Rundschau 4 - Benigna Mallebrein
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Rundschau 4 - Benigna Mallebrein
Rundschau 4892 4-5/2015 DIE FACHZEITSCHRIFT FÜR INTERNATIONALE HERRENMODE UND SCHNITT-TECHNIK SCHNITT-TECHNIK PARKA MIT KAPUZE PITTI IMMAGINE UOMO FLORENZ HERBST/WINTER 2015/16 Pitti Immagine Uomo 87° Stilvoller „Walkabout Pitti“ lautet das Leitmotiv der Florentiner Modemesse, der globalen Bühne zur Präsentation der Herbst-/Winter-Kollektion 2015/16. Im Fokus steht der Mensch, der sich Zeit nimmt, die Welt zu Fuß zu erobern und mit allen Sinnen zu erleben. Schon Hippokrates meinte: Laufen ist die beste Medizin. So nehmen bei dieser Veranstaltung sportive Kleidung und innovative Materialien einen besonderen Stellenwert ein. Eine Herausforderung an die Modeschaffenden, den optimalen Mix aus perfektem Tailoring und sportivem Stil zu finden. 4 CUCINELLI Messerundgang Herren-Rundschau 4-5/2015 PITTI UOMO Herren-Rundschau 4-5/2015 CASUAL SMART BRUNELLI CUCINELLI Casual sartorial – dieses Leitmotiv des kommenden Modewinters wird von Brunello Cucinelli meisterlich auf den Punkt gebracht. Hier dürfen die JogPants zu einem eleganten Sakko getragen werden, die helle Chino unter dem Mantel im preußischen Stil und die Krawatte zur Jeansjacke – sportliche Elemente interagieren mit sartorialem Stil in ausgewogenen Überlagerungen. Der Kaschmirpullover, das traditionelle Herzstück des umbrischen Unternehmers, ist der eigentliche Ausdruck der Lässigkeit, weitergeführt als Strickjacke und Cardigan im Sakko-Stil. Brunello Cucinellis Passform betont männliche Körperformen. Die Hosen aus Flanell mit vorwiegend kurzen Beinlängen und Bügelfalten haben Abnäher und Aufschlag, die sportlichen Varianten, stets schmal geschnitten, sind mit Cargo-Taschen versehen. Gut sichtbar: kernige Socken, gekrempelte Aufschläge sind out. Bei den Mantelformen dominieren Kurzmäntel. Mit Uniformanklängen sowie der Dufflecoat: Mit versteckter Knopfleiste, also ohne baumelnde Knebelknöpfe, und 102 Zentimeter Gesamtlänge bei leichtem Griff gewinnt das ehemalige StudentenOutfit mondäne Dynamik. Lange Mäntel mit klassischem Anklang verstecken herausnehmbares Gänsedaunenfutter. Strickeinsätze, weiches Nappaleder oder Shearling veredeln die leichten Mäntel und Cabanjacken aus Kaschmirgewebe. Doppelte Verarbeitung gibt den Farbtönen der Kollektion einen raffinierten Camaieu-Effekt. Beigetöne wie Vanille, Granit, Mandel und Kleie treffen auf Blauund Grauabstufungen. Das exklusivste Stück auf dem Stand ist ein komplett von Hand gefertigter Mantel aus zwei verschiedenen Kaschmirstoffen in Doubleface-Optik mit glänzend polierten Hornknöpfen. CUCINELLI B eginnen wir den Rundgang im zentralen Pavillon der „Fortezza da Basso“, dem Herzstück für die Schau zeitgenössischer Lifestyle-Trends. Hier stellen vor allem die großen klassischen Firmen ihre Kollektionen vor. Die Mode steht ganz im Zeichen des „Casual Luxury“ und zeigt sich in entspanntem Luxus, kombiniert mit informellem Chic. Der Look unterstreicht die Männlichkeit – klare Schnitte und betont slim-fit. Dieser Stil ist eine Kombination aus SportswearEinflüssen mit der hohen Kunst der Maßschneiderei. So entwickeln sich neue innovative Konzepte. Mäntel und Jacken werden heute aus hochtechnologischen Bekleidungsstoffen genäht, sie umgibt die Aura von Luxus und großstädtischer Dynamik. Zum Edel-Look gehören texturierte Garne, weiche Boucléstoffe, ein Material-Mix aus Wolle, Leder und Nylon sowie die Komfortmischung aus Seide und Kaschmir. Immer noch beliebt sind die klassischen Stoffe aus feiner Wolle, kardiertem Flanell und Mouliné. Absolut en vogue sind leichtere Gewebe aus Stretchwolle in neu interpretierten Farben, die mit Jacquard-Gewebe, Druckmustern und Stickereien veredelt sind. Für die perfekte OutdoorBekleidung werden gerne Qualitäten mit strukturierten Oberflächen verarbeitet. Figurbetonte Jacken und Hosen aus weicher Wolle mit großen und kleinen Karos werden neu kombiniert. Alle Modelle vermitteln ein Gefühl von warmem und sinnlichem Luxus. Und sollte es einmal Minusgrade geben, so kann man auch diesen meteorologischen Unbilden stilvollendet begegnen. Zur Edelausstattung gehören leichte Daunenjacken aus weichem Lammleder mit Pelzeinsätzen, feine Kaschmirstrickwaren, wasserdichte, atmungsaktive Baumwoll-Canvas-Parkas, Dufflecoats mit mehrfachen Taschen und herausnehmbaren Linings, Oversized-Jacken und hybride SteppStyles wie gedoppelte Nylon-Wolle-Daunenjacken mit originellen Druckmustern und Techno-Finishing. Die Kleidung ist vom Country-Look inspiriert, aber für die Kälte verarbeitet. Die Verwendung von Schaffell, Hirsch-Printleder, JeansFlanell und wattiertem, gestepptem Nylon bietet einen außerordentlichen Reichtum an Neuigkeiten. Smartes Team am Stand von CUCINELLI. 5 PITTI UOMO LUBIAM Sie sind nicht nur praktisch, sondern werten jedes Outfit auf: Im Dreiteiler vermitteln Westen Eleganz, im Tandem mit dem Sakko konferieren sie ein „angezogenes“ Gesamtbild und fungieren oft als Bindeglied zwischen Casual und Formal. Westen sind Designers Liebling geworden. Als Einzelstück wird das ärmellose Leibstück zur kreativen Spielwiese mit Stoff und Styling. Warm ums Herz machen im nächsten Winter besonders Strickversionen mit ausgefallenen Garnen und innovativen Färbetechniken. LUBIAM WESTEN SETZEN MODISCHE STATEMENTS: Sich der Zukunft zu stellen, bedeutet bedeut bei LUBIAM das genaue Studium der Silhouetten. 6 Herren-Rundschau 4-5/2015 LUBIAM PAOLONI Eine schlanke Figur ist auch bei den Anzügen von Paoloni gefragt, knapp und kurz sitzt das Sakko, und die Hosen haben einen scharfen Shape. Die Materialien folgen Retro-Dessinierungen der 1930er-Jahre: Jacquards, Mikromuster, Fischgrät, Nadelstreifen. Showpieces für das ungefütterte Sakko in Melange-Grau aus gedoppeltem Baumwolle/Kaschmir, rundum AFM-Kante, mit aufgesetzten Taschen und dunkelblauer Abseite, sowie die dunkelblaue zweireihige Jacke aus volumigem Waffelmuster-Strukturgewebe. PAOLONI Was 1911 in Mantua als Schneideratelier für Herrenanzüge und Damenkostüme begann, ist heute ein Unternehmen mit 300 Beschäftigten, das mit drei Linien plus einem Made.to.Measure-Service aufwartet, dem ein Auftragsplus von 12 Prozent zu verdanken ist. Allein 28 Flagship Stores hat die Firma bereits in China eröffnet. „Sich der Zukunft zu stellen bedeutet für uns vor allem das genaue Studium der Silhouette“, erklärt Giovanni Bianchi, Kreativdirektor von Lubiam. Es ist ein Spiel mit wenigen Millimetern und hochwertigen Garnen, besonders beim Anzug: „Er ist heute so gefragt, weil er sich verändert hat. Er ist jünger und informaler geworden, gleichermaßen bequem und slim – mit einer Struktur, die die athletische Figur unserer Kunden mit stattlichen Schultern und langen Beinen betont“, so Bianchi. „Unsere fashion-orientierten Modelle haben hohe und schmale Revers, bei den Jacken im Tailormade-Stil sind sie bis zu 10,5 Zentimeter breit. Der Mittelpunkt der Taille wird dabei leicht nach unten versetzt, um Hemd und Kra- watte zur Geltung zu bringen.“ 95 Prozent der Lubiam-Kunden entscheiden sich für den Zweiknopf-Einreiher. Der Grund? „Er streckt die Figur und die schlanke Linie. Diese toppen unsere Kunden noch mit einer schmalen Hose.“ Stretch-Stoffe mit perfekten Rücksprungwerten garantieren die Bewegungsfreiheit. 