Aufatmen nach dem Brexit-Schock

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Aufatmen nach dem Brexit-Schock
Aus Blick
Die monatliche Konjunktur- und Markteinschätzung
November/Dezember 2016
Trumps Triumph
Die Märkte setzen auf ein Konjunkturprogramm
Marktumfeld
Seite 3
Marktentwicklung
& Anlagestrategie
Seite 16
Überblick
03
Marktumfeld
Die Finanzmärkte standen in den letzten Wochen ganz im Bann
der US-Wahlen. Und die endeten gleich mit einer doppelten Überraschung. Nicht nur wurde Donald Trump wider Erwarten zum
Präsidenten gewählt. Auch die Märkte drehten nach nur kurzer
„Bedenkzeit“ recht überraschend in den Risikomodus. Hintergrund
der „reflation trades“ war wohl die Hoffnung der Anleger auf ein
groß angelegtes Konjunkturprogramm – ohne wachstumsfeindliche Eingriffe in der Handels- und Migrationspolitik. Ob es dazu
kommt, muss sich erst zeigen. Die jüngsten Absetzbewegungen
Donald Trumps von seinen einst radikalen Forderungen nähren die
Hoffnung auf eine insgesamt wachstumsneutrale, vielleicht sogar
moderat expansive Wirtschaftspolitik der neuen US-Administra­
tion. Und die trifft auf eine Weltwirtschaft, die nach dem Durchhänger im ersten Halbjahr im Herbst Fahrt aufgenommen hat.
Keine schlechten Vorgaben für das kommende Jahr.
16
Marktentwicklung &
Anlagestrategie
Bis sich aber ein wirklich belastbares Trump-Szenario herausgebildet hat, dürfte es noch dauern. Wir erwarten für die kommenden
Wochen deshalb eher eine stärkere Volatilität denn einen klaren
Richtungsentscheid an den Märkten. Und danach? Würde das Pendel dann endgültig in Richtung Reflationierung ausschlagen, könnte das in der Tat die Wachstums- und Gewinnperspektiven in den
USA verbessern und den dortigen Aktienmärkten einen verlängerten Aufschwung bescheren – mehr aber wohl nicht, auch weil die
Bewertung der US-Märkte schon sehr angespannt ist. Bei einem
wachstumsneutralen Politikmix würde ihnen die Luft schon früher
ausgehen. Das fundamentale Aktienmarktumfeld in Europa ist für
sich genommen dagegen klarer und konstruktiver. Eine noch zunehmende Gewinn- und Konjunkturzuversicht gepaart mit anhaltenden
EZB-Wertpapierkäufen und die relativ bessere Bewertung versprechen Unterstützung. Belastungen für 2017 kommen hier eher von
der Politik (Wahlen). An den Rentenmärkten scheint die Wende zu
steigenden Renditen hingegen endgültig vollzogen. Das verspricht
spätere (Wieder)Einstiegsmöglichkeiten. Der Dollar bleibt vorerst
stark, mittel bis längerfristig spricht hingegen mehr für den Euro.
Oliver Postler
Chief Investment Officer
Privatkunden Bank
Ein Anlagejahr voll mit Überraschungen und hoher Schwankungsbreite geht zu Ende. Dabei zogen
die Ereignisse einmal quer über die
Weltkarte. Von den Schwellenländern
zu Jahresbeginn über den Nahen und
Mittleren Osten, Europa und den USA.
Die Weltwirtschaft entwickelte sich
trotzdem recht robust. Die Notenbanken hielten die Zinsen niedrig
und die Liquidität hoch. Das half den
Aktienmärkten. Allerdings performten die Börsen sehr unterschiedlich.
Während die US-Märkte zulegen und
neue Höchstkurse erreichen konnten,
erholten sich die europäischen Pendants und auch der DAX nicht mehr
von den Einbrüchen zu Jahresbeginn.
An den Anleihemärkten rutschten die
Renditen bis in den Herbst immer
tiefer ab, in Europa sogar ins Minus.
Es war ein schwieriges Umfeld für
alle Anleger. Mit Blick auf das kommende Jahr sind wir optimistisch
gestimmt. Die Stabilisierung der Rohstoffpreise ist eine gute Nachricht für
die Weltwirtschaft. Wir rechnen mit
robustem Wachstum. Aktien bleiben
für uns die interessantere Anlageklasse. Die größten Risiken dürften weiter
auf der politischen Seite liegen.
Ich bedanke mich für Ihr Vertrauen,
wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und eine schöne Adventszeit!
Herzlichst Ihr
AusBlick – Überblick 2
MARKTUMFELD
Die US-Wahlen liegen hinter uns – und sie endeten gleich mit einer doppelten
Überraschung. Nicht nur wurde Donald Trump wider Erwarten zum Präsidenten gewählt. Auch die Märkte drehten nach nur kurzer „Bedenkzeit“ recht überraschend in den Risikomodus: Aktien legten kräftig zu und der Dollar schoss
regelrecht nach oben. Engagements in „sichere Häfen“ wurden dagegen zurückgefahren. Gold und Staatspapiere gingen auf Tauchstation, die Anleiherenditen zogen entsprechend kräftig an. Hintergrund dieser „reflation trades“
war wohl die Hoffnung der Anleger auf ein groß angelegtes Konjunkturprogramm aus Steuersenkungen, Infrastrukturausgaben und Deregulierungen, die
Wachstum, Inflation und Gewinne anschieben, gleichzeitig aber auch die Fed
auf den Plan rufen und für steigende Zinsen und Renditen sorgen dürften. Die
staatstragenden Reden von Trump, Clinton und Obama am Tag nach der Wahl
gepaart mit der Aussicht auf ein „unified government“ dürften diese Hoffnung genährt haben. Die wachstumsfeindlichen Teile seines Wahlkampfprogramms (Handels- und Einwanderungspolitik) scheinen dagegen weitgehend
ausgeblendet worden zu sein. Ob diese asymmetrische Wahrnehmung und
damit der Stimmungsumschwung von Dauer sind, muss sich erst zeigen. Niemand kann derzeit sagen, was Trump wann und wie umsetzen will und kann.
Je nachdem, wie die Besetzungen, Entscheidungen und Programme ausfallen,
kann das Stimmungspendel auch wieder in die andere Richtung ausschlagen.
Es dürfte dauern, bis sich ein belastbares Trump-Szenario herausgebildet hat.
Wir erwarten für die kommenden Wochen deshalb eher eine stärkere Volatilität denn einen klaren Richtungsentscheid an den Märkten.
Gehören die Mehrheit in beiden Kongresskammern und der
Präsident derselben Partei an,
so spricht man vom „unified
government“ („vereinte Regierung“). Fallen die Parteizugehörigkeit des Präsidenten und die
der Mehrheit des Kongresses (bestehend aus Senat und Repräsentantenhaus) auseinander, spricht
man von „divided government“
(„geteilte Regierung“).
Donald Trump – quo vadis?
Ein überraschender Wahlausgang und jede Menge Herausforderungen
Donald Trump konnte zwar nicht die Mehrheit der Amerikaner hinter sich
scharen („popular vote“), sehr wohl allerdings die Mehrheit der Wahlmänner. Sie aber sind es, die ihn zum 45. Präsidenten der USA wählen werden.
DONALD TRUMP WEISS GENÜGEND WAHLMÄNNER HINTER SICH
Washington
(12)
Oregon
(7)
Nevada
(6)
Montana
(3)
Idaho
(4)
Utah
(6)
California
(55)
Arizona
(11)
Alaska
(3)
Wyoming
(3)
Colorado
(9)
New Mexico
(5)
North Dakota
Minnesota
(3)
(10)
Wisconsin
South Dakota
(10)
(3)
Maine
(3)
Michigan
(16)
New York (29)
Pennsylvania
(20)
Ohio (18)
Illinois Indiana
West Virginia
(20)
(11)
(5) Virginia
Kansas
Missouri
(13)
Kentucky (8)
(6)
(10)
North
Tennessee (11) Carolina (15)
Oklahoma
Arkansas
South Carolina (9)
(7)
(6)
Alabama
(9) Georgia
Mississippi
(16)
(6)
Texas
(38)
Louisiana
Florida
(8)
(29)
Nebraska
(5)
Iowa
(6)
ein Wahlmann geht an Trump
New Hampshire (4)
Vermont (3)
Massachusetts (11)
Rhode Island (4)
Connecticut (7)
New Jersey (14)
Delaware (3)
Maryland (10)
District of Columbia (3)
Hawaii
(4)
Trump: 306 von 538 Wahlmännern (die Mehrheit liegt bei 270)
Clinton: 232 Wahlmänner
Quelle: politico.com, UniCredit Bank
Hillary Clinton half es nichts,
dass sie landesweit etwa 2½
Millionen Stimmen mehr erhielt
als ihr Herausforderer. Denn in
den USA wird der Präsident nicht
unmittelbar vom Volk gewählt,
sondern von Wahlmännern. Sie
werden von den Bundesstaaten
„entsandt“. Ein deutlicher Sieg in
einem Bundesstaat ist nicht mehr
wert, als ein äußerst knapper. Der
Kandidat, der den Bundesstaat gewinnt, bekommt in der Regel alle
Wahlmänner. Trump konnte 306
Wahlmänner hinter sich bringen
(„electoral vote“). 270 reichen für
die eigentliche Präsidentenwahl
Mitte Dezember. Die formelle
Stimmenauszählung findet am 6.
Januar, die Vereidigung des neuen
Präsidenten am 20. Januar 2017
statt.
AusBlick – Marktumfeld 3
Mag sein, dass die Ankündigung von FBI-Ermittlungen gegen Hillary Clinton
die Wahl beeinflusst hat. Entscheidend aber war wohl, dass Donald Trump
das bessere Gespür für die Stimmung im Lande hatte und seine Wähler eher
mobilisieren konnte als die frühere Außenministerin.
Die Republikaner stellen aber nicht nur den neuen Präsidenten. Sie konnten auch ihre Mehrheiten in beiden Kongresskammern verteidigen (siehe
Grafik). Formell hat Donald Trump damit deutlich größere politische Gestaltungsspielräume als viele seiner Vorgänger, die gegen einen (gespaltenen)
Kongress regieren mussten. Diese Gestaltungsmehrheit könnte er auch gut
gebrauchen, schließlich steht er vor großen Herausforderungen. Er muss
nicht nur die gesellschaftliche Spaltung überwinden, sondern auch das Vertrauen der Amerikaner in die Politik zurückgewinnen, überfällige (Struktur)
Reformen anschieben und auch außenpolitisch Kooperation über Konfrontation stellen.
Für eine ausführliche Diskussion
dieser Herausforderungen siehe
unseren EinBlick vom 9.11.2016:
Donald Trump gewinnt US-Wahl.
