Indischer Ozean (PDF 2 mb) - personal
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Unterwegs zwischen Mauritius, La Réunion und den Seychellen Text und Fotos: Annette Lepple Wer träumt nicht von einsamen Palmenstränden, Dschungel-Exotik, türkisfarbener See mit bunten Korallenriffen? Von frischem Fisch, leckeren Früchten und kühlen Getränken in der Hängematte? – Annette und Jörg Lepple verwirklichen diesen Traum. Interessante Begegnungen, abenteuerliche Exkursionen und eine Handvoll Piraten machen ihre Reise unvergesslich. A ngefangen hat es mit der Sehnsucht nach Blau, Türkis, Smaragd – den intensiven Farben, in denen der Indische Ozean zu schillern vermag. In dieses Meer wollten wir eintauchen, mit Schildkröten und Fischen schwimmen, süsse Früchte naschen und köstliche Meeresfrüchte grillen. Da mein Mann und ich nicht für Pauschalreisen und tagelanges Rösten am Strand geschaffen sind, stellten wir uns diese Reise ganz anders vor. Wir wollten die Inseln überwiegend in eigener Regie erforschen, hatten aber keine konkrete Vorstellung, wie wir von einem Eiland zum anderen hüpfen würden. Da 56 GLOBETROTTER-MAGAZIN herbst 2013 erzählten uns Freunde von einem Schiff, das nur eine kleine Anzahl Passagiere aufnimmt. Das wendig genug ist, um problemlos auch die kleinen Inseln anzusteuern, deren Anlegestelle oftmals nur aus einem Haufen Steine besteht. Die Idee nahm Gestalt an, und nach Stunden voller Vorfreude über Karten und Globus gebeugt, stand fest: Unsere Reise sollte in Mauritius beginnen und via Réunion, Madagaskar und dem Aldabra-Atoll zu den Seychellen führen. Feuchte Landung. Es ist März, die Luft wie im Treibhaus. In der Hitze verfliesst die Landschaft ins Schemenhafte. Auf Mauritius, dem «Land des Lächelns» und der «Perle im Indischen Ozean», ist Regenzeit. Abdu, unser Taxifahrer, lächelt uns blasse, schwitzende Europäer mitleidig an. Auch er wirkt nicht ganz taufrisch, in seinem bunten Hemd aber definitiv cooler als wir. Abdu ist Mohammedaner und eine Frohnatur. «Stimmt es, dass die Menschen bei euch in Europa so frustriert sind?», fragt er und zwinkert uns im Rückspiegel zu. Ein Kumpel habe mal eine Weile in Europa gearbeitet. «Er war ja so froh, als er wieder hier war. – Bestimmt liegt es am Mangel an Sonne», schliesst er mit philosophischem Kopfnicken. Nahe der Blue Bay haben wir uns für zehn Tage bei Gérard und Nicole eingemietet. Die schlichte Unterkunft liegt an einem einsamen Sandstrand, von dem aus wir sogleich in die warmen Fluten tauchen. Erleichtert stellen wir INDIscher ozean fest, dass die Farben wirklich so schillernd sind, wie wir sie uns vorgestellt haben. Unsere Vermieter sind hilfsbereit und humorvoll. Mittlerweile pensioniert – sie war Lehrerin, er exportierte Obst –, geniessen sie ihr Leben an diesem scheinbar unberührten Fleckchen. Gérard hätte auch Komiker werden können, so oft wie er uns noch zum Lachen bringt. Schnell gewöhnen wir uns an die anderen Mitbewohner: Ameisen, die ihr Quartier in der Küche aufschlagen, Geckos, die sich nach dem Kochen den Bauch am Brenner des Gasherdes wärmen, und bunte Vögel, die uns auf der Terrasse Gesellschaft leisten. Etwas Mühe macht uns die Hitze. Es fühlt sich an, als liefen wir den ganzen Tag gegen ein feuchtes Handtuch. Ge- í Naturkunstwerk. Die Seychellen sind bekannt für die besonderen Granitfelsen. Belebte Hauptstadt. Port Louis schmiegt sich direkt an Mauritius’ Küste. waschene Haare trocknen nicht. Nachts wälzen wir uns schlaflos im Bett, während es draussen aus Kübeln schüttet – zum Glück fällt der tropische Regen vor allem nachts –, oft von Blitz und Donner begleitet. Die Klimaanlage bringt zwar die ersehnte trockene, kühle Luft, wird aber von stetem Rattern begleitet. Gaumenfreuden und Affentrubel. Kulinarisch fühlen wir uns wie im Schlaraffenland. Ein Obst- und Gemüsehändler kommt jeden Tag am Haus vorbei. Sein Moped ist über und über mit Körben, Kisten und Tüten beladen. Nie haben wir mit Gusto so viel Obst gegessen: Mangos, Ananas, Bananen, Passionsfrüchte von unbeschreiblicher Süsse und Geschmack. Kein Vergleich mit den Früchten, die man uns zu Hause unter denselben Namen andreht. Problemlos könnte ich zur Vegetarierin werden, wenn es nicht diese köstlichen Fische und Krustentiere gäbe, die direkt am Strand verkauft werden – frischer geht es nicht. 