Aufatmen nach dem Brexit-Schock
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Aufatmen nach dem Brexit-Schock
Aus Blick Die monatliche Konjunktur- und Markteinschätzung November/Dezember 2016 Trumps Triumph Die Märkte setzen auf ein Konjunkturprogramm Marktumfeld Seite 3 Marktentwicklung & Anlagestrategie Seite 16 Überblick 03 Marktumfeld Die Finanzmärkte standen in den letzten Wochen ganz im Bann der US-Wahlen. Und die endeten gleich mit einer doppelten Überraschung. Nicht nur wurde Donald Trump wider Erwarten zum Präsidenten gewählt. Auch die Märkte drehten nach nur kurzer „Bedenkzeit“ recht überraschend in den Risikomodus. Hintergrund der „reflation trades“ war wohl die Hoffnung der Anleger auf ein groß angelegtes Konjunkturprogramm – ohne wachstumsfeindliche Eingriffe in der Handels- und Migrationspolitik. Ob es dazu kommt, muss sich erst zeigen. Die jüngsten Absetzbewegungen Donald Trumps von seinen einst radikalen Forderungen nähren die Hoffnung auf eine insgesamt wachstumsneutrale, vielleicht sogar moderat expansive Wirtschaftspolitik der neuen US-Administra tion. Und die trifft auf eine Weltwirtschaft, die nach dem Durchhänger im ersten Halbjahr im Herbst Fahrt aufgenommen hat. Keine schlechten Vorgaben für das kommende Jahr. 16 Marktentwicklung & Anlagestrategie Bis sich aber ein wirklich belastbares Trump-Szenario herausgebildet hat, dürfte es noch dauern. Wir erwarten für die kommenden Wochen deshalb eher eine stärkere Volatilität denn einen klaren Richtungsentscheid an den Märkten. Und danach? Würde das Pendel dann endgültig in Richtung Reflationierung ausschlagen, könnte das in der Tat die Wachstums- und Gewinnperspektiven in den USA verbessern und den dortigen Aktienmärkten einen verlängerten Aufschwung bescheren – mehr aber wohl nicht, auch weil die Bewertung der US-Märkte schon sehr angespannt ist. Bei einem wachstumsneutralen Politikmix würde ihnen die Luft schon früher ausgehen. Das fundamentale Aktienmarktumfeld in Europa ist für sich genommen dagegen klarer und konstruktiver. Eine noch zunehmende Gewinn- und Konjunkturzuversicht gepaart mit anhaltenden EZB-Wertpapierkäufen und die relativ bessere Bewertung versprechen Unterstützung. Belastungen für 2017 kommen hier eher von der Politik (Wahlen). An den Rentenmärkten scheint die Wende zu steigenden Renditen hingegen endgültig vollzogen. Das verspricht spätere (Wieder)Einstiegsmöglichkeiten. Der Dollar bleibt vorerst stark, mittel bis längerfristig spricht hingegen mehr für den Euro. Oliver Postler Chief Investment Officer Privatkunden Bank Ein Anlagejahr voll mit Überraschungen und hoher Schwankungsbreite geht zu Ende. Dabei zogen die Ereignisse einmal quer über die Weltkarte. Von den Schwellenländern zu Jahresbeginn über den Nahen und Mittleren Osten, Europa und den USA. Die Weltwirtschaft entwickelte sich trotzdem recht robust. Die Notenbanken hielten die Zinsen niedrig und die Liquidität hoch. Das half den Aktienmärkten. Allerdings performten die Börsen sehr unterschiedlich. Während die US-Märkte zulegen und neue Höchstkurse erreichen konnten, erholten sich die europäischen Pendants und auch der DAX nicht mehr von den Einbrüchen zu Jahresbeginn. An den Anleihemärkten rutschten die Renditen bis in den Herbst immer tiefer ab, in Europa sogar ins Minus. Es war ein schwieriges Umfeld für alle Anleger. Mit Blick auf das kommende Jahr sind wir optimistisch gestimmt. Die Stabilisierung der Rohstoffpreise ist eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft. Wir rechnen mit robustem Wachstum. Aktien bleiben für uns die interessantere Anlageklasse. Die größten Risiken dürften weiter auf der politischen Seite liegen. Ich bedanke mich für Ihr Vertrauen, wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und eine schöne Adventszeit! Herzlichst Ihr AusBlick – Überblick 2 MARKTUMFELD Die US-Wahlen liegen hinter uns – und sie endeten gleich mit einer doppelten Überraschung. Nicht nur wurde Donald Trump wider Erwarten zum Präsidenten gewählt. Auch die Märkte drehten nach nur kurzer „Bedenkzeit“ recht überraschend in den Risikomodus: Aktien legten kräftig zu und der Dollar schoss regelrecht nach oben. Engagements in „sichere Häfen“ wurden dagegen zurückgefahren. Gold und Staatspapiere gingen auf Tauchstation, die Anleiherenditen zogen entsprechend kräftig an. Hintergrund dieser „reflation trades“ war wohl die Hoffnung der Anleger auf ein groß angelegtes Konjunkturprogramm aus Steuersenkungen, Infrastrukturausgaben und Deregulierungen, die Wachstum, Inflation und Gewinne anschieben, gleichzeitig aber auch die Fed auf den Plan rufen und für steigende Zinsen und Renditen sorgen dürften. Die staatstragenden Reden von Trump, Clinton und Obama am Tag nach der Wahl gepaart mit der Aussicht auf ein „unified government“ dürften diese Hoffnung genährt haben. Die wachstumsfeindlichen Teile seines Wahlkampfprogramms (Handels- und Einwanderungspolitik) scheinen dagegen weitgehend ausgeblendet worden zu sein. Ob diese asymmetrische Wahrnehmung und damit der Stimmungsumschwung von Dauer sind, muss sich erst zeigen. Niemand kann derzeit sagen, was Trump wann und wie umsetzen will und kann. Je nachdem, wie die Besetzungen, Entscheidungen und Programme ausfallen, kann das Stimmungspendel auch wieder in die andere Richtung ausschlagen. Es dürfte dauern, bis sich ein belastbares Trump-Szenario herausgebildet hat. Wir erwarten für die kommenden Wochen deshalb eher eine stärkere Volatilität denn einen klaren Richtungsentscheid an den Märkten. Gehören die Mehrheit in beiden Kongresskammern und der Präsident derselben Partei an, so spricht man vom „unified government“ („vereinte Regierung“). Fallen die Parteizugehörigkeit des Präsidenten und die der Mehrheit des Kongresses (bestehend aus Senat und Repräsentantenhaus) auseinander, spricht man von „divided government“ („geteilte Regierung“). Donald Trump – quo vadis? Ein überraschender Wahlausgang und jede Menge Herausforderungen Donald Trump konnte zwar nicht die Mehrheit der Amerikaner hinter sich scharen („popular vote“), sehr wohl allerdings die Mehrheit der Wahlmänner. Sie aber sind es, die ihn zum 45. Präsidenten der USA wählen werden. DONALD TRUMP WEISS GENÜGEND WAHLMÄNNER HINTER SICH Washington (12) Oregon (7) Nevada (6) Montana (3) Idaho (4) Utah (6) California (55) Arizona (11) Alaska (3) Wyoming (3) Colorado (9) New Mexico (5) North Dakota Minnesota (3) (10) Wisconsin South Dakota (10) (3) Maine (3) Michigan (16) New York (29) Pennsylvania (20) Ohio (18) Illinois Indiana West Virginia (20) (11) (5) Virginia Kansas Missouri (13) Kentucky (8) (6) (10) North Tennessee (11) Carolina (15) Oklahoma Arkansas South Carolina (9) (7) (6) Alabama (9) Georgia Mississippi (16) (6) Texas (38) Louisiana Florida (8) (29) Nebraska (5) Iowa (6) ein Wahlmann geht an Trump New Hampshire (4) Vermont (3) Massachusetts (11) Rhode Island (4) Connecticut (7) New Jersey (14) Delaware (3) Maryland (10) District of Columbia (3) Hawaii (4) Trump: 306 von 538 Wahlmännern (die Mehrheit liegt bei 270) Clinton: 232 Wahlmänner Quelle: politico.com, UniCredit Bank Hillary Clinton half es nichts, dass sie landesweit etwa 2½ Millionen Stimmen mehr erhielt als ihr Herausforderer. Denn in den USA wird der Präsident nicht unmittelbar vom Volk gewählt, sondern von Wahlmännern. Sie werden von den Bundesstaaten „entsandt“. Ein deutlicher Sieg in einem Bundesstaat ist nicht mehr wert, als ein äußerst knapper. Der Kandidat, der den Bundesstaat gewinnt, bekommt in der Regel alle Wahlmänner. Trump konnte 306 Wahlmänner hinter sich bringen („electoral vote“). 270 reichen für die eigentliche Präsidentenwahl Mitte Dezember. Die formelle Stimmenauszählung findet am 6. Januar, die Vereidigung des neuen Präsidenten am 20. Januar 2017 statt. AusBlick – Marktumfeld 3 Mag sein, dass die Ankündigung von FBI-Ermittlungen gegen Hillary Clinton die Wahl beeinflusst hat. Entscheidend aber war wohl, dass Donald Trump das bessere Gespür für die Stimmung im Lande hatte und seine Wähler eher mobilisieren konnte als die frühere Außenministerin. Die Republikaner stellen aber nicht nur den neuen Präsidenten. Sie konnten auch ihre Mehrheiten in beiden Kongresskammern verteidigen (siehe Grafik). Formell hat Donald Trump damit deutlich größere politische Gestaltungsspielräume als viele seiner Vorgänger, die gegen einen (gespaltenen) Kongress regieren mussten. Diese Gestaltungsmehrheit könnte er auch gut gebrauchen, schließlich steht er vor großen Herausforderungen. Er muss nicht nur die gesellschaftliche Spaltung überwinden, sondern auch das Vertrauen der Amerikaner in die Politik zurückgewinnen, überfällige (Struktur) Reformen anschieben und auch außenpolitisch Kooperation über Konfrontation stellen. Für eine ausführliche Diskussion dieser Herausforderungen siehe unseren EinBlick vom 9.11.2016: Donald Trump gewinnt US-Wahl. DER KONGRESS IST KOMPLETT IN DER HAND DER REPUBLIKANER Repräsentantenhaus Zahl der Sitze (insgesamt 435) Senat Zahl der Sitze (insgesamt 100) 4 2 1 46 193 238 Republikaner Demokraten noch offen Quelle: politico.com, UniCredit Bank 51 Republikaner Unabhängige Demokraten noch offen Ob ihm das gelingt, muss sich allerdings erst zeigen. Trump und das republikanische Establishment haben sich im Wahlkampf doch spürbar entfremdet. Ohne Kongressunterstützung dürfte er es schwer haben, wirkliche Impulse und nicht nur (umstrittene) Akzente zu setzen – zumal er ein Mann der schnellen, unverblümten und oft auch radikalen Worte ist. Insbesondere dann, wenn er sich