7 PITTI UOMO LARDINI Eyecatcher bei Lardini ist ein weißer Casentino-Mantel aus Wolljersey, den der smarte Trendsetter über einem dunkelblauen Strickrolli zur HahnentrittHose trägt. Seine Jacken, in Camel und Black&White, sind aus aufgeworfenem Alpaka und Mohair – eine Mischung, die bei Lardini sogar beim Dinnerjacket mit dem klassisch-britischen Blackwatch-Karo zum Einsatz kommt. WOOSTER Eklektisch und expressiv – Nick Wooster stellt in seiner Kooperation mit Lardini wieder meisterlich die Schneiderregeln auf den Kopf. Im Spannungsfeld von Maskulin und Feminin, Sartorial und Street, Military und Couture konstruiert er Patchwork-Sakkos mit großen aufgesetzten Pattentaschen und weite Hosen mit langem Schritt, doppelten Bundfalten und hohem Aufschlag. TAGLIATORE GABRIELE PASINI 8 TAGLIATORE An die Düfte und Farben der kleinen Dörfer im sonnigen Apulien, seine Olivenhaine und vor allem das tiefe Blau des Meeres im Winter dachte Kreativdirektor Pino Lerario, als er die neue Tagliatore-Kollektion entwarf. Seine Mäntel mit Vintage-Anklängen, mit großem Rückenriegel, breiten Revers und Raglanärmeln wecken Begehrlichkeit. Formale Eleganz und charaktervoller Casual-Style verschmelzen harmonisch in den körperbetonten und kontrastvoll karierten Tagliatore-Jacken. Must-have ist das zweireihige Gilet, auch als Modell mit Samteinsätzen. Pino Lerario fixiert dabei nichts Beliebiges: Für die gelaserten Knöpfe der Jacken hat er sich von den Rosetten der barocken Kirchen inspirieren lassen, andere sind eine Hommage an historische Limousinen. Perfekt für den Dandy im Gentlemen’s Club: der Smoking aus der Capsule Collection Pino Lerario mit lauten Checks oder Regimental-Streifen, rauer Oberfläche und Revers aus gekürztem Samt. „Dieses althergebrachte Karomuster, wieder aufgelegt in weiß-schwarzem Bouclé Typ Chanel, ist die Quintessenz dieser Kollektion”, kommentiert Gabriele Pasini (2.v.l.) seinen stilistischen Spagat zwischen Historie und Fashion. Der stilbewusste Designer aus Mailand ist bekannt für seinen klassischen Geist, den er mit der ungewöhnlichen Interpretation und Kombination von Farbe, Muster, Stoff und Details beflügelt. Mit Fashion-Elementen wie Animalier-Drucken und geometrischen Mustern, zum Beispiel auf Hemden, Westen oder Tüchern, durchbricht Pasini die Standards gehobener Herrenkleidung. Hergestellt ist sie aus feinsten Webstoffen und Flanellen von Vitale Barberis Canonico. Pasinis modisches Signal: der Tuchmantel über einem grauen Glencheck-Dreiteiler. PASINI PASINI PASINI LARDINI LARDINI ER WOOST Althergebrachte Karomuster und Patchwork sind wieder angesagt. 9 ALTEA CANTARELLI ALTEA CANTARELLI Unter dem Motto „Culture of Style” zelebriert die Marke aus der Toskana mit einem Blick in die siebziger Jahre zeitgenössische Leichtigkeit in kernigen oder „verstrichenen“ Jacken und Mänteln in Unis, Melange, Multicolor und Overchecks. Softe Modelle mit unkonstruierter Schulterpartie setzen dabei Maßstäbe für die neue alltags-, aber auch businesstaugliche „Cosiness“. Eine Stoffneuheit bei Cantarelli ist warmes Winterleinen bei Sakkos mit Innenfutter. 10 „Das Farbspektrum ist ruhiger geworden“, leitet Herr Stalherm unseren Rundgang durch den attraktiven Stand von Altea ein: „Erdige Töne wie Braun, Beige und Camel sind in der nächsten Wintersaison dominierende Farben. Wichtig sind die Texturen und die Haptik der Stoffe geworden. Sakkos und auch Strickwaren haben eine belebtere Oberfläche, mit aufgeworfenen und volumigen Garnen. „Spugna ist das Stichwort, weiche Schlingenware wie Bouclé. Gefragt sind Melange-Optiken und Vanisé-Effekte. Sie entstehen durch die Verwendung von zwei Garnen mit unterschiedlichen Farben.“ Hohen Tragekomfort versprechen Strickjacken im Sakko-Schnitt. „Sie erinnern an eine Kaminjacke“, schmunzelt der Fachmann und ist sich des kaufentscheidenden Kuschelfaktors bewusst. Für den urbanen Wanderer hat Altea sogar einen Poncho und Rucksäcke im Programm, die ebenso wie flotte Sneakers aus dem Sakko-Obermaterial gefertigt sind. Tücher, Schals und Krawatten mit stimmigen Kolorits und Dessins runden das harmonische Gesamtbild der AlteaKollektion ab. Patrick Stalherm mit Sneakers, die aus Sakko-Obermaterial gefertigt sind. Herren-Rundschau 4-5/2015 PITTI UOMO RAVAZZOLO Diese von der Familie Ravazzolo geleitete Firma mit langer Tradition war über vier Generationen hinweg ein Schneiderhandwerksbetrieb, bis sie im Jahr 1959 auf ein Konfektionsunternehmen umgestellt wurde. Heute leiten das norditalienische Unternehmen Andrea Giuseppe (CEO), Vater Silvano, Bruder Gian Carlo, Onkel Andrea und Cousine Monika. Ravazzolo exportiert in fünf Kontinente und hat Monomarken-Geschäfte in Mailand und Moskau. Zu seiner Karriere meint Andrea Giuseppe: Innerhalb von vier Jahren habe ich in Verona den Hochschulabschluss in Business Administration abgelegt, in drei Jahren den Master, und schon zwei Tage später war ich in der Direktion.“ Für ihn war es selbstverständlich, die Hoffnungen des Vaters zu erfüllen und die Zügel des Betriebs in die Hand zu nehmen. Für italienische Firmen wie die von Ravazzolo ist es heute schwierig zu überleben, denn der Verkauf im Inland stagniert, es fehlt das Geld der Kunden, und so setzen sie alles auf den Export, der allerdings von einem harten Konkurrenzkampf bestimmt wird. Noch vor 35 Jahren machten die Eltern von Andrea Ravazzolo hohe Umsätze, damals war die Nachfrage groß. Das althergebrachte Konzept von Ravazzolo funktioniert bis heute. „Wir haben uns schon immer auf das Nischenprodukt „Qualität“ spezialisiert, das ist Kleidung aus besten Stoffen mit exquisiter Verarbeitung und einem innovativen Design, das die Käufer überzeugt und sie motiviert, ein neues Kleidungsstück zu erwerben." Er zeigt uns die Tuxedojacke mit floralen Jacquard-Fantasien und Swarovski-Schmuckknöpfen mit dem Initial „R" als Monogramm am Ärmelschlitz. Die Modelle entwickelt der Kreativdirektor zusammen mit seinem Team. Ravazzolo bietet einen Total Look mit Taschen und Schuhen, alles aus einer Hand. Noch heute ist „Made in Italy“ im Ausland geschätzt. „Die Firma durchzieht ein guter und belebender Teamgeist, die 200 Angestellten sehen sich als eine Gemeinschaft, und man begegnet einander mit Respekt.“ Andrea Ravazzolo zieht sich berufsmäßigklassisch an, gerne in einem Anzug aus Glencheck, Ton in Ton chromatisch abgestimmt. Das Monogramm darf natürlich nicht fehlen. Mit der eleganten Linie „Blue Gray“ kann Ravazzolo vor allem beim Geschäftsmann punkten, dazu gehören elegante ein- und doppelreihige Mäntel mit Lanzenrevers, superleichte Nadelstreifenanzüge, die besonders bequem sind durch die Stretch-Zugabe im Stoff. Der 84jährige Firmenchef Renato Cecchi von D’Avenza und sein Mitarbeiter zeigen unserer Rom-Korrespondentin Dr. Beniga Mallebrein (r.) und der Modejournalistin Susanne Schaller doppelreihige Kaschmirmäntel mit breiten Revers als Musthave für den kommenden Winter. RAVAZZOLO D’AVENZA Andrea Guiseppe ist Geschäftsführer des Familienunternehmens RAVAZZOLO. Herren-Rundschau 4-5/2015 Den Status eines Kultobjektes erlangte in den siebziger Jahren der Kaschmirmantel von Marlon Brando im Film „Tango“ aus dem Atelier D’Avenza. Immer noch sind diese cosy Mäntel der renommierten Firma aus der Marmorstadt Carrara ein Renner. Vor einem Jahr hat der umbrische Unternehmer Brunello Cucinelli den Made to Measure-Zweig der Firma übernommen. Renato Cecchi, der 84 Jahre alte Besitzer, ist stolz auf diese Aktion. Schon immer setzt die Firma auf modischen Schnitt, perfekte Passform, wertvolle Stoffe und Handarbeit, sodass die Anzüge zu einem einzigartigen Kunststück werden. Er zeigt uns die neuen doppelreihigen Kaschmirmäntel, mit breiten