Ausgabe 3/2014 - die Fleckenbühler
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Ausgabe 3/2014 - die Fleckenbühler
D 14248 F die Fleckenbühler die Fleckenbühler e.V. · Fleckenbühl 6 · 35091 Cölbe · Telefon 06427 9221-0 · www.diefleckenbuehler.de · [email protected] INFORMATIONEN Das war los 30 Jahre „Hauptsache nüchtern“ Sie können in dieser Zeitung 34 Beiträge lesen, die meisten sind von Fleckenbühlern oder ehemaligen Fleckenbühlern (einige waren in der Zeit bei uns, als wir noch Synanon hießen, aber einige sind auch von „Kindern“, die jetzt selbst Kinder haben und von Freunden. Es war natürlich so etwas wie „Fishing for compliments“, aber ich muss sagen, es hat mir sehr gut getan, so viele positive Rückmeldungen zu bekommen. Die Botschaft möge sein: Man kann sein Leben ändern. Viele Süchtige schämen sich ihrer Sucht, schä- und sich auf den harten Weg in die Nüchternheit begibt, verdient Hochachtung. Es gibt sogar Süchtige, die sagen, sie wären froh, dass sie süchtig waren, weil sie so die Chance hatten, ein neues, bewussteres Leben zu beginnen. So etwas und mehr werden Sie in den Texten dieser Zeitung finden und wir freuen uns darüber, dass wir diesen Menschen, die hier berichten, einen Platz bieten konnten, von dem aus sie in ein neues Leben starten konnten. men sich, dass sie bei uns sein müssen. Ich finde, sie müssen sich nicht schämen, im Gegenteil. Wer es schafft, sich von der Sucht zu befreien, zu begreifen, dass er sein zerstörerisches Leben nicht immer so weiterleben muss, wer V erantwortung übernimmt 3. Ausgabe 2014 FOTO: PATRICK CLAYTON Man kann sein Leben ändern Diese Ausgabe der Fleckenbühler Zeitung ist eine besondere. Anfang September sind wir seit 30 Jahren auf Hof Fleckenbühl und die Redaktionsmitglieder hatten die Idee, diese Ausgabe der Zeitung mit Beiträgen von Fleckenbühlern und ehemaligen Fleckenbühlern zu füllen. Von meinen 162 Facebook-Freunden sind geschätzte drei Viertel (wahrscheinlich eher mehr) bei den Fleckenbühlern oder waren es einmal. Nachdem eine allgemeine Bitte auf unserer Fleckenbühler Facebook-Seite keine Resonanz fand, habe ich alle Ehemaligen, mit denen ich auf Facebook befreundet bin, persönlich angeschrieben und ich muss sagen, ich bin überwältigt von dem Ergebnis. · Viele sagen danke, und wir, die wir über die Jahre durchgehalten haben, nehmen diesen Dank gerne an. Aber wir müssen auch danke sagen, jedem Einzelnen, der bei uns war. Jeder hat in der Zeit, in der er in Fleckenbühl war, dazu beigetragen, dass es weitergeht, dass es einen Platz gibt, an dem man nüchtern und gewaltfrei leben kann. ■ HELGA MEYER Seite 2 MENSCHEN Erinnerungen an früher Seite 3 Ziegen melken und Termine machen Seite 4 Nüchternheit ist keine Zauberei Seite 5 Ab nach Fleckenbühl Seite 7 Zucker? Nein danke! Seite 9 Ferien auf dem Bauernhof Seite 11 Die Freiheit beginnt, wo die Sucht endet Das Bilderbuch der Fleckenbühler 2014 128 Seiten im Format 297 x 210 mm: 15,- EUR. Jetzt bestellen! ANZEIGENGESTALTUNG: PETER CLASSEN Seite 14 Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern. Ernst Bloch INFORMATIONEN DIE FLECKENBÜHLERER3. AUSGABE 2014 Das war los – Juli bis August 2014 GEDANKEN Die Krücken Sieben Jahre wollt kein Schritt mir glücken. Als ich zu dem großen Arzte kam, 8. Juni 2014 Die Fleckenbühler Töpferei beteiligt sich am Töpfermarkt „durchgebrannt“ in Rabenau. 23. Juli 2014 7. August 2014 SAT.1 sendet im Regionalprogramm einen Beitrag über Fleckenbühl. 3. AUSGABE 2014RDIE FLECKENBÜHLER MENSCHEN 3 Ein Haus und ein Zuhause Maritta geht auf Spurensuche Nach knapp 35 Jahren Lebensgemeinschaft Fleckenbühl in eine andere Lebensform und andere Lebenszusammenhänge zu schlüpfen, ist sehr gewöhnungsbedürftig, ein Abenteuer. 24. August 2014 Rennbahntag in Frankfurt Niederrad. Wir verkaufen dort Laugengebäck. Fragte er: Wozu die Krücken? Und ich sagte: Ich bin lahm. Erst mal war ich damit beschäftigt, mir eine Grundlage zu schaffen, die mir ein neues Zuhause schafft. Was ist das, ein Zuhause? Sagte er: Das ist kein Wunder. Sei so freundlich, zu probieren! Was dich lähmt, ist dieser Plunder. Geh, fall, kriech auf allen Vieren! Lachend wie ein Ungeheuer Nahm er mir die schönen Krücken, 29. Juni 2014 Demeter Hoffest auf Hof Fleckenbühl. Sören und Merlin bekommen ihre Zeugnisse. Sie haben ihre Berufsausbildung zum Bürokaufmann erfolgreich abgeschlossen. Merlin war der Beste seines Jahrgangs! Brach sie durch auf meinem Rücken, Warf sie lachend in das Feuer. Nun, ich bin kuriert: ich gehe. Mich kurierte ein Gelächter. Nur zuweilen, wenn ich Hölzer sehe, Gehe ich für Stunden etwas schlechter. BERTOLT BRECHT, 1898 - 1956 www.geldauflagen.de Beleg n in unge erweis d Für Übchland un WRDeuts re EU-/E de in an n in Euro. Staate tuts itinsti a /Firm me , Vorna 27 (max. , bei Stellen ineller IBAN 35 Ste masch eisen Name ger: V. s überw mpfän ler R E. ngse Zahlu ÜHLE nbüh zum KENB lecke 700 ) FLEC die Fg: Euro, Cent 3036 r 11 Stellen 7600ienstleisters (8 ode 6 Betra 9 0 4306 Zahlungsd chwort durch rkannt Beleg ggf. Sti DE87s Kreditinstituts/ S keit ane mpelte Mildtätig der abgeste ) GL BIC de it und gung. ,- gilt Stelllen R 100 nbescheini x. 27 DEM1ng: Gemeinnützi2. gke Bis EU nde rs: (ma P/K GENO scheinigu250 ende als Spe 54617ttung des Sp und bü cken 00 0367 6003 isters 0967 lungsdienstle Zah 4306 DE87 Kreditinstitutes/ Cent BIC des GLS Betrag: Euro, M1 DE GENO die Fle llen) e.V hler Perspektiven schaffen – Geldauflagen sinnvoll einsetzen! BIC ed den Kr max. fänger gsemp Zahlun NDE Name iftung Beschr rs inhabe Konto -Nr. des Konto Sitz de EUR zweck ndungs Verwe Werden Sie Fördermitglied! ben Anga DIE IBAN Qui nbe r. 31 zahlerSpende rg, StN ber/Ein rbu mer FA Ma Kontoninha snum glied für den oder Mit den-/ Spen PLZ und e des Straß zum ben ders: Spen Name (max. llen) 27 Ste : Name ahler r/Z habe rma, me/Fi , Vorna x. 27 Ort (ma ßen- e Stra , kein Stellen oder SPE SEPA hein /Zahlsc eisung rw -Übe ng Quittu aber/ ntoinh für Ko de Spen 19 ng bei oin Kont ahler: r/Einz inhabe Konto en) hangab Postfac (Quittu g) zahlun Barein Anga tü tz en. rs fest, Jahres r – be serem r IBAN zu un ng Septem g er pe rden , od d we falls Anfa le r re Cö lbe 09 1 6, 35 n b ü h zugesandt un e – eben k bü hl hr c en Ja ht F le Fle ck Datum beric einmal im en. e .V. , hle r r buch Jahres d d ie en bü abzu n u n RO unserernn verlosen wi Fle ck Konto : die e rd e de EU en an einem h se nd e d w itrag von 60 rdermitglie von m jährlic efü llt it g li au sg beitrag Be ren Fö un d ri ft )einen Förder rd e rm jährlichen nn en h r unse ö c te F ab tre r ts Un m . em hie h lich), c h te laden -L a s Bit te ab ein hrlic a s is rzeit mög h m ö kommen n, einge halbjä rde. 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Juli 2014 Mara Rott – sie hat als NichtFleckenbühlerin ihre Ausbildung in unserer Töpferei absolviert – legt ihre Gesellenprüfung als Keramikerin ab. Sie besteht mit der Note 1 in der Theorie und mit Note 2 im praktischen Teil. Wieder eine Keramikerin mehr in Hessen. Juliet wird geboren. Es freuen sich die Eltern Maria und Manfred. 24. Juli 2014 42 Jahre – Helga 31 Jahre – Wolfgang J. 23 Jahre – Ludwig 17 Jahre – Jürgen 14 Jahre – Lothar L., Dagmar 10 Jahre – Wolfgang R. 09 Jahre – Thomas 08 Jahre – Ingo 07 Jahre – Hans-Heinrich 06 Jahre – Jonas 05 Jahre – Michael B. 04 Jahre – Sören 03 Jahre – David, Lothar Sch., Marcel, Maria 02 Jahre – Christoph, Horst 01 Jahre – Tobias, Torsten, Jose, Uwe, Marita, Michael G., Sebastian, Christian Dankeschön ...an alle, die uns durch ihren persönlichen Einsatz, Geld- und Sachspenden geholfen haben! Nicht viele Menschen finden die Kraft, den Willen, aber vor allem das Interesse, süchtigen Menschen in Not zu helfen. Dafür gebührt Ihnen nicht nur der Dank unserer Gemeinschaft, sondern auch unsere volle Anerkennung und Hochachtung. Ihre Hilfe ermöglicht es uns, zu helfen und weiterhin für Menschen in Not da zu sein und deren Leid zu mindern. Ohne Ihre Hilfe wäre dies nicht möglich. Inzwischen arbeite ich wieder in meinem Beruf als Krankenschwester, was mir sehr viel Spaß macht. Fleckenbühl und Leimbach habe ich inzwischen einige Male besucht, es ist so, als wäre ich noch nicht weggegangen, alles ist sehr vertraut! Aber, ich wohne in einem Gästezimmer, was mich dann ein wenig traurig stimmt. M A RIT TA ZEY MER Ich habe mir von Anfang an Ziele gesetzt und diese konsequent verfolgt. Das Ergebnis ist nach vier Jahren folgendes: Ich habe meinen Führerschein wieder erlangt, bin bis auf Kleinigkeiten schuldenfrei und ich habe, was ich bisher in meinem Leben noch nicht geschafft habe, endlich meine Berufsausbildung abgeschlossen. Nun bin ich dabei, mir ein n eues Heim zu schaffen. Zuerst wurde der Rasen umgegraben, um einen kleinen Gemüsegarten e ntstehen zu lassen, für mich eine kleine Oase. Dort finde ich Ruhe, dort kann ich FOTO: RONALD MEYER Manfred träumt vom Landleben Die ersten Monate bei Synanon Berlin waren geprägt durch mein Bestreben, mich in diese Gemeinschaft einzufinden. Dass ich die im Jägerhof im Glienicker Volkspark verbringen durfte, hat mir sehr dabei geholfen, Fuß zu fassen. FOTO: MARCUS HEIL Fahre ich zurück in die Lüneburger Heide, spüre ich, wie meine Seele noch in Fleckenbühl lebt. Anderthalb Jahre lebe ich jetzt in meinem neuen Heim. Trotz Garten, Kamin, einer prima Arbeitsstelle und einigen lieben Menschen um mich herum, ist mein neues Heim noch nicht mein Zuhause. Das muss ich mir erst erleben. Auf die kommenden Ereignisse bin ich gespannt. Es war mehr als ein Zuhause. Erinnerungen an früher Stephan schließt seine Ausbildung zum Landwirt erfolgreich ab. Ereignisse hinterlassen Spuren, und Ereignisse hatte ich viele in Fleckenbühl, so finde ich viele Spuren, wenn ich dort zu Besuch bin. Fleckenbühl war und ist noch mein Zuhause, geprägt von vielen Ereignissen. Dort habe ich meine Kraft gegeben, meine Kinder großgezogen und meine Ideen eingebracht, hier war ich von Anfang an dabei. Maritta und Müriel 1. Juli 2014 Schüler der Otto-UbbelohdeSchule, Marburg, vergnügen sich in der Lehmsuhle vor der Fleckenbühler Töpferei. 5. Juli 2014 Wir feiern 10 Jahre Jugendhilfe Leimbach. Ein Zuhause ist für mich, wo Menschen leben, die mir vertraut sind, wo meine Kinder groß geworden sind, ich die Pflanzen und Tiere und meine Umgebung kenne, Gerüche mir vertraut sind, ich mich in allen Ecken und Winkeln zurechtfinde, wo ich mich persönlich entwickelt, viele positive und negative Ereignisse durchlebt und ein Gefühl der Geborgenheit habe. Nüchterne Geburtstage Juni bis August 2014 meinen Alltag vergessen, ich erhole mich. Was der Garten im Sommer, ist der Ofen im Winter. So sitzen wir im Winter vor einem wunderschönen Kamin, beobachten die Flammen und genießen die Wärme. Komme ja selbst vom Lande und fühle mich dort grundsätzlich wohler als in der Stadt. Die Aufgeschlossenheit der Menschen im Jägerhof hat dazu geführt, dass schnell Bindungen entstanden sind, die mich, gerade auch in für mich schlimmen Situationen, aufgebaut und gehalten haben. Der Hof Fleckenbühl war insofern zunächst überhaupt kein Thema für mich, später aber konnte ich als „Neuer“ schon das eine oder andere Detail aufschnappen. So entstand in meinem Kopf das Bild einer Pioniertruppe, die unter abenteuerlichen Umständen einen Außenposten auf baut. sehener. Auch der anfangs recht provisorische Zustand (so wurde schon mal mit 40-50 Leuten in der Scheune übernachtet) tat dem keinen Abbruch. Und als wäre das noch nicht genug, dann noch die schöne Umgebung als Dreingabe! Im Laufe der Zeit hat sich dieses „Provisorium“ in ein prächtiges Landgut verwandelt, die Wohnsituation hat sich von mal zu mal verbessert und auch die Landund Tierwirtschaft wurde, soweit ich das als Laie beurteilen kann, immer professioneller und erhielt öffentliche Anerkennung. Die Fle- Ich habe in meiner Fleckenbühler Laufbahn etwas geschafft, was ich mir schon früher vorgenommen hatte. Einmal einen Marathon zu laufen ( dieses Jahr wird es dann der vierte, den ich mitlaufe). (Bisher) vier Jahre Fleckenbühl für das Fundament eines nüchternen Lebens. Sören ckenbühler haben einfach nicht nachgelassen in ihrem Bestreben, den Hof besser und schöner zu machen. Während meiner folgenden Besuche konnte ich dann auch zunächst auf dem Speicher des neuen Wohnflügels, später gar in einem eigenen Zimmer nächtigen. In Erinnerung geblie- ben sind mir zahlreiche Besichtigungen und ausgedehnte schöne Spaziergänge, aber auch viele konstruktive Gespräche und, das soll nicht unerwähnt bleiben, außergewöhnliche Feste mit Musik und Tanz und einem ganzen Rind am Spieß! Die letzten Jahre verfolge ich das Geschehen aus der Ferne, lese regelmäßig die Fleckenbühler Zeitung, schau ab und zu auf der Homepage vorbei und freue mich, wenn ein Fleckenbühler auf Facebook postet. Nach wie vor stelle ich fest, dass die Leute dort den „Laden“ voranbringen wollen und nicht nachlassen – Stillstand