Ausgabe 4/2015 - die Fleckenbühler
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Ausgabe 4/2015 - die Fleckenbühler
D 14248 F die Fleckenbühler die Fleckenbühler e.V. · Fleckenbühl 6 · 35091 Cölbe · Telefon 06427 9221-0 · www.diefleckenbuehler.de · [email protected] · 4. Ausgabe 2015 Kinder süchtiger Eltern brauchen Hilfe FOTO: MARCUS HEIL Damit Kinder eine Zukunft haben Schenken Sie ein glückliches Weihnachten Kinder, die bei ihren drogenabhängigen oder alkoholkranken Eltern leben, sind traumatisierenden Einflüssen ausgesetzt. Instabilität der Elternpräsenz, extreme Konflikte und häufiger Partner- und Wohnungswechsel werden von den Kindern unmittelbar erlebt. Sie erdulden Verwahrlosung und Vernachlässigung, haben Angst und nur begrenzten Zugang zu Freizeitmöglichkeiten. Als Hausleitung von Hof Fleckenbühl und selbst betroffene Mutter heiße ich süchtige, h ilfesuchende Eltern und deren Kinder ganz besonders herzlich willkommen. In unserem geschützten Rahmen bieten wir umfassende und wirksame Unterstützung. Kinder kosten Geld. Eine auf Kinder von Süchtigen z ugeschnittene Hilfe ganz besonders. M omentan leben 16 Kinder in Fleckenbühl. Jederzeit können weitere hinzukommen. Deswegen bitten wir Sie um Unterstützung: Für unsere gemeinnützige Arbeit mit Kindern bekommen wir keine finanziellen Beihilfen. Nur mit Spenden können wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, noch mehr Kindern süchtiger Eltern zu helfen: www.facebook.com/diefleckenbuehler ■Die Kinder gehen tagsüber in un seren Kindergarten, die Eltern können einer Arbeit nachgehen und eine Ausbildung machen. ■Eltern wohnen bei uns mit ihren Kindern separat in geeigneten Wohngruppen zusammen. ■Mit speziellen Fördermaßnah- men gehen wir auf besondere Bedürfnisse der Kinder ein. Sie gehen beispielsweise in Sportund Turnvereine, nehmen Musikunterricht, machen Heileurythmie und nehmen bei Bedarf Nachhilfe für die Schule. Pflegefamilien leben. Im Ideal fall können wir Eltern und Kin der wieder zusammenbringen. Das alles kostet viel Kraft, viel Zeit und Geld. Geld, das wir nicht von öffentlichen Stellen bekommen. Bitte helfen Sie uns helfen! Die Kinder werden es Ihnen danken. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein fröhliches Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr 2016. ■Wir entwickeln Kontakte zu Kindern, die in Heimen oder bei ✸ Der wichtige erste Tag bei den Fleckenbühlern: 60 € ✸ Wachsmalstifte: 12 €, ein Farbkasten: 5 € ✸ Therapeutisches Reiten ✸ Ein Kinderdrehstuhl für den Schreibtisch: 70 € für fünf Vorschulkinder: 80 € / Monat ✸ Ein Schwimmkurs mit 10 Stunden: 70 € ✸ Zwei Schulrucksäcke: 100 € ✸ Eine Nachmittagsvorstellung ✸ Ein Schüler-Federmäppchen mit Inhalt: 25 € im Zirkus: 18 € ✸ Nachhilfe: 15€ / Stunde JEDES JAHR FAHREN WIR TAUSENDE KILOMETER FÜR DIE KINDER ✸ Spenden Sie 50 qm Teppichboden für Kinderzimmer: 500 € ✸ Zusammenführung von Eltern und Kindern 500 Km: 125 € ✸ Eltern-Kind-Kurs an der ✸ Fahrt zur Ergotherapie 120 km / Monat: 30 € Musikschule Marburg: 28 € / Monat muss erneuert werden: 160 € Schenken Sie ein glückliches Weihnachten! ✸ Ein Sandkasten mit Holzumrandung: 150 € Für Ihre Spenden danken wir von Herzen. ✸ Zwei neue Schaukeln: 110 € Seite 4 NÜCHTERNHEIT Drinnen und Draußen Dagmar Feist HAUSLEITUNG VON HOF FLECKENBÜHL Seite 6 MENSCHEN Flüchtlingsschicksal Seite 7 Wer nicht redet, wird nicht gehört. Helmut Schmidt FÜR DEN KINDERSPIELPLATZ: ✸ Das morsche Schaukelgerüst MENSCHEN Zwei Nachrufe Seite 5 Bitte helfen Sie mit – jeder Beitrag kommt an! NÄCHSTES JAHR KOMMEN ZWEI KINDER IN DIE SCHULE: Seite 3 HAUS UND HOF Impressionen Rezept Viele Anlässe für fröhliche Gesichter ✸ Ein Holzschlitten für die Kinder: 50 € SPORT Fußball und Integration 2 INFORMATIONEN DIE FLECKENBÜHLERER4. AUSGABE 2015 GEDANKEN Das war los – September bis November 2015 5. September 2015 Herbst, erst freu ich mich. Deine Farben werden weich, gemütliche Nacht. Wir feiern 31 Jahre „die Fleckenbühler“ auf Hof Fleckenbühl. 13., 14. und 19. September 2015 Theaterworkshop für sechs Fleckenbühler mit Studenten der Sozialwissenschaften der Universität Frankfurt. Herbst, nun du bist da. Sonnenaufgang am Morgen, schwindet mehr und mehr. 8. Oktober 2015 TV-Beitrag in RTL-Hessen. 20. Oktober 2015 TV-Beitrag in der Sendung TAFF in Pro 7. 23. und 24. Oktober Ronald Meyer schult neun Fleckenbühler im Rationalen Selbsthilfetraining. 26. Oktober 2015 Treffen mit unseren Beiratsmitgliedern im Haus Frankfurt. 26., 27. und 29. Oktober 2015 Herbst, geh nicht weg, die Kälte lässt mich fürchten. Herbst, bleib doch da. Im Frankfurter Haus findet – organisiert vom CoLibris e.V. – eine „Schreibwerkstatt Lyrik“ mit dem Preisträger des hr2-Lyrikwettbewerbs Martin Piekar statt. Die Fleckenbühler Antony und Manuel dürfen – neben Teilnehmern von außerhalb – daran teilnehmen. Antony Entstanden in der „Schreibwerkstatt Lyrik“ im Haus Frankfurt Werden Sie Fördermitglied! 18. bis 20. September 2015 Klausur der Mitglieder des „die Fleckenbühler e.V.“ in unserer Jugendhilfe Leimbach. 27. September 2015 Kleiner Herbstmarkt im Frankfurter Haus. Im Rahmen der Schönstädter Initiative „Unser Dorf hat Zukunft“ hielt der Fleckenbühler Dieter Eser auf Hof Fleckenbühl einen Bildervortrag zum Thema „Die Pilzflora auf Hof Fleckenbühl“. Dieter zeigte die unterschiedlichen Habitate Fleckenbühls mit den dort anzutreffenden Pilzen, insbesondere auf den schützenswerten Magerwiesen mit seltenen und geschützten Pilzarten. Die Veranstaltung war sehr gut besucht. 