Präsentation Zürcher Psychotraumatologietagung April 2016
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Präsentation Zürcher Psychotraumatologietagung April 2016
Der Körper als sicherer Ort Traumasensitives Yoga als ergänzende Methode für komplex traumatisierte PatientInnen Dagmar Härle Master of Psychotraumatology Cert. Facilitator TCTSY www.trauma-institu.eu Was ist TSY Traumasensitives Yoga (TCTSY) ist eine empirisch untersuchte klinische Methode für die Behandlung komplexer Traumafolgestörungen, chronischer behandlungsresistenter PTSD und Beziehungs- und Entwicklungstraumata, die im Trauma Center in Brookline, Massachusetts entwickelt wurde. April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 2 Studie 2014 – van der Kolk, Emerson et. al. • Randomisierte, kontrollierte Studie • 64 Frauen • Diagnose: chronische, therapieresistente PTBS-Symptomatik Studiendesign: 10 Sessions 32 Frauen erhielt ein Yogatraining (TSY) Kontrollgruppe: Aufklärung über Gesundheitsfragen April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 3 Abbildung 1 Yoga as an Adjunctive Treatment for Posttraumatic Stress Disorder: A Randomized Controlled Trial (2014). Bessel A. van der Kolk, MD; Laura Stone, MA; Jennifer West, PhD; Alison Rhodes, MSW Med; David Emerson, MA; Michael Suvak, PhD; and Joseph Spinazzola, PhD. J Clin Psychiatry 75:0, Month 2014 April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 4 Persönliche Aussagen von Studienteilnehmerinnen (TSY-Gruppe) • Ich fühle mich mit meinem Körper mehr verbunden. • Ich habe gelernt, mich zu fokussieren • Ich fühle mich stärker und ausgeglichener • Ich habe meinen Körper gehasst, nun lerne ich, wie ich für ihn sorgen kann April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 5 Follow Up Study 1,5 Jahre später N = 49 Ergebnisse: • Viele der TNInnen beider Gruppen begannen, Yoga zu üben • => Man konnte leider nicht sagen, ob die 10 Yogasessions einen «longterm» Effekt auf die Symptomreduktion hatten • Die Gruppenzuteilung während der Studie hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Reduktion der PTBS Symptomatik. Jedoch: • TNInnen beider Gruppen, die nach der Studie weiterhin regelmässig Yoga praktizierten, hatten eine signifikante Reduktion der PTBS-Symptomstärke und Depressionssymptomatik gegenüber jenen, die kein Yoga praktizierten. Rhodes, A., Spinazzola, PhD., Van der Kolk, B. The Journal of Alternative and Complementary Medicine, Volume 00, Number 0, 2016 April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 6 Studie SMART Sensory Motor Arousal Regulation Treatment • Wöchentliche SMART Intervention verglichen mit TAU (treatment as usual) • 2 Gruppen Jugendliche: SMART (n=10) and TAU (n=21) • SMART intervention room mit verschiedenen sensomotorischen und sensointegrativen Angeboten: Grosse Fitnessbälle, Decken mit Gewichten, Minitrampoline, grosse Crash-Kissen und Balance Tools • Einladende Angebote wie bei TSY (Emerson, 2012) • Therapeuten waren geschult darin, die Körperbewegungen und sensomotorischen Empfindungen zu begleiten (Warner et al. 2011) • Therapeuten unterstützen den Kontakt mit der unmittelbaren, somatischen Erfahrung zu gehen, so dass der Klient sich seiner Erfahrungen gewahr werden und lernen kann, wie er sich selbst reguliert (Ogden et al. 2006). Elizabeth Warner, Joseph Spinazzola, Anne Westcott, Cecile Gunn & Hilary Hodgdon (2014) April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 7 Ergebnisse SMART Body Can Change the Score: Empirical Support for Somatic Regulation in the Treatment of Traumatized Adolescents. Elizabeth Warner, Joseph Spinazzola, Anne Westcott, , Cecile Gunn, , Hilary Hodgdon. Journal of Child & Adolescent Trauma. December 2014, Volume 7, Issue 4, pp 237-246. The April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 8 Studienergebnisse allgemein • Yoga hat einen positiven Effekt auf Stress und auf die Symptomatik einfacher und komplexer Traumafolgestörungen • Yoga verbessert das Durchhalten einer Expositionstherapie • Die Kombination von kognitiven mit körperbezogenen Interventionen, wie die Atemschulung und Bewegung, weist Synergieeffekte auf • Neben der Symtomreduktion verbessert sich das allgemeine Wohlbefindens und Gesundheitszustand • Durch Haltungen und Atemübungen ermöglicht Yoga, auf der interozeptiven Ebene therapeutische Botschaften zu senden dort, wo verbale Techniken keinen Zugang haben. • Yoga-Üben bewirkt strukturelle Veränderungen im Gehirn (Insula) • Yoga positive Auswirkungen auf die Ausschüttung von Neurotransmittern und Catecholaminen hat. April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 