Link - DGLR: Deutsche Gesellschaft für Luft
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E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:38 Uhr Seite 3 Euro 4,50 US$ 5,50 AUSGABE 1/ 2007 W E L T A L L + E R D E + M E N S C H Amerikanische Visionen Heft 46 EXKLUSIV: Thomas Reiter im Gespräch mit RC E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:38 Uhr Seite 4 Gestatten: SAR-Lupe. Deutschlands erstes satellitengestütztes Radar-Aufklärungssystem! Hochleistungsfähige Kleinsatelliten tragen heute entscheidend dazu bei, die im Weltall gewonnene Perspektive zu nutzen. Mit seinem erfolgreichen Start und hervorragenden Bildern setzt das innovative SAR-Lupe-System einen neuen Meilenstein für die militärische und zivile Aufklärung. Die fünf Satelliten mit hoch auflösendem Radar ermöglichen Tag und Nacht bei jeder Witterung ein breites Spektrum von Erdbeobachtungsaufgaben – und damit mehr Sicherheit für Deutschland und weltweit. OHB – Ihr Experte für Kleinsatellitenbau! www.ohb-system.de Die OHB-System AG dankt ihrem Auftraggeber und den Projektpartnern für die erfolgreiche Zusammenarbeit. OHB 7277_AZ_SAR-Lupe_210x297.ind1 1 23.02.2007 12:31:30 Uhr E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:38 Uhr Seite 5 INHALT/CONTENTS 6-9 RC-Interview Mit eigenen Füßen auf dem Mars zu stehendas wäre schon der absolute Traum! Ein Gespräch mit dem deutschen ESA-Astronauten Thomas Reiter. Hartmut E. Sänger und Horst Jelitte hatten für RC exklusiv die Gelegenheit unseren ersten europäischen und deutschen Langzeitastronauten auf der ISS am 8. Februar im EAC zu interviewen. Dabei erläutert Thomas Reiter u.a. auch seine eigene Sicht zur politischen Rolle der Raumfahrt, dem Weltraumtourismus und der bemannten Raumfahrt als Ganzes. RC-interview With my own feet on Mars this would be the ultimate dream! Interview with German ESA astronaut Thomas Reiter. Hartmut E. Sänger and Horst Jelitte had the exclusive opportunity to interview the first European and German long-duration astronaut on the ISS. The talk took place 8 February at EAC Cologne. Thomas Reiter explained his view on the political role of astronautics, on space tourism and on human space flight in general. 10-15 RC-Thema Ist die 13 eine Glückszahl? Von Dr. Dwayne A. Day Der Autor unterzieht die US-amerikanische Vision for Space Exploration einer kritischen Analyse. Er zweifelt insbesondere an der Finanzierung und an dem politischen Willen künftiger US-Präsidenten für das Programm. Im 6. Teil unserer Rubrik Mondzeit beschreibt Dr. Day ausführlich den US-amerikanischen Plan, wieder zum Mond und darüber hinaus zu gelangen. RC-topic Is 13 a lucky number? By Dr. Dwayne A. Day The author analyses critically the US-American vision for space exploration. He has his doubts on the financial feasibility and the political will of future US-presidents to go on with the programme. In part 6 of our column moontime, Dr. Day describes in detail the US-American plan for return to Moon and going beyond. 19-23 RC-Thema VR China – die dritte Weltraummacht (Teil 7) Von Chen Lan In einer weiteren Folge beschreibt unser ChinaKorrespondent die Leistungsfähigkeit der chinesischen Trägersysteme, die politischen Auseinandersetzungen mit den USA sowie die Erfolge und Fehlschläge im kommerziellen Satellitengeschäft. RC-topic PR China – the third space power (part 7) By Chen Lan In this part of our ongoing series Chen Lan, RC’s correspondent in China, describes the performance of Chinese rocket carrier systems. He also reflects on the political struggle with the USA as well as success and failures of commercial satellite business. 25-27 RC-Thema Marszeit (Teil 27, Folge 2) Experimente für einen bemannten Marsflug Von Jewgeni Demin In unserer Fortsetzung aus dem letzten Heft umreißt der Autor ein großangelegtes Experiment, das mit sechs freiwilligen Probanden im Herbst dieses Jahres in Moskau beginnen soll. Es stellt die bisher umfangreichste Simulation für einen bemannten Flug zum Mars dar. RC-topic Mars Time (part 27, second chapter) Experiments for a human space flight to Mars By Jevgeny Demin In the continuation of our article, started in the last issue of RC, the author outlines an experiment on a big scale. It is a simulation of a manned mission to Mars, which is about to start in fall this year in Moscow. The experiment conducted with 6 volunteers is the most comprehensive simulation ever undergone. 28-30 RC-Interview Mjachkaja Posadka – Weiche Landung! Tasillo Römisch konnte mit dem legendären Bergungsleiter der Russischen Raumfahrt im Sternenstädtchen sprechen. Josif V. Dawydow berichtet von dramatischen und glücklichen Ereignissen, die mit noch unveröffentlichten Bildern dokumentiert werden. RC-interview Myachkaya pozadca – Soft landing! Tasillo Roemisch could talk to the legendary recovery officer of Russian astronautics, Josiv V. Dawydov. Roemisch met Dawydov in Star City near Moscow. The Russian tells about dramatic and lucky events. The interview is illustrated by pictures never before published. 34-36 RC-Private Raumfahrt Die tollkühnen Männer in ihren rasselnden Raketen (Folge 3) Von Eugen Reichl Diesmal untersucht unser Autor das Erfolgsrezept der Privaten Raumfahrt. Dabei kritisiert er die Europäische Bürokratie und Ignoranz. Er berichtet von den innovativen Ideen in den USA und von den zurückhaltenden Aktivitäten in Europa. RC-private space flight The daredevil men in their rattling rockets (part 3) By Eugen Reichl This time our author investigates the formula for success in private astronautics. He is heavily criticising European bureaucracy and ignorance. Reichl talks about innovative ideas in the USA and the more than reserved activities in Europe. Weitere Beiträge und Rubriken Kolumne (Seite 5), Rückblick: 1967-Katastrophenjahr der bemannten Raumfahrt (16-18), Rezensionen (18), Missionsreport Space Shuttle: STS-116 (31-32), Raumfahrerporträt (33), Hobby: Weltraumphilatelie (37), Raumflugkörper-Report Nr. 34/35/36 (38-41), RFK-Spot (41), ISS-Sichtbarkeit in den Monaten April bis Juni 2007 (42), Impressum (42). Further articles and columns Editorial (page 5), History: 1967-Desasters in space (16-18), Book review (18), Mission report Space Shuttle: STS-116 (31-32), Astronaut’s portrait (33), Hobby: Space philatelics (37), Satellite digest # 34/35/36 (38-41), Satellite digest spot (41), Visibility of the International Space Station in the months of April until June 2007 (42), Imprint (42). . Typenblätter Kosmos 110 (3KV), Pioneer 10 & 11 Beilagen der ESA Human Exploration Promotion Division und des ESA Technology Transfer Programmes: Newsletter "Space for Business". Meister Verlag GmbH: Sammelkarte „Space – Entdecke den Weltraum“ Fact sheets Cosmos 110 (3KV), Pioneer 10 & 11 Supplements from ESA Human Exploration Promotion Division and ESA Technology Transfer Programmes: Newsletter "Space for Business". Meister Publishing: Collecting card „Space – Entdecke den Weltraum“. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:38 Uhr Seite 6 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Wissen Space Master gesucht ! 3. Runde Liebe Leserinnen, liebe Leser, nachdem unsere 2. Runde offenbar sehr leicht zu bewältigen war, hat sich Space Driver Cörling für die neue Runde ein paar kniffligere Fragen, diesmal zum Thema Mond und Mars ausgedacht (zutreffendes bitte unterstreichen oder farbig markieren). Senden Sie Ihre Antworten bitte bis 3 0 . 0 5 . 2 0 0 7 per Post, Fax oder Mail an unsere Redaktion: Raumfahrt Concret, Fax: 0395/ 36 96 747, Mail: [email protected] Das Quiz finden Sie auch auf unserer Homepage: www.raumfahrt-concret.de unter „Gewinnspiel“. Nach jeder Runde verlosen wir Geld- und Sachpreise, sowie verschiedene Überraschungen. Nach fünf Runden erfolgt die erste größere Zwischenauswertung mit Prämierung des ersten Space Masters zu den 23. Tagen der Raumfahrt, am 8./.9. September 2007 in Neubrandenburg. Hier die Auflösungen aus Runde 1: 1B; 2A; 3A; 4C; 5C; 6C; 7A; 8C; 9A; 10B. Lösungen aus Runde 2: 1C; 2B; 3A; 4C; 5B; 6A und C; 7C; 8A; 9B; 10C. Die Top Ten der zweiten Runde 1. Feil, Tobias 93183 Kallmünz/ 60 Punkte 2. Kremmer, Michael 99423 Weimar/ 60 Punkte 3. Kaspari, Dr. med. Christoph 41366 Schwalmtal/ 60 Punkte 3. Heuer, Werner 22089 Hamburg/ 60 Punkte 4. Preuß, Johann 12053 Berlin/ 60 Punkte 5. Görmer, Frank 56472 Lautzenbrücken/ 60 Punkte 5. Kroemer, Bernhard 01640 Coswig/ 60 Punkte 6. Steude, Joachim 04209 Leipzig/ 60 Punkte 7. Schumacher, Michael 66606 St.Wendel-Bliesen/ 60 Punkte 8. Selcuk, Baris 50735 Köln/ 60 Punkte 9. Feifel, Thomas 71570 Oppenweiler/ 60 Punkte 10. Erbe, Michael 06188 Landsberg/ 60 Punkte 4 Platz 1 und 2 gewinnen eine Reise zum ESAKontrollzentrum in Darmstadt im Juni oder Juli 2007. Platz 3 und 5 jeweils die DVD vom Flug des deutschen ESA-Astronauten Thomas Reiter. Platz 5 bis 10 je einen Astrium-Pinset. Die Gewinnbenachrichtigung bzw. Preise erhalten Sie in den nächsten Tagen. 1. Welche Raumsonde landete erstmals weich auf der Mondoberfläche? 6 Punkte A: Ranger 9 ❐ B: Lunik 1 ❐ C: Luna 9 ❐ 2. Welche seltene chemische Verbindung wollen die Russen auf dem Mond abbauen? 10 Punkte A: Helium III ❐ B: Wasserstoff ❐ C: Titan ❐ 3. Welche Bezeichnung trägt das künftige amerikanische MondRaumschiff? 3 Punkte A: Lunar ❐ B: Orion ❐ C: Ares ❐ 4. Welches Land will in den nächsten zwei Jahren keinen Mondsatelliten starten? 5 Punkte A: Indien ❐ B: Russland ❐ C: China ❐ 5. Auf welchem Fachgebiet arbeitete der einzige ApolloWissenschaftsastronaut Harrison "Jack" Schmitt, der mit Apollo 17 zum Mond flog? 9 Punkte A: Astronomie ❐ B: Geologie ❐ C: Chemie/Physik ❐ Die Top Ten nach zwei Runden Preuß, Johann 12053 Berlin/ 108 Punkte Feil, Tobias 93183 Kallmünz/ 108 Punkte Krüger, Michael 17034 Neubrandenburg/ 108 Punkte Leuband, Frank 25355 Barmstedt/ 108 Punkte Kaspari, Dr. med. Christoph 41366 Schwalmtal/ 106 Punkte Kroemer, Bernhard 01640 Coswig/ 106 Punkte 6. In welcher Region soll die künftige amerikanische Mondbasis errichtet werden? 5 Punkte A: Mondäquator ❐ B: Nordpol ❐ C: Südpol ❐ 7. Wie hieß die Romanvorlage von Orson Wells, die in einem Hörspiel die Invasion von Marsmenschen schilderte? 7 Punkte A: Planet des Todes ❐ B: Staub der Sterne ❐ C: Krieg der Welten ❐ 8. Wie heißt die geplante deutsche Mars-Ballonmission der Mars Society Deutschland? 4 Punkte A: Archimedes ❐ B: Marsloop ❐ C: Olympic ❐ 9. Aus welchem Land stammt die hochauflösende Kamera an Bord der europäischen Mars-Express-Sonde? 3 Punkte A: Deutschland ❐ B: Frankreich ❐ C: Großbritannien ❐ 10. Wie lautet die deutsche Übersetzung für die beiden Marsmonde Phobos und Deimos? 7 Punkte A: Schild und Schwert ❐ B: Knapp und Ritter ❐ C: Furcht und Schrecken ❐ Möller, Wolfgang A. 63322 Rödermark/ 106 Punkte Schumacher, Michael 66606 St.Wendel-Bliesen/ 106 Punkte Niepel, Ellen 52441 Linnich/ 106 Punkte Muntenaar, Ingo 28201 Bremen/ 106 Punkte Bei Punktgleichheit entschied der Posteingang über die Platzierung. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:38 Uhr Seite 7 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Kolumne Europa sucht eine Vision Durch die ESA-Ministerratskonferenz im Dezember 2005 ging ein Aufatmen. Direkt nach der deutschen Bundestagswahl waren die Zuständigkeiten noch nicht einmal vollständig geregelt, als in Berlin das ESA-Budget der nächsten 3 Jahre verabschiedet werden sollte. Von Deutschland aus setzte man ein Zeichen, indem man die von Frau Bulmahn auf Grund des unzureichenden Geographical Returns zurückgehaltenen ESA-Beiträge nachzahlte und schließlich einigte sich die Gemeinschaft so auf die Finanzierung nahezu aller von der ESA beantragten Gelder. Es war aber auch klar geworden, dass künftige Budgetanträge eine gründlichere Vorbereitung brauchen würden. Wie könnten sich der Steuerzahler und damit die Politik mit zukünftigen Projekten besser identifizieren und eher zur Überzeugung gelangen, dass Raumfahrt kein Luxus sei? Erinnern wir uns gut 30 Jahre zurück. Die europäische Raumtransportorganisation ELDO und die Forschungsorganisation ESRO wurden zur Europäischen Raumfahrtagentur fusioniert. Die zu geringe finanzielle Ausstattung, die verschiedenen Versuche, das europäische Programm den nationalen Interessen unterzuordnen, der Misserfolg des Europa-Trägers und schließlich der Zwang zu einer Entscheidung, bedingt durch die Einladung der USA am ApolloNachfolgeprogramm teilzunehmen, führten zu diesem Schritt. Das erinnert nun einigermaßen an die heutige Situation und die EU stünde sicherlich bereit, die Planungsaufgaben der ESA weiterzuführen. Greifen wir aber das Stichwort wieder auf. Welche prinzipiellen Möglichkeiten hat die ESA für eine Vision? • Die robotische Raumfahrt erlaubt eine Reihe von sehr interessanten Projektkonzepten innerhalb unseres Sonnensystems. Ob die Substanz aber für eine Vision ausreicht, wie sie der Öffentlichkeit und Politik vermittelt werden muss, ist eher unsicher. • Die gerade von der NASA ausgesprochene Einladung zur Teilnahme an einer permanenten Mondstation ist ein spektakulärer Anreiz und eventuell böte ein Bartergeschäft, also ein Tauschhandel mit Dienstleistungen, einst die Möglichkeit für ESAAstronauten auf den Erdmond zu gelangen. Die Entwicklung und Finanzierung des neuen amerikanischen Mondprogramms bietet allerdings noch viele Unsicherheitsfaktoren und entsprechend aufwändige europäische Planungen wären damit wohl noch sehr risikoreich. • Eine weitere Option wäre eine Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation. So könnte man die Kosten einmal durch den russischen Standortvorteil senken und dann noch einmal innerhalb einer Kooperation teilen. Tatsächlich gibt es schon seit 2 Jahren mit Oural eine französisch-russische Gemeinschaftsplanung. Oural soll einmal zu einem zwei- oder dreistufigen ballistischen Träger für eine Nutzlast bis zu 35 Tonnen führen, die Nachfolge von Ariane 5 und Sojus antreten und zur Finanzierung durch die ESA vorgeschlagen werden. Dazu soll, wie aus Russland zu hören, nach und nach die Technologie auf wiederverwendbare Komponenten umgestellt, ein besserer Hitzeschutz erprobt, ein mehrfach zündbares Triebwerk und schließlich ein bemanntes Fahrzeug für diesen Träger entwickelt werden. Die Risiken für ein solches Projekt sind für die Industrie überschaubar. Inwieweit so das grundsätzliche Problem aller Raumfahrtprojekte, die viel zu hohen Transportkosten, gelöst werden kann ist eine andere Frage. Vertreter von Politik, Wissenschaft, Industrie und Öffentlichkeit setzten sich jetzt in Edinburgh auf Einladung der ESA sowie des Nationalen Britischen Raumfahrtzentrums zusammen. Innerhalb von 2 Tagen sollten die Möglichkeiten für die künftige europäische Weltraumforschung vorgetragen und erörtert werden. Dazu präsentierten die nationalen Organisationen in vielfacher Konkurrenz eine große Zahl von Missionsvorschlägen zum Mond, zum Mars, zu den Librationspunkten, zu Meteoriten und den Monden der großen Planeten, robotisch und bemannt. Als besondere Highlights sind immerhin der Mars Sample Return mit der Fähigkeit, Marsproben zurück zur Erde zu bringen, sowie ein Marsrover mit ExoMars hervorzuheben. All diese nicht wirklich neuen, wissenschaftlich oder kommerziell begründeten Vorschläge sollen jetzt in einem Fahrplan, einer sogenannten „Roadmap“ koordiniert und zur Finanzierung vorgeschlagen werden. Hartmut E. Sänger Kann die Lösung so aussehen? Was hat diese aber mit der Vision zu tun, mit der sich Öffentlichkeit und Politik identifizieren sollen, um ein künftiges Raumfahrtprogramm als selbstverständliche Notwendigkeit anzuerkennen? Dass direkt im Anschluss die britische Wissenschaft mit „Moonlight“ und dem „Moonraker“ einen nationalen Vorschlag für zwei Mondsonden auf allen Fernsehkanälen präsentierte, mag ein Zufall gewesen sein. Es ist aber auch ein Hinweis auf die Dringlichkeit für die ESA, die gegenwärtigen Routinen zu überdenken. Inwieweit ist eine föderalistische Organisation wie die ESA aber überhaupt in der Lage, die verschiedensten Einzelinteressen einem gemeinsamen Programm, einer Vision, unterzuordnen? Deshalb sind weniger föderalistische Strukturen für die Raumfahrt aber nicht automatisch hilfreicher. So hat die Volksrepublik China im Januar einen eigenen ausgedienten Wettersatelliten mit einer Rakete zertrümmert. Dies sollte ein Satellitenabwehrtest sein. Die Frage scheint aber, ob man damit jetzt die internationale Gemeinschaft oder eher das eigene Volk beeindrucken wollte? Wer in der Lage ist erfolgreich Astronauten in eine Erdumlaufbahn zu schicken, bei dem setzt man immerhin derartige Fähigkeiten automatisch voraus und dass sich künftige Raumfahrer vor dieser Trümmerwolke in Acht nehmen müssen nutzt auch der chinesischen Raumfahrt wenig. Stellt diese Aktion dann Chinas ernsthafte Raumfahrtabsichten vielleicht eher in Frage? Zurück zur europäischen Raumfahrt. Im letzten Heft berichteten wir an dieser Stelle über die deutsche Hightech-Strategie. Inzwischen hat sich auch das französische Parlament zu Wort gemeldet. Hier wird auf Grund der internationalen Raumfahrtanstrengungen sehr viel konkreter ein wesentlich intensiveres Engagement Europas für die Raumfahrt verlangt. So werden unter anderem Sanktionen gegenüber europäischen Regierungen gefordert, die ihre militärischen und zivilen Satelliten nicht von Arianespace starten lassen. Es werden in Zusammenarbeit mit der französischen Atomenergiekommission und der französischen Industrie nuklear gespeiste Sonden für die Erkundung des Sonnensystems gefordert. Es wird innerhalb von 5 Jahren eine bemannte Schwerlastversion der Ariane 5 wie auch die Unterstützung kommerzieller Raumfahrttourismusprojekte durch die europäischen Regierungen gefordert. Dies mag spektakulär klingen. Letztlich geht es aber darum die europäischen Interessen im internationalen Konzert zu reklamieren. Die Deutsche Forschung bleibt dagegen unauffällig und bescheidet sich auf einen Vorschlag für eine weitere unbemannte Mondsonde. Diese soll immerhin „Leuchtturmfunktion“ haben, also eine Vision repräsentieren. Ist es dann vermessen, dass ein kleiner Verein wie die Deutsche Marssociety mit Archimedes eine eigene Marssonde recht erfolgreich vorbereitet oder ist es eher ein Armutszeugnis für die offiziellen deutschen Ambitionen? Hartmut E. Sänger 5 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:38 Uhr Seite 8 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Interview Mit eigenen Füßen auf dem Mars zu stehen das wäre schon der absolute Traum ! Ein Gespräch mit dem deutschen ESA-Astronauten Thomas Reiter ESA-Astronaut Thomas Reiter im Gespräch mit RC-Redaktionsmitglied Horst Jelitte. RC: Herr Reiter, willkommen auf der Erde und herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Mission! Haben Sie den ersten Jogginglauf auf der guten alten Erde schon hinter sich gebracht? Thomas Reiter: Den habe ich schon lange hinter mir. RC: Und wie war das Gefühl beim ersten Lauf? Thomas Reiter: Das ist schon gewöhnungsbedürftig. Wenn man ein halbes Jahr in der Schwerelosigkeit war ist man zunächst davon überrascht, wie schwer sich der Körper unmittelbar nach der Rückkehr anfühlt. Das wird dann allerdings sehr schnell besser. Und wenn man nach ein paar Tagen mit leichtem Jogging beginnt, stellt man natürlich fest, dass man ein wenig plattfüßig läuft! Das liegt ganz einfach daran, dass der Bewegungsablauf hier auf der Erde ein ganz anderer ist als beim Laufen auf der Tretmühle an Bord der ISS. Die Erholung des Körpers nach der Rückkehr geht aber sehr schnell vonstatten. 6 RC: Sie sagen, dass die ersten Stunden/der erste Tag nach Ihrer Rückkehr zur Erde nicht ganz so angenehm war. Welche Konsequenzen sind daraus nach Ihrer jetzigen Erfahrung für einen bemannten Flug zum Mars zu ziehen, der – geht man von gängigen Szenarien aus – etwa 9-12 Monate dauern wird? Thomas Reiter: Man muss eine ganze Menge dafür tun, um seine Fitness zu erhalten und um die Anpassungszeit an eine Schwerkraft, die bei einer Marsmission natürlich nicht die gleiche ist wie hier auf der Erde, so gering wie möglich zu halten. Da ist das Ende der technischen und medizinischen Möglichkeiten noch nicht erreicht. Heute haben wir auf der ISS vier Sportgeräte. Die Art und Weise, wie wir daran üben, und die Zeit, die wir dafür aufwenden, lassen eine deutliche Fortentwicklung im Vergleich zu meiner ersten Mission zur russischen Raumstation Mir erkennen. Ich bin mir sicher, dass es bei Sportgeräten noch enorme Weiterentwicklungen geben wird. Basierend auf den Erfahrungen an Bord der Mir und ISS gehe ich davon aus, dass der Körper auch bei Langzeitmissionen, die zwei Jahre oder sogar noch länger dauern, nach der Rückkehr relativ rasch wieder in seinen Normalzustand zurückkehren kann. RC: Wie lange kann nach Ihrer Einschätzung eine bemannte Mission unter heutigen Bedingungen dauern? Der Rekord wird von Waleri Poljakow mit 437 Tagen gehalten. Sehen Sie angesichts unserer heutigen Möglichkeiten eine deutliche ‚Schmerzgrenze’? Thomas Reiter: Ob es tatsächlich irgendwo eine physiologische Grenze gibt, das kann ich natürlich – basierend auf meinen eigenen Eindrücken – noch nicht sagen. Tatsache ist, und Sie haben eben Waleri Poljakow angesprochen, dass er nach den vierzehneinhalb Monaten auch nicht länger für die Anpassung brauchte als die Astronauten, die nur ein halbes Jahr oben waren. Ich denke, das lässt gewisse positive Ausblicke zu. Es gibt auch in der Medizin noch zahlreiche Möglichkeiten, etwa bestimmte Medikamente, die in der Raumfahrt noch nicht eingesetzt worden sind. Deshalb kann man heute noch nicht von einem physiologischen Limit sprechen. RC: Herr Reiter, Sie haben Ihre relativ schnelle Anpassung an die irdischen Gegebenheiten angesprochen. Wenn Sie es heute entscheiden könnten, wann würden Sie wieder fliegen wollen? Thomas Reiter: Jetzt muss ich ein bisschen vorsichtig sein (lacht). Ich muss vorwegschicken, dass man sich nach einer solchen Mission natürlich wieder ganz hinten in der Warteschlange anstellen muss. Das ist auch fair, denn meine Kollegen, die schon lange trainieren und mit großer Begeisterung auf ihren Einsatz warten, die müssen erst einmal zum Zuge kommen. Alleine deshalb liegt der Zeitpunkt für einen erneuten Flug nicht in der näheren Zukunft. RC: Nehmen wir doch einfach mal an, dass es diese Reihenfolge nicht gäbe und Sie frei entscheiden könnten. Thomas Reiter: Wenn ich frei wählen könnte, wäre es durchaus vorstellbar, nach eineinhalb Jahren eine neue Mission zu machen. In zahlreichen Gesprächen mit meinen russischen und amerikanischen Kollegen über die optimale Missionsdauer zur ISS haben wir darin übereingestimmt, dass drei bis vier Monate der optimale Zeitraum wäre. Das heißt natürlich nicht, dass man es an Bord der ISS nicht viel länger aushalten könnte! Aber eine etwas geringere Missionsdauer würde logischerweise auch eine Verringerung der Intervalle zwischen den Missionen mit sich bringen – mit anderen Worten: Astronauten würden zwar kürzere Missionen machen, dafür aber öfter. RC: Wir sind jetzt natürlich im hypothetischen Bereich – dennoch: Wenn Sie es auswählen könnten, wohin würden Sie gerne fliegen? Thomas Reiter: (Lacht). Meine Chancen, in meiner aktiven Laufbahn als Astronaut noch einmal auf den Mond zu fliegen, streben gegen Null, so sehr ich mir das auch wünschen würde. Das gilt natürlich erst recht für den Mars. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich als elfjähriger Junge die erste Mondlandung miterlebt habe. Der Gedanke begeisterte mich. Ich fragte mich: Wie mag sich das anfühlen, wenn jemand mit den eigenen Füßen auf einem anderen Himmelskörper steht?’ Das begeistert mich heute natürlich genauso. Wenn ich zum Mars fliegen könnte, (Reiter lacht) dann müsste ich natürlich vorher noch einmal mit meiner Familie sprechen! Sie hat mich in den letzten Jahren ganz massiv unterstützt und immer Verständnis für mich gehabt. Deshalb wäre es sehr egoistisch, E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 9 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Interview eine solche Entscheidung ganz allein für sich selbst zu fällen. Aber bleiben wir hypothetisch – mit eigenen Füßen auf dem Mars zu stehen – das wäre schon der absolute Traum! RC: Jetzt werden wir wieder realistisch: Mond mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, Mars absolut sicher nicht! Aber Chancen auf einen weiteren Raumflug sehen Sie schon? Thomas Reiter: Es ist wohl nicht unrealistisch! Man darf ja nicht vergessen, dass man bei diesen zwei Langzeitmissionen auch gewisse Erfahrungen gesammelt hat. Wenn es mal dazu kommen sollte, dass ein europäischer Astronaut die Möglichkeit erhält, als Kommandant der ISS zu fliegen, dann wird das natürlich niemand sein, der zum ersten Mal ins All fliegt, sondern der schon mindestens ein- oder zweimal im Kosmos war! RC: Herr Reiter, wir drücken Ihnen auf jeden Fall die Daumen! Wenden wir uns noch einmal Ihrer ersten Mission zu. Sie haben sich 179 Tage an Bord der russischen MIRStation aufgehalten. Welche sind für Sie die drei, vier markantesten Unterschiede im Vergleich zur ISS? Thomas Reiter: Die MIR war natürlich mit einer Technologie ausgestattet, die damals schon ein bisschen veraltet war, z.B. was die Datenverarbeitungskapazitäten oder die Datenübertragungsmöglichkeiten zum Boden angeht. Und hier ist auf den ersten Blick der größte Unterschied zu sehen! Heute haben wir Möglichkeiten zur Kommunikation, die damals einfach nicht gegeben waren. An Bord der ISS hatten wir rund um die Uhr Kontakt zu den Kontrollzentren, sowohl zu den amerikanischen als auch zu den russischen. Wir konnten über IP-Phone jederzeit telefonieren. Ich habe fast jeden Tag einmal kurz zu Hause anrufen können! Allein das ist ja schon ein Riesenunterschied. Auf der MIR-Station war die Kommunikation mit unseren Familien nur im wöchentlichen Wechsel möglich. Und es ging immer über die russische Kontrollstation. Heute ist die ganze Ausrüstung zu Hause installiert. Die Möglichkeiten der Datenverarbeitung und der Datenübertragung sind also erheblich besser. Auch die Anlagen für die wissenschaftlichen Nutzlasten sind natürlich wesentlich moderner. Die MIR-Station war ja entwickelt worden, um überhaupt im Orbit zu sein, um dort lange Zeit Menschen am Leben erhalten zu können und um zu schauen, ob man dort oben tatsächlich für lange Zeit arbeiten kann. Natürlich war sie auch Plattform für wissenschaftliches Arbeiten. Aber wenn man sich alleine die Ausgestaltung der Module von damals anschaut und diese mit dem heutigen Interieur vergleicht, dann sieht man riesige Unterschiede. Heute sind im US-Lab komplexe wissenschaftliche Anlagen untergebracht mit einer unglaublichen Funktionsfülle. Das alles steckte damals noch in den Kinderschuhen. Als letzten Punkt kann man die Größe der ISS anführen. Die MIR Station hatte in ihrer letzten Ausbaustufe 135 Tonnen. Die Masse der ISS liegt bereits heute bei 180 Tonnen und hat ja noch nicht ihr Endstadium erreicht. Wenn man heute in die ISS hineinkommt, dann liegt ein 60 Meter langer Raum vor einem. Es ist einfach ein Wahnsinnsgefühl, in der Schwerelosigkeit durch einen so langen Tunnel zu schweben. Die Ausmaße dieser Station, die inneren Abmessungen, sind jetzt schon überwältigend. Und wir erwarten ja noch weitere Module, u.a. auch das europäische Columbus-Modul. Bis 2010 wird diese Station noch gewaltig wachsen. Diese Größe der ISS ist schon ein erheblicher Unterschied zur MIR-Station. RC: Sie werden von der deutschen Presse dafür geliebt, dass Sie Ihre Erlebnisse im All mit sehr persönlichen und inspirierenden Beschreibungen illustrieren können. Sind diese Emotionen beim zweiten Flug noch immer so stark für Sie gewesen oder ist der Kosmos für Sie inzwischen Routine? Thomas Reiter: Als Routine kann man diese Mission bestimmt nicht bezeichnen. Es ist allerdings klar zwischen den Eindrücken, die man als Mensch beim Ausblick auf unsere Erde oder den Sternenhimmel gewinnt, und der täglichen Arbeit zu unterscheiden. Zwar ist die Arbeit immer hochinteressant, aber der Arbeitsalltag ist natürlich auch mit einer gewissen Routine verbunden, die ich in diesem Zusammenhang aber nicht negativ verstanden haben möchte. Ganz im Gegenteil hatte ich das Gefühl, mich gewissermaßen zu Hause zu fühlen, weil ich vor 11 Jahren schon einmal in der gleichen Situation war. Das ist Routine im positiven Sinne. Was die emotionalen Aspekte angeht, kann ich nur betonen, dass der Aufenthalt im Erdorbit kein bisschen von der Faszination eingebüßt hat. Ich bedauere es immer noch, dass die ISS nicht gerade viele Fenster hat! Während man sich dort oben befindet wünscht man sich immer, ein bisschen mehr sehen zu können. Während eines Außenbordeinsatzes ist man aufgrund des kaum eingeschränkten Blickfeldes von dem Ausblick überwältigt. Vom Inneren der Station aus nimmt man das nicht ganz so extrem wahr, was nicht heißen soll, dass der Anblick der Erde weniger schön ist. Man nutzt jede freie Minute, bevor man sich abends zur Ruhe begibt, um noch einmal hinunterzuschauen. Auch während meiner nunmehr zweiten Mission ist das nach wie vor wunderschön und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das irgendwann einmal langweilig wird. Es gab allerdings eine Phase, in der führten weite Teile des Orbits über das Meer, den Südpazifik oder den Südatlantik. Zu diesen Zeiten können wir lange gar kein Land sehen. Wenn man während mehrerer Umläufe fast nur das blaue Meer oder Wolken sieht, das ist natürlich nicht so interessant. Dann hofft man eher auf die Nachtseite des Orbits, wo man den Sternenhimmel oder bestimmte Leuchtphänomene in den nördlichen oder südlichen Polarregionen bewundert. RC: Sie haben die Außenbordeinsätze, die EVA, bereits angesprochen. Das ist immer schwere körperliche Arbeit! Sie äußern sich aber immer wieder begeistert! Überwiegt die Faszination so deutlich? Thomas Reiter: Obwohl ich bereits zwei Außenbordeinsätze während meines Aufenthaltes an Bord der russischen Mir-Station gemacht habe, muss ich Ihnen ehrlich sagen, es ist auch nach diesem dritten Einsatz an Bord der ISS immer noch so, dass ich am Morgen danach aufwache und mich frage, ob ich wirklich da draußen war oder alles nur geträumt habe. Man wurde lange dafür ausgebildet, man weiß, dass jede Bewegung, jeder Handgriff, den man ausführen muss, sitzt. Auch wenn Probleme auftreten sollten, weiß man, was zu tun ist, um zum Beispiel schnell wieder in die Luftschleuse zurückzukommen. Man ist voll und ganz dieser Technik ausgeliefert. Und trotzdem schaut man in den Tagen danach zurück und sagt: „Das ist eigentlich un- 7 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 10 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Interview Thomas Reiter (unten links) mit der STS-121-Crew (grüne Shirts) sowie den beiden anderen Mitgliedern der 13. ISSStammbesatzung, Pawel Winogradow (unten Mitte) und Jeffrey N. Williams. glaublich, dass du da draußen warst“. Bei mir war es auf jeden Fall so, dass ich, wie beim ersten Außenbordeinsatz vor 11 Jahren, fasziniert war. Ich kehrte zurück und schüttelte den Kopf. Der Blick auf die Erde, auf den Sternenhimmel, aber auch auf die Riesenstruktur der ISS ist überwältigend. Wir waren ja fast am äußeren Ende der Struktur der ISS, weil wir ein wissenschaftliches Instrument anzubringen hatten. Und dann dreht man sich um und sieht diese riesige Raumstation – das ist einfach phantastisch! RC: Die bemannte Raumfahrt steht ob der Kosten immer wieder in der Kritik. Warum muss der Mensch überhaupt ins All fliegen? Was kann er dort, was Roboter nicht erledigen könnten? Thomas Reiter: Bei der Frage, warum Menschen ins All fliegen sollen, gibt es drei Aspekte. Der erste Aspekt hängt damit zusammen, dass wir dort oben Dinge lernen, die wir hier unten eben nicht lernen können. In der Schwerelosigkeit können wir physikalische Effekte erforschen, die uns hier unten in der Schwerkraft einfach verborgen bleiben. Wir möchten unser Leben verbessern, wir möchten Krankheiten in den Griff bekommen, bessere Materialien haben, die beispielsweise den Energieverbrauch für unsere Autos senken oder auch bessere Kommunikationsmöglichkeiten schaffen. Zweitens findet auf diesem Gebiet eine intensive internationale Zusammenarbeit statt, die letztendlich das politische Klima positiv beeinflusst. Und drittens halte ich es für eine natürliche Eigenschaft des Menschen, neugierig zu sein und seine Umgebung zu erkunden und zu forschen. 