3. Oktober 2015 3. Fußball-Integrationsturnier in Frankfurt. HABEN SIE FR AGEN? UNSERE ANSPRECHPARTNERIN FÜR DEN FÖRDERKREIS: Helga Meyer ∙ Telefon: 069 677354-130 ∙ [email protected] 13. Oktober 2015 Suchthilfetage zum Thema „Abstinent leben oder weniger trinken“ in der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Marburg. Wir haben einen Infostand und nehmen an einer Podiumsdiskussion teil. 7. und 8. November 2015 Fleckenbühler Tage auf Hof Fleckenbühl. Wir diskutieren in kleinen Gruppen über verschiedene Themen unter dem. Motto „Unser geistiges Programm“. 14. bis 21. November 2015 Naikan auf Hof Fleckenbühl mit drei Teilnehmern. 4. November 2015 Nutzen Sie das beiliegende Formular zur Einzugsermächtigung. Fördermitglieder spenden uns regelmäßig per Einzugsermächtigung. Der Beitrag liegt bei 60 € jährlich, mehr darf es gerne sein. Sie erhalten ein kleines Begrüßungsgeschenk, einmal im Jahr unser Jahrbuch und nehmen exklusiv an der Tombola bei unserem Jahresfest teil. 6. November 2015 In der Hessischen S chraubenfabrik, Marburg wird die Ausstellung „ansehen“ der Künstlervereinigung Marburg eröffnet. Die Fleckenbühlerin Ingrid Kaftan ist mit Bildern beteiligt. Dieter ist übrigens geprüfter Pilzsachverständiger mit einem Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Mykologie und steht in der Liste der beratungswilligen Pilzsachverständigen: www.dgfm-ev.de/taxonomy/term/25. 22. November 2015 Weihnachtsmarkt auf Hof Fleckenbühl. 29. November 2015 Weihnachtsmarkt im Haus Frankfurt. Nüchterne Geburtstage September bis November 2015 53 Jahre – Berthold 46 Jahre – Ingrid 44 Jahre – Ronald 20 Jahre – Erik 18 Jahre – Gunter 11 Jahre – Dieter 10 Jahre – Philipp, Franklin 04 Jahre – Ursula, Dennis, Liselotte, Anselm 03 Jahre – Reza, Cornelius, Salim 02 Jahre – Roman, Friedrich, Marcel, Andrea, Christoph, Marian 01 Jahre – Marcus, Christan, Markus, Hermann, Natalya, Peter, Sandra, Johannes, Sigrid, Angy, Eike, Lothar, Patrick J besteetzt llen FOTO: MARCUS HEIL Das Bilderbuch der Fleckenbühler Ein schönes Geschenk In unserem Buch finden Sie viele Fotos von Fleckenbühl und Fleckenbühlern, kurze prägnante Texte, die einen Einblick in unser Zusammenleben und unsere Philosophie geben und durch das Buch hindurch läuft ein Zeitstrahl, der alles, was sich über den Tag bei uns abspielt, abbildet. Sie müssen nicht befürchten, auf ermüdende Lobreden zu stoßen. Gestaltet hat das Buch ein Freund des Hauses, der uns seit unseren Anfängen verbunden ist, der Grafiker Peter Klassen aus Wuppertal. Hauptsächlich ihm ist es zu verdanken, dass das Buch – wie wir finden, und nicht nur wir – sehr schön geworden ist. Peter hat uns seine Arbeit geschenkt. Das Buch ist eine fadengeheftete Broschüre im DIN-A-4-Format quer. Es hat 128 Seiten und kostet 15 € zuzüglich Verpackung und Versand. Bestellen können Sie es bei: Jörg Junker Tel. 069 677354-133 [email protected] Wir danken allen Spenderinnen und Spendern ganz herzlich für ihren Beitrag zu unserem neuen LKW. Nun können wir problemlos und gut unsere Umzüge durchführen und es gibt einen Arbeitsplatz mehr für die Ausbildung zur Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice. Auf dem Foto sehen Sie ein Team der Frankfurter Umzüge mit dem neuen LKW. Herzlichst Ihr Jürgen Tatgenhorst 4. AUSGABE 2015RDIE FLECKENBÜHLER SPORT 3 Sport vereint die Menschen 3. Frankfurter Fußball-Integrationsturnier FOTOS: MARCUS HEIL Die Mannschaften. Zum dritten Mal fand auf dem Sportplatz des SC WeissBlau auf Initiative und unter der Organisation von uns Fleckenbühlern das Frankfurter Fußball-Integrationsturnier am Tag der Deutschen Einheit statt. Oberbürgermeister Peter Feldmann hatte wieder die Schirmherrschaft übernommen. Das Turnier wurde durch den Präventionsrat Frankfurt, den Frankfurter Verein, PUMA Deutschland und Volkswagen Frankfurt unterstützt. Wie im Vorjahr ging die Mannschaft von Volkswagen-Frankfurt als Sieger der insgesamt 18 teilnehmenden Mannschaften hervor. Platz zwei belegte der Frankfurter Verband, gefolgt von der muslimischen Frankfurter Gemeinschaft Ahmadiyya. Die Mannschaften mit je fünf Spielern und einem Torwart spielten jeweils zehn Minuten ohne Halbzeit. Die Vorrunde bestand aus 46 Spielbegegnungen. Waren es beim ersten Turnier 2013 noch sieben teilnehmende Mannschaften, freuen wir uns über das rege Interesse in diesem Jahr. Der Sieger im Jahr 2013, der 1. FC Mainfeld, Matthias Bäumer, Geschäftsführer von PUMA und Norbert Dickel, Stadionsprecher von Borussia Dortmund. spielt mittlerweile in der Kreisliga A und konnte beim Turnier nicht mehr dabei sein. Im Einlagespiel der Jugendmannschaften kamen die acht- bis zwölfjährigen Kinder aus Goldstein mit der Mannschaft des Jugendprojekts Kickwerk zum Zuge, die gegen dien FC Heisenrath Goldstein spielten und 3:1 gewannen. Für sämtliche Platzierungen wurden Pokale überreicht und zwar vom ehemaligen Bundesligaprofi, dem „Held von Berlin“ und dem heutigen Stadionsprecher von Borussia Dortmund, Norbert Dickel sowie dem Geschäftsführer von Puma, Matthias Bäumer. Zusätzlich bekam Nemanja von VW einen Pokal für den „besten Torwart“, als „wertvollster Spieler“ wurde Sami von Puma Europe geehrt. Fairness-Urkunde an die Gruppierung „Kickwerk“. Es gab zudem Infostände verschiedener Institutionen aus dem Bereich der Integration, Prävention und Inklusion, sowie eine kostenlose Fahrradcodierung und eine PKW-Ausstellung von VW. Kulinarisch wurden die Besucher des Turniers mit Bio-Speisen aus den Fleckenbühler Betrieben versorgt. Unser Dank geht an die Mannschaften, die Schiedsrichter, die Zuschauer, die Ehrengäste und die vielen, vielen Helfer! Ein gelungenes Turnier – wir sehen uns wieder im nächsten Jahr! ■ LUDW IG SEIDL Den größten Pokal überreichte Manfred Schulz vom Präventionsrat Frankfurt zusammen mit einer Völlig fertig aber glücklich Mein Frankfurt-Marathon 2015 