen. Wir erwarten daher nach den hohen Haushaltsüberschüssen 2015 und 2016 für das kommende Jahr einen nur leicht positiven Haushaltssaldo. Der Außenhandel dürfte 2017 dagegen kaum zum BIP-Wachstum beitragen. Grund hierfür ist auch der Brexit, der die Nachfrage nach deutschen Gütern allein über das schwache Pfund bremst. Dem steht entgegen, dass sich in der zweiten Jahreshälfte ein tendenziell positiver Effekt der US-Wirtschaftspolitik materialisieren könnte. Nachdem etwaige Handelsbarrieren der USA wohl kaum gegen Europa gerichtet sein werden, dürften Steuerund Fiskalmaßnahmen die Nachfrage in den USA stärken und damit auch zu einem positiven Impuls für die Exportnation Deutschland führen. Entsprechend fällt auch der Ausblick für 2018 zunächst positiv aus. Ohne zusätzliche Sonderfaktoren dürfte das BIP-Wachstum dann wieder etwas höher als im Jahr 2017 ausfallen. Der Arbeitsmarkt dürfte sich auch im kommenden Jahr solide entwickeln. So sollte die Zahl der Erwerbstätigen weiter steigen und im Jahresdurchschnitt 2017 das Vorjahresniveau BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 45 deutlich übertreffen. Wir erwarten dennoch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, der daraus resultiert, dass mehr und mehr Geflüchtete nach erfolgreicher Anerkennung Integrationsmaßnahmen durchlaufen und nach Arbeit suchen. Andeutungsweise zeigt sich dies bereits seit März 2016 in der Zunahme der Unterbeschäftigung (siehe Abbildung Seite 43 rechts), in die auch Personen eingehen, die sich in Weiterbildungs- oder Integrationsmaßnehmen befinden. Nach Abschluss dieser Maßnahmen dürfte sich die Arbeitslosenzahl nach einigen Monaten spürbar erhöhen. Insgesamt ist aber, solange sich der Stellenaufbau fortsetzt, keine Schwäche am Arbeitsmarkt zu diagnostizieren. Inflation auch 2017 noch unter EZB-Ziel Inflationsanstieg kommt im Frühjahr zum Erliegen Der jüngste Anstieg der Inflationsrate geht hauptsächlich auf einen Sondereffekt bei den Energiepreisen zurück, der zu Jahresbeginn ausläuft. Auch die Erhöhung der EEG-Umlage von 6,35 auf 6,88 Cent pro kWh (+8,3%) zum Jahresbeginn 2017 dürfte die Stromkosten um knapp 2% erhöhen und damit die Komponente der Haushaltsenergie (Gewicht im Warenkorb knapp 7%) etwas anschieben. Der Effekt auf die Gesamtinflationsrate dürfte aber mit allenfalls 0,1 Prozentpunkten gering ausfallen und der Anstieg der Inflationsrate im Februar noch unterhalb der 2%-Marke zum Erliegen kommen. Danach sollte sich die Inflationsrate wieder in Richtung der Kernrate bewegen, die sich weiterhin nur zögerlich aufwärts entwickelt und in der Spitze 1,5% erreichen dürfte. Etwas Auftrieb dürfte die Kernkomponente im kommenden Jahr daher bekommen, dass der Bremseffekt, der zurzeit die Unterkomponente der Mieten im Inflations-Warenkorb bremst, wegfallen wird. Seit Anfang 2015 überarbeitet das Statistische Bundesamt sukzessive die Mietstichprobe mit dem Ziel, vermehrt Kleinvermieter und ländliche Regionen einzubeziehen. Damit kommt es während der Anpassung zu einer Unterzeichnung der eigentlichen Mietentwicklung. In der ersten Jahreshälfte 2017 dürfte der Überarbeitungsprozess aber abgeschlossen werden und damit auch die Mietkomponente, die mit etwa 21% einen großen Anteil am Warenkorb hat, etwas stärker steigen. Insgesamt erwarten wir im Jahresdurchschnitt 2017 eine Inflationsrate von 1,6%, womit das von der EZB anvisierte Inflationsziel von „unter, aber nahe 2%“ auch in Deutschland noch unterschritten wird. Prognose Deutschland Preis- und saisonbereinigte Vierteljahreswerte, Vp bzw. Vj in Prozent Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 2015 2016 2017 2018 2015 2016 2016 2016 2016 2017 2017 2017 Private Konsumausgaben 0,4 0,6 0,2 0,4 0,2 0,3 0,2 0,3 1,9 1,9 0,9 1,0 Staatsverbrauch 1,2 1,1 1,2 1,0 0,7 0,7 0,9 0,8 2,7 4,2 3,2 2,0 Ausrüstungsinvestitionen 1,8 1,1 -2,3 -0,6 0,5 0,0 -0,7 0,4 3,4 1,2 -1,0 3,3 Wohnungsbauinvestition 1,9 2,3 -1,9 0,3 0,6 0,5 0,5 0,8 -0,1 2,1 1,7 2,8 Inlandsnachfrage 1,0 0,7 -0,1 0,5 0,3 0,3 0,1 0,4 1,5 2,2 1,1 1,2 Exporte -0,7 1,4 1,2 -0,4 0,6 0,6 0,1 1,3 5,1 2,3 1,8 4,7 Importe 0,6 1,5 0,1 0,2 0,6 0,6 0,2 1,1 5,5 3,0 1,9 4,6 Außenbeitrag * -0,6 0,0 0,5 -0,3 0,0 0,0 0,0 0,2 0,2 -0,2 0,1 0,4 Bruttoinlandsprodukt 0,4 0,7 0,4 0,2 0,3 0,3 0,1 0,5 1,7 1,8 1,2 1,5 Arbeitsm arkt Erw erbstätige in Millionen 43,0 43,4 43,7 44,0 Arbeitslose in Millionen 2,8 2,7 2,9 3,0 Arbeitslosenquote in % 6,4 6,1 6,3 6,4 Quelle: BayernLB Research; Prognosen in blau *) Wachstumsbeitrag in Prozent des BIP [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 46 Deutschland: Ausgewählte Wirtschaftsindikatoren Stimmungsindikatoren haben sich erholt Ifo Geschäftsklima der gewerblichen Wirtschaft Auftragseingang und Industrieproduktion Saisonbereinigt, 2000=100 Saisonbereinigte Vierteljahreswerte, Vp in Prozent ifo Geschäftsklima Geschäftslage Geschäftserwartungen 120 3 115 2 110 1 105 0 100 -1 95 -2 90 Nov 14 Wachstumsdynamik intakt Industrieproduktion Auftragseingang -3 Mai 15 Nov 15 Mai 16 Nov 16 Q4 13 Q1 16 Q4 16 Quelle: destatis, Datastream, BayernLB Research Exporte Bruttoinlandsprodukt und Privater Verbrauch Saisonbereinigte Vierteljahreswerte Preis- und saisonbereinigt, Vp in Prozent, annualisiert Bruttoinlandsprodukt Privater Verbrauch 2,5 16 2,0 14 1,5 12 10 1,0 8 0,5 6 0,0 4 -0,5 2 -1,0 0 Q4 13 noch nicht Q2 15 Quelle: ifo, Datastream, BayernLB Research Exporte, Vp. in Prozent (lS) ifo Exporterwartungen, Saldo (rS) Kernrate belebt sich Q3 14 Q3 14 Q2 15 Q1 16 Q4 16 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 Q3 13 Q2 14 Q1 15 Q4 15 Q3 16 Quelle: ifo, destatis, Datastream, BayernLB Research Quelle: destatis, Datastream, BayernLB Research Arbeitsmarkt Verbraucherpreise Saisonbereinigte Vierteljahreswerte Vj in Prozent Verbraucherpreise Kernrate (ohne Energie) Erwerbstätige, Vp in Tsd. (lS) Arbeitslosenquote, in Prozent (rS) 160 7,0 2,0 140 6,8 120 1,5 6,6 100 6,4 80 6,2 60 40 6,0 20 5,8 0 5,6 Q3 13 Q2 14 Q1 15 Q4 15 Q3 16 Quelle: Bundesag. f. Arbeit, Datastream, BayernLB Research 1,0 0,5 0,0 -0,5 Nov 14 Mai 15 Nov 15 Mai 16 Nov 16 Quelle: destatis, Datastream, BayernLB Research BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 47 Weitere Industrieländer Japan: Wirtschaft stabilisiert sich - Notenbankexperiment könnte gelingen Leichte Belebung des Wirtschaftswachstums Inflation verlässt negatives Terrain Inflation, Veränderung z. Vj. in %, ab Okt. 16 Prognose 1,2 1,0 Prognose 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 -0,2 -0,4 -0,6 Jan. 16 Nov. 16 Sep. 17 Quelle: Cabinet Office, Datastream, BayernLB Research Die japanische Wirtschaft hat sich im Verlauf des Jahres 2016 stabilisiert. Sie wuchs zwar wenig dynamisch, aber stetig. Eine Ausnahme hiervon war das dritte Quartal, in dem vom Außenhandel ein kurzfristiger Schub kam. Dies spricht für einen negativen Rückpralleffekt im vierten Quartal, der jedoch durch einen schwächeren Yen abgemildert werden dürfte. Zudem könnte der private Konsum wieder etwas zulegen, nachdem er im dritten Quartal witterungsbedingt schwach ausgefallen ist. Insgesamt ergibt sich hieraus eine etwas höhere Wachstumsprognose für das Jahr 2016 von 0,8% (bisher 0,5%). Unsere Prognose für das Jahr 2017 heben wir ähnlich stark an (von 0,7% auf 1,0%), was aber vor allem auf den höheren statistischen Überhang zurückgeht. Zudem hat sich der im August 2016 verabschiedete Zusatzhaushalt in den veröffentlichten Daten bisher noch kaum gezeigt, dürfte sich aber konjunkturell im Winterhalbjahr 2016/17 niederschlagen. Der Außenhandel wird 2017 dagegen nur geringe Wachstumsimpulse liefern. Zwar erwarten wir, dass der Yen weiter abwertet, womit die preisliche Wettbewerbsfähigkeit japanischer Produkte im Ausland steigt. Allerdings dürfte China sein „soft-landing“ fortsetzen und damit für eine weiter sinkende Nachfrage der asiatischen Länder sorgen. 