57 ì ê êê î Naturwunder. Die Blätter der AmazonasWasserlilien muten wie übergrosse Teller an. Hauslieferdienst. Überbeladen mit köstlich frischem Obst und Gemüse kommt der Händler in Mauritius bis vor die Haustüre. 100 Meter freier Fall. Der höchste Wasserfall Réunions liegt bei Chamarel. Haus mit Aussicht. Auf Mauritius. Schwimmendes Heim. Familiäre Atmosphäre kommt auf dank kleinem Kreuzfahrtschiff. Da es sich als schwierig erweist, Mauritius mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erkunden, mieten wir ein Auto. So können wir die 2000 Quadratkilometer grosse, übersichtliche Insel gemütlich Stück für Stück entdecken. Im be- 58 liebten Norden herrscht grosser Rummel, die Küste ist mit Hotels zugepflastert. Dennoch lassen wir uns nicht abschrecken und besuchen nahe Port Louis den fantastischen Botanischen Garten Pamplemousse, in dem die Zeit unter schattigen Palmen und gigantischen Bäumen im Nu verfliegt. Lotusblumen wachsen in üppiger Menge am Ufer der Teiche, und die Blätter der Amazonas-Wasserlilien schwimmen wie überdimensionierte Teller auf dem Wasser. Palmen mit leuchtend roter, glatter oder abschilfernder Rinde, mit feinen und groben Wedeln – die ganze Sammlung ist in ihrer Farb- und Formenvielfalt faszinierend. An den übrigen Tagen erkunden wir den Osten und den kontraststarken Süden der Insel: Zuckerrohrplantagen, schroffe Felsküsten mit bizarren Basaltformationen, urige Klippen, an denen die Brandung für mystische Lichteffekte und dramatische Wasserfontänen sorgt, Urwaldvegetation im Black-River-GorgeNationalpark und traumhafte, einsame Sandstrände wechseln sich ab. Bei einem Ausflug zu den Alexandra Falls stossen wir auf ein Affenrudel. Das Familienoberhaupt zeigt sich streitlustig und macht Anstalten, uns zu attackieren. Von Jörgs Kommunikationsversuchen bleibt es unbeeindruckt – zum Glück kommt es nicht zur Konfrontation. Durch dichte Vegetation gehen wir auf einem schmalen Pfad bis zum Aussichtspunkt, an dem sich ein kleiner Bach in die Tiefe ergiesst. Im Anschluss besuchen wir noch den höchsten – und wahrlich beeindruckendsten – Wasserfall der Insel in Chamarel, wo sich auch die «Coloured Earths», ein einmaliges, von verschiedenartigen Mineralien verursachtes Farbspektakel, befindet. Die bunten Hügel schmiegen sich harmonisch in die sattgrüne Vegetation. Wir können uns nur schwer von dem Anblick losreissen. Auf unseren Touren fallen uns an fast jeder Ecke verschiedenste Tempel und Schreine auf. Mauritius hat eine bewegte Geschichte: Araber, Holländer, Franzosen und Briten, Einwanderer und Sklaven aus Afrika und Asien – alle trugen ihren Teil zum bestehenden Multikulti bei. Die ethnische Vielfalt ist somit nicht nur verantwortlich für religiöse Stätten aller Couleur, sondern auch für zahlreiche Feste und Zeremonien. Die französische Kolonialzeit jedoch prägte Lebensstil und Gesellschaft am Stärksten. Zweimal gerettet. Am vorletzten Tag machen wir spontan einen botanisch motivierten Abstecher ins Unterholz. Von fern erspähen wir ein dschungelartiges Wäldchen mit vielversprechenden Bäumen. Als neugierige Botanikerin habe ich uns schon so manches Mal in eine brisante Situation gebracht. Es erstaunt uns somit nicht weiter, als das Auto plötzlich rumpelt: Reifenpanne! Spitze Dornen zieren den Pneu. Zu unserem Schrecken stellen wir fest, dass das Ersatzrad fehlt. Es ist drückend