Die bewegendsten Phasen eines Marathons sind zweifellos der Start und der Zieleinlauf. Beides löst bei mir eine nicht enden wollende Gänsehaut aus. Nach den ersten Kilometern durch das Bankenviertel merkte ich schon, dass es für mich ein guter Lauf wird. Bei Kilometer 13 überquerte ich zum ersten Mal den Main auf der alten Brücke Richtung Sachsenhausen. Es lief weiterhin gut. An der Ecke Kennedyallee/Stresemannallee gab es nach 15 Kilometern zum dritten Mal Getränke, die man auf jeden Fall braucht. Es ging weiter Richtung Niederrad. Auf der Bruchfeldstraße holte ich mir Küsschen von meiner Frau Marlene und meiner Tochter Angelina ab, was mich noch mehr beflügelte. Dann ging es Richtung Goldstein, Schwanheim und bei Kilometer 24 dann die zweite Mainüberquerung über die Schwanheimer Brücke nach Höchst. Weiter ging es durch Nied, und bei Kilometer 30, am Anfang der Mainzer Landstraße, fingen mir langsam an, die Waden weh zu tun. Ich dachte dann nur noch von Getränkestand zu Getränkestand. Bei Kilometer 36 sah ich die Festhalle, das Ziel, von hinten. Es folgte noch eine Runde durch das Bankenviertel. Bei Kilometer 38 konnte ich gerade noch einen Wadenkrampf in der rechten Wade verhindern. Bei Kilometer 41 kam die letzte Rechtsabbiegung und die Zielgerade zur Festhalle. Der Einlauf auf dem roten Teppich ist dann die absolute Belohnung für die ganzen Strapazen. Nach 4:49:53 Stunden kam ich erschöpft aber sehr glücklich im Ziel an. ■ U W E LEHNEN Anlässlich des Frankfurt-Marathons, warb das Telekommunikationsunternehmen Vodafone vor der Alten Oper um Spenden für uns Fleckenbühler. Marcus Heil (links, die Fleckenbühler) und Oliver Bund (Vodafone) freuen sich über die Resonanz und so manche Unterstützung in der Spendendose. 4 MENSCHEN DIE FLECKENBÜHLERER4. AUSGABE 2015 Vorbilder in Sachen Nüchternheit Sucht hat viele Gesichter Lothar und Albert sind gestorben 9. Marburger Suchthilfetage abend ein „Broiler“ (Lothar war aus Sachsen) oder ein Medikament aus der Apotheke war, Besorgungen aller Art für die Fleckenbühler erledigte Lothar. FOTO: RONALD MEYER Morgens brachte er pünktlich die Kinder in den Kindergarten und holte sie nachmittags wieder ab. Das war für ihn bestimmt so manches Mal eine Herausforderung. Die Kinder mochten ihn, auch wenn er manchmal, wenn es ihm zu bunt wurde, schimpfte. Lothar an seinem 10. nüchternen Geburtstag im Juli 2010. Wir sind traurig darüber, dass „unser“ Lothar am 31. Oktober 2015 im Alter von 65 Jahren während seines Urlaubs verstorben ist. Lothar war mit drei Fleckenbühler Freunden in der Türkei. Er hatte einen Herzinfarkt und musste in der Türkei ins Krankenhaus. Er ist auch in der Türkei g estorben, das ist traurig, dass er so allein war. Das Krankenhaus war 150 Kilometer vom Urlaubsort ent- fernt, so dass ihn seine Freunde nicht besuchen konnten und auch ohne ihn zurückfliegen mussten. Vor 15 Jahren kam Lothar zu den Fleckenbühlern und blieb seitdem konsequent nüchtern. Nach einer schweren Lungenoperation vor zehn Jahren erholte er sich wieder, konnte aber doch nicht mehr so wie zuvor. Er wurde unser Fleckenbühler Fahrer „für alles“. Ob es nun Samstag- Gerne lud Lothar seine F reunde zum Fußball gucken ein. Seine Lieblinge, die kleinen Papageien, flogen dabei über die Köpfe seiner Gäste. Er spielte gerne Skat, verlor aber ungern. Lothar hat eine Familie, die immer zu ihm gehalten hat, und zu der er auch in seiner Fleckenbühler Zeit guten Kontakt hatte. Besonders stolz war er auf seine beiden Enkelkinder. Lothar saß am Esstisch und sagte nicht viel, verblüffte aber damit, dass er genau die Vorlieben seiner Tischgenossen registrierte. Jetzt warten wir vergeblich auf seine Anrufe an unseren Geburtstagen, er war jemand, der es nie vergessen hat, zu gratulieren. ■ DAGM A R FEIST Albert, ganz rechts, immer kommunikativ, bei einem seiner Besuche auf Hof Fleckenbühl. Albert kam im Oktober 1992 nach Fleckenbühl, ein halbes Jahr nach mir. Wir sind aus einer Generation, Baujahr Mitte der Fünfziger, und wir verstanden uns auf Anhieb, trotz total unterschiedlichem Hintergrund. Er, der überkorrekte Finanzbeamte mit Sakko und Schlips, ich, der linke, alternativ angehauchte Sozialfuzzi. Vom korrekten F inanzbeamten war die ersten Tage wenig zu sehen. Nach jahrzehntelangem Bierkonsum (er bestand darauf, nur Bier getrunken zu haben) konnte er kaum ins Bett kriechen, geschweige denn etwas essen. Als Zimmerältester und angehender Freund kümmerte ich mich um ihn. Wir hatten vieles gemeinsam: frühes Aufstehen und Zeitung lesen (Albert holte immer frühmorgens die Zeitung), Disziplin bei der Arbeit und im damaligen Fleckenbühler Leben, Pünktlichkeit, s oziales Engagement, Singen im Chor, wo ich immer froh war, dass ich mich an Alberts volltönenden Bass anhängen konnte. Apropos volltönend, Albert hörte man immer aus der Meute im Essraum heraus, sein Lachen war ansteckend, und nach der ersten harten Durststrecke auf dem nüchternen Weg, kam auch seine Lebensfreude wieder. Er war so wie ich ein begeisterter und begeisternder Fleckenbühler, ein unbarmherziger Vertreter der unbedingten Nüchternheit. Ich war oft mit Albert bei meinen Eltern, die ihn auch schnell ins Herz schlossen. Als er 1998 auszog, hinterließ er nicht nur arbeitstechnisch in der Buchhaltung ein großes Loch. Ich hatte noch etliche Jahre sporadisch Kontakt, er kam zu Festen immer nach Fleckenbühl und unterstützte als Fördermitglied unsere Arbeit. Nach meinem Auszug hatten wir regelmäßigen Kontakt, dann verloren wir uns leider aus den Augen. Als ich ihn vor drei Jahren, von Anlässlich der diesjährigen Marburger Suchthilfetage öffneten viele Einrichtungen ihre Türen für interessiertes Fachpublikum und für Menschen, die ihren Weg aus der Sucht noch suchen. Beratungsstellen, Einrichtungen für betreutes Wohnen, psychiatrische Kliniken und natürlich auch die Selbsthilfe waren vertreten. Die Fleckenbühler kooperierten mit den Anonymen Alkoholikern und der Universitätsklinik Marburg-Gießen für Psychiatrie und Psychotherapie. Die Universität stellte einen Hörsaal mit Foyer zur Verfügung. Neben unseren Infoständen, die zu einem persönlichen Gespräch einluden, versorgten wir die Besucher mit einem Imbiss aus leckeren Fleckenbühler Landprodukten. Als Referenten konnten wir Prof. Dr. Stefanie Mehl der Frankfurt University of Applied Science mit dem Thema „Kognitive Korrelate der Verhaltenskontrolle bei Alkoholabhängigkeit“ und Prof. Dr. Kurt Guss mit dem Thema „Was hält den Alkoholiker bei der Stange?