Leistungskriterien -§ 35a_gesamt_Stand03_2011

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Leistungskriterien -§ 35a_gesamt_Stand03_2011
Landratsamt Vogtlandkreis
Jugendamt
Stephanstraße 9
08606 Oelsnitz
Stand: September 2010
Leistungs- und Qualitätsstandards im Rahmen der
Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII
1. Gesetzliche Grundlagen
§ 35a SGB VIII - Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
-
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von
dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher
- ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche
Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches, sind Kinder oder
Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten
ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.
(1a)
Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1,
hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
- eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder
- eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere
Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen
verfügt, einzuholen.
Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der
Krankheiten in der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und
Information herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch
darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht.
Die Hilfe soll nicht von der Person, dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person
angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- in ambulanter Form,
- in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen
durch
- geeignete Pflegepersonen und
- in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der
Leistungen richten sich nach § 53 Absatz 3 und 4 Satz 1, den §§ 54, 56 und 57 des
Zwölften Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von
einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und
Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der
Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind
heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in
Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen
Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte
Kinder gemeinsam betreut werden.
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In den folgenden Ausführungen wird sich auf die Leistungs- und Qualitätsstandards der
Hauptleistungserbringer im Arbeitsbereich Eingliederungshilfen gem. § 35a SGB VIII
bezogen. Dies sind die stationären Einrichtungen gem. § 34 SGB VIII und die
ambulanten Einrichtungen, welche bedarfsorientierte Lerntherapien leisten.
Gesetzliche Grundlagen sind demnach § 35a SGB VIII sowie § 35a i. V. m. § 34 SGB
VIII.
2. Verfahrensschritte und Standards
2.1 Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII in Form einer Lerntherapie
2.1.1 Ablauf der Hilfebedarfsplanung:
•
Auf die Anfrage eines Klienten erfolgt eine qualifizierte Antragsberatung (Klärung der
Vorrausetzungen für einen Anspruch auf Eingliederungshilfe sowie der gesetzlichen
Grundlagen, vorläufige Sachstandsbetrachtung und Zuständigkeitsklärung).
•
Ausgabe der Unterlagen
-
Schulauskunft,
Anhaltspunkte für eine ärztliche Stellungnahme,
Erhebungsbogen für die Sorgeberechtigten,
ggf. Erhebungsbogen Jugendlicher und
Merkblatt
zur detaillierten Betrachtung des Hilfebedarfs und Ausgabe des Antrages auf
Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII.
Für die Erstellung einer notwendigen ärztlichen Stellungnahme werden bei Bedarf drei
geeignete Stellen wie z.B. das Sächsische Krankenhaus Rodewisch – Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Bahnhofstr., 08228 Rodewisch; Kinder- und Jugendpsychiaterin Frau
Ines Röder Schönecker Str. 8, 08223 Grünbach/Muldenberg; und Kinder- und
Jugendpsychotherapeutin Frau Martina Flock, Windmühlenstr. 2, 08523 Plauen benannt.
Dabei wird darauf hingewiesen, dass ein Wahlrecht der Leistungsberechtigten besteht,
bei welcher Stelle i.S.d. § 14 Abs. 5 SGB IX, sie sich der fachärztlichen
Untersuchungsmaßnahme unterziehen.
•
Notwendige Unterlagen und der Antrag werden beigebracht/eingereicht.
•
Feststellung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit innerhalb von 2 Wochen.
•
Sichtung der ärztlichen Stellungnahme bzgl. des Vorliegens einer seelischen Störung.
•
Konkretisierendes Gespräch mit den Eltern und dem Kind/Jugendlichen ggf. im Rahmen
eines Hausbesuchs.
•
Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung durch den zuständigen Sozialarbeiter anhand
eines Prüfschemas.
Die darin betrachteten Bereiche sind:
- Beziehung zu Familie/Familiensystem,
- Beziehung/Umgang mit Gleichaltrigen und Erwachsenen außerhalb der Familie (z. B.
Lehrer, Hortner, Trainer, Klassenkameraden usw.),
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schulische/berufliche Anpassung und Perspektive,
Freizeitgestaltung/Integrationsfähigkeit in Gruppengefüge,
Bewältigungsvermögen lebenspraktischer Situationen,
emotionale Befindlichkeit und
körperliche Verfassung
•
Einschätzung durch den Sozialarbeiter zum Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung
und in Verbindung mit der ärztlichen Stellungnahme Einschätzung zum Vorliegen einer
(drohenden) seelischen Behinderung.
•
Teamberatung mit Entscheidungsfindung.
2.1.2 Qualitätssicherung durch Hilfeplanfortschreibung:
Gem. § 36 (2) SGB VIII wird als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe mit den
Sorgeberechtigten, dem Kind/Jugendlichen sowie dem Leistungserbringer ein Hilfeplan
erstellt. Mittels Hilfeplanfortschreibung wird regelmäßig, d. h. in der Regel halbjährlich,
geprüft, ob die Hilfe weiterhin geeignet und notwendig ist und die Ausgestaltung aktualisiert.