2018 sollte sich die steigende Nachfrage aus den USA dann im zweiten Halbjahr auch in Japan bemerkbar machen. Zwar scheint unter der Regierung Trump das transpazifische Handelsabkommen (TPP) vom Tisch zu sein, jedoch bleibt Japan ein wichtiger Handelspartner der USA und dürfte vom dortigen (kurzfristigen) Wirtschaftsaufschwung profitieren. Falls Abe bei seiner AbenomicsReform nicht eine stärkere Konsolidierung des staatlichen Haushalts vornimmt, dürfte das Wirtschaftswachstum 2018 rund 0,9% erreichen. Von der Inflationsseite erwarten wir insgesamt leicht positive Nachrichten: Die japanische Wirtschaft sollte sich zum Jahreswechsel 2016/17 für die Dauer des Prognosehorizonts aus dem negativen Inflationsbereich verabschieden. Zwar geht dies zunächst vor allem auf einen deutlichen Anstieg der Nahrungsmittelpreise zurück, aber auch die für die BoJ wichtige Kerninflationsrate ohne frische Nahrungsmittel sollte im Frühjahr 2017 nachziehen und ins Positive drehen. Die Teuerungsrate dürfte im Jahr 2017 durch einen Basiseffekt bei den Nahrungsmittelpreisen kurzfristig auf bis zu 0,9% ansteigen, dann jedoch wieder auf einen Wert von rund 0,4% sinken. Das Inflationsziel der BoJ von 2% wird dabei zu keiner Zeit erreicht. Entsprechend hoch bleibt der Druck auf die Zentralbank, das Zinsniveau im Umfeld steigender globaler Renditen niedrig zu halten um damit den Aufschwung nicht zu gefährden und mit einem schwächeren Yen-Außenwert die Inflation und Konjunktur zu beleben. Das hierzu im September eingeführte „yield-curve-control“ der BoJ (Kontrolle der Zinskurve, Ziel der 10-jährigen Staatsanleihenrendite bei 0%) hat sich hierfür bislang als geeignet erwiesen. In einem ersten Test nach der Wahl Trumps gelang es der BoJ im Umfeld fallender Bondpreise, dem Markt mit Kaufangeboten in prinzipiell unbegrenztem Umfang (fixed-rate-operations) eine glaubhafte Untergrenze für die Preise von Staatsanleihen zu setzen. Die Renditen gingen daraufhin wieder zurück. Es bleibt aber spannend, ob diese Politik an den Märkten auch langfristig als glaubwürdig wahrgenommen wird, oder ob die BoJ mit stark steigenden Kaufvolumina einem Renditeanstieg entgegentreten und schlussendlich kapitulieren muss. [email protected] [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 48 Großbritannien: Die Brexit-Rechnung kommt noch Britische Wirtschaft wächst 2016 stärker als der EuroRaum – trotz Brexit-Votums Kein „Soft Brexit“, aber auch kein „Brexit-Cliff“ Zumindest auf der QE-Seite wird die BoE noch einmal nachlegen Die britische Wirtschaft hat sich 2016 trotz des Brexit-Votums gut geschlagen. Mit wohl rund 2% dürfte das Wirtschaftswachstum nur leicht unter dem Wachstum im Jahr 2015 und über unseren bisherigen Erwartungen liegen. Viel (Brexit-) Lärm um nichts also? Das denken wir nicht. Die Rechnung kommt noch. So dürfte der bislang sehr robuste private Konsum durch die steigende Inflation im Zuge der starken Pfund-Abwertung zunehmend belastet werden, zumal die Lohnentwicklung in Großbritannien schwach bleibt. Zudem dürfte die Auslösung von Artikel 50 EUV im ersten Quartal 2017 eine Phase anhaltend schwacher Unternehmensinvestitionen (dafür sprechen auch die abwärts gerichteten Umfragen zu den Investitionsabsichten) einleiten. Nach dem Gerichtsentscheid des Londoner High Court – welcher vom Supreme Court Anfang 2017 bestätigt werden könnte – benötigt die britische Regierung für die Artikel 50Auslösung die Zustimmung des Parlaments. Wir denken aber nicht, dass dies dazu führen wird, dass die Regierung nun auf einen „Soft Brexit“-Verhandlungskurs umschwenkt. Um den Forderungen nach Immigrationsbeschränkungen gerecht werden zu können, dürfte die britische Regierung weiterhin bereit sein, einen Teil des Zugangs zum Binnenmarkt (wohl im Bereich der Finanzdienstleistungen) zu opfern. Die Verhandlungen werden angesichts der vollgepackten politischen Agenda in Kontinentaleuropa im Jahresverlauf 2017 schleppend verlaufen. Sofern nicht bereits zu Beginn eine Einigung auf eine Übergangslösung nach Ablauf der Zweijahresfrist der Verhandlungen gefunden wird, könnten dann auch immer wieder Sorgen vor einem „Brexit Cliff“ (Rückfall der Handelsbeziehungen Großbritanniens gegenüber der EU und dem Rest auf WTO-Level) aufkommen. Vor diesem Hintergrund prognostizieren wir für das kommende Jahr weiterhin einen Rückgang des BIP. Die jetzt erwartete Schrumpfung um 0,2% ist jedoch deutlich geringer als zuvor. Dies ist zum einen dem wesentlich besser als erwarteten Verlauf der Wirtschaftsentwicklung im 2. Halbjahr 2016 geschuldet. Zum anderen unterstellen wir nun einen graduelleren Rückgang des privaten Konsums. In Verbindung mit den auch 2018 noch wenig ergebnisreichen Brexit-Verhandlungen gehen wir für 2018 von einer leicht negativen Wachstumsrate (0,1%) aus. Nach dem Abschluss der Artikel 50-Verhandlungen (im Frühjahr 2019) unterstellen wir eine Übergangslösung, etwa eine vorübergehende EWR-Mitgliedschaft Großbritanniens, welche den Status quo der britischen Handelsbeziehungen weitgehend unverändert lassen würde. Ein umfassendes Handelsabkommen mit der EU und anderen Ländern dürfte Großbritannien selbst auf Sicht von fünf Jahren nicht abschließen können. Ein „New Deal“, etwa mit neu gesetzten Schwerpunkten in der Handelspolitik jenseits von Europa und einem kontrollierten Einwanderungssystem, sollte damit noch lange nicht greifbar sein. Entsprechend erwarten wir auch in den Jahren 2019 bis 2021 nur Wachstumsraten zwischen 0,5% und 1%, die deutlich unter der historischen Potenzialrate Großbritanniens liegen. Auf der geldpolitischen Seite bedeutet dies, dass in den nächsten Jahren Zinsanhebungen unwahrscheinlich sind. Entgegen unserer bisherigen Meinung rechnen wir nicht mehr mit einer weiteren Senkung der Bank Rate (derzeit 0,25%), um der Pfundschwäche und dem daraus resultierenden Inflationsdruck keinen Vorschub zu leisten. Weitere Staatsanleihekäufe durch die BoE (das aktuelle Programm