8 RC: Das alles ist unbestritten, Herr Reiter! Der Mensch macht die Raumfahrt teuer. Die Lebenserhaltungssysteme kosten sehr viel Geld. Warum schickt man nicht einfach Roboter ins All? Thomas Reiter: Auch wenn man vollautomatisierte Systeme betreibt, gibt es immer mal Fehlfunktionen und Ausfälle. Das ist kein spezifisches Phänomen der bemannten Raumfahrt, das geschieht auch bei Satelliten. Und darauf muss man reagieren. Man kann natürlich durch Redundanzen dafür sorgen, dass beim Ausfall eines Systems das nächste dessen Funktion übernimmt, dann das übernächste und so weiter. Und das macht die Systeme natürlich genauso teuer wie der Einbau von Lebenserhaltungssystemen. Der Vorteil von bemannten Systemen in einer Krisensituation ist der, dass der Mensch über spezifische Fähigkeiten verfügt, die bisher kein Computer darstellen kann. Er eignet sich Wissen an, er interpretiert das Wissen, er kann auf Situationen sofort reagieren. Ich glaube, gerade hier liegt unser großer Vorteil gegenüber Maschinen. Das soll nicht heißen, dass sich bestimmte Forschungsvorhaben in der Schwerelosigkeit nicht auch ohne die Präsenz des Menschen durchführen lassen. Aber letztlich ist die Anwesenheit des Menschen, des Wissenschaftlers, immer dann unverzichtbar, wenn Daten interpretiert werden müssen. Das kann man nicht durch Maschinen leisten lassen. In der Forschung ist die Intuition, ist das Betrachten und Reflektieren von Phänomenen, die man beobachtet hat, die man initiiert hat, erforderlich. RC: Bleiben wir noch einen kurzen Augenblick bei den Finanzproblemen der Raumfahrt. Kann der Weltraumtourismus einen Beitrag zur Lösung dieser Finanzprobleme leisten? Thomas Reiter: Ich wünsche mir, dass sich der Weltraumtourismus weiterentwickelt. Es wäre wünschenswert, wenn in nicht allzu ferner Zukunft ein möglichst großer Teil der Menschheit die Möglichkeit hätte, in den Weltraum zu fliegen. Ich bin davon überzeugt, dass wir, basierend auf den Eindrücken, die wir dort oben sammeln würden, in der Lage wären, unser Verhältnis zueinander zu verbessern und uns insgesamt die Lösung vieler Probleme leichter fiele. Der Tourismus zur ISS allerdings ist eine zweischneidige Sache, auch wenn sich Anousheh Ansari, die als Touristin für wenige Tage an Bord war, hervorragend in die Crew eingepasst hatte. Sie hat ausgesprochen selbstständig gearbeitet und geholfen, wo sie nur konnte. Dennoch ist die ISS kein Ort für Touristen. Man sieht es ja an der Auslegung dieser Station, das ist eine Forschungsstation. Das ist kein Ort, an dem man als Tourist seine Freizeit verbringt. Natürlich hat Anousheh ein kleines wissenschaftliches Programm gehabt und sie hat sogar für die ESA auch ein paar einfache Experimente durchgeführt. Ich habe aber so meine Zweifel, dass diese Art der Finanzierung für die russische Raumfahrt viel bringt. Sicher, der Platz hat so etwa 20 Millionen Dollar gekostet. Aber ob das tatsächlich kostendeckend war, wage ich zu bezweifeln. Ich kenne nicht den genauen Preis für den Bau und Start einer Sojus-Rakete, aber 20 Millionen Dollar, so viel müssen Touristen heute für einen Flug bezahlen, sind wohl eher ein Tropfen auf einen heißen Stein. Man muss auch die Frage stellen, was könnte in der Zeit jemand dort oben machen, der wirklich ausgebildet ist, Forschung zu betreiben oder die Bordsysteme zu betreuen. RC: Blicken wir einmal in die Zukunft! Es gibt in den USA die neue Raumfahrtinitiative – erst die Rückkehr zum Mond und dann weiter zum Mars. Ankündigungen hat es schon viele gegeben! Wie realistisch ist denn das, was Mr. Bush da verkündet hat? Thomas Reiter: Die Weichenstellung bei der NASA ist deutlich zu erkennen. Der Direktor der NASA, Mike Griffin, ist auf dem besten Wege, diese Punkte umzusetzen. Wenn man für längere Zeit bei der NASA zur Ausbildung ist, wie ich ja vor meinem Flug, dann erkennt man, dass die Zeichen für den nächsten Schritt nach der ISS deutlich gesetzt sind. Das heißt natürlich nicht, dass die NASA die ISS vergisst! Aber natürlich sieht die NASA, dass der Aufbau der ISS dem Ende entgegengeht. Danach wird sich eine Nutzungsphase anschließen – aber was dann? Deshalb muss man heute bereits die Weichen für die Zukunft stellen. Der Shuttle wird nach 2010 nicht mehr fliegen. Insofern ist das, was die NASA heute zur Entwicklung des Crew Exploration Vehicle eingeleitet hat und insgesamt zur Entwicklung neuer Transportsysteme, genau der richtige E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 11 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Interview Thomas Reiter mit Michail Tjurin an Bord der ISS (links) und vor dem Plasma-Kristall-Experiment 3 Plus (rechts). Fotos: Hartmut E. Sänger (4), RSC Energija (3), NASA. Weg. Ob es möglich sein wird, bis zum Jahre 2018 oder 2020 zum Mond zurückzukehren, werden wir sehen. Wichtig ist die Frage, welche Rolle Europa dabei spielen wird. Vergleicht man einmal die Bevölkerungszahlen der USA und Europas, dort sind es etwa 280 Millionen Menschen, hier über 400 Millionen, dann kann man sicherlich nicht sagen, dass Europa in diesen Programmen überrepräsentiert ist. Und deshalb müssen wir heute in Europa festlegen, welche Rolle wir in der zukünftigen Raumfahrt spielen wollen. Ich habe den Eindruck, dass dieses Bewusstsein und die Bereitschaft zu einem größeren Engagement in Deutschland ebenso wie in anderen europäischen Ländern vorhanden sind. Aber einmal abgesehen von Bevölkerungszahlen, sind wir auch was unsere wissenschaftlichen und technologischen Fähigkeiten in Europa betrifft, nicht gerade in der Raumfahrt weltweit überrepräsentiert. Da wäre sicherlich eine ganze Menge mehr möglich, wenn wir wollten. Die europäische Raumfahrtagentur ESA wird die ISS in den bevorstehenden Jahren intensiv für die Forschung nutzen. Allerdings kann die Station auch als Testplattform für Systeme, die dann für die weitere Erkundung des Weltraums benötigt werden, dienen. Hier ist entsprechende politische Unterstützung gefragt. Dazu ein interessantes Beispiel. Ich habe mich vor einiger Zeit mit einem amerikanischen Kollegen unterhalten und der hat ganz trocken gesagt: „Warum sind wir auf dem Mond gelandet?“ – Weil sich ein Präsident hingestellt und gesagt hat: „Wir wollen da hoch!“. Wir können technisch so gut sein, wie wir wollen – ohne den politischen Willen aber geht gar nichts. Hierbei sollten wir uns nicht nur von utilitaristischen, sondern auch von kulturellen Aspekten, die mit der Raumfahrt verbunden sind, leiten lassen. Es liegt in der Natur des Menschen, neugierig zu sein. Gerade in Europa, das man durchaus als die Wiege von vielen Entdeckungen und Erfindungen bezeichnen kann, lässt sich sehr gut an diesen Teil unserer Kultur anknüpfen. RC: Kann man den technologischen Aspekt des neuen Raumfahrtprogramms der USA mit ‚Vorwärts in die Vergangenheit’ charakterisieren? Als wir die ersten Bilder des Mutterraumschiffes und der zukünftigen Mondlandefähre gesehen haben, war das Urteil schnell gefällt – das ist APOLLO II. Thomas Reiter: (Lacht). Lassen Sie es mich einmal von dieser Seite aufziehen. Die Vorstellung, dass man die Raumfahrt mit wiederverwendbaren Systemen billiger machen kann, muss nach den Erfahrungen mit dem Space Shuttle schlicht und einfach beerdigt werden. Deshalb verstehe ich schon, dass die Amerikaner nach einer Lösung suchen, die technisch zwar nicht der letzte Schrei ist, die aber mit den Mitteln, welche die NASA zur Verfügung hat, durchaus den Weg zum Mond und dann weiter zum Mars ebnet. Und da ist eine Kapsellösung nicht der schlechteste Weg. Darüber hinaus ist zu überlegen, ob man zusätzliche Zeit einkalkulieren will, die der Entwurf eines komplett neuen Transportsystems mit sich bringen würde. Insofern ist die Art und Weise, wie die NASA heute an das neue Programm herangeht, auch angesichts der finanziellen Ressourcen durchaus akzeptabel. Und letztendlich sind wir ja auch heute fast wieder in einem Wettlaufszenario! Gut, niemand kennt bisher die genauen Pläne der Chinesen. Aber eine Wettlaufsituation scheint sich schon ein wenig abzuzeichnen. Sollte es tatsächlich um die Frage gehen, wer nach langer Zeit wieder zuerst auf den Mond zurückkehren kann, wäre beispielsweise die Suche nach vollkommen neuen Transportkonzepten nur hinderlich. RC: Sehen Sie nicht die Chance der Zusammenarbeit mit China? Thomas Reiter: Sie haben natürlich Recht, Kooperation ist immer gut. Aber nach dem erfolgreichen Test des chinesischen Satellitenabwehrsystems sehe ich eine Zusammenarbeit erst einmal nicht in greifbarer Nähe. RC: Herr Reiter, wir danken Ihnen ganz herzlich für das interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen und Ihren Kollegen, von denen Hans Schlegel als nächster Deutscher ins All starten wird, alles Gute für die Zukunft und einen stets erfolgreichen Verlauf ihrer Missionen. Für Sie persönlich hoffen wir natürlich, dass Sie der erste europäische Kommandant auf der Internationalen Raumstation sind. Und – wer weiß – eventuell erfüllt sich Ihr großer Traum, einmal mit beiden Beinen auf einem anderen Himmelskörper zu stehen, ja doch noch. Jedenfalls wirkt der Gedanke einer permanenten Präsenz von Menschen auf dem Mond auf mich schon heute begeisternd. Das ist wirklich etwas Neues. Das schließt ja nicht aus, dass neue Antriebstechnologien entwickelt werden, zum Beispiel für einen bemannten Flug zum Mars, der dann aus Das Gespräch führten Horst Jelitte und dem Erdorbit oder aber vom Mond aus Hartmut E. Sänger. gestartet wird. 9 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 12 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema Ist die 13 eine Glückszahl ? Amerikas Mondpläne Von Dr. Dwayne A. Day Unfall bis zum Frühjahr 2006 gab die NASA nahezu $ 13,5 Milliarden aus, flog allerdings nur eine Mission. Die Agency wird bis zur Außerdienststellung des Shuttles weitere US $ 20 Milliarden bezahlen. So wie Prometheus an den Felsen gekettet war, so ist die NASA an den Shuttle gekettet. Erst ab dem Jahr 2010 wird die NASA endlich bedeutende Gelder zur Verwirklichung der neuen Ziele zur Verfügung haben. Das größte Problem aber sind die künftigen Geldzuweisungen. Ganz sicherlich wird die NASA nicht alle beantragten Finanzen bekommen, so dass sich Schwerpunkte verschieben werden. Zudem kann man nicht vorhersehen, was beim ersten Einsatz passieren wird. Man muss sich vor Augen führen, dass die NASA vor dem ColumbiaUnfall zwei Shuttle Flüge 2005 und vier Flüge 2006 vorgesehen hatte. Nach dem Unfall flogen nur eine Mission in 2005 und zwei in 2006. Neue Besen kehren anders Die Ares V-Aufstiegsstufe (earth departure stage) im Orbit, wobei sie das Crew Exploration Vehicle gekoppelt mit dem Lunar Surface Access Module trägt. Grafik: NASA. Wenn alles wie geplant läuft wird im Dezember 2019 das Orion 13-Mondmodul auf dem Erdtrabanten aufsetzen, ein Amerikaner wird die Leiter hinunter steigen, einen Fußabdruck im Mondboden hinterlassen – und das nach fast 50 Jahren! Natürlich läuft nicht alles wie geplant ab. In der Weltraumforschung ist die Physik leicht zu bewältigen, die Politik und speziell die Budgets sind schwer in den Griff zu bekommen. Im Januar 2004 gab George W. Bush seine „Vision for Space Exploration“ bekannt (siehe auch RC 39/40). Viele Kritiker innerhalb und außerhalb der NASA beschwerten sich über die Ziellosigkeit der Agentur und hielten deshalb eine Richtungsweisung für nötig. Das Weiße Haus entschied sich daher, die Entsendung von Amerikanern zurück zum Mond als primäres Ziel zu setzen. Im Sommer 2006 gab die NASA Lockheed Martin den Auftrag ein bemanntes Raumschiff zu entwickeln, das den Space Shuttle ablösen soll, um Menschen in die Mondumlaufbahn zu transportieren. Die NASA nennt dieses Raumschiff ORION, das mit einer Rakete namens Ares I gestartet werden soll. Ein zweiter Träger, die Ares V, soll an die Saturn I und Saturn V anknüpfen. Allerdings wurde bis heute kein großer Fortschritt, was den Bau von Komponenten betrifft, verzeichnet und dies wird wohl auch auf Jahre hinaus nicht geschehen. Anders als zu Zeiten des Apollo-Programms muss die NASA heute mit engen Budgets arbeiten. In den 60er Jahren bekam die NASA alle Gelder die beantragt wurden. Bis zum Jahre 2008 sollte das NASA-Budget $ 18 Milliarden erreichen, doch in Wirklichkeit sind es nur rund $ 16,3 Milliarden (ungefähr viermal so viel wie der ESA-Etat). Dieser Umstand zwingt die NASA Gelder für die bemannte Raumfahrt von anderen Teilen des Budgets abzuzweigen, wie von der Aeronautik, der Weltraumwissenschaft und der sehr erfolgreichen Robotik. Selbst mit dem Herumjonglieren der Gelder wird die NASA gezwungen sein, Verzögerungen im Lunar-Programm hinnehmen zu müssen. Heute kann man zufrieden sein, wenn wenigstens die Inflationsrate ausgeglichen wird, quasi also ein Nullzuwachs. Ein weiteres Handicap ist die parallele Finanzierung (ca. 60 % des gesamten Budgets) der ISS aufgrund bestehender Verträge. Allein für den Space Shuttle zahlt die NASA jedes Jahr ca. $ 4,5 Milliarden, nur um es fliegen zu lassen. Vom Columbia- Ein anderes Problem stellt die Politik dar. Die USA kennt keine parlamentarische Form einer Regierung, sondern ein republikanisches System, welches die Macht zwischen dem Präsidenten, dem Senat und dem Kongress aufteilt. Der Präsident kann Programme vorschlagen, doch der Kongress muss die Gelder zur Verfügung stellen. Dies geschieht leichter und schneller, wenn alle Kammern von der gleichen Partei besetzt wären und trotzdem, selbst in dieser Konstellation, ginge es nur langsam voran. Im Herbst 2006 fiel die Kontrolle beider Häuser der Demokratischen Partei zu. Sie könnte die NASA-Budgets von Bush in den Ares I. Grafik: NASA/John Frassanito and Associates. 10 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 13 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema nächsten Jahren leicht kippen. Obwohl viele Demokraten den NASA-Programmen positiv gegenüberstehen glauben sie nicht, dass das Mondprogramm gegenüber den sehr erfolgreichen wissenschaftlichen Programmen, wie den Weltraumteleskopen, dem Mars Rover, sowie in den letzten Jahren sehr reduzierten Budgets für die aeronautischen Programme, so eine hohe Priorität verdient. Und 2008 wird ein neuer Präsident gewählt! Diese Person, wer immer sie sein mag, wird sehr wahrscheinlich über die Pläne der NASA nachdenken. Sollte die NASA die Vision des Weltraumerforschungsprogramms wirklich fortführen? Oder sollte die NASA einen anderen Weg einschlagen, beispielsweise in die Life Science oder in die Mikroschwerkraftforschung investieren? Ares I und ORION werden bis 2009 zum größten Teil fertig gestellt sein. Ares V und die zukünftige Mondlandefähre, bekannt als „Lunar Surface Access Module“, sind bis dahin nur Papierentwürfe. Der nächste Präsident könnte sehr leicht entscheiden, die Entwicklung der Ares V und der Mondlandefähre zu verzögern, oder ganz zu streichen, NASA-Budgets zu kürzen, nach- Anzeige dem der Shuttle 2010 außer Dienst gestellt ist oder die Gelder auf andere Projekte umverteilen. Zurück zum Mond Ein interessantes NASA-Dokument sickerte 2006 über die Johnson Space Center Website der NASA Spaceflight.com durch. In diesem internen Papier wurden die Termine für das gesamte Unternehmen „Zurück zum Mond“ aufgeführt. Obwohl es viele Details der jetzigen Planung erhält, sollte man es nicht überschätzen. Niemand in der NASA, ja noch nicht einmal die Personen, die das Dokument erstellten erwarten, dass das Programm so wie geplant ablaufen wird. Doch man bekommt einen guten Überblick wie die NASA zum Mond zurückzukehren gedenkt. Demnach plant die NASA für 2014 das erste ORION-Raumschiff zu starten – fast genau vier Jahre nachdem der Shuttle seinen letzten Flug absolviert haben soll. Obwohl Michael Griffin, der NASA-Chef, das Programm beschleunigen möchte, fehlt ihm dazu das nötige Geld. Vor dem ersten bemannten Liftoff werden mehrere Ent- wicklungs- und Testflüge durchgeführt. Der erste Flug von Ares I (vormals „Crew Launch Vehicle“) soll Mitte 2009 absolviert werden, und zwar mit 4 Feststoffsegmenten und einem „Inert“ (nicht funktionsfähigen) 5. Segment sowie einer leeren oberen Stufe. Anders als beim Shuttle wird ORION mit einem Rettungssystem (LAS) ausgerüstet sein. Nach September 2015 sind keine weiteren Flüge zur ISS geplant. Dies deutet darauf hin, dass die NASA sich auf kommerzielle Unternehmen zur Versorgung der ISS stützen will. Erst vor kurzem vergab die NASA Aufträge an zwei Firmen, Space X und Rocketplane Kistler, ein Raumschiff für kommerzielle Zwecke zur Versorgung der ISS zu entwickeln. Die NASA plant im Juni 2018 den ersten Test der Ares V, ausgerüstet mit einer 5Segment-SRB und einer 5-Segment-RS68-Rakete als Kerneinheit. Anstatt der „Earth Departure Stage“ (EDS) wird nur Ballast mitgeführt. Ein Jahr später, im Juni 2019, soll das erste Mondlandemodul („Lunar Surface Access Module“, Mission LSAM-2) starten. Diese Mission beinhaltet auch ein funktionsfähi- E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 14 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Technik Mission besteht darin, dass die Energieversorgung im ORION abgestellt – mit der Besatzung noch an Bord - und später automatisch wieder hergestellt wird. Dieser Test wird eine Mission in der Zukunft simulieren, wo ORION unbemannt in der Mondumlaufbahn verbleibt, während die 4-MannBesatzung auf dem Mond landet. Diese Mission soll insgesamt 21 Tage dauern. Im Dezember 2019 soll es dann soweit sein. Ares V mit der LSAM-3 und ORION 13 machen sich auf den Weg. Ein Astronaut bleibt im Mondorbit, die zwei anderen steigen mit dem LSAM zur Mondoberfläche hinab. Orion-Crew Vehicle mit dem Mondlander. Foto: Lockheed Martin. ges EDS-System. Mit ORION 12 startet die NASA eine Mission mit 4-Mann-Besatzung. Dies wird die erste Block 2-Version des ORION-Raumschiffes, ausgerüstet für eine Mondmission, sein. Das ORION-Raumschiff dockt mit EDS und LSAM in der Erdumlaufbahn und fliegt dann weiter zu einer niedrigen Umlaufbahn um den Mond. Das LSAM wird abgestoßen und unbemannt auf dem Mond aufsetzen, später wieder starten und mit ORION in der Umlaufbahn zusammentreffen, um den Dockingmechanismus und andere Systeme zu testen. Ein ungewöhnlicher Aspekt der Vieles kann sich in dieser Zeitspanne von 14 Jahren noch ändern, und es wird sich ändern. Ende 2019 bleibt immer noch das offizielle Datum, doch um Verzögerungen wird man nicht herumkommen. Es kann jedoch auch geschehen, dass der neue Präsident 2009 das Programm gänzlich streicht. Bis dahin glaubt die NASA weiter, dass die siebte Landung auf dem Mond vor 2020 stattfinden wird. Zumindest haben wir nun eine Idee davon bekommen, wie Menschen wieder zum Mond zurückkehren könnten. Übersetzung: Karl H. Smarsch Deutsche Bearbeitung: Benno Lewuwa Planungsablauf für das Constellation-Programm 12 Name Datum Mission ARES I AA-1 AA-2 AA-3 AA-4 ARES 2 ORION 3 ORION 4 ORION 5 ORION 6 ORION 7 ORION 8 ORION 9 ORION 10 ORION 11 ARES V-1 Aug. 2009 Mai 2009 Aug. 2010 Febr. 2011 Sept. 2011 Sept. 2012 Sept. 2013 Juni 2014 Sept. 2014 Dez. 2014 Mai 2015 Mai 2015 Juli 2015 Sept. 2015 Dez. 2015 Juni 2018 ORION 12 LSAM-3 ORION 13 LSAM-4 ORION 14 Juni 2019 Dez. 2019 Dez. 2019 Juni 2020 Juni 2020 Test der Startrakete Test von LAS bis in den transonischen Bereich Test von LAS zum Max-Q Test von LAS in unnormaler Flugposition Test von LAS in großer Höhe Kompletter Test von ARES I-Rakete mit Oberstufe Test von ARES I-Rakete, ORION mit LAS, unbemannt, 2 Wochen ORION fliegt zur ISS, kein Andocken Erster bemannter Test von ORION, 2-Mann Crew, Andocken an die ISS möglich, 2 Wochen Unbemannte Frachtmission zur ISS Erste voll funktionsfähige Mission zur ISS, 3-Mann Crew, 180 Tage-Mission Unbemannter Frachtflug zur ISS Unbemannter Frachtflug zur ISS ORION-Mission zur ISS, 3-Mann Crew, 180 Tage Unbemannter Flug zur ISS Erster Test der ARES V, ohne EDS oder Nutzlast LSAM-2 Lunar Lander Erster Flug von Block 2-ORION, 4-Mann-Crew, 21-Tage. ARES V-Start mit voll funktionsfähigem LSAM Die 7. Landung, 2-Mann-Crew landet auf dem Mond. Die 8. Landung auf dem Mond. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 15 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema Mondzeit (Teil 6) Außenposten an einem trostlosen Ort Von Dr. Dwayne A. Day Im vorherigen Beitrag berichtet unser Autor über die Unwegsamkeiten zur Verwirklichung der amerikanischen Vision „Zurück zum Mond“. Lesen Sie jetzt, wie sich die Amerikaner ihre Mondbasis vorstellen, wenn denn das Programm zustande kommt. Außenposten am Shackelton Krater Das ganze Jahr 2006 hindurch unternahm man bei der NASA sehr große Anstrengungen um der Öffentlichkeit zu zeigen, warum die Amerikaner wieder zum Mond wollen. Als Resultat stellte die stellvertretende Administratorin Shana Dale die Aufgaben für das Mondunternehmen vor. Das Ziel der Studie war, eine Serie von bemannten und mit Robotern durchzuführende Mondunternehmen zu definieren, sowie Bausteine für eine Weiterentwicklung der Strategie festzulegen. Die Studie bestand aus zwei Teilen, wobei die Phase I nun abgeschlossen ist. Dieser Teil definiert die bemannte Strategie bis einschließlich 2025, mit weiniger genauer Planung bis 2030. Das Hauptaugenmerk ist auf die Robotik gerichtet und soll als Basis für Diskussionen mit internationalen Partnern dienen. Phase II wird 2007 erstellt und ebenso Gespräche mit anderen Partnern einbeziehen. Die Planer kamen zu dem Schluss dass es besser wäre, eine permanent bemannte Station als mehrere Landestellen auf dem Mond zu errichten. Nach Aussagen der NASA-Führung ermöglicht eine Basis internationale Partnerschaften, die Entwicklung und den ständigen Ausbau sowie die Nutzung von lokalen Bodenschätzen, erlaubt einen schnellen Weg zu anderen Punkten auf dem Erdtrabanten und kann vielen anderen wissenschaftlichen Zielen dienen. Es gab mehrere Gründe warum sich die NASA für einen Außenposten in der Nähe des Südpols entschied. Einmal, weil die Temperaturen dort relativ gemäßigt und natürliche Ressourcen, wie Wasserstoff und vielleicht auch Wasser vorhanden sind. Zum anderen bietet diese Region am Rande des Shackelton-Kraters auch wissenschaftliches Neuland. Dort findet man einzigartige dunkle Einschlagzonen, die Kometensplitter enthalten könnten. Die NASA spezifizierte Der Mondaufklärungssatellit LRO. Foto: NASA. zuvor mehrere Stellen, die sie zu nutzen gedenkt: einen Landepunkt, einen Ort mit möglichen Wasserstoffreservoirs, eine Wohnzone, einen Energie- bzw. Produktionsstandort, eine astronomische Beobachtungszone sowie eine optimale Landezone von der Bahnspezifik her gesehen. Für die NASA war es wichtig einen Ort zu finden, an den eine maximale Nutzlast transportiert werden kann und der für die Wiederaufstiegsphase ebenfalls optimal geeignet ist. Die NASA baut derzeit einen Mondaufklärungssatelliten (Lunar Reconnaissance Orbiter), der ab 2008 eine Mondkarte in hoher Auflösung liefern soll. Diese Mission beinhaltet einen zweiten Satelliten, ge- nannt „CRater Obsersavation and Sensing Satellite“ (LCROSS) zur Mondkrater-Beobachtung respektive Erfassung. Danach, in den Jahren 2011 und 2012, soll ein mittelgroßer Lander an dem möglichen Ort, wo die Station errichtet werden soll, niedergehen. Das Landemodul könnte einen Rover mitführen, der in den dunklen Teil des Shackelton-Kraters fährt. Mit dieser Mission will man auch einen Kommunikationssatelliten zu Demonstrationszwecken in einer lunaren Bahn aussetzen. Energieversorgung der Station Die wichtigste Entscheidung für diesen Ort lag in der Energieversorgung. Der Shackelton-Krater ist aus wissenschaftlicher Sicht 13 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 16 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema an eine SPU angeschlossen werden. Die SPU hat ein 200 m langes Kabel zur Verfügung, um die Energie zu anderen Ausrüstungen, wie dem Landemodul und Habitat-Modulen zu leiten. „Roving“ auf der Oberfläche Das Südpol-Aitken-Becken ist der größte und tiefste Einschlagskrater im Sonnensystem. Dieser Blick zeigt das Zentrum des Beckens bei 56 Grad Süd und 180 Grad Ost. Der Kraterrand hat einen Durchmesser von 2.500 km. Das Becken ist an manchen Stellen bis zu 13 km tief, während die durchschnittliche Tiefe 10 km beträgt. Dieses Bild - aufgenommen von NASAs Clementine-Raumsonde - besteht aus einer farbkodierten Topografiedarstellung, die mit einem Schattenrelief des Mondes überlagert wurde. Violett und blau sind tiefe Stellen, orange und rot kennzeichnen Höhenlagen. Foto: Clementine Science Group, Lunar and Planetary Institute. zwar sehr interessant, aber er hat zusätzlich auch den Vorteil, dass der Kraterrand 75 bis 80 % der Zeit im Sonnenlicht liegt. Die NASA-Ingenieure entschieden sich aus Kostengründen gegen einen Atomreaktor als Energiequelle. Stattdessen soll eine Energieeinheit verwendet werden, die vollkommen autark ist, eine sogenannte Standard Power Unit (SPU), die Energie produziert, lagert und verteilt. Dazu gehören Solarpaneele, die sich automatisch nach dem Sonnenlicht ausrichten. Während des Tages kann eine SPU 10 kW Strom produzieren. Die SPU wird mit einem Rover, der kein Druckausgleichssystem besitzt, aber von einem Astronauten gefahren wird, zur endgültigen Position gesteuert. In Zeiten, wo keine direkte Sonneneinstrahlung erfolgt, Anzeige 14 wird die Energieversorgung durch eine separate Make-up Power Unit (MPU) bzw. ein Ersatzenergiemodul erreicht, eine wiederaufladbare Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff und Sauerstoff (im Gaszustand) arbeitet und 2 kW produziert. Diese Brennstoffzellen sind denen, die im Space Shuttle Verwendung finden, ähnlich, doch im Gegensatz zu ihnen sind sie wiederaufladbar. Wenn sich die Solar-Paneele im Sonnenlicht befinden, kann man einen Teil des Stroms dazu benutzen, Wasser in die Grundstoffe Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten um die Brennstoffzellen in dem MPU-Modul wieder aufzuladen. Wenn die Sonne verdeckt ist, bringt man die zwei Stoffe wieder zusammen und das MPUModul generiert Strom. Zwei MPUs können Die NASA plant bis 2020 zwei unhermetisierte Rover einzusetzen, die 2 bis 4 Astronauten bis auf eine Entfernung von wenigstens 50 km transportieren können. Bis 2021 sollen Frachten von 6 bis 20 metrischen Tonnen mindestens 500 m weit befördert werden können. Bis 2022 möchte die NASA einen „Packesel“, einen automatisch gesteuerten Rover, einsetzen, der Ausrüstungen für die Astronauten befördern kann. In den Jahren zwischen 2025 und 2027 würde die NASA einen Rover mit Druckausgleich einsetzen, mit dem zwei Astronauten 500 km weit hin- und rückreisen können. All diese mobilen Vehikel sind so konstruiert, dass sie eine Lebensdauer von 5 Jahren oder mehr haben. Die Kommunikationsverbindung direkt zur Erde während der robotischen Erkundungsphase wird durch Antennen auf dem Landemodul und einem Satelliten in der Mondumlaufbahn (Lunar Relay Satellit 1 – LRS-1) gewährleistet. Aufbau der Mondbasis Die NASA umriss ebenso die Schritte die notwendig sind, um den Außenposten zu errichten. Es ist aus den Studien nicht klar ersichtlich, ob bereits mit ORION 13 der Aufbau der Station beginnt, oder erst mit der 2. oder 3. ORION-Mission. Planungsunterlagen nennen den Anfang des Aufbaus das Jahr „0“. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 17 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema Eine kombinierte Crew/Fracht-Mission mit angebautem SPU und einem Rover wird den Anfang machen. Danach plant die NASA zwei Flüge pro Jahr, um die Mondbasis zu errichten. Die nächste Mission, mit der Designation Jahr 1-A wird 7 Tage dauern. Ein zweites Landemodul wird neben dem ersten niedergehen und eine SPU-Einheit aufstellen. In dem gleichen Jahr wird ein drittes Landemodul, das einen 2. Rover und eine 2. SPUEinheit sowie einen „Surface Mobilty Carrier“ (Fahrgerät) mitführt, auf dem Mond landen. Dieser Einsatz dauert ebenfalls 7 Tage. Mission Jahr 2-A wird ebenso 7 Tage in Anspruch nehmen und mit dem Lander zwei aufblasbare Wohneinheiten (HAB-1) absetzen. HAB-1 ist ausgerüstet mit dem Notwendigen zum Schlafen, Essen, Hygiene und auch Stauraum. Jahr 2-B (7 Tage) bringt eine 3. einsatzbereite SPU und zwei Energiespeichereinheiten zur Mondoberfläche. Die Jahr 3-A-Mission wird 14 Tage dauern und bringt 2 aufblasbare Wohneinheiten. HAB-2 wird für den Außeneinsatz zusätzliche Ausrüstungen bereitstellen, wie eine Ersatzluftschleuse, Raumanzugsservice, Werkzeug und ein Ersatzteillager. HAB-3 beinhaltet eine auf 180 Tage erweiterte Unterkunft mit einem geschlossenen Lebenserhaltungssystem, Verbrauchsgüter für 180 Tage und einen Dockingmechanismus für den Nachschub. Es besitzt auch einen Verbindungstunnel zu den anderen Unterkünften. Der nächste Einsatz bringt zwei weitere Energiespeicher und eine 4. SPU-Einheit. Der nächste Große Schritt wird mit den Jahr 4 und 5-Missionen erreicht, die 30 Tage in Anspruch nehmen werden. Ein 4. Habitat wird abgeladen, das die notwendige Logistik für wissenschaftliche Untersuchungen des Mondes und ein am Ort zu verwendendes Modul für Bodenuntersuchungen enthält. HAB-4 verfügt über eine keimfreie, abgedichtete Kammer, um Bodenproben zu untersuchen sowie Ausrüstungen für wissenschaftliche Experimente, die nach Lebensspuren auf dem Mond forschen sollen. Ferner Werkzeuge für die Aktivitäten außerhalb der Habitate. Die Jahr 5-A-Mission wird 30 Tage dauern und bringt zwei weitere Logistikeinheiten, einen neuen, ohne Druckausgleich ausgerüsteten Rover (wohl als Ersatz für den ersten) mit. Die Jahr 5-B-Mission wird eine 6monatige Expedition auf der Mondoberfläche beginnen. Übersetzung: Karl H. Smarsch Deutsche Bearbeitung: Benno Lewuwa Start des Frachtraumschiffes (1), Abtrennung der Booster (2) und Zünden der 2. Stufe (3), um die Nutzlast, wie z.B. den Mondlander, auszusetzen (4). Das Mannschaftsraumschiff startet (1a), Abtrennung der zweiten Stufe (2a), Erreichen der Umlaufbahn, wo es mit dem Lander koppelt (5) und nach dem Zünden der „Abflugstufe“ in Richtung Mond aufbricht. Die „Abflugstufe“ wird abgeworfen (7) und das Raumschiff schwenkt in die Mondumlaufbahn ein (8). Vier Astronauten landen auf dem Mond (9), erkunden die Mondoberfläche für sieben Tage (10) und starten mit der Aufstiegsstufe (11) in die Mondumlaufbahn. Dort koppelt die Fähre mit dem Mannschaftsraumschiff (12) und fliegt zurück zur Erde. Die Aufstiegsstufe (13) und das Servicemodul werden abgetrennt (14), die Kapsel tritt in die Erdatmosphäre ein (15) und landet am Fallschirm (16). Fotos und Grafik: NASA. 15 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 18 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Rückblick 1967: Katastrophenjahr der bemannten Raumfahrt Von Horst Jelitte Die Apollo 1-Astronauten (von links): Virgil I. Grissom, Edward H. White und Roger B. Chaffee. Das Jahr 1967 markiert ein schwarzes Jahr in der bemannten Raumfahrt! Mitten im Wettlauf zum Mond mussten die beiden Kontrahenten empfindliche Rückschläge hinnehmen. Am 27. Januar 1967 starb die Mannschaft von Apollo 1 bei einem verheerenden Brand in ihrem Raumschiff. Nur drei Monate später verunglückte der russische Kosmonaut Wladimir Komarow bei der Rückkehr aus dem Weltall. Der Bremsfallschirm hatte sich nicht richtig entfaltet, und er stürzte in den Tod. Apollo 1 16 Das Unglück geschah dort, wo es niemand erwartet hatte - auf der Erde! Bisher war die amerikanische Raumfahrt von Rückschlägen verschont geblieben. Alle bemannten Flüge waren glücklich zu Ende gegangen, und die westliche Großmacht rüstete sich für den Ansturm auf den Mond. Nach Gemini schien der Weg zum Mond frei! Die entscheidende Etappe sollte das APOLLO-Programm werden, mit einer neuen Generation von Fluggeräten. Dazu gehörte auch die von North American entwickelte Apollo-Kapsel. Konzipiert für drei Mann Besatzung bildete sie neben der Landefähre und der Saturn V das Grundgerüst für die Mondlandung. Am 26. August 1966 lieferte North American die für den Jungfernflug vorgesehene Kapsel an die NASA aus. Nach den Werkskontrollen schlossen sich üblicherweise weitere Überprüfungen beim Kennedy Space Center der NASA an. Am 10. November begannen die Testverfahren in den großen Höhenkammern. Sie wurden am 3. Januar 1967 erfolgreich beendet. Drei Tage später wurde die Apollo-Kapsel mit der Seriennummer SC 012 auf die Spitze einer Saturn IB gesetzt. Jetzt begann die konkrete Missionsvorbereitung, in der unter realistischen Bedingungen der Countdown geprobt wird. Realistische Bedingungen, das hieß bei reiner Sauerstoffatmosphäre mit einem Druck von 1,17 atü und bei hermetisch verschlossener Kapsel. Für den 27. Januar 1967 war ein sogenannter 'Plugs out'-Test angesetzt. Bei diesen Tests wurden alle elektrischen Verbindungen und Versorgungsleitungen zum Raumschiff unterbrochen, um das Funktionieren aller Komponenten bei interner Energieversorgung zu erproben. Kommandant des geplanten Erstfluges der Apollo-Kapsel war Virgil 'Gus' Grissom (40), einer aus der legendären ersten 7er-Gruppe der NASA mit bereits zweifacher Weltraumerfahrung. Der Pilot von Apollo 1, Edward H. White (37), brachte ebenfalls Weltraumerfahrung mit. Der dritte Mann an Bord war der 31-jährige Dr. Roger Chaffee, ein Weltraumneuling. Der ursprünglich vorgesehene Don Eisele hatte kurz zuvor einen Sportunfall erlitten und wurde durch Chaffee ersetzt. Nach einem zeitigen Mittagessen waren Grissom, White und Chaffee etwa gegen 13.00 Uhr auf der Startrampe eingetroffen. Nachdem die Mannschaft ihre Sitze eingenommen hatte, wurde die Luke von den Technikern verriegelt. Die Crew schloss ihre Raumanzüge an die Lebenserhaltungssysteme der Kapsel an, die anschließend mit reinem Sauerstoff geflutet wurde. Dieses war das gängige Verfahren. Im Laufe des Nachmittags traten wiederholt technische Probleme in der Verständigung zwischen Kapsel und Bodenkontrolle auf. Kommandant Grissom beschwerte sich bei den Technikern: "Wie wollt ihr uns zum Mond bringen, wenn ihr noch nicht einmal die Bodenkontrolle zuschalten könnt!". Aufgrund dieser technischen Schwierigkeiten zog sich die eigentliche Simulation bis in die frühen Abendstunden hin, und auch das Verlassen der Kapsel in einem Notfall sollte noch trainiert werden. Es war 18.31 Uhr, als das Verhängnis begann! Nach einer ersten, nur unklar zu verstehenden Äußerung drang plötzlich ein Schrei aus den Lautsprechern der Bodenkontrolle: "Wir haben Feuer im Cockpit!". Einmal ausgebrochen, breitet sich ein Feuer in einer reinen Sauerstoffatmosphäre rasend schnell aus. Deshalb nahm das Unglück auch innerhalb von Sekunden seinen verhängnisvollen Lauf. Die in der Kapsel angebrachten Sensoren registrierten starke Rauchentwicklung, einen Anstieg von Innendruck und Temperatur sowie zunehmende Körperbewegungen der Astronauten, die sich offenbar zu befreien versuchten. Das jedoch war nicht so schnell möglich, denn die Luke des Raumschiffes bestand aus zwei Komponenten. Eine davon ließ sich nur zum Inneren hin öffnen. "Sprengt die Luke weg; warum sprengen sie nicht die Luke weg?" dieser dramatische Ruf eines Beteiligten ging leider an der technischen Gestaltung der Luke vorbei - diese konnte nicht explosionsartig weggeschleudert werden. Die zunehmende Rauchentfaltung verhinderte den weiteren Blick in das Innere der Kapsel, der vorher durch eine am Fenster der Luke befestigte Kamera möglich war. Die Sensoren meldeten weiter zunehmende Bewegungen der Crew. Dramatisch war der Hilferuf von Chaffee nach 12 Sekunden: "Raus hier - es brennt. Macht auf." Aufgrund des starken Innendruckes platzte dann die Außenhaut der Kapsel an einigen Stellen auf und Stichflammen und Qualm drangen in den 'White Room'. Für Sekundenbruchteile war noch einmal so etwas wie ein Schmerzensschrei zu vernehmen. Dann herrschte Ruhe. Sofort nach der ersten Warnmeldung reagierten die Techniker, die auf dem Startturm in unmittelbarer Nähe der Kapsel arbeiteten. Zunächst versuchten Sie, die Luke zu öffnen. Doch als die Stichflamme durch die Außenhaut des Raumschiffes schoss, verließen sie zunächst fluchtartig den 'White Room', kehrten jedoch unmittelbar daraufhin wieder zurück. Zwei von ihnen suchten nach Gasmasken und Feuerlöschern, die anderen beiden liefen immer wieder für kurze Augenblicke zur Kapsel und bemühten sich darum, die Luke zu öffnen. Doch die starke Rauchentfaltung im 'White Room' be- Apollo 1-Kapsel vor dem Brand. Fotos: NASA. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 19 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Rückblick schränkte ihre Bemühungen auf jeweils nur wenige Sekunden. Es vergingen quälend lange 5 Minuten bis es gemeinsam mit weiteren herbeigestürzten Helfern gelang, das Raumschiff zu öffnen. Als der Rauch abgezogen war, bot sich ein Anblick des Grauens. Grissom, White und Chaffee lagen tot in ihren Sitzen, erstickt durch die extreme Rauchentwicklung, wie spätere Untersuchungen zeigten. Das Innere der Kapsel war völlig ausgebrannt. Nach dem tragischen Unglück begann die Suche nach den Ursachen. Die NASA wurde dabei nicht von Vorwürfen verschont. Der Titel eines Buches lautete "Mord auf Startrampe 34", und der Autor warf der amerikanischen Raumfahrtbehörde vor, im Wettlauf zum Mond den Zeitfaktor höher als die Sicherheit der beteiligten Astronauten angesetzt zu haben. Die ins Leben gerufene Kommission konnte die eigentliche Ursache der Katastrophe nicht mit letzter Sicherheit klären. Trotz der Anhörung von mehr als 1.600 Experten aus Regierung und Industrie und trotz vielfältiger Analysen in dem 3.000 Seiten starken Report ist man weiterhin auf Spekulationen angewiesen. Viele Indikatoren verwiesen auf einen Kurzschluss unter der Liege von Grissom. Warum es allerdings zu dieser Fehlfunktion kam, wurde nie hinreichend geklärt. Die reine Sauerstoffatmosphäre hat dann dazu beigetragen, dass das Feuer schnell auf die ganze Kapsel übergreifen konnte. Die verwendeten Materialien im Inneren der Kapsel bildeten zudem einen vorzüglichen Nährboden für die Flammen. Gegen Ende der verheerenden Minuten müssen kurzfristig Temperaturen von annähernd 700 Grad in der Kapsel geherrscht haben. Die Lage von Chaffee ließ den Schluss zu, dass dieser wohl noch versucht hatte, die innere Luke zu öffnen, doch die Geschwindigkeit des tragischen Ereignisses ließ ihm keine Chance. Umfangreich waren die Konsequenzen, die die NASA aus dem Unglück zog. Neben personellen Veränderungen waren es vor allem erhebliche technische Modifikationen, die eine Wiederholung einer solchen Tragödie ausschließen sollten: • die Einstiegsluke zur Kapsel wurde völlig neu konstruiert; sie war zukünftig innerhalb von 10 Sekunden zu öffnen. • Im Inneren der Kapsel durften nur noch schwer entflammbare Materialien Verwendung finden. Das galt natürlich auch für die Mondlandefähre. • Die Übungen am Boden wurden nach dem Brand von Apollo 1 nur noch bei einer Mischatmosphäre aus 60 % Sauerstoff und 40 % Stickstoff durchgeführt. Darüber hinaus empfahl die Kommission Komarow (Mitte) und Gagarin (links) mit der geplanten Sojus 2-Kopplungs-Besatzung Chrunow, Jelisejew und Bykowski (von links). Fotos: Archiv. vielfältige kleinere Korrekturen an der Apollo-Kapsel. Die Grundkonzeption als solche jedoch blieb unangetastet! Eine komplette Neuplanung hätte das Raumfahrtprogramm der USA um Jahre zurückgeworfen. Diese Entscheidung fiel aber nicht nur aus zeitlichen Überlegungen heraus, sondern auch aus der Überzeugung, dass mit der Apollo-Kapsel letztlich ein flexibles und leistungsfähiges Raumschiff zur Verfügung stand. Eine richtige Einschätzung, wie die Zukunft zeigte. Im Oktober 1968 nahm die NASA die bemannten Flüge wieder auf. Im Juli 1969, nur 9 Monate später, stand Neil Armstrong als erster Mensch auf der Oberfläche des Mondes. den Namen Sojus erhielt. Mit diesem neuen Typus sollten insbesondere orbitale Manöver und Andockvorgänge erprobt werden. Der erste unbemannte Start des neuen Raumschiffes fand am 28. November 1966 statt. Die Kapsel konnte allerdings in der Umlaufbahn nicht stabilisiert werden, so dass sie, um ein Niedergehen auf fremdem Territorium zu verhindern, zerstört wurde. Beim zweiten Testflug einer Sojus-Kapsel explodierte das Startgerät, und der dritte Anlauf (7. Februar 1967) endete mit einer katastrophalen Landung. Obwohl damit alle drei Erprobungen nicht erfolgreich verlaufen waren, glaubte man genügend Erfahrungen gesammelt und alle aufgetretenen Fehler genau analysiert und ausgemerzt zu haben, um zu bemannten Flügen übergehen zu können. Zwar gab es warnende Stimmen, Sojus 1 Die UdSSR hatte den Wettlauf zum Mond doch diese konnten sich nicht durchsetzen. natürlich angenommen und war bisher Dazu mag auch die Konkurrenzsituation durch beeindruckende Pioniertaten in der beigetragen haben. Nach einer Abstinenz unbemannten und bemannten Raumfahrt hervorgetreten. Zwar hatten die Amerikaner nach der Initiative von Präsident Kennedy deutlich aufgeholt, aber das Rennen war keineswegs entschieden. Anfang 1967 noch hatte NASA-Administrator James E. Webb vor dem House Space Committee in Washington auf die Entwicklung einer gewaltigen russischen Rakete mit einem Schub von mehr 4,5 Millionen Kilogramm hingewiesen. Auch wenn die Amerikaner über kein Detailwissen verfügten, so zeigte das doch, dass die Sowjetunion ebenfalls das Ziel anstrebte, einen Menschen zum Mond zu bringen. Seit dem letzten bemannten Raumflug allerdings waren mehr als zwei Jahre vergangen. In dieser Zeit entwickelte auch die UdSSR neue Hardware für den Wettlauf im All. Unter der Leitung Koroljows war auf der Basis des ursprünglich für die Mondmission entwickelten Typus 7K das dreisitzige Raumschiff 7K-OK entwickelt worden, das Komarow-Monument an der Unglücksstelle. Foto: Archiv Römisch. 17 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 20 Raumfahrt Concret 1/2007 Rezensionen RC-Thema/Rezension 18 von zwei Jahren wollte sich die Sowjetunion mit einer neuen Glanztat eindrucksvoll in Erinnerung bringen. Es war geplant, zunächst Sojus 1 mit einem Kosmonauten in die Umlaufbahn zu schicken. Wenige Tage später sollte Sojus 2 mit den Kosmonauten Waleri F. Bykowski, Alexej S. Jelisejew und Jewgeni W. Chrunow starten. Die beiden Raumschiffe sollten im Weltall andocken, Jelisejew und Chrunow mit einem neu entwickelten Raumanzug durch den freien Weltraum in Sojus 1 umsteigen. Danach würde diese Kapsel mit allen drei Kosmonauten zur Erde zurückkehren, während Bykowski mit Sojus 2 landete. Der für Sojus 1 ausgewählte Kosmonaut war Wladimir M. Komarow. Er war bereits im Oktober 1964 mit Woschod 1 im Weltall. Damals hatte er gemeinsam mit seinen Kollegen Feokstitow und Jegorow in gut 24 Stunden sechzehn mal die Erde umrundet. Es war der erste Drei-Mann-Flug in der Geschichte der Raumfahrt. Komarow sollte jetzt der erste sowjetische Raumfahrer werden, der zum zweiten Mal ins All flog. Der Start des Raumschiffes am 23. April 1967 verlief reibungslos. Doch dann begannen die Probleme. Einer der beiden Solarzellenträger entfaltete sich nicht, so dass die Kapsel nicht über genügend Energie verfügte, um das geplante Programm zu absolvieren. Die Bordbatterien waren verhältnismäßig schwach. Zudem funktionierte die Lagekontrolle nicht einwandfrei. Komarow hatte Probleme, das Raumschiff zur Sonne hin auszurichten. Demzufolge produzierte auch der zweite Solarzellenträger weniger Energie, ein weiteres Manko. Zwar wurde zunächst erwogen, Sojus 2 planmäßig in den Orbit zu schicken. In einem Außenbordmanöver hätten zwei Kosmonauten versuchen können, den festklemmenden Solarzellenträger zu befreien. Schlechte Witterungsbedingungen hielten das Raumschiff jedoch am Boden. Deshalb wurde entschieden, Sojus 1 bereits einen Tag nach dem Start vorzeitig zur Erde zurückzuholen. Nachdem ein erstes automatisches Einleiten des Rückkehrmanövers gescheitert war, zündete Komarow die Bremsraketen manuell. Die Rückkehr zur Erde begann. In etwa sieben Kilometern Höhe sollte sich der Hauptfallschirm öffnen. Doch das System versagte. Der Hilfsfallschirm konnte den Hauptfallschirm nicht aus dem Container ziehen. Komarow betätigte das Notfallschirmsystem. Dieses sprach zwar an, doch der nicht abgeworfene Hilfsfallschirm verhinderte offenbar die Entfaltung des Not- Faszination Universum Eine Entdeckungsreise in das Reich der Sterne Autoren die Mühe gemacht haben ein paar Worte zum Teleskop selbst zu verlieren. Das gleiche trifft auf die Erläuterungen zu den Planeten unseres Sonnensystems, die Galaxien, die Nebel, Quasare, Sternenhaufen und alles was Hubble-Fotos so hergeben, zu. Wie gesagt, alles sehr knapp und allgemein gehalten. Der Trumpf jedoch sind und bleiben die prächtigen Aufnahmen. Benno Lewuwa Von Mark Emmerich und Sven Melchert Kosmos-Verlag, gebunden, 199 Seiten, 150 zumeist großformatige Farbfotos, 29,90 Euro, ISBN 978-3-440-10612-9 Darf es noch eine Portion mehr sein? Das vorliegende Buch reiht sich gefällig in die vielfältigen Publikationen rund um das Weltraumteleskop „Hubble“ ein. Auch wenn man von Hubble eigentlich nie genug bekommen kann, könnte es das Werk schwer haben, in dem breiter werdenden astronomischen Angebot des Buchhandels aufzufallen! Die Aufnahmen sind, wie sollte es anders sein wenn es um Hubble geht, spektakulär, der sparsame Begleittext ist gefällig. Dies ist kein Buch für Hardliner, sehr wohl aber für den breiten Kreis von Interessenten mit geringen Astronomiekenntnissen – kurzum ein nettes Geschenkbuch für Jedermann. Der relativ hohe Preis macht es nämlich nicht zu dem Schmöker, den man kurz entschlossen aus dem Laden nach Hause trägt. Schön ist, dass sich die Nach Löschen der Flammen suchen Helfer der Bergungsmannschaft in der Asche nach den Überresten von Komarows Körper. Video-Still der noch brennenden Rückstände der Sojus 1 Kabine während der Bergung. Lediglich ein Spant der Kabinendecke war noch zu identifizieren. RaumfahrtWissen von Eugen Reichl, Aydogan Koc Motorbuch Verlag, gebunden, 291 Seiten 29,90 Euro, ISBN 978-3613026667 Den beiden Autoren ist eine beachtliche Leistung gelungen: umfassendes Raumfahrtwissen, wie z. B. die Grundlagen der Raumfahrt, Weltraumbahnhöfe, Systeme von Raumschiffen, medizinische Aspekte, Nutzanwendungen oder aufstrebende Raumfahrtnationen, auf 291 Seiten unterzubringen, ohne zu arg zu quetschen! Kompaktes Fachwissen wird von schirms. Die Kapsel mit Komarow stürzte ungebremst zur Erde und schlug mit etwa 40 Metern pro Sekunde auf den Boden auf. Komarow war sofort tot. Für die sowjetische Raumfahrt bedeutete das einen herben Rückschlag. Es dauerte 18 Monate, bis im Oktober 1968 mit Sojus 3 das nächste bemannte Raumschiff startete. Die Untersuchung des Unglücks offenbarte sowohl konstruktive Mängel als auch unsauber ausgeführte technische Arbeiten am Raumschiff als die Hauptursachen der Katastrophe. Auch bei Sojus 2 war das der Fall. Die drei Kosmonauten können also von Glück sagen, dass die Witterungsbedingungen ihren Start verhinderten. Konsequenterweise wurden sowohl das Fallschirmsystem der Sojus-Kapsel komplett überarbeitet als auch an der Kapsel selbst konstruktive Verbesserungen vorgenommen. Im weiteren Raumfahrtprogramm der UdSSR wurde die Sojus-Kapsel dann zu einem der zuverlässigsten Raumschiffe überhaupt. Reichl und Koc mit Hintergrundwissen, abgesetzt als farbig markierter Einschub, gepaart. Diese Kästchen sind dann auch im Inhaltsverzeichnis schnell wiederzufinden. Allerdings verwirrt die Gliederung des Buches ein wenig: So wird das Thema „Orientierung im Weltraum“ fast zum Schluss abgehandelt, dabei hätte es in das Kapitel „Die Rakete: Grundlagen und Technik“ gehört, genauso wie „Systeme des Raumfahrzeuges“. Manchmal fällt es auf, dass die Beschreibungen unnötig technisch-nüchtern ausfallen, während der Schreibstil an anderer Stelle frisch und flüssig daherkommt und mit pfiffigen Überschriften überrascht. Den beiden Autoren ist es gelungen interessante Fotos, wie z.B. von der N-1 im Buch zu verewigen. Auffällig ist die korrekte Bewertung der Raumfahrt in Ost und West, was man westlichen Beobachtern wie den beiden IngenieurAutoren, nicht auf Anhieb zutrauen würde. Sollte eine neue oder erweiterte Auflage anvisiert werden, dann würde es sich lohnen, den Rechtschreibfehlern oder doppelten Absätzen zu Leibe zu rücken und auch die Raumfahrtstatistik am Ende des Buches weniger stiefmütterlich zu behandeln. Von diesen Schönheitsfehlern abgesehen, wird die Publikation ihr Publikum finden, besonders unter den jungen Leuten, denen die Schule Raumfahrtwissen flächendeckend vorenthält. Jacqueline Myrrhe E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 21 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema Volksrepublik China die dritte Weltraummacht (Teil 7) Ein langer Marsch zur kommerziellen Raumfahrt Vergangenheit und Zukunft von Chinas Startdienstleistungen Von Chen Lan Vor 30 Jahren hat China einen historischen Schritt gewagt und damit begonnen, die Volkswirtschaft des Reiches der Mitte vom stalinistischen Stil der Zentralen Planwirtschaft hin zur Marktwirtschaft zu führen. Für diesen noch andauernden Prozess wurde der Begriff „Reform und Öffnung“ geprägt. Das Land hat seitdem den Schwerpunkt auf die ökonomische Entwicklung gelegt. Dies wiederum hatte einen großen Einfluss auf das Raumfahrtprogramm. Viele militärische und wissenschaftliche Raumfahrtprojekte wurden gestrichen oder verschoben. Lediglich Satellitenprogramme mit Nutzanwendungen und die Entwicklung der Trägerraketen überlebten. Die staatlichen Budgets für das Raumfahrtprogramm wurden beträchtlich reduziert. Raumfahrtinstitutionen hatten Produkte zu produzieren, die mit der Raumfahrt nichts zu tun hatten, wie z.B. Kühlschränke und Motorräder. Dadurch konnten sie Einnahmen erzielen, die dazu dienten, den Erhalt der Institution zu sichern. Zur gleichen Zeit wurde die Dienstleistung für Transporte in die Umlaufbahn in den westlichen Ländern zu einem einträglichen Geschäft. Die Ariane-Rakete und das Space Shuttle waren die einzigen Träger auf dem kleinen aber dynamisch wachsenden Markt. Es gab innerhalb der chinesischen Raumfahrtindustrie einige Leute mit Weitblick, die erkannten, dass China eine Rolle auf diesem Gebiet der kommerziellen Startdienstleistungen spielen könnte. Einer von ihnen war der zu der damaligen Zeit amtierende Stellvertretende Minister für Raumfahrt, Liu Jiyuan. Am 8. April 1984 startete China seinen Liu Jiyuan. ersten geostationären Kommunikationssatelliten ins All. Es war der DFH-2-Satellit, der mit einer neuen Langer-Marsch-Rakete (CZ-3) transportiert wurde. Das war ein Meilenstein in der chinesischen Raumfahrtgeschichte und legte den Grundstein für das Geschäft mit kommerziellen Starts. Gleich nach dem Start von DFH-2 berief Liu Ende April des gleichen Jahres eine Versammlung ein, um die Möglichkeiten Chinas bezüglich der Bereitstellung von kommerziellen Startkapazitäten für andere Länder zu beraten. Trotz aller Bedenken und gegen alle Widerstände konnten sich die Entscheidungsträger zu einem Übereinkommen durchringen. Kurz darauf hat Liu eine Gruppe aufgestellt, die den Markt erforschen sollte und eine Studie über die Herangehensweise verfasste. Ihm gelang es, die Arbeit der Gruppe durch ein Budget von 300.000 RMB Yuan (ungefähr 30.000 Euro zum gegenwärtigen Kurs) abzusichern. Das Team wurde von Liu persönlich geleitet und hatte insgesamt 10 Mitglieder, unter ihnen Wu Keli und Huang Zhuoyi. gedenkt, für die Ausführung der kommerziellen Satellitenstarts die Rakete vom Typ Langer Marsch zu nutzen. Für Liu Jiyuan und seine Befürworter war es sehr ermutigend, dass solch ein Ziel nahezu problemlos innerhalb von nur eineinhalb Jahren erreicht werden konnte. Dennoch hatten sie nicht erkannt, dass dies nur der Anfang eines langen und schweren Marsches war, der von vielen Hindernissen erschwert und sogar von Tränen und Blut begleitet wurde. Die ersten Schritte Bis zur Mitte des Jahres 1985 hatte China lediglich 13 erfolgreiche Starts ausgeführt. Die neue CZ-3, die für den Transport von Kommunikationssatelliten in Frage kam, konnte zu dieser Zeit auf nur einen erfolgreichen Start verweisen. Auf der anderen Seite kam hinzu, dass Chinas Raumfahrtfunktionäre keinen blassen Schimmer von Marktwirtschaft und den damit einhergehenden Geschäftsgebaren hatten. Sie hatten auch keine Ahnung, wie man an Ausschreibungen teilnimmt. Ohne brauchbare Angebote und ohne Erfahrungen im internationalen Geschäft schien es weitaus schwieriger zu sein, die Langer-MarschRakete ausländischen Kunden schmackhaft zu machen, als einen Satelliten letztendlich in die korrekte Umlaufbahn zu bringen. Offensichtlich hatte Chinas Startdienstleistung einen wichtigen Wettbewerbsvorteil und das war ihr niedriger Preis. Anfänglich hat China den Preis für die gleiche Nutzlast 15 % niedriger als den von westlichen Mitbewerbern angeboten. Erste Kontakte mit ausländischen Kunden wurden Mitte und Ende 1985 gemacht, aber keiner Am Ende des Jahres 1984 wurde der davon gedieh sehr weit. COSTIND-Kommission (Commission of Science, Technology and Industry for National Der Durchbruch kam eher zufällig. Im NoDefense – Komission für Wissenschaft, vember 1985 bemühte sich eine