DER KONGRESS IST KOMPLETT IN DER HAND DER REPUBLIKANER
Repräsentantenhaus
Zahl der Sitze (insgesamt 435)
Senat
Zahl der Sitze (insgesamt 100)
4
2
1
46
193
238
Republikaner
Demokraten
noch offen
Quelle: politico.com, UniCredit Bank
51
Republikaner
Unabhängige
Demokraten
noch offen
Ob ihm das gelingt, muss sich allerdings erst zeigen. Trump und das republikanische Establishment haben sich im Wahlkampf doch spürbar entfremdet. Ohne Kongressunterstützung dürfte er es schwer haben, wirkliche
Impulse und nicht nur (umstrittene) Akzente zu setzen – zumal er ein Mann
der schnellen, unverblümten und oft auch radikalen Worte ist. Insbesondere
dann, wenn er sich provoziert fühlt.
Für ihn als politischen Quereinsteiger wäre es enorm wichtig, sich eine
Mischung aus reichlich politischer Erfahrung, hohem Fachwissen und ausgleichendem Charakter ins Team zu holen. Noch hat es allerdings den Anschein, dass er auch hier eher einen unkonventionellen Ansatz bevorzugt.
Andererseits hat Donald Trump aber schon mehrfach bewiesen, dass er Einstellungen rasch ändern kann. Welchen politischen Kurs er und sein Team
letztlich einschlagen werden, ist also noch offen. Offen bleiben muss daher
auch der Kurs, den die US-Wirtschaft nehmen wird. Wir können uns derzeit
drei Szenarien vorstellen.
AusBlick – Marktumfeld 4
Szenario 1: Ein groß angelegtes Konjunkturprogramm
Das scheint die Variante zu sein, auf das sich die Märkte nach der anfänglichen Schockreaktion eingeschossen haben. Mit beiden Kammern
hinter sich, so die Überlegungen, könnte Trump ein umfangreiches Steuersenkungsprogramm durch den Kongress bringen. Zeitgleich käme es zu
massiven Infrastrukturausgaben sowie Deregulierungen (insbesondere im
Energiesektor). Zusammengenommen wäre dies ein wirklich ansehnliches
Konjunkturprogramm – falls es in Sachen Ausweisung von illegalen Einwanderern und Strafzölle gegen China und Mexiko nur zu „kosmetischen“
Anpassungen käme.
Unser US-Chefvolkswirt, Dr. Harm Bandholz, hat dieses Reflations-Szenario
mit Hilfe eines Multiplikatormodells einmal durchgerechnet.1 Bei unterstellten Steuersenkungen von 5 Bio. USD (3 Bio. Einkommenssteuern, 2 Bio.
­Unternehmenssteuern) und 1,5 Bio. USD Mehrausgaben (1 Bio. Infrastruktur,
500 Mrd. Militär) verteilt über 10 Jahre errechnet sich ein konjunktureller
­Impuls in den beiden kommenden Jahren von 1,8 % des BIP. Die Wachstums­
raten 2017/18 wären dann um knapp einen Prozentpunkt höher als im Basis­
szenario (unveränderte Wirtschaftspolitik) und würden nahe an die 3 %-Marke
heranreichen. So stark wuchs die US-Wirtschaft, abgesehen von vereinzelten
überzeichneten Quartalen, schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr.
Solch ein Szenario hätte allerdings auch seinen Preis. Denn der anfängliche
Konjunkturschub könnte nur allzu leicht zu einer Überhitzung der US-Wirtschaft führen. Der Arbeitsmarkt ist ohnehin schon angespannt; es herrscht
weitgehend Vollbeschäftigung (siehe Grafik).
Zu einem ähnlichen Ergebnis
(bei allerdings etwas anderen
Annahmen) kommt das Oxford
Economic Forecasting-Institut.
Auf Basis eines ökonometrischen
(Welt)Modells projektieren sie
für 2018 ein BIP-Wachstum von
3 %. Bis 2020 würden 2 Millionen
neue Jobs geschaffen.
DER US-ARBEITSMARKT IST ANGESPANNT
Kurzzeitbeschäftigte im
Dienstleistungssektor
Frühindikatoren
Beschäftigung
Neue Jobs
Firmen, die keine
Bewerber finden
Einstellungen
Erstanträge auf
Arbeitslosenunterstützung
Einstellungspläne
Stimmung
Angebotene Stellen
Teilzeitbeschäftigte
Erfolgreiche Bewerbungen
Kündigungen
Langzeitarbeitslose
Unterbeschäftigung
Dez 07 (=100)
Beschäftigung
Arbeitslosenquote
„frustrierte“ Arbeitssuchende
Dez 12
Dez 13
zuletzt
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
1 Harm Bandholz: „Less bang for the buck: A fiscal stimulus at full employment“, UniCredit Research,
Economic Thinking, No. 25, November 21, 2016.
AusBlick – Marktumfeld 5
Ein Lohnkostenschub verbunden mit der generell preistreibenden Wirkung
der Zusatznachfrage sowie einem Wirtschaftswachstum, das dann deutlich
über seinem derzeit nur moderaten Potenzial liegt, würde die Inflationserwartungen bzw. Preissteigerungsraten rasch steigen lassen und so die
US-Notenbank Fed auf den Plan rufen. Sie müsste dann die Zügel kräftiger
straffen (falls Donald Trump nicht wirklich „willfährige“ Fed-Gouverneure
einsetzt). Gleichzeitig würden auch die Renditen in die Höhe schießen, weil
Haushaltsdefizit und Staatsverschuldung anschwellen. Das gilt auch für den
Fehlbetrag der Leistungsbilanz (Dollaraufwertung). Kräftig steigende Zinsen
bzw. Renditen gepaart mit Kaufkraftverlusten dürften dem anfänglichen
Konjunkturschub dann ein jähes Ende bereiten. „Bust“ folgt auf „Boom“ –
oder, wie die Amerikaner sagen: „A short-term gain for a long-term pain.“
Aktuelle Schätzungen des
Wachstumspotenzials liegen bei
1½ % bis maximal 2 % p. a.
Szenario 2: Konjunkturimpulse gepaart mit Wachstumsbremsen
Ein groß angelegtes Konjunkturprogramm hätte aber nicht nur seinen Preis.
Man muss auch Realisierungschancen, Wirksamkeit sowie Sinnhaftigkeit
des Pakets kritisch hinterfragen.
1.So ist nicht gesichert, dass ein solches Paket überhaupt vom Kongress abgesegnet wird. Das ist bei defizitsteigernden Programmen nur
dann der Fall, wenn gleichzeitig (spätere) Einsparungen verabschiedet
werden, die langfristig, d. h. nach 10 Jahren, für einen haushalt­neutralen
Effekt sorgen (so genannte „Byrd rule“). Präsident Bush hat dies Anfang
des Jahrtausends gleich zweimal geschafft. Er brachte seine Steuersenkungen im Zuge so genannter „reconciliation acts“ durch den Senat.
Diesmal dürfte es angesichts frustrierter Demokraten und zerstrittener
Republikaner(fraktionen) mit bekennenden „Defizitfalken“ deutlich
schwieriger werden.
Mit „reconciliation acts“ werden „Filibustering“-Blockaden
(Endlosreden) einer qualifizierten
Minderheit im Senat ausgehebelt.
2. Auch die Wirksamkeit des Infrastrukturprogramms erscheint fraglich – weil es faktisch nur von privaten Investoren durchgeführt und
ausschließlich über Steuereinnahmen repatriierter Gewinne finanziert
werden soll. Wie hoch die ausfallen, steht indes in den Sternen. Beim
Infrastrukturprogramm schwingt derzeit wohl (zu) viel Hoffnung mit.
3. Belastungen durch Strafzölle und Ausweisung illegaler Einwanderer.
Dass Donald Trump von seinen ursprünglich radikalen Forderungen
gänzlich Abstand nimmt, ist mehr als fraglich – auch wenn er anders
als bei der Steuer- und Ausgabenpolitik hier mit „executive orders“ am
Kongress vorbei agieren könnte. Der Druck, protektionistische und nationalistische Maßnahmen einzuleiten, ist von Seiten seiner Gefolgsleute, vor allem aber von der Basis, enorm hoch. Exportbelastungen
gepaart mit steigendem Inflationsdruck (höhere Importpreise) sowie
Wachstumsverluste aufgrund eines schrumpfenden Arbeitsangebots
wären die wahrscheinlichen Folgen von Protektionismus und Populismus – und ein starkes Gegengewicht zum Konjunkturpaket!
Seiner Maximalforderungen in
Sachen Strafzölle, Mauerbau zu
Mexiko und Ausweisung illegaler
Einwanderer hat er allerdings
bereits abgeschwächt oder nicht
mehr wiederholt.
AusBlick – Marktumfeld 6
Kombiniert man ein abgeschwächtes Konjunkturprogramm mit halbwegs
moderaten Schutzzöllen bzw. Ausweisungen, so dürften sich Wachstums­
impulse und Bremswirkungen in etwa die Waage halten. Das zumindest
ist das Ergebnis eines Updates der Simulationsrechnung des Oxford Economic Forecasting-Instituts. Während niedrigere Steuern, zusätzliche
Infrastrukturinvestitionen und weniger Regulierung die Wirtschaft ankurbeln, bremsen ein wachsender Protektionismus, die Ausweisung (arbeitsfähiger) Migranten, haushaltsrechtliche Erfordernisse sowie eine höhere
­Unsicherheit sie wieder ein. Unter dem Strich bleibt das Wirtschaftswachstum mittelfristig wohl bei gut 2 % gefangen – eine Entwicklung, die es auch
ohne wirtschaftspolitische Eingriffe gegeben hätte. Allenfalls zu Beginn von
Trumps Amtszeit könnte es zu Impulsen kommen (Erwartungseffekt). Sie
sollten aber überschaubar bleiben.
Szenario 3: Trump beim Wort genommen – der Marsch in die Rezession
Würde Szenario 2 wenigstens die Fortschreibung des status quo ante (bei
verändertem Politikmix) bedeuten, würde Donald Trumps ökonomische
Agenda – voll umgesetzt – die US-Wirtschaft jenseits kurzlebiger Impulse wohl in die Rezession schicken (siehe Grafik). Die Gründe dafür wären
die anschwellende Unsicherheit, nachgebende bzw. volatile Finanzmärkte,
Handelskriege, unterbrochene Wertschöpfungsketten, Arbeitskräfteeng­
pässe sowie eine schwindende Kauf- und Investitionsbereitschaft. Mittelfristig würde darunter auch das moderate Trendwachstum in den USA
­leiden. 2020 läge dann das reale BIP um 5 %–6 % unter dem Basisszenario,
jährlich gingen etwa 100.000 Arbeitsplätze verloren und das Haushalts­
defizit würde letztlich regelrecht anschwellen.
In einer früheren Modellrechnung
kam das Oxford-Institut in einer
moderaten Trump-Version im
Schnitt noch auf geringfügige
Wachstumsbelastungen von
einem viertel bis einem halben
Prozentpunkt p. a.