provoziert fühlt. Für ihn als politischen Quereinsteiger wäre es enorm wichtig, sich eine Mischung aus reichlich politischer Erfahrung, hohem Fachwissen und ausgleichendem Charakter ins Team zu holen. Noch hat es allerdings den Anschein, dass er auch hier eher einen unkonventionellen Ansatz bevorzugt. Andererseits hat Donald Trump aber schon mehrfach bewiesen, dass er Einstellungen rasch ändern kann. Welchen politischen Kurs er und sein Team letztlich einschlagen werden, ist also noch offen. Offen bleiben muss daher auch der Kurs, den die US-Wirtschaft nehmen wird. Wir können uns derzeit drei Szenarien vorstellen. AusBlick – Marktumfeld 4 Szenario 1: Ein groß angelegtes Konjunkturprogramm Das scheint die Variante zu sein, auf das sich die Märkte nach der anfänglichen Schockreaktion eingeschossen haben. Mit beiden Kammern hinter sich, so die Überlegungen, könnte Trump ein umfangreiches Steuersenkungsprogramm durch den Kongress bringen. Zeitgleich käme es zu massiven Infrastrukturausgaben sowie Deregulierungen (insbesondere im Energiesektor). Zusammengenommen wäre dies ein wirklich ansehnliches Konjunkturprogramm – falls es in Sachen Ausweisung von illegalen Einwanderern und Strafzölle gegen China und Mexiko nur zu „kosmetischen“ Anpassungen käme. Unser US-Chefvolkswirt, Dr. Harm Bandholz, hat dieses Reflations-Szenario mit Hilfe eines Multiplikatormodells einmal durchgerechnet.1 Bei unterstellten Steuersenkungen von 5 Bio. USD (3 Bio. Einkommenssteuern, 2 Bio. Unternehmenssteuern) und 1,5 Bio. USD Mehrausgaben (1 Bio. Infrastruktur, 500 Mrd. Militär) verteilt über 10 Jahre errechnet sich ein konjunktureller Impuls in den beiden kommenden Jahren von 1,8 % des BIP. Die Wachstums raten 2017/18 wären dann um knapp einen Prozentpunkt höher als im Basis szenario (unveränderte Wirtschaftspolitik) und würden nahe an die 3 %-Marke heranreichen. So stark wuchs die US-Wirtschaft, abgesehen von vereinzelten überzeichneten Quartalen, schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Solch ein Szenario hätte allerdings auch seinen Preis. Denn der anfängliche Konjunkturschub könnte nur allzu leicht zu einer Überhitzung der US-Wirtschaft führen. Der Arbeitsmarkt ist ohnehin schon angespannt; es herrscht weitgehend Vollbeschäftigung (siehe Grafik). Zu einem ähnlichen Ergebnis (bei allerdings etwas anderen Annahmen) kommt das Oxford Economic Forecasting-Institut. Auf Basis eines ökonometrischen (Welt)Modells projektieren sie für 2018 ein BIP-Wachstum von 3 %. Bis 2020 würden 2 Millionen neue Jobs geschaffen. DER US-ARBEITSMARKT IST ANGESPANNT Kurzzeitbeschäftigte im Dienstleistungssektor Frühindikatoren Beschäftigung Neue Jobs Firmen, die keine Bewerber finden Einstellungen Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung Einstellungspläne Stimmung Angebotene Stellen Teilzeitbeschäftigte Erfolgreiche Bewerbungen Kündigungen Langzeitarbeitslose Unterbeschäftigung Dez 07 (=100) Beschäftigung Arbeitslosenquote „frustrierte“ Arbeitssuchende Dez 12 Dez 13 zuletzt Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank 1 Harm Bandholz: „Less bang for the buck: A fiscal stimulus at full employment“, UniCredit Research, Economic Thinking, No. 25, November 21, 2016. AusBlick – Marktumfeld 5 Ein Lohnkostenschub verbunden mit der generell preistreibenden Wirkung der Zusatznachfrage sowie einem Wirtschaftswachstum, das dann deutlich über seinem derzeit nur moderaten Potenzial liegt, würde die Inflationserwartungen bzw. Preissteigerungsraten rasch steigen lassen und so die US-Notenbank Fed auf den Plan rufen. Sie müsste dann die Zügel kräftiger straffen (falls Donald Trump nicht wirklich „willfährige“ Fed-Gouverneure einsetzt). Gleichzeitig würden auch die Renditen in die Höhe schießen, weil Haushaltsdefizit und Staatsverschuldung anschwellen. Das gilt auch für den Fehlbetrag der Leistungsbilanz (Dollaraufwertung). Kräftig steigende Zinsen bzw. Renditen gepaart mit Kaufkraftverlusten dürften dem anfänglichen Konjunkturschub dann ein jähes Ende bereiten. „Bust“ folgt auf „Boom“ – oder, wie die Amerikaner sagen: „A short-term gain for a long-term pain.“ Aktuelle Schätzungen des Wachstumspotenzials liegen bei 1½ % bis maximal 2 % p. a. Szenario 2: Konjunkturimpulse gepaart mit Wachstumsbremsen Ein groß angelegtes Konjunkturprogramm hätte aber nicht nur seinen Preis. Man muss auch Realisierungschancen, Wirksamkeit sowie Sinnhaftigkeit des Pakets kritisch hinterfragen. 1.So ist nicht gesichert, dass ein solches Paket überhaupt vom Kongress abgesegnet wird. Das ist bei defizitsteigernden Programmen nur dann der Fall, wenn gleichzeitig (spätere) Einsparungen verabschiedet werden, die langfristig, d. h. nach 10 Jahren, für einen haushaltneutralen Effekt sorgen (so genannte „Byrd rule“). Präsident Bush hat dies Anfang des Jahrtausends gleich zweimal geschafft. Er brachte seine Steuersenkungen im Zuge so genannter „reconciliation acts“ durch den Senat. Diesmal dürfte es angesichts frustrierter Demokraten und zerstrittener Republikaner(fraktionen) mit bekennenden „Defizitfalken“ deutlich schwieriger werden. Mit „reconciliation acts“ werden „Filibustering“-Blockaden (Endlosreden) einer qualifizierten Minderheit im Senat ausgehebelt. 2. Auch die Wirksamkeit des Infrastrukturprogramms erscheint fraglich – weil es faktisch nur von privaten Investoren durchgeführt und ausschließlich über Steuereinnahmen repatriierter Gewinne finanziert werden soll. Wie hoch die ausfallen, steht indes in den Sternen. Beim Infrastrukturprogramm schwingt derzeit wohl (zu) viel Hoffnung mit. 3. Belastungen durch Strafzölle und Ausweisung illegaler Einwanderer. Dass Donald Trump von seinen ursprünglich radikalen Forderungen gänzlich Abstand nimmt, ist mehr als fraglich – auch wenn er anders als bei der Steuer- und Ausgabenpolitik hier mit „executive orders“ am Kongress vorbei agieren könnte. Der Druck, protektionistische und nationalistische Maßnahmen einzuleiten, ist von Seiten seiner Gefolgsleute, vor allem aber von der Basis, enorm hoch. Exportbelastungen gepaart mit steigendem Inflationsdruck (höhere Importpreise) sowie Wachstumsverluste aufgrund eines schrumpfenden Arbeitsangebots wären die wahrscheinlichen Folgen von Protektionismus und Populismus – und ein starkes Gegengewicht zum Konjunkturpaket! Seiner Maximalforderungen in Sachen Strafzölle, Mauerbau zu Mexiko und Ausweisung illegaler Einwanderer hat er allerdings bereits abgeschwächt oder nicht mehr wiederholt. AusBlick – Marktumfeld 6 Kombiniert man ein abgeschwächtes Konjunkturprogramm mit halbwegs moderaten Schutzzöllen bzw. Ausweisungen, so dürften sich Wachstums impulse und Bremswirkungen in etwa die Waage halten. Das zumindest ist das Ergebnis eines Updates der Simulationsrechnung des Oxford Economic Forecasting-Instituts. Während niedrigere Steuern, zusätzliche Infrastrukturinvestitionen und weniger Regulierung die Wirtschaft ankurbeln, bremsen ein wachsender Protektionismus, die Ausweisung (arbeitsfähiger) Migranten, haushaltsrechtliche Erfordernisse sowie eine höhere Unsicherheit sie wieder ein. Unter dem Strich bleibt das Wirtschaftswachstum mittelfristig wohl bei gut 2 % gefangen – eine Entwicklung, die es auch ohne wirtschaftspolitische Eingriffe gegeben hätte. Allenfalls zu Beginn von Trumps Amtszeit könnte es zu Impulsen kommen (Erwartungseffekt). Sie sollten aber überschaubar bleiben. Szenario 3: Trump beim Wort genommen – der Marsch in die Rezession Würde Szenario 2 wenigstens die Fortschreibung des status quo ante (bei verändertem Politikmix) bedeuten, würde Donald Trumps ökonomische Agenda – voll umgesetzt – die US-Wirtschaft jenseits kurzlebiger Impulse wohl in die Rezession schicken (siehe Grafik). Die Gründe dafür wären die anschwellende Unsicherheit, nachgebende bzw. volatile Finanzmärkte, Handelskriege, unterbrochene Wertschöpfungsketten, Arbeitskräfteeng pässe sowie eine schwindende Kauf- und Investitionsbereitschaft. Mittelfristig würde darunter auch das moderate Trendwachstum in den USA leiden. 2020 läge dann das reale BIP um 5 %–6 % unter dem Basisszenario, jährlich gingen etwa 100.000 Arbeitsplätze verloren und das Haushalts defizit würde letztlich regelrecht anschwellen. In einer früheren Modellrechnung kam das Oxford-Institut in einer moderaten Trump-Version im Schnitt noch auf geringfügige Wachstumsbelastungen von einem viertel bis einem halben Prozentpunkt p. a. TRUMP EXTREM: KURZLEBIGE IMPULSE GEFOLGT VON REZESSION 5,0 Prognosen* Reales BIP (in % ggü. Vorjahr) 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 Trumps volles Paket -1,0 - 4 Bio. USD Steuersenkung (bis 2021) -2,0 - Einnahmenausfälle nur zu 25 % kompensiert - Haushaltsdefizit schwillt an -3,0 - Ausweisung aller illegalen Einwanderer - Strafzölle China (45 %), Mexiko (35 %) -4,0 2015 2016 2017 2018 Basisszenario 2019 2020 Trump Quelle: Oxford Economic Forecasting, UniCredit Bank *Oxford Economic Forecasting Simulation Dieses Szenario ist angesichts des zu erwartenden Widerstands im Kongress und der ersten Absetzbewegungen von Donald Trump von seinen ursprünglichen radikalen Forderungen allerdings am wenigsten wahrscheinlich. Ob das Pendel letztlich eher in Richtung Szenario 1 oder Variante 2 AusBlick – Marktumfeld 7 ausschlägt, lässt sich derzeit nicht seriös vorhersagen. Wenn wir zu diesem frühen Zeitpunkt aber klar Stellung beziehen müssten, würden wir uns in Szenario 2 eher wiederfinden. Nachhaltige ökonomische Impulse kann Donald Trump damit aber nicht setzen. Wollte er das, wäre es zielführender, das (längerfristige) Wachstumspotenzial zu heben, Unternehmen wie Haushalten rasch Planungssicherheit zu geben sowie gezielt Missstände zu beheben. Dauerhaft wachstumsfördernd wäre ein Mehr-Punkte-Programm2: 1. Ein langfristig angelegtes Infrastrukturprogramm – solide öffentlich finanziert (bei den nach wie vor niedrigen Zinsen auch machbar) – wäre hier sicher hilfreicher als das unsicher finanzierte Öffentlich-PrivatePartnerschaftsmodell (PPP, Public-Private Partnership). 