Delegation Technologie und Industrie zur nationalen der Swedish Space Corporation (SSC) daVerteidigung) ein Papier mit dem Vorschlag rum, die chinesischen Trägerraketen begutfür kommerzielle Startdienstleistungen vorachten zu dürfen. Nach dem Besuch der gelegt. Am 2. April 1985 wurde die BegutRaketen-Montagehalle in Peking hatten die achtung der Machbarkeitsstudie für dieses Schweden ihren Wunsch ausgedrückt, für Geschäft abgeschlossen. Die Schlussden Start ihres Mailstar LEO-Kommunifolgerungen daraus waren positiv und somit kationssatelliten die CZ-2C benutzen zu wurde die erste Entscheidung getroffen. Im können. Das hat die Chinesen überrascht. Mai und Juni kündigte China auf dem Zwei Monate später, am 23. Januar 1986, Aerosalon in Le Bourget und auf verschiedewurde ein Abkommen zur Reservierung nen internationalen Konferenzen offiziell eines Starts unterzeichnet. Einer der Gründe die Bereitstellung kommerzieller Startdafür, dass die CZ-2C unter den anderen dienstleistungen an. Diese Neuigkeit hatte weltweiten Möglichkeiten ausgewählt wurinnerhalb der internationalen Gemeinschaft de, war ein sehr persönlicher. Sven Grahn, große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. der Projektmanager von SSC (nun deren Am 27. Oktober 1985 gab die amtliche chiVizepräsident) ist ein Mitglied der bekannnesische Nachrichtenagentur Xinhua erstten Kettering Group und er hat sich seit den malig und offiziell bekannt dass China 60ern für den Empfang von Satelliten- 19 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 22 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema signalen interessiert. Er hat Signale von fast allen chinesischen Satelliten empfangen und kannte sich sehr gut im chinesischen Raumfahrtprogramm aus. Sein Vertrauen in die chinesischen Trägerraketen beförderte die Verhandlungen. Das chinesische Trägerraketengeschäft machte seinen ersten Schritt nach vorn. 20 Fünf Monate nachdem der erste Vertrag unterschrieben worden war, explodierte 73 Sekunden nach dem Start die US-amerikanische Raumfähre Challenger. Diesem Unglück folgten Startprobleme bei der Titan-, Delta- und Ariane-Rakete. Der Markt für kommerzielle Starts sah plötzlich ganz anders aus und das gab der Langen Marsch eine gute Gelegenheit. In der ersten Hälfte von 1986 wurde die Entscheidung getroffen, das Geschäft mit den kommerziellen Starts unter dem Dach der China Great Wall Industry Corporation, dem internationalen Geschäftsbereich von Chinas Raumfahrtindustrie, anzusiedeln. Diese neue Abteilung für Startdienstleistungen wurde von Wu Keli geleitet. Noch im selben Jahr wurde eine Repräsentanz in Los Angeles eingerichtet. Huang Zuoyi war der einzige vollbeschäftigte Angestellte in diesem Büro. Beide, Wu und Huang, besuchten noch im gleichen Jahr eine Reihe von Kunden in den USA. Ihre Bemühungen zahlten sich aus. In diesem ersten Jahr, vom Januar 1986 bis zum Januar 1987, wurden zwei Verträge und fünf Reservierungen unterzeichnet, auch wenn die meisten davon sich als Enttäuschungen herausstellen sollten. Die dramatischste Aktion hing mit dem Vertrag für Westar 6 zusammen. Dieser war ein Hughes 376-Kommunikationssatellit, der während der STS-51A-Mission im Jahre 1984 eingefangen und zur Erde zurückgeführt wurde. Er lag mit seinem Gewicht in der 1.400 kgBegrenzung für die GeotransferorbitFähigkeit der CZ-3. Nachdem die Reservierungsvereinbarung unterzeichnet wurde, wurde der Eigentümer, die Western Union allerdings umorganisiert. Der Satellit wurde an die in Houston stationierte Teresat verkauft. Mit Teresat konnte im Juni 1986 eine Vereinbarung abgeschlossen werden, der am 28. Januar 1987 ein formeller Vertrag folgte. Kurz darauf wurde Teresat geschlossen. Nur einen Monat später unterzeichnete eine andere kurzlebige Firma, die den Satelliten übernommen hatte, einen Vertrag mit China und machte kurz darauf ebenfalls dicht. Am 2. Januar 1989 dann wurde das Schicksal des Satelliten endgültig besiegelt, als Asiasat den Startvertrag mit CGWIC unterzeichnete. So wie ursprünglich geplant, sollte ein Start auf der CZ-3 erfolgen. Asiasat ist nicht nur ein Konsortium der in Hong Kong angesiedelten Hutchinson Telecommunications, der britischen Cable & Wireless und der chinesischen China International Trust and Investment Corporation (CITIC) sondern auch ein Pionierunternehmen für Satellitenkommunikation in China und Asien. Asiasat 1 war ein in den USA hergestellter Satellit und daher musste für seinen Export eine Genehmigung der USA-Regierung ausgestellt werden. Für die USA-Seite lagen zwei entscheidende Gründe vor, die Lizenz zu verweigern. Einer davon war, dass chinesische Starts von der Regierung finanziert werden und dies eine Wettbewerbsverzerrung darstellt. Der andere Grund war, dass der US-amerikanische Satellit auf chinesisches Territorium transportiert werden müsste und das zur Ausspionierung von sensiblen Technologien führen könnte. Chinas Position zu diesen beiden Sorgen der USA war stets, dass die chinesischen Startkapazitäten lediglich eine Ergänzung zum internationalen Markt darstellen und den Hauptakteuren in keiner Weise das Geschäft verderben können. Gleichzeitig hat China stets klar gemacht, dass ausreichende Maßnahmen zum Schutz von US-amerikanischen Geheimnissen garantiert werden können. Um diesen Problemen beizukommen hatten sich beide Regierungen an einen Tisch gesetzt und zwei Runden von zähen Verhandlungen absolviert. Am Ende konnten im November 1988 und Januar 1989 drei MOUs (Memorandum of Understanding) zum Schutz von Technologien, über die Pflichten bei Satellitenstarts und zum internationalen Handel unterzeichnet werden. Gemäß diesen Dokumenten wurde die Starterlaubnis für maximal 9 in den USA produzierten Kommunikationssatelliten innerhalb der folgenden fünf Jahre ausgehandelt. Dann haben die Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz von Peking im Juni 1989 den Prozess empfindlich gestört. Nach einer langen Zeit mit schwierigen Verhandlungen hat die Bush-Regierung zugestimmt, die Export-Lizenz auf der Basis von Einzelentscheidungen zu geben und stimmte dem Export von Asiasat 1 am 21. Dezember 1989 zu. Das war weniger als vier Monate vor dem geplanten Start von Asiasat 1. Der Satellit traf am 12. Februar 1990 auf dem Xichang-Startkomplex ein. Begleitet wurde er von einem Startvorbereitungsteam der Firma Hughes und Sicherheitsbeamten der USA-Regierung. Am 7. April 1990 wurde Geschichte geschrieben. Die CZ-3 hob vom Boden ab und setzte Asiasat 1 präzise in einen Geotransfer-Orbit (GTO) aus. China betrat mit diesem erfolgreichen Start den internationalen Markt für kommerzielle Startdienstleistungen. Es war gleichzeitig die erste Rückkehr eines aus dem Orbit geborgenen Satelliten in den Kosmos. Als mit dem Start von Asiasat 1 eine neue CZ-3. Seite im Buch der Satellitenstarts aufgeschlagen wurde, wartete der Vertrag mit der Swedish Space Corporation noch immer auf Erfüllung. Das Mailstar-Vorhaben wurde 1987 auf Grund des sich schnell entwickelnden VSAT-Systems gestrichen. Um die Startmöglichkeit dennoch zu nutzen, entschied sich SSC den wissenschaftlichen Satelliten Freja statt Mailstar transportieren zu lassen. Der Startvertrag wurde 1988 unterzeichnet. Freja wurde 1992 erfolgreich von einer CZ-2C gestartet. Der schwedische Satellit war dabei eine Huckepack-Nutzlast zu der Hauptnutzlast, dem rückkehrfähigen FSW-13-Satelliten. Neue Trägersysteme Bereits 1986 hat Huang Zuoyi davon geträumt mit einem Schwerlastträgersystem, einer Variante der CZ-2C mit Zusatzboostern, den größten am Markt verfügbaren Kommunikationssatelliten zu starten. Diese Idee fand die Unterstützung vieler Leute, einschließlich Liu Jiyuan und des CALT-Direktors Wang Yongzhi. Diese Idee war auch für Hughes und Aussat (später Optus), den größten australischen Satellitenbetreiber, attraktiv. Im Oktober 1986 besuchten Vertreter von Hughes zum ersten Mal China. Im Januar 1987 stimmte der Minister für Raumfahrt dem Plan zur Entwicklung der CZ-2E zum kommerziellen Träger zu. Bereits am 5. Februar 1987 unterschrieb Hughes eine Reservierungsvereinbarung mit China. Hughes gewann ein Jahr später, im Januar 1988, die Ausschreibung von Aussat zum Bau von zwei HS-601Satelliten, dem zum damaligen Zeitpunkt größten Kommunikationssatelliten. Der endgültige formelle Vertrag für den Start E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 23 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema fahrt, dem Außenministerium und vom COSTIND nahmen an dieser Beratung teil. Der Entwicklung der CZ-2E wurde letztendlich zugestimmt, allerdings wurden keine Budgets zur Verfügung gestellt. Die Entwicklungskosten wurden auf 350 Millionen RMB Yuan (35 Millionen zum gegenwärtigen Kurs) geschätzt. Liu Jiyuan unternahm jede Anstrengung um das Geld aufzutreiben und konnte schließlich 20 Millionen Yuan aus dem Raumfahrtbudget des CALT erschließen. Damit konnte die Entwicklung des neuen Trägers begonnen werden. Das restliche, fehlende Geld wurde später von Banken geliehen. Die Entwicklung der CZ-2E wurde von Wang Yongzhi (später Chefingenieur im bemannten Programm) geleitet. CZ-2E. der beiden Kommunikationssatelliten Optus B1 und Optus B2 mit der CZ-2E wurde schließlich am 31. Oktober 1988 unterzeichnet. Das war eine große Errungenschaft für die chinesischen Verhandlungsführer, denn als der Vertrag besiegelt wurde, war der neue Träger erst auf dem Reißbrett existent. Der Vertrag war auch eine große Herausforderung für China. Der Zeitplan machte einen Teststart schon vor dem 30. Juni 1990 erforderlich. Wenn China diesen Zeitrahmen nicht einhalten würde, hätte das einen Vertragsbruch zur Folge und eine Vertragsstrafe von einer Million US-Dollar wäre fällig geworden. Natürlich gab es auch starke Gegner des Vorhabens innerhalb der Gruppe der chinesischen Entscheidungsträger. Bei einem Treffen im September 1988 in Huairou und im November 1988 in Daxing (beides Vororte von Peking) gab es intensive Debatten zu dem Projekt. Die CZ-2E war nicht im ursprünglichen Plan der Raketenentwicklung enthalten. Das bedeutete also, dass Ressourcen und Finanzen von anderen Projekten geopfert werden müssten. Das Vorhaben war auch sehr risikoreich, da es einen steilen Anstieg der LEO-Kapazität von 2 t auf 9 t vorsah. Der brandneue Schwerlastträger und alle neuen Testeinrichtungen sowie der neue Startplatz mussten innerhalb von nur 18 Monaten fertig gestellt werden. Das Treffen endete ohne eine Beschlussfassung. Am 14. Dezember 1988 hatte der Staatsrat speziell zu dieser Angelegenheit eine Versammlung anberaumt. Der Premierminister Li Peng und der Vize-Premierminister Yao Yiling sowie Funktionäre vom Ministerium für Raum- 18 Monate später wurde eine neue Rakete auf dem neuen Startplatz aufgerichtet. Es war ein Wunder, nicht nur in der Geschichte der chinesischen Raumfahrt sondern auch in der Geschichte der weltweiten Raumfahrt. Der Jungfernflug der CZ-2E erfolgte am 14. Juli 1990. Der Start der CZ-2E war erfolgreich, aber die simulierte OptusNutzlast erreichte nicht den Transferorbit, da der Perigäumsmotor (PKM – perigee kick motor) versagte. Dennoch war damit der Weg frei, um die beiden HS-601-Satelliten zu starten. Außerdem muss erwähnt werden, dass die CZ-2E ein wichtiger Meilenstein in der chinesischen Raumfahrtentwicklung war. Die CZ-2E-Variante wurde später zur CZ-2F weiterentwickelt, also in die bemannte Version. Tatsächlich hat die chinesische Regierung zwei Monate nach dem Jungfernflug der CZ-2E das Programm für die bemannte Raumfahrt, das Projekt 921, unterzeichnet. Ohne die CZ-2E hätte es 11 Jahre später keinen bemannten Flug von Shenzhou 5 gegeben. das Exportverbot für Satelliten nach China aufgehoben. Obendrein musste der erste Startversuch am 22. März kurz nach der Zündung im Notregime abgebrochen werden. Zum Glück waren sowohl der Satellit als auch die Rakete noch intakt geblieben. Die Ursache war ein Stück zusätzliches Material an der Raketenzündung, das zum Kurzschluss führte und dann zur Folge hatte, dass eines der vier Triebwerke abgeschaltet wurde. Fünf Monate später konnte die dritte CZ-2E Optus B1 erfolgreich starten. Am Ende des Jahres musste das kommerzielle Raumfahrtprogramm Chinas ein weiteres Missgeschick hinnehmen. Dieses Mal aber ein echtes Versagen. Optus B2 konnte gestartet werden, aber der Satellit ging verloren. Obwohl er mit einem Bilderbuchstart 18 Monate später durch Optus B3 ersetzt wurde, war dies der Anfang einer Pechsträhne in Chinas Programm für kommerzielle Startdienstleistungen. Im Januar 1995 explodierte die vierte CZ-2E nach dem Start. Der Apstar 2-Kommunikationssatellit wurde zerstört und sechs Bewohner eines nahe gelegenen Dorfes wurden getötet. Der schwerste Zwischenfall ereignete sich am 14. Februar 1996 als die neue dritte Stufe der CZ-3B ihren Erststart absolvierte. Aufgrund einer Fehlfunktion einer Kontrolleinheit, änderte die Rakete nach dem Abheben ihre vertikale Lage in eine horizontale Ausrichtung und schlug in einen 1,85 km entfernten Hügel ein. Abermals wurden sechs Leute getötet, unter ihnen auch ein erfahrener Raumfahrtingenieur. Im August brannte die Oberstufe der CZ-3 zu kurze Zeit und somit konnte der von Hughes gebaute Chinasat-7 nicht den erforderlichen Orbit erreichen. Im Zeitraum von 1992 bis 1996 hat China sechs kommerzielle Kommunikationssatelliten erfolgreich auf eine Umlaufbahn befördert. Dazu gehörten Optus B1 und B3, Apstar 1 und 1A, Asiasat 2 und Eachstar 1. Es gab auch Fortschritte in der Anbahnung von neuen Verträgen. Der größte dieser Verträge war die Startdienstleistung für den Iridium-Satelliten. Dieser Start wurde als Kompensation für Chinas Investitionen in das Iridium-Programm vollzogen. Aber die Fehlschläge warfen bereits einen Schatten auf den Weg des Langen Marsches zum internationalen Markt. Wenigstens drei bis Fehlschläge und Erfolge vier Verträge wurden gestrichen. Dazu So wie der gesamte Weg in den Weltraum gehörten die für Echostar 2, Asiasat 3, für die CZ-2E nicht gerade sehr eben war, Globalstar und andere. war auch das ganze Programm für kommerzielle Startdienstleistungen nicht sehr rei- Im Oktober 1997 konnte China seine kombungslos verlaufen. Die Ereignisse auf dem merziellen Startaktivitäten wieder aufnehTiananmen-Platz haben alle kommerziellen men. Der philippinische Agila-2-Kommuund technischen Koordinierungen zwischen nikationssatellit konnte mit einer verbesserChina, Hughes und Optus unterbrochen. Erst ten CZ-3B in eine Umlaufbahn gebracht mit Wirkung vom 30. April 1991 hat die USA Zur gleichen Zeit entwickelte China einen neuen GTO-Träger, die CZ-3A. Diese Rakete hatte neu entwickelte kryogene Triebwerke, die es möglich machten, die GTO-Kapazität von 1,4 t auf 2,5 t zu erhöhen. Der Plan sah auch die Entwicklung eines schweren Trägers, der CZ-3B vor. Diese Version vereinte die Hauptstufe der CZ-3A mit den Zusatzboostern der CZ-2E. Bis heute ist die CZ-3B Chinas leistungsfähigste Rakete, die bis zu 5 t Nutzlast in den GTO transportieren kann. 21 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 24 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema DFH-4 Kommunikationssatellit. Fotos: Archiv Autor. schlechterten sich die Chinesisch-US-amerikanischen Beziehungen. Hughes und Loral wurden beschuldigt, während der Untersuchungen zu den CZ-2Eund CZ-3B-Fehlstarts sensible Technologien an China durchsickern gelassen zu haben. Lockheed Martin wurde verdächtigt, China bei der Entwicklung der Smart DispenserTransferstufe für die Iridium-Starts geholfen zu haben. Diese Transferstufe kann für militärische Zwecke genutzt werden. China hat alle diese Beschuldigungen natürlich zurückgewiesen. Im Jahre 1998 wurde der Cox Report, ein Bericht über die Ausspionierung von US-Technologien durch China vorgelegt. Als eine Folge des Berichts wurden die Kontrollen für den Export von Satelliten und von Raumfahrttechnologien mehr und mehr verschärft. Von dieser Zeit an wurde es unmöglich in den USA gebaute Satelliten CZ-3B. oder Satelliten mit Komponenten aus den werden. Einen Monat später startete Apstar USA mit irgendeinem chinesischen Träger zu 2R. Die CZ-3B absolvierte zwei weitere starten. erfolgreiche Starts im Jahre 1998, als zwei nationale Kommunikationssatelliten in eine Auf der anderen Seite, stellte China nie seine Umlaufbahn geschossen wurden. Vom Bemühungen ein. Es wurden Ende der Dezember 1997 bis zum Juni 1999 voll- 1990er und Anfang des neuen Jahrtausends brachte China sechs Starts bei denen 12 einige Verträge mit Satellitenherstellern Motorola/Iridium-Kommunikations- außerhalb der USA abgeschlossen. Einer der satelliten in den LEO befördert wurden. Verträge bezog sich auf Atlantic Bird 1 der Obwohl China zu dieser Zeit einen Rekord- in Europa gebaut wurde, ein anderer auf marktanteil von 10 % des Weltmarktes HKSAT, der von Israel hergestellt wurde oder abdeckte, hat dieser Erfolg Chinas Position ein anderer auf einen kleinen koreanischen auf dem Markt nicht gestärkt. Chinas kom- Satelliten. Da aber in allen Satelliten merzielle Startgeschäfte lagen nach 1998 Komponenten, die in der USA fabriziert wurden, enthalten sind, wurden die Verträge plötzlich darnieder. nie erfüllt. Sie wurden entweder an andere Dafür gab es zwei Hauptgründe. Ein Grund Startdienstleister, wie Ariane, übergeben war die generelle Situation auf dem Markt. oder sie wurden storniert. Die Nachfrage nach GEO-Kommunikationssatelliten sank Ende der 90er Jahre stark ab und der Markt für LEO-Kommunikationssatelliten brach zusammen. Zur gleichen Zeit kamen billige russische Startanbieter zum Zuge, zum Beispiel die Proton-Rakete von ILS und die Zenit-3S von Sea Launch. Die Kostenvorteile der Langer-MarschRakete waren damit nicht mehr vorhanden. Ein anderer Faktor war die internationale politische Großwetterlage. Nach 1996 ver- 22 Rückkehr zum Markt Aufgrund der unvorteilhaften Marktbedingungen hat China seine Strategie nach dem Jahr 2000 angepasst. Die erste Änderung ist die Hinwendung zu europäischen Satellitenbauern. Dennoch ist die Entfernung aller US-amerikanischen Komponenten von einem Hochleistungssatelliten eine schwierige Aufgabe für alle Satellitenbetreiber. Dies wird nur für den Fall passie- ren, dass der Satellit unbedingt von China aus gestartet werden muss. Daher ist diese Strategie nur von teilweisem Erfolg gekrönt. Der Apstar 6-Satellit, der von Alcatel gebaut und von der in Hong Kong angesiedelten APT Communications betrieben wird, war der erste Kommunikationssatellit ohne USamerikanische Komponenten der mit einer chinesischen Trägerrakete befördert wurde. Der Satellit wurde am 12. April 2005 mit einer CZ-3B von Xichang aus gestartet. Dieser Start markierte nach sechs Jahren Pause Chinas Rückkehr auf den Markt. Als Folge des Apstar 6-Starts hat der einheimische Satellitenbetreiber Chinasat zwei Verträge mit Alcatel für den Bau von Chinasat 9 und Chinasat 6B unterschrieben. Beide werden 2007 mit einer CZ-3B gestartet werden. Die zweite Strategie ist solider und hat einen Langzeiteffekt. Sie beinhaltet die Bündelung der Startdienstleistung mit dem Satellitenexport. Dies ist bereits seit Jahren allgemeine Praxis bei Satellitenherstellern wie Hughes oder Lockheed Martin und wird „in-Orbit-Lieferung“ genannt. China baut derzeit seine Hoffnungen auf die Entwicklung des Busses für den DFH-4-Kommunikationssatelliten. DHF-4, entwickelt von der CAST (China Academy of Space Technology), ist Chinas größter jemals entwickelter Satellit. Seine Leistung entspricht dem von Boeings HS-601. Das Projekt wurde Ende der 90er Jahre gestartet und ist seit Jahren Chinas wichtigstes Raumfahrtprojekt. Hier sind seine Hauptmerkmale zusammengestellt: Anders als beim DFH-3 wird der erste DFH4-Satellit ein kommerzieller Satellit sein. Er wurde bereits Sinosat-2 getauft und wurde vom Unternehmen Sinosat Satellite Communications erworben. Sinosat-2 soll Chinas erster Satellit für die Übertragung von direktem TV-Service sein. CAST hat nach dem Sinosat 2-Vertrag drei weitere Verträge für DFH-4 mit einheimischem Operationsservice unterzeichnet. Es handelt sich dabei um Apstar-6B, Sinosat 3B und Chinasat 5A, die für 2008 bzw. 2009 für den Start vorgesehen sind. Da sowohl Chinasat als auch Sinosat und Apstar mit Beteiligung der chinesischen Regierung arbeiten, werden diese beiden Starts nicht als echter Druchbruch für DFH4 gelten können. Dagegen ist aber der Vertrag mit der Nigerianischen Raumfahrtagentur NASRDA (Nigerian National Space Research and Development Agency) über eine in-Orbit-Lieferung von NigComSat-1 ein neuer Meilenstein für das chinesische E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 25 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema kommerzielle Raumfahrtprogramm. Der NigComSat-1 ist ein Kommunikationssatellit mit DFH-4-Bus, 28 C-Band-, KuBand-, Ka-Band- und L-Band-Transpondern. Die Vereinbarung wurde im Dezember 2004 unterschrieben und beinhaltet den Start für das Jahr 2007. Diese Übereinkunft zeigt, dass die preisgünstigen Kommunikationssatelliten Made in China attraktiv für Entwicklungsländer sind. Durch den ersten Erfolg ermutigt, hat China sein zweites Abkommen 11 Monate später unterzeichnet. Dieses Mal mit Venezuela. China wird bis 2008 einen weiteren DFH-4-Kommunikationssatelliten, den „Simon Bolivar“ für Venezuela in-Orbit liefern. Leider war die erste DFH-4-Mission nicht von Erfolg gekrönt. Der Kommunikationssatellit DFH-4, auch als Sinosat 2 bezeichnet, wurde am 29. Oktober 2006 gestartet. Der Komsat erreichte die vorgesehene geostationäre Umlaufbahn, allerdings konnten seine Solarzellen und auch die Antenne nicht komplett ausgefahren werden. Bislang ist noch nicht abzuschätzen, inwieweit dieses Versagen Einfluss auf die chinesische kommerzielle Raumfahrtindustrie haben wird. Auf lange Sicht sind die kommerziellen Startdienstleistungen ein wichtiges Feld auf dem Gebiet von Chinas ehrgeizigen Raumfahrtplänen. Neben dem DFH-4-Kommunikationssatelliten hat China auch große Erwartungen in die nächste Generation von Trägersystemen. Der neue Träger wird Chinas Startkapazitäten bedeutend erweitern und seine Wettbewerbsfähigkeit mit einer maximalen GTO-Kapazität von 14 t stärken. Es wird erwartet, dass dieses Trägersystem Mitte des nächsten Jahrzehnts zur Verfügung stehen wird. Trotz der enormen Fortschritte und auch angesichts der Probleme mit Sinosat 2, die Kommerzielle Starts der Volksrepublik China Datum Satellit (Plattform) 7. April 1990 Asiasat 1 (HS-376) 13. August 1992 Optus B1 (HS-601) 6. Oktober 1992 Freja 21. Dezember 1992 Optus B2 (HS-601) 7. Juli 1994 Apstar 1 (HS-376) 27. August 1994 Optus B3 (HS-601) 25. Januar1995 Apstar 2 (HS-601) 28. November 1995 Asiasat 2 (LM-7000) 28. Dezember 1995 Echostar 1 (LM-7000) 14. Februar 1996 Intelsat 708 (SSL-1300) 3. Juli 1996 Apstar 1A 18. August 1996 Chinasat 7 (HS-376) 19. August 1997 Agila 2 (SSL-1300) 16. Oktober 1997 Apstar 2R (SSL-1300) 8. Dezember1997 Iridium 42 & 44 25. März1998 Iridium 51 & 61 1. Mai 1998 Iridium 69 & 71 30. Mai 1998 Chinastar 1 (LM-2100) 18. Juli 1998 Sinosat 1 (SB-3000) 19. August 1998 Iridium 3 & 76 18. Dezember 1998 Iridium 11A & 20A 11.. Juni 1999 Iridium 14A & 21A 12. April 2005 Apstar 6 (SB-4100) 29. Oktober 2006 Sinosat 2 (DFH-4) CZ-3B, Xichang CZ-2C/SD, Taiyuan CZ-2C/SD, Taiyuan CZ-2C/SD, Taiyuan CZ-3B, Xichang CZ-3B, Xichang CZ-2C/SD, Taiyuan CZ-2C/SD, Taiyuan CZ-2C/SD, Taiyuan CZ-3B, Xichang CZ-3B, Xichang Geplante chinesische kommerzielle Starts Datum Satellit/Bus Mai 2007 Chinasat 6B (SB-4000) Mai 2007 Sinosat 3 (DFH-3) November 2007 Chinasat 9 (SB-4000) 2007 NigComSat 1 (DFH-4) 2008 Apstar 6B (DFH-4) 2008? RascomStar-QAF 1 (SB-4000) 2008 Simon Bolivar (DFH-4) 2008 Sinosat 3B (DFH-4) 2009 Chinasat 5A (DFH-4) Träger/Startplatz CZ-3B, Xichang CZ-3A, Xichang CZ-3B, Xichang CZ-3B, Jiuquan CZ-3B, Xichang CZ-3B, Xichang CZ-3B, Xichang CZ-3B, Xichang CZ-3B, Xichang Träger/Startplatz CZ-3, Xichang CZ-2E, Xichang CZ-2C, Jiuquan CZ-2E, Xichang CZ-3, Xichang CZ-2E, Xichang CZ-2E, Xichang CZ-2E, Xichang CZ-2E, Xichang CZ-3B, Xichang CZ-3, Xichang CZ-3, Xichang letztendlich behoben werden können, ist die Zukunft von Chinas Trägerraketengeschäft unsicher. Solange die politischen Beziehungen zwischen China und den Vereinigten Staaten wechselhaft bleiben, ist der Zugang zum Kerngeschäft für China sehr schwierig. Auch steht der Beweis für die Wettbewerbsvorteile des DFH-4 sowie der neuen Trägersysteme noch aus. Der lange Marsch in den kommerziellen Weltraum ist nicht leicht. Literaturhinweise: Li Mingsheng, Fengyu Changzheng Hao, People’s Literature Publishing House, Beijing, 2003 Yan Zhongwen, Commercial Communication Satellite: Status and Strategy, Satellite Communication and Broadcasting, 2003 Sven Grahn, Sven’s Space Place-Internetseite (http://www.svengrahn.pp.se/) Übersetzung und deutsche Bearbeitung: Jacqueline Myrrhe. Bemerkung Fehlstart Fehlstart Fehlstart Fehlstart Satellit nicht ausgesetzt Bemerkung Andere Option: Ariane 5 23 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 26 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema Der chinesische Satellitenabschuss und dessen Folgen Von Carsten Wiedemann, Sebastian Stabroth, Michael Oswald, und Peter Vörsmann Abb. 1 China hat am 11. Januar 2007 gegen 22:26 Uhr UTC eine Anti-Satelliten-Waffe im Weltraum getestet. Das Ziel war ein im Jahr 1999 gestarteter chinesischer Wettersatellit mit der Bezeichnung FENGYUN 1C (Bild oben), der sich in ca. 850 Kilometern Höhe auf einer polaren Umlaufbahn befand. Die Chinesen haben diesen Satelliten laut Medienberichten mit einer bodengestützten Rakete zerstört. Es wurden zahlreiche Trümmerstücke beobachtet, die nun einen Beitrag zum Weltraummüll leisten. 24 Wie ist die Trümmerzahl im Weltraum durch diesen Test gestiegen? Das amerikanische SPACE SURVEILLANCE NETWORK hat innerhalb von zwei Wochen nach der Zerstörung des chinesischen Satelliten mehr als 500 Trümmerstücke beobachten können. Dabei lassen sich von der Erde aus nur Objekte erfassen, deren Durchmesser größer als etwa 10 Zentimeter ist. Die Bahnhöhen der beobachteten Trümmerstücke reichen in niedrigere sowie höhere Bahnbereiche hinein (Abbildung 1) und führen dort für Satellitenmissionen zu einem erhöhten Kollisionsrisiko. Um die Auswirkung des Anti-Satelliten-Tests auf die gesamte Weltraummüllpopulation abschätzen zu können, müssen Simulationsrechnungen durchgeführt werden. Die durch POEM generierten Datenbanken bilden den wissenschaftlichen Kern des ESA-Weltraummüllmodells MASTER (Meteoroid and Space Debris Terrestrial Environment Reference). POEM verfügt über eine detaillierte Modellvorstellung der Freisetzung und der zeitlichen Entwicklung einzelner Quellen von Weltraummüll seit Beginn der Raumfahrtaktivitäten. Mit POEM wurde der Beitrag des AntiSatelliten-Tests zur Weltraummüllpopulation bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Zerstörung des chinesischen Satelliten in einer Bahnhöhe von 850 Kilometern bei den zentimetergroßen Trümmerstücken zu etwa 28 % zur bereits vorhandenen Weltraummüllpopulation beigetragen hat. Um diesen Prozentsatz wird das Kollisionsrisiko in der nahen Zukunft für Satel- Abb. 2 litenmissionen in dieser Bahnhöhe ansteigen. Längerfristig wird zwar ein Teil der kleineren Trümmerstücke durch die Restreibung der Atmosphäre abgebremst und danach verglühen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass ein erheblicher Teil der Trümmer größer als einen Zentimeter für lange Zeit im Weltraum verbleiben wird (Abbildung 2). Warum sollten Anti-Satelliten-Tests in Zukunft vermieden werden? Der Anti-Satelliten-Test erfolgte in einer Bahnhöhe, die von vielen Erdbeobachtungssatelliten genutzt wird. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit der Zerstörung eines Satelliten durch Weltraummülleinschläge noch nicht dramatisch, aber in der Nähe von 900 Kilometern Höhe ist die Trümmerdichte inzwischen so hoch, dass in den nächsten Jahrzehnten ein „Kettenreaktions- effekt“ einsetzen könnte. Trümmerstücke könnten dann untereinander kollidieren und dadurch neue Trümmer erzeugen, so dass die Anzahl der Objekte stetig weiter steigt. Deshalb muss das Freisetzen weiterer Trümmer in diesen Bahnhöhen unbedingt vermieden werden. Hinzu kommt, dass in der Nähe von 900 Kilometern Höhe ca. 30 ausgediente russische Kernreaktoren auf Friedhofsumlaufbahnen fliegen, deren Radioaktivität dort in den nächsten Jahrhunderten abklingen soll. Wenn der Kettenreaktionseffekt einsetzt, könnten diese Reaktoren als Kollisionspartner zur Verfügung stehen und auseinanderbrechen. Geringe Mengen freiwerdender radioaktiver Trümmer könnten dann eventuell früher in die Erdatmosphäre eintreten, als dies ursprünglich vorgesehen war. Die Autoren arbeiten am Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme der Universität Braunschweig. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 27 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema Der ASAT-Test mit chinesischen Augen betrachtet Ein Kommentar von Chen Lan Der erste chinesische Antisatellitentest (ASAT= anti satellite) im Januar war für die gesamte Welt eine Überraschung, genauso wie für die Menschen in China. Die Nachricht über den Test wurde zuerst über die Internetseite des Aeromagazins „Aviation Week & Space Technology“ (AW&ST) verbreitet Obwohl es bis zum 23. Januar keine offizielle Bestätigung des Tests von chinesischer Seite gab, waren chinesische Internetnutzer sofort nach der Veröffentlichung der Meldung auf der AW&STInternetseite auf diese Information gestoßen. Seitdem wird in China eine intensive OnlineDiskussion über den Test geführt. Die Reaktion der Leute von der Straße ist in China ziemlich einmütig. Die meisten von ihnen begrüßen den Test und nennen es ein historisches Ereignis. Ihrer Meinung nach hat China mit diesem Test demonstriert, dass es zu einer echten Macht heranwuchs und in der Lage ist, allen anderen Ländern der Erde, einschließlich der einzigen Supermacht der Welt, den USA, die Stirn zu bieten. Trotz der negativen Auswirkungen des Weltraummülls, der durch die Zerstörung des Satelliten verursacht wurde, denken die meisten Chinesen, dass China ein Recht zu dem Test hatte. Nicht nur weil die frühere Sowjetunion und die Vereinigten Staaten in den 70er und 80er Jahren ähnliche Tests durchführten, sondern auch weil kein international geltendes Recht verletzt wurde. Einige Leute denken, dass der Test dafür gedacht war, die Separatisten in Taiwan zu warnen. Es soll nach deren Meinung ein Signal an die Taiwanesischen Führer gewesen sein, um ihnen zu zeigen, dass eine Einbeziehung der USA nun nicht mehr so einfach möglich ist, da das Pentagon hohe Risiken bedenken müsste, wenn z.B. dessen weltallgestützte Systeme während eines Konfliktes beschädigt werden würden. Gleichzeitig denken manche Menschen, dass China mit der Entwicklung von Weltraumwaffen nicht eine Herausforderung der USA in Betracht zieht, sondern eine Lockerung der Sanktionen gegen China erreichen will. Natürlich gibt es auch jede Menge von anti-amerikanischen Emotionen im Internet zu lesen. So erinnern die chinesischen Internetnutzer während ihres Meinungsaustausches an die Bombardierung der Chinesischen Botschaft in Belgrad im Jahre 1999 und den Flugzeugzusammenstoß nahe der HainanInsel im Jahre 2001. In deren Augen ist der Test ein Versuch Chinas den Hegemoniebestrebungen der USA entgegenzutreten. Einige wenige erwähnen sogar, dass sie mit Genugtuung die aufkommenden „Sorgen“ der USA betrachten. Im Gegensatz dazu wurden die offiziellen Kommentare der chinesischen Regierung sehr sorgsam und mit Bedacht gegeben. Der Sprecher des Außenministeriums erklärte, dass der Test nicht gegen ein Land gerichtet war und zu keinem Zeitpunkt eine Bedrohung irgendeines Landes darstellen sollte. Mehr noch, China wird seine Bestrebungen für die friedliche Nutzung des Weltraums fortsetzen und alles in seinen Kräften stehende tun, um eine Verbreitung von Weltraumwaffen sowie ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern. Diese Position steht im Einklang mit Chinas langandauernden Bemühungen und dem gemeinsam mit Russland initiierten Vorgehen in den Vereinten Nationen, einen Vertrag zum Verbot von Weltraumwaffen zu erzielen. Der Sprecher des Außenministeriums ließ die zukünftige Haltung Chinas zu so einem Vertrag offen. Diese soll in verschiedenen Sitzungen der Vereinten Nationen, insbesondere vor dem Komitee für die friedliche Nutzung des Weltraums (COPUOS) erläutert werden. Was auch immer das Ziel des Tests war, das strategische Gleichgewicht der Weltmächte wurde ein wenig verändert. Da sich die USA im besonderen Maße auf die Weltrauminfrastruktur verlässt und ihnen die meisten Satelliten im niederen Erdorbit gehören, würde die USA in einem potenziellen Weltraumkrieg mehr verlieren als China oder jedes andere Land. Selbst in Bezug auf konventionelle und nukleare Bewaffnung gibt es zwischen China und den USA eine große Lücke. Sollte China in der Lage sein, US-Satelliten zu beschädigen oder zu zerstören, kann es damit gleichzeitig das konventionelle und atomare Militär blind und taub machen. Das ASAT-System ist der Schlüssel dazu, um so einen asymmetrischen Krieg zu gewinnen. Dennoch bin ich der Ansicht, dass die ASAT-Waffe Chinas lediglich eine Art Abschreckungsmaßnahme ist. Wenn China eine feindliche Attacke im Vorfeld erfolgreich vermeiden kann, dann ist die Zielsetzung bereits erreicht. Es ist so, wie Sun Tsu einst sagte: „Die höchste Kunst des Krieges ist die Unterwerfung des Feindes ohne Kampf.“ Die Nuklearwaffen unserer Tage bilden eine passende Analogie zu diesem Motto. Die Anwesenheit von Nuklearwaffen hat seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges einen offenen Konflikt zwischen den Supermächten verhindert. Wenn diese Analogien auch heute noch zutreffen, dann hat in diesem aktuellen Fall der ASAT-Test dazu beigetragen, dass seit dem 12. Januar ein Konflikt zwischen China und den USA unwahrscheinlicher geworden ist. Das mag nicht nur mein Wunschdenken sein, sondern auch eine sehr wahrscheinliche Realität. Marszeit Teil 27) Experimente für einen bemannten Marsflug (Folge 2) ( Von Dr. Jewgeni Demin Im Heft 44/45 berichtete unser Autor über verschiedene Langzeitexperimente in Hinblick auf eine künftige bemannte Marsmission. In diesem Beitrag stellt er das neueste Experiment vor, das im IV. Quartal in Moskau beginnen soll. Ziele und Hauptaufgaben von MARS 500 Das Experiment soll eine Antwort auf die Hauptfrage geben, ob die Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit des Menschen während eines Marsfluges genügend erhalten werden kann, da gerade diese beiden Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf den physischen und psychischen Zustand der Mannschaft ausüben können. Das Hauptaugenmerk soll dem Problem der Lebensumwelt gelten. Sie wird durch den Grad des Komforts und der optimalen Abwechselung von Arbeit und Erholung gekennzeichnet. Die Lebensumwelt umfasst ein breites Spektrum von Parametern, die den Zustand der Umwelt charakterisieren, wie z.B. die Zusammensetzung der Kabinenatmosphäre, das Temperatur-FeuchtigkeitsVerhältnis, toxikologische und mikrobiologische Verschmutzungen, der Lärm, die Beleuchtungsstärke, die Intervalle der Das Modul (EU-250) ist ein hermetischer Zylinder aus rostfreiem Stahl, der aus 24 ringförmigen Sektionen besteht. Nahrungsaufnahme, der Wasserverbrauch, die sanitär-hygienischen Prozeduren und anderes. Gerade die Besonderheiten der Wechselwirkungen «Mensch - Umwelt» können wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit der Mannschaft haben. 25 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 28 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema Mit dem Experiment soll eine Reihe der bis heute existierenden Vorstellungen, Sachlagen und Normative, die sich auf die Probleme der medizinischen Kontrolle und die Normierung und Steuerung der Wohnbedingungen, die Organisation des Lebens und die Tätigkeit der Mannschaft beziehen, präzisiert werden. Es soll ein Test der einzelnen Elemente und Systeme insgesamt durchgeführt werden. Darüber hinaus soll ein Verständnis der medizinisch-biologischen Versorgung der bemannten MarsExpedition gewonnen werden. Für jedes beliebige Experiment, das auf der Erde durchgeführt wird, existiert das Problem einen Raumflug so real wie möglich zu simulieren. Eine volle Übereinstimmung ist schwer zu erreichen und für einige Faktoren nicht realisierbar. Das Ziel und die Aufgaben des geplanten Experimentes haben, im Unterschied zum tatsächlichen Flug, eine stark ausgeprägte medizinisch-biologische Ausrichtung und dies wird bei der Planung des Experimentes Vorrang haben. Die Aufgaben • Einfluss der modellierten Bedingungen auf die Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit der Mannschaft; • Tätigkeitsablauf der Crew und ihre Wechselwirkung mit dem Flugleitzentrum bei Besonderheiten, die dem Marsflug eigen sind (Einsamkeit, Autonomie, limitierte Ressourcen, die Unerreichbarkeit externer medizinischer und psychologischer Hilfe etc.); • Erarbeitung von Prinzipien, Methoden und Mitteln zur Kontrolle, der Diagnostik sowohl der Prognostizierung des Zustandes der Gesundheit als auch der Arbeitsfähigkeit; • Methoden der Telemedizin für die Fernkontrolle des Gesundheitszustandes der Menschen; • Möglichkeiten zur Kontrolle des Wohnmilieus mittels Monitorings; • Approbation der Elemente des AuskunftsInformations-Systems sowie der Methoden und autonomen Mittel der psychologischen Unterstützung; • Einschätzung der modernen technologischen Systeme und Mittel zur Sicherstellung 26 Der Clubraum. der Lebensfähigkeit und des Schutzes des Menschen. Das Szenarium Während des Experimentes werden alle Bedingungen eines Marsfluges, außer der Schwerelosigkeit, simuliert: die extrem lange Missionsdauer (520 Tage); die Autonomie der Mannschaft, die Selbstverwaltung und Selbstkontrolle der Arbeitsabläufe; die Begrenzung der lebenswichtigen Ressourcen, die gleichzeitig mit der Unmöglichkeit von Nachschublieferungen verbunden ist; die erschwerte Kommunikation, die durch die Verzögerung der Signalübertragung gekennzeichnet ist; die Tätigkeit auf der Mars-Oberfläche; der spezielle Arbeits- und Erholungsrhythmus, wobei der Schichtdienst auch nachts am Hauptsteuerpult sichergestellt werden muss; aber auch die Isolierung im begrenzten Raum; die Parameter der künstlichen Umwelt, wie: Luftzustand, atmosphärischer Druck, Temperatur, Feuchtigkeit, Lärmpegel usw.; die Hauptarten der Arbeiten auf dem MarsRaumschiff, wie zum Beispiel: Operationen zur Kopplung und Steuerung des Raumschiffes in Zusammenhang mit der Veränderung der Flugbahn; Unterbringung und Inventur der Ladungen; Ernährung; sanitär-hygienische Prozeduren. Die Mannschaft für die Missionssimulation wird aus 6 Menschen im Alter von 25 bis zu 50 Jahren zusammengesetzt sein. Dabei erfüllt einer die Funktion des Kommandeurs der Expedition, einer die des Mannschaftsarztes, ein weiteres Besatzungsmitglied die des Bordingenieurs und die restlichen 3 stellen Forscher dar. Im Laufe des Experiments ist die Austauschbarkeit der Besatzungsmitglieder aufgrund der Funktionsdublierung möglich. Das Vorhandensein eines Mannschaftsarztes ist eine obligatorische Bedingung. Im Laufe der Simulation werden die folgenden Hauptetappen des 520-tägigen Flugs zum Mars ausgeführt werden: • Periode des "Fluges" auf einer spiralförmigen Flugbahn im Gravitationsfeld der Erde (2. bis 50. Tag des Experimentes); • „Flugphase“ im heliozentrischen Orbit bis in die Marsumgebung (51. bis 200. Tag); • "Flug" auf einer spiralförmigen Umlaufbahn im Gravitationsfeld des Mars (201. bis 246. Tag); • „Manöver" im nahen Marsorbit mit dem Abstieg des Start-Lande-Moduls auf die Oberfläche des Planeten und die Rückkehr zum Raumschiff (247. bis 278. Tag des Experimentes). In dieser Periode wird eine Aufteilung der Mannschaft in 2 Gruppen zu je 3 Kosmonauten vorgenommen: jene Besatzungsmitglieder, denen die "Arbeit" auf der Marsoberfläche bevorsteht, werden Einzelkabine mit Computeranschluss. Fotos. Autor. sich der 21-tägigen Einwirkung der marsianischen Gravitation aussetzen. Es wird die Imitation von 3 Ausstiegen auf die Marsoberfläche durch eine Gruppe von zwei Teilnehmern geplant. In dieser Periode führen die 3 Besatzungsmitglieder, die sich im Modell des Marskomplexes befinden, eine 24-stündige Beobachtung durch und halten die Verbindung mit der Mannschaft im Start-Lande-Modul. • Beginn des "Rückfluges" auf einer spiralförmigen Flugbahn im Gravitationsfeld des Mars (279. bis 319. Tag). Die Mannschaftsmitglieder, die am Ausstieg auf die Oberfläche teilnehmen, unterziehen sich nach der Rückkehr in das Raumschiff einer 5-tägigen Beobachtung (279. bis 283. Tag). Die übrigen Besatzungsmitglieder steuern die Operationen des Raumschiffes, um den Beginn der Rückkehr zur Erde vorzubereiten. • "Flug" im heliozentrischen Orbit bis in die Umgebung der Erde (320. bis 470. Tag); • "Flug" auf einer spiralen Flugbahn in das Gravitationsfeld der Erde (471. bis 520. Tag). Der Übergang zu jeder neuen Etappe des experimentellen "Fluges" wird durch die Simulation der Operationen zur Steuerung des Raumschiffes begleitet: die Entkopplung und Kopplung mit der Orbitalstation; die Veränderung der Flugbahn beim Übergang von einer Umlaufbahn auf eine andere; Kopplung und Entkopplung WPM mit dem Marskomplex. Die Evakuierung einzelner Besatzungsmitglieder wird mit „Krankheit“ oder "Tod" des Kosmonauten gleichgesetzt. Seine Pflichten werden auf andere Besatzungsmitglieder bei Fortsetzung des Experimentes umverteilt. Das Prinzip der Selbstorganisation und der Selbstverwaltung wird die Grundlage des Lebens und der Arbeit der Mannschaft während der Mars-Expedition sein und wird sich praktisch in jeder beliebigen Erschei- E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 29 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Thema nungsform wiederfinden. Die Selbstorganisation und die Selbstverwaltung der Mannschaft zeigt sich: • in der Selbstkontrolle des gesamten Lebens und der Arbeit der Kosmonauten, einschließlich der Kontrolle des Gesundheitszustandes, des psychologischen Zustandes und der Arbeitsfähigkeit, der Wohnbedingungen sowie der verbrauchten Ressourcen; • in der selbstständigen Entscheidungsfindung und ihrer nachfolgenden Umsetzung für die Beseitigung der entstehenden Probleme. heiten, Verletzungen oder Konflikten; • Probleme in den zwischenmenschlichen Beziehungen infolge eines Konfliktes und in Anbetracht der gegebenen Unmöglichkeit den Bestand der Mannschaft zu verändern; • Abnahme der sozialen Kontrolle, Verstöße gegen aufgestellte Normen, was die Abweichung vom geplanten Programm zur Folge hat; • Veränderung der Arbeits- und Erholungsphasen, Effektivitätsverlust in der Führung, die Umverteilung der Führungsfunktionen und der funktionalen Rollen, die Entstehung gegensätzlicher Gruppierungen usw. Es gibt begrenzte Ressourcen ohne Nachschuboption, wie Nahrung, Wasser, Mittel zur Filterung der Atemluft, Apparatur, Ausrüstung und Ersatzteile, Kleidung, Schuhe, Bettwäsche, Mittel für die ärztliche Betreuung, Medikamente, Artikel zur Sanitärhygiene, Informationsquellen). Alle notwendigen Ressourcen, die die Lebenstätigkeit der Mannschaft im Laufe des langfristigen Experimentes gewährleisten, werden vor Beginn des Experimentes bereitgestellt. Es sind keine Nachlieferungen der oben genannten Ressourcen im Laufe der "Expedition" möglich. Alle Ressourcen werden streng begrenzt sein. Ausgehend von den Gruppen- und individuellen Normen des Konsums ist jede der Ressourcen in den verschiedenen Etappen des Experimentes normiert. An Bord werden die Mittel der individuellen Kontrolle und Inventur für jede verbrauchte Ressource existieren. Im Verlauf des Experimentes wird eine strenge Reglementierung des Informationsaustausches zwischen der Mannschaft und dem Flugleitzentrum entsprechend des angenommenen realen Flugmodells gewährleistet sein, wobei die Verbindungen mit Signalverzögerung arbeiten. Ausgehend von dem Ziel des Experimentes, soll die Möglichkeit des normalen Lebens und Arbeitens unter den beschränkten Bedingungen, die bei einem Marsflug typisch sind, gezeigt werden. Im geplanten Experiment ist nicht vorgesehen, das Programm mit Havarie- oder außerplanmäßigen Situationen zu überlasten. Einkalkuliert sind begrenzte Problemsituationen, die durch den menschlichen Faktor bedingt sind. Das können Situationen folgender Art sein: • Defizite oder Verbrauch der notwendigen Ressourcen (Wasser, Nahrung, Energie, medizinische und hygienische Mittel) wegen Verstoßes gegen die Rationsnormen, was psychologische Anspannungen in der Mannschaft bis zur offenen Konfrontation hervorrufen kann; • der volle oder teilweise Verlust der Arbeitsfähigkeit einzelner Besatzungsmitglieder in Zusammenhang mit Krank- Der Tagesablauf der Mannschaft im Simulationsexperiment wird unter dem Gesichtspunkt der Balance von Arbeit und Erholung der Mannschaft gestaltet werden. Für die verschiedenen Phasen des Experimentes, für die bestimmte Flugetappen modelliert sind, kann die Organisation der Arbeit und Erholung unterschiedlich sein. Besonders trifft dies für die Etappe zu, bei der der Aufenthalt auf der Marsoberfläche simuliert wird, da hierbei der Unterschied zwischen Marstag und Erdtag berücksichtigt werden muss. Die ganze Periode des Experimentes wird auf fünfzehn typisierte 35-Tage-Zyklen (beginnend mit dem 2. Tag des Experimentes) aufgeteilt. Am Ende jedes 35-tägigen Zyklus wird die Durchführung der vertieften medizinischen Kontrolle und die vorbeugende mikrobiologische Kontrolle des Wohnbereichs geplant. Am 175./176. Tag, und auch am 350./ 351.Tag wird eine gründliche medizinische Untersuchung der Probanden unter Nutzung telemedizinischer Technologien mit der Teilnahme von Spezialisten, die sich auf der "Erde "befinden", geplant. Ausgehend von den realen Kommunikationsbedingungen, werden sich beim bemannten Marsflug die Beziehungen zwischen der Mannschaft und den Flugleitzentren auf der Erde wesentlich verändern. Die Hauptart des Informationsaustausches wird die schriftliche Form mittels e-Mail sein. Jedes Besatzungsmitglied im Experiment soll eine individuelle Kabine haben. Sie soll so ausgestattet sein, dass damit sowohl die Funktion eines Erholungsortes als auch die Funktion des individuellen Arbeitsplatzes erfüllt wird. Die Priorität der medizinisch-biologischen Forschungen ist ein Hauptmerkmal des Experimentes, was auch als wichtigstes Kriterium bei der Auswahl und Zusammenstellung der Mannschaft dient. Die Entwicklung einiger individueller Forschungsprogramme, die bestimmte Probanden erfüllen sollen, ist zweckmäßig. Es würde den Interessen der einzelnen Besatzungsmitglieder entsprechen. Das trägt zu ihrer professionellen Vervollkommnung als auch zum Erfahrungs- und Wissensaustausch mit den anderen Besatzungsmitgliedern bei. Es würde den Missionsteilnehmern in vernünftigen Grenzen die Möglichkeit geben, ihre individuelle Belastung anzupassen, was letzten Endes zur Aufrechterhaltung des normalen psychologischen Klimas in der Mannschaft beitragen würde. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Problem des "Rückweges" zur Erde gewidmet werden, umso mehr, als die Länge dieser Etappe die Hälfte der ganzen Expedition bilden könnte. Nach dem emotionalen Aufschwung, den die Mannschaft bei der Ausführung des Arbeitsprogrammes auf der Mars-Oberfläche erfahren wird, erfordert der danach einsetzende Alltag von der Crew die Ausführung von Routineprozeduren. Das verlangt von der zu jener Zeit körperlich schon erheblich geschwächten Besatzung höhere Anstrengungen, als in vorhergehenden Etappen. Unter diesen Bedingungen sind die Entstehung von Konfliktsituationen und die Bildung gegensätzlicher Gruppierungen möglich. Eine besondere Bedeutung liegt in der psychologischen Unterstützung, aber auch in der Erfüllung der funktionellen Pflichten durch den Kommandeur. Ergebnisse Bei der Formierung des wissenschaftlichen Programms der Simulation werden alle Aspekte der Lebenstätigkeit der Mannschaft während einer Mars-Expedition dargestellt werden, aber auch die ungelösten Fragen auf medizinisch-biologischem Gebiet werden aufgezeigt. Die Durchführung der Simulationsstudie auf der Erde wird erlauben, die Elemente der "Technologien der Lebenssicherung" der Mannschaft der Marsexpedition auszuprobieren und aus möglichen alternativen Lösungen die effektivsten zu wählen. Aufgrund der aus dem Experiment erhaltenen Daten wird dann beispielsweise möglich sein: • die Konzeption der medizinisch-biologischen Versorgung eines bemannten Marsfluges zu präzisieren; • die Grenzbedingungen zur Erhaltung der Gesundheit und der Arbeitsfähigkeit der Mannschaft zu bestimmen; • oder die Anforderungen der medizinischbiologischen Betreuung exakter zu formulieren. Jewgeni Demin arbeitet am Staatlichen wissenschaftlichen Zentrum der Russischen Föderation Institut für medizinisch-biologische Probleme der russischen Akademie der Wissenschaften. Übersetzung: Regina und Eberhard Rödel Deutsche Bearbeitung: Jacqueline Myrrhe 27 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 30 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Interview Mjachkaja Posadka Weiche Landung ! Ein Gespräch mit Josif Viktorowitsch Dawydow, ehemaliger Bergungsleiter des ZBK „Juri Gagarin“ im Sternenstädtchen der Tiere waren sehr unterschiedlich. Aber nach der Rückkehr zur Erde hat sich alles wieder normalisiert. Erst danach hat man Menschen getestet und ich war einer der allerersten. Nachdem man sich davon überzeugt hatte, dass man in der Schwerelosigkeit arbeiten kann, hat man die ersten Kosmonauten getestet. Aber das war damals alles streng geheim... RC: Herr Dawydow, Sie haben schon 1995 mein privates Raumfahrtmuseum Mittweida besucht. Heute sind Sie im Museum für Flugsicherheit und Rettung in Söllingen. Wie kommt das? Sind Sie öfters in Deutschland? Josif V. Dawydow: Ja sehr oft, und zwar deshalb, weil meine Tochter Marina in der Nähe von Karlsruhe wohnt. Da nutzt man natürlich jede Gelegenheit, einmal die Familie und vor allem die beiden Enkel zu besuchen. Außerdem habe ich ab Mitte der 90er Jahre im Zusammenhang mit meiner früheren Tätigkeit bei den Bergungskräften Ihr Land öfter besucht. RC: Genau, darum soll es im Interview gehen. Wie sind Sie zu diesem sicherlich recht einzigartigen "Beruf" gekommen? Josif V. Dawydow: Sie kennen mich vornehmlich als Bergungsleiter, weil ich auf unzähligen Fotos von gelandeten Raumkapseln mit zu sehen bin, aber meine eigentliche Tätigkeit bestand 27 Jahre darin, die Kosmonauten auf schwierige und extreme Bedingungen nach der Landung vorzubereiten. Seit 1960 arbeitete ich am Tschkalowski-Institut. Die haben begonnen, mit dem Flugzeug TU-104 Parabelflüge zu machen, um Schwerelosigkeit für kurze Zeit zu erzeugen. Nach den ersten gelungenen Parabeln haben wir biologische Objekte getestet: Kaninchen, Katzen, Vögel, aber auch verschiedene Pflanzen. Die Reaktionen 28 RC: Und dann wollten Sie bestimmt ebenfalls Kosmonaut werden? Josif V. Dawydow: Ja selbstverständlich, aber wie Sie sehen bin ich 1,92 Meter groß und auch nicht so leicht, wie ein Kosmonaut eben sein muss, damit er in die Kapsel passt. Ich war so wild drauf, dass ich vorschlug, mir die Beine zu amputieren. Gott-sei-Dank hat man das nicht angenommen. Aber so waren die Zeiten damals. Ende des Jahres 1962 habe ich dann den späteren Kosmonauten Wladimir Komarow getroffen, der mich eingeladen hat, im gerade entstehenden Kosmonauten-Ausbildungszentrum "Swjosdny Gorodok" (heute ZPK "Juri Gagarin" oder "Sternenstädtchen") zu arbeiten. Im März 1963 habe ich dort angefangen. RC: Als Ausbilder der Kosmonauten? Josif V. Dawydow: Erst mal nicht unmittelbar. Meine erste Aufgabe war es, das Gerät "Wolga" zu entwickeln, mit dem man Raumschiffe steuert. Das gehörte bei uns zur "Technik des bemannten Raumfluges" und es ging um das Manövrieren, die Annäherung und die Kopplung mit einem anderen Raumschiff. Erst als ich das Gerät selbst perfekt beherrscht habe, machte ich gemeinsam mit Juri Gagarin weiter. Die Kosmonauten gaben mir damals den Spitznamen "Kopplungsprofessor". Das hat mich sehr stolz gemacht. Kurz vor seinem Start hat mir Wladimir Komarow, mit dem ich damals schon gut befreundet war, empfohlen, mich mit der Sicherheit bemannter Raumflugkörper zu befassen. Das umfasst den Start, das Erreichen der Umlaufbahn, die Landung und das Verhalten der Besatzung nach der Landung. Leider ist Komarow tragisch umgekommen, eben bei der Landung. Der Fallschirm hatte versagt und der Aufprall war nicht überlebbar. RC: Danach war es ja umso mehr wichtig, eine solche Stelle einzurichten? Josif V. Dawydow: Ja, aber ich wurde offiziell erst nach dem erfolgreichen Raumflug von Georgi Beregowoi (Oktober 1968) damit betraut, genauer als er der Chef des Kosmonauten- Ausbildungszentrums (ZPK) wurde. Also Sicherheit bei bemannten Raumflügen. Ich wurde der Spezialist des ZPK für das System der Bergung bei Notfällen. Das heißt, ich habe die Kosmonauten trainiert, wie sie bei Start, Annäherung, Kopplung und Landung sicher handeln und wie sie unter extremen klimatischen und geografischen Bedingungen nach einer Notlandung überleben können. RC: Was müssen wir uns unter "extremen Bedingungen" vorstellen? Josif V. Dawydow: Wir selbst haben diese Situationen getestet. In Workuta und Tiksi am Polarkreis haben wir -55° Celsius ausgehalten, in der Wüste Kisylkum waren es +55° Celsius im Schatten, in der Karakum, bei Buchara und Aschchabat +90° Celsius in der Sonne. Was die Wasserlandung betrifft sind wir bis 3,5 Meter Wellenhöhe aus der schwimmenden Kapsel gestiegen, und das in Spezialanzügen bei +4° Celsius Wassertemperatur. In diesen konnte man bis 12 Stunden durchhalten, im Sokol-Raumanzug "nur" etwa 2 Stunden. Aber auch tropische Bedingungen haben wir in den Sümpfen von Aserbaidschan geprobt. 98 % Luftfeuchtigkeit und 38° Celsius, Giftschlangen und Moskitos mussten wir auch trotzen. Der Rettungstrupp hat die Besatzung von Woschod 2 (A .A. Leonow und P. I. Beljajew) erreicht. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 31 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Interview Bergung der Landekapsel von Sojus 23 aus dem Tengis-See, ganz rechts: W.D. Sudow und W.I. Roschdestwenski. Selbst bis 3.500 Meter hohe Berge haben wir einbezogen. Es musste einfach sichergestellt werden, dass die Kosmonauten unter allen denkbaren Bedingungen drei Tage lang durchhalten bis sie gerettet werden. Das war unsere Aufgabe und wir haben sie gelöst. Das hat bis jetzt fünf Besatzungen das Leben gerettet. RC: Sie meinen zum Beispiel Woschod 2 mit Alexeij Leonow und Pawel Beljajew? Ich glaube sogar, Sie in dem Film darüber gesehen zu haben. Zumindest Ihre einprägsame Statur... Josif V. Dawydow: Ja, ich bin ganz kurz von der Seite und auf Skiern zu sehen. Damals durfte ja noch niemand meine Identität kennen. Die zweite Besatzung, die ich meine, war die von Sojus 17. Alexeij Gubarew und Georgi Gretschko waren im Schneesturm bei geringer Sichtweite gelandet und hatten sich mit der Kapsel mehrfach überschlagen. Als wir sie fanden, waren wir schockiert. Die Kosmonauten waren blutbedeckt, hatten lädierte Knie und überall Blutergüsse. Und dann Sojus 18, Wassili Lasarew und Oleg Makarow. Nach dem Versagen der Sojus-Rakete trat die Kapsel so schnell in die Atmosphäre ein, dass die beiden bei einer Belastung von etwa 20 G ohnmächtig wurden. Sie landeten im Gebirge und die Kapsel rollte talwärts. Glücklicherweise verfing sich der Fallschirm an einem Baum. So fanden wir sie dann auch. Naja und die Sache mit Sojus 23 mit Wjatscheslaw Sudow und Waleri Roschdestwenski kennen Sie ja aus meinem Buch*. Als wir die schwimmende Kapsel im Tengis-See bei minus 20 Grad gefunden hatten, konnten wir sie nicht mit dem Hubschrauber hochheben. Der Reservefallschirm hatte sich geöffnet und zog die Luke unter Wasser, so dass die Kosmonauten mit ihrem eigenen Sauerstoff durchhalten mussten. Wir haben sie die etwa acht Kilometer bis zum Ufer bei Sturm und Regen geschleppt. Wir hatten schon die schlimmsten Befürchtungen. Als wir in der Kapsel die halb erfrorenen Kosmonauten lebend gefunden haben, waren wir alle sehr sehr glücklich. Sojus 33 konnte wegen eines schadhaft arbeitenden Triebwerkes nicht an Salut 6 koppeln und gelangte deswegen auch auf eine sehr steile Abstiegsbahn. Dabei mussten Rukawischnikow und Iwanow etwa 10 G aushalten und wir haben die Aufgabe gelöst, sie im Dunkeln so schnell wie möglich zu finden und zu bergen. Man könnte auch die Bergung von Sojus 15 (Gennady Sarafanow und Lew Djomin) zu den Problemlandungen zählen. Die nämlich waren direkt in ein Gewitter hineingeraten. RC: Sie erwähnten im Gespräch, dass bisher 22 Kosmo- und Astronauten gestorben sind. Gab es auch Opfer unter denen, die die Grenzen beim Überlebenstraining ausgelotet haben? G.W. Sarafanow und L.S. Djomin (Sojus 15). 29 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 32 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Interview Ein Techniker, J.