endet Anfang 2017) halten wir allerdings weiter für wahrscheinlich, auch um sich vom US-Zinsanstieg abzuschirmen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Auch wenn der unmittelbare Schock ausgeblieben ist, das BrexitVotum wird die britische Wirtschaft und UK-Assets noch in erhebliche Schwierigkeiten bringen und ein längerfristiger Belastungsfaktor bleiben. [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 49 Schwellenländer China: Das Wachstum verlangsamt sich weiter Konjunkturpaket entfaltet Wirkung Nach offiziellen Angaben belief sich das reale BIP-Wachstum im dritten Quartal – wie in den beiden Vorquartalen – auf 6,7%. Der stärkste Treiber waren die Infrastrukturinvestitionen, was als Beleg dafür zu werten ist, dass das Mitte des Jahres aufgelegte Konjunkturpaket, dessen Fokus auf der Verbesserung der Transportwege liegt, Wirkung entfaltet. Dieses Programm ist bis 2018 ausgelegt und wird die Wirtschaftsentwicklung weiterhin stützen. Dennoch gehen wir, insbesondere aufgrund des notwendigen und forcierten Abbaus von Überkapazitäten im industriellen Sektor, davon aus, dass sich die Konjunkturdynamik mit einer Wachstumsrate von 6,3% (2017) bzw. 6,1% (2018) weiter leicht verlangsamt. Auch von der geldpolitischen Seite sind kurzfristig keine Wachstumsimpulse zu erwarten: Zum einen sprechen die immer noch stark steigende Neuverschuldung von (staatsnahen) Unternehmen bzw. die damit einhergehenden Risiken für die Finanzstabilität gegen weitere geldpolitische Lockerungen; zum anderen hat die Zentralbank nach den Wechselkurskapriolen zum Jahreswechsel 2015/16 wohl wenig Interesse daran, den ohnehin vorhandenen Abwertungsdruck des Renminbi gegenüber dem Dollar (wegen Zinserhöhungen der Fed) durch eigene Zinssenkungen zu verstärken. Ein Abwärtsrisiko für unsere Wachstumsprognosen 2017 und 2018 sind die Unwägbarkeiten der US-Handelspolitik unter Donald Trump. Auch wenn wir nicht davon ausgehen, dass Trump chinesische Handelsgüter flächendeckend mit einem Schutzzoll in Höhe von 45% belegt bzw. einen Handelskrieg heraufbeschwört, sind zumindest (schwache) protektionistische Maßnahmen wahrscheinlich. Mittel- bis langfristig könnte sich die neue USRegierung für China sogar als Glücksfall erweisen. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn Trump – wie er nach der Wahl glaubhaft versicherte – das Handelsabkommen TPP stoppt. Durch das geplante Abkommen mit Kanada, Mexiko, Chile, Peru, Australien, Neuseeland, Japan, Malaysia, Singapur, Vietnam und Brunei wollten die USA nicht zuletzt ihren Einfluss in Asien und Ozeanien stärken und gleichzeitig den Machtanspruch Chinas eindämmen. Sollten sich die USA nun kurz vor der Ratifizierung zurückziehen, wird das gesamte Abkommen scheitern und eine Lücke hinterlassen, in welche die Chinesen nur allzu gerne vorstoßen würden. Türkei: Tourismus und (Auslands-)Investitionen dämpfen das Wachstum Makroökonomische Situation ist in Schieflage Die Türkei unter Präsident Erdogan entwickelt sich immer mehr zu einer Autokratie auf Kosten von Menschenrechten, der Unabhängigkeit der Justiz und der Pressefreiheit. Passenderweise entfernt Erdogan die Türkei von Europa und bewegt sich auf die Autokratien im Osten – insbesondere Russland – zu. Die politischen Beziehungen zur EU verschlechtern sich derweil zusehends. In Kombination mit der unzureichenden Sicherheitslage leidet die Wirtschaft massiv: Während die Einnahmen im Tourismussektor um ein Drittel eingebrochen sind, liegen die Pläne vieler ausländischer Investoren derzeit auf Eis. Unter dem Strich wird sich das reale Wirtschaftswachstum 2016 auf 3% verlangsamen – was angesichts einer Inflationsrate von 7,5% und einem Leistungsbilanzdefizit von 5% zu wenig ist, um die makroökonomische Stabilität zu gewährleisten. Mit Wachstumsprognosen von 2,8% (2017) bzw. 2,0% (2018) wird sich an diesem Befund in absehbarer Zeit kaum etwas ändern. [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 50 Devisen: Dollar-Stärke nach Trump-Sieg dürfte noch etwas weitergehen Dollar: Aufwertung mit steigenden Zinserwartungen Dollar nach TrumpSieg nur kurzzeitig unter Druck In den Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl hatte sich der Dollar im Takt der Wahlumfragen bewegt: Bessere Umfragewerte für Donald Trump ließen den Dollar abwerten, geringere Wahlchancen gegenüber Hillary Clinton sorgten für Auftrieb. Nach dem Trump-Sieg kam es dann an den Märkten kurzzeitig zu einer steigenden Risikoaversion und einem schwächeren Dollar. Aufgrund der überraschenden republikanischen Mehrheiten sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat verschob sich dann jedoch der Fokus auf die Aussichten für umfangreiche Steuersenkungen und Ausgabensteigerungen unter der neuen US-Administration. Dies würde eine schuldenfinanzierte Konjunkturstimulierung bedeuten und angesichts der fast erreichten Vollbeschäftigung in den USA zu einer steigenden Inflation und zu schnelleren Leitzinserhöhungen der Fed führen. Daher weiteten die USRenditen bei kürzeren und längeren Laufzeiten ihren Vorsprung gegenüber dem EuroRaum deutlich aus und ließen den Dollar auf zuletzt 1,06 Dollar je Euro aufwerten. Gegenüber dem Yen fiel die Aufwertung noch stärker aus, u.a. weil es hier auch zu DollarEindeckungskäufen auf die zuvor beträchtlichen offenen Dollar-Shortpositionen gegenüber dem Yen kam. Erwartungen an schuldenfinanzierte Steuersenkungen stärken den Dollar Auf Sicht der nächsten drei Monate gehen wir davon aus, dass Präsident Trump tatsächlich versucht, größere Steuersenkungen und Ausgabensteigerungen einzuleiten. Dies dürfte zu einem weiteren erheblichen Anstieg der Renditedifferenzen zwischen den USA und dem Euro-Raum führen (siehe Grafik, negative Werte stellen einen US-Renditevorsprung dar). Zudem wird die Fed wohl im Dezember den Leitzins um 25 Basispunkte erhöhen, während wir von der EZB eine Verlängerung der QE-Anleihekäufe um sechs Monate bis September 2017 (und eine entsprechende Anpassung der Kaufparameter) erwarten. Unter dem Strich rechnen wir daher mit einer weiteren deutlichen Dollar-Aufwertung auf 1,03 Dollar je Euro in drei Monaten. Euro-Dollar und Zinsdifferenz Euro-Raum – USA bei längeren Laufzeiten Monatsdurchschnitte; rS: Zinsdifferenz zwischen zehnjährigen Bundes- und US-Anleihen Quelle: Thomson Reuters Datastream, BayernLB Research Im Rahmen der im März vom US-Kongress zu genehmigenden Erhöhung der Schuldenobergrenze erwarten wir jedoch, dass gewichtige Teile der Republikaner eine übermäßige Ausweitung des Haushaltsdefizits verhindern. Außerdem sollte der bis dahin von uns erwartete Zinsanstieg von US-Anleihen der Regierung deutlich machen, dass eine umfangreiche Ausweitung des Defizits die Finanzierungskonditionen für Staat und Wirtschaft er- BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 51 heblich verschlechtern könnte. Vor diesem Hintergrund nehmen wir an, dass sich auf Sicht