heiss, der nächste Ort schätzungsweise 20 Kilometer entfernt. So beschliessen wir, erst einmal im Schatten abzuwarten. Und tatsächlich, wie durch ein Wunder kommt nach einer Stunde ein Auto durch diese Einöde. Der Mann hat eben seinen Sohn am Strand abgeliefert, wo er sich mit Freunden zum Kitesurfen trifft – Drachen sei Dank! Sanjay ist ein Geschenk des Himmels. Er lebt in einem kleinen Dorf in der Nähe. Spontan lädt er uns zu sich nach Hause ein, wo uns seine Frau Aadya süsses Gebäck mit Nüssen und Kokos und Chai kredenzt, während Kasi, der älteste Sohn, sich um das Schicksal des kaputen Reifens kümmert. Zwei kleine Mädchen spielen im Hof mit einer mageren Katze und kichern hinter vorgehaltener Hand. Auf der Bank im Schatten eines kitschigen Schreins schläft ein Alter mit offenem Mund, den Sanjay als seinen Vater vorstellt. Im Haus kämpfen kitschige Altare, Figuren, Nippes und ein riesiger Flachbildschirm, der lautstark von einer Pilgerfahrt berichtet, um unsere Aufmerksamkeit. Nach einer Weile bringt Kasi den geflickten Reifen, und wir werden mit Winken und fröhlichen Rufen verabschiedet. Die selbstlose Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft berührt uns tief. Nach der Montage des Reifens fahren wir erleichtert zurück zu unserer Unterkunft. Langsam geht unsere Mauritius-Zeit zu Ende. Am letzten Tag paddeln wir mit dem Kajak bei uns «Daheim» dem Ufer entlang, als wir von einer starken Strö- indischer ozean è Coloured Earths. Das Naturphänomen leuchtet farbig in sattgrüner Umgebung. Lavawüste. Blick über den Kraterrand der inneren Caldera beim Piton de la Fournaise. mung erfasst werden. Schnurstracks trägt sie uns ins offene Meer. Verzweiflung und regelrechte Todesangst verleihen uns ungeahnte Kräfte, aber nicht genug, um der Gewalt des Meeres zu entrinnen. Immer näher werden wir Richtung Korallenriff getragen, das unsere Bucht vor dem heftigen Seegang schützt. Täglich hatten wir die hohen Wellen aus der Ferne bewundert. Sollten wir nun Gelegenheit haben, das Riff persönlich zu inspizieren? – Darauf würden wir gerne verzichten. In unserer Not kommt plötzlich ein Motorboot angebraust, ein Seil fliegt durch die Luft. Wir greifen zu, und sofort gewinnen wir Abstand zum bedrohlichen Riff und dem offenen Meer. Armand, unser Retter, schipperte zufällig vorbei, erkannte sofort unsere missliche Lage und half ohne Zögern. Für heute haben wir das Glück genug herausgefordert. Schweissgebadet und gestresst legen wir zu Hause an und erzählen Gérard von unserem Abenteuer. «Ja habt ihr denn ein Rad ab?», sagt er in brüchigem Deutsch und fuchtelt aufgeregt mit den Armen. – Der einzige Satz, der sich ihm auf seinen Deutschlandreisen eingeprägt hat. Erleichtert, den Haien entkommen zu sein, gehen wir in der sicheren Bucht schnorcheln und geniessen ein letztes Mal die einzigartige Unterwasserwelt Mauritius’. Frankreich en miniature. Etwas traurig fahren wir anderntags nach Port Louis, um das Schiff zu besteigen, das für die nächsten zehn Tage unser Zuhause sein wird. Insgesamt sind wir nur 50 Passagiere, so entwickelt sich flugs eine familiäre, heimelige Atmosphäre. Viele der Mitreisenden aus aller Welt sind nicht zum ersten Mal auf diesem Kahn. Als sie erfahren, dass «unser» Schiff verkauft wurde und dies seine letzte Fahrt sein wird, ist die Stimmung anfangs etwas betrübt. Für Jörg und mich heisst es dennoch: Das Abenteuer geht weiter! Schon am ersten Abend auf See begleiten uns Pottwale. Ein gutes Omen! Am Morgen legen wir in Pointe des Galets an, wo wir zwei Tage lang ankern. Réunion ge- hört wie Mauritius zu den Maskarenen und entstand vor rund drei Millionen Jahren aufgrund vulkanischer Aktivität. Zwei Gebirge mit eindrücklichen Gipfeln prägen die Landschaft: dem über 3000 Meter hohen Piton des Neiges und dem Piton de la Fournaise mit 2510 Höhenmetern, welcher