TRUMP EXTREM: KURZLEBIGE IMPULSE GEFOLGT VON REZESSION
5,0
Prognosen* Reales BIP (in % ggü. Vorjahr)
4,0
3,0
2,0
1,0
0,0
Trumps volles Paket
-1,0 - 4 Bio. USD Steuersenkung (bis 2021)
-2,0 - Einnahmenausfälle nur zu 25 % kompensiert
- Haushaltsdefizit schwillt an
-3,0 - Ausweisung aller illegalen Einwanderer
- Strafzölle China (45 %), Mexiko (35 %)
-4,0
2015
2016
2017
2018
Basisszenario
2019
2020
Trump
Quelle: Oxford Economic Forecasting, UniCredit Bank
*Oxford Economic Forecasting Simulation
Dieses Szenario ist angesichts des zu erwartenden Widerstands im Kongress und der ersten Absetzbewegungen von Donald Trump von seinen ursprünglichen radikalen Forderungen allerdings am wenigsten wahrscheinlich. Ob das Pendel letztlich eher in Richtung Szenario 1 oder Variante 2
AusBlick – Marktumfeld 7
ausschlägt, lässt sich derzeit nicht seriös vorhersagen. Wenn wir zu diesem
frühen Zeitpunkt aber klar Stellung beziehen müssten, würden wir uns in
Szenario 2 eher wiederfinden. Nachhaltige ökonomische Impulse kann Donald Trump damit aber nicht setzen. Wollte er das, wäre es zielführender,
das (längerfristige) Wachstumspotenzial zu heben, Unternehmen wie Haushalten rasch Planungssicherheit zu geben sowie gezielt Missstände zu beheben. Dauerhaft wachstumsfördernd wäre ein Mehr-Punkte-Programm2:
1. Ein langfristig angelegtes Infrastrukturprogramm – solide öffentlich
finanziert (bei den nach wie vor niedrigen Zinsen auch machbar) – wäre
hier sicher hilfreicher als das unsicher finanzierte Öffentlich-PrivatePartnerschaftsmodell (PPP, Public-Private Partnership).
2. Die Legalisierung der (meisten) illegalen Einwanderer würde das
­Arbeitskräfteangebot stärken und nicht schwächen.
3. Eine aufkommensneutrale Unternehmenssteuerreform – niedrigere
Steuersätze, Stopfen von Steuerschlupflöchern, Ausweitung der Bemessungsgrundlage – käme den für den Arbeitsmarkt so wichtigen kleinen
und mittleren Betrieben zugute. Die Haushaltsrisiken würden dadurch
minimiert.
4. Aufschieben der Einkommenssteuersenkung. Der private Konsum ist
sicher nicht das größte Problem der US-Wirtschaft. Es sind nämlich nach
wie vor die Verbraucher, die die Konjunktur dort tragen. Niedrigere Einkommenssteuern, die zudem der Masse der Bevölkerung zugutekämen,
sollte man sich für schlechte Zeiten aufsparen. Ansonsten wirken sie
prozyklisch und damit kontraproduktiv – ist der US-Aufschwung doch
schon in die Jahre gekommen (siehe Grafik). Der nächste Abschwung
kommt bestimmt. Dann wäre die Absenkung der persönlichen Steuerlast ein probates Mittel, den Abschwung in engen Grenzen zu halten.
Die Ausweisung aller illegaler
Einwanderer würde nach Berechnungen des American Action Forum den gesamtwirtschaftlichen
Ausstoß um bis zu 4¾ % bzw.
62 Milliarden USD zurückgehen
lassen – weil ihr die so wichtigen
Arbeitskräfte fehlen. So würden
insbesondere in der Landwirtschaft und im Bau gut 10 % der
Beschäftigten wegfallen.
US-Chefvolkswirt Dr. Harm Bandholz:
„Wie Milton Friedman schon vor
60 Jahren ausgeführt hat, trägt
ein schlecht getimtes Programm
eher zur Verunsicherung bei, weil
es die zyklischen Ausschläge
akzentuiert statt sie zu dämpfen.
Das kann zu einer Überhitzung
der Wirtschaft und steigender
Inflation führen, der dann eine
tiefere Rezession folgt. Somit
werden wertvolle Ressourcen zur
Unzeit verschwendet.“
2 Zu den Details siehe die Studie von Dr. Harm Bandholz.
AusBlick – Marktumfeld 8
DER US-AUFSCHWUNG IST IN DIE JAHRE GEKOMMEN
Länge der US-Aufschwungphasen in Monaten seit 1854
140
120
100
80
60
die letzten drei Erholungen
aktuelle Erholung
40
20
März 1919
Jan 1912
Jul 1980
Dez 1867
Jun 1894
Jun 1908
Mai 1891
Dez 1900
Nov 1927
Dez 1858
Mai 1885
Jul 1921
Jun 1897
Apr 1958
Apr 1888
Jul 1924
Dez 1854
Aug 1904
Dez 1870
März 1879
Nov 1970
Okt 1945
Mai 1954
Dez 1914
Okt 1949
Jun 1861
März 1933
März 1975
Nov 2001
Jun 1938
Jun 2009
Nov 1982
Feb 1961
März 1991
0
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
5. Den von der Globalisierung und dem technischen Fortschritt Abgehängten wäre mit gezielten Trainings- und (Aus)Bildungsmaßnahmen
besser gedient als mit vagen Versprechungen einer Repatriierung obsolet gewordener Arbeitsplätze.
US-Wirtschaft – zurück auf Reiseflughöhe. Die Fed strafft bald
Das gesamtwirtschaftliche Umfeld ist zu Beginn der Amtszeit von Donald
Trump durchaus ansprechend. Die US-Wirtschaft konnte in den Sommermonaten mit +3,2 % annualisiert sogar unerwartet kräftig zulegen. Damit
dürfte die zugrundeliegende Wirtschaftsdynamik aber ebenso überzeichnet
sein wie sie im ersten Halbjahr unterzeichnet war (reales BIP: +1 %). Gut
2 % Wirtschaftswachstum sind derzeit eher „angemessen“. Das erwarten
wir dann auch für das laufende und die kommenden ein, zwei Quartale.
Wachstumsstütze war der private
Verbrauch, Wachstumstreiber der
Rebound der Nettoexporte, der
Lagerhaltung sowie der Staatsausgaben.
Wachstumsstütze bleibt der private Verbrauch, der nun allerdings sukzessive durch die auslaufenden Kaufkraftgewinne rückläufiger Ölpreise eingebremst wird. Ein brummender Arbeitsmarkt sorgt aber auch weiterhin
für reichlich Unterstützung, lässt er doch Löhne bzw. Einkommen spürbar
wachsen. Endlich aus ihrer Lethargie erholen sollte sich indes die Investitionstätigkeit. Die Impulse kommen dabei primär allerdings vom Bau und
dem Staat. Den Unternehmensinvestitionen bläst dagegen auch weiterhin
reichlich Wind ins Gesicht. Schuld daran sind der nun noch stärkere Dollar,
die verhaltene nationale wie internationale Endnachfrage sowie ein vor sich
hin dümpelnder US-Energiesektor. Die Unsicherheiten nach der Wahl sind
ebenfalls kontraproduktiv. Und „last, but not least“ scheint auch die Erholung der Exporte nicht von Dauer zu sein. Die Dollaraufwertung bremst bald
schon wieder.
AusBlick – Marktumfeld 9
Gut 2 % Wirtschaftswachstum sind, historisch gesehen, zwar recht moderat. Angesichts des derzeit recht dürftigen Potenzialwachstums aber führt
es trotzdem schon zu vermehrtem Preisdruck. Die Kerninflation zeigt deutlich nach oben. Jenseits kurzfristiger Schwankungen gilt dies wohl auch für
die Energiepreise. Anders als die Inflationsraten sind die Inflationserwartungen sogar regelrecht in die Höhe geschossen – zumindest die, die aus
den an den Märkten gehandelten Inflationsswaps abgeleitet werden (siehe
Grafik). Allerdings dürften die Erwartungen überschossen haben, weil die
Hoffnungen auf eine Trump-Reflationierung überzogen erscheinen.
Die meisten Kerninflationsmaße
liegen derzeit bei 2 %-2½ %. Vor
Jahresfrist lagen sie z. T.. noch
deutlich unter der 2 %-Marke.
Aber auch so gibt es für die Fed Gründe genug, die Zinsen Anfang Dezember
erneut um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) anzuheben. Spätestens im
Laufe des Frühjahrs sollte sich das wahrscheinliche Trump-Szenario herauskristallisieren. Wir tendieren dabei eher zu der Variante 2 denn zum reinen
Konjunkturpaket. Wir würden dann für 2017 zwei weitere Trippelschritte
erwarten. Käme es indes zu der derzeit an den Märkten favorisierten Reflationierung, bestünde das Risiko einer zusätzlichen Zinserhöhung.
ÜBERSCHIESSEN DER INFLATIONSERWARTUNGEN
Implizite Inflationserwartungen (in 5 Jahren für 5 Jahre, %,
abgeleitet aus am Markt gehandelten Inflationsswaps)
2,0
2,6
1,9
2,5
1,8
2,4
1,7
2,3
1,6
2,2
1,5
2,1
1,4
2,0
1,3
1,9
1,2
Sep 15
Euroraum
Nov 15
Jan 16
Mrz 16
Mai 16
Jul 16
Sep 16
Nov 16
1,8
USA (RS)
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
Wirtschaft im Euroraum zeigt sich widerstandsfähig.
EZB verlängert wohl ihr Kaufprogramm
Auch in Europa hat sich das konjunkturelle Umfeld aufgehellt. EWU-weit
ist das reale BIP im dritten Quartal erneut um solide 0,3 % gewachsen.
Damit zeigte sich die Wirtschaft erstaunlich widerstandsfähig gegenüber
den zahlreichen externen Belastungen wie den anämischen Welthandel,
der zwischenzeitlichen Euroaufwertung und vor allem dem Brexit-Votum.
Rein rechnerisch ist es an
der optisch ansprechenderen
0,4 %-Marke nur haarscharf vorbeigeschrammt.
Das dürfte auch für das laufende Quartal gelten. Belastbare harte Daten liegen zwar noch kaum vor, die Stimmungsindikatoren machen aber Hoffnung.
Sowohl der stark beachtete aggregierte Einkaufsmanagerindex als auch das
Wirtschaftsvertrauen der Europäischen Kommission stiegen zuletzt auf den
höchsten Stand in diesem Jahr (siehe Grafik).
AusBlick – Marktumfeld 10
DIE STIMMUNGSBAROMETER STEIGEN
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
-0,5
-1,0
-1,5
-2,0
Jan 10 Nov 10 Sep 11
Jul 12
Mai 13 Mrz 14
Euro-Coin Vertrauensindex (EWU, standardisiert)
Wirtschaftsvertrauen EWU (EU-Kommission, stand.)
Aggregierter Einkaufsmanagerindex EWU (RS)
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
Jan 15
Nov 15
Sep 16
60
58
56
54
52
50
48
46
44
42
40
Für sich genommen würde das sogar für eine moderate Wachstumsbelebung sprechen. Soweit würden wir angesichts der vielfachen politischen
und ökonomischen Unsicherheiten (Italienreferendum, Risiko eines harten
Brexit, Trump-Risiken, anstehende Wahlen) zwar noch nicht gehen. Die bislang erwartete Wachstumsdelle zur Jahreswende könnte aber ausbleiben.