ist Rückschritt! Das hat mir gefallen! In den folgenden Jahren war ich mehrmals auf dem Hof Fleckenbühl zu Gast. Als einen großen Vorteil der Gemeinschaft habe ich empfunden, dass ich mich da, wo Synanon schon ist, heimisch fühlen kann. So war das auch in Fleckenbühl. Die Menschen und der Umgang miteinander, das gute Essen, das Spiel, die Kinder, alles war schon da und nur die Freundlichkeit der dortigen Bewohner, die mir noch ein Tick höher angesiedelt schien als in Berlin, hat in mir das Gefühl aufkommen lassen, ein Gast zu sein, ein gern ge- So ist Fleckenbühl letzten Endes für mich nicht nur ein Ort, um nüchternes Leben zu lernen, sondern eine im Laufe von vielen Jahren gewachsene, gut funktionierende Lebens- und Wertegemeinschaft. Zuweilen ertappe ich mich dabei, mir ein Leben auf diesem Hof vorzustellen. M A NFRED FOTO: PRIVAT 2 4 MENSCHEN DIE FLECKENBÜHLERER3. AUSGABE 2014 3. AUSGABE 2014RDIE FLECKENBÜHLER MENSCHEN 5 Ziegen melken, Termine machen... Nüchternheit ist keine Zauberei... Adriane: 153,5 cm pure Energie sondern ein Leben nach drei Regeln Ich bin vom Jahrgang 1976 und lebe seit Dezember 2005 auf Hof Fleckenbühl. Geboren und aufgewachsen bin ich in Polen/Ostpreußen, 1989 kam ich mit meinen Eltern nach Deutschland. Im Oktober 2005 ließ ich mich von meiner Tante und meiner Schwester zum Hof fahren. Die meisten Betroffenen schreiben über ein Leben in der Suchthilfe. Ich möchte jedoch über mein nüchternes Leben nach Fleckenbühl sprechen. Ich blieb exakt 14 Tage (so lange dauert die Probezeit) und fuhr wieder nach Kassel zurück, „ein paar Sachen erledigen“. Ich gab nochmal sechs Wochen Vollgas, ließ mich am 3. Dezember 2005 wieder von Tante und Schwester zum Hof fahren und bin seitdem hier. Am 3. Mai 1993 wurde ich auf Hof Fleckenbühl aufgenommen. Ich blieb anderthalb Jahre in der Suchthilfegemeinschaft und arbeitete die meiste Zeit im Kinderbereich und sage heute noch: „Die Kinder haben mich nüchtern gemacht!“ Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Sinn in meiner Arbeit sah. Meinen ersten Kontakt mit Rauschmitteln hatte ich mit 15 Jahren. Zur Einstimmung auf eine Faschingsparty im Gemeindehaus habe ich ein Drittel einer Wodka-Flasche auf ex g etrunken. Bis dato hatte ich lediglich ab und zu am Weinglas genippt, das war also mein erster Vollrausch. Erinnerung habe ich an diesen Abend keine. Von Freunden erfuhr ich allerdings, dass ich sehr lustig unterwegs war, einen Tisch im Saal umgeworfen hatte und anschließend im halb schlafenden Zustand heimgebracht wurde. Nachdem die erste Hemmschwelle überwunden war, habe ich jedes Wochenende mit meiner Clique zusammen Jim Beam-Partys gefeiert – immer bis zum Umfallen. ich als Zeichnerin tätig. Mit Opiaten war es ganz einfach, auch mal 18 Stunden oder das g anze Wochenende am Stück durchzuzeichnen. Zum Runterkommen gab es dann nach der Arbeit einen bis zwei Liter Billigwein aus dem Tetrapack, zum Wachwerden am nächsten Morgen wieder ein paar Pillen. Mit 18 habe ich nach einem Autounfall Opiate vom Arzt verschrieben bekommen und fand die Wirkung der Kapseln klasse. Statt, wie bei Opiaten üblich, müde zu werden, bekam ich einen unglaublichen Energieschub – egal ob Lernen, Feiern oder Aufräumen, alles machte mir plötzlich sehr viel Spaß. Ab dann ging es bergab. Ich verlor meinen Job, befand mich fast ständig in der Entgiftung, machte z wischendurch eine Langzeittherapie und wurde immer wieder rückfällig. Diese Wirkung wollte ich immer haben, daher besorgte ich mir die Pillen so oft ich konnte. Lange Zeit ist das Ganze recht gut gegangen. Ich habe zwar die Schule nach der elften Klasse abgebrochen, habe jedoch im Anschluss erfolgreich die Ausbildung zur Bauzeichnerin bestanden und wurde vom Ausbildungsbetrieb übernommen. Fast zehn Jahre war Das Spielchen hätte ich vermutlich noch ewig getrieben, wenn mein Körper nicht irgendwann k omplett versagt hätte. Eines Tages ging nämlich gar nichts mehr. Ich musste mich auf leeren Magen immer wieder übergeben, konnte mich kaum auf den Beinen halten und kam zu der Erkenntnis, dass ich anscheinend ein kleines Suchtproblem hatte. In der Entgiftung lernte ich ein paar Leute kennen, die mich anschließend auch mit „richtigen“ Drogen versorgt haben. Meine Rückfälle wurden immer heftiger. Von Mitpatienten habe ich von Fleckenbühl erfahren – sehr strenges Programm, null Spielraum, hieß es. Prima, dachte ich mir, Softprogramm mit Klangmassage, Seidenmalerei und Reittherapie hat nichts geholfen, also brauche ich vielleicht tatsächlich die harte Tour. In den folgenden Jahren half ich neben der Arbeit im Stall im Landwirtschaftsbüro aus, absolvierte im Rahmen der modularen Ausbildung mit elf Qualifizierungsbausteinen die Ausbildung zur Bürokauffrau, war eine Zeitlang als Leiterin unseres Vermarktungsbüros tätig, und wurde Ende 2012 nach dem Weggang einer Mitbewohnerin zur Leiterin der Geschäftsstelle. Jetzt arbeite ich ganztags im Büro, bilde Azubis zu Bürokaufleuten aus und mag meinen Job. In mei- Dann zog ich zu Synanon in Schmerwitz, auch dort habe ich im Kinderbereich gearbeitet, aber zuhause habe ich mich immer in Fleckenbühl gefühlt, das lag vielleicht daran, dass ich dort nüchtern wurde. Ende 1997 verließ ich Schmerwitz und ging nach Senftenberg in die „freie Wildbahn“. Ich holte meine 10. Klasse in der Abendschule nach und arbeitete zeitgleich in einem Obdachlosenhaus. Im Anschluss bekam ich die Möglichkeit, meine Ausbildung zum Sozialpädagogen zu machen. Die Ausbildung war zwingend notwendig, wenn ich weiterhin mit Kindern und Jugendlichen arbeiten wollte, denn dieser Berufswunsch begleitete mich seit meiner Zeit in Fleckenbühl. Während meiner Ausbildung habe ich schon in einem Jugendclub gearbeitet, hatte aber keine Lust mehr auf Billard, Darts und Theke. Da fehlte nur noch das Bier und es hätte einer Kneipe geglichen. Als ich meine Ausbildung beendet hatte, hörte ich dort auf und setzte meine eigene Idee von Kinder- und Jugendarbeit in die Tat um. FOTO: PATRICK CLAYTON ner Freizeit treibe ich Fitnesssport, gehe in die Sauna, lese viel und mache diverse Handarbeiten. Hätte ich den Weg hierher nicht gefunden, wäre ich vermutlich längst nicht mehr am Leben. Mit einer halbjährigen Therapie ist mir nicht geholfen, und hier kann ich solange bleiben, wie ich es für nötig halte. ein paar liebe Freunde hier gefunden, mit denen ich nette Gespräche führe, ausgehe oder in Urlaub fahre. Es macht Spaß, nüchtern zu sein. Hier fällt es mir nicht schwer. Zurzeit gibt es für mich keinen Grund hier wegzugehen. A DRI A NE CHR A PLEWSKI Ich gründete den Kinder- und Jugendzirkus „Harlekids“. Meinen ersten Kontakt zu Zirkustechniken Der Hof ist inzwischen zu meinem Zuhause geworden. Ich habe Vor drei Jahren stieg ich aus dem Vorstand aus, um meinen eigenen Traum endlich umzusetzen und berufsmäßiger Zauberer und Feuerspucker zu werden. Bis heute haben die drei schon oben erwähnten Regeln (keine Drogen, keine Zigaretten, keine Gewalt) in meinem Leben Bestand. Weil ich bis heute glaube, dass dieses unveränderliche Regelwerk mich nüchtern hält. Bis heute stehe mit dem Hof Fleckenbühl in Kontakt, da ich diesen Ort immer noch als ein Stück Heimat bezeichne, obwohl ich nicht oft dort bin. Mit Wehmut denke ich an meine Zeit in dieser Gemeinschaft zurück. Sie gab mir Halt, Sinn, Ideale, Freunde, Familie und auch meine heißgeliebten Bauwagen. Seit acht Jahren bin ich mit meiner Freundin zusammen. Das Ganze funktioniert nur, weil sie als Nichtsüchtige dieselben drei Regeln lebt und mitträgt. Danke Steffi! FR A NK Geben und nehmen An meine Vergangenheit in Fleckenbühl denke ich immer mit Freude. FOTO: PATRICK CLAYTON Was Dagmar glücklich macht Obwohl ich dort nicht mehr lebe und meine Mutter auch ausgezogen ist, gehe ich mit meiner Tochter immer gern dorthin. Zum einen, weil es mein Zuhause ist und ich meine Kindheit dort verbracht habe, und zum anderen weil ich ihr dort viele Dinge zeigen kann, die ich selbst erlebt habe. Mein Name ist Dagmar. Ich arbeite in Fleckenbühl als Hausleiterin. Ich bin verheiratet mit Christoph, habe zwei Söhne, 18 Jahre und 31 Jahre alt. Mein jüngster Sohn wohnt noch bei uns. Ich bin zum zweiten Mal hier, für mich war die erste Zeit nicht schwer, weil ich ja schon alles kannte und mich nicht eingewöhnen musste. Besonders schätze ich an Fleckenbühl, dass ich meinen Arbeitsplatz und mein Familienleben an einem Ort habe. Manchmal ist es dadurch zwar schwer, von der Arbeit abzuschalten, aber ich kann gut mit meiner Freizeit umgehen. Als Wohnort finde ich Fleckenbühl herrlich. Die schöne Umgebung erinnert mich an einen großen Park. Durch die verschiedenen Charaktere der vielen Menschen, die hier zusammenleben, wird es nicht langweilig. Es ist immer was los, es gibt immer Neues zu erzählen. Am meisten Spaß habe ich in meiner Arbeit mit den neuen Leuten. Ich sehe gerne, wie es ihnen von Tag zu Tag besser geht, und sie sich im Laufe der ersten Wochen erholen und klarer werden. Ich wünsche mir oft, dass noch mehr Leute die Chance nutzen, die die Gemeinschaft ihnen bietet. Besonders, wenn junge Menschen nach nur wenigen Tagen wieder weggehen, finde ich das schade. Ich habe immer das bekommen, was ich mir von der Gemeinschaft gewünscht habe: Ich habe hier geheiratet, bin nicht mehr einsam und habe Freunde gefunden. Zu meinem großen Glück habe ich auch noch einen Hund. DAGM A R FEIST Nicht jedes Kind hat die Möglichkeit, in solch toller Umgebung aufzuwachsen. Jeder kleine Winkel und viele der Menschen stecken für mich voller Erinnerungen. Ich bin damals mit sechs Jahren nach Fleckenbühl gekommen und es war das Beste was uns passieren konnte, wer weiß, was ohne Fleckenbühl gewesen wäre! FOTO: PATRICK CLAYTON FOTO: RONALD MEYER Schon bei meinem ersten Aufenthalt habe ich mich auf dem Hof sehr wohl gefühlt. Ich hatte plötzlich viele nette Menschen um mich rum, ein Zustand, den ich sonst nur von den Entgiftungen kannte. Mein Alleinsein hatte hiermit ein Ende. In den ersten drei Monaten absolvierte ich vier Praktika in verschiedenen Arbeitsbereichen: in der Landschaftspflege, in der Feldwirtschaft, in der Buchhaltung und im Stall. Im Stall hat es mir am b esten gefallen, und da dort gerade jemand abgehauen war, konnte ich direkt nach dem Praktikum auch dorthin wechseln. Ich hatte sehr viel Spaß an der Arbeit im Ziegenstall, als „Oberzicke“ sozusagen. hatte ich während meiner Anfangszeit in Fleckenbühl. Ich fand dort auf dem Dachboden der Müllerei ein altes Einrad und probierte heimlich das Einradfahren. Ich habe es in dieser Zeit zwar nicht gelernt, aber das Thema „Zirkus“ hat mich nie wieder losgelassen. Wir gründeten bereits mit den Kindern von Synanon und Fleckenbühl den ersten Kinderzirkus. Bei den Harlekids arbeitete ich zwölf Jahre lang. In all den Jahren begleiteten mich drei altgewohnte Regeln: keine Drogen, keine Zigaretten, keine Gewalt. Das sind auch die einzigen Regeln im Kinderzirkus, die von Anfang an bestanden haben. Unser Motto: „Wir lassen jeden rein!