zu den aktivsten Vulkanen unserer Erde zählt. Die «Cirques» – eingestürzte Talkessel – um den Piton des Neiges herum zählen zu den Hauptattraktionen der Insel. Schwimmen und Schnorcheln schminken wir uns gleich ab: Als wir uns im kühlen Nass erfrischen wollen, bemerken wir gerade recht herbst 2013 GLOBETROTTER-MAGAZIN 59 zeitig, dass der Meeresgrund über und über mit Seeigeln bedeckt ist. Mit denen wollen wir nicht auf Tuchfühlung gehen. So brechen wir zu einer Wanderung um den Piton de la Fournaise auf. Auf der Fahrt über die Insel kommen wir durch saftiggrüne Wiesen mit zufrieden kauenden Kühen und an hübschen Häusern vorbei – ein Bild, das uns ans Allgäu erinnert. Auf den ersten Blick wirkt die Vulkanladschaft um den Gipfel wie eine lebensfeindliche Mondlandschaft. Bei genauem Hinsehen erweisen sich Flora und Fauna als erstaunlich artenreich. Doch trotz Regenwäldern mit wilden Schluchten und ursprünglichen Wasserfällen haben viele endemische Tierarten den Einfluss der Menschen teuer bezahlt und können nur mehr im Museum betrachtet werden. Beim kreolischen Lunch, einem Linsen-Fisch-Hühner-Curry, geniessen wir die Aussicht auf Berge, Wiesen und die Küste. Im Restaurant treffen wir ein skurriles Pärchen: Jean-Christophe und Rita, die ihren Lebensunterhalt als Fremdenführer verdienen. Die förmliche, ernst wirkende Hamburgerin verliebte sich vor zehn Jahren in den quirligen, hageren, stets anzügliche Witze reissenden Réunionnais und blieb. Gegensätze ziehen sich offensichtlich an. «Hier mangelt es uns an nichts», meint Rita «…eigentlich ist es wie in Europa, nur das Wetter ist besser.» Da wir uns gut verstehen und sie einige Tage frei haben, begleiten uns die beiden am nächsten Tag zum Cirque de Salazie im Osten der Insel, einem spektakulären Talkessel mit Wasserfällen. Die wuchernde Vegetation lässt auf starke Niederschläge schliessen. Unsere Guides verbinden noch etwas anderes mit diesem Ort, denn hier geriet Rita bei ihrer ersten Wanderung auf der Insel in ein Unwetter und kam vom Weg ab. Zum Glück gab es ein Happy End in Form von Jean-Christophe, der die Suche nach der Vermissten leitete. Die Dörfer sind verschlafen und auf liebenswerte Art französisch. In einem Strassencafé geniessen wir zu guter Letzt knusprige Croissants und Café au Lait. Schade, dass wir schon morgen ablegen… 60 GLOBETROTTER-MAGAZIN herbst 2013 Tierparadies. Die Inseln im Indischen Ozean sind Lebensraum so mancher Spezies: Seychellen-Bülbül; Rote Mangrovenkrabbe; Madagaskarweber – nur die Männchen sind knallig bunt; Riesenschildkröte auf dem Aldabra-Atoll; Taggecko. Haie und Piraten. Da ein Besuch Madagaskars wegen politischer Unruhen derzeit zu riskant ist, nehmen wir direkt Kurs auf Aldabra, die südwestlichste Seychellen-Insel. Für die Überfahrt verbringen wir zwei beschauliche Tage an Bord. Zum Glück ist die See ruhig. Kreischende Seevögel begleiten unser Schiff. Die Zeit verbringen wir mit Vogelbeobachtung, Lesen, Dösen. Nachmittags gibt es Vorträge über Politik, Flora und Fauna. Unser Freund Chris, ein Wissenschaftler, lebte ein Jahr lang auf Aldabra und schwärmt uns bisweilen von seiner «Robinson-CrusoePhase» vor, als er im Lendenschurz Fische fing und mit Kollegen einfach eine gute Zeit verbrachte. Das Atoll, bestehend aus vier Hauptinseln, erstreckt sich über 32 Kilometer und ist das am höchsten gewachsene Korallenatoll der Welt. Die Koralleninseln umschliessen eine türkisfarbene Lagune, die über mehrere Zuflüsse gespeist wird. Bei der Überfahrt zur Hauptinsel Picard, wo sich eine Forschungsstation befindet, taucht eine grüne Meeresschildkröte unter unserem Schlauchboot durch. So träge sie an Land wirken, so sehr überrascht mich ihre Schnelligkeit im Wasser. Etwa 2500 dieser wundersamen Tiere kommen alljährlich für die Eiablage nach Aldabra. Ihre Verwandten, die Riesenschildkröten, haben