2. Die Legalisierung der (meisten) illegalen Einwanderer würde das Arbeitskräfteangebot stärken und nicht schwächen. 3. Eine aufkommensneutrale Unternehmenssteuerreform – niedrigere Steuersätze, Stopfen von Steuerschlupflöchern, Ausweitung der Bemessungsgrundlage – käme den für den Arbeitsmarkt so wichtigen kleinen und mittleren Betrieben zugute. Die Haushaltsrisiken würden dadurch minimiert. 4. Aufschieben der Einkommenssteuersenkung. Der private Konsum ist sicher nicht das größte Problem der US-Wirtschaft. Es sind nämlich nach wie vor die Verbraucher, die die Konjunktur dort tragen. Niedrigere Einkommenssteuern, die zudem der Masse der Bevölkerung zugutekämen, sollte man sich für schlechte Zeiten aufsparen. Ansonsten wirken sie prozyklisch und damit kontraproduktiv – ist der US-Aufschwung doch schon in die Jahre gekommen (siehe Grafik). Der nächste Abschwung kommt bestimmt. Dann wäre die Absenkung der persönlichen Steuerlast ein probates Mittel, den Abschwung in engen Grenzen zu halten. Die Ausweisung aller illegaler Einwanderer würde nach Berechnungen des American Action Forum den gesamtwirtschaftlichen Ausstoß um bis zu 4¾ % bzw. 62 Milliarden USD zurückgehen lassen – weil ihr die so wichtigen Arbeitskräfte fehlen. So würden insbesondere in der Landwirtschaft und im Bau gut 10 % der Beschäftigten wegfallen. US-Chefvolkswirt Dr. Harm Bandholz: „Wie Milton Friedman schon vor 60 Jahren ausgeführt hat, trägt ein schlecht getimtes Programm eher zur Verunsicherung bei, weil es die zyklischen Ausschläge akzentuiert statt sie zu dämpfen. Das kann zu einer Überhitzung der Wirtschaft und steigender Inflation führen, der dann eine tiefere Rezession folgt. Somit werden wertvolle Ressourcen zur Unzeit verschwendet.“ 2 Zu den Details siehe die Studie von Dr. Harm Bandholz. AusBlick – Marktumfeld 8 DER US-AUFSCHWUNG IST IN DIE JAHRE GEKOMMEN Länge der US-Aufschwungphasen in Monaten seit 1854 140 120 100 80 60 die letzten drei Erholungen aktuelle Erholung 40 20 März 1919 Jan 1912 Jul 1980 Dez 1867 Jun 1894 Jun 1908 Mai 1891 Dez 1900 Nov 1927 Dez 1858 Mai 1885 Jul 1921 Jun 1897 Apr 1958 Apr 1888 Jul 1924 Dez 1854 Aug 1904 Dez 1870 März 1879 Nov 1970 Okt 1945 Mai 1954 Dez 1914 Okt 1949 Jun 1861 März 1933 März 1975 Nov 2001 Jun 1938 Jun 2009 Nov 1982 Feb 1961 März 1991 0 Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank 5. Den von der Globalisierung und dem technischen Fortschritt Abgehängten wäre mit gezielten Trainings- und (Aus)Bildungsmaßnahmen besser gedient als mit vagen Versprechungen einer Repatriierung obsolet gewordener Arbeitsplätze. US-Wirtschaft – zurück auf Reiseflughöhe. Die Fed strafft bald Das gesamtwirtschaftliche Umfeld ist zu Beginn der Amtszeit von Donald Trump durchaus ansprechend. Die US-Wirtschaft konnte in den Sommermonaten mit +3,2 % annualisiert sogar unerwartet kräftig zulegen. Damit dürfte die zugrundeliegende Wirtschaftsdynamik aber ebenso überzeichnet sein wie sie im ersten Halbjahr unterzeichnet war (reales BIP: +1 %). Gut 2 % Wirtschaftswachstum sind derzeit eher „angemessen“. Das erwarten wir dann auch für das laufende und die kommenden ein, zwei Quartale. Wachstumsstütze war der private Verbrauch, Wachstumstreiber der Rebound der Nettoexporte, der Lagerhaltung sowie der Staatsausgaben. Wachstumsstütze bleibt der private Verbrauch, der nun allerdings sukzessive durch die auslaufenden Kaufkraftgewinne rückläufiger Ölpreise eingebremst wird. Ein brummender Arbeitsmarkt sorgt aber auch weiterhin für reichlich Unterstützung, lässt er doch Löhne bzw. Einkommen spürbar wachsen. Endlich aus ihrer Lethargie erholen sollte sich indes die Investitionstätigkeit. Die Impulse kommen dabei primär allerdings vom Bau und dem Staat. Den Unternehmensinvestitionen bläst dagegen auch weiterhin reichlich Wind ins Gesicht. Schuld daran sind der nun noch stärkere Dollar, die verhaltene nationale wie internationale Endnachfrage sowie ein vor sich hin dümpelnder US-Energiesektor. Die Unsicherheiten nach der Wahl sind ebenfalls kontraproduktiv. Und „last, but not least“ scheint auch die Erholung der Exporte nicht von Dauer zu sein. Die Dollaraufwertung bremst bald schon wieder. AusBlick – Marktumfeld 9 Gut 2 % Wirtschaftswachstum sind, historisch gesehen, zwar recht moderat. Angesichts des derzeit recht dürftigen Potenzialwachstums aber führt es trotzdem schon zu vermehrtem Preisdruck. Die Kerninflation zeigt deutlich nach oben. Jenseits kurzfristiger Schwankungen gilt dies wohl auch für die Energiepreise. Anders als die Inflationsraten sind die Inflationserwartungen sogar regelrecht in die Höhe geschossen – zumindest die, die aus den an den Märkten gehandelten Inflationsswaps abgeleitet werden (siehe Grafik). Allerdings dürften die Erwartungen überschossen haben, weil die Hoffnungen auf eine Trump-Reflationierung überzogen erscheinen. Die meisten Kerninflationsmaße liegen derzeit bei 2 %-2½ %. Vor Jahresfrist lagen sie z. T.. noch deutlich unter der 2 %-Marke. Aber auch so gibt es für die Fed Gründe genug, die Zinsen Anfang Dezember erneut um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) anzuheben. Spätestens im Laufe des Frühjahrs sollte sich das wahrscheinliche Trump-Szenario herauskristallisieren. Wir tendieren dabei eher zu der Variante 2 denn zum reinen Konjunkturpaket. Wir würden dann für 2017 zwei weitere Trippelschritte erwarten. Käme es indes zu der derzeit an den Märkten favorisierten Reflationierung, bestünde das Risiko einer zusätzlichen Zinserhöhung. ÜBERSCHIESSEN DER INFLATIONSERWARTUNGEN Implizite Inflationserwartungen (in 5 Jahren für 5 Jahre, %, abgeleitet aus am Markt gehandelten Inflationsswaps) 2,0 2,6 1,9 2,5 1,8 2,4 1,7 2,3 1,6 2,2 1,5 2,1 1,4 2,0 1,3 1,9 1,2 Sep 15 Euroraum Nov 15 Jan 16 Mrz 16 Mai 16 Jul 16 Sep 16 Nov 16 1,8 USA (RS) Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank Wirtschaft im Euroraum zeigt sich widerstandsfähig. EZB verlängert wohl ihr Kaufprogramm Auch in Europa hat sich das konjunkturelle Umfeld aufgehellt. EWU-weit ist das reale BIP im dritten Quartal erneut um solide 0,3 % gewachsen. Damit zeigte sich die Wirtschaft erstaunlich widerstandsfähig gegenüber den zahlreichen externen Belastungen wie den anämischen Welthandel, der zwischenzeitlichen Euroaufwertung und vor allem dem Brexit-Votum. Rein rechnerisch ist es an der optisch ansprechenderen 0,4 %-Marke nur haarscharf vorbeigeschrammt. Das dürfte auch für das laufende Quartal gelten. Belastbare harte Daten liegen zwar noch kaum vor, die Stimmungsindikatoren machen aber Hoffnung. Sowohl der stark beachtete aggregierte Einkaufsmanagerindex als auch das Wirtschaftsvertrauen der Europäischen Kommission stiegen zuletzt auf den höchsten Stand in diesem Jahr (siehe Grafik). AusBlick – Marktumfeld 10 DIE STIMMUNGSBAROMETER STEIGEN 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 -2,0 Jan 10 Nov 10 Sep 11 Jul 12 Mai 13 Mrz 14 Euro-Coin Vertrauensindex (EWU, standardisiert) Wirtschaftsvertrauen EWU (EU-Kommission, stand.) Aggregierter Einkaufsmanagerindex EWU (RS) Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank Jan 15 Nov 15 Sep 16 60 58 56 54 52 50 48 46 44 42 40 Für sich genommen würde das sogar für eine moderate Wachstumsbelebung sprechen. Soweit würden wir angesichts der vielfachen politischen und ökonomischen Unsicherheiten (Italienreferendum, Risiko eines harten Brexit, Trump-Risiken, anstehende Wahlen) zwar noch nicht gehen. Die bislang erwartete Wachstumsdelle zur Jahreswende könnte aber ausbleiben. Das bedeutet nicht nur Aufwärtsrisiken für unsere Prognose für das laufende Quartal (+0,2 %), sondern angesichts eines höheren statistischen Überhangs wohl auch für das kommende Jahr. Die Erwartung einer spürbaren Wachstumsabschwächung 2017 könnte sich als zu konservativ herausstellen. Möglicherweise bleibt das Wachstumstempo nur unwesentlich hinter dem diesjährigen (+1½ %) zurück. Warum? 1. Auch wenn die Aussichten auf einen harten Brexit gestiegen sind – etwaige Bremswirkungen sind erst dann zu erwarten, wenn es zu einer wirklichen Beeinträchtigung der Handelsbeziehungen kommt. Und das kann dauern. Die (Anfangs)Belastungen über den Stimmungskanal sind längst verpufft. Bei einem harten Brexit hätte Großbritannien keinen privilegierten Zugang mehr zum Gemeinsamen (Europäischen) Markt. 