“ Jeder sieht seine Vergangenheit aus einem anderen Blickwinkel. Ich sehe Fleckenbühl als mein Zuhause. Ich habe sehr viel Positives für meine Zukunft mitgenommen, auch die unschönen Erfahrungen in dieser Zeit stärken mich heute, ich bin dafür sehr dankbar. Sarah 6 MENSCHEN DIE FLECKENBÜHLERER3. AUSGABE 2014 3. AUSGABE 2014RDIE FLECKENBÜHLER MENSCHEN 7 Neubeginn mit Saft in Selters Ab nach Fleckenbühl Das wichtigste Startkapital stellte Fleckenbühl Marita fiel sonst nichts mehr ein Ich habe heute eine mittelständische Handels- und Dienstleistungsfirma und beschäftige seit 2007 zwei Leute sowie meine Frau und meine Wenigkeit. punkt ging es eigentlich nur noch bergab. Ich konsumierte, und um es zu finanzieren, verkaufte ich den Stoff. Das blieb natürlich nicht ungestraft, es folgte eine Anzeige nach der anderen, nach etlichen Sozialstunden, Geldstrafen usw. kam ich dann irgendwann in den Knast, dort hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Nach der Hauptschule schaffte ich es noch, die höhere Handelsschule, Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung, zu besuchen und irgendwie schaffte ich auch hier noch den Abschluss mit einer Gesamtnote von 2,6. Durch meinen Anwalt wurde ich informiert, dass ich einen Teil meiner Strafe in einer Therapieeinrichtung verbringen könnte (§ 35 BtMG), so habe ich dann von Fleckenbühl erfahren. Es ging mir nur darum, aus dem Knast zu kommen, die Therapie war eine gute Gelegenheit. Mein Ziel war es, die Auflage dort rumzukriegen und dann sofort wieder abzuhauen. Das Konsumieren von Hasch war längst Alltag, im Laufe der Zeit kamen auch andere Drogen h inzu, zunächst Ecstasy-Pillen, später auch LSD und Amphetamine. Nachdem ich dann auf dem Hof Fleckenbühl angekommen bin, war die erste Zeit die härteste, denn das Leben in einer großen Gemeinschaft mit täglichem Putzen usw. war sehr ungewohnt und anstrengend. Irgendwie musste ich da durch. Somit war das erste Ziel nach meinem Auszug schon erreicht und jetzt Liebe Helga, es geht mir gut (seit Fleckenbühl), leider muss ich passen, bin nicht der „Schriftsteller“. Ich bin immer noch nüchtern (13 1/2 Jahre). Das Einzige, was ich machen kann, ist, mich bei euch allen nochmal zu bedanken für den Anschub und die Werkzeuge, die mich nüchtern halten. Ich hatte schon vor meinem Auszug einige weitere Ziele, die ich jetzt angehen wollte, diese waren, zunächst einmal meine damalige Freundin zu heiraten und mich selbstständig zu machen. Liebe Grüße aus Berlin Martin Am 30. März 2004 bin ich dann ausgezogen und habe am 10. April 2004, also 10 Tage nach meinem Auszug, geheiratet. Die Hochzeit, An dieser Stelle noch ein herzliches Dankeschön an die Hofgemeinschaft Fleckenbühl. zuständig war, legte ich 2012 die Ausbildereignungsprüfung ab. 2005 entschlossen wir uns, zusammenzuziehen. Er arbeitete als Busfahrer und ich konnte eine Umschulung machen, da ich zu dieser Zeit noch keine richtige Ausbildung hatte (außer einigen Qualifizierungen, die ich in der JVA absolviert hatte). Beruflich lief alles sehr gut, nur privat, in der Partnerschaft, ging alles daneben. Statt mich von meinem damaligen Partner zu trennen, duldete ich viele Dinge, auch was die Sucht betraf. Anfang 2013 lief es auch auf der Arbeit nicht mehr so gut und die Situation war für mich nicht mehr auszuhalten, so dass ich im Februar 2013 dann auch rückfällig wurde. Von 2005 bis 2007 schulte ich zur Kauffrau für Bürokommunikation um und bekam direkt nach dem Abschluss eine Stelle. Die Arbeit machte mir sehr viel Spaß, und da ich für die Azubis im Sekretariat Im März 2013 kam es dann richtig zu Streitereien, so dass wir das Jugendamt einschalteten. Mein Sohn kam in eine Kurzzeitpflege, dort sollte er so lange bleiben, bis wir einen Ausweg aus der Sucht gefunden hätten. Diese Situation riss mir ganz den Boden unter den Füßen weg. Ich konsumierte alles, was nur ging. Ja, und heute, 2014, bin ich 19 Jahre clean und kann sagen: „Danke für die Chance, ein neues Leben führen zu dürfen!“ Heute kann ich von mir sagen: „Ich liebe das Leben!“ Ich ziehe den Hut vor jedem, der „sich“ und „sein“ Leben lebt! Michael Seit Februar 2014 habe ich einen neuen Freund aus dem Frankfurter Haus, mit dem ich sehr glücklich bin. Mittlerweile ist ein Jahr vergangen und ich fühle mich hier auf dem Hof richtig wohl. Wir wollen noch einige Zeit (ein bis zwei Jahre) hierbleiben und ich will gerne noch den Führerschein machen. An einen Auszug denken wir erst gar nicht. M A RITA Haino ist am 28. Februar 1994 in die Hofgemeinschaft aufgenommen worden. Er hat erst ein halbes Jahr in der Wäscherei gearbeitet und ist danach ins Landwirtschaftsbüro gewechselt. Obwohl wir uns von Anfang an gut verstanden haben, hat es doch zwei Jahre gedauert, bis aus uns ein Paar wurde. Wir haben beide immer gerne in der Küche beim Buffetservice geholfen und bei den Heu- und Strohernten waren wir auch immer dabei. Der graue Schleier lichtet sich Sebastian hat neuen Mut gefasst Fleckenbühl im Juli 2014 Mein zweiter Sommer auf dem Hof und mein 16. Monat vollkommen nüchtern. Oft denke ich an die Zeit vor Fleckenbühl. All die Jahre verschenkter Zeit, ohne Perspektive, ohne Geld, ohne wirkliche Freunde, jenseits der Realität, einsam, verlassen, den Drogen verfallen. Ich habe systematisch mein Leben auf die sogenannte schiefe Bahn gelenkt. Ich bin meinen Freunden auf Fleckenbühl und mir dankbar, dass Wir mich nicht aufgegeben haben! Nach anfänglichen Schwierigkeiten, vielen Gesprächen mit s einer Schule, dem Jugendamt und einem Psychologen, kam, dank Dagmar Feist, mein Sohn nur sechs Wochen später nach. Er lebte sich gut ein und auch in der Schule ging es wieder bergauf. Er vermisste zwar seinen Hund und seinen Ziehpapa sehr, aber auch diese Situation meisterten wir gemeinsam. Dadurch, dass er nicht die Schule wechseln musste, hat er seine Freunde behalten, und sie besuchen ihn auf dem Hof. Seit September 2013 arbeite ich in der Hauswirtschaft, was mir inzwischen sehr viel Spaß macht, da man dort viel mit den Mitbewohnern zu tun hat. Ich, Silvia, bin am 4. Februar 1992 nach Hof Fleckenbühl gekommen. Nach vier Wochen habe ich in der Töpferei angefangen zu arbeiten und bin dort auch bis zu unserem Auszug geblieben. Mitte Juni 2013 kollabierte ich vor meiner Wohnung und wurde auf eine Intensivstation gebracht. Nach zwei Tagen war ich soweit stabil, dass ich auf eine Überwachungsstation verlegt werden konnte. Von dort aus rief ich meine Freundin an und bat sie, mich abzuholen. Meine Freundin sprach dann noch mit einem Freund, der selbst mal acht Jahre hier auf dem Hof war. In nicht mal einer Stunde holten sie mich im Krankenhaus ab und teilten mir mit, dass sie mich auf den Hof bringen würden. ISM A IL Ich kam 1995 auf den Hof Fleckenbühl und war mehr tot als lebendig. Ich hatte den Glauben an mich und alles andere um mich herum verloren. Im Laufe der Zeit habe ich v iele neue Freunde kennengelernt, mit denen ich heute noch Kontakt habe. Als meine Auflage fast zu Ende war, entschloss ich mich, auf dem Hof meinen Führerschein zu machen und eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Danach ging ich mit 15 Fleckenbühlern in das Haus in Frankfurt und lebte fortan dort. Im Haus Frankfurt arbeitete ich ebenfalls in der Verwaltung sowie im EDV Bereich, es war eine sehr schöne Zeit. Nach viereinhalb Jahren habe ich mich dann entschlossen, auszuziehen. Meinen Auszug habe ich rund sechs Monate vorher angekündigt und mich auf das Leben in meiner alten Umgebung vorbereitet. Ich habe mehrere Ausbildungen begonnen, jedoch immer wieder aufgrund des Drogenkonsums die Lehren abgebrochen. Irgendwann kam auch Heroin ins Spiel, das geraucht wurde, ab diesem Zeit- zu der auch zahlreiche Fleckenbühler eingeladen waren, fand in Selters statt. Einige Fleckenbühler erinnern sich sicherlich noch an die wirklich große Hochzeits-Party. Nachdem ich die Haustruppe (heute Bootcamp) verlassen habe, bin ich sofort ins Büro, dort arbeitete ich in der landwirtschaftlichen Verwaltung. So vergingen einige Monate, und immer wieder geriet ich mit einigen Leuten aneinander, was mich unnötige Strafdienste, wie z. B. Frühstücksdienste kostete. So kam es dann auch schon mal vor, dass ich ein paar Monate lang Frühstücksdienst am Stück gemacht habe, und auf einmal war ich Mr. Frühstücksdienst. FOTO: PRIVAT Ich wuchs in einem ganz normalen Elternhaus mit meinem älteren Bruder in Selters auf, besuchte die Grundschule, später die Hauptschule. Gegen Ende der Hauptschule fing es dann langsam an mit dem Hasch rauchen unter einigen Freunden. Ich bin froh, dass ich damals auf dem Hof Fleckenbühl aufgenommen wurde und mir die Gelegenheit gegeben wurde, dort meinen Führerschein sowie eine Ausbildung zu machen, das war der beste Start in das normale Leben. 2003 bekam ich durch einen Orientierungskurs für erwerbslose Frauen eine Arbeitsstelle und mein Sohn einen Krippenplatz. Zur gleichen Zeit kam ein früherer Freund aus dem Maßregelvollzug in die Teichwiese, mit dem ich dann zusammenkam. Irgendwo war ich froh, endlich von zuhause wegzukommen und ließ mich zum Hof bringen. Der Start wurde mir trotz Entzug und Sehnsucht nach meinem Sohn einfach, bzw. leicht gemacht, jeder half wo er nur konnte. FOTO: PRIVAT FOTO: PRIVAT Im Jahr 2009 kam mein erster Sohn auf die Welt, Evren Talha, und im Jahr 2011 kam der zweite Sohnemann, Keyhan Kerim, auf die Welt. Seit meinem Auszug aus der Suchthilfe-Gemeinschaft im Jahre 2004 bin ich nicht mehr in Kontakt mit Drogen gekommen und kann ganz beruhigt sagen, dass ich mir ein Leben mit Drogen nicht mehr vorstellen kann. Ich lebe und arbeite für meine Familie und habe weiterhin einige Ziele, auf die ich hinarbeite. Nach 20 Jahren Drogen und Alkoholkonsum, über sieben Jahren Gefängnis und zwei Jahren Maßregelvollzug schaffte ich 2001 den Absprung. Schwanger ging ich in die Übergangseinrichtung nach Gießen, wo ich 2001 meinen Sohn zur Welt brachte, und anschließend in die Einrichtung „Betreutes Wohnen Teichwiese“ in Marburg. Ende Dezember 2001 wurde ich dort mit Alkohol rückfällig und ging mit meinem Sohn für acht Monate zur Therapie in die Villa Lilly in Bad Schwalbach. Im August 2002 zog ich mit meinem Sohn zurück in die Teichwiese. FOTO: PATRICK CLAYTON musste es auch im Leben und vor allem finanziell weitergehen. Zunächst einmal arbeitete ich in einer Elektro-Firma, meistens im Büro, teilweise auch auf Baustellen. Nachdem ich mit Hilfe meiner Frau etwas Startkapital geschaffen habe, eröffnete ich eine Verkaufsagentur. Die Geschäfte liefen gut und ich kaufte gemeinsam mit meiner Frau ein 4-Familien-Objekt, das ich komplett renoviert habe, und auch heute noch bewohne. Bis ich nach 17 Jahren voller Drogen- und Alkohol-Exzesse, Überdosen, Intensivstation, Entgiftung und Therapie und unzähliger Rückfälle auf der Straße gelandet war und zwischen Leben oder Sterben stand. Es musste etwas passieren. Ich entschied mich für eine erneute Entgiftung und wollte diese auch nicht in meiner Heimatstadt im Sauerland machen. Das sollte die klügste Entscheidung der vergangenen Jahre sein. In dieser Entgiftung suchte ich nach einer Lösung für mein Problem und eine Sozialarbeiterin des Klinikums half mir, Adressen für nüchterne Lebensgemeinschaften und Ausstiegsmöglichkeiten aus der Drogenszene zu finden. Nach zwei Tagen erfuhr ich dann vom Hof Fleckenbühl und wurde neugierig. Ich studierte die Webseite und alle Infos, die ich kriegen konnte, und entschied mich noch am selben Tag: Dort will ich leben. So kam es, dass ich am 26. März 2013 nach Fleckenbühl kam und der trübe, graue Schleier begann sich langsam zu lichten. Nach zwei Monaten Eingewöhnungsphase im Bootcamp stand für meinen weiteren Weg fest: Ich werde die Ausbildung zum Koch auf dem Hof machen. Ich wechselte also in die Küche. Ich hatte in der Vergangenheit schon viel Jobs in der Gastronomie und somit einige Erfahrung. Ferner war und ist Kochen immer noch meine Leidenschaft und ich habe jetzt endlich mein Hobby zum Beruf gemacht. Das nüchterne Leben fällt mir von Tag zu Tag leichter und ich bin sehr stolz auf mich, diesen Schritt gemacht zu haben. Den Kontakt in meine alte Heimat habe ich, bis auf die Familie, komplett abgebrochen und von vorn angefangen. Hier habe ich auch neue Freunde gefunden. Nüchtern und ehrlich! Der Hof hat mir ein neues Zuhause gegeben und ich fühle mich mittlerweile heimisch. Ja, sogar eine Partnerin habe ich gefunden, welche mich mit meiner Vergangenheit akzeptiert und unterstützt und ich kann wieder neu lieben lernen. Nach etwas mehr als einem Jahr kann ich nun behaupten, wieder im Leben zu stehen mit Hochs und Tiefs. Ich entwickle mich positiv weiter. Ich habe neuen Mut gefasst und finde mein Leben wieder schön und lebenswert. Ich habe das Gefühl, gebraucht zu werden und angenommen zu sein. Alles in allem kann ich nur sagen: Danke Fleckenbühl für den Einstieg in ein neues Leben. SEBA STI A N Haino hat erfolgreich eine Ausbildung zum Bürokaufmann am Hof absolviert. Im Dezember 2000 sind wir dann gemeinsam ausgezogen. Nach einem Jahr in der „Stadt“ (16.000 Einwohner) hat es uns wieder aufs Land gezogen und jetzt wohnen wir schon wieder fast 13 Jahre auf einem Bauernhof. Seit dem 22. November 2002 sind wir glücklich verheiratet und seit fünf Jahren haben wir unser vierbeiniges „Baby“ Shira. Wir wünschen Hof Fleckenbühl zum Jubiläum alles Gute und weiterhin gutes Gelingen und viele nüchterne Tag für die Zukunft. Wir waren jetzt schon ein paar Jahre nicht mehr zu Besuch, aber das Fest zum 30sten wollen wir uns nicht entgehen lassen. Ich hoffe, wir treffen dort viele alte Freunde und Bekannte wieder. Silvia und Haino 8 MENSCHEN DIE FLECKENBÜHLERER3. AUSGABE 2014 3. AUSGABE 2014RDIE FLECKENBÜHLER MENSCHEN 9 Schubsen bis es „Klick“ macht Zucker? Nein danke! René schaut nach vorne Als Freund des Hauses älter werden Ich bin trockener Alkoholiker. Meine ersten Erfahrungen mit dem Alkohol habe ich mit zwölf gemacht. Stetig habe ich mehr getrunken und ich habe die Folgen absolut unterschätzt. Die Leidensgeschichte muss ich nicht wirklich wiedergeben, weil es so ist wie bei den meisten. Meine Eltern haben sich getrennt, dann kam der neue Vater. Ich habe mich missverstanden gefühlt und die falschen Leute kennengelernt. Letztendlich habe ich mich in den Alkohol gerettet, um meine Außenwelt nicht mehr mitbekommen zu müssen. Das Ende der Geschichte war, dass ich in den Knast gewandert bin wegen eines Überfalls. Was ich im Nachhinein zutiefst bereue, was aber auch einen Neuanfang für mich bedeutete. Mit, ich glaube, 22 Jahren war ich das erste Mal bei den Fleckenbühlern, was für mich eine absolut neue Welt war. Morgens pünktlich aufstehen, einer geregelten Arbeit nachgehen und dann noch sich mit sich selber auseinandersetzen, war für mich gefühlsmäßig fast gar