von drei bis sechs Monaten eine Enttäuschung der Hoffnungen auf größere Fiskalimpulse abzeichnet. Dies sollte die längerfristigen US-Renditen wieder etwas zurückgehen lassen und den Dollar vorübergehend schwächen. Zugleich rückt dann jedoch die nächste FedZinserhöhung (wohl im Juni 2017) näher. Zudem rechnen wir damit, dass die Investitionsunsicherheit nach dem Beginn der Brexit-Verhandlungen die Konjunktur in Großbritannien und im Euro-Raum stärker als vom Markt erwartet beeinträchtigen wird. Wir gehen davon aus, dass die Konjunkturdelle im Euro-Raum im zweiten Quartal am tiefsten sein wird und entsprechend schwache Werte der Einkaufsmanagerindizes den Euro dann belasten werden. Per saldo erwarten wir daher in sechs Monaten mit 1,03 Dollar je Euro eine ähnliche Bewertung wie in drei Monaten. Auf Jahressicht sollte die Konjunkturdelle im Euro-Raum überwunden sein und der Euro von verbesserten Wachstumserwartungen für 2018 unterstützt werden. Dies dürfte aber nicht ausreichen, um den Dollar stärkenden Einfluss der dann näher rückenden, weiteren Zinsanhebungen der Fed (im Dezember 2017 und im Jahr 2018) zu kompensieren. Insgesamt rechnen wir mit einer weiteren leichten Dollar-Aufwertung auf 1,02 Dollar je Euro in einem Jahr. Euro und Dollar unterliegen ausgeprägten Risiken Sowohl für den Euro als auch für den Dollar gibt es im Prognosezeitraum allerdings ausgeprägte Risiken. Im Euro-Raum steht zunächst am 4. Dezember das Referendum über die Verfassungsreform in Italien an, wo im Falle einer Ablehnung ein Reformstillstand zu befürchten ist. Am selben Tag könnte FPÖ-Kandidat Hofer in Österreich zum Präsidenten gewählt werden. Wie im Sonderkapitel „Europa mit Zerfallserscheinungen“ auf S. 12 beschrieben, stehen auch 2017 wichtige politische Entscheidungen in Europa an, bei denen populistische Parteien erfolgreich sein könnten, was den Zusammenhalt der Währungsunion vor eine Belastungsprobe stellen könnte. Sollte sich im Vorfeld dieser Ereignisse ein Sieg der Populisten andeuten, oder es gar tatsächlich zu einem Erfolg der europakritischen Parteien kommen – hierbei steht vor allem die Präsidentschaftswahl in Frankreich im Fokus – ist mit einer noch deutlicheren Abwertung des Euro zu rechnen. Für den US-Dollar bestehen allerdings ebenfalls deutliche Risiken, auch angesichts der zuletzt nach wie vor sehr hohen offenen Euro-Shortpositionen (Leerverkäufe) gegenüber dem Dollar. So könnten „Fehltritte“ des neuen Präsidenten Trump zu Risikoaversionsbewegungen an den Märkten (wie am Morgen direkt nach der Wahl) und zu geballten EuroEindeckungskäufen führen. Obwohl wir auf Sicht von drei bis zwölf Monaten per saldo eine Seitwärtstendenz erwarten, ist also durchaus mit einer erhöhten Volatilität des Wechselkurses zu rechnen. Dollar-Aufwertung gegenüber dem Yen besonders von US-Renditen getrieben Gegenüber dem Yen erwarten wir auf Sicht von drei Monaten zunächst ebenfalls eine deutliche Dollar-Aufwertung. Hier spielen neben den Fed-Zinserhöhungen die US-Renditen bei längeren Laufzeiten eine besonders große Rolle, da die japanische Zentralbank (BoJ) die Renditen zehnjähriger Anleihen wohl weiterhin nahe Null halten wird („yield curve control“). Auf der Basis unserer Renditeprognosen für zehnjährige US-Anleihen und weiterer US-Leitzinsanhebungen rechnen wir mit einer Dollar-Aufwertung auf 115 bzw. 118 Yen je Dollar in drei bzw. zwölf Monaten. Dabei unterstellen wir, dass es bei einer leicht anziehenden Kerninflation in Japan zu keiner Veränderung des von der BoJ im Rahmen der „yield curve control“ angestrebten Zinsniveaus kommt. BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 52 Pfund: Erholung wird nicht von Dauer sein Das Pfund profitierte vom Trump-Sieg unserer Meinung nach zu Unrecht BrexitVerhandlungen belasten das Pfund wohl länger Der größte Profiteur des Trump-Siegs in der FX-Welt war neben dem Dollar das Pfund. Die Hoffnungen am Markt sind offensichtlich, dass mit einem US-Präsidenten Trump das Königreich eine bevorzugte Behandlung mit Blick auf ein Handelsabkommen haben wird. Schließlich hat Trump das Brexit-Votum im Juni als „great development“ bezeichnet, während Obama im Brexit-Wahlkampf den Briten gesagt hatte, sie müssten sich bei Verhandlungen eines Handelsabkommens „ganz hinten in der Schlange anstellen“. Unserer Ansicht nach schwingt hier viel Wunschdenken mit und das Pfund dürfte diese Gewinne auf Sicht der nächsten Monate wieder abgeben müssen. Diese Abwertung sollte dann ein Jahr weiterer erheblicher Verluste (rund 10% auf Jahressicht) für das Pfund einleiten. Da wir nun keine weitere Zinssenkung der BoE erwarten, haben wir unsere Prognosen etwas zugunsten des Pfunds korrigiert (zu Großbritannien siehe auch Kapitel Industrieländer Seite 47). Die Liste der Belastungsfaktoren ist lang: Auslösung von Artikel 50 EUV im ersten Quartal, holprige Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU, Konjunkturabschwung, weitere QE-Käufe der BoE, sehr hohes Leistungsbilanzdefizit, hohes Haushaltsdefizit (kein Spielraum für umfassende Fiskalmaßnahmen) und die schwelende Frage nach einem weiteren Unabhängigkeitsreferendum Schottlands. Da die britische Regierung keinen unkomplizierten Brexit nach dem Norwegen-Modell vollziehen dürfte, wird das Pfund die Brexit-Belastung auf Jahre mit sich herumtragen. Zwar rechnen wir nicht damit, dass die Handelsbeziehungen Großbritanniens mit der EU und dem Rest der Welt nach der Zweijahresfrist der Artikel-50-Verhandlungen abrupt auf WTOStandard fallen („Brexit Cliff“), sondern dass eine Übergangslösung (für Details sei nochmal auf das UK-Kapitel verwiesen) gefunden wird. Das Brexit Cliff-Szenario ist aber ein erhebliches Risiko für das Pfund und könnte immer wieder am Markt gespielt werden. Zudem ist das Pfund auf dem aktuellen Niveau aus längerfristiger Bewertungssicht trotz der erheblichen Verluste nach dem Brexit-Votum keineswegs als „billig“ zu bezeichnen. Das derzeitige Pfund-Niveau ist also nicht als günstiges Einstiegsniveau zu sehen. Franken: SNB sollte dem Aufwärtsdruck graduell nachgeben SNB dürfte Interventionstempo nicht halten können Politische Kollision mit der EU unwahrscheinlicher geworden Vor dem Hintergrund des politischen Risikoumfeldes im Euro-Raum dürfte der Franken vorerst weiter in der Nähe von 1,07 CHF je Euro notieren. Stärkere Zugewinne des Frankens, etwa im Nachgang des italienischen Referendums (welches Renzi verlieren dürfte), sollte die SNB durch Interventionen verhindern. Auf Sicht der kommenden Monate dürfte sie dem Marktdruck aber graduell nachgeben und einen etwas festeren Franken bei etwa 1,05 CHF tolerieren. Schließlich musste die SNB in den letzten Monaten in erheblichem Umfang intervenieren, um den Franken auf dem derzeitigen Niveau zu halten. Angesichts der bereits sehr hohen Devisenreserven der SNB werden weitere Interventionen immer problematischer. Die anhaltend guten Schweizer