“ gewinnen. Es gelang den Referenten hervorragend, den Bogen von der medizinischen Betrachtung auf Suchterkrankung, hin zur Selbsthilfe zu spannen. Eine Podiumsdiskussion, in der sich die Referenten, Vertreter von AA und Fleckenbühl sowie der leitende Oberarzt der Suchtstation der Universitätsklinik Marburg, Dr. Schu, dem Publikum zum Thema „Abstinent leben oder weniger trinken“ stellten, bildete einen würdigen Abschluss. Die Diskussion wurde auf dem Podium und von Seiten des Publikums lebhaft geführt und wird hoffentlich auch in Zukunft noch für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Dabei werden wir Fleckenbühler weiterhin für eine konsequent abstinente Lebensweise einstehen. ■ CHRISTOPH FEIST Eine sportliche Überraschung Fleckenbühler in schicker PUMA-Kleidung FOTO: RONALD MEYER seiner Krankheit gezeichnet, wiedersah, hätte ich ihn fast nicht erkannt. Sonja Nuetzelberger (links) und Ingrid Schoyerer. Der alte Kämpfer war noch da, als er erzählte, was er in den letzten Jahren nach der Diagnose Mundbodenkrebs durchgemacht hatte. Er war ein sehr tapferer Mensch, kaum je hörte man ihn jammern. Vor einem Jahr hatte ich den letzten Kontakt per E-Mail, er konnte krankheitsbedingt kaum noch sprechen und war, nachdem sich Metastasen gebildet hatten, wieder im Krankenhaus. Die letzte Nachricht an mich lautete: „Bin w ieder im Krankenhaus. Melde mich, wenn es mir besser geht.“ Dazu kam es leider nicht mehr. Am 21. August 2015 ist Albert im Alter von 64 Jahren gestorben. Viele Menschen kamen zu seiner Beerdigung in seinem Heimatdorf in der Eifel. Wir mochten ihn sehr. ■ LOTH A R Mitte September diesen Jahres klingelt mein Telefon. Frau Sonja Nuetzelberger, ehrenamtliches Vorstandsmitglied des Charity Cat e.V. aus Herzogenaurach, fragt an, ob wir Sportbekleidung bräuchten. Selbstverständlich und immer, antworte ich. Ob wir die Kleidung in einem Zentrallager bei München abholen könnten. Wie viel f rage ich. Vier Paletten! Super! Sofort rufe ich in unserem Umzugsbetrieb an. Sind wir demnächst in der Nähe von München? Ja klar. Philipp und seine Truppe kommen in der darauffolgenden Woche von einem Fernumzug aus Wien zurück. München auf dem Rückweg anzusteuern, ist da nur ein kleiner Umweg. Charity Cat ist ein gemeinnütziger Verein, der ausgewählte internationale Projekte und Institutionen mit Sach- und Geldzuwendungen fördert. Der Verein sitzt in Herzogenaurach und größtenteils engagieren sich dort Mitarbeiter von PUMA, wie Sonja Nuetzelberger und Ingrid Schoyerer. Wir haben uns auch sehr darüber gefreut, dass PUMA nicht nur mit zwei Mannschaften am 3. Frankfurter Fußball-Integrationsturnier teilgenommen hat, sondern dass die beiden Damen im Rahmen unserer kleinen Turniermesse einen Stand betreuten, um Charity Cat e.V. in Frankfurt vorzustellen. Vielen Dank für diese tolle Spende und die kooperative Haltung. ■ LUDW IG SEIDL 4. AUSGABE 2015ERDIE FLECKENBÜHLER HAUS UND HOF 5 Impressionen vom Hof Fleckenbühl Kränze binden, Stockbrot backen, Rübengeister schnitzen, Schminken und fröhliche Gesichter. ALLE FOTOS: PATRICK CLAYTON Märkte, offenes Haus – Gelegenheiten für einen Besuch AUSBILDUNG BEI DEN FLECKENBÜHLERN REZEPT AUS DER FLECKENBÜHLER KÜCHE L E B K U C H E N - S C H I C H TDESSERT ZUTATEN: Im Sommer 2011 eröffneten wir in unserer Frankfurter Verwaltung ein Grafik- und Medienbüro. Zu diesem Zeitpunkt war Patrick, ein Ehemaliger aus Synanon-Zeiten, bei uns Fleckenbühlern eingezogen. Er war viele Jahre in der Berliner Druckbranche tätig und übernahm ab dann im Frankfurter Büro die Aufgaben im grafischen Bereich. Zunächst lernte Sven am Computer mit Grafik- und Bildbearbeitungsprogrammen zu arbeiten. Das war Neuland für ihn und er machte sich mit großem Eifer und Durchhaltvermögen mit der neuen Materie vertraut. Heute ist er bereits in der Lage, selbstän- Lebkuchen Quark Schlagsahne Zimt Orangensaft Sauerkirschen Saft (Kirschsaft) Puderzucker Schokoladenraspel dig die Wünsche unserer Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit technisch umzusetzen. Im Juli 2015 war es dann soweit. Im Beisein der Industrie- und Handelskammer Kassel-Marburg kam der Ausbildungsvertrag zwischen den Fleckenbühlern und Sven zustande. Die Ausbildungsdauer beträgt zwei Jahre und danach ist Sven Mediengestalter/Fachrichtung Druck und Gestaltung. Er besucht wöchentlich die Berufsschule in Gießen und ist fleißig am Lernen. Im April 2016 steht bereits die erste Zwischenprüfung an. ZUBEREITUNG: FÜR 4 PERSONEN Lebkuchen zerbröseln und in Orangensaft und Kirschsaft einweichen. Quark mit Zucker und Zimt verrühren, Sahne schlagen und unter den Quark heben. Immer 1 Schicht Quark, 1 Schicht Lebkuchen und einige Sauerkirschen übereinander in Dessertgläser schichten, die letzte Schicht sollte Quark sein, mit Schokoraspeln bestreuen und servieren. ARRANGEMENT / FOTO: ARNOLD / CLAYTON Das Medienbüro ist mittlerweile auf zwei Mitarbeiter angewachsen. Sven, der neue Mann an Bord, lebt seit zwei Jahren auf Hof Fleckenbühl und arbeitete zunächst ein Jahr in der Hofkäserei. Er bewarb sich als Mitarbeiter und ä ußerte den Wunsch, nach der Probezeit in Fleckenbühl eine Ausbildung zum Medien-Designer machen zu wollen. 