Revers, Rückengurt und Pattentaschen – für den nächsten Winter ein Must-have. Neben der Herrenbekleidungsfirma ist 11 PITTI UOMO STEFANO RICCI Auch Stefano Ricci nimmt das Thema Natur und Countryside in seine neue Kollektion auf. Der von Stefano Ricci avisierte Mann begibt sich am Wochenende aufs Land zum Reiten oder Jagen. Ricci verarbeitet in seiner Kollektion unterschiedliche Ledervarianten, aber auch Tweed zu einem perfekten und raffinierten Look. Exklusiv ist das neuartige Finishing mit Krokodilleder: Es erscheint nicht nur glänzend und matt, sondern dank technologischer Hilfe strahlt es einen Antik-Effekt aus. Kroko gehört zum heutigen Stil des Mannes, und so sind die Sneakers, Schuhe, Sonnenbrillen, aber auch Bilderrahmen mit Kroko-Details geschmückt. Verarbeitet werden seine sartorialen Nischenprodukte in der Toskana, exportiert werden sie nach China, USA und Russland. Aber auch die Maison Ricci lasst sich von der Sportswear beeinflussen, obwohl der formelle Anzug fester Bestandsteil der DNA des Brands ist. In der Sportslinie kreiert Stefano Ricci einen Powersuit, Jog-Pants und Sporttaschen für die Freizeit. Und wie setzt er seine Akzente? Natürlich mit Kroko-Einsätzen. ISAIA Bei Isaia empfangen uns leicht bekleidete junge Paare in Tuniken und Gladiatorenmontur. Auf dem Stand des neapolitanischen Herrenausstatters suggerieren Bilder von Fresken und Mosaiken aus dem antiken Pompeji den Lebens- und Liebesstil der Pompeianer, bevor sie im Jahr 79 nach Christus die Asche des Vesuvs begrub. Evoziert wird eine Atmosphäre von Sinnlichkeit und Eros – wie geschaffen für die typisch neapolitanische „Dandy Attitude“, mit der sich die internationale Isaia-Klientel gerne identifiziert. Sie wird sich im nächsten Winter in Doppelreiher mit markanten Checks und Gitterkaro kleiden, in deren Farbbild die Freskenfarben Rosso Pompeiano und Ockergelb aufflammen. Kleine Details für den Connaisseur: Sogar die Innenseite der eher kurzen Jacken mit geradem Abstich ist mit AMF-Nähten versehen, die Unterkrägen schmückt ein Mosaikmuster. ISAIA STEFANO RICCI HOMO ELEGANCE STEFANO RICCI Cecchi noch Besitzer des größten Betriebs Italiens für das Finishing der Stoffe in Prato. „Die meisten der verarbeiteten Stoffe werden nicht im rohen Zustand verarbeitet, sondern erst einem aufwendigen Finishing unterzogen, das für Glanz, Wetterschutz, Struktur und vieles mehr sorgt.“ Kein Wunder, dass er selbst im hohen Alter immer noch den Wecker auf 4.30 Uhr stellt. 12 Herren-Rundschau 4-5/2015 Windsor steht in großen Lettern vor dem Pavillon in dem ehemaligen Hackett-Gebäude. Es handelt sich jedoch nicht mehr um eine englische Firma, sondern um ein alteingesessenes deutsches Label, das vor rund 150 Jahren gegründet wurde. Windsor nahm schon einmal, vor sechs Jahren, an der Modemesse Pitti teil, aber als reine Konfektionsfirma. Ihre Kollektion aus schwerem englischem Tuch hatte damals nicht den durchschlagenden Erfolg. Dank der Neubesetzung der Direktion und des neuen Designers Tobias Habrecht wurden neben den klassischen Sakkos, dem Anzug, Mantel- und Hosenbereich auch neue Produktionslinien entwickelt. Der Sportbereich wurde stark ausgebaut, Sportswear-Elemente in Kombination mit sartorialen Aspekten werden urban umgesetzt, aber auch im Bereich des Mantels hat man neue Formen entwickelt: „Die Mäntel haben sich verschmälert, sind körperbetont, etwas länger, was den KRAWATTEN Die Krawatte, die von dem Hype um gemusterte Hemden im wahrsten Sinne des Wortes ausgemustert wurde, feiert ein Comeback mit Drucken auf Wolle und Strick und in Mouliné- und Flanell-Optiken. Und sie scheint sich sogar mit innovativen Skills nützlich zu machen: Es gibt Modelle mit einem Lining, das Displays von Handys und iPads blank polieren kann. ETON Am Stand von Eton zeigt eine große Leinwand die wunderbare Naturlandschaft des schwedischen Archipels, denn die reichen Wälder, das klare Wasser und die vielfältige Tierwelt prägen die Kollektion der Hemdenfirma Eton aus Gånghester (Schweden). Blickt man auf die Mikroprints der klassischen weißen Businesshemden, so sind winzig gedruckte Wolfs-oder Fuchsgesichter zu erkennen, aber auch kleine Tannenzapfen. Dies ist charakteristisch für das Design von Eton, es sind die raffinierten Details, die diesen traditionsreichen Hemdenmacher auszeichnen. Auch die Manschettenknöpfe und Krawattennadeln sind mit kleinen Tierdarstellungen dekoriert. Motive aus der Natur in warmen Grün- und Dark-Tönen zieren Hemden, aber auch Schals und Krawatten. Alle Stoffe lässt der schwedische Hersteller Eton exklusiv aus feinster langfädiger und weicher Pirma-Baumwolle in den besten Webereien anfertigen. Hemden in großflächigeren Mustern wie Paisley, floral oder meliert haben meist keinen Knopf am Kragen. Dank verschiedener Kragentypen gibt es für jeden Anzug das passende Hemd: den gemäßigten Cutaway, den extremen Cutaway, den klassischen Turndown und den legeren Button-down. Kreativdirektor Sebastian Dollinger sorgt mit drei Top-Hemden für Glamour: ein weißes Pikee-Hemd mit goldenen Pünktchen, ein schwarzes Smokinghemd mit Glitzerpunkten und seidener Paspel und ein weißes Smokinghemd mit winzigen horizontalen Fältchen. Der neue schmale Schal aus 100 Prozent Seide wird zur neuen Abendkrawatte, ein stilvoller und zugleich cooler Look. WINDSOR ETON ETON ETON 13 PITTI UOMO männlichen Kunden gefällt. Außerdem verarbeiten wir heute erstklassige italienische Stoffe“, so Oliver Schäfer von der Vertriebsleitung. Klassiker werden neu inszeniert, cleanere und schärfere Looks sorgen für eine neue Eleganz. Für den smarten Businessmann entwirft Windsor leichte, sehr komfortable und elastische, kaum strukturierte Sakkos mit wenig Schultereinlage, gerne gefärbt mit der „tintura italiana“. Dabei werden circa 250 Jacken in eine mit Farbe angereicherte Färbemaschine gegeben und gewaschen. Innovativ sind die gestrickten, leicht aufgerauten Oberstoffe – das Flachgewebe ist out. Der Material-Mix spielt eine wichtige Rolle wie Wolle und Leder oder Wolle, Leder und Nylon. Lässige Attribute und raffinierte Details werten die Jacken auf. Das neue Stricksakko ist der modische Begleiter zur lässigen Chino oder salonfähigem Denim. Night Blue wird mit hellen Farben akzentuiert, dunkle Farben wie Graphit und Schwarz werden mit einem intensiven Kastanienrot ergänzt. Die Preise variieren von 599 Euro bis zu 1000 Euro für das hochkarätige Kaschmirsakko. WINDSOR DIELMAR BUGATTI 14 CASUAL SMART BUGATTI Die nächsten Wetterkapriolen kommen bestimmt. Auch bei Bugatti haben sehr viele Oberteile ein herausnehmbares Innenleben. Marc-Oliver Korff, BugattiVertriebsleiter für den deutschsprachigen Raum, zeigt uns hybride Jacken mit Fake-Westen, die für drinnen und draußen geeignet sind. Auch er bestätigt uns: „Weg vom Uni, hin zu neuen bewegten Bindungsbildern, zu Strukturen mit 3-D-Ausstrahlung, zu Karotypen, die teils verstrichen sind. Gewünscht sind eine leichte Konstruktion und moderne lässige Optik“. Realisiert werden sie bei den Jacken aus gekochten Wollstoffen im Taglio vivo oder in klassischer, halbgefütterter Verarbeitung. Der körpernahe Bugatti-WinterLook mit „Wellness-Faktor“ setzt auf Material-Mix: Tweedjacken haben Einsätze und Paspeln aus Microma, einem Material aus der Autobranche, Nylonstepp verbindet sich mit Strick oder Lederimitat mit Jersey. Bei den Mänteln rücken etwas längere Varianten wieder stärker ins Blickfeld, wichtig bleiben kürzere Formen wie zum Beispiel legere Stehkragentypen. Die große Zahl 50 schmückt