Das bedeutet nicht nur Aufwärtsrisiken für unsere Prognose für das laufende Quartal (+0,2 %), sondern angesichts eines höheren statistischen Überhangs wohl auch für das kommende Jahr. Die Erwartung einer spürbaren
Wachstumsabschwächung 2017 könnte sich als zu konservativ herausstellen. Möglicherweise bleibt das Wachstumstempo nur unwesentlich hinter
dem diesjährigen (+1½ %) zurück. Warum?
1. Auch wenn die Aussichten auf einen harten Brexit gestiegen sind –
etwaige Bremswirkungen sind erst dann zu erwarten, wenn es zu einer
wirklichen Beeinträchtigung der Handelsbeziehungen kommt. Und das
kann dauern. Die (Anfangs)Belastungen über den Stimmungskanal sind
längst verpufft.
Bei einem harten Brexit hätte
Großbritannien keinen privilegierten Zugang mehr zum Gemeinsamen (Europäischen) Markt.
2. Bei den beiden wahrscheinlichen Trump-Szenarien (Variante 1 & 2)
droht kein zusätzlicher Gegenwind aus den USA.
3. Die Binnenwirtschaft im Euroraum bleibt klar auf Wachstumskurs.
Zwar dürfte der absehbare (Wieder)Anstieg der Inflation die Kaufkraft auch
in Europa schmälern. Dem stehen allerdings ein unverändert robustes Konsumklima sowie anhaltende Beschäftigungsgewinne gegenüber. Zusammen mit weiter steigenden Löhnen (vor allem in Deutschland) könnte das
die Kaufkraftverluste weitgehend ausgleichen. Spielräume sehen wir auch
in einer rückläufigen Sparquote.
Die Einstellungspläne der Unternehmen stiegen laut Europäische
Kommission zuletzt auf Niveaus
von vor der Finanzmarktkrise.
AusBlick – Marktumfeld 11
Neben dem privaten Verbrauch sollte aber auch die Erholung der Investitionstätigkeit weitergehen. Dafür sprechen nicht nur die (vorausschauenden
Teile der) Stimmungsindikatoren, sondern auch die Kreditvergabe an die
Unternehmen. Zumindest die langfristigen Investitionskredite zeigen weiter
nach oben.
Aber selbst wenn sich der Euroraum als erstaunlich widerstandsfähig zeigt
und die Erholung weitergeht: Entwarnung ist noch immer nicht angesagt.
Das Wachstumstempo bleibt verhalten (wenn auch über Potenzial) und die
Fiskalpolitik müsste (und könnte angesichts von Mini bzw. Negativrenditen
auf Staatsanleihen) für Impulse sorgen, tut es aber nicht. Vor allem aber: die
Eventrisiken bzw. Unsicherheiten werden nach dem Brexit-Votum und der
Trump-Wahl kaum weniger. Am 4. Dezember stimmen die Italiener über das
Verfassungsreferendum ab und in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden wird 2017 gewählt. Dabei werden wohl die Populisten punkten. Regierungsverantwortung übernehmen werden sie wahrscheinlich aber nicht.
Angesichts der zahlreich bleibenden Abwärtsrisiken tut die EZB gut daran, die geldpolitische Stimulierung nicht vorschnell zurückzufahren bzw.
an Zinsanhebungen auch nur zu denken. Das würde das finanzwirtschaftliche Umfeld nur unnötig verschärfen und den (noch immer anfälligen)
Aufschwung gefährden. Daher dürfte der EZB-Rat den Dezember-Sitzungstermin dazu nutzen, die Dauer ihres Kaufprogramms über den März 2017
hinaus um sechs bis neun Monate zu verlängern – ohne das monatliche
Kaufvolumen anzuheben. Jede neuerliche „tapering“-Diskussion wäre kontraproduktiv.
„Tapering“ bedeutet ein Zurückfahren der Wertpapierkaufprogramme der Notenbanken.
Großbritannien – der Lackmustest kommt wohl erst
Ähnlich wie im Euroraum hat sich die britische Wirtschaft besser gehalten
als nach dem Brexit-Votum noch befürchtet. Das reale BIP wuchs im Sommerquartal mit +0,5 % gegenüber Vorquartal sogar erstaunlich kräftig – vor
allem stärker, als es das aggregierte Stimmungsbild hat erwarten lassen.
Das bedeutet Aufwärtsrisiken für unsere bisher doch recht pessimistischen
Wachstumserwartungen. Die rasche Lockerung der Bank of England (BoE)
mag der Wirtschaft bislang ebenso geholfen haben wie das Versprechen
fiskalischer Impulse, industriepolitischer Eingriffe und steuerlicher Anreize
(um internationale Firmen im Königreich zu halten) sowie die Pfund-Abwertung (Exportimpulse).
Anfang August kündigte die
Bank of England überraschend
aggressive und umfangreiche Lockerungsmaßnahmen an, die das
finanzwirtschaftliche Umfeld für
Unternehmen und Verbraucher
wieder verbessern sollten (siehe
unseren August AusBlick).
AusBlick – Marktumfeld 12
DAS BRITISCHE PFUND TAUMELT
100
95
90
85
80
75
70
Jan 10
Jan 11
GBP handelsgewichtet
Jan 12
Jan 13
Jan 14
Jan 15
Jan 16
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
Anders als im Euroraum aber sollte sich die britische Wirtschaft in den kommenden Quartalen spürbar abschwächen. Schon das dritte Quartal zeigte
starke Divergenzen und sich anbahnende Verspannungen. So war es allein
der Dienstleistungssektor, der zulegen konnte. Das Verarbeitende Gewerbe
und die Bauindustrie schrumpften hingegen. Gleichzeitig werden die ersten
Vorboten eines starken, abwertungsinduzierten Inflationsanstiegs sichtbar. Mitte 2017 könnte die Teuerungsrate sogar die 3 %-Marke anvisieren.
Neben den starken Kaufkraftverlusten dürfte dann auch ein schwächerer Arbeitsmarkt den bisherigen Wachstumsträger, den privaten Verbrauch, spürbar einbremsen. Spätestens mit Einleitung des „Scheidungsverfahrens“
Ende März 2017 sollte zudem das Konsum- bzw. Geschäftsklima (wieder)
einknicken – wenn klar wird, dass die britische Regierung keine wirkliche
Exit-Strategie hat und auch ihr die Quadratur des Kreises aus privilegiertem
Zugang zum Gemeinsamen Markt und autonomer Einwanderungspolitik
nicht gelingen wird. Britische Firmen werden dann nicht nur ihre Einstellungspläne nach unten revidieren, sondern wohl auch ihre Investitionstätigkeit (weiter) zurückfahren.
Die Kombination aus Konjunkturabschwung und Inflationsanstieg macht
2017 das Dilemma der Notenbank offensichtlich. Die BoE dürfte im Zweifelsfall jedoch die Zinsen nochmals senken – eine Entscheidung, mit der
sie dank der bislang recht ordentlichen Konjunkturdaten allerdings noch
warten kann. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben.
Das handelsgewichtete Pfund
hat in den letzten 12 Monaten
über 17 % an Wert verloren,
gegenüber dem Dollar waren es
20 %. Das verteuert die Importe
massiv und schlägt letztlich auch
auf die Verbraucherpreise durch.
Premierministerin Teresa May
hat angekündigt, bis dahin
Artikel 50 des EU-Vertrag zu
aktivieren.
Deshalb wirbt BoE-Chef Mark
Carney auch für einen sanften
Brexit, d. h. für eine dreijährige
Übergangsfrist. Erst 2021 soll der
„harte“ Brexit kommen – falls
der bis dahin überhaupt noch
gewünscht ist.
Japan – Stabilisierung auf niedrigem Niveau
Das könnte auch für die Bank of Japan (BoJ) gelten, selbst wenn wir hier
weniger „sicher“ sein können als bei der Bank of England. So ist auch in
Japan die Wirtschaft im Sommerquartal mit +0,5 % (gegenüber Vorquartal;
annualisiert rund +2 %) überraschend stark gewachsen. Sie profitierte dabei
neben dem starken Wohnungsbau insbesondere von einem Exportschub,
AusBlick – Marktumfeld 13
für den ein vorübergehend schwächerer Yen sowie eine höhere Auslieferung
neuer Smartphone-Modelle verantwortlich sind.
Die jüngste Wachstumsziffer überzeichnet allerdings die zugrundeliegende
Wachstumsdynamik. Denn die Binnennachfrage kommt nach wie vor kaum
vom Fleck (III/17: +0,1 %). Anders als in Großbritannien erwarten wir jenseits
kurzfristiger Schwankungen in Japan jedoch eine Besserung im kommenden
Jahr – wenn auch nur eine moderate. Die stärksten Impulse sehen wir in dem
Infrastrukturprogramm der Regierung. Das Wachstum der öffentlichen Investitionen sollte spürbar anziehen. Ein kleines Plus erwarten wir auch beim privaten Konsum. Dem Verbrauch dürfte dabei die sich aufhellende Stimmung,
vor allem aber höhere Realeinkommen zugutekommen. Zudem erhalten­
22 Millionen Geringverdiener nun Bargeldzuwendungen. Und weil mit dem
Wahlsieg von Donald Trump der Dollar stärker und der Yen eher schwächer
als bislang erwartet performten, könnten sich auch die japanischen Exporte
besser behaupten als bislang projektiert. Bei den Unternehmensinvestitionen
dagegen dürfte die jahrelange Flaute noch länger anhalten.
All das spricht dafür, dass sich nach einer technischen Gegenbewegung auf
den starken Sommer das Wirtschaftswachstum in den kommenden Quartalen bei annualisiert (knapp) 1 % einpendeln wird – nicht gerade viel, aber
immerhin mehr als das Potenzialwachstum von einem viertel, vielleicht
auch einem halben Prozent. Ob das reicht, die Bank of Japan in ihrer Warteschleife zu halten, muss sich erst zeigen. Mit der Konjunkturentwicklung
und auch der nun anvisierten Kontrolle der Zinsstruktur kann sie vorerst
zufrieden sein. Die Zinsstruktur ist nicht zuletzt dank der Trump’schen „reflation trades“ auch in Japan etwas steiler geworden, ohne dass das lange
Ende „davongelaufen“ wäre. Das zweite Ziel der Bank of Japan, die Inflations­
erwartungen überschießen zu lassen, ist aber noch in weiter F­ erne. Möglicherweise muss die BoJ doch noch unterstützend eingreifen.
China – Trump schadet, oder doch nicht?
Das internationale Umfeld für China könnte indes rauer werden – zumindest
wenn man dem Wahlkampfgetöse Donald Trumps Vertrauen schenken will.
Die Androhung schmerzhafter Schutzzölle, die angekündigte Brandmarkung
Chinas als Währungsmanipulator und der Vorwurf unfairer Handelspraktiken
lassen harte Zeiten für das Reich der Mitte erwarten. Allerdings wird auch hier
nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Donald Trump ist schon zurückgerudert. Gut möglich, dass es nur zu „kosmetischen“ Maßnahmen kommt.