200 g 200 g 250 ml 1 TL 2 EL 1/2 Glas 125 ml 100 g 6 NÜCHTERNHEIT DIE FLECKENBÜHLERER4. AUSGABE 2015 Drinnen und Draußen Fleckenbühl und die große weite Welt „Draußen“, dieses Wort benennt den Sehnsuchtsort, das Paradies und Shangri-La des Fleckenbühlers. „Draußen“, das ist der Ort, wo es einem gut ging, wo man alles hatte, wo man über Geld, Frauen (oder Männer) verfügte und wo man machen konnte, was man wollte. Und dort wird man wieder sein und all das wieder haben, wenn erst einmal dieser komische Ort von Gängelung und Hinderung, Korrektur und Einschränkung verlassen ist, dieses seltsame Zwischenreich Fleckenbühl. Beschimpfungen dagegenzuhalten. Und weil Beziehung eben nicht nur Zärtlichkeit und Liebe ist, tut etwas not, was man auch in Fleckenbühl lernt: Reden, die Dinge ansprechen, die wichtig sind. Und außer meiner Freundin hat auch niemand auf mich gewartet, vor allem nicht in der ersten Zeit in Fleckenbühl, in der Zeit der Entbehrungen und Einschränkungen: „Lern erst mal, dich selber auszuhalten!“ Wenn das gelingt, kommt viel Schönes auf mich zu und dann ist es eine große Befreiung ganz viel selber für sich entscheiden zu können, wie ich es jetzt kann. Hof Fleckenbühl. „Draußen läuft das doch alles ganz anders ab“, „mit draußen kannst du das hier nicht vergleichen“, oft gehörte Sätze und wenn dann der Satz fällt: „Draußen würd ich mit dir ganz anders umspringen“, dann ist da plötzlich eine ganz andere feine Linie überschritten, die drinnen von draußen trennt. Denn draußen gab und gibt es selbstverständlich Gewalt, und die wird mit diesem Satz angedeutet, weshalb eine solche Äußerung Auslöser sein kann, sich auf der Bank wiederzu- FOTO: PATRICK CLAYTON drängt und verblasst mit der Zeit und immer wird voller Hoffnung in die Zukunft geblickt. Und mit diesem Trick arbeitet ja auch Fleckenbühl. Selbst die alte Kleidung wird abgelegt, früher sogar die Haare, und als ein n euer Mensch erscheint man frisch geduscht in der Gemeinschaft. Draußen ist passé. Wenn zwei, die sich kennen, zusammenstehen und über alte Zeiten oder Bekannte sprechen, wird geraunzt: „Wir reden nicht über früher.“ Ämter und Behörden. Es ist etwas ganz anderes, ob man als Vertreter Fleckenbühls auf dem Jobcenter erscheint oder für sich selber einen HartzIV-Antrag stellen muss . Im Zweifel gegen den Antragsteller, selbst bei der Rentenversicherung scheint dieses Prinzip zu gelten. Mit dem Ergebnis, dass ich w ieder eine Arbeit gesucht und auch gefunden habe. In der Bewerbung hatte ich Klartext geredet, auch über meine Zeit bei Fleckenbühl, und siehe da, ich fand einen Job bei einer Perso- Ich bin in meine alte Heimat zurückgegangen, ins Ruhrgebiet. Hier habe ich meine Jugend verbracht, aber hier habe ich auch die schlimmste Zeit meiner Sucht erlebt. Da werden ganz viele Erinnerungen wach, es gibt noch alte Freunde, aber die Kontakte müssen erst einmal wiederbelebt werden. Viel hat sich verändert hier. Meine Heimatstadt Gelsenkirchen war die „Stadt der tausend Feuer“. Davon brennen nur noch wenige. Aber Kultur gibt es, das wunderba- Haus Frankfurt, Kelsterbacher Straße 14. finden, wo man überlegen kann, wo man sein möchte, drinnen oder draußen. Denn draußen gibt es neben Gewalt und deren Androhung, was in Fleckenbühl verboten ist, auch Drogen, Alkohol und alles, was mit dem Le-ben als Süchtiger zusammenhängt. Das ganze Elend und die Not, das Leben auf der Straße, der Knast, die Vereinsamung, die Gewalt der Szene, das ewige Lügen und Betrügen, diese ganze falsche Welt scheint abgestreift, wenn man F leckenbühl betritt und es wird so getan, als käme man aus einem glücklichen und zufriedenen Leben. Und so ein Leben würde einem automatisch wieder zufallen, wenn man nur diese Zeit in Fleckenbühl endlich wieder hinter sich hätte. So ist der Mensch konstruiert, alles N egative wird ver- so oft, wenn ich von meinen Ausflügen in die Stadt heimkam? Es ist die Tatsache, dass es dort immer gleich bleibt. Das G ebäude, die Räume, diese Atmosphäre von Betriebsamkeit und dann das kurze Schweigen vor den M ahlzeiten. Und die Menschen, mit denen ich lange zusam- mengelebt habe, die ich schon so lange kenne und die mich kennen. Überschwängliche Erfolgsgeschichten würde man mir sowieso nicht abnehmen. Dass es auch Schwierigkeiten gibt, alles kein Zuckerschlecken ist und doch auch viel Freude macht, all das kann ich dort lassen. Auch dort haben Menschen K inder, die Kummer bereiten, auch dort weiß man, dass es zwischendurch harte Zeiten gibt. Hier gilt es nicht, eine gute Figur zu machen und das Gesicht zu wahren. FOTO: PATRICK CLAYTON „Draußen“ wird nicht nur v erklärt in Fleckenbühl, es wird auch gewarnt. „Du findest doch gar keine Arbeit“, „wie du dich hier schon aufführst, brauchst du es draußen erst gar nicht versuchen“. Ich habe es versucht und habe vor einem Jahr die Gemeinschaft verlassen und lebe jetzt mit meiner Freundin zusammen. Wir verstehen uns nach wie vor, aber da scheint nicht immer die Sonne. Und nach vielen guten kommen auch schlechte Tage. Krankheit in ihrer Familie belastet uns, da gilt es nur auszuhalten, für einen Süchtigen ganz schwer. Und schon im Wesen des Aushaltens ist enthalten: Man lernt es nicht in ein paar Wochen, das braucht Zeit. Erst in meinem letzten Spiel habe ich es mal ausgehalten, einen Schwall unbegründeten Unflats über mich ergehen zu lassen, ohne mit wüsten nalvermittlung, die