-L. Chrétien, J. V. Dawydow und J. W. Malischew (von links). Josif V. Dawydow: Ja leider. Man hat zum Beispiel die Katapulte mit Freiwilligen getestet, die nicht selten zu Krüppeln wurden oder dabei umkamen. Später hat man dazu Leichen genommen. Auch die anderen Faktoren des Raumfluges hat man mit Menschen getestet. Die Raumanzüge für den Ausstieg in hochfliegenden Kapseln zählen dazu. Ich sehe aber Ihr erschrockenes Gesicht und möchte Sie in diese Zeit zurückführen. Wir haben damals auch ohne Extra-Bezahlung unser Leben für die Sache des Vaterlandes eingesetzt. Wir waren überzeugt, dass wir das Richtige tun. Das waren tatsächlich Freiwillige, die an den Sieg des Sozialismus geglaubt haben. Übrigens haben wir unter der damals üblichen Geheimhaltung auch nicht gelitten, so wie man das manchmal hört. Wir haben das einfach als notwendig empfunden. Manchmal hat man in Filmen Netze über unsere Gesichter gelegt. Na und? Wir selbst wussten doch, wer drunter war. Josif V. Dawydow: Ich glaube nicht. Aber wir haben viele Frauen ausgebildet, nämlich immer drei pro Mission, von denen nur wenige tatsächlich geflogen sind. Die geplanten Frauen-Missionen sind immer wieder gestrichen worden. Als Waleri Rjumin stellvertretender Generaldirektor und Flugleiter im ZUP (Flugleitzentrum Koroljow-d.A) geworden ist, hat er die damals existierende Frauengruppe aufgelöst, aber seine eigene Frau, Jelena Kondakowa, hat er in den Kosmos geschickt. RC: Da bin ich jetzt schon sehr gespannt auf Ihr Buch, das hoffentlich bald auf Deutsch erscheint und in dem wir bestimmt bisher unbekannte Fakten lesen dürfen. Meines Wissens sind Sie doch auch für Ihre Offenheit kritisiert worden? Josif V. Dawydow: Das stimmt schon. Aber das Buch (und es ist ja bereits mein sechstes) ist mehrheitlich positiv bewertet worden. Sicher sind einige nicht gut dabei weggekommen oder nicht genannt worden. Die RC: Und als dann die Flüge mit den Frauen haben dann auch kritisiert. Ich will Ihnen aufkamen, waren da auch Frauen unter die- aber sagen: Hätte man diese Art Offenheit sen Freiwilligen? schon im Raumfahrt-Wettlauf zwischen uns und den USA gepflegt, wären wohl einige Opfer vermeidbar gewesen. Nun grüßen Sie bitte Ihre Leser und ich hoffe, dass sie dann alle das Buch kaufen. (lacht). RC: Ich danke recht herzlich für das aufschlussreiche Gespräch. Das Interview führte Tasillo Römisch. Alle Fotos stammen aus der privaten Sammlung von J. V. Dawydow und sind ausdrücklich zur Veröffentlichung in Raumfahrt Concret freigegeben worden. *Davydov, I.W.: Triumf i Tragedija sowjetskoi Kosmonawtiki, Globus Moskau 2000. Das Buch wird derzeit von seiner Tochter ins Deutsche übersetzt und hoffentlich noch 2007 erscheinen. FÖRDERER DER RAUMFAHRT UND WELTRAUMFORSCHUNG In letzter Konsequenz will der Mensch alles persönlich in Augenschein nehmen, was es gibt. Also wird das nächste große Menschheitsziel in der Erschließung unseres Sonnensystems bestehen. Als Förderer der Raumfahrt und Weltraumforschung möchte ich andere Menschen für dieses Ziel begeistern. 30 Darum spendet Eberhard Rödel aus Schwerin 500.- Euro im Jahr 2007. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 33 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Missionsreport Space Shuttle STS-116/ISS-12A.1 Shuttle-Flug 117 DISCOVERY (OV-103) Flug 33 Von Michael Gräfe Die STS-116-Besatzung, vorn von links: William A. Oefelein, Joan E. Higginbotham, Mark L. Polansky. Dahinter von links: Robert L. Curbeam, Nicholas J. M. Patrick, Sunita L. Williams sowie Christer Fuglesang (ESA). BESATZUNG Mark L. Polansky (50) USA, Kommandant (2. Raumflug) William A. Oefelein (41) USA, Pilot (1. Raumflug) Nicholas J. M. Patrick (42) USA, Missionsspezialist 1 (1. Raumflug) Robert L. Curbeam (44) USA, Missionsspezialist 2 (3. Raumflug) A. Christer Fuglesang (49) ESA/Schweden, Missionsspezialist 3 (1. Raumflug) Joan E. Higginbotham (42) USA, Missionsspezialist 4 (1. Raumflug) zur ISS: Sunita L. Williams (41) USA, Missionsspezialist 5, ISS-Flugingenieur 2 (1. Raumflug) NUTZLASTEN Integrated Truss Structure-Port 5 (ITS-P5) siebentes von elf Segmenten der ISS-Gitterstruktur - Hersteller: Boeing - Kosten: 10,972 Mio US-Dollar (8,44 Mio Euro) - Material: Aluminium - Form: quadratisch - Abmessungen: 3,37 m lang, 4,55 m breit, 4,24 m hoch - Masse: 1.864 kg - Andockstelle: P4-Segment an der Stations-Backbordseite - Aufgabe: Verbundelement der beiden Photovoltaik-Module P4 und P6 von der ISS: Thomas A. Reiter (48) ESA/BRD, ISS-Bordingenieur 2, Missionsspezialist 5 (2. Raumflug) FLUGDATEN Startzeit 10. Dezember 2006, 01.47:35 Uhr Startort Cape Canaveral, Florida; Kennedy Space Center Spacehab Logistics Single Module (Spacehab-LSM) (2. Einsatz) 3,05 x 3,40 x 4,30 m messendes und 2,77 Tonnen schweres Druckmodul (31 Kubikmeter Volumen) mit 1,9 Tonnen ISS-Logistik Integrated Cargo Carrier (ICC) beidseitig tragfähige Palette (2,44 m lang, 4,57 m breit, 25,4 cm dick) mit 839 kg Eigenmasse zzgl. 1,65 Tonnen Nutzlasten, bestehend aus: Startkomplex LC-39B Mobile Startplattform MLP-1 Startfenster 01.42:35 Uhr bis 01.52:35 Uhr Startmasse/STS 2.050.884 Kilogramm Startmasse/Orbiter 120.415 Kilogramm Astronomische Bezeichnung 2006-055A Flughöhe 326 x 358 Kilometer Inklination 51,64 Grad Umlaufzeit 91,6 Minuten ISS-Ankopplung 11. Dezember 2006, 22.12 Uhr ISS-Abkopplung 19. Dezember 2006, 22.10 Uhr Kopplungsdauer 7 Tage, 23 Stunden, 58 Minuten Landezeit 22. Dezember 2006, 22.32:00 Uhr Landeort Cape Canaveral, Florida; Kennedy Space Center Landebahn Shuttle Landing Facility/ Runway 15 Landemasse 102.219 Kilogramm Orbits 203 Flugstrecke 8,5 Millionen Kilometer Flugdauer 12 Tage, 20 Stunden, 44 Minuten, 25 Sekunden - Service Module Debris Panels (SMDPs) 100 kg Hitzeschutzpaneele für das russische Swesda-Modul und - Space Test Program - H2 (STP-H2) Drei Testsatellitenpaare einschließlich deren Start- und Versorgungstechnik Atmospheric Neutral Density Experiment (ANDE) 20-kg-Startzylinder mit Mock ANDE Active (MAA - 50 kg) und Fence Calibration (FCal - 75 kg, passiv), zwei kugelförmigen Satelliten (Durchmesser: 48 bzw. 44 cm) zur Messung von Zusammensetzung und Dichte der Atmosphäre im Niedrigorbitbereich zum besseren Verständnis der atmosphärischen Abbremsung Radar Fence Transponder (RAFT)-1/Military Affiliate Radio System Communications (MARScom) 4 bzw. 3 kg schwere und je 13 cm Kantenlänge aufweisende würfelförmige Satelliten zur Erprobung experimenteller Kommunikationstechnologien Eine Beule auf der Portseite des P6-Sonnensegels, die beim ersten Ausfahrversuch der Sonnenzelle am 13. Dezember entstanden ist. Die Außenbordarbeiter konnten diesen Knick durch weiteres Ausfahren des Segels wieder beheben. Microelectromechanical System-Based (MEMS) PICOSAT Inspector (MEPSI)-2A/2B zwei kubusartige, durch ein 15,2-mSeil verbundene Satelliten (je 1,5 kg bei 10 x 10 x 13 cm Kantenlänge) für Techniktests hinsichtlich der Inspektion von Raumflugkörpern auf Beschädigungen FLUGHARDWARE Feststoff-Booster SRB-Integration Set BI-128 Außentank ET-123 Haupttriebwerke SSME-1: 2050 (4. Einsatz) SSME-2: 2054 (6. Einsatz) SSME-3: 2058 (1. Einsatz) Alle Zeitangaben in Weltzeit Großer Bahnhof: Neben dem Shuttle legten auch Sojus TMA-9 (Vordergrund) und Progress 22 an der ISS an. Fotos: NASA. 31 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 34 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Missionsreport MISSIONSABLAUF Die Mission STS-116 wurde als eine der komplexesten der bisherigen bemannten Raumfahrt angesehen. Nicht nur, dass mit ihr das P5-Segment zur ISS transportiert und dort installiert, deren Besatzung mit dringend benötigtem Güternachschub versorgt und der deutsche Langzeitastronaut Thomas Reiter von seiner Nachfolgerin Sunita Williams abgelöst werden sollte. Diesmal musste die Crew die Station obendrein in ihren Endverkabelungszustand versetzen. Dass dann auch noch ein störrisches Sonnensegel einer Sonderbehandlung bedurfte, sollte erschwerend hinzukommen. Trotz widriger Witterungsbedingungen hob die DISCOVERY am 10. Dezember 2006 um 01.47:35 Uhr beim ersten Nachtstart seit der COLUMBIA-Katastrophe und dem insgesamt 29. im Shuttle-Programm ohne Schwierigkeiten zum 20. ISS-Flug einer US-Raumfähre ab - voraussichtlich letztmalig von Rampe 39B, die von nun an für die ersten Testschüsse der neuen ARES-I-Rakete umgerüstet werden soll. Zwei Tage vorher hatte man den Start wegen schlechten Wetters noch abgeblasen. Der NASA wäre zwar noch bis zum 17. Dezember Zeit geblieben und ohnehin war der Flug schon einmal für den 14. terminisiert, doch letztlich wollte sie dann doch nicht, dass eine ihrer Fähren über Weihnachten im All weilte, zum einen aus menschlichen, zum anderen aus Kostengründen. Nach den mittlerweile zur Routine gewordenen Überprüfungen der Außenhaut des Orbiters (Flugtag-2, 10./11. Dezember) dockte Kommandant Polansky die DISCOVERY am 3. Flugtag (11./12. Dezember um 22.12 Uhr am Pressurized Mating Adapter (PMA)-2-Stutzen der Station an, nicht ohne vorher für die drei ISS-Kollegen den inzwischen obligatorischen „Inspektions-Looping“ gedreht zu haben. Als sich schließlich beide Besatzungen um 23.54 Uhr in die Arme gefallen waren, wartete statt des Entladens der P5-Einheit aber erst einmal ein Sonderauftrag aus Houston auf sie. Dort hatte man im linken Tragflächenflügel des Shuttle den vermutlichen Einschlag eines Mikrometeoriten registriert und vorsichtshalber eine Extra-Inspektion angeordnet. Deren Ergebnis blieb jedoch negativ, so dass Nick Patrick jetzt endlich P5 mit dem Orbiter-Greifarm aus der Ladebucht heben und an den von Joan Higginbotham bedienten stationseigenen Canadarm-2 übergeben konnte, wo das neue ISSSegment bis zu seiner Festmontage vorerst ausharren musste. Nun durfte auch Thomas Reiter seinen Sitz aus dem Sojus-Raumschiff in der Raumfähre installieren, womit er am 12. Dezember fünf Uhr offizielles Mitglied der Shuttle-Crew wurde, der dadurch mit ihm und dem Schweden Fuglesang erstmalig zwei ESA-Astronauten angehörten. Im Gegenzug schleppte Suni Williams den ihren von der DISCOVERY zur Rettungskapsel und wechselte in die ISS-Mannschaft. Am 4. Flugtag (12./13. Dezember) absolvierten Bob Curbeam und Christer Fuglesang erfolgreich ihr erstes Außenbordmanöver und montierten dabei die P5Struktur an das Modul P3/P4. Beide Astronauten hatten zuvor bei vermindertem Luftdruck in der Quest-Schleuse genächtigt, damit der im Blut enthaltene Stickstoff quasi schon im Schlaf „ausgewaschen“ werden konnte, was zu einer Verkürzung der Ausstiegsvorbereitungen führt. Dieses mit „Campout“ umschriebene Verfahren sollte im Missionsverlauf auch bei allen weiteren anstehenden Extra Vehicular Activities (EVAs) Anwendung finden. Probleme bereitete am Flugtag-5 (13./14. Dezember) das Einfahren des Backbordpaneels des P6-Solarzellenträgers. Der bisherige Energielieferant P6 war im Dezember 2000 bei STS-97 provisorisch am Z1-Gitter befestigt worden und soll im September 2007 während der STS-120Mission seinen endgültigen Platz am P5-Modul finden. Jetzt behinderte dieses Segel jedoch die neuen P4-Paddel an deren Ausrichtung nach der Sonne und sollte automatisch zusammengefaltet werden. Das Vorhaben gelang jedoch nur zum Teil. Nach 14 von 31 Lamellen war Schluss und das Paneel reagierte auf kein Kommando mehr, da sich offensichtlich das Führungskabel verhakt hatte - zum Glück aber bereits ausreichend für die Aktivierung des P4Drehgelenks. Flugtag-6 (14./15. Dezember) brachte dann den zweiten Ausstieg von Curbeam und Fuglesang, bei dem sie die ersten beiden von insgesamt vier Stromkreisen der Raumstation neu konfigurierten. Vorher war zu ihrer Sicherheit in der hälftigen ISS der „Saft“ abgedreht worden. Doch alles funktionierte reibungslos. Um 21.45 Uhr wurde der Schalter für die neu verkabelten Bereiche wieder umgelegt und eine dreiviertel Stunde später begann das Kühlsystem, überschüssige Wärme in den Weltraum abzustrahlen. Den 7. Flugtag (15./16. Dezember) nutzte die Besatzung vor allem zum Transfer des angelieferten 2.364 Kilogramm Stationsnachschubs, einer Pressekonferenz sowie weiteren vergeblichen Sonnensegel-EinfahrVersuchen, während am Flugtag-8 (16./17. Dezember) Bob Curbeam und Suni Williams beim dritten Außeneinsatz die Strippen der restlichen zwei ISS-Stromkreise analog zu EVA-2 neu zogen und das P6-Paneel durch Rütteln ein klein wenig weiter zum Einfahren zwangen. Mehr war nicht drin, was die Bodenkontrolle bewog, kurzerhand einen zusätzlichen Ausstieg anzusetzen, gleichbedeutend mit einer 24-stündigen Flugverlängerung. Diese ZusatzEVA fand nach einem relativ ruhigen 9. Flugtag (17./18. Dezember) am Flugtag-10 (18./19. Dezember) statt und endete mit einem vollen Erfolg sowie einem Rekord. Zum einen gelang es Curbeam und Fuglesang tatsächlich, das P6-Segel zum Totaleinzug zu bewegen, zum anderen absolvierte Bob Curbeam als erster Astronaut einen vierten „Weltraumspaziergang“ im Rahmen eines Space Shuttle-Fluges. Den NASA-Managern war's egal. Sie atmeten tief durch und hoffen nun auf weniger Probleme beim Einziehen des P6-Steuerbordflügels im März 2007 während der Mission STS-117. Der Abschied kam Tags darauf. Nach Lukenschließung um 19.42 Uhr koppelte Pilot Oefelein am 11. Flugtag (19./20. Dezember) die DISCOVERY mit 1.688 Kilogramm retour gehender Experimentenproben und Abfall im Gepäck um 22.10 Uhr von der Station ab und brachte sie auf Heimatkurs. Die Flugtage 12 und 13 (20./21. bzw. 21./22. Dezember) standen dann vorerst ganz im Zeichen nochmaliger Überprüfungen des Hitzeschildes sowie des Aussetzens dreier Mikrosatelliten-Paare, ehe es an die Vorbereitungen für die Landung ging. Nur wusste am 22. Dezember (14. Flugtag) bis kurz vor Ultimo noch niemand, welcher Hafen angesteuert werden würde, denn für das Kennedy Space Center (KSC) sagten die Meteorologen Schauerwetter voraus und im kalifornischen Edwards drohten starke Scherwinde. Lediglich White Sands in New Mexico, wo 1982 STS-3 als bisher einzige Shuttle-Mission zu Ende gegangen und der Orbiter COLUMBIA dabei durch den Wüstensand arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, meldete gute Bedingungen. Dahin wollte die NASA aber nicht, schon wegen der dort fehlenden Infrastruktur, was eine Überführung des Orbiters nach Florida deutlich verlängert und verteuert hätte. Ein Extra-Orbit schuf Klarheit. Über Cape Canaveral begann es aufzuhellen, Mark Polansky durfte ab 21.27 Uhr für 226 Sekunden die Bremstriebwerke zünden und mit der DISCOVERY das KSC ansteuern. Dort setzte er die Fähre nach knapp 13-tägigem Flug um exakt 22.32:00 Uhr mit den Rädern des Hauptfahrwerks auf der Landepiste-15 auf, ließ zwölf Sekunden darauf auch die Bugfahrwerksräder deren Beton berühren und brachte das Gefährt um 22.32:52 Uhr zum Stillstand. Die Erde hatte Thomas Reiter nach 171 Tagen, 3 Stunden, 54 Minuten und 5 Sekunden wieder. AUSSENBORDAKTIVITÄTEN Ablauf: Schon eine halbe Stunde vor der Zeit schwebten Curbeam und Fuglesang aus der Quest-Schleuse heraus und begannen mit der Neuverkabelung der Stromkreise 2 und 3 des ISS-Energieversorgungssystems. Dazu waren am S0Segment 19 Stecker zu entfernen und 17 von ihnen wieder mit anderen Buchsen zu verbinden. Vor dieser Neukonfiguration musste jedoch erst die halbe Raumstation vom Netz getrennt werden - ein kritischer Moment, da ihr für Stunden die Redundanz verloren ging. Im Anschluss an die „Strippenzieherei“ versetzten die Außenbordler beide ISSTransportkarren, um Platz für das mit STS-117 ankommende S3/S4-Modul zu schaffen, lagerten Hitzeschutzpaneele für eine spätere EVA am Stationsarm zwischen, befestigten Werkzeugtaschen und beendeten danach ihre Mission genau 55 Minuten vorm eigentlichen Zeitplan. gefalteten P6-Backbordsegel. Ihr Rütteln wurde aber nur teilweise belohnt. Lediglich sechs der noch 17 ausgefahrenen Lamellen ließen sich weiter schließen. Gesamtdauer: 25 Stunden 45 Minuten EV1: Robert L. Curbeam (4. - 6. EVA) EV2: A. Christer Fuglesang (1./2. EVA) EV3: Sunita L. Williams (1. EVA) EVA-1 Datum: 12./13. Dezember 2006 Uhrzeit: 20.31 Uhr bis 03.07 Uhr WZ Dauer: 6 Stunden 36 Minuten Astronauten: EV1/EV2 Ablauf: Aufgabe von Bob Curbeam und Christer Fuglesang war es, die P5-Einheit an das P4-Photovoltaik-Modul zu montieren. Dafür betätigten sie sich nach Verlassen der Luftschleuse Quest zuerst als „Einweiser“ für das Frauen-Duo Williams/Higginbotham, das mit dem stationseigenen Canadarm-2 die neu angelieferte ISS-Struktur an deren vorgesehene Position bugsieren musste, ohne über entsprechende Videobilder zu verfügen. Sofort nach der Verankerung verschraubten die zwei Aussteiger P5 mit P4 und waren dabei so schnell, dass sie beide Einheiten noch verkabeln, Starthalterungen entfernen, eine Verriegelung für die spätere P6-Ankopplung öffnen und außerdem noch eine defekte Videokamera am S1-Segment austauschen konnten. 32 EVA-2 Datum: 14./15. Dezember 2006 Uhrzeit: 19.41 Uhr bis 00.41 Uhr WZ Dauer: 5 Stunden 00 Minuten Astronauten: EV1/EV2 EVA-3 Datum: 16./17. Dezember 2006 Uhrzeit: 19.25 Uhr bis 02.56 Uhr WZ Dauer: 7 Stunden 31 Minuten Astronauten: EV1/EV3 Ablauf: Diesmal musste Bob Curbeam gemeinsam mit seiner neuen Partnerin Sunita Williams die Kabel der ISSStromkreise 1 und 4 umstöpseln, was erneut mit einer Abschaltung der hälftigen Bordenergieversorgung verbunden war. Mit dem anschließenden problemlosen Hochfahren der Systeme durch die Bodenkontrolle befand sich die Station nun im Verkabelungs-Endzustand und kann jetzt weitere Module aufnehmen. Im Verlauf ihrer Arbeiten positionierten Curbeam und Williams Meteoritenschutzmaterial für eine spätere EVA am SWESDA-Modul, installierten eine Halterung an einer Quest-Plattform, wobei Suni Williams ihre Kamera verlor, und widmeten sich dann dem nur halb EVA-4 Datum: 18./19. Dezember 2006 Uhrzeit: 19.00 Uhr - 01.38 Uhr WZ Dauer: 6 Stunden 38 Minuten Astronauten: EV1/EV2 Ablauf: Dieser Extra-Ausstieg hatte einzig und allein das endgültige Einfahren des verklemmten P6-Flügels zum Ziel. Hierfür ließ sich das bereits bestens eingearbeitete Team Curbeam/Fuglesang vom Robotarm der Station zum Einsatzort tragen, um dort bei einer eingehenden visuellen Inspektion festzustellen, dass die Ösen für die Führungsdrähte Abnutzungserscheinungen aufwiesen. Daraufhin begann Curbeam mit einem eigentlich für Reparaturen von Hitzeschutzkacheln gedachten Schaber die Metallösen zu reinigen. Dem folgte von der ISS aus die Aktivierung des Rollmotors, um das Sonnenpaddel um eine Lamelle einzufahren, während Christer Fuglesang unterstützend am Paneel rüttelte. Diese Putz-, Rüttel- und RollProzedur wurde so lange wiederholt, bis das Segel um 23.54 Uhr zusammengefaltet in seinen Staubehälter glitt. EVA-STATUS/ISS-AUFBAU (Stand: 19. Dezember 2006) EVA-Anzahl: 77 Gesamt-EVA-Dauer: 19 Tage, 13 Stunden, 59 Minuten EVA-Astronauten: 65 (46 x USA, 13 x Russland, 2 x Kanada, je 1 x Frankreich, Japan, Deutschland, Schweden) E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 35 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Raumfahrerporträt Willkommen im Club 441 Michael Edward Fossum Michael E. Fossum wurde am 19. Dezember 1957 in Sioux Falls, Bundesstaat South Dakota, Vereinigte Staaten von Amerika, geboren. Seine Schulausbildung beendete er 1976 an der McAllen High School in McAllen, Bundesstaat Texas. Danach begann er ein Studium als Ingenieur für Mechanik und erreichte 1980 den akademischen Grad eines Bachelor of Science an der Texas A&M University in College Station, Bundesstaat Texas. Im April 1987 war er Finalist beim Auswahlverfahren zur 12. NASA-Astronautengruppe, im Oktober 1989 war er Finalist beim Auswahlverfahren zur 13. NASA-Astronautengruppe und im Januar 1992 war er Finalist beim Auswahlverfahren zur 14. NASA-Astronautengruppe. Danach war er bis Ende 1992 als Flight Test Manager des Detachment 3 an der U. S. Air Force Test Pilot School auf der Edwards Air Force Base, Bundesstaat California, eingesetzt. Seit Januar 1993 arbeitete er als Systems Engineer für die NASA. Im August 1994 war er Finalist beim Auswahlverfahren zur 15. NASA-Astronautengruppe. 1997 schloss er ein weiteres Studium mit dem akademischen Grad eines Master of Science im Fachbereich Space Science am University of Houston-Clear Lake Campus in Clear Lake, Bundesstaat Texas, ab. Ab 1997 arbeitete er dann als Flight Test Engineer an der Entwicklung des X-38-Projektes, dem ehemals geplanten Notfallrettungsgerät der NASA für die ISS. Am 5. Juni 1998 wurde der Mechanikingenieur Michael E. Fossum als Astronautenkandidat für die 17. NASA-Astronautengruppe („The Penguins“) ausgewählt, begann am 24. August 1998 am NASA Lyndon B. Johnson Space Center (JSC) in Houston, Bundesstaat Texas, mit der einjährigen Grundausbildung und verfügt seit August 1999 über seinen aktiven Flugstatus als Shuttle Mission Specialist. Nach Abschluss seiner Grundausbildung betätigte er sich in der Astronaut Office CapCom Branch, war CapCom im Mission Control und Lead CapCom der 6. ISS-Stammbesatzung. Im Dezember 2002 erhielt er als Missionsspezialist der STS-119-Mission seinen ersten Flugauftrag. Im Mai 2003 beendete er das Extravehicular Activity Skills-Programm. Am 2. Dezember 2003 erfolgte schließlich sein Wechsel zu STS-121. Hauptaufgabe dieser Mission war die zweite Return to Flight Test Mission. Am 4. Juli 2006 startete er an Bord der Raumfähre Discovery zu seinem ersten Raumflug. Michael E. Fossum ist der 441. Raumfahrer der Welt und der 275. Astronaut der USA und erreichte bei seinem ersten Raumflug eine Einsatzdauer von 12 Tagen, 18 Stunden, 36 Minuten und 48 Sekunden. Der NASA-Astronaut, Oberstleutnant der Reserve der amerikanischen Luftstreitkräfte, ist verheiratet und hat vier Kinder. 442 Lisa Marie Nowak Lisa M. Nowak wurde am 10. Mai 1963 in Washington, District of Columbia, Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Amerika, geboren. Ihre Schulausbildung beendete sie 1981 an der C. W. Woodward High School in Rockville, Bundesstaat Maryland. Sie wurde Angehörige der U. S. Navy, nahm ein Studium auf und erreichte im Mai 1985 den akademischen Grad eines Bachelor of Science als Ingenieur für Luft- und Raumfahrt als Kadett an der United States Naval Academy in Annapolis, Bundesstaat Maryland. 1992 beendete sie ein zweijähriges Studium als Ingenieur für Luft- und Raumfahrt an der United States Naval Postgraduate School in Monterey, Bundesstaat California, mit dem akademischen Grad eines Master of Science. Nach Abschluss dieses Studiums war sie am Systems Engineering Test Directorate auf der Naval Air Station Patuxent River, Bundesstaat Maryland, tätig. 1993 wurde sie für die Ausbildung an der U. S. Naval Test Pilot School auf der Naval Air Station Patuxent River, Bundesstaat Maryland, ausgewählt, schloss im Juni 1994 diese Ausbildung ab und versah dann ihren Dienst als Systems Project Officer der Strike Aircraft Test Squadron für die Maschinentypen F/A-18 Hornet und EA-6B an der Air Combat Environment Test and Evaluation Facility. Danach wurde sie zum Naval Air Systems Command versetzt und arbeitete an der Einführung neuer Technik bei den Marinefliegern der U. S. Navy. Am 1. Mai 1996 wurde die Militärpilotin Lisa M. Nowak im Rang eines Korvettenkapitän der amerikanischen Seestreitkräfte als Astronautenkandidatin für die 16. NASA-Astronautengruppe („The Sardines“) ausgewählt, begann am 12. August 1996 am NASA Lyndon B. Johnson Space Center (JSC) in Houston, Bundesstaat Texas, mit der zweijährigen Grundausbildung und verfügt seit August 1998 über ihren aktiven Flugstatus als Space Shuttle Mission Specialist. Nach Abschluss ihrer Grundausbildung war sie zunächst in der Astronaut Office Operations Planning Branch tätig, wechselte später zur Astronaut Office CapCom Branch und betätigte sich als CapCom im Mission Control. Am 12. Dezember 2002 wurde sie für die STS-118-Mission nominiert. Infolge der Columbia-Katastrophe vom 1. Februar 2003 wurde diese Mission zunächst ausgesetzt. Am 18. November 2004 wechselte sie von der STS-118-Mission zur STS-121-Mission. Am 4. Juli 2006 startete sie an Bord der Raumfähre Discovery zu ihrem ersten Raumflug. Lisa M. Nowak ist der 442. Raumfahrer der Welt, der 276. Astronaut der USA, die 41. Raumfahrerin der Welt und die 33. Astronautin der USA und erreichte bei ihrem ersten Raumflug eine Einsatzdauer von 12 Tagen, 18 Stunden, 36 Minuten und 48 Sekunden. Die NASA-Astronautin, Fregattenkapitän der amerikanischen Seestreitkräfte, ist verheiratet und hat drei Kinder. 443 Stephanie Diana Wilson Stephanie D. Wilson wurde am 27. September 1966 in Boston, Hauptstadt des Bundesstaates Massachusetts, Vereinigte Staaten von Amerika, geboren. Ihre Schulausbildung beendete sie 1984 an der Taconic High School in Pittsfield, Bundesstaat Massachusetts. Danach nahm sie ein Studium auf und erreichte 1988 den akademischen Grad eines Bachelor of Science im Fach Ingenieurwissenschaften an der Harvard University in Cambridge, Bundesstaat Massachusetts. Nach Abschluss dieser Ausbildung arbeitete sie bis 1990 bei der Firma Martin Marietta Astronautics Group in Denver, Bundesstaat Colorado, als Loads and Dynamics Engineer für das Trägerraketen-Programm Titan IV. 1990 nahm sie ein weiteres Studium auf und erreichte 1992 ihren akademischen Grad eines Master of Science als Ingenieur für Luft- und Raumfahrt am University of Texas Campus, Bundesstaat Texas. Am 1. Mai 1996 wurde die Raumfahrtingenieurin Stephanie D. Wilson als Astronautenkandidatin für die 16. NASA-Astronautengruppe („The Sardines“) ausgewählt, begann am 12. August 1996 am NASA Lyndon B. Johnson Space Center (JSC) in Houston, Bundesstaat Texas, mit der zweijährigen Grundausbildung und verfügt seit August 1998 über ihren aktiven Flugstatus als Space Shuttle Mission Specialist. Nach Abschluss ihrer Grundausbildung betätigte sie sich zunächst in der Astronaut Office Space Station Operations Branch und war danach als Mitglied der Astronaut Office CapCom Branch als CapCom im Mission Control eingesetzt. Anschließend wechselte sie zur Astronaut Office Shuttle Operations Branch und war in den technischen Bereichen SSME, ET und SRB tätig. Am 12. Dezember 2002 wurde sie für die STS-120-Mission nominiert. Am 18. November 2004 wechselte sie von der STS-120Mission zur STS-121-Mission. Am 4. Juli 2006 startete sie an Bord der Raumfähre Discovery zu ihrem ersten Raumflug. Stephanie D. Wilson ist der 443. Raumfahrer der Welt, der 277. Astronaut der USA, die 42. Raumfahrerin der Welt und die 34. Astronautin der USA und erreichte bei ihrem ersten Raumflug eine Einsatzdauer von 12 Tagen, 18 Stunden, 36 Minuten und 48 Sekunden. Die NASA-Astronautin Stephanie D. Wilson ist mit Julius McCurdy verheiratet. Zusammenstellung: Jürgen Stark. Anmerkung: Durch ein bedauerliches Versehen haben wir diese drei Astronauten im letztem Heft unterschlagen. Wir bedanken uns bei vielen Lesern, die uns darauf aufmerksam gemacht haben. 