Mehr noch. Trumps Abgesang auf die unterschriftsreife Trans-Pazifische
Partnerschaft (TPP) könnte China sogar in die Hände spielen. Die USA haben mit den TPP-Staaten nämlich ein Handelsvolumen von rund 1,6 Billionen
USD; das sind 40 % ihres gesamten Außenhandels. China war nicht Teil des
geplanten Abkommens, auch weil es erklärtes Ziel der Amerikaner war, den
chinesischen Einfluss in der Region einzudämmen. Sinkt aber der Einfluss
Bislang sind 15.000 JPY pro Kopf
vorgesehen. Optisch schauen
die umgerechnet 130 EUR nicht
sonderlich hoch aus. Insgesamt
wären dies aber rund 3 Mrd. EUR
potenzielle Mehrnachfrage.
Die BoJ hat Ende September
ihren Qualitative & Quantitative
Easing-Ansatz (QQE/Wertpapierkäufe) um die Kontrolle der Zinsstrukturkurve erweitert. Eine Verflachung der Zinsstruktur (über
niedrige Langfristrenditen), so die
Befürchtung der BoJ, würde die
Gewinne der Finanzdienstleister
(Banken und Pensionsfonds) und
womöglich auch das Verbrauchervertrauen schmälern.
Das bisher größte Freihandelsabkommen der Welt sollte neben
den USA auch Australien, Brunei,
Kanada, Chile, Japan, Malaysia,
Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam umfassen.
AusBlick – Marktumfeld 14
der USA, könnte China diese Lücke füllen und würde es wohl auch gerne tun
– und sein Konkurrenzprojekt RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) vorantreiben. Es umfasst die zehn ASEAN-Staaten sowie die sechs
Länder, mit denen die Gruppe Freihandelsabkommen unterhält: China, Indien,
Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Die USA sind außen vor.
Damit würde sich wieder einmal bewahrheiten, dass man China nicht vorschnell abschreiben sollte. War es die Sorge vor einer harten Landung der
chinesischen Volkswirtschaft, die die Börsen zu Jahresbeginn auf eine rasante Talfahrt geschickt hat (und in Europa das gesamte Aktienjahr 2016
verhagelte), schaut es nach einem starken dritten Quartal nämlich so aus,
als könnte China das Vorjahreswachstum nahezu halten. 2016 ist ein Plus
von 6,7 % durchaus möglich (2015: +6,9 %). Die Machthaber in Peking
unterstreichen damit, dass sie sowohl den Willen, die Ressourcen aber auch
die Fähigkeit haben, die Konjunktur zu stabilisieren.
Freilich wird dem Land eine weitere Wachstumsabschwächung nicht erspart
bleiben. Die Notwendigkeit, das Entwicklungsmodell weg von Industrie und
Exporten und hin zu Konsum und Dienstleistungen umzubauen, Überkapazitäten im Verarbeitenden Gewerbe abzubauen, das überbordende Kreditwachstum einzubremsen und die Luft aus der Immobilienblase abzulassen,
werden Bremsspuren zeigen. Und selbst falls all das halbwegs kontrolliert
ablaufen sollte, werden sich die Märkte wohl kaum davon abhalten lassen,
China immer mal wieder zu „attackieren“.
Stärker treffen könnte Trump bzw. die Trump-Reflationierung indes die
Schwellenländer, die einen hohen externen Finanzierungsbedarf haben,
sprich stark defizitäre Leistungsbilanzen aufweisen. (Rascher) Steigende
Fed-Zinsen gepaart mit höheren US-Renditen und Anreizen zur Gewinnrückführung könnten die Kapitalströme aus den Emerging Markets zurück in die
USA bzw. die etablierten Industrieländer umlenken. Das Institute of International Finance, das sich auf die Analyse von aufstrebenden Volkswirtschaften fokussiert, hat bereits eine entsprechende Warnung herausgegeben.
Nach ihren Zahlen wurden innerhalb einer Woche nach der Trump-Wahl
10 Mrd. USD aus den Schwellenländern abgezogen. Aktien und Renten waren gleichermaßen betroffen. Es war der stärkste Kapitalabfluss seit dem
­„Taper Tantrum“ 2013.
Unter Druck kommen könnten insbesondere die so genannten „Fragile
Five“-Länder, also Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei; sowie Mexiko. Ihre Währungen haben bereits spürbar abgewertet. In Schwierigkeiten kommen könnten aber auch Erdölförderländer, falls es Donald
Trump gelingt, mit seinen Deregulierungen an den US-Energiemärkten den
projektierten globalen Ölpreisanstieg deutlich einzubremsen.
Damals signalisierte die Fed eine
Rückführung der geldpolitischen
Alimentierung. Fed-Chef Ben
Bernanke kündigte an, nicht länger Anleihen kaufen zu wollen.
Die US-Staatsanleihenrenditen
schossen regelrecht in die Höhe.
AusBlick – Marktumfeld 15
MARKTENTWICKLUNG & ANLAGESTRATEGIE
Aktienmärkte – höhere Volatilität vorerst wahrscheinlicher als
ein klarer Richtungsentscheid
„Risk on“ ist ins Stocken geraten
War der Sieg Donald Trumps schon eine Überraschung, war es die Marktreaktion danach erst recht. Als sich am Mittwochmorgen der Wahlsieg Donald
Trumps abzuzeichnen begann, lief zunächst alles nach Drehbuch: Die asiatischen Börsen gingen regelrecht auf Talfahrt (Nikkei -6 %) und vorbörslich
gaben auch die Märkte in Europa (DAX: -4 %) und in den USA (S&P 500:
-5 %) nach. Letztere aber drehten bereits im Laufe des Handelstags wieder
ins Plus, teilweise sogar deutlich. US-Aktienindizes (S&P 500, Dow Jones &
Nasdaq Composite & Russel 2000) markierten danach sogar neue Rekordhochs.
„REFLATION TRADES“ LASSEN US-AKTIEN AUF NEUE HOCHS STEIGEN
Brexit 2.0: Nur ein kurzfristiger Trump „sell off“
Zum ersten Mal seit 1999 haben
am 21. November gleich die vier
bedeutendsten US-Aktienindizes
an einem Tag Rekordhochs
erreicht.
Aktienmärkte weltweit (1.1.2010=100)
220
200
180
160
140
120
100
80
60
40
Jan 10
Jan 11
Jan 12
Jan 13
Jan 14
Jan 15
Jan 16
DAX 30 (in EUR)
Euro Stoxx 50 (in EUR)
MSCI World in USD
MSCI Emerging Markets (in USD)
FTSE 100 (in GBP)
S&P 500 (in USD)
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Die Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei
einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Stand: 30.11.2016
Damit hat die Trump-Wahl wider Erwarten doch noch für einen versöhn­
lichen Jahresausklang an den Aktienmärkten gesorgt – in erster Linie natürlich in den USA. Die bisherige Jahresbilanz konnte sich dort auf im Schnitt
8 %–9 % verbessern. Kurz vor der Wahl lag sie bei nur 2 %, nachdem Aktien
im Oktober noch einmal spürbar nachgegeben hatten (als Donald Trump in
den Umfragen zulegen konnte).
Hinter dem abrupten Stimmungsumschwung der Investoren von „risk off“
auf „risk on“ steckte wohl die Hoffnung auf ein groß angelegtes Konjunktur­
programm aus Steuersenkungen, Infrastrukturausgaben und Deregulierungen, die Wachstum, Inflation und damit auch die Gewinne anschieben,
gleichzeitig aber auch die Fed auf den Plan rufen und für steigende Zinsen
und Renditen sorgen dürften. Die staatstragenden Reden von Trump, Clinton
Nach Einleitung der FBI-Ermittlungen schmolz der Vorsprung Hillary
Clintons in den Umfragen Anfang
November von knapp 7 auf gut 1
Prozentpunkt zusammen.
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 16
und Obama am Tag nach der Wahl gepaart mit der Aussicht auf ein „unified
government“ dürften diese Hoffnung genährt haben. Zuletzt hat das Momentum der „reflation trades“ aber nachgelassen, weil die Märkte – wie so
oft – überschossen haben dürften.
Bemerkenswert an der jüngsten Entwicklung ist auch, dass die europäischen Werte mit ihren US-Pendants nicht mithalten konnten – und das
trotz Euroschwäche und obwohl die Konjunkturdaten im Euroraum mindestens ebenso stark ausfielen wie in den USA und europäische Aktienindizes
in Sachen Bewertung noch jede Menge Aufholpotenzial haben. Offensichtlich schätzen die Marktteilnehmer die politische Handlungsfähigkeit der EU
nach der Trump-Wahl nun noch schlechter ein als zuvor. Mit 1 %–2 % seit
der Wahl liegt die Performance von Stoxx Europe 600 oder Euro Stoxx 50
deutlich hinter dem der US-Indizes zurück (knapp +5 %). Dabei konnte sich
der deutsche Aktienindex DAX mit +2½ % noch am besten halten und
kämpft nun um eine positive Jahresbilanz (siehe Grafik). Italienische und
spanische Werte haben seit der Wahl per saldo sogar verloren. Ihre Jahresbilanzen sind tiefrot gefärbt. Das unterstreicht die strukturellen und politischen Risiken in beiden Ländern.
Britische und Schweizer Indizes
traten seit der US-Wahl im Wesentlichen auf der Stelle.
BÖRSENWETTER 2016: EUROPA LÄUFT WEITER HINTERHER
Wertentwicklung der wichtigsten Aktienindizes weltweit in Euro
Großbritannien
Deutschland
FTSE 100
DAX
-2,07
3,90
8,00
-1,14
15,68
13,25
0,34
9,56
2,65
Osteuropa
USA
MSCI EM EASTERN EUROPE
24,79
S&P 500
12,59
12,93
25,48 29,06 -14,69
6,95
29,47 26,67 14,22
-28,38 -2,94
16,89
-18,62
5,52
Japan
Europa
Nikkei225
Stoxx Europe 600
6,74
-3,51
10,16
7,80
21,50 18,98
23,23 8,77
-8,05
25,42 10,08
-8,04
China
HangSeng
10,17
7,09
MSCI AC ASIA PACIFIC
MSCI EM LATIN AMERICA
8,28
30,78
-16,91 7,23
25,75 -14,55
Asien-Pazifik
Lateinamerika
-22,94 0,18
20,10 1,91
9,52
-16,44
14,21
7,31
15,25
-12,07
Region / Land
Index
Wertentwicklung in EUR lfd. Jahr in %
Wertentwicklung in EUR in % 01.01 – 31.12.2015|2014|2013|2012|2011
-20 %
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
+20 %
Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Die Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei
einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Stand: 30.11.2016
Die größten Verlierer seit der Wahl aber waren die lateinamerikanischen
Märkte. Ihr Jahresgewinn hat sich von zuvor gut 40 % auf 27 % fast halbiert.
Auch die asiatischen Schwellenmärkte gaben spürbar nach. Japan konnte
demgegenüber zulegen.
Zunächst höhere Volatilität. Europa hat längerfristig mehr Potenzial
Wie aber geht es weiter? Entscheidend für den Fortgang der Konjunktur und
damit die Entwicklung an den Aktienmärkten ist der Mix aus wachstumsbelebenden Steuersenkungen, öffentlicher Mehrausgaben und Deregulierungen
Der vielbeachtete Nikkei-Index
notiert derzeit um knapp 7 %
über dem Niveau von vor der
Trump-Wahl. Allerdings dürfte auch die zwischenzeitlich
veröffentlichte starke BIP-Zahl
unterstützt haben.