2. Bei den beiden wahrscheinlichen Trump-Szenarien (Variante 1 & 2) droht kein zusätzlicher Gegenwind aus den USA. 3. Die Binnenwirtschaft im Euroraum bleibt klar auf Wachstumskurs. Zwar dürfte der absehbare (Wieder)Anstieg der Inflation die Kaufkraft auch in Europa schmälern. Dem stehen allerdings ein unverändert robustes Konsumklima sowie anhaltende Beschäftigungsgewinne gegenüber. Zusammen mit weiter steigenden Löhnen (vor allem in Deutschland) könnte das die Kaufkraftverluste weitgehend ausgleichen. Spielräume sehen wir auch in einer rückläufigen Sparquote. Die Einstellungspläne der Unternehmen stiegen laut Europäische Kommission zuletzt auf Niveaus von vor der Finanzmarktkrise. AusBlick – Marktumfeld 11 Neben dem privaten Verbrauch sollte aber auch die Erholung der Investitionstätigkeit weitergehen. Dafür sprechen nicht nur die (vorausschauenden Teile der) Stimmungsindikatoren, sondern auch die Kreditvergabe an die Unternehmen. Zumindest die langfristigen Investitionskredite zeigen weiter nach oben. Aber selbst wenn sich der Euroraum als erstaunlich widerstandsfähig zeigt und die Erholung weitergeht: Entwarnung ist noch immer nicht angesagt. Das Wachstumstempo bleibt verhalten (wenn auch über Potenzial) und die Fiskalpolitik müsste (und könnte angesichts von Mini bzw. Negativrenditen auf Staatsanleihen) für Impulse sorgen, tut es aber nicht. Vor allem aber: die Eventrisiken bzw. Unsicherheiten werden nach dem Brexit-Votum und der Trump-Wahl kaum weniger. Am 4. Dezember stimmen die Italiener über das Verfassungsreferendum ab und in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden wird 2017 gewählt. Dabei werden wohl die Populisten punkten. Regierungsverantwortung übernehmen werden sie wahrscheinlich aber nicht. Angesichts der zahlreich bleibenden Abwärtsrisiken tut die EZB gut daran, die geldpolitische Stimulierung nicht vorschnell zurückzufahren bzw. an Zinsanhebungen auch nur zu denken. Das würde das finanzwirtschaftliche Umfeld nur unnötig verschärfen und den (noch immer anfälligen) Aufschwung gefährden. Daher dürfte der EZB-Rat den Dezember-Sitzungstermin dazu nutzen, die Dauer ihres Kaufprogramms über den März 2017 hinaus um sechs bis neun Monate zu verlängern – ohne das monatliche Kaufvolumen anzuheben. Jede neuerliche „tapering“-Diskussion wäre kontraproduktiv. „Tapering“ bedeutet ein Zurückfahren der Wertpapierkaufprogramme der Notenbanken. Großbritannien – der Lackmustest kommt wohl erst Ähnlich wie im Euroraum hat sich die britische Wirtschaft besser gehalten als nach dem Brexit-Votum noch befürchtet. Das reale BIP wuchs im Sommerquartal mit +0,5 % gegenüber Vorquartal sogar erstaunlich kräftig – vor allem stärker, als es das aggregierte Stimmungsbild hat erwarten lassen. Das bedeutet Aufwärtsrisiken für unsere bisher doch recht pessimistischen Wachstumserwartungen. Die rasche Lockerung der Bank of England (BoE) mag der Wirtschaft bislang ebenso geholfen haben wie das Versprechen fiskalischer Impulse, industriepolitischer Eingriffe und steuerlicher Anreize (um internationale Firmen im Königreich zu halten) sowie die Pfund-Abwertung (Exportimpulse). Anfang August kündigte die Bank of England überraschend aggressive und umfangreiche Lockerungsmaßnahmen an, die das finanzwirtschaftliche Umfeld für Unternehmen und Verbraucher wieder verbessern sollten (siehe unseren August AusBlick). AusBlick – Marktumfeld 12 DAS BRITISCHE PFUND TAUMELT 100 95 90 85 80 75 70 Jan 10 Jan 11 GBP handelsgewichtet Jan 12 Jan 13 Jan 14 Jan 15 Jan 16 Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank Anders als im Euroraum aber sollte sich die britische Wirtschaft in den kommenden Quartalen spürbar abschwächen. Schon das dritte Quartal zeigte starke Divergenzen und sich anbahnende Verspannungen. So war es allein der Dienstleistungssektor, der zulegen konnte. Das Verarbeitende Gewerbe und die Bauindustrie schrumpften hingegen. Gleichzeitig werden die ersten Vorboten eines starken, abwertungsinduzierten Inflationsanstiegs sichtbar. Mitte 2017 könnte die Teuerungsrate sogar die 3 %-Marke anvisieren. Neben den starken Kaufkraftverlusten dürfte dann auch ein schwächerer Arbeitsmarkt den bisherigen Wachstumsträger, den privaten Verbrauch, spürbar einbremsen. Spätestens mit Einleitung des „Scheidungsverfahrens“ Ende März 2017 sollte zudem das Konsum- bzw. Geschäftsklima (wieder) einknicken – wenn klar wird, dass die britische Regierung keine wirkliche Exit-Strategie hat und auch ihr die Quadratur des Kreises aus privilegiertem Zugang zum Gemeinsamen Markt und autonomer Einwanderungspolitik nicht gelingen wird. Britische Firmen werden dann nicht nur ihre Einstellungspläne nach unten revidieren, sondern wohl auch ihre Investitionstätigkeit (weiter) zurückfahren. Die Kombination aus Konjunkturabschwung und Inflationsanstieg macht 2017 das Dilemma der Notenbank offensichtlich. Die BoE dürfte im Zweifelsfall jedoch die Zinsen nochmals senken – eine Entscheidung, mit der sie dank der bislang recht ordentlichen Konjunkturdaten allerdings noch warten kann. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Das handelsgewichtete Pfund hat in den letzten 12 Monaten über 17 % an Wert verloren, gegenüber dem Dollar waren es 20 %. Das verteuert die Importe massiv und schlägt letztlich auch auf die Verbraucherpreise durch. Premierministerin Teresa May hat angekündigt, bis dahin Artikel 50 des EU-Vertrag zu aktivieren. Deshalb wirbt BoE-Chef Mark Carney auch für einen sanften Brexit, d. h. für eine dreijährige Übergangsfrist. Erst 2021 soll der „harte“ Brexit kommen – falls der bis dahin überhaupt noch gewünscht ist. Japan – Stabilisierung auf niedrigem Niveau Das könnte auch für die Bank of Japan (BoJ) gelten, selbst wenn wir hier weniger „sicher“ sein können als bei der Bank of England. So ist auch in Japan die Wirtschaft im Sommerquartal mit +0,5 % (gegenüber Vorquartal; annualisiert rund +2 %) überraschend stark gewachsen. Sie profitierte dabei neben dem starken Wohnungsbau insbesondere von einem Exportschub, AusBlick – Marktumfeld 13 für den ein vorübergehend schwächerer Yen sowie eine höhere Auslieferung neuer Smartphone-Modelle verantwortlich sind. Die jüngste Wachstumsziffer überzeichnet allerdings die zugrundeliegende Wachstumsdynamik. Denn die Binnennachfrage kommt nach wie vor kaum vom Fleck (III/17: +0,1 %). Anders als in Großbritannien erwarten wir jenseits kurzfristiger Schwankungen in Japan jedoch eine Besserung im kommenden Jahr – wenn auch nur eine moderate. Die stärksten Impulse sehen wir in dem Infrastrukturprogramm der Regierung. Das Wachstum der öffentlichen Investitionen sollte spürbar anziehen. Ein kleines Plus erwarten wir auch beim privaten Konsum. Dem Verbrauch dürfte dabei die sich aufhellende Stimmung, vor allem aber höhere Realeinkommen zugutekommen. Zudem erhalten 22 Millionen Geringverdiener nun Bargeldzuwendungen. Und weil mit dem Wahlsieg von Donald Trump der Dollar stärker und der Yen eher schwächer als bislang erwartet performten, könnten sich auch die japanischen Exporte besser behaupten als bislang projektiert. Bei den Unternehmensinvestitionen dagegen dürfte die jahrelange Flaute noch länger anhalten. All das spricht dafür, dass sich nach einer technischen Gegenbewegung auf den starken Sommer das Wirtschaftswachstum in den kommenden Quartalen bei annualisiert (knapp) 1 % einpendeln wird – nicht gerade viel, aber immerhin mehr als das Potenzialwachstum von einem viertel, vielleicht auch einem halben Prozent. Ob das reicht, die Bank of Japan in ihrer Warteschleife zu halten, muss sich erst zeigen. Mit der Konjunkturentwicklung und auch der nun anvisierten Kontrolle der Zinsstruktur kann sie vorerst zufrieden sein. Die Zinsstruktur ist nicht zuletzt dank der Trump’schen „reflation trades“ auch in Japan etwas steiler geworden, ohne dass das lange Ende „davongelaufen“ wäre. Das zweite Ziel der Bank of Japan, die Inflations erwartungen überschießen zu lassen, ist aber noch in weiter F erne. Möglicherweise muss die BoJ doch noch unterstützend eingreifen. China – Trump schadet, oder doch nicht? Das internationale Umfeld für China könnte indes rauer werden – zumindest wenn man dem Wahlkampfgetöse Donald Trumps Vertrauen schenken will. Die Androhung schmerzhafter Schutzzölle, die angekündigte Brandmarkung Chinas als Währungsmanipulator und der Vorwurf unfairer Handelspraktiken lassen harte Zeiten für das Reich der Mitte erwarten. Allerdings wird auch hier nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Donald Trump ist schon zurückgerudert. Gut möglich, dass es nur zu „kosmetischen“ Maßnahmen kommt. Mehr noch. Trumps Abgesang auf die unterschriftsreife Trans-Pazifische Partnerschaft (TPP) könnte China sogar in die Hände spielen. Die USA haben mit den TPP-Staaten nämlich ein Handelsvolumen von rund 1,6 Billionen USD; das sind 40 % ihres gesamten Außenhandels. China war nicht Teil des geplanten Abkommens, auch weil es erklärtes Ziel der Amerikaner war, den chinesischen Einfluss in der Region einzudämmen. Sinkt aber der Einfluss Bislang sind 15.000 JPY pro Kopf vorgesehen. Optisch schauen die umgerechnet 130 EUR nicht sonderlich hoch aus. Insgesamt wären dies aber rund 3 Mrd. EUR potenzielle Mehrnachfrage. Die BoJ hat Ende September ihren Qualitative & Quantitative Easing-Ansatz (QQE/Wertpapierkäufe) um die Kontrolle der Zinsstrukturkurve erweitert. Eine Verflachung der Zinsstruktur (über niedrige Langfristrenditen), so die Befürchtung der BoJ, würde die Gewinne der Finanzdienstleister (Banken und Pensionsfonds) und womöglich auch das Verbrauchervertrauen schmälern. Das bisher größte Freihandelsabkommen der Welt sollte neben den USA auch Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam umfassen. AusBlick – Marktumfeld 14 der USA, könnte China diese Lücke füllen und würde es wohl auch gerne tun – und sein Konkurrenzprojekt RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) vorantreiben. Es umfasst die zehn ASEAN-Staaten sowie die sechs Länder, mit denen die Gruppe Freihandelsabkommen unterhält: China, Indien, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Die USA sind außen vor. Damit würde sich wieder einmal bewahrheiten, dass man China nicht vorschnell abschreiben sollte. War es die Sorge vor einer harten Landung der chinesischen Volkswirtschaft, die die Börsen zu Jahresbeginn auf eine rasante Talfahrt geschickt hat (und in Europa das gesamte Aktienjahr 2016 verhagelte), schaut es nach einem starken dritten Quartal nämlich so aus, als könnte China das Vorjahreswachstum nahezu halten. 