hier ebenfalls ein behütetes Zuhause gefunden: Circa 100 000 Tiere leben auf den einsamen Eilanden, einer ihrer letzten Zufluchtsorte. Ihr zutrauliches, gemächliches Wesen wurde ihnen einst zum Verhängnis, als Seefahrer sie lebend auf Schiffen mitführten und zu Suppe verarbeiteten. Auf unserem Rundgang am Strand entlang zur Südspitze treffen wir etliche der gutmütigen Riesen. Seychellen-Fledermäuse schaukeln unbekümmert in den Ästen und widmen sich ihrer nachmittäglichen Toilette. Auch die Weisskehlralle, der letzte überlebende flugunfähige Vogel des Indischen Ozeans, sowie 40 endemische Pflanzenarten gibt es auf dem Atoll. Mit einem der Wissenschaftler machen wir eine Bootsfahrt in die Lagune, ein einzigartiges Ökosystem, über das er uns Spannendes zu erzählen weiss. Wir können freche Fregattvögel – an die 10 000 dieser Vogelpaare leben hier – und Fische aller Art beobachten. Beim Schnorcheln vor dem Atoll sehen wir zwar einige Fische, aber heftiger Wellengang macht diese Unternehmung zu einer eher trüben Angelegenheit. Trotzdem sind sie auszumachen: die zahlreichen Zitronen- und Riffhaie, die mit messerscharfen Blicken um indischer ozean INFOS&TIPPS MAUR I T I U S / L A R É UNI ON / SEYCHEL L EN Mauritius / La Réunion / Seychellen | Generell sind die Inselstaaten keine Billigreiseziele. Alle Hauptinseln sind per Flugzeug erreichbar. Einzelne Fähren und Speedboats verkehren zwischen den Seychellen-Inseln. Es besteht eine Fährverbindung zwischen La Réunion und Mauritius. Um alle Inseln miteinander zu verbinden, muss man eine Kreuzfahrt buchen oder das Flugzeug nehmen. Staatsform | Der Staat Mauritius besteht aus zwei grossen und mehreren kleineren CURIEUSE Inseln. Die Hauptstadt Port Louis liegt auf der grössten Insel Mauritius selbst. Réunion ALDABRA PRASLIN ist ein französisches Übersee-Departement (gehört zur EU), Hauptstadt ist Saint-Denis. ASSOMPTION Die Republik Seychellen ist ein Inselstaat und besteht aus 115 Inseln, Hauptstadt ist S E Y C H E L L E Victoria auf der Hauptinsel Mahé. N Victoria Amtssprachen | Englisch. Französisch und Kreol sind jedoch häufiger zu hören. MAHÉ Offiziell Französisch, es wird aber mehr Kreolisch gesprochen. Seychellenkreol, Französisch und Englisch. Religion | 50% der Bevölkerung gehören dem Hinduismus an, 32,5% dem Christentum und 17% sind Muslime. 86% römisch-katholische Christen, Rest Hindus, Muslime und Buddhisten. 82,3% römisch-katholische Christen, 6,4% Anglikaner, 5,2% Hindus, Muslime, Adventisten und Bahai. MADAGASKAR Klima | Ganzjährig sehr warm. Der Norden ist relativ regenarm, der Süden hingegen eher feucht. Zwischen Port Louis November und März/April können Saint-Denis Zyklone auftreten. Pro Jahr gibt es MAURITIUS etwa 3–5 Wirbelstürme. Generell LA RÉUNION tropisch und feucht. Eté austral: Mitte November bis Ende April heiss und regnerisch (auch Wirbelsturmsaison), ran, immer Ruhe zu bewahren. hiver austral: Mai bis Mitte November trockener Wir lichten baldmöglichst den und kühler. Besonderheit: 200 verschiedene Anker.» Vielleicht liegt es an den Mikroklimata. Tropisches Inselklima, das vom Aufregungen des Tages, dass wir Monsun bestimmt wird: Dezember bis März trotz allem in einen tiefen Schlaf Nordwest-Monsun. Mai bis September fallen. regenarme, aber stürmische Zeit, schwere Stürme sind selten. Stets mehr als 80 Prozent Der grösste Samen der Welt. Luftfeuchtigkeit. Alle sind erleichtert, dass die Verkehrsmittel | Busse halten auch irgendwo am Strassenrand, einfach winken. Der Preis richtet Nacht ereignislos verlaufen ist sich nach dem Ziel. Nachteil ist, dass man nicht weiss, wann die Busse tatsächlich fahren, und es und wir ungeschoren davonkomschwer zu erkennen ist, wohin sie fahren, abends nur bis etwa 18 Uhr. Alternativen sind Taxis oder ein men. Von der Yacht ist keine Spur Mietauto. Mietauto oder Taxi, um