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 17
einerseits und wachstumsbremsender Handels- und Abschiebungspolitik
andererseits. Der genaue Maßnahmenmix lässt sich aus heutiger Sicht einfach nicht belastbar vorhersagen. Je nach Stellungnahmen des neu gewählten Präsidenten und seines Teams dürfte sich die Perzeption des Politikmixes immer wieder verschieben – und folglich auch die Wahrnehmung der
Investoren. Es dürfte dauern, bis sich ein belastbares Trump-Szenario und
damit auch ein wirklicher Richtungsentscheid an den Märkten herausbilden.
Diese erhöhte Unsicherheit bzw. Volatilität ist es wohl, die die US-Märkte in
den kommenden Wochen, vielleicht Monaten noch prägen wird. Die Un­
sicherheit über das Ausmaß von Zinsänderungen und Dollar-Schwankungen
kommt hinzu.
Und danach? Würde das Pendel dann endgültig in Richtung Reflationierung
ausschlagen, könnte das in der Tat die Wachstums- und Gewinnperspektiven in den USA verbessern und den dortigen Aktienmärkten einen verlängerten Aufschwung bescheren. Die kurzfristigen (positiven) Effekte eines
solchen Konjunkturprogramms bergen allerdings mittelfristige Gefahren
(„Strohfeuer“): So könnte es zu einem Überhitzen der US-Wirtschaft kommen, was zu einem spürbaren Inflationsanstieg führen würde. Hinzu käme
ein ausuferndes Haushaltsdefizit. Die Fed dürfte auf beide Entwicklungen
mit spürbaren Zinsanhebungen reagieren, was Konjunktur und Börsen dann
wiederum belastet.
Ein wirklicher Aufwärtstrend an den US-Börsen wäre auch deshalb eher
kurzlebig, weil die Bewertung in den USA schon jetzt sehr angespannt ist.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 liegt mit knapp 17 Punkten deutlich über seinem langfristigen Durchschnitt (siehe Grafik).
US-MÄRKTE SEHR HOCH BEWERTET
35
Das zuletzt nachlassende Momentum der „reflation trades“
mag ein erstes Indiz für eine
zumindest kurzfristig volatile
Seitwärtsbewegung sein.
Nachhaltig höher war die
Bewertung zuletzt während der
Technologieblase zur Jahrtausendwende.
Kurs-Gewinnverhältnis
(Gewinne auf 12-Monatssicht)
Fed-Straffungsphasen
30
25
20
15
10
5
Jan 90
DAX 30
langfristige Durchschnitte
Jan 93
Jan 96
Jan 99
Jan 02
Jan 05
Jan 08
Jan 11
Jan 14
– S&P 500
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Die Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei
einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Stand: 30.11.2016
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 18
Das ist dann auch der Hauptgrund dafür, dass wir im Falle eines weitgehend
wachstumsneutralen Politikmix (Szenario 2) nur begrenztes Aufwärtspotenzial mehr für die US-Aktienmärkte sehen und sie eher seitwärts, möglicherweise auch schwächer tendieren sollten – insbesondere in der Phase, in der das
Gros der überzogenen Reflationierungserwartung wieder ausgepreist wird.
Das ökonomisch-fundamentale Aktienmarktumfeld in Europa ist für sich
genommen dagegen klarer und auch konstruktiver. So ist das Kurs-GewinnVerhältnis des deutschen Aktienindex DAX ist mit 12½ Punkten nicht nur
niedriger als das seiner US-Pendants, es liegt auch deutlich unter seinem
langfristigen Durchschnitt. Gleiches gilt für die paneuropäischen Indizes
(EuroStoxx). Das allein macht sie interessanter. Hinzu kommt noch eine
­zunehmende Gewinn- und Konjunkturzuversicht (wir erwarten Aufwärtsrevisionen) gepaart mit anhaltender EZB-Unterstützung. Die Europäische Zentralbank wird voraussichtlich im Dezember ihr Wertpapierkaufprogramm
bis Herbst bzw. Ende 2017 verlängern. Bei behaupteten oder gar positiven
US-Vorgaben verspräche das ein recht gutes Börsenjahr 2017 in Europa.
Vorsichtig stimmt uns allerdings die in unseren Augen nicht nachvollziehbare negative Wahrnehmung Europas durch die internationalen Investoren (politisch handlungsunfähig, Gefahr des Scheiterns des Euro-Projekts,
anämisches Wirtschaftswachstum). Die anstehenden Wahlen bzw. das Erstarken nationalistischer Kräfte dürften an dieser verzerrten Einschätzung
leider nur wenig ändern. Die größten Risiken in Europa liegen wohl auf der
politischen Seite.
Bislang sind die EZB-Wertpapierkäufe von monatlich 80 Mrd
EUR nur bis Ende März 2017
terminiert. Ein Wegfall der Käufe
würde den Expansionsgrad der
Geldpolitik deutlich schmälern.
Unsere Anlagestrategie
Bis sich die „Trump-Nebel“ gelichtet haben, werden wir in unseren Anlageentscheidungen auf Sicht fahren und taktisch Chancen suchen. Weil sich
in der Vergangenheit eine erhöhte Volatilität eher als Einstiegs- denn als
Ausstiegssignal für die Anleger herausgestellt hat, sehen wir durchaus die
Möglichkeit, selektiv Kaufgelegenheiten zu nutzen. Das gilt z. B. bei Qualitätsunternehmen, die unter einem Präsidenten Trump auch jenseits der kurzen
Frist Chancen bieten (z. B. Bau, Energie). Eine ausgewogene Streuung über verschiedene Anlageklassen, Regionen und Währungen hinweg macht in einem
unsicheren Umfeld noch mehr Sinn. Wichtig ist es, übertriebene Entwicklungen zu hinterfragen und nicht jede Euphorie oder Panikattacke mitzumachen.
Märkte neigen nun mal zu Übertreibungen – in beide Richtungen.
Strategisch bleiben Aktien nicht zuletzt aufgrund fehlender Anlagealternativen bei gleichzeitig ansehnlicher Dividendenrendite unsere präferierte Anlageklasse (leicht übergewichtet). Unser Fokus liegt aber schon seit
Längerem auf Europa (und Asien, speziell Japan). Eine noch zunehmende
­Gewinn- und Konjunkturzuversicht gepaart mit anhaltenden EZB-Wertpapierkäufen und die relativ bessere Bewertung versprechen Unterstützung.
Nach dem Trump-Wahlsieg gilt es nun, noch mehr zu selektieren – regional,
vor allem aber sektoral. US-Aktien erscheinen zumindest auf eine mittlere
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 19
bis längere Sicht weniger interessant als ihre europäischen Pendants. Innerhalb Europas bevorzugen wir Deutschland (zyklische und strukturelle Vorteile). Sektoral präferieren wir neben konsumnahen Branchen zunehmend
auch zyklische Sektoren wie Grundstoffe und Technologiewerte.
Rentenmärkte – „Trump Jump“, der Renditeanstieg hat
begonnen
Trump-Sieg akzentuiert Trendwende
Die Trendwende an den Rentenmärkten setzte bereits im Spätsommer ein,
als sich abzuzeichnen begann, dass die Fed noch in diesem Jahr die Leitzinsen anheben und im kommenden Jahr nachlegen wird. Der überraschende
Ausgang der US-Wahl hat den Druck auf die Staatsanleihemärkte spürbar verschärft. Die nach kurzer Bedenkzeit aufkommenden „reflation trades“ ließen
die Kurse festverzinslicher Wertpapiere purzeln. Spiegelbildlich dazu zogen
die Renditen der richtungsweisenden 10jährigen Staatsanleihen deutlich an.
Und das nicht nur in den USA, wo die Treasury-Rendite (10J) mittlerweile bei
über 2,30 % notiert. Unmittelbar vor der Wahl lag sie noch bei 1,80 %.
TRUMP-WAHL VERSCHÄRFT TRENDWENDE AN DEN RENTENMÄRKTEN
Rendite 10jähriger Staatsanleihen (%)
8,0
Das Renditetief (10J) in den USA
wurde Anfang Juli bei 1,36 %
markiert, das in Deutschland
Ende September bei -0,22 %
(aktuell: +0,20 %).
7,0
6,0
5,0
4,0
3,0
2,0
1,0
0,0
-1,0
Jan 10
Jan 11
Deutschland
Jan 12
Großbritannien
Jan 13
USA
Jan 14
– Italien
Jan 15
Jan 16
– Spanien
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Die synthetischen Anleihen können nicht erworben werden und beinhalten daher keine
Kosten. Bei einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Um die
Entwicklung von Staatsanleihen in einem festen Laufzeitbereich abzubilden, werden s.g. synthetische Anleihen berechnet. Dabei wird jeweils die zum relevanten Zeitpunkt „passendste“ reale (echte) Staatsanleihe
als Reverenz für die Renditechance der synthetischen Anleihe herangezogen. Abgebildet wird nachfolgend
die Entwicklung der erwarteten Rendite bis zur Endfälligkeit unter folgenden Voraussetzungen: Bedingungsgerechte Bedienung der Zinszahlungen und Einlösung, Halten bis Endfälligkeit. Insoweit handelt es sich um
eine Renditechance. Stand 30.11.2016
Der wahlinduzierte Renditeschub schwappte dann auch auf Europa über
(internationaler Renditeverbund). Am besten konnte sich noch der deutsche
Anleihenmarkt behaupten. Die Bundrendite (10J) stieg seither um lediglich
12 Basispunkte. Das spiegelt den Benchmark-Charakter deutscher öffentlicher Anleihen wider. Sie dominieren auch die EZB-Käufe (siehe Grafik).
Mit dem jüngsten Anstieg scheint die Bundrendite (10J) nun endgültig das
­Negativterrain verlassen zu heben. In Spanien, Frankreich und Italien fiel der
1 Basispunkt entspricht
0,01 %-Punkte.
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 20
Renditeanstieg mit bis zu 40 Basispunkten allerdings spürbar höher aus,
was wohl die Wahrnehmung höherer politischer Risiken durch die Anleger reflektiert. Wie dem auch sei: Sowohl der Transatlantikspread, d. h. die
Renditedifferenz USA-Deutschland, als auch der Peripheriespread (europäische Peripherieländer-Deutschland) hat sich in den letzten Wochen spürbar
ausgeweitet.
Dazu zählt nicht zuletzt das am
4. Dezember stattfindende Verfassungsreferendum in Italien.
DEUTSCHE ANLEIHEN AM STÄRKSTEN GEFRAGT
EZB-Käufe öffentlicher Anleihen (Oktober 2016, kumuliert)
Österreich
3%
Portugal
2%
Finnland
2%
Irland
1%
Sonstige
2%
Belgien
3%
Deutschland
24 %
Niederlande
5%
Spanien
12 %
Frankreich
19 %
Supranational
11 %
Quelle: Europäische Zentralbank, UniCredit Bank
Italien
16 %
Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Stand November 2016.