den Stand des portugiesischen Herrenausstatters Dielmar aus Porto, der dieses Jahr seinen runden Geburtstag feiert. Am Stand begrüßt uns Antonio Simoes. Er ist der Hauptdesigner der Firma, gekleidet in eine trendy Denim-Stretch-Hose, eine Art Leggings, ein beigefarbenes Sakko, ein hellblaues Hemd und Karo-Papillon. Er zeigt uns Fotos von der trendigen Fahrradtour durch die City von London‚ der Tweed Run mit Stil, für ihn eine große Inspirationsquelle. Für seine Kollektion im Retro-Stil wählte er erlesene Vintage-Stoffe der Firma Vitale Barberis Canonico aus Biella. Er zeigt uns ein leichtes Sakko aus Wolle, Seide und Kaschmir, das durch ein VintageFinishing wie ein softes Bouclé-Sakko wirkt, oder gewaschene destrukturierte Anzüge aus feingliedrigem Kordsamt, auch zweifarbig und Leinenanzüge mit Heritage-Anklängen. Bequem sind die Anzüge aus der Stoffkombination Wolle/Leinen/Kaschmir, die HarrisTweedjacken, Kaschmirjacken in verschiedenfarbigen Mustern und Strukturen. Dazu trägt er Chinos oder Flanellhosen, einen Pullover oder ein Button down-Flanellhemd mit Krawatte oder Fliege. Unschlagbar sind „city“-taugliche Glencheck-Sakkos mit großen Gitterkaros und farbigen Streifen. Die Basisfarben reichen von Grau- und Schwarzschattierungen über gesprenkelt mit Gelb und Gold bis hin zu Braun-, Bordeaux-, Blau- und Beigetönen. „Im Fokus steht der selbstbewusste Mann mit gesellschaftlichen Ambitionen, der aber auch gerne mal radelt.“ Auch die Schuhe wurden passend zur Kollektion entworfen. Das Finishing mit einer „alten“ Patina gibt den Anschein von Vintage-Schuhen. Schon immer legte Simoes Wert auf die sorgfältige Innenverarbeitung seiner Kleidung. Seit elf Jahren ist er Chefdesigner bei der umsatzwachstumsstarken Firma aus Porto. Pro Tag werden 450 Jacken und 700 Hosen hergestellt. Insgesamt hat die Firma 400 Mitarbeiter. Dielmar betreibt 15 Monomarken-Boutiquen in Portugal und ist in 30 Ländern präsent. Bei der diesjährigen Modemesse Pitti Herren-Rundschau 4-5/2015 RICHARD JAMES HARDY AMIES DIELMAR haben sich vier weitere Einkaufsländer dazugesellt. Was ist das Erfolgsgeheimnis von Dielmar? „Die Kunden schätzen unser Modekonzept für den modernen, klassisch orientierten Mann mit gutem Geschmack, ohne extrem fashionable zu sein. Wir gehören nicht zur Avantgarde. Wir bieten ein gutes Produkt, exzellente Stoffe, keine Sportswear, sondern „casual formal“, und unsere Anzüge sind mit 450 Euro bis 1.000 Euro für Kaschmirqualität auch preislich attraktiv. Eine Figur mit Umhang und Hut, wie man ihn in den Anden trägt, daneben ein großes Designersofa mit eklektischem Gobelin-Patchwork – bei Richard James kommt britischer Humor ins Spiel. Seit 1992 residiert das Atelier für Anzüge, Krawatten und Hemden in der Savile Raw und bietet dem Gentleman Bespoke und Made to Measure. „Wir präsentieren uns zum ersten Mal auf der Pitti Uomo“, sagt Commercial Manager Olok Banerjee und zeigt uns einen Querschnitt durch die Kollektion mit den südamerikanischen Anklängen – vom goldbraunen Dinnerjacket mit Makro-Inka-Muster-Stickereien über einen rustikalen Tweedmantel mit großen Pattentaschen im Stil der siebziger Jahre hin zum dicken grünen Lammfellblouson. „Die Kunden wünschen sich von Richard James inzwischen nicht nur klassisches Tailoring, sondern auch Kleidung, die sie am Wochenende tragen können“, kommentiert der Verkaufsleiter. Zu haben sind die Modelle in den Keystores von New York, Hongkong und Moskau. Herren-Rundschau 4-5/2015 HARDY AMIES RICHARD JAMES HARDY AMIES In die Gebirgslandschaft des Mount Snowdon, des zweithöchsten Bergs im United Kingdom und beliebtes Ausflugsziel der Briten, ist das Kreativteam von Hardy Amies gefahren, um die neuen Wintertrends aufzuspüren. Man ist fündig geworden: Ein spektakuläres Gewebe aus Bergseilmaterial wurde vom Savile-Raw-Label zu cleanen Parkas und Jacken verarbeitet. Eine haptische Erfahrung ist der pelzbesetzte Parka in Dégradé mit unterschiedlichen Stoffhöhen: Er imitiert die Texturen und Farben von Fels und Moos auf Gestein. Retro-orientierte Oberstoffe wie Jacquards der fünfziger Jahre, umgesetzt in moderne Silhouetten mit Kombinationsvielfalt, sind das Markenzeichen der alteingesessenen Londoner Tailor-Marke. Die Farben für den nächsten Winter stibitzte man bei dem Maler William Turner: Clay, Blue, Terracotta und Zypressengrün. Fortsetzung auf Seite 26 15 PITTI UOMO Fortsetzung von Seite 15 OUTDOOR SPORT HERNO HERNO Der sportliche Mann, der mit großer Leidenschaft seine Freizeit in der Natur verbringt, verlangt heute mehr von einem Kleidungsstück, als dass es vor Regen und Wind schützt und wärmt. Die Hersteller versuchen mit neuen Techniken diesem Wunsch entgegenzukommen. Mehr denn je wird heute eine transsaisonale Mode vorgestellt. Ermöglicht wird dies durch High-Tech-Stoffe von großer Isolierfähigkeit. Die mithilfe von Ingenieurwissenschaftlern entwickelten bequemen Produkte können als Layering getragen werden oder auch nicht. Sie sind wasserdicht, winddicht und atmungsaktiv und haben ein herausnehmbares wattiertes Futter. Aufwendige Forschungen haben sogar Alternativen zu Watte und Daunen entdeckt. Es sind Wärmewattierungen, die extrem leicht sind und eine noch bessere Isolierung bieten. Die Außenstoffe sehen wie Wolle aus, sind aber aus einer Tech-Zusammensetzung in Kombination mit bedrucktem Nylon in Blau/Schwarz und Braun/Schwarz oder darken Checks. Der Schwerpunkt liegt auf Parkas, Trenchcoats und Bomber-Blousons, aber auch auf sportiven Hemden, Sweatshirts und Accessoires wie Rucksäcken, alles gefertigt aus einer Mischung aus höchster Wollqualität und High-Performance-Technologie. Das Angebot umfasst immens: warme, reversible und kontrastfarbige Daunenjacken, Trench-Parkas – die neue Hybrid-Version des Militärparkas – aus wasserabweisender, schmutzabweisender, teflonbeschichteter Baumwolle und Jacken mit herausnehmbaren Frontblenden für den Windschutz und vieles mehr. HERNO LA MARTINA 26 LODENFREY LODENFREY 1842 Der Dufflecoat, das Field-Jacket und der Bomber-Blouson mit abknöpfbarem Lammfellkragen sind die Heritage-Styles von Lodenfrey 1842 für die kalten Tage. Interessant sind dabei innovative Stoffe, wie ein gewaschener Double, der durch eine andersfarbige Abseite überrascht oder ein querelastischer Double in Lodenoptik. Neu bei Lodenfrey 1842 sind auch Oversized-Parkas in Strickqualitäten. Schwarz, Blau und Hellgrau führen die Farbpalette an, daneben auch Oliv und das neue „Summerset“. Für darunter: melangefarbiger Strick mit ausgeprägtem Zopfmuster. Ein kräftiger Rückenwind bringt die hochtechnologische Outdoor-Kollektion von Herno nach vorne. Unter dem Konzept „Sartorial engineering“ konnte das Unternehmen aus Lesa bei Novara in den vergangenen beiden Jahren ihren Umsatz verdoppeln. Claudio Marenzi, der die Firma in der zweiten Generation führt, zeigt auf der Pitti Uomo wetterfeste hochwertige Jacken, reversibel aus Wolle-Nylon- bis hin zu Kaschmir-SeideMischungen mit urbanem Appeal. Die clevere Oberflächenbedruckung spricht eine junge Zielgruppe an. Absolutes Federgewicht ist ein wasserabweisender glänzender Daunenblouson, gefüllt mit einem Mix aus Primloft-Material und Gänsedaunen, dessen ultradünner Nylon-Oberstoff dem Wert 7den bei Feinstrümpfen entsprechen würde. Verstauen lässt er sich in einer kleinen integrierten Tasche. Wenn die Kälte richtig knackt, dann verstaut man sich selbst am besten in der „Expedition“Daunenjacke mit der höchsten Schmerzgrenze: Komplett aus italienischen Daunen, schützt sie bis zu minus 30 Grad. Hoch zu Roß ziehen vier Polospieler, darunter der Kapitän der englischen Nationalmannschaft, ins Messegelände ein. Im szenografisch ausgestatteten Clubhaus von La Martina verwandeln sich die Edel-Sportler in Models und kleiden sich mit dem Must have der nächsten Wintersaison: einem gesteppten WinterPoloshirt mit Kaschmirfütterung. „Viele Marken schmücken sich mit Polo, wir leben Polo“, bestätigt Volker Stinnes, der Verantwortliche für den deutschen Markt. „Wir sind pro Jahr bei 30 PoloEvents auf der ganzen Welt dabei und sogar im Polo-Club der englischen Queen. Sämtliche Produkte des Polosports – vom Stiefel bis zur Jacke – werden von La Martina gefertigt.“ Ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem sich die argentinische Marke auf dem aggressiven Markt behaupten will. Die Anfänge des Labels gehen in die dreißiger Jahre zurück, als es als Hersteller von Reitsätteln und Zubehör diverse Nationalmannschaften für den Polosport ausstattete. Dank der Qualität und des Designs seiner Sportswear wurde La Martina schon bald außerhalb des Polosports bekannt. Herren-Rundschau 4-5/2015 LA MARTINA Heute bietet das Familienunternehmen einen Heritage-Total Look mit verschiedenen Themen, die sich dem Zeitgeist anpassen. „Erfolgreiche Polomannschaften gehören natürlich weiterhin zu unserem festen Kundenstamm“, so Volker Stinnes. „Und wir freuen uns schon auf die German Polo Tour mit sechs PoloEvents und der Teilnahme an der deutschen Meisterschaft.“ Herren-Rundschau 4-5/2015 SPIEWAK Zu Beginn des 20. Jahrhunderts produzierte der gebürtige Pole Isaac Spiewak in Williamsburg für die Hafenarbeiter in Brooklyn und Manhattan Arbeitskleidung aus Schaffell mit einer technischsportlichen Note. Der Kundenkreis erweiterte sich schnell: Neben Feuerwehrleuten und Postbeamten wendete sich im Ersten und Zweiten Weltkrieg sogar das Militär an den brillanten Unternehmer. Die schicken Uniformen fanden auch bei der Bevölkerung großen Anklang, und dies hält bis heute an. Inzwischen liegt das Hauptquartier der Firma Spiewak & Sons in New York, die Produktentwicklungsfirma ist in der Schweiz ansässig. Chiara Cattanio erklärt die Innenverarbeitung einiger Produkte, denn gerade hier liegt das Innovationspotenzial dieser Marke. „Spiewak ist dem Umweltschutz verpflichtet. Wir recyceln alte Matratzen, Deckbetten und Kissen (große und kleine intakte Federn werden durch Windmaschinen getrennt), um neues Material und die Wattierungen für die OutdoorJacken herzustellen.“ Ein zeitgenössisches Icon-Piece ist der Parka aus Satin mit Fuchspelz (gibt es auch synthetisch), raffiniert und sehr warm. Die recycelte Wolle wird wie Lodenstoff gepresst und als wärmendes Innenfutter verarbeitet. Orange ist eine Trendfarbe. Zwei Designer entwerfen unsere Produktlinie, darunter der Japaner Joshinoro Ono. Er ist unter anderem für die technisch perfekt verarbeiteten Multipocket-Jacken (unter anderem Snowboard-Jacken) mit hohen Krägen verantwortlich. Der Japaner Nahrifuri orientiert sich an den Fahrradfahrern, dementsprechend haben seine Jacken einen städtischen Charakter. Der Clou ist die „Golden Fleece“-Jacke aus qualitätshoher reflektierender Camou-Denim-Baumwolle (800 Euro), deren Finishing bei Tageslicht unsichtbar ist. Angestrahlt durch Autoscheinwerfer oder Fotoblitzlicht bei Nacht hingegen tritt das Pattern effektvoll hervor. Gerne favorisieren die Designer auch Denim für die Parkas. TINA LA MAR SPIEWAK ARMATA DI MARE ARMATA DI MARE „Dynamik und Energie“ lautet das Motto der historischen Firma Armata di Mare, die seit 1959 ein Synonym für Qualität und Garantie ist. Schon das gelungene Design des Stands gibt das Gefühl, das Meeresrauschen zu vernehmen. Die Kollektion ist in die Sektionen „Yacht total White“ und „City total Blue“ aufgeteilt und hat verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Konzipiert ist sie für die Liebhaber der Meeresbrise sowie für die Freunde en plein air in der Stadt: Jacken aus Stepp-Sandwich in Bicolor oder Jacken aus leichtem Nylon und Frontblenden aus Flanell. Die waterproof-Jacken verbinden Tech- und Schneider-Know-how. Die Mikroprints auf den Hosen, die urban Fantasien der Hemden, die kleinen Prints auf den Poloshirts aus 100 Prozent Wolle und Kaschmir sowie die stone washed Sweaters drücken den Stempel des Neuen auf. Armata di Mare produziert auch die Bekleidungslinie Invicta mit ihren über Generationen hinweg zum Kultobjekt erhobenen Rucksackmodellen. Die goldfarbene Daunenjacke wurde als „Anteprima“ im Florentiner Luxusladen „Luisa Via Roma“ während der Pitti-Tage zum Verkauf angeboten und war innerhalb weniger Stunden sold out. 27 PITTI UOMO Die Metropole wird zum neuen Spielplatz für einen anspruchsvollen, kosmopolitischen Explorer. Der AvantgardeMann für den kommenden Winter ist ein dynamischer und modebewusster Gentleman: Er trägt seinen Anzug wie eine zweite Haut, denn Komfort und Qualität stehen an erster Stelle, ohne auf Eleganz verzichten zu müssen. Seine Outdoor-Garderobe ist ein Vorbote für einen Wandel zu schlichten Silhouetten. Die Tech-Gewebe lassen sich je nach Design anpassen, jedes Detail hat eine bestimmte Funktion. Dem schlechten Wetter und der Kälte trotzt der Avantgarde-Mann mit einem formvollendeten Parka aus japanischer Mikrofaser oder wind- und wasserdichter Baumwolle sowie einem gewachsten/ gummibeschichteten Gewebe. Beliebt sind weiterhin reversible Daunenjacken mit herausnehmbarer Innenverkleidung, gewaschene und teflonbeschichtete Feldbaumwolljacken, wasserdicht mit Antifleckenschutz. Strick- und Tech-Gewebe werden verbunden und fast architektonisch strukturiert. Der ständige Dialog zwischen Form und Textur ist zukunftsweisend. Immer wieder gibt es Anlehnungen an die Arbeitskleidung verschiedenster Berufsgruppen, aber so umgewandelt, dass die ausgetüftelte Verarbeitung diese veredelt. Ästhetische Dissonanz und die Idee der Überwindung der geschlechtsspezifischen Stereotypen sind typisch für die Avantgarde-Kollektionen, die StraßenMatrizen mit einer Vorliebe für Exklusivität vereinen. Typisch die Cut & PastePhilosophie, die zu einer Gegenüberstellung von differenzierten Einflüssen führt: britische und US-Militär-und Streetwear, kombiniert mit Zitaten von Rock ’n’ Roll bis Punk. Dazu gesellen sich übergroße T-Shirts und Sweatshirts mit gewagten Schriftzügen oder Grafiken, ärmellose Feldjacken, lange, schmal geschnittene Hemden zu BikerJacken mit Schnallen, Nieten und Reißverschlüssen, dazu Röhrenhosen – überwiegend in Schwarz. Gemischte Texturen mit High-Tech-Details prägen eine einfache Passform, die die Grenze zwischen männlichen und weiblichen Merkmalen verwischt und neu interpretiert. 28 Neueste Avantgarde-Mode zeigt der Bereich „The lastest Fashion Buzz“. Dieses Projekt beleuchtet die Entwürfe der vielversprechendsten, jungen, internationalen Talente im Bereich Männermode und Accessoires. Sie stellen ihre innovativen Konzepte der Modernität vor, formelle, aber auch nichtformelle Mode ist das Thema. ANT PITAGORA Beim Interview meint der sympathische Jungdesigner aus Kalabrien: „Ant ist die Abkürzung meines Namens Antonio, es könnte aber auch ant bedeuten, im Englischen die Ameise, die nie ermüdet. Die Muster meiner Shirts sind am PC bearbeitete Kopien von Reisefotos mit antiken Türklopfern.