Wirtschaftszahlen lassen einen festeren Franken für die SNB zudem verkraftbarer erscheinen. Ein erhebliches Risiko für unsere Prognose bleibt die Umsetzung der 2014 angenommenen Schweizer Volksinitiative zur mengenmäßigen Beschränkung der EU-Zuwanderung. Diese muss bis Februar 2017 umgesetzt werden. Eine dem Wortlaut entsprechende Umsetzung würde die Freihandelsabkommen mit der EU aufs Spiel setzen. Die aktuellen politischen Entwicklungen in der Schweiz sprechen aber dafür, dass die Politik einen Konflikt mit der EU scheut. So werden die Umsetzungsmodelle, die derzeit diskutiert werden, der Volksinitiative nicht ganz gerecht, wären für die EU wohl aber akzeptabel. [email protected] [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 53 Ausgewählte Wechselkurse Pfund-Abwertung dürfte sich fortsetzen Dollar je Euro und Euro-Außenwert Pfund, Franken Monatsdurchschnitte, Außenwert: real, 2010=100 Monatsdurchschnitte Dollar je Euro (lS) Euro-Außenwert (rS) Pfund je Euro (lS) Franken je Euro (rS) 1,40 105 1,30 100 1,20 95 1,10 90 1,00 85 0,90 1,25 0,85 1,20 0,80 1,15 0,75 1,10 0,70 1,05 0,65 Nov Mai Nov Mai Nov Mai Nov 13 14 14 15 15 16 16 Yen wertet seit Trump-Sieg ggü. Dollar und Euro ab Quelle: BayernLB Research Quelle: BayernLB Research Yen Außenwert Dollar, Pfund, Yen Monatsdurchschnitte Monatsdurchschnitte, Außenwert: real, 2010=100 Yen je Dollar (lS) Yen je Euro (rS) 130 150 120 140 110 130 100 120 90 120 90 80 100 70 110 90 60 Nov Mai Nov Mai Nov Mai Nov 13 14 14 15 15 16 16 Quelle: BayernLB Research besonders auf 3Monats-Sicht anhalten Dollar-Außenwert (lS) Pfund-Außenwert (lS) Yen-Außenwert (rS) 110 Nov Mai Nov Mai Nov Mai Nov 13 14 14 15 15 16 16 Dollar-Stärke sollte 1,00 Nov Mai Nov Mai Nov Mai Nov 13 14 14 15 15 16 16 Quelle: BayernLB Research Wechselkursprognosen Monatsdurchschnitte Dollar Konsens-Prognose Japanischer Yen Konsens-Prognose Britisches Pfund Konsens-Prognose Schw eizer Franken Konsens-Prognose USD pro EUR Stand am in 3 Monaten in 6 Monaten in 12 Monaten 29.11.2016 Feb 2017 Mai 2017 Nov 2017 1,07 1,03 1,03 1,02 1,09 1,09 1,09 115 115 118 105 105 106 0,90 0,92 0,95 0,87 0,88 0,87 1,07 1,06 1,05 1,08 1,08 1,09 USD pro EUR JPY pro USD 112 JPY pro USD GBP pro EUR 0,85 GBP pro EUR CHF pro EUR CHF pro EUR 1,08 Quelle: BayernLB Research BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 54 Rentenmärkte: Neue Welt nach Trump? Staatsanleihen: Zinsschleife, aber keine Zinswende im Euro-Raum USA: Inflation und Zinserhöhungen noch nicht vollständig eingepreist US-Treasuries in 12 Monaten bei 2,7% 10-jährige Bunds in positivem Terrain Selbst wenn es so kommt, wie wir erwarten, und in den USA nur ein kleiner Teil der im Wahlkampf versprochenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen umgesetzt wird, besteht für US-Treasuries noch weiterer Anpassungsbedarf. So sind aktuell weder für 2017 noch für 2018 jeweils zwei Zinsschritte vollständig eingepreist. Nach dem Zinsschritt im Dezember 2016 erwarten wir bis Ende 2018 insgesamt jedoch sechs Zinserhöhungen. Auch die erwartete Dynamik des Inflationsanstiegs (2018: 2,5%) ist bislang noch nicht vollständig in den Marktinstrumenten gespiegelt. Mit Bekanntwerden der konkreten Pläne für die ersten 100 Tage der Präsidentschaft Trumps erwarten wir daher eine Parallelverschiebung der US-Kurve nach oben. Die Renditen für 10-jährige Treasuries dürften auf Dreimonatssicht bei etwa 2,6% liegen. In den Mühlen des Politikbetriebs werden die Pläne jedoch wieder beschnitten und Erwartungen zurückgenommen werden, was wohl kurzfristig für Enttäuschung und einen temporären Renditerückgang sorgt. Auf Sicht von 12 Monaten, wenn erste konjunkturelle Effekte zu spüren sind und sich die Fed-Rhetorik verschärft, sollte sich der Treasury-Aufwärtstrend verfestigen und 10-jährige Treasury-Renditen wieder auf rund 2,7% treiben. 10-jährige Bundrenditen sollten durch die US-Vorgaben nachhaltig in positivem Terrain gehalten werden. Da die Divergenz der Geldpolitik von EZB und Fed 2017 anhält, werden Bunds am langen Ende der Kurve die Treasury-Bewegungen aber nur in abgeschwächter Form nachvollziehen. Der Transatlantik-Spread sollte in den kommenden drei Monaten seinen Höhepunkt bei rund 220 Basispunkten und 10-jährigen Bundrenditen von 0,4% erreichen. Dass sich der Spread im weiteren Jahresverlauf trotz zunehmender Anleiheknappheit dann wieder geringfügig einengen wird, ist der dann wohl wieder aufkommenden Debatte über ein Tapering der EZB geschuldet, obwohl aus unserer Sicht ein Beginn des Tapering vor Mitte 2018 nicht zu erwarten ist. Auf Sicht von 12 Monaten sehen wir 10jährige Bunds mit einer Rendite von 0,6% auf dem Niveau von Anfang 2016. Die verhaltenen Bewegungen der Bundrendite am langen Ende, bei einem Niveau von deutlich unter 1%, lassen es uns verfrüht erscheinen, schon jetzt die Zinswende auszurufen. 10J Treasury Rendite und Fed Leitzins 10J Bundrendite im Treasury-Geleitzug In % In % 2,8 1,6 1,0 Prognose 10J Bund Prognose Refi-Satz 1,0 2,6 1,4 0,8 0,8 2,4 1,2 2,2 1,0 0,6 0,6 2,0 0,8 0,4 0,4 1,8 0,6 0,2 0,2 1,6 0,4 1,4 0,2 0,0 0,0 1,2 Apr 15 0,0 10J UST (l.S.) Fed Funds Target (r.S.) Okt 15 Apr 16 Okt 16 Quelle: Bloomberg, BayernLB Research [email protected] 10J Bund (l.S.) Refi-Satz (r.S.) Prognose 10J UST Prognose Fed Apr 17 Okt 17 -0,2 Apr 15 -0,2 Okt 15 Apr 16 Okt 16 Apr 17 Okt 17 Quelle: Bloomberg, BayernLB Research [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 55 Covered Bonds: Mehr Risiken als Chancen – Wir bleiben defensiv Primärmarkt: Verhaltene Emissionstätigkeit im Jahr 2017 Die auch 2017 relativ hohen Rückzahlungen von120 Mrd. Euro sprechen eigentlich für eine lebhafte Emissionstätigkeit. Dennoch überwiegen im nächsten Jahr die Argumente für eine lediglich verhaltene Primärmarktaktivität. So ist für viele Banken die ZentralbankRefinanzierung günstiger als die Emission von Covered Bonds. Zudem werden politische Risiken und Spekulationen über den Beginn des QE-Tapering den Primärmarkt belasten. Nach einem Volumen von 125 Mrd. Euro (2016 YTD) rechnen wir für das Gesamtjahr 2017 mit Neuemissionen zwischen 120 und 130 Mrd. Euro. Sekundärmarkt: Mit dem überraschenden Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen hat die Unsicherheit an den Märkten weiter zugenommen. Auch im nächsten Jahr dürften sich die europäischen Finanzmärkte in einem Umfeld erhöhter politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten bewegen. Für die Spread-Entwicklung im nächsten Jahr sehen wir auf den, in vielen Segmenten im langfristigen Vergleich nach wie vor sehr niedrigen Niveaus mehr Risiken als Chancen. So könnten die politischen Unwägbarkeiten, z. B. das Erstarken populistischer EU-kritischer Kräfte neben den Tapering-Spekulationen zum bestimmenden Faktor am Covered Bond-Markt werden und insbesondere die Euro-Peripherie belasten. Politische Risiken belasten Allokationsempfehlung: Wir übergewichten