2016 ist ein Plus von 6,7 % durchaus möglich (2015: +6,9 %). Die Machthaber in Peking unterstreichen damit, dass sie sowohl den Willen, die Ressourcen aber auch die Fähigkeit haben, die Konjunktur zu stabilisieren. Freilich wird dem Land eine weitere Wachstumsabschwächung nicht erspart bleiben. Die Notwendigkeit, das Entwicklungsmodell weg von Industrie und Exporten und hin zu Konsum und Dienstleistungen umzubauen, Überkapazitäten im Verarbeitenden Gewerbe abzubauen, das überbordende Kreditwachstum einzubremsen und die Luft aus der Immobilienblase abzulassen, werden Bremsspuren zeigen. Und selbst falls all das halbwegs kontrolliert ablaufen sollte, werden sich die Märkte wohl kaum davon abhalten lassen, China immer mal wieder zu „attackieren“. Stärker treffen könnte Trump bzw. die Trump-Reflationierung indes die Schwellenländer, die einen hohen externen Finanzierungsbedarf haben, sprich stark defizitäre Leistungsbilanzen aufweisen. (Rascher) Steigende Fed-Zinsen gepaart mit höheren US-Renditen und Anreizen zur Gewinnrückführung könnten die Kapitalströme aus den Emerging Markets zurück in die USA bzw. die etablierten Industrieländer umlenken. Das Institute of International Finance, das sich auf die Analyse von aufstrebenden Volkswirtschaften fokussiert, hat bereits eine entsprechende Warnung herausgegeben. Nach ihren Zahlen wurden innerhalb einer Woche nach der Trump-Wahl 10 Mrd. USD aus den Schwellenländern abgezogen. Aktien und Renten waren gleichermaßen betroffen. Es war der stärkste Kapitalabfluss seit dem „Taper Tantrum“ 2013. Unter Druck kommen könnten insbesondere die so genannten „Fragile Five“-Länder, also Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei; sowie Mexiko. Ihre Währungen haben bereits spürbar abgewertet. In Schwierigkeiten kommen könnten aber auch Erdölförderländer, falls es Donald Trump gelingt, mit seinen Deregulierungen an den US-Energiemärkten den projektierten globalen Ölpreisanstieg deutlich einzubremsen. Damals signalisierte die Fed eine Rückführung der geldpolitischen Alimentierung. Fed-Chef Ben Bernanke kündigte an, nicht länger Anleihen kaufen zu wollen. Die US-Staatsanleihenrenditen schossen regelrecht in die Höhe. AusBlick – Marktumfeld 15 MARKTENTWICKLUNG & ANLAGESTRATEGIE Aktienmärkte – höhere Volatilität vorerst wahrscheinlicher als ein klarer Richtungsentscheid „Risk on“ ist ins Stocken geraten War der Sieg Donald Trumps schon eine Überraschung, war es die Marktreaktion danach erst recht. Als sich am Mittwochmorgen der Wahlsieg Donald Trumps abzuzeichnen begann, lief zunächst alles nach Drehbuch: Die asiatischen Börsen gingen regelrecht auf Talfahrt (Nikkei -6 %) und vorbörslich gaben auch die Märkte in Europa (DAX: -4 %) und in den USA (S&P 500: -5 %) nach. Letztere aber drehten bereits im Laufe des Handelstags wieder ins Plus, teilweise sogar deutlich. US-Aktienindizes (S&P 500, Dow Jones & Nasdaq Composite & Russel 2000) markierten danach sogar neue Rekordhochs. „REFLATION TRADES“ LASSEN US-AKTIEN AUF NEUE HOCHS STEIGEN Brexit 2.0: Nur ein kurzfristiger Trump „sell off“ Zum ersten Mal seit 1999 haben am 21. November gleich die vier bedeutendsten US-Aktienindizes an einem Tag Rekordhochs erreicht. Aktienmärkte weltweit (1.1.2010=100) 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 Jan 10 Jan 11 Jan 12 Jan 13 Jan 14 Jan 15 Jan 16 DAX 30 (in EUR) Euro Stoxx 50 (in EUR) MSCI World in USD MSCI Emerging Markets (in USD) FTSE 100 (in GBP) S&P 500 (in USD) Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Die Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Stand: 30.11.2016 Damit hat die Trump-Wahl wider Erwarten doch noch für einen versöhn lichen Jahresausklang an den Aktienmärkten gesorgt – in erster Linie natürlich in den USA. Die bisherige Jahresbilanz konnte sich dort auf im Schnitt 8 %–9 % verbessern. Kurz vor der Wahl lag sie bei nur 2 %, nachdem Aktien im Oktober noch einmal spürbar nachgegeben hatten (als Donald Trump in den Umfragen zulegen konnte). Hinter dem abrupten Stimmungsumschwung der Investoren von „risk off“ auf „risk on“ steckte wohl die Hoffnung auf ein groß angelegtes Konjunktur programm aus Steuersenkungen, Infrastrukturausgaben und Deregulierungen, die Wachstum, Inflation und damit auch die Gewinne anschieben, gleichzeitig aber auch die Fed auf den Plan rufen und für steigende Zinsen und Renditen sorgen dürften. Die staatstragenden Reden von Trump, Clinton Nach Einleitung der FBI-Ermittlungen schmolz der Vorsprung Hillary Clintons in den Umfragen Anfang November von knapp 7 auf gut 1 Prozentpunkt zusammen. AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 16 und Obama am Tag nach der Wahl gepaart mit der Aussicht auf ein „unified government“ dürften diese Hoffnung genährt haben. Zuletzt hat das Momentum der „reflation trades“ aber nachgelassen, weil die Märkte – wie so oft – überschossen haben dürften. Bemerkenswert an der jüngsten Entwicklung ist auch, dass die europäischen Werte mit ihren US-Pendants nicht mithalten konnten – und das trotz Euroschwäche und obwohl die Konjunkturdaten im Euroraum mindestens ebenso stark ausfielen wie in den USA und europäische Aktienindizes in Sachen Bewertung noch jede Menge Aufholpotenzial haben. Offensichtlich schätzen die Marktteilnehmer die politische Handlungsfähigkeit der EU nach der Trump-Wahl nun noch schlechter ein als zuvor. Mit 1 %–2 % seit der Wahl liegt die Performance von Stoxx Europe 600 oder Euro Stoxx 50 deutlich hinter dem der US-Indizes zurück (knapp +5 %). Dabei konnte sich der deutsche Aktienindex DAX mit +2½ % noch am besten halten und kämpft nun um eine positive Jahresbilanz (siehe Grafik). Italienische und spanische Werte haben seit der Wahl per saldo sogar verloren. Ihre Jahresbilanzen sind tiefrot gefärbt. Das unterstreicht die strukturellen und politischen Risiken in beiden Ländern. Britische und Schweizer Indizes traten seit der US-Wahl im Wesentlichen auf der Stelle. BÖRSENWETTER 2016: EUROPA LÄUFT WEITER HINTERHER Wertentwicklung der wichtigsten Aktienindizes weltweit in Euro Großbritannien Deutschland FTSE 100 DAX -2,07 3,90 8,00 -1,14 15,68 13,25 0,34 9,56 2,65 Osteuropa USA MSCI EM EASTERN EUROPE 24,79 S&P 500 12,59 12,93 25,48 29,06 -14,69 6,95 29,47 26,67 14,22 -28,38 -2,94 16,89 -18,62 5,52 Japan Europa Nikkei225 Stoxx Europe 600 6,74 -3,51 10,16 7,80 21,50 18,98 23,23 8,77 -8,05 25,42 10,08 -8,04 China HangSeng 10,17 7,09 MSCI AC ASIA PACIFIC MSCI EM LATIN AMERICA 8,28 30,78 -16,91 7,23 25,75 -14,55 Asien-Pazifik Lateinamerika -22,94 0,18 20,10 1,91 9,52 -16,44 14,21 7,31 15,25 -12,07 Region / Land Index Wertentwicklung in EUR lfd. Jahr in % Wertentwicklung in EUR in % 01.01 – 31.12.2015|2014|2013|2012|2011 -20 % Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank +20 % Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Die Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Stand: 30.11.2016 Die größten Verlierer seit der Wahl aber waren die lateinamerikanischen Märkte. Ihr Jahresgewinn hat sich von zuvor gut 40 % auf 27 % fast halbiert. Auch die asiatischen Schwellenmärkte gaben spürbar nach. Japan konnte demgegenüber zulegen. Zunächst höhere Volatilität. Europa hat längerfristig mehr Potenzial Wie aber geht es weiter? Entscheidend für den Fortgang der Konjunktur und damit die Entwicklung an den Aktienmärkten ist der Mix aus wachstumsbelebenden Steuersenkungen, öffentlicher Mehrausgaben und Deregulierungen Der vielbeachtete Nikkei-Index notiert derzeit um knapp 7 % über dem Niveau von vor der Trump-Wahl. Allerdings dürfte auch die zwischenzeitlich veröffentlichte starke BIP-Zahl unterstützt haben. AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 17 einerseits und wachstumsbremsender Handels- und Abschiebungspolitik andererseits. Der genaue Maßnahmenmix lässt sich aus heutiger Sicht einfach nicht belastbar vorhersagen. Je nach Stellungnahmen des neu gewählten Präsidenten und seines Teams dürfte sich die Perzeption des Politikmixes immer wieder verschieben – und folglich auch die Wahrnehmung der Investoren. Es dürfte dauern, bis sich ein belastbares Trump-Szenario und damit auch ein wirklicher Richtungsentscheid an den Märkten herausbilden. Diese erhöhte Unsicherheit bzw. Volatilität ist es wohl, die die US-Märkte in den kommenden Wochen, vielleicht Monaten noch prägen wird. Die Un sicherheit über das Ausmaß von Zinsänderungen und Dollar-Schwankungen kommt hinzu. Und danach? Würde das Pendel dann endgültig in Richtung Reflationierung ausschlagen, könnte das in der Tat die Wachstums- und Gewinnperspektiven in den USA verbessern und den dortigen Aktienmärkten einen verlängerten Aufschwung bescheren. Die kurzfristigen (positiven) Effekte eines solchen Konjunkturprogramms bergen allerdings mittelfristige Gefahren („Strohfeuer“): So könnte es zu einem Überhitzen der US-Wirtschaft kommen, was zu einem spürbaren Inflationsanstieg führen würde. Hinzu käme ein ausuferndes Haushaltsdefizit. Die Fed dürfte auf beide Entwicklungen mit spürbaren Zinsanhebungen reagieren, was Konjunktur und Börsen dann wiederum belastet. Ein wirklicher Aufwärtstrend an den US-Börsen wäre auch deshalb eher kurzlebig, weil die Bewertung in den USA schon jetzt sehr angespannt ist. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 liegt mit knapp 17 Punkten deutlich über seinem langfristigen Durchschnitt (siehe Grafik). US-MÄRKTE SEHR HOCH BEWERTET 35 Das zuletzt nachlassende Momentum der „reflation trades“ mag ein erstes Indiz für eine zumindest kurzfristig volatile Seitwärtsbewegung sein. Nachhaltig höher war die Bewertung zuletzt während der Technologieblase zur Jahrtausendwende. Kurs-Gewinnverhältnis (Gewinne auf 12-Monatssicht) Fed-Straffungsphasen 30 25 20 15 10 5 Jan 90 DAX 30 langfristige Durchschnitte Jan 93 Jan 96 Jan 99 Jan 02 Jan 05 Jan 08 Jan 11 Jan 14 – S&P 500 Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Die Indizes können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Stand: 30.11.2016 AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 18 Das ist dann auch der Hauptgrund dafür, dass wir im Falle eines weitgehend wachstumsneutralen Politikmix (Szenario 2) nur begrenztes Aufwärtspotenzial mehr für die US-Aktienmärkte sehen und sie eher seitwärts, möglicherweise auch schwächer tendieren sollten – insbesondere in der Phase, in der das Gros der überzogenen Reflationierungserwartung wieder ausgepreist wird. Das ökonomisch-fundamentale Aktienmarktumfeld in Europa ist für sich genommen dagegen klarer und auch konstruktiver. So ist das Kurs-GewinnVerhältnis des deutschen Aktienindex DAX ist mit 12½ Punkten nicht nur niedriger als das seiner US-Pendants, es liegt auch deutlich unter seinem langfristigen Durchschnitt. Gleiches gilt für die paneuropäischen Indizes (EuroStoxx). Das allein macht sie interessanter. Hinzu kommt noch eine zunehmende Gewinn- und Konjunkturzuversicht (wir erwarten Aufwärtsrevisionen) gepaart mit anhaltender EZB-Unterstützung. Die Europäische Zentralbank wird voraussichtlich im Dezember ihr Wertpapierkaufprogramm bis Herbst bzw. Ende 2017 verlängern. Bei behaupteten oder gar positiven US-Vorgaben verspräche das ein recht gutes Börsenjahr 2017 in Europa. Vorsichtig stimmt uns allerdings die in unseren Augen nicht nachvollziehbare negative Wahrnehmung Europas durch die internationalen Investoren (politisch handlungsunfähig, Gefahr des Scheiterns des Euro-Projekts, anämisches Wirtschaftswachstum). Die anstehenden Wahlen bzw. das Erstarken nationalistischer Kräfte dürften an dieser verzerrten Einschätzung leider nur wenig ändern. Die größten Risiken in Europa liegen wohl auf der politischen Seite. Bislang sind die EZB-Wertpapierkäufe von monatlich 80 Mrd EUR nur bis Ende März 2017 terminiert. Ein Wegfall der Käufe würde den Expansionsgrad der Geldpolitik deutlich schmälern. Unsere Anlagestrategie Bis sich die „Trump-Nebel“ gelichtet haben, werden wir in unseren Anlageentscheidungen auf Sicht fahren und taktisch Chancen suchen. Weil sich in der Vergangenheit eine erhöhte Volatilität eher als Einstiegs- denn als Ausstiegssignal für die Anleger herausgestellt hat, sehen wir durchaus die Möglichkeit, selektiv Kaufgelegenheiten zu nutzen. Das gilt z. B. bei Qualitätsunternehmen, die unter einem Präsidenten Trump auch jenseits der kurzen Frist Chancen bieten (z. B. Bau, Energie). Eine ausgewogene Streuung über verschiedene Anlageklassen, Regionen und Währungen hinweg macht in einem unsicheren Umfeld noch mehr Sinn. Wichtig ist es, übertriebene Entwicklungen zu hinterfragen und nicht jede Euphorie oder Panikattacke mitzumachen. Märkte neigen nun mal zu Übertreibungen – in beide Richtungen. Strategisch bleiben Aktien nicht zuletzt aufgrund fehlender Anlagealternativen bei gleichzeitig ansehnlicher Dividendenrendite unsere präferierte Anlageklasse (leicht übergewichtet). Unser Fokus liegt aber schon seit Längerem auf Europa (und Asien, speziell Japan). Eine noch zunehmende Gewinn- und Konjunkturzuversicht gepaart mit anhaltenden EZB-Wertpapierkäufen und die relativ bessere Bewertung versprechen Unterstützung. Nach dem Trump-Wahlsieg gilt es nun, noch mehr zu selektieren – regional, vor allem aber sektoral. US-Aktien erscheinen zumindest auf eine mittlere AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 19 bis längere Sicht weniger interessant als ihre europäischen Pendants. Innerhalb Europas bevorzugen wir Deutschland (zyklische und strukturelle Vorteile). Sektoral präferieren wir neben konsumnahen Branchen zunehmend auch zyklische Sektoren wie Grundstoffe und Technologiewerte. Rentenmärkte – „Trump Jump“, der Renditeanstieg hat begonnen Trump-Sieg akzentuiert Trendwende Die Trendwende an den Rentenmärkten setzte bereits im Spätsommer ein, als sich abzuzeichnen begann, dass die Fed noch in diesem Jahr die Leitzinsen anheben und im kommenden Jahr nachlegen wird. Der überraschende Ausgang der US-Wahl hat den Druck auf die Staatsanleihemärkte spürbar verschärft. Die nach kurzer Bedenkzeit aufkommenden „reflation trades“ ließen die Kurse festverzinslicher Wertpapiere purzeln. Spiegelbildlich dazu zogen die Renditen der richtungsweisenden 10jährigen Staatsanleihen deutlich an. Und das nicht nur in den USA, wo die Treasury-Rendite (10J) mittlerweile bei über 2,30 % notiert. Unmittelbar vor der Wahl lag sie noch bei 1,80 %. TRUMP-WAHL VERSCHÄRFT TRENDWENDE AN DEN RENTENMÄRKTEN Rendite 10jähriger Staatsanleihen (%) 8,0 Das Renditetief (10J) in den USA wurde Anfang Juli bei 1,36 % markiert, das in Deutschland Ende September bei -0,22 % (aktuell: +0,20 %). 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 -1,0 Jan 10 Jan 11 Deutschland Jan 12 Großbritannien Jan 13 USA Jan 14 – Italien Jan 15 Jan 16 – Spanien Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Die synthetischen Anleihen können nicht erworben werden und beinhalten daher keine Kosten. Bei einer Anlage in Wertpapieren fallen Kosten an, welche die Wertentwicklung reduzieren. Um die Entwicklung von Staatsanleihen in einem festen Laufzeitbereich abzubilden, werden s.g. synthetische Anleihen berechnet. Dabei wird jeweils die zum relevanten Zeitpunkt „passendste“ reale (echte) Staatsanleihe als Reverenz für die Renditechance der synthetischen Anleihe herangezogen. Abgebildet wird nachfolgend die Entwicklung der erwarteten Rendite bis zur Endfälligkeit unter folgenden Voraussetzungen: Bedingungsgerechte Bedienung der Zinszahlungen und Einlösung, Halten bis Endfälligkeit. Insoweit handelt es sich um eine Renditechance. Stand 30.11.2016 Der wahlinduzierte Renditeschub schwappte dann auch auf Europa über (internationaler Renditeverbund). Am besten konnte sich noch der deutsche Anleihenmarkt behaupten. Die Bundrendite (10J) stieg seither um lediglich 12 Basispunkte. Das spiegelt den Benchmark-Charakter deutscher öffentlicher Anleihen wider. Sie dominieren auch die EZB-Käufe (siehe Grafik). Mit dem jüngsten Anstieg scheint die Bundrendite (10J) nun endgültig das Negativterrain verlassen zu heben. In Spanien, Frankreich und Italien fiel der 1 Basispunkt entspricht 0,01 %-Punkte. AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 20 Renditeanstieg mit bis zu 40 Basispunkten allerdings spürbar höher aus, was wohl die Wahrnehmung höherer politischer Risiken durch die Anleger reflektiert. Wie dem auch sei: Sowohl der Transatlantikspread, d. h. die Renditedifferenz USA-Deutschland, als auch der Peripheriespread (europäische Peripherieländer-Deutschland) hat sich in den letzten Wochen spürbar ausgeweitet. Dazu zählt nicht zuletzt das am 4. Dezember stattfindende Verfassungsreferendum in Italien. DEUTSCHE ANLEIHEN AM STÄRKSTEN GEFRAGT EZB-Käufe öffentlicher Anleihen (Oktober 2016, kumuliert) Österreich 3% Portugal 2% Finnland 2% Irland 1% Sonstige 2% Belgien 3% Deutschland 24 % Niederlande 5% Spanien 12 % Frankreich 19 % Supranational 11 % Quelle: Europäische Zentralbank, UniCredit Bank Italien 16 % Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Stand November 2016. Der Trend bleibt nach oben gerichtet, zunächst aber höhere Volatilität Wie aber geht es weiter mit den Anleiherenditen? Zerlegt man die Nominalrendite in seine Bestandteile Realzinskomponente, Inflationsprämie und Risikokomponente, wird schnell klar, dass es die Konjunkturperspektiven, die Inflationsentwicklung, genauer gesagt, die Inflationserwartungen und damit der Fortgang der Geldpolitik sowie das Ausmaß von Unsicherheit und/oder die künftige Entwicklung des Emittentenrisikos (Bonitätsrating) sind, die den Renditetrend vorgeben. Der US-Markt ist dabei der globale Trendsetter. War der Primärtrend schon zuvor nach oben gerichtet, wird er nun durch die Wahl Donald Trumps überlagert (werden). Sollten sich die hinter den „reflation trades“ steckenden Konjunkturhoffnungen bestätigen (TrumpSzenario Nr. 1), haben die US-Nominalrenditen noch deutlichen Spielraum nach oben, weil Dahinter steckten anziehende Inflationserwartungen gepaart mit einer straffenden Fed. 1. die US-Wirtschaft dann stärker wächst als bislang projektiert (höhere Realzinskomponente), 2. die Inflation bzw. die Inflationserwartungen deutlicher steigen als derzeit erwartet (höhere Inflationsprämie) und deshalb auch AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 21 3. die Fed stärker straffen muss (um nicht noch mehr hinter die Kurve zurückzufallen), sowie „last, but not least“ 4. die Risikoprämie steigt, weil die Konjunkturschwankungen möglicherweise wieder höher ausfallen („boom & bust“), vor allem aber die öffentlichen Defizite bzw. Verschuldungsquoten in den USA spürbar ansteigen dürften. Das könnte zumindest Warnungen von Seiten der Ratingagenturen nach sich ziehen. Offen ist allerdings, wieviel von diesen Entwicklungen in den jüngsten „reflation trades“ bereits vorweggenommen wurde. Dennoch könnten wir uns einen Renditeanstieg bei US-Treasuries (10J) Richtung 3 % bis Ende kommenden Jahres vorstellen. Läuft es dagegen auf ein eher wachstumsneutrales Politikmix hinaus (Trump-Szenario 2), würde wohl ein Teil des jüngsten Renditeschubs wieder ausgepreist werden. Dann wäre nicht nur das Ausgangsniveau niedriger, sondern auch der Renditeanstieg danach verhaltener – bliebe doch die Konjunktur-, Inflations-, Fed- und Haushaltsentwicklung hinter Szenario 1 zurück. 