nicht zu bewältigen. Zum meinem großen Erstaunen kam noch dazu, dass mir sehr viel Vertrauen entgegengebracht wurde, indem man mir damals die Küche anvertraute. Das war für mich gefühlsmäßig absolut zu viel, dass man mir vertraute und mich unterstützte, das hatte ich in dieser Form noch nie erlebt. Immer war ich der Außenseiter und jetzt war ich auf einmal jemand. lange hat es gedauert, und ich war wieder in meinem alten Schema. Meine Eltern bekamen das ziemlich schnell mit und gingen mir dann auch direkt aus dem Weg und schickten mich wieder nach Fleckenbühl, wohin ich mit einer großen Angst fuhr und mich echt überwinden musste, dort nochmal aufzutauchen, weil ich ja einfach abgehauen war. Aber zu meinem Erstaunen wurde ich wieder mit offenen Armen empfangen, was mich sehr beeindruckte. Bei meinen zweiten Aufenthalt blieb ich dann etwas mehr als zwei Jahre, in denen ich viele Leute kennengelernt habe, die mir sehr viel Letztendlich übermannte mich das alles und ich verließ Fleckenbühl, was mir selber sehr weh tat. Nicht beigebracht oder mir die Augen geöffnet haben. Abendliche Gespräche bei einer Tasse Tee oder das Spiel vermisse ich heute noch oft. Auch habe ich auf dem Hof Fleckenbühl zum ersten Mal erfahren, wie es ist, sich nüchtern zu verlieben. Das war für mich was ganz Neues. Leider ging es schief, was auch so kommen musste, weil ich noch nicht bereit dafür war. Letztendlich bin ich auch dann wieder abgehauen oder, besser gesagt, einfach gegangen. In Laufe der Zeit war ich dann noch zweimal auf dem Hof, bzw. im Haus Frankfurt. Zwar nicht lange, aber jedes Mal hat es mich ein Stück weitergebracht. Nach meinem letzten Aufenthalt hat es bei mir Klick gemacht, warum und was das Klick ausgelöst hat, keine Ahnung. Aber es ging dann vor- an, ich habe einfach angefangen, die Dinge umzusetzen, die ich auf Fleckenbühl gelernt habe. Ich habe meinen Abschluss als Koch nachgemacht, habe mich dann getraut, mich selbstständig zu machen, was bis heute noch funktioniert. Habe mittlerweile einen kleinen Sohn, der mein Leben absolut auf den Kopf gestellt hat, was mich doch sehr glücklich macht. Im Nachhinein kann ich dem Hof nur Gutes abgewinnen und mich bedanken, dass sie mich ausgehalten haben und mir den Schubs in die richtige Richtung gegeben haben. Natürlich ist es nicht immer einfach, mit der Sucht zu leben, auch gibt es ab und an Rückschläge, aber letztendlich muss man immer wieder aufstehen und sich abputzen, zu sich ehrlich sein und nach vorne schauen. RENÉ Nicht mehr nur geduldet Nour-Edine hat Freunde gefunden tiger Funktion. Immer wieder einmal gab es Kunden, die eine besondere Form wünschten, dann hieß es experimentieren. FOTO: INGRID KAFTAN Mein erster Spezialauftrag: Ein Hochzeitspaar brauchte 80 Becher für seine Gäste, auf denen eine mittelalterliche Rose appliziert werden sollte. Mit Hilfe eines selbstgemachten Stempels gelang der Auftrag. Mit manchen größeren Aufträgen hatten wir schon Not. Keiner aus der Werkstatt hatte eine professionelle Ausbildung, alles haben wir uns erarbeiten müssen. Nur die Erfahrung der Jahre konnten wir nutzen. Der Umweg über harte Drogen führte dann nach sechs Jahren in die Gemeinschaft Fleckenbühl. Ein Freund erzählte mir davon und brachte mich auch hierher. In der Anfangszeit fiel mir alles richtig schwer, das Leben war streng strukturiert und es gab viel Arbeit. Die ersten sechs Monate musste ich morgens im Stall arbeiten, erst um 10 Uhr dann in der Töpferei. Aber ich bin geblieben, vor allem weil ich auch in Deutschland nur „geduldet“ war. Erst nach vielen Jahren bekam ich eine Aufenthaltsgestattung, dann eine Aufenthaltsgenehmigung und schließlich die Niederlassungserlaubnis. Die Jahre der Unsicherheit waren nicht einfach – aber jetzt ist es vorbei. Die Zeit dort war sehr schön und ich hatte dort auch meine Arbeit und Verantwortung im Arbeitsbereich Bäckerei und Verkauf. 2000 verließ ich Hof Fleckenbühl und habe jetzt mein eigenes Leben mit meiner tollen Familie! Ich habe zwei tolle Kinder im Alter von neun und zwölf Jahren! Ich arbeite als freischaffender Grafiker und suche für meine Aufträge qualifizierte Partner, die den Auftrag weiterverarbeiten. Synanon ist mir empfohlen worden. Der Laden ist ungewöhnlich. Die Leute sind auffällig. Kurze Haare, Latzhosen, dazu ein Name, der aus Kalifornien kommt. In der Druckerei arbeiten süchtige junge Leute. Tag und Nacht ist das Haus geöffnet. Wer ohne Drogen leben möchte, kann hier in der Bernburger Straße beginnen. Als Ronald Meyer, der Chef der Druckerei, mir einen Kaffee anbietet, lerne ich als erstes eine der Synanonregeln kennen. Hier trinkt man schwarz. Ohne Zucker. Dass die Truppe sich gesund ernährt, Vollkorn kaut und biologisch-dynamisch tickt, ist für mich als Vater einer Tochter ein positives Zeichen. Regeln sind notwendig, das leuchtet ein. Dass diese Regeln nicht von Behörden oder deren Mitarbeitern festgelegt sind, sondern von einer Gemeinschaft süchtiger „Freaks", macht sie so besonders. Lebenserfahrung kann Leben verlängern. Die Leute, mit denen ich zu tun te Chance. Tag und Nacht. Bei meinen Begegnungen in der Druckerei lerne ich auch Bewohner kennen, die sich für Synanon als Lebensgemeinschaft entschieden haben. Es sind nur wenige. Doch die Idee macht mich neugierig. Ich höre von Erfahrungen im Kibbuz. Die Suche nach neuen – nicht unbedingt gesellschaftskonformen – Lebensformen ist in den achtziger Jahren nicht nur in Gemeinschaften wie Synanon ein viel diskutiertes Thema. Die Süchtigen mit den kurzen Haaren sind in dieser Zeit oft im Stadtbild anzutreffen. Im nahe gelegenen Tiergarten kann man sie joggen sehen. Ich werde zum Essen eingeladen und bringe meine kleine Tochter mit ins Haus. Über die Jahre lerne ich, „Freund des Hauses", viele Bewohner dieser Gemeinschaft kennen und versuche, diese mir fremde Welt zu verstehen. Bei einem gemeinsamen Projekt, eine „Sammlung von Unterrichtsmaterialien für L ehrer zur Suchtprophylaxe in der Schule", herausgegeben von einer Gruppe betroffener Eltern, öffnet sich mir ein weiteres Fenster. D iese Unterrichtseinheiten, das Thema Drogen, Sucht und Prophylaxe, konzipiert für verschiedene schulische Fächer, sind für mich ein weiterer Erkenntnisgewinn. Ich lese aufmerksam, und langsam bekomme ich einen Eindruck von den unterschiedlichen Facetten dieses gesellschaftlichen Phänomens. Ich lerne: Selbst in den „normalsten“ Familien sind die Entwicklungswege der Kinder nicht immer vorhersehbar und schon gar nicht steuerbar. Nur weil meine Ich wünsche allen Hofbewohnern alles Gute und eine schöne Zeit! Nicole FOTOS: RONALD MEYER Seit 1995 arbeitete ich in der Töpferei, lernte drehen und glasieren – die Arbeit mochte ich sehr gern, die Werkstatt war ein bisschen abseits vom Getümmel auf dem Hof. Wenn man an der Drehscheibe saß und durch das Fenster auf die Wiese und den Weg davor schaute, konnte man sehen, wer kam und wer ging. Wir produzierten Gebrauchsgeschirr, aber es war auch Zeit, sich etwas anderes auszudenken und kreativ zu sein. Wir dachten uns neue Formen und Gefäße aus, aber es war wichtig, dass die Produkte auch brauchbar waren – mit guter Form und rich- Mittlerweile sind fast 20 Jahre vergangen und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ohne die Gemeinschaft nicht mehr am Leben wäre. Ich lebte acht Jahre lang auf Hof Fleckenbühl. Mit Drogen oder Alkohol hatte ich nichts zu tun. Ich kam 1992 auf den Hof, um mit meiner Mutter zusammenzuleben. Der Slogan, der Name, ist mir bekannt. Ich wohne in der Ohlauer Straße in Kreuzberg. Wer von einer Wohnung in die nächste ziehen will, kann sich von Profis dabei helfen lassen. Ab und an sehe ich Lastwagen durch den Kiez fahren, Umzugswagen mit dem gleichen Slogan, blaue Schrift auf weißem Grund. Die Umzugs-Truppe gilt als zuverlässig, hat einen guten Ruf. Ich möchte nicht umziehen. Ich suche eine Druckerei. Bei Synanon ist dies ein „Zweckbetrieb", wie die Umzüge eben auch. NOUR-EDINE R A HMOUNI FOTO: PATRICK CLAYTON Am 15. September 1961 bin ich in Nador, Marokko, als jüngstes von elf Geschwistern geboren, bin also in einer großen Familie aufgewachsen. Über Spanien und Frankreich bin ich 1988 nach Deutschland gekommen. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich leider diese Arbeit aufgeben, arbeitete dann im Landwirtschaftsbüro und neuerdings digitalisiere ich alte Negative, damit wir ein gutes Fotoarchiv aufbauen können. Ich heiße Nicole und bin 38 Jahre alt. Irgendwann in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts: Berlin, Bernburger Straße 24. Ich stehe vor einem herrschaftlichen Haus zwischen Anhalter Bahnhof und Potsdamer Platz. Neben der Eingangstür ein Schild: Synanon. Blaue Schrift auf weißem Grund: Leben ohne Drogen. habe, sind auffällig freundlich. Auch das ist eine der Regeln. Zusammenleben in einer Gemeinschaft will gelernt sein. Arbeiten will gelernt sein. „Schlechte Laune" wird in Gesprächsgruppen abgebaut. Die Regeln sind erprobt und durchdacht. Nicht alle, die sich hier für ein drogenfreies Leben entschieden haben, bestehen diese Prüfung. Rückschläge, Rückfälle, wie im Leben eben. Der Kollege hat uns verlassen, heißt es dann. Aber er kann ja wiederkommen. Jedem eine zwei- kleine Tochter mit mir an einem Synanon-Tisch saß und eine Scheibe Brot mit handgemörsertem Gomasio knabberte, wird der Weg ihres Lebens nicht weniger steinig sein. Die Hoffnung, dass die Lehrer unserer Kinder sich dem Thema „Suchtprophylaxe" annehmen, stirbt zuletzt. Ich halte den Kontakt mit der Druckerei für viele Jahre. Es entstehen Freundschaften. Ronald und Helga ziehen mit dem Truck nach Fleckenbühl. Mittlerweile sind mehr als dreißig Jahre vergangen. In Fleckenbühl steht ein neues Jubiläum ins Haus. Meine Kinder sind mittlerweile erwachsen. Sie kennen Synanon nur aus der Erinnerung ihres Vaters. Die hessische Variante kennen sie nicht. Auch in der Schule hat Sucht und deren Folgen keine Rolle gespielt. Die Drogenszene hat sich verändert, so wie die Welt sich verändert. Helga und Ronald Meyer haben beide kontinuierlich dazu beigetragen, eine funktionierende Suchthilfe-Einrichtung mit aufzubauen. Bei einem Besuch bei den Meyers auf Fleckenbühl trinke ich wieder diesen schwarzen Kaffee. Für Gäste gibt es ein Schälchen mit Zucker. Ich sage gerade nein danke, als mir Helga Meyer mit einem Lächeln die Frage stellt: „Hat sich dein Leben verändert, nachdem du uns kennengelernt hast?“ dass der Gedanke, dass es da draußen Gruppen gibt, die helfen können, mich heute genauso fasziniert wie vor mehr als dreißig Jahren. Ja, ich bin älter geworden. Mit zunehmendem Alter soll ja bekanntlich das Langzeitgedächtnis den Kampf gegen das kurzzeitige gewinnen. Vielleicht liegt es d aran, R A NDY WA RW EL Ich würde nicht zögern, diese professionelle Hilfe anzunehmen. Eine Empfehlung auch an meine Kinder und Enkelkinder. 10 MENSCHEN DIE FLECKENBÜHLERER3. AUSGABE 2014 3. AUSGABE 2014RDIE FLECKENBÜHLER MENSCHEN 11 Lucrezia kennt Ronald am längsten Ferien auf dem Bauernhof und hat die Gemeinschaft gefunden, in der sie leben will Sabrina träumt von Gemeinschaft Ich kannte Ronald seit seinem zehnten Lebensjahr. Zu der Zeit arbeitete ich als Juristin in der Senatsverwaltung für Jugend und Sport in Berlin. Von meiner Sekretärin wurde ich gebeten, mich etwas um Ronald und seinen jüngeren Bruder zu kümmern, da sie Waisenkinder waren und in einem Berliner Heim wohnten. Es sollte aber keine juristisch abgesicherte und vom Amt zu finanzierende Bindung sein. So waren beide an jedem zweiten Wochenende sowie in den Ferien und zweimal in der Woche zum Schularbeiten machen bei meinem Mann und mir. 1971 zog Ronald zu Release in Berlin (später Synanon, und heute „die Fleckenbühler“). So lernte ich das Ich durfte zu Silvester mit Ulrich in „Dinner for one“ spielen und habe neue Freundschaften geschlossen. Über meine ewige FAZ-Sucherei regt sich nur Ronald auf, soweit ich das beurteilen kann. Ich werde weiterhin liebevoll behandelt und gegrüßt, und dafür möchte ich allen (wirklich jedem Einzelnen) herzlich danken. Wie wohl ich mich hier fühle, wurde mir im Juni bei einem Kurzbesuch in Berlin bewusst. Was freute ich mich auf die Rückkehr nach Frankfurt in mein neues Zuhause! Schwierigkeiten machen mir noch die plötzlichen Abgänge. Einige der Ausziehenden mochte ich sehr. Muss da noch ein dickeres Fell bekommen. Haus in der Bernburger Straße, den Anfang in Berlin-Lichtenberg, den Jägerhof und Schmerwitz kennen. Und nun war ich zum ersten Mal in Fleckenbühl. Die Anlage und die Organisation fand ich gut. Ich war dann mehrmals dort zu Besuch und später auch im Frankfurter Haus. Ich kokettierte auch schon mit dem Gedanken eines Umzugs, aber erst als ich mal in Frankfurt in einem Zwei-Zimmer-Bereich mit kleiner Küche untergebracht wurde, konnte ich mir einen Einzug mit meinen vielen Möbeln (und Büchern) und sonstigem Kram – ich bin nämlich der Typ der