weiterhin defensive Ländersegmente Da in unserem Basisszenario insbesondere Covered Bonds der EU-Peripherie leiden dürften, behalten wir unsere Mitte 2016 eingenommene defensive Positionierung bei und untergewichten insbesondere Spanien und Italien. Dagegen erwarten wir, dass sich Covered Bonds aus EU-Kernländern, skandinavische Covered Bonds sowie gedeckte Anleihen aus Nicht-EWR-Ländern (Australien, Kanada, Neuseeland) in den nächsten Monaten überdurchschnittlich entwickeln und übergewichten diese. Unabhängig von der Entwicklung des Covered Bonds-Marktes in den nächsten sechs bis neun Monaten (auf die sich unsere Prognosen und Empfehlungen beziehen) möchten wir verstärkt auf die unseres Erachtens unheilvollen langfristigen Wirkungen der ultralockeren EZB-Politik auf den Covered Bond-Markt hinweisen. In unserem kürzlich erschienenen Ausblick („Covered Bonds 2017: Die wichtigsten Themen und unsere Anlageempfehlung“ vom 25.11.2016) fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und erklären, warum in einem Risikoszenario vor allem Systemrelevanz und Liquiditätsrisiken von Covered Bonds wichtig werden. Sekundärmarkt: Italienische und spanische Covered Bonds zuletzt mit Spread-Ausweitung Nach negativem Nettoangebot 2016 erwarten wir für 2017 maximal ein geringes Plus ASW Spread Veränderung in Bp (iBoxx Länder-Indizes) Fälligkeiten und Neuemissionen von Benchmark Covered Bonds (≥ 500 Mio. Euro, fixer Coupon) inkl. Taps in Mrd. Euro ES China, Öl polit. Risiken 90 80 Primär70Hohes angebot 60 50 40 30 20 10 0 08/15 11/15 IE PT IT QE-Aufstockung TrumpSieg Brexit Fälligkeiten Gesamt Nettoneuemissionen 200 Neuemissionen 150 100 50 0 02/16 05/16 Quelle: Datastream, BayernLB Research 08/16 11/16 -50 2013 2014 2015 2016 2017* 2018 2019 Quelle: Bloomberg, BayernLB Research, *Prognose [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 56 Credits: EZB hält die Risikoaufschläge noch in Schach Nach der US-Wahl: Credit-Spreads werden auf beiden Seiten des Atlantiks auseinanderdriften Politisches Risiko erhöht die SpreadVolatilität Neue Gattung von Senior Unsecured lässt das Angebot der „Alt-Anleihen“ schmelzen Während die erste Reaktion der Aktienmärkte auf die geplanten Infrastruktur- und Steuerprogramme der neuen Trump-Administration durchwegs positiv ausfiel, wurden die Maßnahmen an den Credit-Märkten kritischer gesehen und hatten leichte SpreadAusweitungen zur Folge. Mittelfristig erwarten wir aufgrund der stärker divergierenden geld- und fiskalpolitischen Ausrichtung auf beiden Seiten des Atlantiks nicht nur ein Auseinanderdriften der Staatsanleihen-Renditen, sondern auch der Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen (um ca. 10 Basispunkte auf Index-Ebene). Während bei europäischen Unternehmen weiterhin eine disziplinierte Ausgabenpolitik und damit eine stabile RatingEntwicklung aufgrund von strukturellen Veränderungen (wie z.B. in der Versorgerbranche) und hoher politischer Unsicherheit zu erwarten ist, dürften die US-Peers ihren ReLeveraging-Trend fortsetzen. Die relativ aggressive, Shareholder-orientierte Politik (hohe M&A-Aktivitäten und Aktienrückkaufprogramme) dürfte durch die geplanten Maßnahmen der Trump-Administration weiter befeuert werden. Zu einem aktiven Abbau von Verbindlichkeiten, der i.d.R. bei einer länger zu erwartenden Wirtschaftsschwäche zu beobachten ist, dürfte es 2017 daher nicht kommen. Neben möglichen Störfaktoren von der anderen Seite des Atlantiks dürften vor dem Hintergrund der Populismus-Welle politische Ereignisse in Europa die Spread-Volatilität (und Risikoaversion) zeitweise spürbar erhöhen. Einen massiven Anstieg auf Index-Ebene erwarten wir mittelfristig wegen des EZB-Kaufprogramms und einem weiteren „Durchwurschteln“ auf politischer Seite nicht. Vielmehr birgt eine intensivere Tapering-Diskussion zur Jahresmitte 2017 das Risiko, dass die Credit-Investoren die Stützung seitens der EZB in Frage stellen. Auch wenn sich die Volatilität primär im Staatsanleihe-Universum widerspiegeln sollte, dürfte sie die Unternehmensanleihen nicht gänzlich unberührt lassen, sodass sich die Risikoaufschläge im zweiten Halbjahr marginal ausweiten dürften. Das Senior Financial-Universum dürfte durch die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur Harmonisierung des im nationalen Insolvenzrecht festgelegten Rangs unbesicherter Schuldtitel langfristig beflügelt werden. Banken werden angehalten, eine neue Gattung von unbesicherten Schuldtiteln (sog. T3-Anleihen) zu emittieren, die im Insolvenz- oder Abwicklungsfall zuerst herangezogen wird. Das stark rückläufige Netto-Angebot „alter“ Senior Unsecured-Anleihen dürfte 2017 zu leicht rückläufigen Spreads auf Index-Ebene führen. Nur marginale Bewegungen in 2017 zu erwarten Bislang stabile Rating-Entwicklung in Europa Asset Swap Spread in Bp Rating Drift = (Upgrades - Downgrades)/ geratete Emittenten 160 Non-Financials Financials Senior Global 140 10 120 0 100 -10 80 -20 60 Europa -30 40 20 Nov 15 USA -40 Mai 16 Nov 16 Mai 17 Nov 17 Quelle: Thomson Reuters Datastream, BayernLB Research Nov 11 Nov 12 Nov 13 Nov 14 Nov 15 Nov 16 Quelle: Moody’s, BayernLB Research [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 57 Aktienmärkte: Chancen überwiegen noch Das Jahr 2016 wird der DAX trotz geldpolitischer Unterstützung voraussichtlich mit einer enttäuschenden Performance abschließen (DAX Year-to-Date per 25.11: -0,5%). Weder von den Unternehmensgewinnen noch von der Bewertungsentwicklung kamen per saldo positive Impulse. Für das Jahr 2017 sind die Perspektiven etwas günstiger. Moderate Bewertungsexpansion plausibel DAX: Für 2017 KGV-Bandbreite von 10,5 bis 14,0 plausibel Kurs-Gewinn-Verhältnis des DAX auf Basis erwarteter Gewinne, Monatswerte 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 Quelle: Thomson Reuters Datastream, IBES, BayernLB Research Während die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) des DAX im ersten Quartal 2016 durch USRezessionssorgen im Zuge des kollabierenden Ölpreises kräftig unter Druck kamen und im Jahresverlauf durch politische Schocks bzw. Risiken belastet blieben (Brexit-Votum, EUKrise), erscheint für 2017 eine leichte Bewertungsexpansion bzw. ein moderater Rückgang der Risikoprämien plausibel. Zwar werden politische Risiken weiter belasten und für Volatilität sorgen, jedoch sind diese bereits in gewissem Ausmaß eskomptiert, und wir erwarten in unserem Basisszenario keine dramatische Eskalation wie etwa ein Auseinanderbrechen der EU oder der Währungsunion. Von der 2017 und 2018 leicht beschleunigenden Weltwirtschaft sollten dagegen auf Gesamtjahressicht positive Impulse auf die Bewertungen ausgehen, auch wenn im Jahresverlauf im Zuge Brexit-Verhandlungen in Europa noch Bremseffekte zu erwarten sind. In unserem Prognoseszenario gehen wir von einem DAXKGV zum Jahresende 2017 von 13,5 sowie einer Bandbreite von 10,5 bis 14,0 (aktueller Wert: 