„Mein gutes Recht als Diabetiker“

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„Mein gutes Recht als Diabetiker“
„Mein gutes Recht als Diabetiker“
‐ sozialrechtliche Ansprüche kennen und durchsetzen Referent: RA Lars Müller
www.vdk.de/sachsen
Lars Müller
Chemnitz
29.04.2014
Elisenstraße 12, 09111 Chemnitz
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Gliederung
 Grundsätzliches zum Feststellungsverfahren hinsichtlich des Vorliegens einer Behinderung
 Welche Rechte/Ansprüche leiten sich aus einer Schwerbehinderung ab ?
 Bewertung des Grades der Behinderung bei Diabetes gemäß aktueller Rechtsprechung
 Gibt es einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei Diabetes im Bereich des SGB II bzw. SGB XII?
 Hinweise zur Verordnungsfähigkeit von Blutzuckerteststreifen
 Gibt es einen Anspruch auf Kostenübernahme der Versorgung mit einem Gerät zur kontinuierlichen Blutzuckermessung?
 Rechtsschutzmöglichkeiten in sozialrechtlichen Angelegenheiten
 Kurze Vorstellung des Sozialverbandes VdK
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Grundsätzliches zur Feststellung einer Behinderung i.S.d § 2 SGB IX
Antragstellung  beim zuständigen Sozialamt des Landkreises bzw. kreisfreien Stadt
Bewertung
 nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen der Anlage zu §2 der Versorgungsmedizin ‐ VO
Feststellung  ab Grad der Behinderung (GdB) von 20
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Grundsätzliches zur Feststellung einer Behinderung i.S.d. §2 SGB IX
Definition einer Behinderung in §2 I SGB IX:
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
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Grundsätzliches zur Feststellung einer Behinderung •Der GdB kann zwischen 20 und 100 variieren
•Er wird in 10er‐Schritten gestaffelt
•Eine Behinderung ab einem GdB von 50 gilt als Schwerbehinderung
 Möglichkeit der Beantragung eines Schwerbehindertenausweises in den der GdB und gegebenenfalls die entsprechenden Merkzeichen eingetragen werden.
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Grundsätzliches zur Feststellung einer Behinderung • Beispielsfall:
Herrn X wurden folgende Einzel – GdB zuerkannt:
Diabetes:
Depression: Tinnitus:
Herzleistungsschwäche:
GdB 40
GdB 30
GdB 20
GdB 10
Gesamt:
GdB 50
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Grundsätzliches zur Feststellung einer Behinderung • Was sind die wichtigsten rechtlichen Folgen/Ansprüche, die aus einer anerkannten Schwerbehinderung erwachsen?
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Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen nach § 85 SGB IX
 wirksame Kündigung nur nach vorheriger Zustimmung durch das Integrationsamt  ordentliche und außerordentliche Kündigung sowie die Änderungskündigung.
 auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Mitarbeiters bei Gewährung einer Rente wegen Berufs‐ bzw. Erwerbsunfähigkeit auf Zeit sowie teilweiser oder voller Erwerbsminderung auf Zeit
 Es besteht die Möglichkeit der Gleichstellung ab GdB 30 durch Beantragung beim Arbeitsamt (setzt Arbeitsplatz‐ oder
Eingliederungsgefährdung voraus) !
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Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 SGB IX
Schwerbehinderte Menschen erhalten einen Zusatzurlaub von einer Arbeitswoche im Jahr
 5‐Tage Woche  5 Tage Zusatzurlaub
 4‐Tage Woche  4 Tage Zusatzurlaub
 nicht aber bei Gleichstellung ‐ behinderte Menschen mit einem GdB von 30 oder 40
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Anspruch auf Altersrente für Schwerbehinderte Menschen
• Mit einem GdB von wenigstens 50 ist man ggf. berechtigt eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch zu nehmen
• Einzige Altersrentenart die die Jahrgänge ab Geburtsjahr 1952 mit unter 63 in Anspruch nehmen können (10,8% Abschlag)
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Die Bewertung des Grades der Behinderung
bei Diabetes  Geregelt in Nr. 15.1. der Anlage zu §2 der Versorgungsmedizin‐VO, Teil B • Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt 0.
• Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 20.
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Die Bewertung des Grades der Behinderung
bei Diabetes • Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie ein Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwandes und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt GdB 30 – 40.
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Die Bewertung des Grades der Behinderung
bei Diabetes •
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens 4 Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden aufgrund des Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckermessungen und Insulindosen (bzw. Insulinabgaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdB beträgt 50. •
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdB – Werte bedingen.
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Die Bewertung des Grades der Behinderung bei Diabetes
Bundessozialgericht ‐ B 9 SB 2/12 R ‐ Urteil vom 25.10.2012:
• Für einen Grad der Behinderung von 50 reicht es nach Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin‐Verordnung bei Diabetes Mellitus nicht aus, dass eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchgeführt wird, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit von den dort genannten Kriterien selbstständig variiert werden muss; vielmehr muss die betreffende Person durch die Auswirkungen des Diabetes Mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein.