an die Sehenswürdigkeiten zu gelangen. Busnetz, das die zu sehen. In den Nachrichten bewichtigsten Ortschaften miteinander verbindet. Preisgünstigste Variante sind Minibusse Es fahren richten sie von einer horrenden Busse, jede Fahrt kostet distanzunabhängig 3 Rupies. Das Streckennetz ist sternförmig auf Victoria Lösegeldforderung. Beim Frühzugeschnitten. Autos können gemietet werden. stück wird heftig spekuliert und Unterkunft | Auf den meisten Inseln, auf denen es Tourismus hat, gibt es Luxusresorts, Hotels diskutiert. Ein paar Helden schilverschiedener Sterne-Klassen, einfache private Unterkünfte und Ferienwohnungen zur Selbstver dern, wie sie die Piraten im Fall sorgung. Campen ist an allen Destinationen verboten. eines Überfalls überwältigt hätWebpages | www.maurinet.com www.reunion-urlaub.com; www.reunion.fr/de ten. Ein Segen, wenn man in den www.seychellen-guide.de; www.natureseychelles.org richtigen Händen ist… Buchtipp | «Mauritius, Réunion and Seychelles», Lonely Planet Verlag, 2010, ISBN 978-1-74179-167-9 uns herumflitzen und mulmige Gefühle in uns wecken. Man versichert uns, sie seien ungefährlich und die Seychellen ein sicheres Schnorchel- und Taucherparadies. Während meiner späteren Recherche treten jedoch Fakten zutage, bei denen sich nachträglich Dankbarkeit in uns breit macht, dass nichts passierte. Gerne würden wir länger in dieser faszinierenden Welt bleiben, aber Besuche auf dem Atoll sind streng limitiert. Nicht nur die Tiere wollen ihren Frieden, auch die hier ansässigen Forscher sind nicht unglücklich, wenn die Anker der Touristenboote gehievt werden. In dieser Nacht bleibt unser Schiff nochmals vor Aldabra. Wir geniessen gerade ein vorzügliches Fischdinner, als plötzlich die Beleuchtung gedämpft wird und John, der erste Offizier, in den Saal geeilt kommt. «Leute, wir müssen leider Verdunkelungsmassnahmen einleiten. Soeben wurde die Yacht nebenan von somalischen Piraten gekapert», erklärt er betont ruhig und gelassen. Unruhe kommt auf. Wir alle erinnern uns gut an die teure Yacht, die bei unserer Ankunft vor dem Atoll lag. «Falls etwas passiert, werden wir euch Anweisungen geben», erklärt John weiter. «Denkt da- Nächstes Ziel ist Assomption, eine trostlos wirkende, kahle Insel mit einer Handvoll Einwohnern im Südosten von Aldabra. Jahrelanger Guanoabbau – Vogelkot, der zu Dünger weiterverarbeitet wird – hat die Vogelwelt kläglich reduziert. Aber das Riff ist ein Traum und unbestrittener Schnorchel-Hotspot unserer Reise. Stundenlang paddeln wir selig im kristallklaren Wasser und können nicht genug bekommen vom Farben- und Formenreichtum des Riffs und seiner Bewohner. Fischschwärme nehmen uns in ihre Mitte und mustern uns neugierig: Mit unseren neonfarbenen Brillen und dilettantischen Flossen wirken wir wohl sehr exotisch. Haie sehen wir nicht, dafür nähern sich 61 Für die letzten zehn Tage mieten wir eine kleine Wohnung bei Anse Royale im Süden Mahés. Die Unterkunft ist gepflegt und liegt inmitten eines tropischen Gartens mit bunten Blüten und englischem Rasen. Nektarvögel flattern durchs Gebüsch. Sylvia, die Vermieterin, kommt ursprünglich aus der Schweiz und ist mit Jim, einem Seychellois verheiratet. Munter plappernd dreht sie mehrmals täglich ihre Runden auf dem Grundstück, die Giftdose im Anschlag, um der hartnäckigen Invasion von Ameisen und Co. entgegenzutreten. Die Nachbarin, angeblich eine «böse Hexe», macht jeden Tag ein Feuer, auf dem sie Müll aller Art verbrennt, was Sylvia immer wieder aufs Neue erzürnt und uns temporär Aussicht und Atem nimmt. drei grosse Rochen elegant wie Balletteusen und vergraben sich blitzschnell im Sand, bis nur noch ihre gefährlichen Stachel zu sehen sind. Weiter gehts nach Praslin, Heimat der Seychellen-Palme. Diese Fächerpalme gibt es nur auf den Seychellen-Inseln Praslin und Curieuse. Sie bildet die