12,5) aus. Damit würden die Bewertungsspitzen des Frühjahrs 2015 nicht wieder erreicht, als das DAX-KGV kurzzeitig über 15 gestiegen war. Aktienmärkte: Globale Konjunkturbelebung unterstützt, Dynamik bleibt aber verhalten Risikoprämie DAX (Differenz von DAX-Gewinnrendite und Rendite 10-jähriger Bundesanleihen) und globaler Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe, Monatswerte JPMorgan Global Manufacturing PMI (lS) Risikoprämie DAX (invers, rS, in Prozent) 54 5 53 6 52 7 51 8 50 9 49 10 48 47 11 2012 2013 2014 2015 2016 Quelle: Thomson Reuters Datastream,, IBES, Markit Economics, BayernLB Research Geldpolitisches Umfeld bleibt 2017 günstig für Aktien Geldpolitik bleibt global trotz straffender Fed noch expansiv Die Geldpolitik steht einer moderaten Bewertungsexpansion 2017 nicht entgegen, sondern dürfte diese sogar eher unterstützen. Zwar schreitet die Fed in ihrem Straffungszyklus voran, der Zinspfad bleibt aber flach. Der Leitzins in den Vereinigten Staaten bleibt mit einer Bandbreite von 1,0% bis 1,25% Ende 2017 noch auf niedrigem Niveau. Historisch haben die Aktienmärkte in der Anfangsphase einer geldpolitischen Straffung abgesehen von temporären Turbulenzen in der Regel ihren Aufwärtstrend noch fortgesetzt und erst nach einem spürbaren Anstieg der Realzinsen eine Trendwende nach unten vollzogen. Die EZB und die Bank of Japan werden die Leitzinsen voraussichtlich noch längere Zeit unverändert auf sehr niedrigem Niveau lassen und damit ein anhaltend günstiges Umfeld für Aktien schaffen. Zudem werden ihre QE-Programme 2017 fortgesetzt. Da die Fed gleichzeitig die BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 58 Reinvestition der fälligen Wertpapiere aus ihren QE-Programmen noch mindestens bis zum Jahresende 2017 fortführen und ihre Bilanzsumme danach nur langsam abschmelzen lassen wird, bleibt die globale Liquiditätsversorgung 2017 noch üppig. Zinsanstieg beeinflusst Sektorentwicklungen Der von uns erwartete weitere Anstieg der Kapitalmarktzinsen im Jahr 2017 wirkt zwar grundsätzlich negativ für Aktien. In Phasen einer zunehmenden Konjunkturdynamik wird der negative Effekt höherer Zinsen – sofern diese moderat steigen – aber meist durch den positiven Effekt sinkender Risikoprämien überkompensiert, so dass Zinsen und Aktien gleichzeitig zulegen. Allerdings hat der Zinsanstieg maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Sektoren. Zinssensitive Sektoren wie Versorger und Immobilien dürften belastet bleiben, während die steiler werdende Zinskurve im aktuellen Umfeld positiv auf Bankaktien wirkt. Steigende Kapitalmarktzinsen stellen auch eine Herausforderung für die derzeit beliebten Dividendenstrategien dar. So weisen Sektoren mit überdurchschnittlich hohen Dividenden häufig auch eine besonders hohe Zinssensitivität auf (wie die Versorger). Strategien, die ausschließlich auf die Höhe der Dividendenrendite abzielen, könnten 2017 daher unterdurchschnittlich abschneiden. Unternehmensgewinne nur leicht aufwärts gerichtet KonsensGewinnerwartungen für 2017 noch zu optimistisch Die Unternehmensgewinne lassen auf den ersten Blick 2017 günstige Einflüsse erwarten. So signalisieren die Konsens-Prognosen auf Ebene der Standardwerte-Indizes in Europa und den USA für 2017 Ergebniszuwächse zwischen 10% und 14%, nachdem die Unternehmensgewinne 2016 im Vorjahresvergleich in etwa seitwärts bis leicht abwärts gerichtet sind. Wie Ende 2015 erachten wir die Konsens-Prognosen für das kommende Jahr vor dem Hintergrund einer – gerade in Europa – weiterhin nur mäßigen Konjunkturdynamik und teilweise bereits hoher Gewinnmargen jedoch als zu optimistisch. Unternehmensgewinne: Optimistische Erwartungen für 2017 Sektoren Europa: Turnaround bei Öl- und Rohstofftiteln Veränderung des Ergebnisses je Aktie ggü. Vorjahr, KonsensPrognosen, in Prozent 2017 erwartete Unternehmensgewinne der STOXX Europe 600-Sektoren (Konsens-Prognose), Veränderung gg. Vj. in Prozent DAX EURO STOXX 50 STOXX Europe 600 S&P 500 14 12 10 8 6 4 2 0 -2 -4 2015 2016 2017 Quelle: Thomson Reuters Datastream, IBES, BayernLB Research Gewinnanstieg im mittleren einstelligen Prozentbereich realistisch Oil & Gas Basic Resources Banks Technology Construction & Materials STOXX Europe 600 Food & Beverage Telecommunications Retail Industrial Goods & Serv. Automobiles & Parts Media Personal & HH Goods Chemicals Travel & Leisure Healthcare Real Estate Insurance Utilities Financial Serv. -1,9 -10 58,0 31,3 20,5 17,7 14,5 13,5 12,5 11,8 11,6 11,1 10,6 10,3 10,2 8,6 7,5 7,2 6,9 4,9 3,6 10 30 50 Quelle: Thomson Reuters Datastream,, IBES, BayernLB Research Im Jahresverlauf 2016 hatte es letztlich noch stärkere Abwärtsrevisionen gegeben als von uns Ende 2015 erwartet. Mit Blick auf das nächste Jahr gibt es aber einige Gründe für etwas moderatere Abwärtsrevisionen. Erstens vollziehen die Öl- und Rohstofftitel eine Trendwende bei der Gewinnentwicklung und im Zuge dessen hat auch der lange Zeit stark abwärts gerichtete Gewinnrevisionstrend nach oben gedreht. Zweitens hat sich die Konjunktur in den Schwellenländern stabilisiert, wo 2017 trotz fortgesetztem „soft landing“ in China wieder etwas höhere Wachstumsraten zu erwarten sind, sofern der Zinsanstieg in den USA moderat bleibt. Drittens könnte sich auch der Rückgang der Deflationsrisiken BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 Bewertung Deutschland: Nicht billig, aber keine Übertreibung Kurs-Buchwert-Verhältnis des DS-TotalMarket-Index Deutschland NonFinancials, Wochenwerte 59 positiv niederschlagen. Vor diesem Hintergrund rechnen wir 2017 mit einem Anstieg des Ergebnisses je Aktie der Indizes DAX, EURO STOXX 50 und S&P 500 im mittleren einstelligen Prozentbereich. Von der Währungsentwicklung werden dabei die europäischen Unternehmen Unterstützung erhalten (Euro-Abwertung), während die US-Unternehmen ihr Ergebnis je Aktie weiter durch umfangreiche Aktienrückkäufe „aufpeppen“. Die von Trump avisierte Erleichterung bei der Repatriierung im Ausland erwirtschafteter Gewinne könnte das Volumen der Aktienrückkäufe in den USA dabei nochmals ansteigen lassen. Bewertung birgt mittel- bis langfristig Risiken – insbesondere für US-Aktien 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 0,5 Quelle: Thomson Reuters Datastream, BayernLB Research Die Aktienbewertungen selbst sind als Timing-Indikator zwar wenig geeignet, zur Einschätzung der mittel- bis langfristigen Risiken und Renditeperspektiven von Aktien aber hoch relevant. In den letzten Jahren haben Aktien eine spürbare Bewertungsexpansion erfahren und sind – absolut betrachtet – im historischen Vergleich vor allem in den USA schon relativ teuer. Damit sind auch die Kursrisiken im Falle unerwarteter Schocks bzw. einer globalen Rezession gestiegen. Relativiert werden die hohen absoluten Bewertungen zwar weiterhin durch Dividenden, die im Vergleich zu den immer noch sehr niedrigen Renditen festverzinslicher