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Die Bewertung des Grades der Behinderung
bei Diabetes • Von zentraler Bedeutung ist also die Frage, wann man in seiner Lebensführung durch den Diabetes erheblich beeinträchtigt ist
• Noch vieles ungeklärt und wird durch entsprechende Rechtsprechung ausgefüllt werden müssen
• Am BSG anhängige Rechtsfrage dazu zur Zeit unter B 9 SB 2/13 R:
Reichen gravierende Auswirkungen des Diabetes in nur einem Lebensbereich (hier Beruf: Leitungsfunktion mit Dienstreiseverpflichtungen durch Diabetes erheblich erschwert ) aus, um eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung annehmen zu können? www.vdk.de/sachsen
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Die Bewertung des Grades der Behinderung
bei Diabetes • Sekundärerkrankungen bei Diabetes ( bspw. Polyneuropathie, Schädigungen der Augen) werden jeweils gesondert nach den Regelungen der VersMedVO für diese Erkrankungen bei der Bewertung des GdB berücksichtigt
• Kinder mit Diabetes haben bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres einen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens „H“ (unentgeltliche Beförderung im ÖPNV, KFZ‐Steuerbefreiung, Einkommenssteuerpauschbetrag von 3.700€)
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Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung im SGB II oder XII ?
• Urteil des BSG vom 10.05.2011 (Aktz.: B 4 AS 100/10 R) :
 „Die Ernährung mit einer sogenannten Vollkost bei Diabetes Mellitus I und II unterfällt nicht §21 Abs.5 SGB II, da es sich nicht um Krankenkost handelt, auf die die Vorschrift abzielt, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt. Die Vollkost ist jedoch aus der Regelleistung zu bestreiten. Auch insoweit gilt, dass für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, §21 Abs. 5 SGB II kein Auffangtatbestand ist.“
• Gleiches gilt für einen möglichen Mehrbedarf nach §30 Abs.5 SGB XII
• Dies entspricht auch den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge mit Stand 01.10.2008
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Verordnungsfähigkeit von Urin‐ und Blutzuckerteststreifen
• Insulinpflichtige Diabetiker haben prinzipiell Anspruch gegenüber der Krankenkasse auf Kostenübernahme der individuell medizinisch notwendigen Menge an Teststreifen, gemäß §31 Abs.3 SGB V sind die Teststreifen als Arzneimittel auch zuzahlungsfrei
• Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 17.03.2011 beschlossen, dass nicht insulinpflichtigen Typ‐2‐Diabetikern die Teststreifen nur noch in Ausnahmefällen verordnet werden dürfen www.vdk.de/sachsen
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Verordnungsfähigkeit von Urin‐ und Blutzuckerteststreifen
• Ausnahmefälle:
 Instabile Stoffwechsellage bspw. aufgrund akuter anderer Erkrankung (z.Bsp. Infektion) oder durch Ausnahmesituation (Operation, Trauma, ungewöhnliche Lebensumstände)
 Erhöhte Rate von Hypo‐ bzw. Hyperglykämien und/oder einer Hypoglykämie – Wahrnehmungsstörung
 Bei Erstverordnung oder bei Umstellung auf andere Blutzuckermedikamente
• Hier sind (in der Regel) pro Behandlungssituation 50 Teststreifen verordnungsfähig
Schwangerschaftsdiabetes gilt nicht als Typ 2 – Diabetes, daher auch keine Beschränkung der Verordnungsfähigkeit www.vdk.de/sachsen
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Versorgungsanspruch gegenüber der Krankenkasse hinsichtlich eines Gerätes zur kontinuierlichen Blutzuckermessung (CGM‐Real‐Time‐Messgerät)?
• Urteil des SG Stuttgart vom 13.11.2013 (S 23 KR 6965/11), ähnlich auch LSG Berlin‐Brandenburg mit Beschluss vom 27.11.2013 (L 1 KR 265/13 ER):
 Ein Versorgungsanspruch mit einem solchen Gerät nebst sämtlichen Zubehörteilen ist bei medizinischer Erforderlichkeit (sehr schlecht einstellbarer Stoffwechsel) möglich
 Einem solchen Anspruch steht auch nicht entgegen, dass der Gemeinsame BA keine Empfehlung abgegeben hat, da die kontinuierliche Glukosemessung nicht als neue Behandlungsmethode zu qualifizieren ist, daher greift der Erlaubnisvorbehalt durch den GBA nicht
 Auch die fehlende Listung im Hilfsmittelverzeichnis steht einem Anspruch nicht entgegen – das Verzeichnis ist nicht rechtsverbindlich (Urteil des BSG vom 29.09.1997)
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Rechtsschutzmöglichkeiten
o Widerspruch gegen Bescheid
o Klage zum Sozialgericht gegen Widerspruchsbescheid
o Berufung gegen Urteil/Gerichtsbescheid zum Sächsischen
Landessozialgericht
o Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht
o Überprüfungsantrag bei Behörde fristunabhängig immer möglich
 Keine Verfahrenskosten/Kosten der Gegenseite und kein
Anwaltszwang (erst am Bundessozialgericht) !
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 gemeinnütziger Verein, gegründet 1990
 politisch und konfessionell ungebunden
 Rund 17.000 Mitglieder in Sachsen, organisiert in ca. 80 Ortsverbänden
 anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und Behindertenhilfe seit 1993
 Sozialverband VdK Deutschland: größter Sozialverband mit mehr als 1,6 Mio. Mitgliedern in Deutschland
 Übernahme der Rechtsvertretung für unsere Mitglieder durch alle Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit möglich
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Haben Sie noch Fragen?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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