Pflegepersonal an Krankenhäuser und Seniorenheime vermittelt. Wenn ich bei meinem ersten Einsatz in einer Klinik gesagt hätte, dass ich vor 35 Jahren zum letzten Mal im Krankenhaus gearbeitet habe, hätte man dort womöglich trotzdem komisch geschaut. Aber da kam mir etwas anderes zugute, was ich auch in Fleckenbühl gelernt habe, nämlich Anpassungsfähigkeit und Flexibilität und: einfach machen. Arbeit spielt eine große Rolle in Fleckenbühl und es sind nicht nur Kenntnisse und Fähigkeiten, die da vermittelt werden, sondern Einstellung und Haltung. Dazu gehört natürlich Disziplin und Durchhaltevermögen, aber auch die Fähigkeit, sich gegen unangenehme Kollegen behaupten und „Nein“ sagen zu können. Und auch das hört man schon re Musiktheater. Als ich dort Karten kaufte, sah ich an der Fassade ein Banner: „Heimat ist dort, wo man sich nicht erklären muss“, Johann Gottfried Herder. Sie machen jetzt viel auf Zugehörigkeitsgefühl hier im Ruhrpott, wollen den Zusammenhalt stärken. Und es ist was dran an dem Satz. Denn so sind sie, die Menschen im Pott: offen, herzlich, ehrlich. Die alte Heimat hat mich schnell wieder aufgenommen. Und doch: Ab und zu brauche ich es, nach Frankfurt zu fahren, zu Fleckenbühl. Was macht dieses Gefühl aus, wenn ich wieder nach Frankfurt zurückkehre und diesen Weg von der Straßenbahnhaltestelle die Kelsterbacher Straße entlanggehe bis zum Haus Nr. 14, den ich an dem Tag gegangen bin, als ich dort aufgenommen wurde und später noch Das Leben kann wunderschön sein, und ich glaube, ich könnte es nicht genießen, wenn ich auch das nicht in den Jahren in Fleckenbühl gelernt hätte. Und auch das fängt schon in der ersten Zeit der Einschränkungen an: Der Spaziergang am Samstag, der Film, die gute Mahlzeit, der Besuch im Zirkus. In der Suchtzeit war ein Tag wie der andere. Heute jagt nicht ein Höhepunkt den nächsten, aber es gibt kleine Höhepunkte: das Essen mit Freunden, der Opernbesuch, das Fußballspiel im Stadion, der Ausflug in die Natur, der Kinobesuch. Heute weiß ich, was die Worte bedeuten: Zufrieden nüchtern sein. ■ ULRICH RADHÖFER 4. AUSGABE 2015ERDIE FLECKENBÜHLER MENSCHEN 7 Ein Flüchtlingsschicksal Vom Kosovo zur Fleckenbühler Jugendhilfe O-Ton Halim: „Ich wurde mit Drogen festgenommen und auf Wache gebracht. Nach einem Zwischenfall mit einem Messer hatten die netten Herren Polizisten auch schon einen Durchsuchungsbefehl. Sie haben bei mir zuhause Drogen und Waffen gefunden. Ich habe danach zwar weiter verkauft, aber nur eine kurze Zeit, denn es ging mir sehr schlecht, und ich wusste, ich will dieses Leben nicht mehr führen. Eine Frau, die für mich zuständig ist, hat mir verschiedene Orte vorgestellt zur Langzeittherapie. Ich entschied mich für die Fleckenbühler Jugendhilfe Leimbach, weil dort Rauchverbot herrscht. Als ich in Leimbach ankam, ging es zur Sache: Das Leben dort hatte nix mit meinem alten Leben gemeinsam, und das ist auch gut so.“ WURZELN Halim ist Kosovo-Albaner. Seine Eltern flohen vor den Kriegswirren Ex-Jugoslawiens und dem drohenden Bürgerkrieg zwischen Serben und Albanern. 1995 kamen seine Eltern mit einem Flüchtlingsschiff nach Italien. Halim erblickte das Licht der Welt in Rom. Seine Familie zog mit ihm weiter, als er noch kein halbes Jahr alt war. Ein Reisebus, voll mit vielen weiteren Flüchtlingen, brachte sie ins Land der Schule war er aufmüpfig und belästigte die Lehrer mit seinem Humor. All das blieb seinen Eltern nicht verborgen. Seine Familie konnte ihr schwarzes Schaf nicht verstehen. Halim war in ihren Augen eine Schande und es gab starke und unmittelbare Zurechtweisungen, woraufhin Halim eine bewundernswerte Starrköpfigkeit entwickelte. Er blieb noch länger weg von zuhause und trieb immer gröberen Unfug. zuvor in seinem Leben und er war einerseits stolz, es selbst „verdient zu haben“, andererseits musste er seine „steile Karriere“ natürlich vor seiner Familie verheimlichen. Als junger Glücksritter zog er seine Kreise und lernte allmählich mehr und ältere Personen aus dem gleichen Metier kennen. Neuigkeiten, Stoff und Kontakte wurden ausgetauscht, wobei er seinen Konsum, bis er Anfang fünfzehn war, exzessiv steigerte. Grenzen kannte er keine mehr. Er „naschte“ jetzt auch gelegentlich Heroin. Was jedoch am meisten an ihm fraß: Tagelang im Methamphetamin-Rausch, schlief er immer seltener. Seine Gedankenwelt wurde immer abstruser, er aß kaum noch und nahm immer mehr Drogen. Eine wachsende Paranoia trieb ihn dazu, nur noch Menschen zu akzeptieren, die keine Furcht vor ihm zeigten. Kaum einer wollte noch mit ihm Kontakt haben, außer er war ebenfalls „dauerdrauf“. WILLKOMMEN IM CLUB Halim fühlte sich irgendwann in einem dauerhaft aufgeregten aggressiven Dämmerzustand gefangen. Alles um ihn herum schien immer bedrohlicher zu werden. Öfter war es ihm, als bewegte sich der ganze Raum unter ihm und er nahm alles in einem schattig-fahlen Licht wahr. Alles wurde immer merkwürdiger und rätselhafter. Zu Beginn fand er es sogar Er ging auf immer mehr Partys und schmiss fleißig Ecstasy und andere Pillen ein zu Techno und Albano-Gangsterrap. Er war vom Leben endlich richtig begeistert. Je mehr Leute Halim kennenlernte, desto besser konnte er seine Ware absetzen, und der Gewinn wurde immer beträchtlicher, so dass er zeitweise tatsächlich zusammengerollte Bün- Als Halim fünf Jahre alt war, konnte er mit seiner Familie in eine „privatere“ Unterkunft umziehen. Seine Eltern waren fleißig und hielten zusammen, sie kümmerten sich mühsam aber aufrecht um den Lebensunterhalt. Allen Bemühungen zum Trotz hatten die Kinder ohne Migrationshintergrund immer viel tollere Kleidung und schönere Spielsachen. Indes, der Vater vermittelte Halim aktiv Werte wie