“ Mit einem Hauch von Tüll (ebenfalls mit einem zarten Muster versehen) bedeckt Ant Pitagora die Drucke, sodass die Komposition auf den Shirts dreidimensional erscheint. Trägt man nur das Tüllteil, so erscheinen die Drucke auf der nackten Haut als Tattoos. Wichtig für ihn ist das Spiel mit dem Layering. Für seine Spielereien nimmt er Jerseypullis, T-Shirts und technisch innovative Materialien, wie weichen japanischen Neopren. Wichtig ist für ihn die Entstehung von Bewegung; so hat er die Türklopfer auch dynamisch verfremdet. Als ehemaliger Werbedirektor ist seine Laufbahn eher ungewöhnlich. Zehn Jahre lange hat er bei Modehäusern wie Valentino, Dolce & Gabbana und Alberta Ferretti gearbeitet, t, bis er vor einem Jahr seine erste Kollektion Kollektio ektion entworfen hat. Der gebürtige Kalabrese Kalabres lebt und arbeitet jetzt in Mailand. Seine Kollektionen, als „Unisex“ konzipiert, konzipi ipiert, benennt er nach den Namen der Städte, Städ in denen die Fotos entstanden sind, od oder etwa „Golden Age“ oder „Golden Lion“ Lion“. n“. ANT PITAGORA DOCUMENT Die Inspirationsquelle des Designers Jongsoo Lee aus Seoul, der sein Label Document erst vor einem Jahr gründete, stammt von dem französischen Impressionisten Monet, genauer von den Gemälden der Kathedrale von Rouen, die dieser zu den verschiedensten Tageszeiten malte und somit die „impressionistische“ chromatische Wandlung aufzeigte. Jedes Mal, wenn man ein Kleidungsstück wäscht, ändert sich die Farbe, wenn auch nur wenig. Einige seine Modelle hatte er schon bei seiner ersten Kollektion entworfen. Bei seiner zweiten nimmt er diese wieder auf, allerdings erweitert um kleine Details. Klare Linien und minimalistische Schnitte sind sein Credo. Oft inspirieren ihn alltägliche Dinge, etwa ein Straßenfoto, ein neues Modell zu entwerfen. Er verweist auf die Bordüre einer Rayon-/ Wolljacke, des Abbilds eines Straßenabschnitts. Das Innenleben der Jacke ist so hochwertig gearbeitet, man könnte sie ebenso gewendet tragen. Originell sind das weite, gerade geschnittene kurzärmlige Hemdkleid mit Eingrifftaschen und die kurzen Hosen mit vier Abnähern. Auch er gesellt sich in die new wave genderles Generation, die jeglichen Altersgruppen und beiden Geschlechtern gerecht wird. Grenzen zwischen Männermode und Damenmode werden aufgehoben – Transgender Fashion DOCUMENT AVANTGARDE CRUCIANI CRUCIANI CIRCLE OF GENTLEMAN SMART Zu den jungen Playern, für die Pitti Uomo ein Sprungbrett ist, um sich in Position zu bringen, sind einige sehr innovative Designer mit großzügiger Unterstützung der niederländischen Botschaft und der Dutch Fashion Foundation aus den Niederlanden angereist (insgesamt 13) und haben ihre Kollektion im Rahmen der Veranstaltung „The Dutch Touch Fashion and Photography “ im Hotel Savoy gezeigt. Seit Jahren werden die jungen holländischen Modeschöpfer von ihrer Botschaft in Rom unterstützt, „denn die Kreativindustrie ist ein Spitzensektor in unserer Wirtschaft“, erklärt Botschafter Michiel den Hond. THE DUTCH TOUCH FASHION CIRCLE OF GENTLEMAN Einen Tag lang ziehen junge Kerle in modischen Uniformen, mit Herzen bedruckt, durch die Modemesse Pitti mit der Botschaft: Lebt die Romantik, lebt die Liebe! Ihre Mode ist eine Art „Love Revolution“, die Herzen, die Zeichen der Liebe, werden in den Olymp der Mode erhoben. Angelo Cruciani und seine #Armyoflove hoffen, dass die Energie dieses uralten Symbols, das eigentlich eher auf weiblichen Kleidungsstücken zu finden ist, die Tür zu einer verständnisvolleren Menschheit öffnet. Michel von Kommer und Janjaap van Gent, zwei Schulfreunde, haben 2006 angefangen, Hemden mit hohen Krägen zu produzieren. „Sie waren völlig unkonventionell und verkörperten einen typisch holländischen Geschmack“, erklärt Michel von Kommer. Sie bekamen sogar ein Patent für ihre Kreation, denn der Kragen blieb auch ohne Bügeln steif. Nach dem Erfolg dieser „verrückten“ Krägen im Heimatland und in Belgien bedruckten sie die Hemden mit floralen und grafischen Mustern. Nach acht Jahren produzieren sie nun eine Kollektion, die international so gut ankommt, dass sie in zwölf Länder verkauft wird, darunter Kanada, Übersee und England. Bei der kommenden Herbst-/Winter-Kollektion setzen sie auf eine enge Passform, slim fit mit soften Schultern, engen Hosen mit Fußweite 16 Zentimetern, Glencheck Ton in Ton und wattierten Steppsakkos. Die italienischen Stoffe (eigens für Circle of Gentleman hergestellt) in Kaschmir, Leinen und 100 Prozent ägyptischer Baumwolle werden in Portugal verarbeitet. Große Sorgfalt legen sie im Luxussegment auf den Heritage Look mit klassischen Reminiszenzen – neu interpretiert – und auf Details wie Taschen, Knöpfe und das Innenfutter. Der „casual look“ zieht sich durch das breite Spektrum der Kollektion mit Strickware, sportlichen Anzügen und Jacken. Im Preissegment ist das Label mit Jacken zwischen 379 Euro und 499 Euro und Anzügen ab 599 Euro kompetitiv. Originell ist die kleine Zigarilloschachtel aus Zedernholz mit Fotos und USB-Stick. „Zedernholz ist gegen Motten, so sagt man in Holland“, erklärt Kommer schmunzelnd. 29 PITTI UOMO Täglich war vor dem Hauptpavillon eine Performance junger Kreativer zu sehen, die unter dem Motto „Alternativ Set“ sich und ihr Label mit schneidertechnischem Können vorstellten. mit dem eines Zaren würdigen breiten Pelzkragen. Für ihre Produktion in Italien, Portugal und Litauen verwendet Anna italienische Stoffe. Hingucker der schmalen Wollhose ist unten ein seitlicher Reißverschluss. „In die Details und die Innenausstattung unserer Teile investieren wir sehr viel Zeit“, so die Schwedin „denn sie verbindet das Kleidungsstück mit ihrem Träger.“ Gleich neben Circle of Gentleman standen ebenfalls exzellent gekleidete Schaupuppen der Marke The Makers. Die Philosophie des Designers Thomas Baldwin liegt in dem Mix aus italienisch inspirierter Mode mit ihrer Eleganz und Nonchalance, einer Prise „freak out“ sowie perfekter englischer Schneiderkunst. Ein Beispiel dafür ist das elegante Nadelstreifensakko, dessen Streifen an der Taille enden. Sein Konzept ging auf. Seit vier Jahren befindet sich sein Label in beständigem Wachstum, mit Kunden in China, Russland, USA und Deutschland. Sein professionelles Team besteht aus Schneidermeistern mit italienischer und englischer Erfahrung. Insgesamt sind in seinem Betrieb 1200 Leute beschäftigt. Die Preislage für elegante modische Anzüge liegt bei 400 bis 800 Euro und bei Maßanfertigung bei rund 1.000 Euro. NIKOLAJ D’ÉTOILES Bei #SwedishSpot, einem Sonderprojekt der Pitti Uomo, konnte man junge schwedische Kreativität auskundschaften. Eine Ausstellerin ist Anna Björkstedt. Angereist ist sie mit Baby, Partner und ihrer 35-teiligen Kollektion. Ihr Label Nikolaj d'Étoiles hat sie mit ihrem Mann 2005 mit dem ambitioierten Ziel 30 NIKOLAJ D’ÉTOILES THOMAS BALDWIN – THE MAKERS gegründet, der erste schwedische Luxury Brand zu sein, der Avantgarde-Design zwischen Sportswear und Tailoring für einen modernen Gentleman bietet. „Der modeverliebte Zar Nikolaus II. stand Pate für unseren Markennamen, und ‚Étoiles’ ist ein Tribut an die Dandys der französischen Riviera“, klärt sie uns auf. Ihre Mode ist für einen privilegierten jungen Mann gedacht, der auf eine höhere Schule geht und sich selbst verwirklichen möchte. Seine Lieblingsteile sind „preppy“-Outfits, informale Track-Pants und markante Oberteile wie die zweireihige Jacke aus Heavy Wool EVENTS TÜRKEI „Fashion in Evolution. Eine türkische Ledergeschichte“ heißt das Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift L’Uomo Vogue die vielfältige Kreativität der türkischen Modeindustrie vorstellt. Im festlich beleuchteten Palazzo Capponi zeigen die jungen Designer