33 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 36 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Private Raumfahrt Die tollkühnen Männer in ihren rasselnden Raketen (Folge 3) Bitte nicht stören Von Eugen Reichl Armadillo Quad. SpaceShip One im Weltraum. „In der Raumfahrt gibt es zwei bedeutende Probleme: Die Überwindung der Gravitation und die Bürokratie. Das erstere halte ich für lösbar“ (Wernher von Braun). Kürzlich wurde die Industrie von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA und der Europäischen Kommission aufgefordert, Vorschläge für ein bemanntes Raumfahrzeug zur Durchführung von suborbitalem Weltraumtourismus zu unterbreiten. Bis zu drei Firmen können einen Studienauftrag erhalten - dotiert mit jeweils 34 150.000 Euro - um ihre Pläne weiter zu verfolgen. Ein wesentlicher Bestandteil des Angebotes muss dabei die Erstellung eines detaillierten Geschäftsplanes sein. Jetzt kann man sich fragen, wieweit hier die Erstellung von Geschäftsplänen sinnvoll ist. Sie sind ein vernünftiges Werkzeug, wenn es um existierende Industrien geht, mit bekannten Annahmen, bekannten Wettbewerbern, einem guten Verständnis der Kundenanforderungen und einer halbwegs vorhersehbaren Zukunft. Wenn aber, so wie im Space Tourismus-Bereich, etwas vollkommen Neues geschaffen wird, dann ist jeder Geschäftsplan reine Fiktion. In der Autoindustrie der Vereinigten Staaten des Jahres 1900 gab es im ganzen Land etwa 8.000 sogenannter „automobiler Fahrzeuge“. Die meisten von ihnen waren dampfbetrieben. Das war eine recht zuverlässige Technologie, die Hersteller hatten sie im Griff und die Kunden verstanden sie. Dann gab es noch einige Elektromobile. Und schließlich einen Rest von Exoten, der mit Benzinmotoren betrieben wurde. Der Treibstoff für diese Randgruppe war ein so rares und teures Produkt, dass man ihn in der Apotheke in 100 Milliliter-Fläschchen kaufen musste. Nur 10 Jahre später gab es praktisch keine andere Art von Fahrzeugen mehr, als die "Exoten". Das ist ungefähr die Wegmarke, an der heute die Private Raumfahrt steht. Wer ein komplett neues Produkt startet, muss jede Voraussage ignorieren. Es gibt eine ganze Anzahl konkurrierender Technologien und den Gewinner wird niemand anders ermitteln als der Markt. Aber wahrscheinlich sind derlei Überlegungen eher akademisch, denn im Gegensatz zur äußerst lebhaften amerikanischen Szene gibt es in Europa gerade mal fünf oder sechs Unternehmen, die sich mit diesem Thema beschäftigten. Die meisten davon sind reine "Powerpoint-Buden", die noch keinerlei Hardware gefertigt haben. Die Einzigen, die schon und in begrenztem Umfang bauen und testen sind die Leute von der britischen Firma Starchaser, und von der rumänischen ARCA. Konsequenterweise hat kürzlich, am 12. Januar, der ernsthafteste Anwärter aus der kleinen Auswahl, also Starchaser Industries, einen der drei möglichen ESA-Verträge über 150.000 Euro gewonnen. An der Stelle könnte man jetzt sagen "na also, geht doch", aber genau hier beginnt die typisch europäische Tragik: Starchaser Industries, wie auch die anderen Unternehmen, muss gerade erkennen, dass in Europa private Raumfahrt überhaupt nicht betrieben werden kann, denn es existieren keine Regularien dafür. Zahllose Einzelfragen müssten erst geklärt werden, bevor in Europa der Private Raumflug starten kann. Fragen wie: Welche Institution ist zuständig für suborbitale und orbitale Flüge bei denen Privatpersonen von Privatunternehmen in den Weltraum transportiert werden? Wie wird sichergestellt, dass Flug- und Testgenehmigungen zu bekommen sind? Welches Regelwerk lässt Testflüge mit bemannten Raketen zu? Wo gibt es Definitionen für den Umfang dieser Flüge? Wie sieht es mit den Haftungsfragen aus? In den USA wurde dieser in Wirklichkeit viel E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 37 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Private Raumfahrt Blue Origin. umfangreichere Fragenkatalog innerhalb weniger Monate von der zuständigen Behörde, der Federal Aviation Administration (FAA) abgearbeitet und die dafür notwendigen Maßnahmen definiert. Grundlage war der „Commercial Space Launch Amendment Act“ den das amerikanische Repräsentantenhaus im Jahre 2004 verabschiedete. Gleichzeitig wurde dort beschlossen, einen sogenannten "phased approach" durchzuführen, über einen Zeitraum von acht Jahren. Dies betrifft vor allen Dingen die sicherheitsrelevanten Aspekte der Bestimmungen. In der Praxis bedeutet das, dass ein Teil der Vorschriften solange nicht in Kraft tritt, bis eine statistisch aussagekräftige Menge an Daten vorliegt, auf deren Basis sie vernünftig angewendet werden können. Der Sinn dieser Maßnahme liegt darin, dass sich in diesem neuen Geschäft mit seinen explosiven Treibstoffen, den hohen Geschwindigkeiten und großen dynamischen Belastungen mit Sicherheit in der Anfangsphase eine Reihe von Unfällen ereignen wird. Wahrscheinlich auch solche mit tödlichem Ausgang. Um hier das neue Business nicht gleich beim ersten Vorfall schon wieder abzuwürgen, hat der amerikanische Gesetzgeber diese Karenzzeit als notwendig betrachtet. Meine Erfahrung sagt mir, dass wir diesen wohltuenden Pragmatismus in Europa niemals erleben werden. Besonders die Deutschen neigen in allen sicherheitsrelevanten Aspekten, wenn sie nicht grade mit Autofahren zu tun haben, zu permanenter Hysterie. Alle Institutionen in Europa, die für die Ausarbeitung der Regularien in Frage kommen (und das sind eine ganze Menge) bezeichnen sich schon einmal vorbeugend als nicht zuständig. Angefangen von European Aviation Safety Agency (EASA), deren Funktion noch am ehesten der amerikanischen FAA entspricht, über die Joint Aviation Authorities (JAA), die International Spaceflight Organisation (ISFO), die Nationalen Raumfahrtagenturen wie DLR, CNES, ASI usw. bis hin zur Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) und einer Vielzahl weiterer nationaler Behörden: Alle zucken mit den Achseln. Es gibt sogar ein European Center für Space Law, und man möchte meinen, hier wäre die Frage vielleicht richtig angesiedelt. Aber auch diese Institution beschäftigt sich nicht mit so profanen Dingen, sondern fühlt sich eher zuständig für die juristisch korrekte Auslegung von Rechtsfragen wie "Wem gehören Mond und Mars?" Gehen wir aber einmal davon aus, dass ein Wunder geschieht, und in absehbarer Zukunft das Thema ernst genommen, die Frage der Zuständigkeit geklärt und die Regularien geschaffen sind. In diesem Fall werden sich augenblicklich zwei weitere typisch europäische Besonderheiten auftun: Die Vorliebe für hochkomplexes Regelwerk, und das Problem, einen passenden Standort für die Durchführung der Starts zu finden. Um Problem eins zu verstehen, beachten Sie nur dies: Die zehn Gebote haben 284 Worte und Moses schrieb sie an einem einzigen Nachmittag auf. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung umfasst 1.332 Worte und dafür beratschlagten die Delegierten einige Tage. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat in seiner Originalfassung von 1949 etwas unter 12.000 Wörter und seine Väter brauchten ein paar Wochen um es zu erarbeiten. Die Regulierungsvorschrift der Europäischen Union für den Vertrieb von Weißkraut jedoch ist 23.826 Worte lang, und es dauerte Jahre bis sie nach komplizierten und zähen Verhandlungen in Kraft trat. Es bedarf keinerlei intuitiver Fähigkeit, um zu erkennen, dass eine europäische Verordnung über den privaten Transport von Menschen in den Weltraum einen bürokratischen Aufwand erfordert, der den Handel mit Gemüse um mehrere Größenordnungen übertrifft. Zu Problem zwei sei nur soviel gesagt, dass es überall in Europa noch für die kleinste Umgehungsstraße wahrhaft byzantinische Planungsprozesse gibt, und dass Europa die Heimat einer unübersehbaren Armee von Umweltaktivisten ist. Derzeit sind zwei Orte für die Durchführung von suborbitalem Weltraumtourismus im Gespräch. Kiruna in Nordschweden und Nordschottland. Beide sind im Prinzip geeignet. Der schwedische Kandidat besitzt sogar schon eine moderate Raumfahrt- und Transport-Infrastruktur, denn da finden seit Jahr und Tag (institutionelle) Starts von Höhenforschungsraketen der ESA statt. Allerdings darf man sich schon jetzt fragen, wie viele betuchte Weltraumreisende in dieser gottverlassenen Gegend, 150 Kilometer nördlich des Polarkreises, herumhängen wollen. Nord-Schottland hat keine passende Infrastruktur, ist aber auch nur dünn besiedelt. Dummerweise ist die Gegend der Lebensraum für eine Vielzahl von Wildtieren. Überall in Europa kann der Bau einer zwei Kilometer langen Umgehungsstraße, um eine dauerverstopfte Ortsdurchfahrt zu beseitigen, dank der energischen Kampagnen von Umweltaktivisten Jahrzehnte dauern, wenn auch nur irgendwo ein einsamer Feldhamster gesichtet wird. All das haben auch die wackeren Streiter bei der Firma Starchaser erkannt. Bereits in der ersten Erklärung zum Gewinn ihrer ESAStudie haben sie kundgetan, dass sie alle Arbeiten und Tests in den USA, und dort auf dem im letzten Jahr eröffneten New Mexico Spaceport durchführen werden. Unterstellen wir jetzt der Einfachheit halber ein weiteres Wunder, und gehen davon aus, dass neben den Regularien auch mindestens ein Spaceport geschaffen wird. Dann bleibt die Frage der Finanzierung. Die ESA ist bereit, wir haben es eingangs gesehen, insgesamt 450.000 Euro in die private Raumfahrt zu investieren. Das ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn es darum geht, einer völlig neuen Industrie zu einem Kickstart zu verhelfen. Man braucht also Investoren. Doch europäische Finanziers sind an der Raumfahrt völlig uninteressiert. Kein Wunder ange- 35 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 38 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-Private Raumfahrt sichts der Bedingungen. Das heißt, nicht alle europäischen Investoren stehen dem Thema ablehnend gegenüber. Richard Branson, immerhin Brite, ist von der Idee begeistert. Aber er kennt Europa und versucht erst gar nicht, seine neue Firma „Virgin Galactic“ hier anzusiedeln. Lieber investiert auch er im amerikanischen Bundesstaat New Mexico für seinen Raumflughafen und in Kalifornien für die Entwicklung seines Raumfahrzeugs. Für's erste legt er schon mal eine Viertelmilliarde Dollar in den Vereinigten Staaten an. Auf dem Kontinent gibt es nicht weniger reiche Leute als in den USA. Aber nirgendwo ist hier ein Paul Allen, ein Elon Musk, ein Jeff Bezos oder ein Andrew Bigelow zu sehen, die allesamt in den USA derzeit riesige Summen in den Aufbau der privaten Raumfahrt stecken. Diese Unternehmer finden in den USA ideale Bedingungen vor, sie sind risikobereit und haben eine Passion für das Thema. Nichts davon auf dem alten Kontinent. In einem oder zwei Jahrzehnten, wenn man die amerikanischen Pioniere des neuen Business preisen wird als die Boeings und Lockheeds der Neuzeit, wird Europa aus dem Dornröschenschlaf erwachen, sich verwundert die Augen reiben, und fragen, warum es denn nicht teilhat an dieser fortschrittlichen neuen Technologie. Dann werden die Regierungen auf Kosten des Steuerzahlers ein hochkomplexes Industriekonsortium ins Leben rufen, das dann beginnen wird, mit der übrigen Welt zu konkurrieren. Der Name des Produktes wird - darauf kann man jetzt schon Wetten annehmen – in einem Anfall von Kreativität "Spacebus" sein. Bis dahin hat sich Europa einfach ein Schild an die Grenzen gehängt, auf dem steht: „Bitte nicht stören“. Benson Ship 1. Fotos: Archiv Autor. Anzeige R A U M F A H R T F A C H V E R S A N D A N D R O M E D A Das Weltall Tag für Tag; Knesebeck 2006. In diesem Folgeband zu dem Bestseller ‚Das Universum - Tag für Tag’ zeigen Jerry T. Bonnell und Robert J. Nemiroff eine neue Auswahl an Bildern von ihrer Website Astronomy Picture of the Day. Der Band bietet Aufnahmen der beiden Marsrover, der Saturnsonde Cassini, sowie die jüngsten Entdeckungen von Hubble und Spitzer. Ein kurzer Text begleitet jedes Bild. 744 Seiten mit h 33,00 372 farbigen Abbildungen. Gebunden. Apollo 11 – Wahrheit oder Täuschung; Imhof Verlag 2006; 120 S.; ca. 60 Farb- und 30 SW/Abb. Aufwändiger Bild-Text-Band zu einem der größten Ereignisse der Menschheitsgeschichte! Mit berühmten Fotos des Fluges von Apollo 11 – Dokumentation des Besuchs von Astronaut Neill A. Armstrong in Deutschland – Rote Karten für den Film „Die Akte Apollo“. Endlich wird gründlich aufgeräumt mit den h 19,95 Spekulationen! Gebunden. Lunar and Planetary Rovers- the wheels of Apollo and the Quest for Mars; Anthony Young; Springer Verlag 2006; 300 Seiten mit Abbildungen und Illustrationen. Young schildert die komplette Entwicklungsgeschichte des Lunar Rovers und geht dann detailliert auf die Missionen Apollo 15, 16 und 17 ein. Die Abschnitte über den Mars behandeln Sojourner und MER und geben einen Ausblick auf zukünftih 29,95 ge Mars Rover. Soft Praxis Manned Spaceflight Log 1961 – 2006; Tim Furniss/David J. Shayler; Springer Verlag 2006: 500 Seiten. Soft. Der Band enthält ein Kapitel über die Technik zum Erreichen und Verlassen des Orbits sowie zu einzelnen Raumfahrtprogrammen. Die Chronologie enthält zudem sehr ausführliche Angaben zu allen bemannten Flügen bisher, ausgestattet mit jeweils einem Bild zu jedem Flug und biographih 30,90 schen Angaben. Kennedy Space Center - Gateway to Space; David West-Reynolds; Firefly Books 2006; 240 Seiten mit 150 z.T. spektakulären Farbfotos. Vor dem Hintergrund des bemannten Raumfahrtprogramms der USA beschreibt der großformatige Band (24 x 28 cm) die Entwicklung des Kennedy Space Centers an der Ostküste Floridas. h 34,90 Gebunden. Saturn – A New View; Lovett/Horath/Cuzzi, USA 2006, 191 Seiten mit einer Fülle von aktuellen Fotos. Dieser Band präsentiert die ausgewählt schönsten Aufnahmen und geht auf den aktuellen Stand der Forschungen ein. Gebundene h 39,95 Ausgabe im Großformat 28x28 cm. Postcards from Mars – The First Photographer on the Red Planet; Jim Bell; NASA 2006, Großformat 30x30 cm, 194 Seiten. Die ‚Fotografen’ der ‚Postkartenansichten’ sind die beiden Mars Rover Spirit und Opportunity. Nahaufnahmen geologischer Formationen, phantastische Landschaften – zum Teil präsentiert auf ausklappbaren Doppelseiten. Ein MUSS in jeder Bibliothek, und für Mars -Freunde! h 41,95 S A T U R N V ; R e v e l l 1 / 9 6 . Toller Modellbausatz von Revell 1994. Saturn V-Modell, über 1 m hoch. Sehr detailliert. Wahlweise Mond-Display für die verschiedenen Einsatzphasen der Apollo-Mission. h 49,95 Absoluter TOPPREIS [Versandkosten: h 7,50] Buran – Sowjetischer Raumgleiter; Elbe Dnjepr Verlag 2006; Autorenkollektiv; Übersetzung aus dem Russischen. 530 Seiten mit zusätzlicher Farbfotosektion am Ende des Buches. Der Band beschreibt so ausführlich wie bisher noch nie die Entwicklung, den Bau und den ersten und einzigen Flug des sowjetischen Raumgleiters Buran und der Schwerlastrakete Energija. h 39,90 Alle Preise verstehen sich incl. MwSt., zzgl. Versand. ANDROMEDA Raumfahrt “Bücher” Modellbau • Markenkamp 16 • D-45721 Haltern • Tel.: (02364) 8003 • Fax: (02364) 169 211 • www.andromeda24.de E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 39 Raumfahrt Concret 1/2007 Hobby RC-Hobby WELTRAUM-PHILATELIE - NEUHEITEN Liebe RC-Leser, künftig werden wir an dieser Stelle mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft Weltraum-Philatelie e.V. Briefmarken-Neuheiten aus dem Bereich Raumfahrt und Weltraumforschung vorstellen Am 16.11.2005 gelangten in Mauretanien anlässlich des Weltgipfels zur Entwicklung der Informationsgesellschaft in Tunis zwei Werte (100 und 370 UM) an die Schalter, die im Markenbild u.a. die Erdkugel mit zwei darüber stationierten Nachrichtensatelliten zeigen (Abb.1). Abb. 2 Abb. 4 Abb. 1 Abb. 3 In einigen GUS-Ländern erschienen zum 15. Jahrestag der regionalen Zusammenarbeit in der Kommunikation RCC (Regional Concord of Communication) Marken mit raumfahrtrelevanten Darstellungen: So zeigt die Marke von Weißrussland neben den Postleitzahlen, 2 Erdkugeln und einem Abb. 5 Fernsehturm einen kleinen symbolischen Nachrichtensatelliten (Abb. 2 und 3). Der Wert zu 410 R. sowie ein Kleinbogen mit 8 Werten erschienen am 13.10.2006. Auch die Marke von Russland (Ausgabe am 09.11.2006) zeigt neben dem Fernsehturm einen kleinen symbolischen Nachrichten- Abb. 6 Abb. 7 Die Marke aus Spanien zum 50. Jahrestag der Gründung des spanischen Fernsehens zeigt einen Fernseher, eine Kamera, einen symbolischen Nachrichtensatelliten und ein Haus mit Satellitenantenne (Ausgabe 08.11.2006, Abb. 6). Am 16.02.2007 erschienen 2 Werte, die den Wissenschaften der Erde und des Universums gewidmet sind. Auf der Marke zu 0,78 h ist das Radioteleskop des Astronomischen Zentrums von Yebes (Guadalajara) für astronomische Beobachtungen (D= 40 m) abgebildet (Abb. 7). satelliten (Abb.4). In Usbekistan erschien aus gleichem Anlass ein Block, bei dem auf dem Block-Rand u.a. die Internationale Raumstation ISS abgebildet ist (Abb. 5). Zusammenstellung: Dieter Steinbrecher. Weitergehende Informationen: Florian Noller, Postfach 1320, 71266 Renningen oder [email protected] 37 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 40 Raumfahrt Concret 1/2007 Raumflugkörper-Report RC-RFK-Report RFK-Report Nr. 34/35/36 August 2006 Start- Internat. tag Index 04 2006-032A 11 Hot Bird 8 Land/ Org. EUTELSAT Träger/ Startort Proton-M Baikonur 2006-033A JCSat 10 Japan/JSAT Ariane 5ECA/ Kourou GEO, 128º O 11 2006-033B Syracuse 3B Frankreich wie vor GEO 22 2006-034A KoreaSat 5 (Mugungwha 5) Korea Zenit-3SL/ Odyssey Pazifik 154º W Shijian 8 China CZ-2C/ Jiuquan USA/NASA September 2006 09 2006-035A 38 Name Space Shuttle Bahn in km Umlauf in min Inkl. in ˚ Funktion und Bezeichnung, ggf. weitere Infos in Fußnote 4,9 t, 14 kW KomSat. mit 64 Ku-Band-Transpondern für 950 digitale Radio- und TV-Kanäle in Europa, Nordafrika und Mittelasien. 4,4 t KomSat. mit 30 Ku-Band- und 12 C-BandTranspondern für direkten Radio- und TV-Empfang in Japan, im Asiatisch-Pazifischen Raum und auf Hawaii. MilitärSat. Mit 4 Spotbeams im SHF-Frequenzbereich und 2 Spotbeams im EHF-Frequenz-Bereich. 4,5 t KomSat. mit 24 Ku-Band-, 8 SHF-Band- und 4 Ka-Band-Transpondern für digitalen und herkömmlichen TV-Service in der Asiatisch-Pazifischen Region für Firmen und Militär. 1) 428 x 178 90,6 63,0 STS-115 350 x 335 ATLANTIS/ Cape Canaveral H-2A/ 484 x 491 Tanegashima 91,4 51,6 479 97,3 BioSat. mit Rückkehrkapazität. Führte 250 kg Pflanzensaat und Pilzkulturen mit an Bord, die nach der Rückkehr zu Hochleistungspflanzen gezüchtet werden. ☛RFK-Spot. Brachte 17 t-Ausleger P3/P4 und Solarpaneele zur ISS, die von der Besatzung während 3 EVAs montiert wurden. Information Gathering Satellite, auch Optical-2 genannt, ist ein MilitärSat. mit Ausrüstung für die Fotoaufklärung. Ersetzt IGS O-1 und den Fehlstart IGS O-2. KomSat. für die Übertragung von Ton und Bild für die Olympischen Spiele in Peking 2008. GEO, 13º O 09 2006-036A 11 2006-037A IGS 3A Japan/ JAXA 12 2006-038A Zhongxing 22A China CZ-3A/ Xichang GEO, 98º O 14 2006-039A Kosmos 2423 Russland 272,6 x 185,8 89,5 64,9 18 2006-040A Sojus TMA-9 Russland Sojus-U/ Baikonur Sojus-FG/ Baikonur 350 x 333 91,36 51,64 22 2006-041A Hinode (Solar-B) Japan-USA/ ISAS-NASA M-5/ Uchinoura sonnensynchron 22 2006-041 SSAT wie vor 22 2006-041F HIT-SAT Japan/ ISAS/JAXA Japan 25 2006-042A GPS 2R-15 USA Delta 2/ Cape Canaveral 20.413 x 173 Oktober 2006 13 2006-043A DirectTV 9S USA Ariane 5ECA/ Kourou GEO, 119 º W 13 2006-043B OPTUS D1 Australien wie vor GEO 13 2006-043C LDREX 2 Japan/JAXA wie vor 35.648 x 264 629,6 7,0 19 2006-044A METOP-A ESA/ EUMETSAT Sojus-2/ Baikonur 821 x 819 101,3 98,7 wie vor 357 40,0 MilitärSat. mit Rückkehrfähigkeit und Fotoausrüstung für das russische Verteidigungsministerium. Passagierraumschiff mit neuer Stammbesatzung Expedition Crew 14 und einem Weltraumtouristen für die Internationale Raumstation. 0,7 t 1,0 kW sonnensynchroner Sat. in USamerikanisch-japanischer Kooperation für die Erforschung des Magnetfeldes der Sonne. 2) ☛http://solar-b.nao.ac.jp/index_e.shtml ☛RFK-Spot. Sonnensegelexperiment. Keine gesicherten Angaben. Kleiner Amateurradiosatellit in Würfelform, gebaut und betrieben vom Hokkaido Institute of Technology. NavSat. der GPS-Flotte für Ebene A, Position 2. Ersetzt GPS 2-12, der als Ersatz in die Position A-4 manövriert wurde. 5,5 t (mit Treibstoff) KomSat. mit 52 Ku-Band und 2 Ka-Band-Transpondern für direkten Hausempfang von Audio, Video und Internet über Nordamerika mittels 27 Spot-Beams. 2,5 t (mit Treibstoff) KomSat. mit 24 Ku-BandTranspondern für Audio- und Video-Übertragung nach Australien und Neuseeland. Technologiedemonstrator, der einen leichtgewichtigen 6,5 m Radioantennenreflektor entfaltete. 4,1 t, 17 m x 6,5 m x 5,2 m polarer MetSat. mit 10 Instrumenten an Bord für die Atmosphärenforschung im Morgenorbit (Äquatorquerung am Vormittag). E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 41 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-RFK-Report 23 Progress M-58 Land/ Org. Russland Träger/ Startort Sojus/ Baikonur 2006-046A Shijian 6C China 23 26 2006-046B 2006-047A Shijian 6D STEREO-A wie vor USA 26 2006-047B STEREO-B USA 28 2006-048A SinoSat 2 (Xinnuo-2) 30 2006-049A November 2006 04 2006-050A Name Bahn in km 346 x 329 Umlauf in min 91,3 51,63 CZ-4B/ Taiyuan 600 x 595 96,6 97,7 wie vor Delta 2/ Cape Canaveral wie vor wie vor sonnensynchron wie vor 345 d wie vor wie vor 385 d China CZ-3B/ Xichang GEO, 110º O XM 4 (BLUES) USA Zenit-3SL/ GEO, 115 º W Odyssey Pazifik 154º W DMSP F17 USA/DoD/NO Delta 4/ AA Vandenberg 855 x 841 08 2006-051A ArabSat 4B (BADR 4) Saudiarabien Proton-M/ Baikonur GEO, 26º O 17 2006-052A GPS 2R-16 (Navstar 59) USA Delta 2/ Cape Canaveral 20.367 x 20.206 Dezember 2006 08 2006-053A Fengyun 2D China CZ-3A/ Xichang GEO, 86,5º O 08 2006-054A WildBlue 1 USA Ariane 5 ECA/ GEO, 111º W Kourou 08 2006-054B AMC 18 USA wie vor GEO, 105º W 11 2006-055A Space Shuttle USA/NASA STS-116 DISCOVERY 338 x 315 11 2006-056A MEASat 3 Malaysia Proton-M/ Baikonur GEO, 91,5º O 14 2006-057A 16 2006-058A USA 193 (NROL-21) TacSat 2 USA/ NRO USA/ AFRL Delta/ 354 x 376 Vandenberg Minotaur/ 420 x 413 Wallops Island Inkl. in ˚ 102 98,8 722 55,1 91 51,7 58,8 92,9 40 Funktion und Bezeichnung, ggf. weitere Infos in Fußnote Automatisches Frachtraumschiff mit 880 kg Treibstoff, Wasser, 237 kg Nahrung, 52 kg Sauerstoff und Ausrüstung für die ISS. ForschungsSat. mit Radiodetektoren für die Erkundung der Weltraumumgebung. Ersetzen ShijianSatelliten aus dem Jahre 2004. wie vor A = ahead, identisch mit B. 620 kg, 4,3 m x 6,4 m x 2,6 m für die stereoskopische Erforschung der Sonne. 3) B = behind ☛http://stereo.gsfc.nasa.gov ☛http://stereo.jhuapl.edu 5,1 t KomSat. (mit Treibstoff) der neuen Generation mit 22 Transpondern für analogen und digitalen Fernsehempfang in China, Macao, Hong Kong und Taiwan. 5,2 t KomSat. mit 18 kW-Transponder für den digitalen S-Band-Audioservice (DARS) für mobile und stationäre Empfänger in Nordamerika. Raumflugkörper-Report Oktober 2006 Start- Internat. tag Index 23 2006-045A 1,2 t militärischer WetterSat. ähnlich DMSP F16 und F15 für die Rund-um-die-Uhr-Überwachung von Wolken, Bodenfeuchte, Windstärke und Feuer im Infrarot- und sichtbaren Spektrum. Mit Laserattacken-Warngerät ausgestattet. 3,3 t KomSat. (mit Treibstoff) mit 32 Ku-BandTranspondern für Audio und Videokommunikation im arabischen Raum. 2 t NavSat. für GPS-Flotte in Ebene B, Position 4. Ersetzt GPS2A-22. Mit neuartigem System zur Korrektur der Signalablenkung in der Ionosphäre. GPS besteht somit aus 29 Sats. inclusive der Ersatzsats. WetterSat. fotografiert jede halbe Stunde den Zustand der Wolken, die Entwicklung von Stürmen und überträgt die Seewassertemperatur. Fengyun bedeutet „Wind und Wolken“. 4,7 t KomSat. mit mehreren Ka-Band-Transpondern und Spot-Beams für den Hochgeschwindigkeitszugang zum Internet für die USA. 2,1 t KomSat. mit 24 C-Band-Transpondern für die Audio-, Video- und Internetübertragung nach Kanada, USA, Mexiko und die Karibik. Flug zum weiteren Aufbau der ISS mit P5-Struktur und einem neuen Mannschaftsmitglied für die Stammcrew. Brachte Thomas Reiter zurück zur Erde. 4,9 t, 10,8 kW KomSat. mit 24 C-Band und 24 KuBand-Transpondern für direkten Audio-, Video- und Internetempfang in 100 Ländern zwischen 50º O und 150º O beidseits des Äquators. MilitärSat. mit höchst geheimer Nutzlast. Keine weiteren Angaben. 375 kg, 550 W militärischer MiniSat. mit Teleskop von 50 cm Öffnung für Punktaufnahmen von ausgesuchten Orten von militärischem Interesse. Auch verschiedene Technologieexperimente an Bord 39 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 42 Raumfahrt Concret 1/2007 Raumflugkörper-Report RC-RFK-Report Dezember 2006 Start- Internat. tag Index 16 2006-058B Name GeneSat 1 Land/ Org. USA/ NASA Träger/ Startort wie vor Bahn in km wie vor Umlauf in min wie vor Inkl. in ˚ wie vor 18 2006-059A Kiku 8 (ETS 8) Japan H-2A/ Tanegashima GEO, 146º O 19 2006-060A SarLupe 1 BRD Kosmos-3M/ Plessetzk 506 x 467 94 98,2 24 2006-061A Meridian Russland Sojus-2/ Plessetzk 39.670 x 979 727 62,8 25 2006-062A Kosmos 2424 Russland Proton-K/ Baikonur 19.037 x 19.020 674 64,8 25 25 27 2006-062B 2006-062C 2006-063A Kosmos 2425 Kosmos 2426 COROT wie vor wie vor Frankreich/ ESA wie vor wie vor Sojus-2/ Baikonur wie vor wie vor 884 x 872 wie vor wie vor 103 wie vor wie vor 90,0 Januar 2007 10 2007-001A LAPAN-Tubesat Indonesien PSLV-C7/ Sriharikota 638 x 620 97,3 97,9 10 2007-001B CartoSat 2A Indien wie vor 641 x 621 97,3 97,9 10 2007-001C SRE 1 Indien wie vor 643 x 486 95,9 97,9 10 2007-001D PehuenSat 1 Argentinien wie vor 641 x 621 97,3 97,9 18 2007-002A Progress M-59 Russland/ Roscosmos Sojus-U/ Baikonur 352 x 322 91,3 51,6 Funktion und Bezeichnung, ggf. weitere Infos in Fußnote 10 kg NanoSat. mit E.Coli-Bakterien zur Beobachtung deren Verhaltens in der Schwerelosigkeit an Bord. Studenten übernehmen nach einigen Tagen die Bahnverfolgung. 5,8 t (mit Treibstoff) Technologie-TestSat. mit Solarzellen und 28 m x 25 m Drahtgeflecht-Antennen für die Kommunikation von Mobiltelefonen im S-BandBereich. 720 kg. Militärischer RadarSat. für die AllWetterbeobachtung mittels Fernerkundung im 1-mAuflösung-Bereich. KomSat. für Kommunikation zwischen Flugzeugen, Schiffen und Küstenstationen in der Nordsee, Sibirien und dem russischen Fernen Osten. NavSats. der russischen Glonass-Flotte in Ebene 2. Ergänzen gegenwärtige Konstellation von 11 Sats plus 5 ErsatzSats. Volle Einsatzstärke von 24 Sats. wird 2009 erreicht werden. 650 kg WissenschaftsSat. für die Suche nach erdähnlichen Planeten. COnvection ROtation and planetary Transit 4) 56 kg MikroSat. zur Technologiedemonstration. Der 45 cm x 45 cm x 47 cm große Würfel hatte zwei Kameras für Farbaufnahmen an Bord. 680 kg FernerkundungsSat. für panchromatische Aufnahmen mit 1-m-Auflösung für zivile Planungsaufgaben und Karthographie. 615 kg Technologiedemonstrator mit Rückkehrfähigkeit. Landete nach 12 Tagen im Golf von Bengalen. Test bereitet die für 2010 geplante Mondmission vor. 6,1 kg schwerer PikoSat. Der Testsatellit diente dazu, dass Argentinien Erfahrungen mit dem Bau und der Bahnverfolgung von Satelliten sammeln konnte. Automatisches Frachtraumschiff mit 2,5 t Treibstoff, Wasser, Nahrung, Sauerstoff und Ausrüstung für die ISS dockte an Pirs. Zu Ehren des 100. Geburtstags von Koroljow wurde es auf seinen Namen getauft und ein Porträt des Chefdesigners an der Verkleidung angebracht. 1 ) . Da in einigen asiatischen Kulturen die Nummer 4 mit dem Tod assoziiert werden könnte, gab es keinen KoreaSat 4. Der Name „Mugungwha“ ist der koreanische Name für die Nationalblume Südkoreas, die Rose von Sharon. 2 ) . Der Forschungssatellit hat 3 Hauptinstrumente an Bord, die Abweichungen im Magnetfeld der Sonne, die mit Eruptionen einhergehen, messen können. SOT (Solar Optical Telescope) ist ein Teleskop mit 50 cm Öffnung für Beobachtungen im Wellenspektrum von 388 – 669 nm. Das Röntgenteleskop (XRT – X-Ray Telescope) mit einer Öffnung von 34 cm arbeitet im Bereich von 0,2 – 20 nm Wellenlänge. Das EIS-Spektrometer (EUV Imaging Spectrometer) deckt den Bereich von 17 – 21 nm und 25 – 29 nm Wellenlänge ab. 3 ) . Die Zwillingssatelliten erlauben die koordinierte Sonnenbeobachtung von zwei Punkten aus, die für Sonden auf einer Erdumlaufbahn unerreichbar wären. Die Instrumente im optischen und UV-Bereich, Strahlungsmonitore und Teilchendetektoren werden neue Erkenntnisse über das Weltraumwetter liefern und das Studium des Teilchenflusses von der Sonne zur Erde gestatten. Beide Satelliten sind mit vier identischen Instrumenten ausgestattet: SECCHI (Sun-Earth Connecton Coronal and Heliospheric Investigation) zur Messung des coronalen Massenausstoßes von der Sonnenoberfläche, IMPACT (In-situ Measurements of Particles and CME Transients) für die Beobachtung des Partikelstroms und des lokalen Magnetfeldes, PLASTIC (PLAsma and SupraThermal Ion Composition) zur Messung der Energie von Protonen und Teilchen sowie der Masse, Energie und Ladung von schweren Ionen, SWAVES (Stereo Waves) registriert die Emission von Elektronen und der heliosphärischen Schockwelle. 4 ) . Mit diesem Start der neuen Sojus-2-Rakete ist das Modernisierungsprogramm (auch „Rus“ genannt) vorläufig abgeschlossen. Es wurden folgende Parameter erfolgreich demonstriert: verbesserte Triebwerke der 1. und 2. Stufe, digitales Lenksystem, großvolumige Nutzlastverkleidung, neue dritte Stufe und die universelle Oberstufe Fregat. COROT ist ein Planetenfinder-Satellit und geht auf eine Initiative der CNES zurück. Das Teleskop an Bord mit einer Öffnung von 27 cm registriert die Helligkeit von 100.000 Sternen in unserer Galaxie. Vier CCD-Displays überprüfen 10.000 Sterne im Abstand von 512 Sekunden. Das Beobachtungsfeld wird alle 150 Tage gewechselt. Damit hofft man, winzige Veränderungen der Helligkeit der Sterne zu sehen, die auf den Vorbeizug (Transit) eines Planeten hindeuten können. Eine spätere Mission soll dann die potenziellen erdähnlichen Planeten, auf denen sich eventuell Lebensformen entwickelt haben, von den Gasplaneten unterscheiden. 