Fleiß, Disziplin, Anstand und Respekt – sein Sohn sollte es einmal gut haben in seinem Leben. AUF ABWEGEN Der Junge trieb sich jedoch herum und übte sich schon in der Grundschule lieber im Stehlen und Lügen. Mit acht Jahren brach er in kleine „Tante-Emma-Läden“ ein und in seine Grundschule, wo er einen WM-Ball entwendete. In der Endlich wollte er wieder zum Dirigenten seines Orchesters werden und nach einem Gespräch mit seiner Familie, entschloss er sich zu einer Entgiftung und einer anschließenden Therapie. Mit der felsenfesten Absicht, finstere Lebenskapitel seines in greifbare Nähe gerückten Verderbens abzuschließen, kam er nach mehrwöchiger stationärer Unterbringung frisch entgiftet und topfit unter Mitwirken seiner zuständigen Jugendhilfe im Strafverfahren in unsere Jugendhilfeeinrichtung im nordhessischen Leimbach. DER HALIM VON HEUTE Halim weiß, dass er nur mit großem Glück dem „galoppierenden Wahnsinn“ noch einmal „vom Pferd gehechtet“ ist. Er hat sich „abgerollt“ und ist schon über eineinhalb Jahre nüchtern, erfreut sich wieder bester FOTO: PATRICK CLAYTON Fleckenbühler Jugendhilfe Leimbach. Wiedervereinigung, wo sie als Asylbewerber aufgenommen wurden. Zunächst wohnten sie in einem „Asylantenheim“ bei Darmstadt, dann wurde die Familie noch zweimal umquartiert. DER UMBRUCH Mit elf probierte Halim zaghaft und heimlich das Rauchen einer Zigarette. Ihm wurde schwindelig und er mochte es. Sehr bald rauchte er nun eine ganze Schachtel am Tag. Im zarten Alter von zwölf Lenzen begann er mit der zunächst unregelmäßigen Inhalation von verglühenden Haschisch- und Marihuanafragmenten. Dieser „Auftrieb“ sagte ihm zu und die Konsumfrequenz nahm zu, einhergehend mit einer Vereinheitlichung seines sozialen Kontaktumfeldes. Mit vierzehn Jährchen kiffte er täglich und driftete in illusionäre Gedankenwelten ab. Halim begann damit, mit dem Stoff seiner Tagträume neue Märkte zu erschließen, sprich: Er stieg als aufstrebender Jungunternehmer in den Drogenhandel ein und bot seine Ware zunächst schüchtern, dann bestimmt, auf Schulwegen und am Rand von Pausenhöfen feil. Er sprach sich zügig als Quelle herum und zahlende Kunden gab es genug. Sein Leben verlief allmählich prächtig, befand er. Auf einmal hatte er so viel Geld wie nie del von Geldscheinen in der Hosentasche mit sich führte. Mit sechzehn Jahren war er dann „hin und weg“ vom nun erschwinglichen Kokain und vor allem von seiner neuen „großen Liebe“: kristallines Methamphetamin. EXZESS EXPRESS Inzwischen intensivierte sich das „Abfeiern“. Egal wo er war, der junge Heranwachsende konsumierte in „Vollzeit“. Die Geschäfte liefen mal mehr, mal minder nebenher, Tendenz aber abnehmend, so dass Halim inzwischen mehr zu Einbrüchen neigte. Außerdem begann er damit, andere junge Menschen einzuschüchtern, zu nötigen und zu erpressen. Es ergab sich daraus eine nicht unerhebliche Reihe von – öfter leider schweren – Körperverletzungsvergehen und Halim entdeckte sein Faible für Waffen. Polizeilich war er nun als Intensivstraftäter gelistet, doch Halim stahl und raubte ungehemmt weiter, beging Fahrerflucht in fremden Fahrzeugen und zog eine Spur der Verwüstung hinter sich her, bis er achtzehn Jahre alt war. irgendwie mystisch und unterhaltsam und er meinte die Welt zu verstehen. Schließlich aber wollte er, dass „es“ aufhört. Hatte sich etwa die ganze Welt gegen ihn verschworen? Egal wo er war, alle Menschen starrten ihn an. Sogar sein Fernseher war für ihn nicht wiederzuerkennen: Der sprach zu ihm und schien so gut wie alles über ihn zu wissen! Aber woher das denn, er hatte ihm doch gar nichts von sich erzählt! Konnte dieser etwa seine Gedanken lesen, oder sendete Halims Hirn selbst auf einer Frequenz und wenn ja, auf welcher? Schließlich schaffte er den Fernseher aus seinem Zimmer, damit Ruhe herrschte. Die Welt war plötzlich eine schreckliche, andere geworden und mittlerweile ging es ihm auch körperlich immer schlechter. Er vergaß immer öfter zu essen und zu trinken, und wenn er einmal trockenen Mundes mühsam etwas Essbares verinnerlicht hatte, so schmeckte es extrem seltsam und wollte auch sofort wieder heraus. Laune und nahezu zehnkämpferischer Gesundheit. Der junge Mann ist bei uns derzeit sehr erfolgreich dabei, sich fort- und weiterzubilden: Er holt gerade seinen Realschulabschluss nach, und macht hier auch die Ausbildung zum „Kaufmann für Büromanagement“ (Zwischenprüfung mit 98% bestanden!). Um seine wieder errungene Gesundheit aufrechtzuerhalten, betreibt er täglich und unermüdlich Kraftsport im Fitnessraum. Auch übt er sich gerne in der Selbstverteidigungs-Sportart „Wing Tsun“ und kreiert höchst einfallsreiche und – zugegebenermaßen – teils absolut ausgefallene Sprechgesangs-Lyrik in seinem unverwechselbaren „Halim-Style“. Halim möchte seine Ausbildung abschließen und später die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Er hat hier in der Fleckenbühler Lebensgemeinschaft gelernt: Mit Zuversicht, Fleiß, etwas Biss, Humor, Geduld und vielleicht noch ein wenig Glück und mit der Hilfe seiner Mitmenschen kann er viel ■ ANSELM schaffen. Kreuzworträtsel Die Lösung senden Sie bitte an: die Fleckenbühler e.V., Fleckenbühl 6, 35091 Cölbe oder per E-Mail an [email protected] . Einsendeschluss ist der 31. Januar 2016. Drei Gewinner werden unter den richtigen Einsendungen ausgelost. Die Gewinner erhalten ein Exemplar unseres Fleckenbühler Buches „Hauptsache nüchtern“. Die Namen der Gewinner veröffentlichen wir in der nächsten Ausgabe. DIE FLECKENBÜHLER Waagerecht 1) Kunstgeschäft 7) Er war außer Atem, später ein Profi 14) … Ramazzotti 15) Das Kleingeld, mit dem die Dänen immer noch zahlen 17) Ich italienisch 18) Liebe französisch 19) Die 