ausschließlich tragbare Ledermode, pur oder mit Akzenten aus Pelz und Fell. Die Türkei ist die zweitgrößte Ledermanufaktur in Europa und eine von vier weltweit. Die Lederverarbeitung begann unter der Herrschaft der Osmanen mit Fatih Sultan Mehmet. Er ließ 33 Schlachthäuser und 36 Gerbereien in Anatolien errichten, wo noch heute die türkische Lederverarbeitung (Sahtiyan) ihren Stammsitz hat. Herren-Rundschau 4-5/2015 O liver Saillard, Direktor des Musée de la CLOAK Mode, „Palais Galliera“ von Paris, Autor der mise en scène „Cloak Room“, bringt Mäntel und Jacken „zum Sprechen“. Im Theater La Pergola empfangen Oliver Saillard und die renommierte schottische Schauspielerin Tilda Swinton die Zuschauer und bitten sie, ihre Mäntel und Jacken in der Garderobe (cloak room) abzugeben. Tilda nimmt die SALONE OF EXCELLENCE schen gigantischen Bronzeskulpturen ihre neueste Kollektion vorstellen. „Wir zeigen eine komplette Ready-to-Wear Kollektion mit Accessoires, in der wir Schneiderkunst, Sportswear und Funktion mit unvermuteten Details kombinieren. Wir verbinden Volumen, Stoffe und verschiedenste Elemente neu und verleihen so unseren Modellen einen unerwarteten Touch.“ Im Mittelpunkt des Defilees stand der formale Anzug. Die Proportionen und Stoffe sind gedacht für einen Mann, der sich frei fühlt, einen ausgeprägten Humor besitzt und immer auf spezielle Details achtet. Er weiß die experimentelle und gewagte Ästhetik von Marni zu schätzen. Bei der Präsentation huschen smarte magere Boys in überlangen Sakkos mit warmen Ärmelstulpen und knöchellangen engen Hosen mit Umschlag an den Reiterskulpturen von Marino Marini vorbei. Sie tragen Hemden mit Blütenmustern und Schildkappen. Anstatt Sakkos trägt „Mann“ mit Stil heute auch eine Weste mit bunten Rauten, darüber lange Mäntel in Dark. Im Four Seasons Hotel wird unter der Direktion von Alex Dordevic eine Auswahl besonderer Designer und Kreativer vorgestellt. Antonio Annunziata, Maßschneider der Maison Chiaia in Neapel, zeigte vier seiner neuesten Kreationen, die einen gewissen Einfluss des „englischen Lord“ charakterisieren. Neapolitanische Schulter, 100 Prozent Seidenfutter, Stoffknöpfe, doppelreihige Westen, knöchellange Hosen mit Abnäher, denn „die Hose muss die Schuhe küssen“, meint Antonio. Außerdem gab der kurzweilige Film „54 Stunden“ unter der Leitung des Produzenten Alex Dordevic einen Einblick in die Verarbeitung eines bespoke-Maßanzuges. Diese Stundenzahl benötigt ein Maßschneider, um einen perfekten Herrenanzug von Hand zu nähen. Vater Mariano Rubinacci und Sohn Luca zeigen in ihrem Atelier in Neapel Schritt für Schritt die wichtigsten Passagen dieser faszinierenden Verwandlung eines flachen Stückes Stoff in ein dreidimensionales Kunstwerk. ANDREA INCONTRI Herren-Rundschau 4-5/2015 MARNI MARNI Die Schweizerin Consuleo Castiglioni, Kreativdirektorin und Gründerin der Maison Marni, war sichtlich erfreut über die Einladung als Gastdesignerin zur Florentiner Modemesse. Im elitären Marino Marini Museum konnte sie zwi- Kleidungsstücke in Empfang, nimmt sie mit all ihren Sinnen auf – spricht mit ihnen, riecht an ihnen – und zieht sie dann an. Für einen Augenblick erhalten sie eine neue Identität. Anschließend hängt Oliver Saillard das Kleidungsstück auf einen Ständer, für einen Moment gleichen sie einem Stillleben. Am Ende der Performance holen sich die Zuschauer ihre Kleidungsstücke wieder ab. ROOM Als „Special Guest“ der Pitti Uomo gab sich Andrea Incontri die Ehre, seine Winterkollektion im imposanten Florentiner Palazzo Corsini vorzustellen. Zu Electropop-Livemusik rauschen die Modelle durch den Prunksaal, sie tragen Umhänge mit Kapuze, die an Regenpon31 ANDREA INCONTRI 32 „Meine Wurzeln in der Architektur hatten schon immer großen Einfluss auf meine Arbeit, von der Studie der Formen bis hin zur Konstruktion der Volumen. Schlüsselwerte sind Details sowie die Stoffe. Ich fühle mich mit der Kunst und der Arbeit der italienischen Handdwerker sehr verbunden“, erklärt Andreaa Incontri in einem Interview. HOOD BY AIR Weiße Scheinwerfer zucken zu TechnoSound durch den Nachthimmel in Fiesole, streifen die antiken Mauern des Hotels Villa di Maiano hoch über Florenz. Die Tribu Streetwear von Hood by Air mit ihrem „Guru“ Shayne Oliver ist aus New York in der Toskana gelandet, um die Modemesse mit „Sexy Superhelden“ aufzufrischen: Auf Schuhen mit hohen Blockabsätzen, mit Riesenperücken und blonden, überlangen falschen Wimpern und Schmuck aus Glasmurmeln laufen die Jungs wie ferngesteuert durch den Wintergarten der Villa. Sie tragen raffiniert umstruktutu- HOOD BY AIR chos erinnern, dazu gleichfarbige Hosen. „International, informal und hyperfunktional“ nennt der junge Designer seine Ready to Wear-Kollektion mit Modellen in vorwiegend dunklen Farben aus Technogewebe oder Loden. Ein Beispiel: eine mit Ökodaunen gefütterte Lodenjacke mit Lederärmeln, dazu Hosen im klassischen Schnitt und spitze, nietenbeschlagene „Killer-Mokassins“, dazu eine oversize Tasche. 18 Taschenvarianten und sieben Rucksacktypen hat Andrea Incontri für seine jungen Metropoliten gestaltet. Incontri ist ein Spezialist im Design von Lederwaren. Entdeckt wurde der diplomierte Architekt im Jahr 2010 im Nachwuchsdesignerwettbewerb „Who’s on Next Man“ als Gewinner in der Kategorie Accessoires. Mehrere Jahre lang arbeitete er in der künstlerischen Leitung des italienischen Lederwarenkonzerns Consorzio Centopercento Italiano, danach mit verschiedenen Marken, darunter Fratelli Rossetti, Alcantara, Jil Sander Navy und Peuterey. 2009 gründete er seine eigene Marke, und seit 2014 ist er Kreativdirektor für die Männerlinie von Tod’s. HOOD BY AIR NARDINI rierte Leder-und Tuchmäntel mit Pelzeinsätzen zu weiten Hosen und Track Pants. Die ausgefallenen Schnittformen bezeugen Olivers Fähigkeit für scharfe Analyse. Ausgezeichnet wurde seine im Kollektiv produzierte, visionäre Underground-Wear bereits mit dem LVMH Prize. Zu den Fans von Hood by Air gehören Kanye West und Rihanna – ein Zeichen, dass HBA-Kreationen bald Mainstream sein könnten. Herren-Rundschau 4-5/2015 NARDINI Wo findet der gestresste Pitti-Besucher einen Moment Ruhe, um wieder Energie zu tanken, um dann weiter über das 59.000 Quadratmeter große Messegelände zu stiefeln? Genial die Idee, auf der Dachterrasse des Zentralpavillons eine Art Hütten-Lounge einzurichten, wo die besten toskanischen Zigarren und Grappa-Cocktails angeboten werden. Die Familie Nardini stellt seit 1779 in Bassano del Grappa in der ältesten Dampf-Destillerie der Welt charakteristische, im Eichenfass gereifte Grappasorten her. „Wir nehmen an der Messe teil“, so Antonio Guarda Nardini „weil wir das Konzept Made in Italy vertreten. Es umfasst Mode, Essen und Trinken.“ Aus diesem Grund ist er schon das zweite Mal in Pitti mit von der Partie. Aber wie sieht seine Beziehung zur Mode aus? Wie kleidet er sich? „Eigentlich kleide ich mich nicht, sondern ich bedecke mich“, sagt Antonio schmunzelnd. Er trägt einen Hoody, denn es ist ziemlich kalt auf der Dachterrasse, eigentlich ideal für einen wärmenden Es- presso-Grappa-Cocktail. „Meine Anzüge müssen über eine hohe Knitterresistenz verfügen, unglaublich bequem sein, aber auch die moderne Silhouette favorisieren und acht Stunden Flug einwandfrei überstehen.