Aufgrund folgender Gesichtspunkte ist es aus fachlicher und inhaltlicher Sicht sinnvoll, die
halbjährliche Hilfeplanfortschreibung beizubehalten:
-
Es bestehen komplexe Bedarfe und nur kleinschrittige Entwicklungen.
Die soziale, emotionale und seelische Stabilisierung zur Minderung der
Teilhabebeeinträchtigung ist ein längerfristiger Prozess.
Es entsteht ein zusätzlicher zeitlicher Druck für das betroffene Kind / den
Jugendlichen und die Sorgeberechtigten.
Lerntherapeuten entwickeln über die Hilfeplanung hinaus eigenständig Therapieziele,
die sie aus dem aktuellen Bedarf oder aus der Hilfeplanung ableiten.
2.1.3 Qualitätssicherung durch Entwicklungsbericht:
Erforderlich ist ein vom Leistungserbringer mindestens halbjährlich verfasster
Entwicklungsbericht in nachvollziehbarer schriftlicher Form, der dem Jugendamt von Seiten
des Leistungserbringers zugesandt wird.
Folgende Aspekte sollten enthalten sein:
-
Daten des Kindes/Jugendlichen, aktuelle Schulform und Klassenangabe;
Darstellungen der Entwicklungen im Berichtszeitraum, insbesondere in Bezug auf die
seelische Behinderung;
bei vereinbartem Stundenpool, Angabe von Behandlungsfrequenzen;
Aktueller Hilfebedarf;
Schwerpunkte für die weitere lerntherapeutische Zusammenarbeit mit dem Kind;
Beschreibung der Zusammenarbeit zwischen den Eltern, der Schule und ggf. den
weiteren Therapeuten (z. B. Ergotherapeut, Logopäde etc.);
Perspektive und Empfehlung zur Fortführung der Hilfe mit einer entsprechenden
Begründung
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2.1.4 Qualität der erforderlichen Abschlüsse:
In Deutschland ist ein einheitlicher Abschluss als staatlich anerkannter Lerntherapeut nicht
vorhanden. Es gibt lediglich differenzierte Abschlussvarianten aus verschiedenen
europäischen Ländern.
Von Seiten des Sozialen Dienstes des Jugendamtes wird ein Mindestmaß an theoretischer
und praktischer Ausbildung gefordert und folglich nur Maßnahmen mit Trägern durchgeführt,
wenn dessen Personal mindestens folgende Voraussetzungen erfüllt:
-
-
Ein Grundberuf im (sozial-)pädagogischen oder therapeutischen Bereich mit
staatlicher Anerkennung in Deutschland (z. B. Sozialpädagoge, Pädagoge,
Psychotherapeut, Psychologe, Ergotherapeut) und mindestens 2-jähriger
Berufserfahrung sowie
ergänzend dazu eine lerntherapeutische Zusatzausbildung.
2.1.5 Mitwirkungspflicht gem. §§ 60 ff SGB I:
Für eine gewinnbringende Hilfegewährung ist die Mitwirkung der Sorgeberechtigten sowie
des Kindes/Jugendlichen im Sinne der §§ 60, 61, 62 und 66 SGB I sowie § 36 SGB VIII von
ausschlaggebender Bedeutung.
Gesondert wird hierbei auf folgende Punkte hingewiesen:
-
Die Einholung der ärztlichen Stellungnahme und der sonstigen Unterlagen.
Elternkurse und angebotene Seminare sind von Seiten der Sorgeberechtigten zu
nutzen.
Mindestens einmal monatliche Teilnahme an einer Lerntherapieeinheit durch den/die
Sorgeberechtigten.
Lerninstitute haben Angebote für Eltern zu schaffen, beispielsweise Weitergabe von
Material und Übungen für die Fortführung der Therapie im häuslichen Umfeld,
Beratungsgespräche, Kurse.
2.2 Eingliederungshilfe gem. § 35a i. V. m. § 34 SGB VIII
2.2.1 Ablauf der Hilfebedarfsplanung:
Die Hilfebedarfsplanung erfolgt entsprechend den Erzieherischen Hilfen gem. §§ 27 ff. SGB
VIII mit dem Zusatz der Abprüfung des Vorliegens einer seelischen Behinderung.
Es erfolgt eine gezielte Suche nach einer dem Bedarf des Kindes/Jugendlichen
entsprechenden Einrichtung in Abstimmung mit den Sorgeberechtigten und unter
Berücksichtigung deren Wunsch- und Wahlrecht gem. § 5 SGB VIII.
Die Entscheidungsfindung erfolgt mittels Teamberatung.
2.2.2 Qualitätssicherung durch Hilfeplanfortschreibung:
Gem. § 36 (2) SGB VIII wird als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe mit den
Sorgeberechtigten, dem Kind/Jugendlichen sowie dem Leistungserbringer ein Hilfeplan
erstellt. Mittels Hilfeplanfortschreibung wird regelmäßig, d. h. in der Regel halbjährlich,
geprüft, ob die Hilfe weiterhin geeignet und notwendig ist und die Ausgestaltung aktualisiert.