9 Wirkfaktoren? • Atem • Rhythmus – Training von Sympathikus und Parasympathikus • Bewegung • Achtsamkeitsschulung • Bewegungs- und Haltungsvarianten • Gemeinsames Üben – Beziehung auf Augenhöhe • Spiegelneurone • Selbstwirksamkeit • Selbstkontrolle April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 10 Gehirn und Trauma AUFMERKSAMKEIT … • ist auf die Gefahrenreize fokussiert • kann wichtige von unwichtigen Informationen nicht unterscheiden ANTWORT AUF BEDROHUNG … • wird von der übersensitiven und überaktiven Amygdala bestimmt Wir erleben GEFAHR statt ALLTAG Limbisches System dominiert präfrontalen Cortex April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 11 April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 12 Da limbische System … … über das emotional-motorische System emotionsspezifische Bewegungen und Körperhaltungen auslöst, müssen wir den Körper in die Therapie einbeziehen. Wir brauchen wir Werkzeuge in der Therapie, die subkortikalen Strukturen erreichen. April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 13 Top-down und bottom-up «Top-down» Westliche Weg» Veränderung über reden, verstehen «Bottom-up» Östlicher Weg» mit Tai Chi, Yoga, Qi Gong Afrikanischer Weg» durch Rhythmus, Gesang, Tanz Indem wir körperliche Empfindungen verändern, beeinflussen wir Gedanken und Gefühle. April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 14 Was ist Yoga? April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 15 Yoga als «work-in» Das Wort «Yoga» bedeutet «Joch» «Anjochen» unserer fünf Sinne Bei regelmässigem Üben (Asanas, Pranayama, Konzentration und Meditation) wird der Geist gewandelt. April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 16 Yoga ist Stille Nun (folgt) die Disziplin des Yoga. Yoga ist jener innere Zustand, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen. Dann ruht der Sehende in seiner Wesensidentität. Alle anderen inneren Zustände sind bestimmt durch die Identifizierung mit den seelisch-geistigen Vorgängen. Hatha Yoga Pradipika, Patanjali, Sutren 1-4, (Patanjali, 2010) April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 17 Die Werkzeuge eines Yogi Asana – Körperstellungen Pranayama – Atemkontrolle Achtsamkeit – Konzentration, Mediation April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 18 Die Sprache funktional, interozeptiv und einladend gestalten Prämissen April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 19 Interozeption … … die Rückmeldung viszeraler, physiologischer Informationen aus dem Körper an das Gehirn und deren Wahrnehmung … * … eine Art ursprüngliche Emotion, durch welche das Gehirn Bedrohungen für den Organismus detektiert und der bewussten Wahrnehmung zuführt ** * z. B. Adolphs et al., 2000; Bechara, 2004; Bechara, Damasio & Damasio **Behnaz Jarrahi (2015) Doktorarbeit ETH Zürich April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 20 Interozeptive Sensitivität «Interozeptive Sensitivität bedeutet, dass die physiologischen Bedingungen unseres Körpers, also viszerale, afferente Informationen in unser Bewusstsein dringen. Das interozeptive System als Ganzes konstituiert das «material me» und bringt unsere Körperempfindungen mit unserer Stimmung, unseren Emotionen und unser Wohlergehen in Verbindung.» Clare J. Fowler, 2002, from a review in the journal Brain (Visceral Sensory Neuroscience) April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 21 Die Sprache funktional, interozeptiv und einladend gestalten Wahlmöglichkeiten anbieten, zu Entscheidungen ermutigen Prämissen Zu effektiven Handlungen anregen, Selbstwirksamkeit fördern April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 22 Interozeption und Selbstwirksamkeit Körperempfinden Interozeptive Wahrnehmung Somatische Marker April 2016 Wahlmöglichkeit 1 Entscheidung Absichtsvolle Handlung Wahlmöglichkeit 2 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 23 Interozeption … ist fundamental für die Verhaltens- und Emotionsregulation * z. B. Adolphs et al., 2000; Bechara, 2004; Bechara, Damasio & Damasio April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 24 Die Sprache funktional, interozeptiv und einladend gestalten Wahlmöglichkeiten anbieten, zu Entscheidungen ermutigen Prämissen Zu effektiven Handlungen anregen, Selbstwirksamkeit fördern Den gegenwärtigen Moment durch achtsames Beobachten erfahren April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 25 Achtsamkeit «Nicht bewertendes Gewahrsein des Augenblicks» Zwei Sichtweisen: Top Down gestaltetes Vorgehen: Unangenehme Empfindungen werden, sofern sie nicht schaden, angenommen. Humanistisches