grössten Samen des Pflanzenreiches – die Coco de Mer. Jene ist nicht zuletzt wegen ihrer erotischen Form, die dem Unterleib einer Frau ähnelt, ein beliebtes Souvenir. Eine Palme produziert pro Jahr meist nur eine der rund 45 Kilogramm schweren Früchte – eine Frucht kann mehrere Samen beinhalten –, deren Reifeprozess bis zu sieben Jahren dauert. Das erklärt den stattlichen Preis von bis zu 2000 Seychellen-Rupien (rund 120 Euro) für einen Samen. Der Verkauf ist streng reglementiert: Nur vom Umweltministerium kontrollierte Exemplare mit offizieller Nummer dürfen veräussert werden. Als wir durch das von UNESCO zum Weltnaturerbe erklärte Vallée de Mai spazieren, fühlen wir uns wie Dschungelforscher im dunklen, feuchten Palmenwald. Nur ab und zu blitzt das Licht durch einen Spalt im dichten Blätterdach. Geckos huschen über die fleischigen Blätter, Papageie krächzen aus den oberen Etagen und rufen uns in Erinnerung, dass es da draussen, ausserhalb unseres Kokons, noch Leben gibt. Im 19. Jahrhundert verglich der britische General Gordon das Tal bei seinem ersten Besuch mit dem Garten Eden. Dann ist vielleicht die Coco de Mer die verbotene Frucht? Auf jeden Fall ranken sich genügend Mythen um sie. Ausklang auf Mahé. Als letzte Station steuert unser Schiff Mahé an. Wehmütig verlassen wir das schwimmende Zuhause, welches uns treu durch die unendliche Weite des Meeres getragen hat, und verabschieden unsere neuen Bekannten, mit denen wir zu einer grossen Familie zusammengewachsen sind. Nun sind wir wieder auf uns gestellt. 62 GLOBETROTTER-MAGAZIN herbst 2013 é ë ì ê Fantasieanregend. Ein Spaziergang durch das Vallée de Mai auf der Insel Praslin. Seychellois. Die Inselbevölkerung stammt von verschiedenen Völkern und Kulturen ab. Zu Ehren Queen Victorias. Der englische Uhrturm in Victoria, der Hauptstadt. Reichhaltig. Leckere exotische Fische sind günstig am Strassenrand zu kaufen. Auch Jim macht seine Runden im Garten. Einmal erschlägt er eine harmlose Schlange und hält sie uns stolz unter die Nase. Er kann unser Entsetzen nicht nachvollziehen, schliesslich sorgt er nur für unsere Sicherheit. – Doch giftige Schlangen gibt es auf den Seychellen nicht. Fast 90 Prozent aller Seychellois leben auf Mahé, der grössten Insel des Archipels. Da Mahé auch «Insel des Überflusses» genannt wird, sind wir überrascht, als wir beim Einkaufen auf ein äusserst limitiertes Angebot stossen. Ratlos stehen wir vor einem Berg Knoblauch und begutachten das sonst spärliche Gemüseund Obstangebot. Die letzten Wochen haben uns verwöhnt. Hier gibt es nur die Basics, die vielen Resorts werden wohl direkt beliefert. Ein wenig fühlen wir uns an die DDR erinnert, die damals die kommunistische Einheitspartei der Seychellen unterstützte. Jene ist noch heute – trotz Mehrparteiensystem – an der Macht. Die Pressefreiheit ist eingeschränkt, und man munkelt von Wahlbetrug. Tatsächlich spüren wir eine bedrückende Atmosphäre in der Bevölkerung, die Präsident Michel mit seiner täglich vom Fernsehen ausgestrahlten Propaganda nicht zu bessern vermag. Wir kommen doch noch zu unserem frischen Essen: Am Strassenrand bieten Fischer den Fang des Tages an: exotische, bunte Fische zu günstigen Preisen. Auf Schusters Rappen. Mit einem Mietwagen fahren wir die nur 27 Kilometer lange und 8 Kilometer breite Insel ab. Wir laufen über weichen, goldgelben Sand an wahren Bilderbuchstränden, sind aber froh, schnorchelmässig bereits auf unsere Kosten gekommen zu sein. El Niño hat deutliche Spuren an den Korallenriffen hinterlassen, die sich, wenn überhaupt, nur mühsam erholen. Die Insel entpuppt sich jedoch als Wanderparadies. Die Vegetation ist nahezu unberührt. In den einsamen Regenwäldern findet man faszinierende, endemische Pflanzen, echte Stille und wilde indischer ozean ê Strandidylle. Einer von unzähligen paradiesischen