2,50 % per Ende 2017 wäre dann eine realistische Zielgröße. Diese Entwicklungen dürften auch auf Europa ausstrahlen, wobei anhaltend hohe EZB-Käufe den Anstieg bei uns zwar einbremsen, letztlich aber nicht verhindern können. Denn auch hier dürfte zumindest Konjunktur und Inflation nach oben gerichtet sein. Das verhindert eine absolute Abkopplung vom US-Markt. Bis sich allerdings ein belastbares Trump-Szenario herauskristallisiert, wird es wohl noch dauern. Vorerst „regiert“ die Unsicherheit. Wie bei Aktien rechnen wir auch bei den Renditen eher mit erhöhter Volatilität um die aktuellen Niveaus, denn einem klaren Richtungsentscheid. Unsere Anlagestrategie Die Anleihemärkte notierten schon vor der US-Wahl schwächer, die Renditen „schauten“ dementsprechend nach oben. Mit der Erwartung einer „Trump-Reflationierung“ kamen Staatsanleihen dann unter einen regelrechten Abgabedruck, die Renditen schossen hoch. Kurzfristig erwarten wir jedoch eher eine höhere Volatilität denn einen weiteren klaren Anstieg. Mittelfristig sollten die Renditen indes weiter nach oben tendieren – wie stark, hängt von Trumps künftigem Politikmix ab. Für einen generell nach oben gerichteten Primärtrend sprechen vor allem die weitergehende FedZinsnormalisierung, eine anhaltende Konjunkturerholung sowie anziehende Inflationserwartungen. Angesichts des transatlantischen Renditeverbunds sollte die US-Entwicklung auch auf Europa ausstrahlen, zumal bei uns noch eine Wachstumsbelebung hinzukommt. Im Euroraum dürften anhaltend hohe EZB-Käufe den Anstieg zwar einbremsen, letztlich aber nicht verhindern können. In Erwartung weiter steigender Renditen haben wir unsere Duration im Portfolio bereits deutlich verringert. Von absoluter Abkopplung spricht man dann, wenn in den USA die Renditen steigen, bei uns aber fallen – oder umgekehrt. Laufen beide Märkte in die gleiche Richtung, aber mit unterschiedlicher Intensität, spricht man von relativer Abkopplung. AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 22 Höhere Renditen eröffnen Chancen für einen späteren (Wieder)Einstieg in festverzinsliche Wertpapiere. Auch hier macht ein ausgewogener Mix aus Staatsanleihen, Pfandbriefen, Unternehmensanleihen und Währungsbeimischungen Sinn. Die durchschnittliche Restlaufzeit sollte derzeit eher im Bereich um die vier Jahre gewählt werden, um mögliche Zinsänderungsrisiken überschaubar zu halten. Währungsmärkte – der Dollar als eigentlicher Wahlgewinner Dollar-Stärke, ein neuer Trend? Die wohl nachhaltigste Neuausrichtung nach der Trump-Wahl erfuhren die Währungsmärkte. Der US-Dollar schoss nach kurzer Bedenkzeit regelrecht in die Höhe. EUR-USD sackte von zwischenzeitlich fast 1,13 auf nur mehr gut 1,05 ab. Die Verluste des japanischen Yens waren sogar noch höher; USD-JPY schoss folglich um fast 8 % auf 113 regelrecht nach oben. Im Schnitt, also gegenüber den wichtigsten Handelspartnern, legte der Dollarindex nach der Wahl um knapp 5 % zu. Handelsgewichtet büßte der JPY 6 % ein, der EUR 1½ %. Trotzdem fallen beide Jahresbilanzen noch positiv aus – ganz im Gegenteil zum britischen Pfund. Es konnte nach der Trump-Wahl zwar etwas zulegen (was wohl auch den heimischen Faktoren geschuldet war), liegt gegenüber Jahresbeginn aber noch immer im zweistelligen Minusbereich (Brexit). 1,0548 so tief notierte EUR-USD am 24.11. 2016. Es war der bislang niedrigste Wert seit Überwindung der Finanzmarktkrise. Ähnlich niedrig notierte das Währungspaar allerdings bereits im Frühjahr bzw. November 2015. HOFFNUNG AUF REFLATION TRADES VERLEIHEN DEM DOLLAR FLÜGEL Handelsgewichtete Wechselkurse (1.1.2010=100) 160 150 140 130 120 110 100 90 80 70 Jan 10 EUR Jan 11 USD Jan 12 GBP Jan 13 Jan 14 Jan 15 Jan 16 JPY Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Bei der Währungsentwicklung sind anfallende Erwerbs- und Verwahrkosten nicht berücksichtigt. Stand 30.11.2016 Wie bei Aktien und Renten hat auch das Währungsmomentum zuletzt spürbar nachgelassen, ohne allerdings in eine ausgeprägte Gegenbewegung umzuschlagen. Das mag bereits ein erstes Indiz dafür sein, dass man zumindest kurzfristig eher mit erhöhter Volatilität denn einem anhaltend klaren Richtungstrend rechnen muss. AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 23 Für die Entwicklung danach ist es entscheidend, ob sich die Hoffnung auf das Reflationierungsszenario bewahrheitet oder aber verflüchtigt. Bei ersterem könnte man dem Greenback angesichts des wachsenden US-Zins- und Konjunkturvorsprungs durchaus noch (weiteres) Aufwertungspotenzial attestieren. Große Sprünge sind aber unwahrscheinlich. Warum? 1. Die Markterwartungen sind bereits sehr weit vorausgelaufen. Solch starke Währungsentwicklungen in so kurzer Zeit wie nach der TrumpWahl sind selten. Es scheint, als sei ein groß angelegtes Konjunkturprogramm bereits voll eingepreist. Nicht auszuschließen, dass die Investoren später dann dem altgedienten Motto folgen, das da heißt: „Buy the rumor, sell the fact“. 2. Überzogene USD-Longpositionen. Zuletzt waren die USD-Nettolongpositionen der Spekulanten so hoch wie Anfang des Jahres. Damals war der Dollar allerdings „billiger“ als heute. Zumindest zwischenzeitliche Gewinnmitnahmen sind damit (fast schon) vorprogrammiert. 3. Markttechnische Unterstützung? In den letzten Jahren hat sich die Marke von 1,05 bei EUR-USD als solide Unterstützungslinie etabliert (siehe Grafik) – allerdings auch deshalb, weil sowohl die US-Politik als auch die Fed kein Interesse an einem zu starken Dollar zeigten. Ob das so bleibt, ist fraglich. Präsident Trump könnte eine Dollaraufwertung durchaus als „Rückkehr zur alten Stärke“ interpretieren. Die Exportwirtschaft aber wird wohl auf die Barrikaden gehen. Und auch eine unabhängige Fed könnte gegen einen zu starken USD argumentieren. EUR-USD – 1,05 WAR BISLANG WIRKSAME UNTERSTÜTZUNG Handelsgewichtete Wechselkurse (1.1.2010=100) 1,80 1,70 1,60 1,50 1,40 1,30 1,20 1,10 1,00 0,90 0,80 0,70 0,60 Jan 10 Jan 11 Jan 12 Jan 13 Jan 14 EUR-USD EUR-GBP UniCredit Prognosen 200 180 Longpositionen sind Wetten auf steigende Kurse. Investoren, die „long“ gehen und demzufolge eine Long-Position eröffnen, versuchen mit steigenden Kursen Gewinne zu erzielen. Man kann direkt „long“ gehen und die Wertpapiere erwerben. Die meisten professionellen Investoren gehen dagegen indirekt „long“. Und zwar mit Derivaten, d. h. mit von Basiswerten abgeleiteten Produkten wie etwa Optionsscheinen, (Hebel)Zertifikaten oder auch Futures. Bei steigenden Basiswerten (der Aktien, Rohstoffe oder Indizes) gewinnen Long-Derivate an Wert. Saldiert man die Longpositionen mit den Shortpositionen, erhält man die Nettolongpositionen, also die „konsolidierte Marktmeinung“. 160 140 120 100 Jan 15 Jan 16 Jan 17 80 EUR-JPY (RS) Quelle: Thomson Reuters Datastream, UniCredit Bank Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Bei der Währungsentwicklung sind anfallende Erwerbs- und Verwahrkosten nicht berücksichtigt. Stand 30.11.2016 AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 24 4. Der USD ist nun noch mehr überbewertet. Unser stärkstes Argument für nur mehr begrenztes Aufwärtspotenzial ist indes der „faire Wert“. Auf Basis der Realzinsdifferenz (USA-EWU) liegt der Gleichgewichtswert von EUR-USD in der Spanne von 1,15-1,20. Natürlich ist der „fair value“ eine eher langfristige Richtschur. Der tatsächliche Wert kann durchaus erheblich und auch für eine längere Zeit vom Gleichgewichtswert abweichen. Je stärker die Abweichung, desto höher aber ist der Druck, zum „fairen Wert“ zurückzukehren. Auch läuft die Fokussierung der Investoren auf die Nominalzinsen (Zinsvorsprung) ins Leere. Zwar strafft die Fed weiter; andererseits steigt aber auch die US-Inflation schneller als die im Euroraum. Wenig Spielraum also für einen spürbar zunehmenden US-Realzinsvorsprung. Und der kann den Wechselkursbewegungen besser erklären als die Nominalzinsdifferenz. Diese Entwicklung von Wechselkursen (und anderen Marktpreisen) zurück zu seinem fundamental gerechtfertigten Wert nennt man „mean reverting process“. Wenn sich die Hoffnung auf ein wachstumsförderndes Konjunkturprogramm bewahrheiten sollte, hat der Greenback im ersten Halbjahr 2017 weiteres (aber eben begrenztes) Aufwärtspotenzial. Längerfristig erwarten wir ihn eher wieder schwächer – auch weil die Märkte dann vermehrt über die ökonomische „Boom“-Phase hinweg auf die „Bust“-Phase schauen könnten. Bei einem eher wachstumsneutralen Trump-Szenario (Variante 2) würde die Gegenbewegung auf die jüngste USD-Stärke wohl deutlich früher einsetzen. Die zahlreichen politischen Risiken in Europa (Wahlen 2017) begrenzen allerdings das Aufwärtspotenzial von EUR-USD. Die Marke von 1,10 könnte gegen Ende 2017 indes wieder ins Visier rücken. Unsere Anlagestrategie Bis sich ein belastbares Trump-Szenario herausgebildet hat, erwarten wir auch an den Währungsmärkten eher eine höhere Volatilität denn einen klaren Richtungstrend. Der US-Dollar dürfte jenseits kurzfristiger Schwankungen (Gewinnmitnahmen) damit stark bleiben, aber nicht noch deutlich stärker