Der Trend bleibt nach oben gerichtet, zunächst aber höhere Volatilität
Wie aber geht es weiter mit den Anleiherenditen? Zerlegt man die Nominalrendite in seine Bestandteile Realzinskomponente, Inflationsprämie und
Risikokomponente, wird schnell klar, dass es die Konjunkturperspektiven,
die Inflationsentwicklung, genauer gesagt, die Inflationserwartungen und
damit der Fortgang der Geldpolitik sowie das Ausmaß von Unsicherheit
und/oder die künftige Entwicklung des Emittentenrisikos (Bonitätsrating)
sind, die den Renditetrend vorgeben. Der US-Markt ist dabei der globale
Trendsetter.
War der Primärtrend schon zuvor nach oben gerichtet, wird er nun durch
die Wahl Donald Trumps überlagert (werden). Sollten sich die hinter den
„reflation trades“ steckenden Konjunkturhoffnungen bestätigen (TrumpSzenario Nr. 1), haben die US-Nominalrenditen noch deutlichen Spielraum
nach oben, weil
Dahinter steckten anziehende
Inflationserwartungen gepaart
mit einer straffenden Fed.
1. die US-Wirtschaft dann stärker wächst als bislang projektiert (höhere Realzinskomponente),
2. die Inflation bzw. die Inflationserwartungen deutlicher steigen als
derzeit erwartet (höhere Inflationsprämie) und deshalb auch
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 21
3. die Fed stärker straffen muss (um nicht noch mehr hinter die Kurve
zurückzufallen), sowie „last, but not least“
4. die Risikoprämie steigt, weil die Konjunkturschwankungen möglicherweise wieder höher ausfallen („boom & bust“), vor allem aber die öffentlichen Defizite bzw. Verschuldungsquoten in den USA spürbar ansteigen dürften.
Das könnte zumindest Warnungen von Seiten der Ratingagenturen nach sich ziehen.
Offen ist allerdings, wieviel von diesen Entwicklungen in den jüngsten
„reflation trades“ bereits vorweggenommen wurde. Dennoch könnten wir
uns einen Renditeanstieg bei US-Treasuries (10J) Richtung 3 % bis Ende
kommenden Jahres vorstellen. Läuft es dagegen auf ein eher wachstumsneutrales Politikmix hinaus (Trump-Szenario 2), würde wohl ein Teil des
jüngsten Renditeschubs wieder ausgepreist werden. Dann wäre nicht nur
das Ausgangsniveau niedriger, sondern auch der Renditeanstieg danach
verhaltener – bliebe doch die Konjunktur-, Inflations-, Fed- und Haushaltsentwicklung hinter Szenario 1 zurück. 2,50 % per Ende 2017 wäre dann eine
realistische Zielgröße.
Diese Entwicklungen dürften auch auf Europa ausstrahlen, wobei anhaltend
hohe EZB-Käufe den Anstieg bei uns zwar einbremsen, letztlich aber nicht
verhindern können. Denn auch hier dürfte zumindest Konjunktur und Inflation nach oben gerichtet sein. Das verhindert eine absolute Abkopplung
vom US-Markt. Bis sich allerdings ein belastbares Trump-Szenario herauskristallisiert, wird es wohl noch dauern. Vorerst „regiert“ die Unsicherheit.
Wie bei Aktien rechnen wir auch bei den Renditen eher mit erhöhter Volatilität um die aktuellen Niveaus, denn einem klaren Richtungsentscheid.
Unsere Anlagestrategie
Die Anleihemärkte notierten schon vor der US-Wahl schwächer, die Renditen „schauten“ dementsprechend nach oben. Mit der Erwartung einer
„Trump-Reflationierung“ kamen Staatsanleihen dann unter einen regelrechten Abgabedruck, die Renditen schossen hoch. Kurzfristig erwarten
wir jedoch eher eine höhere Volatilität denn einen weiteren klaren Anstieg.
Mittelfristig sollten die Renditen indes weiter nach oben tendieren – wie
stark, hängt von Trumps künftigem Politikmix ab. Für einen generell nach
oben gerichteten Primärtrend sprechen vor allem die weitergehende FedZinsnormalisierung, eine anhaltende Konjunkturerholung sowie anziehende
Inflationserwartungen. Angesichts des transatlantischen Renditeverbunds
sollte die US-Entwicklung auch auf Europa ausstrahlen, zumal bei uns noch
eine Wachstumsbelebung hinzukommt. Im Euroraum dürften anhaltend
hohe EZB-Käufe den Anstieg zwar einbremsen, letztlich aber nicht verhindern können. In Erwartung weiter steigender Renditen haben wir unsere
Duration im Portfolio bereits deutlich verringert.
Von absoluter Abkopplung
spricht man dann, wenn in den
USA die Renditen steigen, bei uns
aber fallen – oder umgekehrt.
Laufen beide Märkte in die gleiche Richtung, aber mit unterschiedlicher Intensität, spricht
man von relativer Abkopplung.
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 22
Höhere Renditen eröffnen Chancen für einen späteren (Wieder)Einstieg in
festverzinsliche Wertpapiere. Auch hier macht ein ausgewogener Mix aus
Staatsanleihen, Pfandbriefen, Unternehmensanleihen und Währungsbeimischungen Sinn. Die durchschnittliche Restlaufzeit sollte derzeit eher im Bereich um die vier Jahre gewählt werden, um mögliche Zinsänderungsrisiken
überschaubar zu halten.
Währungsmärkte – der Dollar als eigentlicher Wahlgewinner
Dollar-Stärke, ein neuer Trend?
Die wohl nachhaltigste Neuausrichtung nach der Trump-Wahl erfuhren die
Währungsmärkte. Der US-Dollar schoss nach kurzer Bedenkzeit regelrecht
in die Höhe. EUR-USD sackte von zwischenzeitlich fast 1,13 auf nur mehr
gut 1,05 ab. Die Verluste des japanischen Yens waren sogar noch höher;
USD-JPY schoss folglich um fast 8 % auf 113 regelrecht nach oben. Im
Schnitt, also gegenüber den wichtigsten Handelspartnern, legte der Dollarindex nach der Wahl um knapp 5 % zu. Handelsgewichtet büßte der JPY 6 %
ein, der EUR 1½ %. Trotzdem fallen beide Jahresbilanzen noch positiv aus
– ganz im Gegenteil zum britischen Pfund. Es konnte nach der Trump-Wahl
zwar etwas zulegen (was wohl auch den heimischen Faktoren geschuldet
war), liegt gegenüber Jahresbeginn aber noch immer im zweistelligen Minusbereich (Brexit).
1,0548
so tief notierte EUR-USD am 24.11.
2016. Es war der bislang niedrigste
Wert seit Überwindung der Finanzmarktkrise. Ähnlich niedrig notierte
das Währungspaar allerdings bereits
im Frühjahr bzw. November 2015.
HOFFNUNG AUF REFLATION TRADES VERLEIHEN DEM DOLLAR FLÜGEL
Handelsgewichtete Wechselkurse (1.1.2010=100)
160
150
140
130
120
110
100
90
80
70
Jan 10
EUR
Jan 11
USD
Jan 12
GBP
Jan 13
Jan 14
Jan 15
Jan 16
JPY
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Bei der Währungsentwicklung sind anfallende Erwerbs- und Verwahrkosten nicht
berücksichtigt. Stand 30.11.2016
Wie bei Aktien und Renten hat auch das Währungsmomentum zuletzt spürbar nachgelassen, ohne allerdings in eine ausgeprägte Gegenbewegung
umzuschlagen. Das mag bereits ein erstes Indiz dafür sein, dass man zumindest kurzfristig eher mit erhöhter Volatilität denn einem anhaltend klaren Richtungstrend rechnen muss.
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 23
Für die Entwicklung danach ist es entscheidend, ob sich die Hoffnung auf
das Reflationierungsszenario bewahrheitet oder aber verflüchtigt. Bei ersterem könnte man dem Greenback angesichts des wachsenden US-Zins- und
Konjunkturvorsprungs durchaus noch (weiteres) Aufwertungspotenzial attestieren. Große Sprünge sind aber unwahrscheinlich. Warum?
1. Die Markterwartungen sind bereits sehr weit vorausgelaufen. Solch
starke Währungsentwicklungen in so kurzer Zeit wie nach der TrumpWahl sind selten. Es scheint, als sei ein groß angelegtes Konjunkturprogramm bereits voll eingepreist. Nicht auszuschließen, dass die Investoren später dann dem altgedienten Motto folgen, das da heißt: „Buy the
rumor, sell the fact“.
2. Überzogene USD-Longpositionen. Zuletzt waren die USD-Nettolongpositionen der Spekulanten so hoch wie Anfang des Jahres. Damals
war der Dollar allerdings „billiger“ als heute. Zumindest zwischenzeitliche Gewinnmitnahmen sind damit (fast schon) vorprogrammiert.
3. Markttechnische Unterstützung? In den letzten Jahren hat sich die
Marke von 1,05 bei EUR-USD als solide Unterstützungslinie etabliert
(siehe Grafik) – allerdings auch deshalb, weil sowohl die US-Politik als
auch die Fed kein Interesse an einem zu starken Dollar zeigten. Ob das
so bleibt, ist fraglich. Präsident Trump könnte eine Dollaraufwertung
durchaus als „Rückkehr zur alten Stärke“ interpretieren. Die Exportwirtschaft aber wird wohl auf die Barrikaden gehen. Und auch eine unabhängige Fed könnte gegen einen zu starken USD argumentieren.
EUR-USD – 1,05 WAR BISLANG WIRKSAME UNTERSTÜTZUNG
Handelsgewichtete Wechselkurse (1.1.2010=100)
1,80
1,70
1,60
1,50
1,40
1,30
1,20
1,10
1,00
0,90
0,80
0,70
0,60
Jan 10
Jan 11
Jan 12
Jan 13
Jan 14
EUR-USD
EUR-GBP
UniCredit Prognosen
200
180
Longpositionen sind Wetten auf
steigende Kurse. Investoren, die
„long“ gehen und demzufolge
eine Long-Position eröffnen,
versuchen mit steigenden Kursen
Gewinne zu erzielen. Man kann
direkt „long“ gehen und die
Wertpapiere erwerben. Die meisten professionellen Investoren
gehen dagegen indirekt „long“.
Und zwar mit Derivaten, d. h. mit
von Basiswerten abgeleiteten
Produkten wie etwa Optionsscheinen, (Hebel)Zertifikaten
oder auch Futures. Bei steigenden Basiswerten (der Aktien,
Rohstoffe oder Indizes) gewinnen
Long-Derivate an Wert. Saldiert
man die Longpositionen mit den
Shortpositionen, erhält man die
Nettolongpositionen, also die
„konsolidierte Marktmeinung“.
160
140
120
100
Jan 15
Jan 16
Jan 17
80
EUR-JPY (RS)
Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank
Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Bei der Währungsentwicklung sind anfallende Erwerbs- und Verwahrkosten nicht
berücksichtigt. Stand 30.11.2016
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 24
4. Der USD ist nun noch mehr überbewertet. Unser stärkstes Argument
für nur mehr begrenztes Aufwärtspotenzial ist indes der „faire Wert“.