40 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 43 Raumfahrt Concret 1/2007 RC-RFK-Report/RFK-Spot Datum Internationaler Index Name Im August 2006 keine verglühten, ausgefallenen oder zurückgeführten Raumflugkörper. 03. September 2006 2003-043C SMART-1 09. September 2006 2005-035C SUITSAT 19. September 2006 2006-013A Progress M-16 29. September 2006 2006-009A Sojus TMA-8 Im Oktober 2006 keine verglühten, ausgefallenen oder zurückgeführten Raumflugkörper. Datum Internationaler Index Name 01. November 2006 23. November 2006 22. Dezember 2006 17. Januar 2007 2006-035A 2006-039A 2006-055A 2006-025A Shijian 8 Kosmos 2423 STS-116 DISCOVERY Progress M-57 Fehlstarts Explosion einer Zenit-3SL am 30.1.2007 auf der schwimmenden Plattform „Odyssey“ Es sollte der Auftakt zum „Jahr der Zenit“ mit 10 geplanten Starts von Sea Launch und Land Launch im Pazifik und in Baikonur werden und endete mit einem totalen Desaster: am 30.1.2007 explodierte eine kommerzielle Trägerrakete des Typs Zenit-3SL unmittelbar nach dem Zünden auf der schwimmenden Startplattform Odyssey im Pazifik. Das Triebwerk RD-171 der ersten Stufe zündete und um 15.22 Uhr Ortszeit begann der Start der Rakete. Aber im gleichen Augenblick sackte die Zenit durch, fiel in den Abgasschacht der Startplattform hinein und explodierte augenblicklich in einem gewaltigen Feuerball. Das Kontrollschiff Sea Launch Commander befand sich in ausreichender Entfernung, so dass keine Verletzten oder Toten zu beklagen waren. Die Live-Übertragung des Starts wurde nach 20 Sekunden abgebrochen. Bislang ist die Ursache der Katastrophe noch nicht vollends geklärt. Entweder versagte das Triebwerk RD-171 der 1. Stufe, oder es gab Probleme in der zuführenden Sauerstoffleitung. So könnte die Turbopumpe des Triebwerkes durch Schmutz in den Zuleitungen explodiert sein. Erste Bilder von der Plattform, die am 3.2. veröffentlicht wurden, zeigen sie verräuchert, aber schwimmfähig, so dass sie aus eigener Kraft zum Heimathafen Long Beach zurückfahren kann. Selbst filigrane Strukturen wie Antennenradome, blieben unbeschädigt. Abgerissen und im Meer versunken ist der Flammenabweiser unter dem Starttisch. Die Hangartüren wurden aus ihrer Verankerung gerissen. Eine genaue Schadensanalyse kann erst in Long Beach erfolgen. Dann wird sich herausstellen, ob man Odyssey reparieren kann oder nicht (siehe auch 3. Umschlagseite). Bei dem Start sollte der Nachrichtensatellit NSS-8 der Firma SES New Skies aus Amsterdam, Niederlande, einer Tochterfirma der SES Global aus Luxemburg, in eine geostationäre Transferbahn befördert und bei 57° Ost stationiert werden. In dieser Position hätte er zwei Drittel der Erdoberfläche überstrahlt und Europa, Afrika, den Nahen Osten, Indien und Asien mit Telefon-, Video- und Breitbanddatenübertragung versorgt. Der hochmoderne NSS-8 wiegt 5.920 kg. Die Solarzellenflächen liefern 18 kW elektrische Leistung. Der Satellit verfügt über 56 C-Band und 36 Ku-Band-Transponder. Er sollte 15 Jahre arbeiten. Nun kann erst 2009 der nächste Satellit, NSS-9, starten, der bei Boeing gegenwärtig im Bau ist. Bis dahin bleibt NSS-703, der ersetzt hätte werden sollen, auf seiner alten Position. Raumflugkörper-Report Verglühte, ausgefallene oder zurückgeführte Raumflugkörper von August 2006 bisJanuar 2007 Zusammenstellung aus Spacewarn Bulletin, Jonathan Space Report, Stefan Wotzlaws Russische Raumfahrt: Jacqueline Myrrhe ([email protected]) Shijian-8 Der Satellit ist Chinas erster sogenannter „Samensatellit“. Er hatte mindestens 2.000 verschiedene Sorten in neun unterschiedlichen Gattungen Hinode (Solar-B) Der Hinode-Satellit (Solar-B) ist ein hochentwickelter Beobachtungssatellit der mit drei modernen Solar-Teleskopen ausgestattet ist. Das Solar Optical Telescope (SOT) verfügt über eine bislang nicht erreichte Auflösung von 0,2 arcsec für die Beobachtung des Magnetfeldes der Sonne. Wäre dieses Teleskop auf die Erde gerichtet, würde es den zwischen 2001 und 2004 weltraummodifizierte Reis- und Weizen-Sorten entwickelt, die auf einer Fläche von 566.000 Hektar angebaut wurden. Die Ernte erbrachte 340.000 zusätzliche Tonnen Körnerfrucht. Weitere Experimente haben gezeigt, dass der Vitamingehalt von Gemüse, das aus Weltraumsamen gezüchtet wurde, 281,5 % im Vergleich zu herkömmlichem Gemüse beträgt. Außerdem ist der Gehalt an Spurenelementen, wie Eisen, Zink und Karotin höher als normal. Laut Zeitungsberichten werden Weltraumtomaten und grüner Paprika aus Weltraumsamen bereits seit 1999 in Chinas südwestlicher Provinz Sichuan angebaut. Die Pflanzen zeigen eine Ertragssteigerung von 10 bis 20 %, wobei die Früchte größer sind und eine bessere Qualität aufweisen. Shijian-8 machte auch Werbung für die Olympischen Sommerspiele in Peking 2008. Zwei spezielle Anstecknadeln der Pekinger Hochschulen waren 15 Tage lang an Bord des Satelliten durchs All gekreuzt. Sie dienen jetzt als Symbol für alle jungen Studierenden der Hauptstadt, um von der Raumfahrt zu lernen. RFK-Spot Chinesische Bauern vor der Shijian-8-Rückkehrkapsel, die am 24.9. 2006 in Suining, Provinz Sichuan, niederging. Foto: AP/Color China. an Bord. Dazu gehörten die Samen von Getreide und Futterpflanzen sowie Pilze und molekular-biologische Materialien. Sun Laiyan, Chef der China National Space Administration, erklärte, dass die Produkte den Wissenschaftlern die Möglichkeit gibt, Hochleistungskulturen von besonderer Qualität zu züchten. Dadurch, dass die Samen kosmischer Strahlung und Mikrogravitation ausgesetzt wurden, werden sie Mutationen aufweisen, die zu höheren Erträgen und einer verbesserten Qualität führen. Experten gehen davon aus, dass 40 % der mutierten Weltraumsamen für Zuchtexperimente genutzt werden können. Seit 1987 haben neun chinesische Satelliten und einige der insgesamt sechs ShenzhouRaumschiffe Saaten für Experimente an Bord gehabt. Ebenso wurden einige neue Arten von Pflanzensamen unter Weltraumbedingungen gezüchtet, aber noch niemals zuvor hatte China einen Satelliten gestartet, der allein für Samen bereitgehalten wurde. Im vergangenen Oktober hat China dem Anbau von 43 Arten von Weltraumsamen im großen Maßstab zugestimmt. Beispielsweise wur- Objekte von 50 cm Größe ausmachen können. Das Röntgenteleskop (XRT) hat eine Auflösung, die dreimal höher als die von Yohkoh ist. Das EUV Imaging Spectrometer (EIS) hat eine um das achtfache höhere Empfindlichkeit als die Instrumente auf der ESA-Mission SOHO. Die beiden Instrumente, Röntgenteleskop und EUV-Teleskop, werden die Wärmeströme und die Dynamik der aktiven Sonnenkorona erforschen. Die Geräteausstattung erlaubt es, die folgenden Schlüsselfragen zum Verständnis der Physik der Sonne zu beantworten: Warum existiert oberhalb der kühlen Atmosphäre eine heiße Korona? Wie entstehen solche explosionsartigen Ereignisse wie die Sonneneruptionen? Wie entsteht das Magnetfeld der Sonne? 41 E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 44 Raumfahrt Concret 1/2007 ISS RC-ISS/Impressum ISS-Sichtbarkeit von April bis Juni 2007 Die Datenbasis ist vom 10. Februar 2007. Grafikmodell: Hartmut E. Sänger Die Grafik zeigt die jeweilige Bahn der ISS, so wie sie direkt auf die Erdoberfläche projiziert sein würde. Für einen Beobachter, der sich bei klarem Himmel unterhalb der entsprechenden Linie befände, zöge die ISS also genau senkrecht über diesen hinweg (90° über dem Horizont = Zenit, schwarzer Halbkreis = Horizontlinie). An fast allen anderen Orten auf dem Kartenausschnitt wäre die Station zwar auch zu sehen, aber in geringeren Höhen über dem Horizont. Verliefe beispielsweise eine Linie über Bern in der Schweiz, so wäre die ISS an dieser Stelle in Rostock theoretisch auf Höhe des Horizonts zu beobachten und umgekehrt. Eine Bahn über Leipzig ließe die ISS in Rostock 60° hoch über dem Horizont von Rostock erscheinen usw. Die projizierten Bahnkurven gehen jeweils von westlicher in östliche Richtung und sind mit Anfangs- und. Endzeiten dokumentiert. Die Helligkeit der Raumstation schwankt zwischen +2 (Polarstern) und –4 Magnitude (Venus im hellsten Glanz). Auf Grund der stetigen Bahnänderung der ISS (Höhenverlust, Anheben bei Shuttlemissionen) sind im Laufe unseres Berichtszeitraumes Differenzen von einigen Minuten pro Monat wahrscheinlich. Genaue tägliche Lokalisationen in: www.heavens-above.com In eigener Sache Seit dem 1. Januar 2007 gehört Horst Jelitte (Haltern am See) unserer Redaktion an. Horst Jelitte wurde durch das Mercury-Programm der 60er Jahre für die Raumfahrt inspiriert. Nach dem Studium der Geschichte und Geografie konzentrierte er sich auf die Geschichte der Raumfahrt. Er ist ferner Freier Mitarbeiter von Fachzeitschriften und Agenturen. RC ist Hauszeitschrift folgender Vereine: Internationaler Förderkreis für Raumfahrt Hermann Oberth - Wernher von Braun (IFR) e.V. Kontakt: Dipl.-Ing. Axel H.Kopsch E-Mail: [email protected] www.ifr-raumfahrt-gesellschaft.de Impressum ©2007/ Herausgeber: Initiative 2000 plus e.V. Raumfahrt Concret erscheint im Verlag Iniplu 2000 im Jahr 2007 mit 5 Ausgaben (mindestens 36 Seiten) Verlagsleiter: Jacqueline Myrrhe Anschrift des Verlages: Verlag Iniplu 2000 c/o Initiative 2000 plus e.V. Lindenstraße 63 (TIG), 17033 Neubrandenburg Einzelverkaufspreis*: E 4,50 *mit RC-Extra E 7,50 US$ 5,50 US$ 8,00 zzgl. Porto und Verpackung Jahresabonnement: E 20,00 (inkl. Versand) Deutschland: E 23,00 Europa: Anzeigenpreisliste auf Anforderung. Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 4 vom 1.10.2001 Bei Lieferverzug in Form von höherer Gewalt besteht kein Rechtsanspruch gegenüber dem Verlag. Kopien zum kommerziellen Vertrieb oder Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Herausgebers. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge redaktionell zu bearbeiten. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unmittelbar die Meinung des Herausgebers dar. Verein zur Förderung der Raumfahrt e.V. Postfach 801966, 81619 München, www.vfr.de Fax: +49 (0)89 - 450 08 99 - 7375 Kontakt: Ulla Hodapp E-Mail: [email protected] Deutsche Raumfahrt Gesellschaft e.V. Greta-Bünichmann-Straße 3, 48155 Münster, www.drg-gss.org Tel.: (0251) 394 48 63, Fax: (0251) 394 48 64 Kontakt: Michael Stennecken E-Mail: [email protected] Raketenmodellsportverein 82´ e.V. Kontakt: Markus Rehberger E-Mail: [email protected] Gerichtsstand: Amtsgericht Neubrandenburg Redaktionsschluss: 5.3.2007 Redaktionskollegium: Uwe Schmaling (Chefredakteur, V.i.S.d.P.), Hartmut E. Sänger (Stellvertretender Chefredakteur), Dietmar Röttler, Prof. Dr. Karl-Heinz Marek, Dr. Achim Zickler, Tasillo Römisch. Eugen Reichl, Axel Kopsch, Horst Jelitte. Redaktionsassistentinnen: Britta Peters, Ute Habricht. Associate editors China: Chen Lan USA: Dr. Dwayne A. Day Korrespondent Russland: Prof. Anatoli Sotow Ständige Mitarbeiter Mars Society: Jürgen Herholz, Andreas Konietzny Modellraketen: Stefan Wimmer Grafiken: Dietmar Röttler Titel/Grafik/Layout: Jörg Hinz Internet: Eberhard Rödel Druck: Druck&Service GmbH Neubrandenburg Sponsoring: Jacqueline Myrrhe, Raumfahrtexpertin Anschrift der Redaktion Raumfahrt Concret PF 10 12 39 D- 17019 Neubrandenburg Telefon: 0395 - 582 33 66 Fax: 0395 - 36 96 747 E-Mail: [email protected] Internet: www.raumfahrt-concret.de FÖRDERER DER RAUMFAHRT UND WELTRAUMFORSCHUNG Ich bin Förderer der Raumfahrt und Weltraumforschung, weil sie uns kontinuierlich zu neuen Ufern führt und gigantische Perspektiven eröffnet. Wie auf keinem anderen Gebiet ist die internationale und interfachliche Kooperation so ausgeprägt und auch erforderlich. Den Weltraum begreifen, heisst uns selbst erkennen - diese 42 uralte Sehnsucht der Menschheit treibt uns stetig voran. Darum spendet Jacqueline Myrrhe eine fünfstellige Summe im Jahr 2007 für RC. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 45 RC-Aktuell Die Raumsonde Cassini hat zum Jahreswechsel Nahaufnahmen von Methan-Seen auf dem Saturnmond Titan fotografiert. Es existieren kleinere Seen mit einem Durchmesser zwischen 20 und 25 km, aber auch Meere mit einer Ausdehnung von 300 x 100 km. Foto: NASA. Die verheerende Explosion einer Zenit-3SL auf der schwimmenden Startplattform „Sea Launch“ hinterließ erstaunlich geringe Beschädigungen. Sea Launch hier auf dem Wege in den Heimathafen (siehe auch RFK-Report). Fotos: Sea Launch. Am 26. Februar 2007 erfolgte der offizielle Spatenstich für Sojus-Startanlagen am europäischen Raumfahrtbahnhof Kourou. Dabei wurde eine Erinnerungsplakette enthüllt und ein Stein jenes Startblocks in Baikonur gesetzt, von dem der Kosmonaut Juri Gagarin 1961 zum ersten bemannten Raumflug der Geschichte abhob – eine symbolische Geste zur Betonung der Kontinuität russisch-europäischer Zusammenarbeit im Zeitalter der Raumfahrt von Sputnik und Gagarin bis heute. Mit dem Start vom Guyana Space Centre (CSG) gewinnt der Träger in Zukunft dank besserer Ausnutzung der Erdbeschleunigung vom Äquator aus erheblich an Beförderungskapazität. Nach dem Jungfernflug 2008 wird Sojus Kommunikationssatelliten auf geostationäre Transferorbits bringen, Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo starten, Erdbeobachtungssatelliten auf polare Umlaufbahnen befördern und interplanetare Sonden in die Tiefen des Alls schicken. Foto und Grafik: Arianespace, CNES/ Active Design. KLASSE: BIOSATELLIT SAMMLUNG: UNBEMANNTE RAUMFAHRT 11:39 Uhr GRUPPE: ERDORBIT 06.03.2007 TYP: KOSMOS 110 E-RC46-6.3. Seite 46 EREIGNIS WELTRAUM E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 47 EREIGNIS WELTRAUM/ Entwicklungsgeschichte Als der Chefkonstrukteur der sowjetischen Raumfahrt, Sergej Pawlowitsch Koroljow, im Januar 1966 überraschend starb, plante sein Konstruktionsbüro OKB-1 für dieses Jahr drei bis vier Einsätze des Raumschiffes Woschod und fünf Flüge des Nachfolgemodells Sojus. Als Erste sollten die Kosmonauten Boris Wolynow und Georgi Schonin mit dem Raumschiff Woschod 3 zu einem Langzeitflug starten. Diese Mission wurde bereits seit einem Jahr vorbereitet. Die politische Führung der Sowjetunion befürwortete diesen Flug nachdrücklich, nachdem die Amerikaner im Dezember 1965 mit Gemini VII einen vierzehntägigen Raumflug erfolgreich absolviert hatten. Nun sollte der Langzeitflugrekord wieder von der Sowjetunion zurückgeholt werden. Der Flug sollte in zeitlichem Zusammenhang mit dem 23. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) im März 1966 absolviert werden. Am 27. Januar 1966 trat die Führung des Konstruktionsbüros OKB-1 erstmals unter Leitung ihres neuen Chefs, Wassili Mischin, zusammen. Dabei ging es vor allem um die Zukunft des Woschod-Programmes. Zu dieser Zeit wurde bereits intensiv am Nachfolgemodell Sojus gearbeitet und der Erstflug sollte im Laufe des Jahres 1966 erfolgen. Die Arbeit band alle Kräfte des OKB-1, so dass es eigentlich keine freien Kapazitäten für Woschod gab. Dennoch wurde ein Fahrplan für Woschod 3 festgelegt. Zwei Raumschiffe, 3KV Nr. 5 und Nr. 6, wurden parallel vorbereitet. Das Raumschiff 3KV Nr. 5 sollte im Februar 1966 mit zwei Hunden an Bord für maximal 30 Tage fliegen. Wenn alles erfolgreich laufen würde, konnte 3KV Nr. 6 (Woschod 3) ein bis zwei Wochen nach der Landung des Vorgängers mit zwei Kosmonauten an Bord folgen und 18 Tage lang die Erde umkreisen. Erst am 10. Februar 1966 wurde eine Staatliche Kommission für die beiden Missionen unter Leitung von Generalmajor Tjulin gebildet. Tjulin war der Vizechef des Ministeriums für Allgemeinen Maschinenbau (MOM), des „Raumfahrtministeriums“ der Sowjetunion, und ein alter Hase des Raketenprogramms. Er war praktisch von Anfang an dabei. Am 17.2.1966 gab die Staatliche Kommission die Erlaubnis, das Raumschiff 3KV Nr. 5 zu starten. Die Mission sollte 25 Tage dauern. Zuvor hatte Woronin, Chef des verantwortlichen Konstruktionsbüros OKB-124, erklärt, dass das Lebenserhaltungssystem funktionieren würde. Bei der Erprobung des Systems waren große Probleme, insbesondere mit der Luftregeneration, aufgetreten. Beschreibung Kosmos 110 stellt ein Raumschiff der Baureihe Woschod (3KV) dar, die ihrerseits eine Modifikation des bekannten Wostok-Schiffes (3K) war. Die kugelförmige Kabine des Landeapparates wurde mit zwei Hundebehältern ausgerüstet. Das Lebenserhaltungssystem wurde für längere Einsätze modifiziert. Neben dem Bremstriebwerk TDU am Heck verfügte Woschod über ein Reserve-Bremstriebwerk am Bug, das mit Festtreibstoff arbeitete. Um die Kapsel weich zu landen, verfügte sie über zwei Hauptfallschirme und Bremsraketen an den Fallschirmtrossen, die durch einen 1,5 Meter langen Berührungssensor kurz über der Erdoberfläche ausgelöst wurden. KOSMOS 110 (3KV NR. 5) Programmablauf Das Raumschiff 3KV Nr. 5 startete in der Nacht vom 22. zum 23. Februar 1966 mit einer Rakete des Typs Woschod (11A57) vom Platz 1 des kasachischen Kosmodroms Baikonur. Dabei wurde erstmals eine neue Aufstiegstrasse verwendet, die etwas weiter südlich als üblich verlief und dadurch eine größere Nutzlast ermöglichte. Die Bahnneigung von knapp 52° wurde für alle darauffolgenden bemannten Raumflüge der Sowjetunion, bis auf Sojus 22 (1976), üblich. Nach dem Erreichen des Erdorbits erhielt das Raumschiff die offizielle Bezeichnung Kosmos 110. An Bord befanden sich die Hunde Weterok und Ugoljok, die das Institut für Medizinisch-Biologische Probleme (IMBP) Moskau auf ihren Flug vorbereitet hatte. Der Einsatz von Hunden als Versuchstiere hat eine lange Tradition in der sowjetischen Raumfahrtmedizin. Ungewöhnlich war die stark elliptische Bahn von Kosmos 110, die 187 km im Perigäum und 904 km im Apogäum erreichte. Durch das hohe Apogäum durchquerte das Schiff den Strahlungsgürtel der Erde. Die sowjetischen Experten wollten damit die Auswirkungen einer längeren Strahlenexposition auf den Organismus untersuchen. Die beiden Hunde wurden während des gesamten Fluges durch eine Magensonde künstlich ernährt. Der Nahrung wurden Antistrahlenmittel beigemischt. Neben den Hunden befanden sich auch andere biologische Proben, wie Blut, Eiweiße, Mikroben und Chlorella-Algen in der Kapsel, die ebenfalls auf Strahlenschäden untersucht wurden. Zunächst verlief der Flug Kosmos 110 weitgehend störungsfrei. Neben Problemen mit einer Antenne des Kommunikationssystems „Sarja“ versagten der Ionensensor zur Orientierung des Schiffes und der Hochfrequenz-Sender „Signal“. Am 14.3.1966 versammelte sich die Staatliche Kommission, um den Fortgang der Mission Kosmos 110 zu besprechen. Da sich die Bordatmosphäre tendenziell verschlechterte, beschloss die Kommission nach längerer Diskussion, den Flug abzubrechen. Am Abend des 16.3.1966 landete Kosmos 110 210 Kilometer südöstlich von Saratow. Wie bei Kapseln des Wostok-Typs üblich, war die Abweichung vom Zielpunkt mit 60 Kilometern recht hoch. Der Flug hatte 22 anstatt der geplanten 25 Tage gedauert. Die Hunde Weterok und Ugoljok befanden sich in einem überraschend schlechten Zustand. Sie litten unter massivem Flüssigkeitsverlust, Muskelschwäche, Kalziumverlust und Koordinationsproblemen. Erst nach 5 Tagen stellte sich ein stabiler Kreislauf ein und es dauerte eine Woche, bis sie wieder laufen konnten. Vermutlich infolge ihrer massiven Strahlenbelastung verstarben Weterok und Ugoljok nach einigen Wochen. Die Mediziner des IMBP warnten vor den negativen gesundheitlichen Folgen eines Langzeitfluges in der Schwerelosigkeit. Sowjetische Raumschiffe flogen nie wieder so dicht an den Strahlungsgürtel heran. Der nachfolgende bemannte Flug Woschod 3 wurde zunächst auf April 1966 verschoben. Neben dem schlechten Gesundheitszustand der Hunde spielten dabei Probleme bei der Erprobung des Lebenserhaltungssystems im OKB-124 und IMBP mit dem Fallschirmsystem der Kapsel (mehrere misslungene Abwurfversuche) und Befürchtungen um die mangelnde Zuverlässigkeit der dritten Stufe der Woschod-Rakete eine Rolle. Am 10. Mai 1966 trat die Militärisch-Industrielle Kommission, ein weiteres wichtiges Entscheidungsorgan der sowjetischen Raketenindustrie, zu einer Sitzung zusammen. Der Vorsitzende Leonid Smirnow, einer der mächtigsten Männer in der Rüstungsindustrie, empfahl öffentlich, die WoschodFlüge einzustellen, da sie nichts Neues bringen würden und statt dessen nur noch auf das neue Sojus-Schiff zu setzen. Damit war die politische Linie vorgegeben, auf die OKB-1-Chef Mischin nur zu gerne einschwenkte. Der Starttermin von Woschod 3 verzögerte sich weiter auf Juli 1966 und wurde schließlich stillschweigend auf unbestimmte Zeit verschoben. Kosmos 110 war somit das fünfte und letzte Woschod-Raumschiff. Technische Daten Gesamtmasse: 5.600 kg, Masse Landeapparat: 3.000 kg Länge: 5 m Durchmesser: 2,43 m Quellen Asif Sidiqi, Challenge to Apollo, NASA Washington 2000 Autor: Stefan Wotzlaw, Dessau, Deutschland Die Typenblattserie „Ereignis Weltraum“ wird herausgegeben von © „Raumfahrt Concret“ über den Verlag INIPLU 2000, PF 10 11 39, 17019 Neubrandenburg. KLASSE: WISSENSCHAFTSSATELLITEN SAMMLUNG: UNBEMANNTE RAUMFAHRT 11:39 Uhr GRUPPE: PLANETENSONDEN 06.03.2007 TYP: PIONEER 10 & 11 E-RC46-6.3. Seite 48 EREIGNIS WELTRAUM E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:39 Uhr Seite 49 EREIGNIS WELTRAUM/ PIONEER 10 & 11 Beschreibung Das amerikanische Pioneer-Programm bestand aus dreizehn erfolgreichen, später auch interplanetarischen Raumsonden, die zwischen 1958 und 1978 gestartet wurden. Daneben gab es etliche Fehlschläge. Die Raumsonden erzielten eine Fülle wissenschaftlicher Erkenntnisse über den erdnahen Raum, über einzelne Planeten und über die äußeren Regionen des Sonnensystems. Das Programm lässt sich, ausgehend von der jeweiligen Zielsetzung der Raumflugkörper, in vier verschiedene Phasen unterteilen: Pioneer 1 bis Pioneer 5: Flüge zum Mond; Erforschung der lunaren Umgebung Pioneer 6 bis Pioneer 9: Erforschung des sonnennahen Raumes Pioneer 10 und Pioneer 11: Jupiter- und Saturn-Vorbeiflüge sowie Erforschung der äußeren Regionen des Sonnensystems Pioneer 12 und Pioneer 13: Exploration der Venus Die Jupiter- und Saturnsonden Pioneer 10 wurde mit einer Atlas-CentaurRakete am 2. März 1972 auf die Reise geschickt, wobei erstmals eine dritte Stufe zum Einsatz kam. Diese war notwendig, um die Sonde auf die erforderliche Geschwindigkeit von 51.810 Stundenkilometern zu beschleunigen. Damit wurde Pioneer für lange Zeit zum schnellsten jemals von Menschen gebauten Fluggerät. Innerhalb von nur 11 Stunden Flugzeit passierte die Sonde den Mond, nach 12 Wochen war die Marsbahn erreicht. Am 3. Dezember 1973 passierte Pioneer den Riesenplaneten Jupiter in 130.354 Kilometern Entfernung über der Wolkenoberdecke. Erstmals wurden dabei Nahaufnahmen des Planeten zur Erde gefunkt. Die 180 Aufnahmen zeigten zur Freude der Wissenschaftler eine Fülle von Details. Zudem gelangen Einzelaufnahmen von Europa, Ganymed und Kallisto. Die wissenschaftlichen Instrumente lieferten Daten über den sehr intensiven Strahlengürtel des Planeten, sein Magnetfeld, die Atmosphäre und erbrachten auch den Beweis, dass Jupiter hauptsächlich ein flüssiger Planet ist. Insbesondere die Daten über die intensive Strahlenbelastung in unmittelbarer Nähe des Planeten lieferten wichtige Informationen für die späteren Voyager-Missionen. Die Flugbahn von Pioneer 10 führte die Raumsonde nach der Planetenbegegnung in die äußeren Regionen des Sonnensystems. Dabei wurden kontinuierlich Messdaten, zum Beispiel über den Sonnenwind und die kosmische Strahlung, zur Erde gefunkt. Obwohl die offizielle Mission der Sonde mit dem Jupiter-Flyby erfüllt war und man nicht mit einem längeren Arbeiten der Bordinstrumente rechnen konnte, überraschte Pioneer 10 mit einer unerwartet langen Lebensdauer. Bis zum 27. April 2002 sandte der Instrumententräger wissenschaftliche Daten. Am 23. Januar 2003 empfing NASAs Deep Space Network ein letztes, schwaches Signal, allerdings ohne wissenschaftlichen Wert. Seitdem ist die Verbindung zur Raumsonde abgebrochen. Ein letzter Versuch einer Kontaktaufnahme zu Pioneer 10 blieb im März 2006 ohne Antwort! Trägersystem eine Atlas-Centaur. Nach der Durchquerung des Asteroidengürtels am 19. April 1974 wurden die Triebwerke erneut gezündet, um die Geschwindigkeit der Sonde um 63,7 m/sec zu erhöhen und den Kurs zu präzisieren. Das gewährleistete den geplanten Vorbeiflug in der Zielregion in rund 43.000 Kilometern Höhe über der Wolkendecke des Planeten. Dieser im Vergleich zu Pioneer 10 recht nahe Vorbeiflug am Jupiter sollte nicht nur für Photos mit wesentlich mehr Details sorgen, sondern die Sonde auch beschleunigen und auf einen Kurs Richtung Saturn lenken. Während des Vorbeifluges am 2. Dezember 1974 gelangen sensationelle Bilder des bekannten ‚Großen Roten Flecks’ auf Jupiter sowie erstmals Bilder seiner Polarregionen. Zudem wurde die Masse des Mondes Callisto bestimmt. Rund 500 Bilder von Jupiter sandte der Instrumententräger zum Heimatplaneten zurück. Dann machte sich die Sonde auf den Weg zum 2,4 Milliarden Kilometer entfernten Saturn, der am 1. September 1979 in einer Höhe von knapp 21.000 Kilometern überflogen wurde. Danach verfügten die Wissenschaftler erstmals über 220 Nahaufnahmen dieses Planeten. Die Raumsonde entdeckte zwei neue Saturn-Monde sowie einen bisher unbekannten Planetenring und lieferte Daten über die Magnetosphäre und das Magnetfeld des Planeten. Die Messungen am Saturnmond Titan führten zu der Schlussfolgerung, dass dieser wohl zu kalt für die Existenz möglicher Lebensformen sei. Die Saturn-Passage führte Pioneer 11 unter die Ringebene, eine Position, von der aus atemberaubende Aufnahmen des Ringsystems gelangen. Der letzte Kontakt mit Pioneer 11 fand im November 1995 statt. Die Erde liegt seitdem außerhalb des Empfangsbereiches der Signale der Raumsonde und eine Neuausrichtung der Sonde war wegen der energieaufwändigen Saturnmanöver nicht mehr möglich. Insofern kann nicht genau gesagt werden, ob Pioneer 11 weiter Signale gesendet hat. Seitdem ist die Sonde auf dem Weg aus dem Sonnensystem. In etwa vier Millionen Jahren wird sie den ersten Stern erreichen. Vielleicht liest dann ja jemand die an Bord befindliche Plakette!!??. Beide Pioneer-Sonden waren wirkliche Pioniere. Sie lieferten nicht nur die ersten Nahaufnahmen sowie umfangreiche Messdaten der beiden Planeten und zum Teil auch Ihrer Monde, sie erforschten auch die Physik des interplanetarischen Raumes. Zudem legten die beiden Raumsonden wesentliche Grundlagen für die nachfolgenden Voyager-Missionen. Die operative Phase beider Raumsonden übertraf alle Erwartungen der NASA-Ingenieure. Die Gesamtkosten dieses äußert erfolgreichen Projektes beliefen sich auf rund 350 Millionen US-Dollar. Wissenschaftlich kontrovers diskutiert wird die ‚Pioneer Anomalie’. Dabei handelt es sich um eine bisher nicht letztlich geklärte konstante minimale Veränderung der Geschwindigkeit der Pioneer 10Sonde. Wo die Ursache für dieses seltsame Verhalten letztlich liegt ist nicht endgültig geklärt. So beschäftigen die beiden Pioniere die wissenschaftliche Welt auch lange nach Abschluss ihrer offiziellen Mission weiter. TECHNISCHE DATEN PIONEER 10 Gesamtmasse: 260 kg Länge der Sonde: 2,90 Meter Energieversorgung: 4 Radioisotopengeneratoren mit jeweils 40 Watt Leistung Masse der wissenschaftlichen Experimente: 30 kg Zahl der Experimente 11 Start: 2.3.1972 Ankunft am Jupiter: 3.12.1973 Distanz zum Planeten: 130.354 km Letzter Funkkontakt: 23.1.2003 Hersteller der Sonde: TRW Space & Technology Group, Redondo Beach, California Besonderheit: vergoldete Plakette als ‘Botschaft’ der Menschheit TECHNISCHE DATEN PIONEER 11 Aufbau der Sonde: weitgehend identisch mit PIONEER 10 Zahl der Experimente 12 (zusätzliches FluxgateMagnetometer) Start: 6.4.1973 Ankunft am Jupiter: 2.2.1974 Distanz zum Planeten: 42.760 km Ankunft am Saturn: 1.9.1979 Distanz zum Planeten: 20.900 km Ende der Mission: 31.3.1997 Autor: Horst Jelitte Pioneer 11 wurde am 6. April 1973 gestartet – wie schon bei der Vorgängersonde war das Die Typenblattserie „Ereignis Weltraum“ wird herausgegeben von © „Raumfahrt Concret“ über den Verlag INIPLU 2000, PF 10 11 39, 17019 Neubrandenburg. E-RC46-6.3. 06.03.2007 11:38 Uhr Seite 2 12.000 Experten in fünf europäischen Ländern – Drei strategische Geschäftsfelder – Alles unter dem Dach eines Unternehmens. Wir entwickeln und bauen Satelliten und Trägersysteme. Wir bieten komplette Dienstleistungen an. Effizienz und Zuverlässigkeit – Astrium. S AT E L L I T E S – S PA C E T R A N S P O R TAT I O N – S E R V I C E S All the space you need -Getty/Smari/Yutaka Iijima- All the space you need 5010_ASTRIUM_210x297_Corpo_ALL.indd 1 14/02/07 10:53:09