werden. Sollten sich die Hoffnungen einer Trump-Reflationierung bestätigen, könnte der Greenback allerdings noch einmal Rückenwind bekommen. Große Sprünge sind aber nicht zu erwarten. Die konjunkturellen Impulse scheinen weitgehend eingepreist und die Aufwertungswetten (Nettopositionen) überzogen. Zudem ist der USD nun noch stärker überbewertet als vor der Wahl. Längerfristig erwarten wir den Greenback daher selbst in einem Reflationierungsszenario wieder etwas schwächer – auch weil die Märkte vermehrt über die ökonomische „Boom“-Phase hinweg auf die „Bust“-Phase schauen könnten. Sollten sich die Reflationierungshoffnungen dagegen verflüchtigen, würde die Gegenbewegung auf die jüngste USD-Stärke wohl deutlich früher einsetzen. Das Aufwärtspotenzial von EUR-USD bleibt angesichts der politischen Risiken in Europa allerdings in beiden Szenarien begrenzt, der Dollar strategisch zur Streuung im Portfolio interessant. Im kommenden März finden Parlamentswahlen in den Niederlanden statt. Die Franzosen wählen im Mai einen neuen Präsidenten und im September gehen die Deutschen an die Wahlurnen. AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 25 Rohstoffmärkte – Gold unter Druck, Metalle gefragt, Öl im Spannungsfeld von Trump und OPEC Die Reaktionen der Rohstoffmärkte auf die Trump-Wahl fielen recht unterschiedlich aus. Gold, in einer Erstreaktion noch einer der wenigen „Wahlgewinner“, kam mit dem Aufkommen der Reflationierungshoffnungen rasch wieder unter Druck und rutschte erstmals seit Februar unter die Marke von 1.200 USD pro Feinunze. Gold als Krisen- und Unsicherheits-Asset war mit dem Umschalten auf den Risikomodus der Investoren nicht mehr gefragt. Die rasante Dollar-Aufwertung mag ebenso belastet haben. Auf der anderen Seite standen die Industriemetalle, die nach kurzer „Bedenkzeit“ erst recht gefragt waren – der Dollarstärke zum Trotz. Der zum Jahreswechsel 2015/16 in Gang gekommene Aufwärtstrend beschleunigte sich. Die Hoffnung auf Konjunktur- bzw. Infrastrukturprogramme sorgte für den nötigen Rückenwind. Baunahe Rohstoffe wie Kupfer profitierten besonders (siehe Grafik). Wie die meisten Rohstoffe ist auch Gold in US-Dollar fakturiert. Legt der Greenback zu, verteuert das die Rohstoffnachfrage außerhalb des Dollarraums. INDUSTRIEMETALLE ZEIGTEN SCHON VOR DER TRUMP-WAHL NACH OBEN 1.1.2010=100 200 180 160 140 120 100 80 60 40 Jan 10 Aluminium Jan 11 Kupfer Jan 12 Jan 13 Nickel Zinn Jan 14 Jan 15 Jan 16 Zink Quelle: Reuters Datastream, UniCredit Bank Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Bei Rohstoffen/Rohstoffzertifikaten sind anfallende Erwerbs- und Verwahrkosten nicht berücksichtigt. Stand 30.11.2016 Und Erdöl? Hier muss man differenzieren. In den ersten Tagen nach der TrumpWahl rutschte der Ölpreis erst einmal (weiter) ab. Am 14.11. erreichte er mit unter 45 USD pro Fass (Brent) den niedrigsten Wert seit Anfang August. Die Hoffnung auf eine Angebotsausweitung als Folge möglicher Deregulierungen (u.a. Umweltauflagen) überwog dabei offensichtlich die Erwartung von Nachfrageimpulsen (Konjunkturpaket) oder der Revision des Iran-Abkommens. Der Rutsch unter die 50 USD-Marke setzte aber schon Ende Oktober ein, als die Enttäuschung über konkrete Förderkürzungsmaßnahmen auf höhere US-Lagerbestände traf. In der zweiten Novemberhälfte aber zogen die Notierungen in der Hoffnung auf eine endgültige Einigung über niedrigere OPEC-Förderquoten wieder an. Die Hoffnung wurde dann auch nicht enttäuscht. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC, Organization of the Petroleum Exporting Countries) umfasst derzeit 13 Länder (Irak, Iran, Kuwait, Saudi-Arabien, Venezuela, Katar, Indonesien, Libyen, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien, Nigeria, Angola & Ecuador). Die OPEC fördert etwa 40 % der weltweiten Erdölproduktion und verfüget über 75 % der weltweiten Erdölreserven. Ziel der Organisation ist es, über die Regulierung der Förderung den Ölpreis in der gewünschten Zielzone zu stabilisieren. Mangelnde Kartelldisziplin im Verbund mit unabhängigen „global playern“ wie Russland erschweren allerdings die Zielerreichung immer wieder. AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 26 Der Anstieg der Ölpreise jenseits kurzfristiger Schwankungen kann also weitergehen. Das unterstreichen die fundamentalen Treiber – zum einen anziehende Weltnachfrage als Folge der Erholung der globalen Industriekonjunktur. Das gilt auch dann, wenn zusätzliche US-Impulse weitgehend ausbleiben sollten. Gleichzeitig dürfte das Angebot sukzessive zurückgehen. Die jahrelang vernachlässigten Investitionen im Energiesektor rächen sich sukzessive. Und bis sich Trumps (angedachte) Deregulierungen in einer Ausweitung der US-Förderung niederschlagen, wird es wohl noch länger dauern. Freilich, die üppigen Rohölvorräte gepaart mit einer zögerlichen OPEC werden den Umschwung in ein Angebotsdefizit am Ölmarkt weiter verzögern. Bis weit ins kommende Jahr hinein rechnen wir daher mit seitwärts tendierenden Ölpreisen – bevor sie dann wieder in eine moderate Aufwärtsbewegung einschwenken. SCHAUKELBEWEGUNG BEI ÖL, GOLD DAGEGEN UNTER DRUCK 160 2100 140 1900 120 1700 100 1500 80 1300 60 1100 40 900 20 Jan 10 Jan 11 Jan 12 Rohöl (Brent, USD pro Fass) Jan 13 Jan 14 Jan 15 Jan 16 700 Gold (USD pro Feinunze, RS) Quelle: Reuters Datastream, UniCredit Bank Bitte beachten Sie: Vergangenheitswerte und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Entwicklung. Bei Rohstoffen/Rohstoffzertifikaten sind anfallende Erwerbs- und Verwahrkosten nicht berücksichtigt. Stand 30.11.2016 Bei Industriemetallen könnte angesichts der bereits aufkommenden Angebotsdefizite die Aufwärtsbewegung jenseits kurzfristiger Gewinnmitnahmen indes weitergehen. Auch bei Gold sind immer wieder mal kurzfristige Gegenbewegungen möglich, wenn sich z. B. die Trump-Reflationierungshoffnungen verflüchtigen oder die politischen Risiken weltweit akzentuieren. Einen wirklichen Aufwärtstrend sehen wir aber nicht. Unsere Anlagestrategie Wir sind derzeit nur in Gold allokiert. Die Position hat sich als wirksamer Stabilisator erwiesen und dürfte dies auch in Zukunft tun. Zudem ist die Jahresbilanz trotz der jüngsten Verluste immer noch deutlich positiv. Daneben haben wir aktuell keine Allokation in dieser Anlageklasse und streben sie kurzfristig auch nicht an – selbst wenn der Trend bei Industrierohstoffen tendenziell nach oben zeigt. Der Anstieg dürfte allerdings verhalten, die Volatilität hoch bleiben. Zwischenzeitliche Konsolidierungen sind w ahrscheinlich. AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 27 Nachdem mittlerweile auch die Markterwartungen meist klar nach oben gerichtet sind, drohen zudem Rollverluste. Das macht einen Einstieg in diese Vermögensklasse kompliziert und riskant. Weil man als Finanzinvestor Rohstoffe nicht physisch kaufen und aufbewahren kann/will, erwirbt man Terminkontrakte und sichert sich damit einen Preis in der Zukunft. Will man investiert bleiben, kauft man mit Ablauf des Kontrakts mit dem frei werdenden Kapital in aller Regel den nächstfälligen Kontrakt („Überrollen“). Erwartet die Gesamtzahl der Marktteilnehmer allerdings steigende Rohstoffpreise, ist der jeweils neue Kontrakt teurer als der alte („Contango-Situation“). Der Investor erleidet Rollverluste. AusBlick – Marktentwicklung & Anlagestrategie 28 DISCLAIMER Unsere Darstellungen basieren auf öffentlichen Informationen, die wir als zuverlässig erachten, für die wir aber keine Gewähr übernehmen, genauso wie wir für Vollständigkeit und Genauigkeit nicht garantieren können. Wir behalten uns vor, unsere hier geäußerte Meinung jederzeit und ohne Vorankündigung zu ändern. Die in diesem Report diskutierten Anlagemöglichkeiten könnten – je nach speziellen Anlagezielen, Zeithorizonten oder bezüglich des Gesamtkontextes der Finanzposition – für bestimmte Investoren nicht anwendbar sein. Diese Informationen dienen lediglich der eigenverantwortlichen Information und können eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Bitte wenden Sie sich an den Anlageberater Ihrer Bank. In der Bereitstellung der Informationen liegt kein Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages. Alle Angaben dienen nur der Unterstützung Ihrer selbständigen Anlageentscheidung und stellen keine Empfehlungen der Bank dar. Diese Information genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit von Finanzanalysen und unterliegt keinem Verbot des Handels vor der Veröffentlichung von Finanzanalysen. 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Die Wertentwicklung in der Vergangenheit sollte nicht als Maßstab oder Garantie für die zukünftige Wertentwicklung genommen werden, und eine zukünftige Wertentwicklung wird weder ausdrücklich noch implizit garantiert oder zugesagt. Die Informationen dienen lediglich der Information im Rahmen der individuellen Beratung durch Ihren Berater und können diese nicht ersetzen. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Quellen zu Grafiken, soweit nicht einzeln angegeben: Thomson Reuters Datastream, eigene Berechnungen. IMPRESSUM Herausgeber: UniCredit Bank AG Arabellastraße 12 81925 München Fachredaktion: Oliver Postler, Adrian Becker, Nikolaus Keis, Christina Steinhoff Erscheinungsweise: monatlich Abgeschlossen am: 02.12.2016 Sie möchten diese Publikation flexibel auf Ihrem Smartphone oder Tablet lesen? Einfach den QR-Code scannen oder gleich direkt unsere Website aufrufen. http://www.hypovereinsbank-publikationen.de AusBlick – DIsclaimer 29