Sammlerin – vorstellen. Obwohl ich schon in Berlin in der Vorbereitung auf den Umzug mithilfe einer amerikanischen Freundin viel wegwerfen und verschenken musste (hatte ja mal mit den „Jungs“ eine 260 qm große Wohnung über zwei Etagen), können die Fleckenbühler Transporter ein Lied von dem vielen Zeug, das ohne mich erst einmal in der Tiefgarage des Frankfurter Hauses untergebracht werden musste, singen. FOTO: PATRICK CLAYTON 1987 oder 1988 lernte ich auf einem Seminar über biologisch-dynamische Landwirtschaft in Darmstadt Ingrid Kaftan vom Hof Fleckenbühl, der damals noch zu Synanon gehörte, kennen. Ich fuhr spontan mit ihr auf den Hof, da Ronald Meyer in derselben Gemeinschaft in Berlin gelebt hatte. gangenheit. Außerdem sind sie nicht spießig. Der Umzug im Mai 2013 war daher hart für mich, aber auch das Einräumen. Von meinem zusätzlich gemieteten Zimmer schlich ich mich so manche Nacht in die noch leere Wohnung zum Ausmessen. Und dann alles aus der Garage nach oben holen (lassen)! Bin noch heute am (z.T. Um-) Sortieren, denn ich bin leider nicht die Ordentlichste, obwohl Ronald sagt, dass ich es früher war. Fleckenbühl ist am Anfang nicht immer einfach, aber man lernt mit den Regeln umzugehen. Elisabeth wurstelt sich durch Ich hatte außerdem mein Kind zur Pflege gegeben und meine Beziehung war auch gescheitert, ich hatte also nichts mehr zu v erlieren, sondern konnte nur gewinnen. Nach zwei Tagen Ausnüchterung im Aufnahmehaus traf ich – fest entschlossen – die Grundsatzentscheidung, nie mehr Drogen zu nehmen. Mit diesem Bewusstsein ließ ich mich also auf den Hof ein, ohne zu wissen, was auf mich zukommt. Na ja, dachte ich, wenn das viele sagen, wird da schon was dran sein, also machte ich und blieb und hoffte, dass alles gut wird. Dann immer dieser Spruch: „Gotte gebe mir Gelassenheit …“ Immer wenn ich in die Metzgerei ging, sah ich diesen Spruch und konnte anfangs gar nichts damit anfangen, aber ich blieb und las ihn immer, wenn ich die Treppe runterging, und das war oft, denn ich hatte vergessen, was ich holen sollte, also musste ich wieder rauf und runter und wieder lesen, irgendwann dann, ganz unerwartet und plötzlich, wusste ich, was er bedeutet. Anfangs wusste ich gar nicht, was jeder von mir wollte, der eine sagte dies, der andere das, was aber Ich wünsche uns weiterhin für die mir noch verbleibende Zeit ein gutes Gedeihen. Mich fasziniert auch die Offenheit der Bewohner hinsichtlich ihrer Ver- Von diesem Augenblick wusste ich, dass „Alles gut wird“. Wenn ich so zurückblicke, dann war das eine harte aber auch eine sehr schöne Zeit, von der ich keinen Tag missen möchte. Ich habe gelernt, die Dinge im Kleinen zu betrachten, Stück für Stück und jeden Tag, an dem ich blieb, wurde es besser. Mein Kind sah ich regelmäßig, arbeiten durfte ich in der Metzgerei, wo es sehr schön war, und vor allem lustig. Heute habe ich mein Kind und mein Leben wieder und ich hätte nie gedacht, dass ich es schaffe, von den Drogen loszukommen. ELISA BETH Zwei Therapien, zweimal Hof Fleckenbühl, einmal zwei Jahre und nach einem Rückfall nochmal eineinhalb Jahre. Und mein Junge, nun schon 18 Jahre alt, musste all dies mitmachen. Keine Ahnung, wie oft und wie viele Vorwürfe ich mir deshalb schon gemacht habe. Und ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen. Es war bei Gott eine sehr harte Zeit und mit Sicherheit nicht einfach. Aber ich glaube, es soll auch nicht einfach sein, clean oder trocken zu werden. Jetzt bin ich bald neun Jahre trocken und bin immer wieder gerne zu Gast auf dem Hof. Es ist für mich einfach schön, die alten Bekannten wiederzusehen. Und immer wieder wird auch nach meinem Dominik gefragt. Und das ist schön. Um es zusammenzufassen: Es ist gut, dass es die Fleckenbühler gibt Danke euch Allen Peter In der Zeit, als wir 15/16 Jahre alt waren, veränderte sich die Situation. Anna ging ihre eigenen Wege. Fleckenbühl war nicht mehr Mittelpunkt der Welt. Mit der Zeit wurde der eigentliche Grund, meinen Vater zu besuchen, fast verdrängt vom Pflegen tiefgehender Freundschaften zu Menschen und Tieren. Meine beste Freundin Anna Warnke kenne ich, seit ich ca. zehn Jahre alt bin. Ich habe fast alle Ferien auf Hof Fleckenbühl verbracht und mich dort mit meinen Berliner Freundinnen getroffen. Die Enttäuschung war immer sehr groß, wenn die Berliner Ferien sich kaum mit den BadenWürttemberger Ferien überschnitten. Ich habe dann einige Jahre später ein Praktikum auf Hof Fleckenbühl gemacht, da ich vorhatte, Agrarwissenschaften zu studieren. Im Sommer 1999 war ich zwei M onate im Stall, in der Käserei, in der Landwirtschaft und im Garten. Vor fünf Uhr begann der Stallalltag, Kühe melken, was mir Thomas geduldig beibrachte, Ställe a usmisten, Füttern usw. Um neun Uhr gab es dann für uns „Futter“. Nie zuvor hatte ich solchen Hunger und Appetit gleichzeitig. Nie zuvor hat es mir so gut geschmeckt wie bei diesem NeunUhr-Stallfrühstück. In der Mittagspause schlief ich meist auf meiner Matratze vor Erschöpfung ein. Der Tag begann meist schon um sieben Uhr damit, die Pferde auf die Weide zu bringen. Wir ritten oft dreimal am Tag. Es war für mich wie ein kleines Paradies. Oft schliefen wir zu mehreren in einem großen Raum mit Matratzen und hatten bis in die Nacht hinein sehr viel Spaß. Neben den Tieren (wir liebten auch die Katzen, die Kälber, jeder hatte eine Lieblingskuh) waren da noch die Schwärmereien. Je älter wir wurden, desto interessanter waren einige der „Synanonjungs“ für uns, auch wenn sie mit ihren ca. 20 Jahren doch „viel zu alt“ für uns waren. Wir suchten ihre Nähe in der Küche, in der Backstube, im Hausbüro und immer wieder gerne im Stall. Oft nervten wir sicher auch mit unserer kichernden, vorpubertären Art, jedoch kam uns das kaum in den Sinn. Für die legendären Synanondiscos machten wir uns schick und freuten uns auf einen Abend, an dem wir länger aufbleiben und tanzen durften. der Bank sitzt. Wenn dieser XY einer unserer Angebeteten war, dann war die Trauer groß. Und wir hofften, dass ihn noch jemand überzeugen könnte zu bleiben. So lernte ich auch erste Abschiede kennen und so etwas wie ersten Liebeskummer. Leider blieb es nicht aus, dass uns ans Herz gewachsene Menschen den Hof wieder verließen. Es ging dann schnell herum, dass XY auf Was stets in Erinnerung bleiben wird, ist der Umgang mit mir/uns, die große Herzlichkeit und Freundlichkeit. Das gemeinsame Essen von LUCREZI A WACHE Vor mittlerweile 15 Jahren hatte mich ein schlimmes Familienereignis in die Alkoholabhängigkeit gerissen. Dumm! Die Einsicht kam beim Treppensteigen viele sagten, war: „Einfach nur machen, weiter geht‘s, immer weiter“ und „Einfach nur dableiben“ und dann „Alles wird gut“. Der Küche mache ich bestimmt etwas Kummer, auf alle Fälle zusätzliche Arbeit, da ich wegen des seit 1997 fehlenden Magens nicht alles essen darf. Ich staune über alle (besonders Ulla), die damit befasst sind. Hallo zusammen, mein Name ist Peter und ich bin ein ehemaliges Mitglied der Fleckenbühler Gemeinschaft. Fleckenbühl hat mich in meinem Leben bis heute sehr geprägt. Und an dieser Stelle noch mal danke an alle. Franziska Als ich im Januar 2008 auf den Hof Fleckenbühl kam, hatte ich etliche Entgiftungen und Therapien hinter mir. Es kostete mich viel Zeit, die richtigen Ärzte zu finden. Aber mir ist viel geholfen worden, in jeder Hinsicht. Ich wurde sehr freundlich und vorurteilslos aufgenommen. Ich gehöre ja nicht direkt zu ihnen, allerdings war mein Mann (später trockener) Alkoholiker, was ich bei der Heirat nicht wusste. Als Großstadtkind habe ich Frankfurt und nicht Hof Fleckenbühl gewählt. Frankfurt-Niederrad ist für mich als „Kleinstadt“ eine neue Erfahrung. Ich werde von vielen gegrüßt, die ich auch durch Veranstaltungen bei uns, im Laden, beim Physiotherapeuten oder durch andere Begegnungen beim Einkaufen usw. kennengelernt habe. Synanon begleitet mich schon fast mein ganzes Leben. Auch wenn ich dort nie gelebt habe, dann habe ich doch zeitweise dafür gelebt, dort regelmäßig meine Ferienzeit zu verbringen. Ursprünglich ging es noch in Begleitung von Oma nach Synanon Berlin, um meinen Vater zu besuchen, ab 1984 dann zum Hof Fleckenbühl. FOTO: PRIVAT Seit Mai 2013 lebe ich im Frankfurter Haus der Fleckenbühler. Wann fasste ich den Entschluss, meinen Lebensabend hier zu verbringen? Ich hatte schon in den 90er Jahren die Vorstellung eines Lebens in einer Gemeinschaft: Ein ganzes Wohnhaus in Berlin mit Freunden; Informationsseminar an der Nordsee (mit Meditation); Besuch einer Landkommune in Südfrankreich mit deutschen Jugendlichen und ähnlicher Struktur und so fleißigen Bewohnern (die vordem als arbeitsscheu galten) wie hier; Arbeit in einer Landkommune nahe der Porta Westfalica, in der mir klar wurde, dass biologisch Angebautes wesentlich teurer sein muss; Besuch einer geplanten spirituell ausgerichteten Gemeinschaft im Elsass mit einem Bildhaueratelier samt Lernseminar in Colmar; Einladung von Barbara Rütting, die ich bei Bruker kennengelernt hatte, in ihr Seminarhaus nahe Salzburg. All dies scheiterte vorwiegend an organisatorischen Gründen oder fehlenden Genehmigungen. Es sollte (noch) nicht sein. all dem leckeren – obwohl gesunden – Essen war eine besondere gemeinschaftliche Erfahrung, die ich als Einzelkind bei Oma überhaupt nicht kannte. Einzig der Zucker fehlte mir ein wenig. War ich doch ein Kind, das mit viel Süßigkeiten und Limo aufwuchs. Mit Anna drückte ich mich daher gerne in der Speisekammer herum und wir naschten Carobcreme, Honig und Rosinen und was wir sonst noch so fanden. Es war anders, als als Kind dort zu sein und mitzuarbeiten. Dennoch fühlte ich mich genauso wohl und willkommen wie damals. Der Umgang miteinander war stets respektvoll und freundlich. Der morgendliche Himmel im Garten war unglaublich. Sowieso finde ich den Himmel über Schönstadt besonders schön und besonders nah. Im Anschluss an das Praktikum studierte ich dann doch was ganz anderes und zwar Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Personalwesen. Jetzt arbeite ich in der Bundesagentur für Arbeit als Arbeitsvermittlerin für das Job Center („Hartz IV“). Die Arbeit mit den Kunden macht mir Spaß. Es ist ein wenig wie Sozialarbeit. Ich denke, ich bin fair und freundlich zu den Kunden. Der Wunsch, aufs Land zu ziehen bleibt. Gerne würde ich ein Leben auf dem Land in der Gemeinschaft mit Tieren realisieren. Anna lebt mittlerweile in Frankfurt und ist Lehrerin, sie ist und bleibt meine beste Freundin. Vielleicht machen wir das Projekt Wohngemeinschaft ja irgendwann zusammen wahr. Das damalige Synanon war für mich ein Halt und eine Stütze. Ich hatte viele schwierige Situationen im Leben zu durchstehen, aber immer dachte ich: „Wenn du es nicht schaffst, gehst du zu Synanon, dort wirst du Unterstützung finden.“ Dieser Ort, an dem so viele Menschen mit schwierigen Biografien friedlich zusammenleben, beeinflusste meine gesamte Weltsicht. So war es theoretisch aus meiner Sicht für alle Menschen in der Welt möglich, in Frieden miteinander zu leben! Wie dort im Kleinen, so im Großen. Und zwar respektvoll zueinander, zu den Tieren und im Umgang mit der Natur im Allgemeinen (im Rahmen der biologisch dynamischen Landwirtschaft. Bis heute taucht das damalige Synanon in meinen Träumen auf, das Miteinander, die Erfahrungen in Fleckenbühl, die positive Grundstimmung. Diese Träume sind stets intensiv und tröstend für mich. Diese Gemeinschaftsform hat tiefe Spuren in mir hinterlassen. Darin sehe ich, wie viel diese Gemeinschaft auch bei Betroffenen bewegen kann. In dem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal Irene, Ingo und Anna Warnke danken, durch sie und von ihnen habe ich viel gelernt. Auch wenn ich all die letzten Jahre nicht mehr in Fleckenbühl war und immer verzweifelter denke: „Bald ist gar keiner mehr da, den ich kenne!