“ Aus diesem Grund geht er zum Maßschneider, der genau sein Anliegen kennt. Zurzeit steht er auf den neapolitanischen Herrenausstatter Sartoria Partenopea, denn die Schulterverarbeitung dort ist unübertroffen. Auf 59.000 Metern Ausstellungsfläche haben bei der Pitti Immagine Uomo 87° 1.119 Firmen ausgestellt, davon 487 ausländische Firmen. Von den 24.000 Einkäufern kamen 37,5 Prozent aus dem Ausland. Ferner waren 66 Aussteller für die DOB-Kollektionen der in die Ausstellung integrierten Pitti Women 87° vertreten. Nächster Termin: 16.-19. 6.2015 33 WANT LES ESSENTIAL PITTI UOMO ACCESSOIRES SCHNÜRSCHUHE Wie bewegt sich der Geschäftsmann durch die Stadt? Natürlich nur in handgefertigten Schnürschuhen aus exklusivem Leder, glattes oder gehämmertes Kalbsleder, oft auf antik gearbeitet oder gebürstet, aber auch gedrucktes Kalbsvelour-, Nappa- oder Hirschleder. Die absoluten In-Farben der Saison sind Pflaume, Traube und Moos sowie Metallic-Schwarz in differenzierten Schattierungen und Reflexionen. Dicke, extra leichte Gummisohlen sorgen für ein superweiches und komfortables Gehen. Natürlich dürfen feine Schuhe aus Krokodil- und Straußenleder nicht fehlen. MORESCHI Italienisches Handwerk, edles Leder – hoch ist das Risiko für den Mann, sich bei Moreschi einen Schuhtick einzufangen. „In diesem Paar interpretiert Moreschi die klassisch-englische Tradition der sechziger Jahre, mit einer prominenten Sohle, 22 Millimeter hoch.“ Das handgefärbte Modell mit dem reflektierenden Farbspiel kommt markant da34 her, ist aber zu unserer Überraschung völlig leichtgewichtig. „Moderne Gummisohlen machen das möglich“, sagt Andreas Kauers und führt uns zu den neuen Trikolor-Modellen und Trendformen in Leder und Stoff-Mix. Der junge Verkaufsexperte hat die Aufgabe, die Wahrnehmung der Traditionsmarke, die in den Achtzigern vor allem für ihre weichen Mokassins bekannt wurde, auch in Deutschland aufzufrischen und in das Segment der Herrenausstatter zu integrieren. 1946 wurde das Familienunternehmen in Vigevano nahe Mailand von Mario Moreschi gegründet. Moreschi war ein Mann von gutem Geschmack und mit vielen Leidenschaften: Dirigent und Pilot von Kleinflugzeugen, aber vor allem bedacht auf hohe Produktqualität. Das hohe Qualitätsniveau bei einer Schuhproduktion von 1.000 Paar pro Tag und 400 Mitarbeitern zu halten ist heute für die dritte Generation eine Herausforderung. Moreschi verarbeitet Kalbs- und Ziegenleder aus dem Mittelmeerraum, schmiegsames Hirschleder und für die Sommermodelle weiches und resistentes Känguruhleder. Exotische Ledersorten wie Eidechse, Krokodil und Strauß kommen meist aus Afrika. Der Markt in Deutschland konkretisiert sich vor allem in München und Baden-Baden, wo man auch auf die russische Klientel zielt. SNEAKERS Bei fast jedem Aussteller stehen heute passende Accessoires gleichberechtigt neben der Bekleidungsmode. Sie sind Teil des Ensembles „Kleidung“. Der klassische Trekkingschuh hat im legeren Turnschuh, den „urban Sneakers“, Konkurrenz bekommen. Als LifestyleStatement, teils in limitierter Auflage, und von erfahrenen Handwerkern hergestellt, werden Sneakers in einer breiten Palette gezeigt: von Low bis Super High. In ihr Design fließen moderne Kunst und Graffiti ein, postmoderne Ausstattung paart sich mit Traditionsbewusstsein und Funktionalität. Die Schuhkollektionen strahlen mit ihren dicken Vibram-Sohlen einen resoluten Charakter aus und bestechen durch ihr Medley aus Dandy-Look und Punk. Die Kunst des „Schuhmachers“ zeigt sich in den raffinierten Details, so asymmetrische oder verdeckte Reißverschlüsse, virtuose Ledereinsätze, Vintage-Elemente und Leder von Yak und Pony, oft in einer minimalistischen Palette von Grau, Schwarz und Weiß oder Gold. DIE NEUEN TASCHEN CITY-PROOF ICONS Die neuen Ikonen städtischer Mobilität sind ein Optimum an Funktion und Design. Was zählt, sind geringes Gewicht Herren-Rundschau 4-5/2015 und Haltbarkeit. Obwohl reich an praktischen Innentaschen, sind sie dennoch schlicht in ihrer Form, zu 100 Prozent wasserdicht dank Beschichtung und Tech-Materialien, dazu gehört auch der Druckguss-Reißverschluss. Verstellbare Griffe und abnehmbare Schulterriemen verbessern die Funktionalität. Mit ihrem geringen Gewicht sind sie absolut perfekt für die neue Biker-Generation. Die Tasche von heute ist bei jeder Gelegenheit einsetzbar und erfüllt alle Bedürfnisse - vom modernen Rucksack über die Umhängetasche bis hin zur Aktentasche. WANT LES ESSENTIAL Vor den Rucksackmodellen von Want Les Essential bleibt man unwillkürlich stehen. Die kanadische Firma hat den zweisprachigen Namen gewählt, um der bilingualen Bevölkerung gerecht zu werden. Die Menschen von heute möchten sich unabhängig bewegen und ihre Hände frei haben. Was gibt es Besseres als den Rucksack? Das von Want Les Essential entwickelte Modell sieht wie ein Rucksack aus, lässt sich aber wie eine elegante, praktische Tasche handhaben mit Multipocket-Ausstattung – funktionelle Taschen für den Laptop, das iPad, iPhone und persönliche Gegenstände. Raffiniert ist der Reißverschluß in Silber und Gold, der sich in zwei Richtungen öffnen lässt. Der Rucksack ist verschließbar und fest im Stand. In Deutschland ist die Marke eher unbekannt, aber bei Schwittenberg in München und im KaDeWe in Berlin sind diese smarten Accessoires zu haben. D FAZIT ie Messe hat auch dieses Jahr wieder bewiesen: In der heutigen Zeit ist Männermode mehr als nur ein schlichter Anzug. In ihrer Fülle an Formen, Design und Farben steht sie der Frauenmode in nichts mehr nach. Sie hat sich ihren ganz spezifischen Platz auf dem Mode-Olymp erobert. Die Männerwelt scheint dies zu honorieren, die Verkaufszahlen steigen. Die Variationen an unterschiedlichsten Modellen und Accessoires sind kaum zu überblicken. Dies beginnt bei den Schnittformen, Stoffqualitäten und Mustern, den unterschiedlichsten Materialkombinationen. Der Übergang zwischen „Streetwear“, „Casual“ oder „Sportiv“ ist fließend. Die Männermode hat sich von der traditionellen Maßschneiderei gelöst. Sweatshirts, Tracksuits (Jogginganzüge), Field Jackets sind die heutigen Begriffe – worum handelt es sich dabei? Um Sport- oder Straßenkleidung? Individuell gekleidet zu sein ist eine immer wichtigere Form des luxuriösen Lebensstils. Neue Schnittformen, Farben und Kombinationen lassen den Körper in einem neuen Licht erscheinen. Jedes Kleidungsstück betont einen bestimmten Teil des Körpers und den Lebensstil des Trägers. Heute steht der Mann zu seiner Kleidung, er hat sich aus dem Korsett des klassischen Anzugs befreit. Humor, Farbigkeit, überwältigender Material-Mix und Raffinesse bestimmen die neue Richtung. Dr. Benigna Mallebrein/Susanne Schaller Buchbesprechung „Pitti People -Portraits of the Italian Dandy“ Der illustrierte Modeführer „Pitti People“ wurde von der japanischen Zeichnerin Yooco Tanimoto zusammengestellt. Sie zeigt ein Porträt des italienischen Dandy, so wie sie ihn im Jahr 2014 bei den beiden Pitti Modemessen angetroffen hat. Das Buch aus feinen Büttenpapier zeigt die neuesten Modetrends nicht an Hand von Fotos, sondern mit gekonnten Modezeichnungen. Dazu gibt sie wertvolle Tipps, wie man die Schals trägt, welche Farben man geschickt kombinieren kann, welche Stoffe und Muster das „Must“ der Herren-Rundschau 4-5/2015 Saison sind und sie beschriebt auch einige Modelle. Ebenso werden die besten Herrenläden, Restaurants, Bars, Enoteken und Orte präsentiert, um sich in der Stadt am Arno verwöhnen zu lassen. Grundlage für die Zeichnungen sind ihre Schnappschüsse während der Pitti-Messe. Diese werden jedoch von einem weiblichen Illustrator interpretiert und so erscheint ein modischer, absolut schick gekleideter Mann, attraktiv wie ihn das weibliche Geschlecht liebt. 35