Auf Basis der Realzinsdifferenz (USA-EWU) liegt der Gleichgewichtswert
von EUR-USD in der Spanne von 1,15-1,20. Natürlich ist der „fair value“
eine eher langfristige Richtschur. Der tatsächliche Wert kann durchaus
erheblich und auch für eine längere Zeit vom Gleichgewichtswert abweichen. Je stärker die Abweichung, desto höher aber ist der Druck, zum
„fairen Wert“ zurückzukehren. Auch läuft die Fokussierung der Investoren auf die Nominalzinsen (Zinsvorsprung) ins Leere. Zwar strafft die
Fed weiter; andererseits steigt aber auch die US-Inflation schneller als
die im Euroraum. Wenig Spielraum also für einen spürbar zunehmenden US-Realzinsvorsprung. Und der kann den Wechselkursbewegungen
besser erklären als die Nominalzinsdifferenz.
Diese Entwicklung von Wechselkursen (und anderen Marktpreisen) zurück zu seinem
fundamental gerechtfertigten
Wert nennt man „mean reverting
process“.
Wenn sich die Hoffnung auf ein wachstumsförderndes Konjunktur­programm
bewahrheiten sollte, hat der Greenback im ersten Halbjahr 2017 weiteres
(aber eben begrenztes) Aufwärtspotenzial. Längerfristig erwarten wir ihn
eher wieder schwächer – auch weil die Märkte dann vermehrt über die ökonomische „Boom“-Phase hinweg auf die „Bust“-Phase schauen könnten.
Bei einem eher wachstumsneutralen Trump-Szenario (Variante 2) würde die
Gegenbewegung auf die jüngste USD-Stärke wohl deutlich früher einsetzen.
Die zahlreichen politischen Risiken in Europa (Wahlen 2017) begrenzen
allerdings das Aufwärtspotenzial von EUR-USD. Die Marke von 1,10 könnte
gegen Ende 2017 indes wieder ins Visier rücken.
Unsere Anlagestrategie
Bis sich ein belastbares Trump-Szenario herausgebildet hat, erwarten wir
auch an den Währungsmärkten eher eine höhere Volatilität denn einen
klaren Richtungstrend. Der US-Dollar dürfte jenseits kurzfristiger Schwankungen (Gewinnmitnahmen) damit stark bleiben, aber nicht noch deutlich
stärker werden. Sollten sich die Hoffnungen einer Trump-Reflationierung
bestätigen, könnte der Greenback allerdings noch einmal Rückenwind bekommen. Große Sprünge sind aber nicht zu erwarten. Die konjunkturellen
Impulse scheinen weitgehend eingepreist und die Aufwertungswetten
(Nettopositionen) überzogen. Zudem ist der USD nun noch stärker überbewertet als vor der Wahl. Längerfristig erwarten wir den Greenback daher
selbst in einem Reflationierungsszenario wieder etwas schwächer – auch
weil die Märkte vermehrt über die ökonomische „Boom“-Phase hinweg auf
die „Bust“-Phase schauen könnten. Sollten sich die Reflationierungshoffnungen dagegen verflüchtigen, würde die Gegenbewegung auf die jüngste USD-Stärke wohl deutlich früher einsetzen. Das Aufwärtspotenzial von
EUR-USD bleibt angesichts der politischen Risiken in Europa allerdings in
beiden Szenarien begrenzt, der Dollar strategisch zur Streuung im Portfolio
interessant.
Im kommenden März finden Parlamentswahlen in den Niederlanden statt. Die Franzosen wählen
im Mai einen neuen Präsidenten
und im September gehen die
Deutschen an die Wahlurnen.
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 25
Rohstoffmärkte – Gold unter Druck, Metalle gefragt,
Öl im Spannungsfeld von Trump und OPEC
Die Reaktionen der Rohstoffmärkte auf die Trump-Wahl fielen recht unterschiedlich aus. Gold, in einer Erstreaktion noch einer der wenigen „Wahlgewinner“, kam mit dem Aufkommen der Reflationierungshoffnungen rasch
wieder unter Druck und rutschte erstmals seit Februar unter die Marke von
1.200 USD pro Feinunze. Gold als Krisen- und Unsicherheits-Asset war mit
dem Umschalten auf den Risikomodus der Investoren nicht mehr gefragt.
Die rasante Dollar-Aufwertung mag ebenso belastet haben.
Auf der anderen Seite standen die Industriemetalle, die nach kurzer „Bedenkzeit“ erst recht gefragt waren – der Dollarstärke zum Trotz. Der zum
Jahreswechsel 2015/16 in Gang gekommene Aufwärtstrend beschleunigte
sich. Die Hoffnung auf Konjunktur- bzw. Infrastrukturprogramme sorgte für
den nötigen Rückenwind. Baunahe Rohstoffe wie Kupfer profitierten besonders (siehe Grafik).
Wie die meisten Rohstoffe ist
auch Gold in US-Dollar fakturiert.
Legt der Greenback zu, verteuert
das die Rohstoffnachfrage außerhalb des Dollarraums.
INDUSTRIEMETALLE ZEIGTEN SCHON VOR DER TRUMP-WAHL NACH OBEN
1.1.2010=100
200
180
160
140
120
100
80
60
40
Jan 10
Aluminium
Jan 11
Kupfer
Jan 12
Jan 13
Nickel
Zinn
Jan 14
Jan 15
Jan 16
Zink
Quelle: Reuters Datastream, UniCredit Bank
Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Bei Rohstoffen/Rohstoffzertifikaten sind anfallende Erwerbs- und Verwahrkosten nicht
berücksichtigt. Stand 30.11.2016
Und Erdöl? Hier muss man differenzieren. In den ersten Tagen nach der TrumpWahl rutschte der Ölpreis erst einmal (weiter) ab. Am 14.11. erreichte er mit
unter 45 USD pro Fass (Brent) den niedrigsten Wert seit Anfang August. Die
Hoffnung auf eine Angebotsausweitung als Folge möglicher Deregulierungen
(u.a. Umweltauflagen) überwog dabei offensichtlich die Erwartung von Nachfrageimpulsen (Konjunkturpaket) oder der Revision des Iran-Abkommens. Der
Rutsch unter die 50 USD-Marke setzte aber schon Ende Oktober ein, als die
Enttäuschung über konkrete Förderkürzungsmaßnahmen auf höhere US-Lagerbestände traf. In der zweiten Novemberhälfte aber zogen die Notierungen
in der Hoffnung auf eine endgültige Einigung über niedrigere OPEC-Förderquoten wieder an. Die Hoffnung wurde dann auch nicht enttäuscht.
Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC, Organization of the Petroleum Exporting
Countries) umfasst derzeit
13 Länder (Irak, Iran, Kuwait,
Saudi-Arabien, Venezuela, Katar,
Indonesien, Libyen, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien,
Nigeria, Angola & Ecuador). Die
OPEC fördert etwa 40 % der
weltweiten Erdölproduktion
und verfüget über 75 % der
weltweiten Erdölreserven. Ziel
der Organisation ist es, über die
Regulierung der Förderung den
Ölpreis in der gewünschten Zielzone zu stabilisieren. Mangelnde
Kartelldisziplin im Verbund mit
unabhängigen „global playern“
wie Russland erschweren allerdings die Zielerreichung immer
wieder.
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 26
Der Anstieg der Ölpreise jenseits kurzfristiger Schwankungen kann also
weitergehen. Das unterstreichen die fundamentalen Treiber – zum einen
anziehende Weltnachfrage als Folge der Erholung der globalen Industriekonjunktur. Das gilt auch dann, wenn zusätzliche US-Impulse weitgehend
ausbleiben sollten. Gleichzeitig dürfte das Angebot sukzessive zurückgehen.
Die jahrelang vernachlässigten Investitionen im Energiesektor rächen sich
sukzessive. Und bis sich Trumps (angedachte) Deregulierungen in einer Ausweitung der US-Förderung niederschlagen, wird es wohl noch länger dauern. Freilich, die üppigen Rohölvorräte gepaart mit einer zögerlichen OPEC
werden den Umschwung in ein Angebotsdefizit am Ölmarkt weiter verzögern. Bis weit ins kommende Jahr hinein rechnen wir daher mit seitwärts
tendierenden Ölpreisen – bevor sie dann wieder in eine moderate Aufwärtsbewegung einschwenken.
SCHAUKELBEWEGUNG BEI ÖL, GOLD DAGEGEN UNTER DRUCK
160
2100
140
1900
120
1700
100
1500
80
1300
60
1100
40
900
20
Jan 10
Jan 11
Jan 12
Rohöl (Brent, USD pro Fass)
Jan 13
Jan 14
Jan 15
Jan 16
700
Gold (USD pro Feinunze, RS)
Quelle: Reuters Datastream, UniCredit Bank
Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Bei Rohstoffen/Rohstoffzertifikaten sind anfallende Erwerbs- und Verwahrkosten nicht
berücksichtigt. Stand 30.11.2016
Bei Industriemetallen könnte angesichts der bereits aufkommenden Angebotsdefizite die Aufwärtsbewegung jenseits kurzfristiger Gewinnmitnahmen indes weitergehen. Auch bei Gold sind immer wieder mal kurzfristige
Gegenbewegungen möglich, wenn sich z. B. die Trump-Reflationierungshoffnungen verflüchtigen oder die politischen Risiken weltweit akzentuieren. Einen wirklichen Aufwärtstrend sehen wir aber nicht.
Unsere Anlagestrategie
Wir sind derzeit nur in Gold allokiert. Die Position hat sich als wirksamer
Stabilisator erwiesen und dürfte dies auch in Zukunft tun. Zudem ist die Jahresbilanz trotz der jüngsten Verluste immer noch deutlich positiv. Daneben
haben wir aktuell keine Allokation in dieser Anlageklasse und streben sie
kurzfristig auch nicht an – selbst wenn der Trend bei Industrierohstoffen tendenziell nach oben zeigt. Der Anstieg dürfte allerdings verhalten, die Volatilität hoch bleiben. Zwischenzeitliche Konsolidierungen sind w
­ ahrscheinlich.
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 27
Nachdem mittlerweile auch die Markterwartungen meist klar nach oben
gerichtet sind, drohen zudem Rollverluste. Das macht einen Einstieg in
diese Vermögensklasse kompliziert und riskant.
Weil man als Finanzinvestor
Rohstoffe nicht physisch kaufen
und aufbewahren kann/will, erwirbt man Terminkontrakte und
sichert sich damit einen Preis in
der Zukunft. Will man investiert
bleiben, kauft man mit Ablauf
des Kontrakts mit dem frei werdenden Kapital in aller Regel den
nächstfälligen Kontrakt („Überrollen“). Erwartet die Gesamtzahl
der Marktteilnehmer allerdings
steigende Rohstoffpreise, ist der
jeweils neue Kontrakt teurer als
der alte („Contango-Situation“).
Der Investor erleidet Rollverluste.
AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 28
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Herausgeber:
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Nikolaus Keis, Christina Steinhoff
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