“ hoffe ich, dass es mich in Zukunft wieder einmal dorthin verschlägt! Zum Schluss noch ein Happy End: Mein Vater war zehn Jahre lang heroinabhängig. Meine Kindheit und vor allem das Leben meiner Großmutter waren davon geprägt. In Synanon wurde er nüchtern und ist dies bis heute. SA BRINA FOTO: RONALD MEYER Ich war schon ein paar Monate auf dem Hof, als sich drei Hofbewohner, junge Männer, darüber unterhielten, dass sie am Abend ins Kino gehen würden und in welchen Film, und ein Auto für die Fahrt war auch zu haben. Ich war dabei, die Tische für das Abendbrot einzudecken. Wie ich ihnen so zuhörte und sie beobachtete, überfiel mich eine große Mutlosigkeit. Nie wieder werde ich ein normales Leben führen können, nie wieder einfach ins Kino gehen, ganz zu schweigen vom Autofahren, dachte ich. Die drei, denen ich zuhörte, hätten ebenso gut sagen können, dass sie am Abend in ihre Raumkapsel steigen und zum Mond fliegen würden. So unerreichbar schien mir das normale Leben zu sein. Die Männer treffe ich noch heute, einen von ihnen oft, denn er leitet unsere Käserei, die beiden anderen über die Jahre immer wieder einmal. Dann freue ich mich immer ungemein. A MREI BORSUTZK Y 12 MENSCHEN DIE FLECKENBÜHLERER3. AUSGABE 2014 3. AUSGABE 2014ERDIE FLECKENBÜHLER MENSCHEN 13 Gute Zeiten, schlechte Zeiten Von Tag zu Tag ging es besser Ingrid zeigt sich krisenfest Stefan ist sechs Jahre nüchtern 1985 - Es ist Mitte Juli und unser Projekt Sonnenbühl auf der schwäbischen Alb ist gescheitert. Wir – Janos, Marianne, Jerry, Christian und ich – packten unsere Sachen und fragten, ob wir nach Fleckenbühl kommen können. Ingos Antwort: Kommt her, wir haben viel Arbeit. Die Fahrt mit unserem vollgepackten VW-Bus vergesse ich nicht, kurz vor Cölbe fiel die Gangschaltung aus und wir schlichen im zweiten Gang auf den Hof. Im Flur stand die Bank, ich musste mich setzen und erst mal heulen – erleichtert, dass wir angekommen waren, und traurig, weil wir etwas hatten aufgeben müssen. Vor einigen Tagen habe ich mein sechstes nüchternes Jahr vollendet. Der nüchterne Geburtstag ist für mich immer ein Anlass, daran zurückzudenken, wie alles seinen Lauf nahm. Bevor ich zu den Fleckenbühlern kam, bestand mein Leben hauptsächlich aus dem Suff. Alkohol war mein Leben. In den nächsten fünf Jahren blieb wenig Zeit zum Grübeln oder Trauern, wir hatten alle Hände voll zu tun. Das war gut! Wir – um die 20 Menschen – lebten auf engem Raum im jetzigen Verwaltungshaus zusammen, das hat uns auch beieinander gehalten. Eine Notgemeinschaft mit großen Hoffnungen. Die Gebäude wiederbeleben, die ersten zwei Kühe versorgen, Menschen aufnehmen, die Nachbarn kennenlernen. Wir wurden langsam akzeptiert. 1987 Tschernobyl – eine Katastrophe, die wir überhaupt noch nicht einordnen konnten. Ingo lief mit einem Geigerzähler über die Felder. Das hat uns nicht zuversichtlicher gemacht. Aber aufgeben? Unsere Kinder durften nicht aus dem Haus. Die Milch unserer Kühe sollten wir nicht trinken. Ich besorgte große Mengen Milchpulver. Nach einiger Zeit haben wir uns mehr unserer Hoffnung zugewandt und einfach weiter am Auf bau gearbeitet. 1989 Wir bauen die Töpferei auf. Welche Freude! In manchen Dingen kann ich sehr hartnäckig bleiben. Ich wollte eine Werkstatt am Hof haben. Den ehemaligen Hühnerstall – eine Ruine – bauten wir zusammen auf. Bis heute ist es die Keramik-Werkstatt von Fleckenbühl, immer ein beliebter Ort für Kinder und kreative Erwachsene und trägt bei zu guten Erlebnissen, nicht so viel zum finanziellen Erfolg. Wie immer war ich zu Hause mit meinem Freund Alkohol, als dieser mich eines Morgens mit einem epileptischen Anfall begrüßte. Ich landete im Krankenhaus. Hier wurde mir, wie schon oft, erzählt, dass, wenn ich so weiter mache, ich mich von der Welt verabschieden kann. Das gab mir diesmal zu denken. Darauf musste ich erst mal was trinken. Anschließend bin ich zu einer sehr guten Bekannten gegangen und habe sie um Rat gebeten. Im Internet fanden wir die Fleckenbühler. In all den Jahren, bis heute, ging es immer turbulent bei uns zu. Zeiten mit mehr Sicherheit wechselten mit solchen, in denen nicht klar war, ob wir hier überleben können. Die Zeit der Trennung von Synanon und der Weg in die Fleckenbühler Selbständigkeit war eine anstrengende. Aber wir leben! Es fand ein Begrüßungsgespräch statt und ich wollte danach meine Tasche aus dem Auto holen, mit dem Hintergedanken, wieder mitzufahren. Doch Regina und ein Fleckenbühler meinten, ich solle ruhig hier auf der Bank warten. Der Fleckenbühler kam mit meiner Tasche zurück, Regina war inzwischen weggefahren. Ich war sauer, wütend und ängstlich, es war alles so anders. Ich musste noch einige Zeit im Aufnahmebereich sitzen, wo ich mir so meine Gedanken machten. Gedanken, dass ich doch besser gehen sollte. Viele Fleckenbühler haben mit mir gesprochen, dass ich es doch erst mal versuchen sollte und ich dann immer noch gehen könnte. Wenn ich mein Leben bis hierher anschaue, seit 42 Jahren – das ist mehr als die Hälfte meines Lebens – bin ich in dieser bunten, lebendigen Gemeinschaft von so unterschiedlichen Menschen zuhause. Mit einigen habe ich eine lange Freundschaft, immer wieder landet jemand bei uns, mit dem mich gleich Sympathie verbindet. Neue Freundschaften können sich entwickeln. So viele Erinnerungen an Feste und an Krisen, an Gelungenes und an Aufgegebenes, an die vielen, vielen Menschen, die hier vorbeigezogen sind. Und an die toten Freunde wie Günter unseren Schlosser. Am nächsten Tag rief ich dort an. Dabei erfuhr ich, dass Tag und Nacht Aufnahme ist, und dass ich einfach nur zu kommen brauche. Ich solle nicht zu lange warten. Da ich jederzeit kommen konnte, ließ ich mir noch ein paar Tage Zeit. Und ich glaube, man kann hier nicht leben, ohne zu lernen. Man ist gezwungen, sich zu ändern – im Rahmen des Möglichen. Überhaupt sind die Chancen für ein „neues Leben“ sehr, sehr groß – nur wollen muss man schon selber. Petra wagt das Glücklichsein Dann bat ich Regina, meine Bekannte, mich nach Fleckenbühl zu bringen, was sie auch sofort in Angriff nahm. So landete ich am 16. Juni 2008 in Fleckenbühl. Leben leben geht vorwärts – Leben verstehen rückwärts. Ich bin 56 Jahre alt und lebe mittlerweile im achten Jahr nüchtern. Zufrieden und nüchtern. Zufrieden nüchtern, und ganz oft dabei auch glücklich … FOTO: PATRICK CLAYTON Ohne wirkliche Freunde lebte ich zurückgezogen in meiner eigenen Glücksspielwelt. Angewidert von meinen Lügen und mit dem Wissen, ich müsste mich das erste Mal allen Schandtaten auf einmal stellen, beschloss ich nach Fleckenbühl zu gehen, oder besser noch, zu flüchten. Eine herkömmliche Therapie kam für mich nicht in Frage. Durch meine frühzeitige Drogenkarriere war ich schon einmal sechs Tage auf dem Hof Fleckenbühl gewesen. Eine Selbsthilfe-Gemeinschaft ohne Drogen und Süchte ist das einzige, was mir geholfen hat. So dachte ich früher, so denke ich heute. Jonas Über vier Jahre war ich in der Jugendhilfe Leimbach. Nun lebe ich in Norddeutschland und arbeite als Hausmeister in einem Hotel. Dass es mir heute so gut geht und ich keinen Alkohol brauche, verdanke ich den Fleckenbühlern. STEFA N Ich kämpfe jeden einzelnen Tag ums Überleben, meine Nüchternheit und meine Fassung ... Es ist nicht leicht, „draußen“ zu wohnen, nur leider sieht man das nicht, solange man auf dem Hof oder im Frankfurter Haus ist. Ich denke nicht, dass meine Geschichte eine sehr rosige, aufblühende Geschichte wäre, die den Menschen Hoffnung macht. Klar, nüchtern bin ich, aber um welchen Preis ... Isoliert von der Außenwelt, in meinem eigenen Trott lebend, jeden Cent dreimal umdrehend. Ganz ehrlich, ich mach das nicht für mich, schon lange nicht mehr, aber ich bin Mama und habe somit keine andere Wahl. Die Leichtigkeit des Seins war noch nie meine Stärke, aber was ich von meiner Zeit bei den Fleckenbühlern mitgenommen habe, ist ein wahnsinniges Durchhaltevermögen und dafür bin ich euch auch sehr dankbar. Liebe Grüße nach Frankfurt Nadja Wie Heintje und die Fleckenbühler geholfen haben INGRID K A FTA N Am 5. August 2008 gab es 52,4 % Single-Haushalte in Berlin und ich war einer von denen. Gegen Abend kam ich ins Haus, war sehr verwirrt und mein Entzug setzte ein. Mein Bett war meine Rettung. Am nächsten Morgen wachte ich schweißgebadet auf, ich zitterte am ganzen Körper, so bin ich dann zum Frühstück, in Begleitung. Die Kaffeetasse konnte ich nicht halten, essen ging auch nicht. Da ich nicht wirklich zu gebrauchen war, gab man mir leichte Putzarbeiten, bei denen ich mich immer wieder hinsetzen konnte. Von Tag zu Tag ging es immer besser. Sechs Wochen habe ich gekämpft, bis es mir körperlich und seelisch besser ging. Nach einigen Monaten konnte ich in die Jugendhilfe Leimbach wechseln. Ich war glücklich, dass ich dort im Garten mit den Jugendlichen arbeiten konnte. Ich bekam so langsam wieder einen neuen Sinn für mein Leben. Auch merkte ich, dass nach und nach mein Kopf klarer wurde und ich mir mehr zutraute. An meinem ersten nüchternen Geburtstag war ich sehr stolz. Hallo liebe Helga, ich habe sehr lange darüber nachgedacht, ob ich etwas schreiben soll, ob ich es überhaupt kann und ob meine Geschichte in irgendeine Zeitung gehört und bin zu dem Schluss gekommen, dass dem nicht so ist ... Naikan hat geholfen Christians Mutter kann wieder ruhig schlafen Mein Name ist Christian, ich bin 23 Jahre alt. Seit 14 Monaten bin ich in Fleckenbühl. Ich bin gelernter Maurer und arbeite als Handwerker im Bereich der Fleckenbühler Haustechnik. Die Abwechslung im Arbeitsbereich gefällt mir, ich kann überall reinschnuppern, ob es der Sanitärbereich ist oder die Zimmerei. Vor allem finde ich gut, dass ich zum Großteil selbstbestimmt arbeiten kann. Sehr viel Spaß machen mir die großen Umbauprojekte, zum Beispiel habe ich von Anfang an beim Küchenumbau mitgearbeitet. Auf dem Hof habe ich Naikan mitgemacht, das hat mir eine neue Sicht auf mein Leben gezeigt. Hier habe ich mich selbst wieder kennengelernt. Zu meiner Familie hatte ich keine gute Beziehung, es gab zu Hause viel Ärger. Seit ich hier bin, läuft es besser, meine Mutter sagt, dass sie wieder ruhig schlafen kann. Das gibt mir immer wieder neuen Ansporn hierzubleiben und mein Leben in die Reihe zu kriegen Im handwerklichen Bereich möchte ich mich fortbilden, ich möchte zum Beispiel den Gerüstbau-Lehrgang machen. Vielleicht schaffe ich es auch, meinen Führerschein zu machen. Wenn ich Freizeit habe, bin ich gerne in unserer Fahrradwerkstatt, ich schraube und bastle gerne. Beim Sport im Kraftraum und beim Wandern in der Umgebung kann ich vom Alltag abschalten. Da ich momentan etwas an Übergewicht leide, habe ich meine Ernährung umgestellt und schon vier Kilo abgenommen. Mein großes Ziel ist es, meinen Techniker im Hochbau zu machen. CHRISTI A N Bis hierhin war es ein weiter und oft auch ein sehr schwieriger Weg. Ein Weg, der schon zu Beginn geprägt war durch physische und psychische Gewalt. Ein Weg mit viel Angst, unendliche Stunden voller Zorn, Isolation, immer wiederkehrender Einsamkeit und tiefster Verzweiflung. Die ersten 13 Jahre habe ich in einem Kinderheim gelebt, das von katholischen Ordensschwestern geführt wurde. Zunächst auf der Säuglingsstation, dann in der Krabbelgruppe und mit fünf Jahren dann in der Schulkindergruppe. Dort waren wir etwa 25 Mädchen und wir alle schliefen in einem großen Schlafsaal. Selten, dass ich eine Nacht durchschlief. Das Weinen irgendeines Mädchens, oder aber mein eigenes Schluchzen, hielten mich sehr oft wach. Ich war ein lebhaftes und auch sehr neugieriges Kind. Und zwischendurch war ich auch sehr frech. Bestrafungen gab es in den unterschiedlichsten Formen. Die beiden schlimmsten Strafen für mich waren: Nachts barfuß auf dem dunklen Flur stehen und darüber nachdenken, was ich tagsüber alles falsch gemacht habe, oder selber den Handfeger holen müssen, um mich damit von Schwester Scholastika verprügeln zu lassen. „Dich kriegen wir auch noch klein!“ war Schwester Scholastikas Lieblingssatz. Oder: „Hör auf, dich zu rühmen!“, wenn ich voller Stolz gute Noten mit nach Hause brachte. Ein Glaubenssatz von mir selber lautete: „Ich darf nicht glücklich sein!“ Aus dieser Überzeugung habe ich mein ganzes Leben gestaltet. Mein Weg der Zerstörung war sehr lang. Meine Suchterkrankung, das Borderline-Syndrom und eine posttraumatische Belastungsstörung begleiteten mich viele Jahrzehnte. Was mich immer wieder gerettet hat, war, dass ich auch immer wieder einen Zugang zu meinen eigenen Ressourcen gefunden habe. Ich habe die Fähigkeit, mich zu begeistern. Dadurch ist mein Leben sehr bunt. Ich bin sehr kreativ. Mich über das Gestalterische auszudrücken, erlebe ich als sehr heilsam. Und ohne Heintje wäre ich vielleicht nicht mehr am Leben. Seine Stimme, seine Lieder haben mich als Kind gerettet. Sie waren Trost und Zuversicht. Ich habe immer wieder selber gesungen. Singen bringt mich in Kontakt mit mir selber. Mein Inneres ist reich an Emotionen und ich bin dankbar dafür. Im März 1991 kreuzte mein Weg den der Fleckenbühler. Ich kam völlig verwirrt auf den Hof und wagte es nicht, mich zu meiner Sucht zu bekennen. Mir war gar nicht wirklich klar, dass ich suchtkrank war. Im Aufnahmegespräch erzählte ich, dass ich gehört hätte, auf dem Hof arbeiten zu können, und dass ich Interesse hätte, dort zu leben. Ich glaube, Ronald und die anderen haben nicht schlecht gestaunt, als sie mich reden hörten. Und dann, mitten im Gespräch, ohne auch nur die geringste soziale Kompetenz, stand ich auf, verlangte nach meinem Rucksack und verschwand wieder vom Hof. Schon auf der Landstraße angekommen, hörte ich eine Frau rufen: „Petra, bleib doch mal stehen! Mensch, wo willste denn jetzt hin?