Wertpapiere attraktiv bleiben. Allerdings bieten diese keinen Schutz vor gegebenenfalls auch kräftigen Kursverlusten im Falle einer Rezession. Solange die Weltkonjunktur stabil und die Ertragslage der Unternehmen entsprechend günstig bleibt (was wir erwarten), spricht der Dividendenvorteil jedoch weiter für Aktien. DAX-Bandbreite im Jahr 2017 von 9.400 bis 12.400 Punkten DAX: Aufwärtspotenzial, aber keine neuen Rekordstände DAX, Wochenwerte und Prognose (mit Schwankungsbreite) bis Ende 2017 Für den DAX prognostizieren wir vor dem Hintergrund des geschilderten Szenarios 2017 einen Jahresendstand von 12.000 Punkten. Dabei erscheint uns eine Schwankungsbreite von 9.400 bis 12.400 Punkten plausibel, was prozentual in etwa der durchschnittlichen Schwankungsbreite (Median) der letzten 15 Jahre entspricht. Negative Risiken für die Aktienmärkte liegen neben einer Eskalation politischer Risiken in einer kräftigen globalen Konjunkturabschwächung sowie in einem massiven Zinsschock. DAX: Kursgewinne auf Basis leicht steigender Unternehmensgewinne, einer moderaten Bewertungsexpansion und Dividenden – aber noch keine Rückkehr auf Rekordniveau DAX-Wert zum Jahresende 2017 bei verschiedenen Szenarien für Unternehmensgewinne und Bewertung 12500 11500 10500 9500 8500 7500 6500 5500 4500 3500 Kurs-GewinnVerhältnis Negativ-Szenario Basis-Szenario Konsens-GewinnSzenario Positiv-Szenario 2017 2015 2013 2011 2009 2007 zum Jahresende Gewinnrevisionen Gewinnrevisionen Gewinnrevisionen Gewinnrevisionen 2017 auf Basis 2017: -15%, 2018: -35% 2017: -5%, 2018: -7% 2017: 0%, 2018: 0% 2017: +3%, 2018: +6% erwarteter Gewinne (25.11.2016: 12,5) DAX-Gewinn gg. Vj. DAX-Gewinn gg. Vj. DAX-Gewinn gg. Vj. DAX-Gewinn gg. Vj. 2017: +15%, 2018: 2017: -5%, 2018: -17% 2017: +6%, 2018: +7% 2017: +12%, 2018: +9% +12% Quelle: Thomson Reuters Datastream, BayernLB Research 10,3 6.547 9.225 9.894 10.467 11,1 7.032 9.918 10.640 11.258 11,9 7.517 10.612 11.386 12.049 12,7 8.002 11.306 12.132 12.840 13,5 8.487 12.000 12.878 13.631 14,3 8.972 12.694 13.624 14.422 15,1 9.457 13.388 14.370 15.212 Quelle: Thomson Reuters Datastream, IBES, BayernLB Research [email protected] BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 60 Aktienmärkte im Überblick DAX seit August im DAX und EURO STOXX 50 S&P 500 und Nikkei 225 Seitwärtstrend DAX (lS) EURO STOXX 50 (rS) S&P 500 Composite (lS) Nikkei 225 (rS) 11500 19000 11000 3400 10500 3200 2100 3000 2000 2800 1900 2600 1800 2200 18000 10000 9500 9000 8500 17000 Dez Feb Mrz Mai Jul Aug Okt Nov 15 16 16 16 16 16 16 16 Implizite Volatilität Quelle: Thomson Reuters Datastream, BayernLB Research Bewertung Europäischer Aktienmarkt Implizite Volatilität DAX Kurs-Buchwert-Verhältnis DS Total Market Index Euro-Raum Non-Financials VDAX-NEW 4,0 38 3,5 34 3,0 30 2,5 26 22 2,0 18 1,5 14 1,0 0,5 1986 10 1991 1996 2001 2006 2011 2016 Quelle: Thomson Reuters Datastream, BayernLB Research positive Vorgaben 15000 Dez Feb Mrz Mai Jul Aug Okt Nov 15 16 16 16 16 16 16 16 Quelle: Thomson Reuters Datastream, BayernLB Research nach US-Wahl wieder gedämpft ifo-Index liefert 16000 Dez Feb Mrz Mai 15 16 16 16 Jul 16 Aug Okt Nov 16 16 16 Quelle: Thomson Reuters Datastream, BayernLB Research Prognose Aktienindizes Monatsendstände in 3 Monaten in 6 Monaten 29.11.2016 Stand am Feb 17 Mai 17 Nov 17 10.620 11.000 10.900 11.800 EURO STOXX 50 3.038 3.110 3.040 3.240 S&P 500 2.205 2.260 2.220 2.360 18.307 18.800 18.200 19.700 DAX Nikkei 225 in 12 Monaten Quelle: BayernLB Research BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 61 Das Research-Team der BayernLB BayernLB Research Dr. Jürgen Michels, Chefvolkswirt und Leiter Research, -21750 Anna Maria Frank, -21751 Sekretariat Ingo Bothner, -21787 Medienfachwirt (IHK) Volkswirtschaft Dr. Johannes Mayr, Euro-Raum, EZB, -21859 Investment Research Alexander Plenk, CFA, -27076 Manuel Andersch, -27448 Pfund/UK, Schweizer Franken/Schweiz Zinsstrategie, Staatsanleihen, SSA Christiane von Berg, -28745 USA/Fed, Japan/BoJ Wolfgang Kiener, -27058 Dollar, Yen Dr. Stefan Kipar, -27346 Deutschland Alexander Aldinger, -24877 Asja Hossain, CFA, -27065 Dr. Norbert Wuthe, -27209 Covereds & Financials Alfred Anner, CEFA, -27072 Covered Bonds Dr. Ulrich Horstmann, CEFA, -21873 Financials Länderrisiko- und Branchenanalyse Hubert Siply, -21307 Stefan Voß, -21808 Financials Länderrisikoanalyse Credits Dr. Alexander Kalb, -22858 Westeuropa, Südamerika Amir Darabi, -25727 Corporate Bonds & SSD Manuel Schimm, - 26845 Asien, Nordamerika Matthias Gmeinwieser, CIIA, -26323 Corporate Bonds & SSD Gebhard Stadler, -28891 Osteuropa/GUS, Mittelamerika Miraji Othman, -25888 Strategie Verena Strobel, -21320 Naher und Mittlerer Osten, Afrika Christian Strätz, CEFA, CIIA, -27068 Corporate Bonds & SSD, Strategie Branchenanalyse Aktienmarkt/Strategie/Privatkunden Wolfgang Linder, -21321 Auto, Chemie, Pharma, Luftfahrt, Rohstoffe & Stahl, Öl & Gas, Logistik Manfred Bucher, CFA, -21713 Christoph Gmeinwieser, CIIA, -27053 Thomas Peiß, -28487 Bau, Elektroindustrie, Maschinenbau, Versorger, Handel, Telekom, Medien Technische Analyse E-mail: [email protected] Telefon: 089 2171 + angegebene Durchwahl Hans-Peter Reichhuber, -21780 Zinsen, Währungen, Aktien Stand: November 2016 #END1# BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 62 Disclaimer Diese Publikation ist lediglich eine unverbindliche Stellungnahme zu den Marktverhältnissen und den angesprochenen Anlageinstrumenten zum Zeitpunkt der Herausgabe der vorliegenden Information am 30.11.2016. Die vorliegende Publikation beruht unserer Auffassung nach auf als zuverlässig und genau geltenden allgemein zugänglichen Quellen, ohne dass wir jedoch eine Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der herangezogenen Quellen übernehmen können. Insbesondere sind die dieser Publikation zugrunde liegenden Informationen weder auf ihre Richtigkeit noch auf ihre Vollständigkeit (und Aktualität) überprüft worden. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit können wir daher nicht übernehmen. Die vorliegende Veröffentlichung dient ferner lediglich einer allgemeinen Information und ersetzt keinesfalls die persönliche anleger- und objektgerechte Beratung. Für weitere zeitnähere Informationen stehen Ihnen die jeweiligen Anlageberater zur Verfügung. Abkürzungsverzeichnis Häufig verwendete Abkürzungen in Schaubildern und Tabellen: ab: BIP: gg: lS: Md: Me: rS: sb: Vj: Vol: Vp: arbeitstäglich bereinigt Bruttoinlandsprodukt gegenüber linke Skala Monatsdurchschnitt Monatsende rechte Skala saisonbereinigt Veränderung gegenüber Vorjahr Volumen Veränderung gegenüber Vorperiode Redaktion: Bayerische Landesbank Unternehmensbereich 5700 80277 München (=Briefadresse) [email protected] Geschäftsgebäude: Bayerische Landesbank Brienner Straße 18 80333 München (=Paketadresse) www.bayernlb.de BayernLB Ausblick 2017 - Perspektiven Dezember 2016 63 BayernLB