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Beachtung findet in der Hilfeplanfortschreibung die interdisziplinäre Arbeit zwischen den
verschiedenen Professionen, z. B. bei der Erstellung der Entwicklungsberichte sowie bei den
Hilfeplangesprächen. Der Hilfeplan weist durch das Jugendamt einen klaren Auftrag zu den
einzelnen notwendigen Therapieformen aus (welche Professionen mit welchen Zeitanteilen).
2.2.3 Qualitätssicherung durch Entwicklungsbericht:
Erforderlich ist ein vom Leistungserbringer mindestens halbjährlich verfasster
Entwicklungsbericht in nachvollziehbarer schriftlicher Form, der, unabhängig vom Hilfeplan,
dem Jugendamt von Seiten des Leistungserbringers zugesandt wird.
Folgende Aspekte sollten enthalten sein:
2.2.4
Daten des Kindes/Jugendlichen, aktuelle Schulform und Klassenangabe;
Darstellungen der Entwicklungen durch die einzelnen Professionen im
Berichtszeitraum, insbesondere in Bezug auf die seelische Behinderung;
Schwerpunkte aus dem aktuellen Hilfebedarf für die weitere Zusammenarbeit mit
dem Kind/Jugendlichen;
Beschreibung der Zusammenarbeit zwischen den Eltern, der Schule und den
weiteren Therapeuten;
mit Verlauf des Hilfeprozesses, Aussagen zur Perspektive des Kindes/Jugendlichen
Mindestanforderungen an zu belegende Einrichtungen gem. § 35a i. V. m.
§ 34 SGB VIII:
Gem. § 35a (4) SGB VIII sind Einrichtungen zu belegen, die geeignet sind, sowohl die
Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken,
d. h. Anforderungen an Einrichtungen gem. § 34 SGB VIII gelten fortlaufend. Hinzu benötigt
es aufgrund der vorliegenden Hilfebedarfe der Zielgruppen folgende Besonderheiten als
Mindeststandards:
-
In den stationären Einrichtungen sollten zielgruppenspezifisch ausgerichtete,
verschiedene Professionen vorhanden sein:
o Jeweils mindestens ein/e Sozialpädagoge/-in sowie ein/e Heilpädagoge/-in,
o ein/e Psychologe/-in (ggf. auf Honorarbasis), um für aktuelle Entwicklungen oder
in Krisensituationen für die Einrichtung zeitnah Ansprechpartner zu sein sowie um
zeitnah psychologisch auf das Kind/den Jugendlichen einwirken zu können.
-
Ergänzend je nach Zielgruppe sollten z. B. folgende zusätzliche therapeutische
Angebote verfügbar sein (ggf. mit entsprechender Begründung über zusätzliche
Fachleistungsstunden zu leisten):
o Ergotherapie
o Kunst-/Tanz-/Musiktherapie
o Diätassistenz
o Arbeits-/Sozialtherapie
o Reittherapie
-
Die Verbindung von pädagogischer und therapeutischer Arbeit ist notwendig.
-
Erforderlich ist ein mindestens halbjährig verfasster Entwicklungsbericht in
nachvollziehbarer schriftlicher Form, welcher, unabhängig vom Hilfeplan, an das
Jugendamt gesendet wird.
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Stand: September 2010
2.2.5 Mitwirkungspflicht gem. § 66 SGB I:
Für eine gewinnbringende Hilfegewährung ist die Mitwirkung der Sorgeberechtigten sowie
des Kindes/Jugendlichen im Sinne der §§ 60, 61, 62 und 66 SGB I sowie § 36 SGB VIII von
ausschlaggebender Bedeutung.
3. Verwaltungsverfahren
In der Regel wird innerhalb von 4 Wochen nach Eingang der vollständigen
Antragsunterlagen sowie des Antrages der entsprechende Hilfebescheid erlassen.
Die Festlegung des Stundenumfanges und/oder der Laufzeit der Hilfe erfolgt in der
Teamberatung.
Eine Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII in Form einer Lerntherapie sollte die Laufzeit
von 2 Jahren oder einen Stundenpool von 100 nicht überschreiten.
Im angezeigten Ausnahmefall erfolgt eine erneute Hilfebedarfsplanung inklusive
Begutachtung des Kindes/Jugendlichen, siehe Punkt 2.1.1, sowie eine erneute
Teamentscheidung.
Dieses Papier ist ein amtsinternes Arbeitspapier als Grundlage zur Fallbearbeitung,
welches Besonderheiten und Ausnahmen offen lässt.
Plauen, den
i. A.
i. A.
Schulz
Dipl. Soz.-päd.
Sozialer Dienst
Rudolph
Dipl. Soz.-päd.
Sozialer Dienst
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