“ Ich wusste es nicht. Ich war obdachlos und die Frau musste mich nicht lange überreden, wieder mit auf den Hof zu kommen. Dann die übliche Prozedur: Filzen, Duschen, Latzhose und dann erst mal zurück auf die „Bank“. Später etwas zu Essen und zu Trinken und zum Abend eine Matratze im Aufnahmezimmer. Herrlich, die Bettwäsche roch ganz frisch und ich hatte Lust, noch etwas zu quatschen. Aber die Frau, die die Nachtwache mit mir machte, wollte schlafen, und auch ich schlief dann sehr schnell, mit dem wohligen Gefühl, in Sicherheit zu sein, ein. Ich blieb nur eineinhalb Jahre auf dem Hof, und trotz meines schwierigen Sozialverhaltens gab es während der gesamten Zeit immer auch das Gefühl angenommen zu sein. Ich habe eine Gemeinschaft kennengelernt, die geprägt war durch eine klare Tagesstruktur, mit einer supertollen, wohlschmeckenden Bioküche und einem „Spiel“, das ich leider nicht verstanden habe, und das ich leider nie gelernt habe zu spielen. Heute weiß ich, dass es ein Segen ist, dass es diese Gemeinschaft gibt. Sie bietet Platz für Menschen in höchster Not. Sie unterstützt und begleitet Menschen in ein nüchternes Leben. Auch wenn ich für mich einen anderen Weg gewählt habe, mein Leben zu gestalten. Uns eint der gemeinsame Wunsch nüchtern und friedlich leben zu wollen und es macht mich glücklich, mit ein paar dieser Menschen in Kontakt zu sein. Weiterhin viel Freude und viel Erfolg für eure Arbeit. PETR A Naja, was soll ich großartig erzählen, als ich 1995 zu euch gekommen bin, wusste ich nicht, was auf mich zukommen würde. Nüchtern werden? Eigentlich will ich doch nur mein Jahr Auflage vom Gericht rumbekommen und dann wieder verschwinden. Nüchtern werden kann ich auch zuhause. Ich denke heute ganz anders. Ich muss mir immer wieder eingestehen: Wenn ich nicht zu euch gekommen wäre, würde ich wohl nicht mehr da sein. Ihr habt mir gezeigt, wie man nüchtern wird und auch bleibt. Sieben Jahre bei euch – eine tolle Zeit. Hiermit möchte mich nochmals bei allen bedanken, die mich in dieser Zeit begleitet haben. Vielen, vielen Dank Dirk 14 MENSCHEN DIE FLECKENBÜHLERER3. AUSGABE 2014 3. AUSGABE 2014ERDIE FLECKENBÜHLER MENSCHEN 15 Freiheit beginnt, wo die Sucht endet Ein Leben, aufregend und überraschend Thomas schlingerte in die Nüchternheit Marie, die Powerfrau Hallo, mein Name ist Thomas, ich bin alkohol- und drogenabhängig und seit nunmehr einigen Jahren trocken und clean. Als Helga mich eingeladen hat, einen Beitrag zu schreiben, hatte ich erst große Bedenken, von meinem Weg in die Nüchternheit zu erzählen, weil ich nicht den geraden Weg, sondern sehr viele Umwege gegangen bin. 1970 wurde ich geboren und bin, nachdem uns unsere Mutter verlassen hat, mit meinen beiden Geschwistern bei den Großeltern aufgewachsen. „Scheiß-Kindheit“, die Großeltern völlig überfordert, wir drei traumatisiert, noch zwei minderjährige Onkel und wenig Geld. Meine Großmutter gab oft uns die Schuld an dieser Situation, und so glaubte ich das auch. Zitat: „Du bist wie deine Mutter“, für mich eines der schlimmsten Dinge der Welt. Ich sollte so sein wie ein Mensch, der sein eigen Fleisch und Blut verlassen hat, der böse, nichtsnutzig und undankbar war? Wenn die Erwachsenen das sagen, wird es schon stimmen. Kindergarten o.k., Grundschule fast o.k., Realschule bis zum ersten Kontakt mit Alkohol auch. Aber dann begann der schlimmste Alptraum. Bei uns im Dorf war der Alkohol allgegenwärtig und so kam es, dass auch ich einen Schluck von diesem Zaubertrank probieren durfte. Heute würde ich sagen, dass es, als die Wirkung einsetzte, um mich geschehen war und es kein Zurück mehr gab. Ich war infiziert mit einer Krankheit, die man „Sucht“ nennt, eine Krankheit, die dich erbarmungslos tötet und deine Familie zerstört. machst, wirst du keine 30 Jahre alt.“ Bis ich mich traute, nach Fleckenbühl zu gehen, musste ich erst ganz unten sein und mit unten meine ich auch unten, also volles Programm. Drei stationäre Therapien, unzählige Entgiftungen. Bei einer der letzten Entgiftungen wurde ich mit 4,6 Promille und Organversagen eingeliefert, ich war tot. Die Ärzte mussten mich wiederbeleben und in sechs Wochen Intensivstation wieder auf die Beine bringen. Ob man es glaubt oder nicht, auch das war für mich noch kein Grund aufzuhören. Aus dem Krankenhaus raus zur Tankstelle und meine Medizin, den Doppelkorn einnehmen. Als ich völlig am Boden, nachts unter einer Moselbrücke, von zwei Mitbewohnern meiner Schätze (eine Flasche Korn, zwei Gramm Dope und ein Päckchen Tabak) beraubt wurde, ging ich morgens zum Bahnhof und fuhr nach Cölbe. Damals war ich 13 Jahre alt. Bei jeder Gelegenheit, die sich mir bot, wollte ich stark, cool, unverletzlich, ich wollte berauscht sein. Berauscht von diesem unbeschreiblichen Gefühl, das ich so nicht kannte. So begann ein lebensgefährlicher Weg, der mich am Ende fast umgebracht hätte. Was soll ich viel erzählen, es war wie bei den meisten von uns Suchtkranken. Mit 15 das erste Mal in der Ausnüchterungszelle, mit 18 zuhause raus, mit 21 Vater, mit 25 geschieden, zwischenzeitlich fünf Vorstrafen, Führerscheinverlust und ungefähr zehn stationäre Entgiftungen (die kalten Entzüge kann ich nicht mehr zählen). Bei einem der stationären Aufenthalte bekam ich einen Flyer von Hof Fleckenbühl in die Hand gedrückt. Dr. Böck hieß der Mensch, der mir einen Schubs gab und sagte: „Wenn du so weiter- Wie ich auf den Hof kam, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass mir mein Gefühl sagte: Hier bist du sicher. Der Anfang war schwer, was wollen die von mir? Haare ab, Schnäuzer ab, Blaumann an, einfach machen. Was sollte das? Morgens aufstehen, waschen, frühstücken, arbeiten, alles Sachen, die ich lange nicht mehr so erlebt hatte. Nach einiger Zeit und ein paar Fluchtgedanken, fühlte ich mich richtig gut. Keine Angst mehr vor Dealern, die dir das letzte Geld abzocken, dir die Faust ins Gesicht schlagen und dich liegen lassen. Keine Angst mehr vor Polizisten, die dir das letzte Dope wegnehmen oder in die Psychiatrie bringen. Das Spiel habe ich zu Beginn nicht ganz begriffen, doch als ich mich dann traute zu „spielen“, begann mein Selbstwertgefühl, mein Mut, mein Ehrgeiz sich wieder zu regen. Ich durfte dann in den Stall und begann dort meine Laufbahn als Bauer. Hier konnte ich mich entfalten und wieder zur alten Kraft und zum Lebenswillen zurückfinden. Nach 14 Monaten bin ich über die Hutung (ein steiler Hang hinter Hof Fleckenbühl) abgehauen, ich hatte Angst, dass irgendwann einer kommt und sagt: „Du musst gehen.“ Ein Denkfehler, der aus meiner Kindheit rührt. Santo mein damaliger Chef, hat das gemerkt und mir ehrlich gesagt: „Bleib hier, sonst sitzt du an Weihnachten wieder besoffen unterm Christbaum.“ So war es auch. Es endete in der Psychiatrie im Delirium. Sechs Wochen richterliche Einweisung. Man behandelte mich mit schweren Medikamenten und entließ mich dann in die Freiheit. Jetzt hatte ich es verstanden: Ich bin krank, ich kann nicht mit Suchtmitteln umgehen, ich werde daran sterben, wenn ich nicht aufhöre. Ich ging nochmal in stationäre Therapie. Besuche seitdem eine Selbsthilfegruppe beim Kreuzbund, die ich heute mit meiner Frau leite. Habe drei Kinder, bin mit mir zufrieden und lebe nach dem Motto: Freiheit beginnt da, wo Sucht endet – einfach machen. Noch heute denke ich oft mit Wehmut an die Zeit in Fleckenbühl, denke, was wäre passiert, gäbe es den Hof nicht, gäbe es die unkomplizierte Aufnahme „komm einfach“ nicht, den Leute-Job, der sich um alles kümmert, und natürlich die Menschen, die den Hof so machen wie er ist. Ich bin euch Fleckenbühlern unsagbar dankbar, dass ich einen Teil meines Wegs in die Nüchternheit mit euch gehen durfte. THOM A S (Ehemaliger Staller) Ulrich hat`s getan FOTO: PATRICK CLAYTON Ich bin Ingrid zum ersten Mal 1980 begegnet, als ich für fünf Tage bei Synanon war. Zwei Jahre später blieb ich und lebte mit Ingrid unter einem Dach. Wir hatten nicht viel miteinander zu tun. Sie zählte zum inneren Kreis, hatte sich für Synanon entschieden, obwohl sie schon eine Zeit trocken war und eine Arbeit und alles hatte, als sie einzog. Von ihr wie von den anderen des inneren Kreises ging Ernsthaftigkeit, Entschiedenheit und Klarheit aus. Ich war eher eine Randfigur, die ständig komische Aktionen brachte und jemand, der eigentlich nichts Richtiges beitrug, aber eben da war. Im Jahr 2006 begegneten wir uns im Speiseraum der Fleckenbühler in Frankfurt wieder. Es waren viele Jahre vergangen und ich machte gerade wieder einen Anlauf, nüchtern zu werden. Ingrid hatte irgendetwas zu tun in Frankfurt, eigentlich lebt sie auf dem Hof Fleckenbühl. Mit einem etwas spöttischen Lächeln, in ihrer schnoddrigen Berliner Art, sprach sie mich an: „Na, ist doch gut, dass wir durchgehalten haben?“ Darauf gab es wenig zu erwidern. Ja, Ingrid, es ist gut, dass ihr durchgehalten habt, gut für dich, für die Alten, für Fleckenbühl, für die vielen, die dorthin kommen und nüchtern werden konnten, und natürlich auch für mich. Denn wohin hätte ich noch gehen können? Ich war ein „Drehtürpatient“, zwar nicht ganz typisch, denn ich hatte es auch woanders versucht, und es gab lange Phasen der Trockenheit dazwischen und des „Stolperclean-Seins“, aber letztendlich war ich wieder zu Boden gegangen. Fleckenbühl mit seinen strengen Regeln beschützte mich vor meiner Sucht, aber es gab mir auch – gerade durch die „Alten“ – ein Zuhause. Und Fleckenbühl war ein Platz, an dem ich mich, auch nach all den Jahren, noch verändern und an dem ich wachsen konnte. Ingrid sprach von sich, von ihrem Durchhalten, sie beschämte mich nicht mit Sprüchen wie: „Na, schon wieder hier gelandet?“ oder „Das wievielte Mal ist es denn jetzt?“, denn der Drehtürpatient wird nicht dickhäutiger durch die vielen Runden und solche Sprüche können ihn schnell vertreiben. Ich konnte bleiben, einfach dableiben, alles andere ergab sich, wie bei den anderen auch. Schon früh im Leben hat sich das Gefühl der Scham in mir entwickelt und mich gequält. Alkohol und Drogen verschafften mir Erleichterung davon. Als ich das erste Mal zu Synanon kam, reagierte ich mit wütenden Gegenangriffen, wenn mir etwas vorgehalten wurde, weil ich mich schämte für meine Unzulänglichkeiten. Ich war noch nicht in der Lage, mich anzunehmen und daran änderte der Aufenthalt von langen Jahren nichts, und so wurde ich auch wieder rückfällig. An den wütenden Reaktionen hatte sich nichts geändert, als ich 2006 mit 55 Jahren bei Fleckenbühl in Frankfurt landete. Doch in all den Jahren dazwischen hatte ich auch viel davon erfahren, wie man nüchtern lebt. Diese Erfahrungen waren durch den Rückfall nicht gelöscht worden, und so konnte ich das Aufwallen der Gefühle vorübergehen lassen und mich aufs Tun verlegen. Bei meiner Arbeit setzte ich mich für andere ein, ich konnte tatsächlich etwas erreichen. Und mit dem Beispiel meiner Jahre gab ich etwas weiter, was andere nüchtern bleiben ließ. Der hohe Ton, der bei Synanon in den Anfangsjahren oft gepflegt wurde, erklang viel seltener bei den Fleckenbühlern. Er hatte mir gefallen, da auch bei mir der Größenwahn die andere Seite meiner Minderwertigkeitsüberzeugung war. Mir war die Suche nach mehr, immer mehr nicht gut bekommen und auch die Gemeinschaft hatte durch diese Haltung Schaden genommen. Aber in anderer Hinsicht hatte etwas vom Geist der ersten Jahre bei Fleckenbühl überlebt. Immer noch war es ein Zusammenschluss von Menschen mit einem gemeinsamen Ziel, das sie erreichen wollten, und die etwas miteinander zu tun haben wollten. Hier wurde ich nicht gefragt, wann ich denn wieder meiner Wege gehen würde, sondern, was ich noch beitragen könnte. Ich hatte mich für das Leben in der Gemeinschaft entschieden. Wenn die Sprache darauf kam, was mir fehle im Leben und ich von meinen gescheiterten Partner- Fleckenbühl ist für mich mit den Jahren eine zweite Heimat geworden. Immer wieder sind mein Sohn und ich gern hier zu Besuch und werden liebevoll aufgenommen. Auch wenn einige Freunde inzwischen ausgezogen sind, leben noch viele von ihnen in der Nähe und andere auf dem Hof. Manche Freundschaft hat sich im Laufe der Jahre entwickelt. Für meinen Sohn Maurice ist Fleckenbühl ein vertrauter Ort. Auch er hat Freunde dort gefunden. Wenn einer von seinen Spielkameraden dort auszieht, ist er traurig. In manchen Jahren sind wir oft da, verbringen die Ferien auf dem Hof und genießen es immer sehr. Willy, mein Hund, liebt die weiten Felder. Die dort zahlreich verteilten Kuhfladen liebt er ganz besonders. Für mich ist Fleckenbühl eine Insel, ein Ort zum Kraft tanken und die Freunde dort sind meine zweite Familie. Für viele Hofbewohner sind wir „Berliner“ ein vertrauter Anblick. Und ich freue mich jedes Mal über neue und vertraute Gesichter. Immer wieder aufstehn Ingrid gehört zu den „Alten“ in Fleckenbühl. Eine k leine Gruppe von Dinosauriern, die teils bespöttelt wird, teils umgangen, weil man sich eh nicht mit ihnen anlegen kann. Aber die „Alten“ sind eine feste Größe auf dem Hof, an ihnen kommt man nicht vorbei. Ich heiße Marie, bin Berlinerin und als „Ehemalige“ immer wieder gern bei euch zu Gast. Fleckenbühl kenne ich seit seinen Anfängen. Vor 