20) Lösung 21) ist 23) Sowieso 24) Mehrere absolut nervende und unbedeutende Menschen 27) Wo er sitzt, da ist es obenan (Sprichwort) 29) Erst mal den trinken und dann reagieren 30) Alles neu macht er 31) Medizinverabreichungsart 32) Meer französisch 34) Kfz-Kennzeichen von Euskirchen 35) Fußgänger- oder Besatzungsgebiet 37) ein 38) Zitat 40) aus 41) Kfz-Kennzeichen von Rendsburg 42) Sehr konservativ, wenn red 44) Falls englisch 45) Geht mit Zweifeln und Zimmerpflanzen 47) K fz-Kennzeichen von Solingen 48) Was im Stroh raschelt, wurde sie gefragt 50) Jemand, dem man den Gebrauch berauschender Getränke ansieht 52) Kfz-Kennzeichen von Recklinghausen 53) Bringt das Essen zum Kochen 54) einem 56) Weihnachtslied 58) von 62) So das in Stein gemeißelte Gesetz 63) Das gesellschaftliche … bestimme das Bewusstsein, meinte Karl Marx 64) Kfz-Kennzeichen von Steinfurt 65) Wie man Badewasser und Suppe nicht mag 66) Kfz-Kennzeichen von Balingen 67) Der Doppelbeschluss fällt einem dazu ein 69) Eisbärenbabyname 71) Unter anderem abgekürzt 73) Kfz-Kennzeichen von Gelsenkirchen 74) Mannschaft englisch 76) Steht für europäischen Fußball 77) Paul Gerhardt 79) Kfz-Kennzeichen von Karlsruhe 80) Aus zu viel Liebe wird leicht hundertfacher … (aus Japan) 81) Im Sein findet man sie 83) Etsch italienisch 85) Eisenhaltiges, glänzend 86) Darin ist bestimmt was Wertvolles Die Gemeinschaft organisiert und verwaltet sich selbst. Wer ein Suchtproblem hat – Alkohol, Drogen, Medikamente – und den Wunsch nüchtern zu leben, kann sofort zu uns kommen. Auf den Hof Fleckenbühl oder in unser Haus in Frankfurt am Main. Senkrecht 1) Abstand zwischen Paragraphen? 2) Rettungsschiff bei starkem Regen 3) Rentabel 4) Sohn von Isaak und Rebekka 5) Gehört zum deutschen Essen wie Kotelett und Frikadelle 6) Die uns alle trägt 7) Englische Biene 8) Bezahltes 9) Auf das geht’s das 10) Rückwärts der kleine Fisch, der gefunden werden sollte 11) James Bond-Widersacher 12) Mist 13) Disziplinüberwacher 16) Lateinisch und 18) Aus der Luft geschöpft 22) Lachen französisch 25) Lügen englisch 26) Kleine Nummer 28) Kleines, grünes Dietl-Wesen 30) Essbares in Gängen 31) So artig, ziemlich stürmisch 33) Eins der Geräte, die im Märzen zum Einsatz kommen 34) Die Kleine, über die viele Witze kursierten 36) Ausschweifung 38) Das vorausgesetzt, sollte es mit dem Verfahren schnell gehen 39) Der … ist immer unsere beste Zeit fand Goethe 43) Kfz-Kennzeichen von Celle 46) Mir ist es zwar nicht …, aber … 48) Saures am schwarzen Dorn 49) Blumenbündel 51) Akustisches Signalgerät 55) Huhn englisch 56) Kfz-Kennzeichen von Unna 57) Vorsteher einer regionalen Gruppe von Priestern 59) Kfz-Kennzeichen von Ansbach 60) Was eine … nicht tut, tun zwei (Sprichwort) 61) Die ist ja meistens ernst 63) Hauptstadt Bulgariens 66) Angelinas Ehemann 68) Voruntersuchung 70) Ultima online abgekürzt 72) Gewürz, das in der Weihnachtsbäckerei zum Einsatz kommt 75) Meeressäugetier 78) Englisches Ohr 82) Kfz-Kennzeichen von Steinfurt 84) Englisch gehen Die Fleckenbühler sind seit 1984 eine offene, konsequent nüchterne Gemeinschaft, die Menschen in jeder Lebenssituation aufnimmt und ihnen – gestützt auf frühere Suchterfahrungen der Mitglieder – dabei hilft, durch Selbstreflexion, Lernbereitschaft, Ehrlichkeit, Geborgenheit und Arbeit dauerhaft suchtfrei zu leben und in Zukunft ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Türen sind jederzeit – Tag und Nacht – für Hilfesuchende geöffnet. In einem persönlichen Gespräch werden wir gemeinsam klären, ob Fleckenbühl der richtige Platz ist. Eine Anmeldung oder eine Kostenzusage werden nicht benötigt. Die Aufenthaltsdauer ist grundsätzlich unbeschränkt. Man bleibt so lange, wie man es selbst für richtig hält. Es gelten für alle Bewohner drei verbindliche Regeln: 1. Keine Drogen, Alkohol oder andere Suchtmittel 2. Keine Gewalt oder deren Androhung 3. Kein Tabak, wir rauchen nicht TERMINE AUF HOF FLECKENBÜHL 35091 CÖLBE-SCHÖNSTADT Offenes Haus 30. Januar 2016 15:00 bis 18:00 Uhr Schminken und Masken für Kinder 27. Februar 2016 Frühlingsbilder malen Feste und Märkte 13. März 2016 11:00 bis 18:00 Uhr Ostermarkt 12. und 13. März 2016 Tag der offenen Töpferei TERMINE IM HAUS FRANKFURT KELSTERBACHER STRASSE 14, 60528 FRANKFURT Offenes Haus 29. Februar 2016 14:00 bis 17:00 Uhr Kaffee, Kuchen, Informationen IMPRESSUM Herausgeber: die Fleckenbühler e.V., Fleckenbühl 6, 35091 Cölbe V.i.S.d.P.: Ronald Meyer www.diefleckenbuehler.de, [email protected] Redaktion: Helga Meyer Gestaltung + Satz: die Fleckenbühler · Grafik, Druck & Medien Druck: www.dierotationsdrucker.de, Esslingen Versand: Lahn-Werkstätten, Marburg die Fleckenbühler e.V. ist darauf angewiesen, dass Menschen von außen die Arbeit durch Sach- und Geldspenden unterstützen. Spenden sind steuerlich absetzbar. Spendenkonto: die Fleckenbühler e.V. IBAN DE87 4306 0967 6003 0367 00 BIC GENODEM1GLS Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung. 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Mark Twain Die Gewinner des letzten Kreuzworträtsels waren: Ludger Balke, Erika Brand, Wolfgang Daum 46 53 60 64 Wir bitten um Entschuldigung dafür, dass wir ein falsches Einsendedatum für das Kreuzworträtsel in der vorigen Ausgabe unserer Zeitung angegeben haben. 61 65 72 73 78 83 84 S P O R T V E R L E T Z UN G T E N O R K R E I S A U G E I E N T T A E U S C H UN G E N I D A A B K O C H E NG E O S N L N D A S T I T T I E RM E G E D E N K E N S O L L MA N U R A L T A L E P P O E A R G T V N E T T L E I F R D N P S V E R B R E N N E N N I CH T E R U I E R E N L E A G HO R R K F R I S T OH A TM E N A B E I N B A L S A M I E R E N OH R E E U A OU U S E I N G T R E N NU N G S S T R I C H