Konzept der Achtsamkeit oder «bottom up»: Unangenehme Empfindungen werden beachtet, Veränderungen vorgenommen: Ziel ist Experimentieren mit dem Spüren und Erleben. April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 26 Die Sprache funktional, interozeptiv und einladend gestalten Wahlmöglichkeiten anbieten, zu Entscheidungen ermutigen Prämissen Zu effektiven Handlungen anregen, Selbstwirksamkeit fördern Kontakt, Beziehung und Sicherheit durch unsere Stimme geben Den gegenwärtigen Moment durch achtsames Beobachten erfahren April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 27 Kontakt, Beziehung und Sicherheit durch unsere Stimme geben • Wir bleiben mit unserer Stimme in Kontakt, machen keine langen Sprechpausen • Wir machen immer mit – der Klient fühlt sich weder beobachtet noch bewertet • Wir loben keine «korrekte» Ausführung • Wir loben nicht, wenn Wahlmöglichkeiten genutzt werden • Wir gestalten eine Beziehung auf Augenhöhe – jeder ist Experte seiner Interozeption April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 28 Die Sprache funktional, interozeptiv und einladend gestalten Wahlmöglichkeiten anbieten, zu Entscheidungen ermutigen Rhythmus, Bewegung und Veränderung wahrnehmen Prämissen Zu effektiven Handlungen anregen, Selbstwirksamkeit fördern Kontakt, Beziehung und Sicherheit durch unsere Stimme geben Den gegenwärtigen Moment durch achtsames Beobachten erfahren April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 29 Rhythmus beobachten, Bewegung und Veränderung wahrnehmen • Atemrhythmus • Rhythmische Bewegung • Synchronisation von Atem und Bewegung • Anstrengung im Muskel wird von Entspannung abgelöst • sympathikotone Aktivierung durch kontrollierte Anstrengung und • parasympathische Phase des Nachspürens und der Ruhe -> Beeinflussung von Atemtiefe und –frequenz -> Einfluss auf das Nervensystem April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 30 Stabilisierung in der Traumatherapie • Sympathikotones Aktivierung abbremsen • Parasympathischen Shut Down (Dissoziation) vermeiden bzw. • Patienten helfen, möglichst schnell wieder aus der Dissoziation herauszukommen April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 31 Verteidigungskaskade Fright/Tonische Immobilität Teilnahmslose Immobilität Typ 1 «Aufruhr» Sympathikus Flag/Erschlaffung Fight/Angriff Flight/Flucht Typ 2 «Shut-down» Dorsaler/Vagus/Parasymathikus Freeze/Orientierungsreakton Aufmerksame Immobilität April 2016 «Monotrauma» PTBS Typ 1 «Komplexes Trauma» PTBS Typ 2 Basel Institut für körperorientierte Traumatherapie Faint/Ohnmacht 32 Körperorientierte Traumatherapie mit TSY Stabilisieren: • «Beruhigende» Übungen - Dämpfung des Sympathikus • «Anregende» Übungen – Verhindern/Beenden des parasympathischen Shut-Down (dorsaler Vagus) • Sichere Beziehung auf Augenhöhe (ventraler Vagus) • Somatische Ressourcen erarbeiten • Bewegung und Rhythmus statt Erstarrung erfahren • Veränderung erfahren – Empfindungen und Emotionen folgen einer Wellenbewegung • Die individuelle Wirkung von Asanas oder Pranayama stets neu erforschen April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 33 Verlauf von Emotionen Erwartung Belastung Dissoziation Vermeidung Zeit April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 34 Körperorientierte Traumatherapie mit TSY Traumaexposition • Exposition durch das Einnehmen von Körperhaltungen/Asanas und Atem/Pranayama • Regulieren der Aktivierung durch Verändern der Körperhaltung/Atmung • Pendeln zwischen Ressource und Traumaerfahrung April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 35 Setting • TSY-Gruppen • TSY zu Beginn oder am Ende einer Therapiestunde • Ein persönliches Yogaprogramm erarbeiten • TSY in den therapeutischen Prozess einweben April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 36 Leitgedanke “Out beyond ideas of wrongdoing and rightdoing there is a field. I'll meet you there. Jenseits der Vorstellungen von richtig und falsch gibt es ein Feld. Dort treffe ich mich mit dir. Auszug aus einem Gedicht: Rumi (1995) The essential Rumi. Translated by Coleman Banks. Penguin Books, London April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 37 April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 38 Weiterführende Literatur Erscheint Herbst 2016 Mit DVD April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 39 Gehirnstrukturen RATIO Neocortex EMOTIONEN Limbisches System • Bewusst • Unbewusst • Kognitiv, denkend, Sprache • Emotional, fühlen • auswählen, planen, reflektieren • Überleben • Empathie • Automatisch April 2016 Institut für körperorientierte Traumatherapie Basel 40