Sandstränden. Weitsicht. Blick über Mahé von einem Gipfel im Morne-Seychellois-Nationalpark. tanischen Garten von Victoria aus. Die Flughunde kümmert das nicht. Scheinbar gut gelaunt schwatzen sie in den Baumwipfeln und fliegen mit grossem Hallo ihre Runden. Die Hitze scheint sie – im Gegensatz zu uns – nicht zu ermüden. Auf dem Markt in Victoria balancieren Fischreiher erwartungsvoll hinter den Ständen. Das Angebot an Fisch ist reich, jenes an Gemüse und Obst aber auch hier mager. Dieses erstehen wir von Leuten, welche die Tagesernte aus ihrem Garten am Strassenrand anbieten: zwei Passionsfrüchte, eine Papaya – glückliche Momente für uns als passionierte Köche und Esser. Aber leider gelingt es uns nicht, den ärmlich aussehenden Gestalten ein Lächeln oder gar Gespräch zu entlocken. Eine völlig neue Erfahrung. Abschied vom Paradies. Jeden Tag fällt die Sonne pünktlich um halb sieben wie ein Stein ins Wasser. Schweissgebadet sitzen wir dann auf dem Balkon und trinken ein Glas schwitzenden Weisswein. Die Geckos sind auf Insektenjagd und «gackern» laut vor sich hin. Eines Abends laden wir unseren Vermieter auf ein Glas Wein ein. Das Gespräch plätschert freundlich vor sich hin, bis ich es auf die Regierung lenke und nach Jims Meinung zur Lage frage. «Ich bin der Meinung, jeder soll vor seiner eigenen Tür kehren», antwortet er mit einem missmutigen Funkeln in seinen dunklen Augen. Das Thema ist somit erledigt. Unser letzter Tag im Paradies fällt auf den Karfreitag. Ein letztes Mal gehen wir auf Wanderschaft und besteigen den 667 Meter hohen Morne Blanc, auf den ein christlicher Pilgerpfad führt. Hunderte einheimischer Pilger haben dieselbe Idee. Langsam schleichen wir auf dem schmalen Pfad hinter ihnen her und warten – als Atheisten – an jeder Leidensstation Christi geduldig, bis sich die Menge wieder in Bewegung setzt. Überholen ist unmöglich. Oben angekommen, belohnt der spektakuläre Ausblick von der Plattform unsere Geduld. Als Erste machen wir uns rasch wieder auf den Rückweg. Die letzte Nacht bricht an. Ein Gekläffe geht los, die Hunde in der Umgebung legen sich kräftig ins Zeug, jeder will der Lauteste sein. In Nachbars Garten schwelt das Müll-Feuer bis in die frühen Morgenstunden. – Die Vertreibung aus dem Paradies ist so leichter zu akzeptieren. Reich an Eindrücken, Gerüchen, Farben und Begegnungen machen wir uns auf die [email protected] reise. © Globetrotter Club, Bern Üppigkeit. Mehrmals wandern wir im MorneSeychellois-Nationalpark im Nordwesten der Insel und sind begeistert. Auf dem Gipfel des Berges Copolia entdecken wir die insektenfressende Kannenblume und eine ein Meter lange, schwarze Schlange. «Sei froh, dass du nicht im Garten unserer Gastgeber wohnst», rufen wir ihr hinterher, als sie sich mit elegantem Schwung davonstiehlt. Der hier beheimatete weltkleinste Frosch, von der Grösse eines Fingernagels, bleibt uns leider verborgen. Auf dem Cassedent-Naturpfad wandern wir im Nebelwald, wo viele Zimtbäume wachsen. Duftende, rotbraune Rinde schilfert in schimmernden Streifen von den Stämmen ab. Das Licht ist schummrig und geheimnisvoll, verfallene Gebäude stehen stumm im Unterholz. Beim 1772 angelegten Gewürzgarten Jardin du Roi ist vor allem der Name königlich. Er ist etwas heruntergekommen, wenngleich die Pflanzenvielfalt grossartig ist. Doch ist die einstige Pracht zu erahnen. Ähnlich sieht es im Bo- 63 Weitere exklusive Reisereportagen lesen? Für 30 Franken pro Kalenderjahr liegt das Globetrotter-Magazin alle 3 Monate im Briefkasten. Mit spannenden Reise geschichten, Interviews, Essays, News, Tipps, Infos und einer Vielzahl von Privatannoncen (z.B. Reisepartnersuche, Auslandjobs etc.). Dazu gibts gratis die Globetrotter-Card mit attraktiven Rabatten aus der Welt des Reisens. Inklus Informieren und Abo abschliessen: www.globetrottermagazin.ch ard otter-C obetr ive Gl