30 Jahren, in meiner allerersten Zeit bei Synanon, gab es einmal eine Arbeitsbesprechung in der Bernburger Straße 24. Damals wurde entschieden, wer nach Fleckenbühl gehen soll/darf. Ich habe überlegt, ob ich mich melden soll, doch ich dachte wohl, dass ich zu „neu“ sei. Kurz darauf haute ich dann auch ab und musste noch eine „Runde“ drehen. schaftsversuchen erzählte, wurde ich vertröstet mit den Sprüchen, ich sehe ja noch ganz gut aus und jeder Topf und so weiter. Ernst genommen habe ich solche Reden nicht. Ich dachte, das sei vorbei. Aber ich nahm wieder am Leben teil, innerhalb der Gemeinschaft und außerhalb. Jetzt bin ich zurückgekehrt in den Ruhrpott, woher ich stamme, und wo es heißt: Immer wieder aufstehn. Und ich mache mit über 60 viele Dinge zum ersten Mal. Das Leben ist nicht vorbei. Was mir schadet, ist Isolation, festhalten an eigenen fixen Ideen und mich einspinnen. Damit mich das nicht wieder in die Sucht führt, besuche ich Gruppen, die ein Motto haben wie: „Ein neuer Anfang“ oder „Wenn ich es kann, kannst du es auch“. Und natürlich fahre ich zum Jahresfest nach Fleckenbühl. Ich will mich zeigen, berichten wie es mir ergangen ist, und ich will danke sagen. Das möchte ich auch mit diesem kurzen Text. Und vielleicht gibt er jemandem einen Schubs, es noch einmal zu versuchen mit der Nüchternheit, denn wenn sich ohnehin alles verändert, ist es besser, selbst einzugreifen, statt immer und immer wieder dasselbe zu machen, wie in der aktiven Sucht. ULR ICH Vor 25 Jahren betrat ich mit meiner alten Sporttasche in der Hand und mit drei Pullovern und zwei Paar Hosen bekleidet das Synanon-Haus in der Bernburger Straße 24 in Berlin Kreuzberg. Trotz der frühlings- haften Wärme draußen war mir bitterkalt. Ich war 21 Jahre alt. Dass es möglich sein konnte, ein drogenfreies Leben zu führen, lag außerhalb meiner Vorstellungskraft. Dass ein solches Leben aufregend und voller Überraschungen sein könnte, noch viel mehr … 1989 bis heute Bei Synanon lernte ich die Grundlagen für mein späteres Leben, erlangte den Führerschein wieder und erfuhr, was es heißt, mit Freude und Spaß einer Arbeit nachzugehen, frei von Drogen und Kriminalität. Das kannte ich bis dahin nicht. Es war eine harte Zeit. Oft genug stand ich am Fenster und überlegte zu gehen. Aber ich blieb. Nach meiner Zeit dort machte ich mich mit einer kleinen Umzugsfirma selbstständig, aus der mit den Jahren ein solides kleines Unternehmen mit vier LKW und bis zu 30 Mitarbeitern wurde. Meinen Mann Michael habe ich in Fleckenbühl kennengelernt. Auf einem Jahresfest dort waren wir beide zum Kaffeedienst eingeteilt. Damals dachte wohl keiner von uns beiden über heiraten nach. 1991 heirateten wir und 2004 kam unser Sohn Maurice auf die Welt. Doch nur wenige Monate nach Maurices Geburt trennten sich unsere Wege und das bedeutete langfristig auch meinen Ausstieg aus der inzwischen gemeinsamen Firma. Michael, Maurice und Marie 2007 entschloss ich mich, noch einmal die Schulbank zu drücken. Ich machte erst das Abitur nach und fing dann ein Psychologiestudium an. Dieses Jahr habe ich meinen Bachelor gemacht. Am 2. Februar 2008 wurde ich von meinem Vater auf den Hof gebracht. Ich wusste weder wo ich bin, noch wie lange dieser Aufenthalt dauern würde. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt fast alles verloren. Nach sechs Jahren Heroinsucht hatte ich meine Arbeit, mein Zuhause und fast auch meine Familie verloren. Alle waren enttäuscht von mir und ich war am Ende. Zuerst wollte ich nicht auf dem Hof bleiben, alles war so anstrengend und streng. Aber mit der Zeit wurde Fleckenbühl für mich zu einer neuen Heimat. Auch die Teilnahme an einer Naikan-Woche hat mich weitergebracht, und ich habe viele liebe Menschen kennengelernt, die mir auch heute noch sehr wichtig sind. Nach eineinhalb Jahren fühlte ich mich dann so weit, auch „draußen“ ein Leben ohne Drogen führen zu können. Nach zwei Jahren bin ich mit meinem damaligen Freund, den ich nüchtern auf dem Hof kennengelernt habe, ausgezogen. Vier Jahre habe ich mit ihm zusammen noch in Marburg verbracht und nach unserer Trennung bin ich wieder nach Regensburg zurückgegangen. Heute arbeite ich wieder als Krankenschwester in einer Klinik und bin in einer glücklichen Beziehung. Das wäre alles nicht so gekommen, wenn es Hof Fleckenbühl nicht gegeben hätte... Ich bin sehr froh und stolz ein Teil davon gewesen zu sein. Diana FOTO: MARIE E. Der Weg ist noch nicht zu Ende, im Anschluss möchte ich den Master machen und danach die Therapeutenausbildung. M A RIE Danke Erich – nur noch abstinent Am 9. August 1987, an einem Sonntagabend, bin ich auf Fleckenbühl gestrandet, so wie ein beinahe Ertrunkener an‘s rettende Ufer angespült wird. Das ist jetzt mehr als ein Vierteljahrhundert her, und ich weiß nicht, wie mein Leben weitergegangen wäre, ohne diese tiefe, lebensrettende Einsicht, welche mir auf Hof Fleckenbühl Tag für Tag, Nacht für Nacht, Spiel für Spiel zuteil geworden ist: Nämlich, dass ich mein Leben ab sofort nur noch abstinent leben kann. Und jetzt feiern Wir 30 Jahre Fleckenbühl! Und seitdem hat sich der Ablauf und Inhalt meines Lebens vollkommen verändert. Es ist vor allem nie mehr so kompliziert gewesen, so gefährlich und so anstrengend, wie vor der Zeit in Fleckenbühl. Natürlich gibt es auch heute kein Hiersein ohne Probleme, aber die spielen sich auf einer komplett anderen Ebene ab als zuvor. Wie sagte man damals immer so schön: „Auf Fleckenbühl kannst du immer noch ein wenig besser sein als allein." „WIR", das ist es, was mich auf Fleckenbühl stark gemacht hat. Und dieses „Wir-Gefühl" hat mich bis heute nicht mehr verlassen. Oft denke ich: Ist es nicht das Wesentliche im Leben, Hilfesuchenden eine rettende Hand zu reichen in einer humanistischen Gesellschaft? Und genau das praktiziert Fleckenbühl Tag für Tag, Nacht für Nacht. Und dafür euch weiterhin alles Gute! In diesem Sinne: Bleibt allesamt gesund und froh und munter! ERICH 16 RÄTSEL · TERMINE DIE FLECKENBÜHLERER3. AUSGABE 2014 Kreuzworträtsel Die Lösung senden Sie bitte an: die Fleckenbühler e.V., Fleckenbühl 6, 35091 Cölbe oder per E-Mail an [email protected] . Einsendeschluss ist der 31. Oktober 2014. Drei Gewinner werden unter den richtigen Einsendungen ausgelost. Die Gewinner erhalten ein Exemplar unseres neuen Buches über Fleckenbühl. Die Namen der Gewinner veröffentlichen wir in der nächsten Ausgabe. Waagerecht 1) Was wir gelegentlich mit freundlichen Grüßen tun 9) Kann man mit gern geschehen beantworten 14) Er nennt sich angeblich zuerst 16) Wer viele … hat, backt viel Kuchen (Sprichwort) 17) So gezahlt und dort getrunken 18) Traumziel in Indonesien 19) Weh dem Menschen, wenn nur ein einziges … im Weltgericht sitzt (Christian Morgenstern) 20) Es würde mir nicht im Traum e infallen, einem … beizutreten, der bereit wäre, jemanden wie mich als Mitglied aufzunehmen (Groucho Marx) 22) Laura Dekkers Leidenschaft 24) Die 25) Lösung 27) ist 28) So der Hund im Brötchen 29) Gut zu haben, wenn verdächtigt 31) Kfz-Kennzeichen des Ennepe-Ruhr-Kreises 33) In der …, stimmt’s wirklich 35) Viele Soldaten 36) Den … … ist meist einer nach der Eheschließung, aber doch nicht … 37) Besser, es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man wenigstens keine Scherereien mit der … (Karl Kraus) 39) Der Letzte ist dann das 41) …, Pray, Love 43) Rippchenstoff 46) Keep your eyes on the stars and your … on the ground (Theodore Roosevelt) 48) … ist der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens (George Bernard Shaw) 51) ein 52) Graffiti 53) Zielgerichtetes Handeln 55) Jugendliches „sehr schön“ 57) Kfz-Kennzeichen von Unna 58) Gewinnversprechender Papierschnipsel 59) Eine kleine aus der Zitrusfruchtgemeinde 62) So blitzend wie pleite 64) Abgekürztes im Auftrag 65) Hanni … Nanni 66) Der Lohn eines solchen, sei es selbst, sprach Seneca 68) Hauptnahrungsmittel auf 18 waagerecht 69) Kfz-Kennzeichen von Hagen 70) unbekannten 73) Ursprungs 74) Was Christian Schmidt und Gerd Müller sind 77) Abgekürzte Abgabenordnung 78) Fest in ihm sitzend, braucht man nicht um seinen Posten zu bangen 80) Steht fußballerisch vor Mailand 81) Nordafrikanisches Land 82) Märchen mit möglichem Wahrheitsgehalt Senkrecht 1) Onkel, Tante, Oma, Opa …, alle zusammen 2) Ganz sauber und unbefleckt 3) Was ich so gerne möchte, aber der Wagen rollt 4) Lebensgestaltung, Ethik, Religion, Abk. 5) Frucht des urdeutschen Baums 6) D.h. anders 7) Das kann Yuliya Efimova richtig gut 8) Nicht nur für Brillenträger unentbehrlich 9) Mit dem richtigen klappt’s 10) Unverschämtes Aneignen 11) Zuviel davon kann mancher nicht vertragen 12) Kfz-Kennzeichen von Kaiserslautern 13) Das kleine Stück Papier, das zum Anschauen und Anhören berechtigt 15) Der Schal für die Abendgarderobe 17) Sie lockte Curd Jürgens (Abk.) 21) Leutnant abgekürzt 23) Wie das Mädchen so das kleine Eisenbahnfahrzeug 26) In Rom eine Citta dafür 27) Straßenkarte heutzutage 30) Glaube arabisch 32) Danach wird gespielt 34) Er wird gestochen 35) Kfz-Kennzeichen von Lübeck 38) … Buddhismus 40) Guter … kommt morgen (Sprichwort) 42) Auf ihr steht, was getan werden muss 44) Einmaliges, nicht reproduzierbares, aufgezeichnetes akustisches Ereignis 45) Längsholz für die Fassherstellung 47) … Schiele 49) Heinz Strunks war das Fleisch 50) Von dort schauen die Hochmütigen 54) Der Fundi findet, dass er seine Ideale verraten hat 56) … war das? 58) Die schweren, die 14 waagerecht zu schleppen hat 60) Kfz-Kennzeichen von Lindau 61) Mamas Schwester 63) Aufzählung von irgendwas 67) … Brönner 69) Der eigene, der Gold wert ist 71) Nicht heiß, nicht kalt 72) Scandinavian Airlines (Abk.) 75) Wann gewinnt man mal im Lotto? 76) Ingenieur abgekürzt 79) Chemisches Zeichen für Titan 1 2 3 4 14 15 19 5 6 7 16 24 25 29 30 20 31 32 9 17 21 26 8 10 22 34 37 39 44 48 53 49 41 42 50 51 54 43 55 56 60 61 64 66 70 71 77 72 78 73 67 74 79 81 28 45 57 62 75 Die Türen sind jederzeit – Tag und Nacht – für Hilfesuchende geöffnet. In einem persönlichen Gespräch werden wir gemeinsam klären, ob Fleckenbühl der richtige Platz ist. Eine Anmeldung oder eine Kostenzusage werden nicht benötigt. Die Aufenthaltsdauer ist grundsätzlich unbeschränkt. Man bleibt so lange, wie man es selbst für richtig hält. Es gelten für alle Bewohner drei verbindliche Regeln: 1. Keine Drogen, Alkohol oder andere Suchtmittel 2. Keine Gewalt oder deren Androhung 3. Kein Tabak, wir rauchen nicht TERMINE AUF HOF FLECKENBÜHL 35091 CÖLBE-SCHÖNSTADT Offenes Haus 27. September 2014 25. Oktober 2014 15.00 bis 18.00 Uhr Feste und Märkte 23. November 2014 11.00 bis 18.00 Uhr Kränze binden Rübengeister schnitzen Weihnachtsmarkt TERMINE IM HAUS FRANKFURT KELSTERBACHER STR. 14, 60528 FRANKFURT Feste und Märkte 28. September 2014 30. November 2014 13.00 bis 18.00 Uhr Herbstmarkt Kleiner Weihnachtsmarkt IMPRESSUM Herausgeber: die Fleckenbühler e.V., Fleckenbühl 6, 35091 Cölbe V.i.S.d.P.: Ronald Meyer www.diefleckenbuehler.de, [email protected] Redaktion: Helga Meyer Gestaltung + Satz: die Fleckenbühler · Satz- und Druckerzeugnisse Druck: www.dierotationsdrucker.de, Esslingen Versand: Lahn-Werkstätten, Marburg die Fleckenbühler e.V. ist darauf angewiesen, dass Menschen von außen die Arbeit durch Sach- und Geldspenden unterstützen. Spenden sind steuerlich absetzbar. Spendenkonto: die Fleckenbühler e.V. GLS Gemeinschaftsbank KontoNr. 6003036700, BLZ 43060967 Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung. Beiträge mit vollem Verfassernamen müssen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion entsprechen. Die Gewinner des letzten Kreuzworträtsels waren: 47 58 63 68 Die Gemeinschaft organisiert und verwaltet sich selbst. Wer ein Suchtproblem hat – Alkohol, Drogen, Medikamente – und den Wunsch nüchtern zu leben, kann sofort zu uns kommen. Auf den Hof Fleckenbühl oder in unser Haus in Frankfurt am Main. Suche nicht die großen Worte, eine kleine Geste genügt PHIL BOSMANS 38 46 13 Die Fleckenbühler sind seit 1984 eine offene, konsequent nüchterne Gemeinschaft, die Menschen in jeder Lebenssituation aufnimmt und ihnen – gestützt auf f rühere Suchterfahrungen der Mitglieder – dabei hilft, durch Selbstreflexion, Lernbereitschaft, Ehrlichkeit, Geborgenheit und Arbeit dauerhaft suchtfrei zu leben und in Zukunft ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Lösung des letzten Kreuzworträtsels lautete: 52 59 65 23 35 36 40 12 18 27 33 11 DIE FLECKENBÜHLER 69 76 80 82 Rita Dietzen, Frank Lehmann, Frank Neugebauer A L A S K A S T R O H S A C K U A S C O R E I N S E L B E I S U C H E N I C H T D I E S R R F A L L E N K I W I D C N A U R B A N B E E T A NO D E H F A T G R O S S E NWO R T E E D A E N E G E L D L E O Z N Z E H N U L L L A M A U T E F E I N E K L E I N E G E S T E I C E I F E I G E H E F T E N C H D N A R C OH R P O O L S H E I M K E H R G E NU E G T E B E A T E E MU R I A R T E N E B L I G N A S E N B A E R