Rundschau 4 - Benigna Mallebrein

Transcription

Rundschau 4 - Benigna Mallebrein
Rundschau
4892
4-5/2015
DIE FACHZEITSCHRIFT
FÜR INTERNATIONALE
HERRENMODE UND
SCHNITT-TECHNIK
SCHNITT-TECHNIK
PARKA MIT KAPUZE
PITTI IMMAGINE UOMO
FLORENZ
HERBST/WINTER 2015/16
Pitti Immagine Uomo 87°
Stilvoller
„Walkabout Pitti“ lautet das Leitmotiv der Florentiner Modemesse,
der globalen Bühne zur Präsentation der Herbst-/Winter-Kollektion
2015/16. Im Fokus steht der Mensch, der sich Zeit nimmt, die Welt zu Fuß
zu erobern und mit allen Sinnen zu erleben. Schon Hippokrates meinte:
Laufen ist die beste Medizin. So nehmen bei dieser Veranstaltung sportive
Kleidung und innovative Materialien einen besonderen Stellenwert ein.
Eine Herausforderung an die Modeschaffenden, den optimalen Mix aus
perfektem Tailoring und sportivem Stil zu finden.
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CUCINELLI
Messerundgang
Herren-Rundschau 4-5/2015
PITTI UOMO
Herren-Rundschau 4-5/2015
CASUAL SMART
BRUNELLI CUCINELLI
Casual sartorial – dieses Leitmotiv des
kommenden Modewinters wird von Brunello Cucinelli meisterlich auf den
Punkt gebracht. Hier dürfen die JogPants zu einem eleganten Sakko getragen werden, die helle Chino unter dem
Mantel im preußischen Stil und die Krawatte zur Jeansjacke – sportliche Elemente interagieren mit sartorialem Stil
in ausgewogenen Überlagerungen. Der
Kaschmirpullover, das traditionelle
Herzstück des umbrischen Unternehmers, ist der eigentliche Ausdruck der
Lässigkeit, weitergeführt als Strickjacke
und Cardigan im Sakko-Stil. Brunello
Cucinellis Passform betont männliche
Körperformen. Die Hosen aus Flanell mit
vorwiegend kurzen Beinlängen und Bügelfalten haben Abnäher und Aufschlag,
die sportlichen Varianten, stets schmal
geschnitten, sind mit Cargo-Taschen versehen. Gut sichtbar: kernige Socken, gekrempelte Aufschläge sind out. Bei den
Mantelformen dominieren Kurzmäntel.
Mit Uniformanklängen sowie der Dufflecoat: Mit versteckter Knopfleiste, also
ohne baumelnde Knebelknöpfe, und 102
Zentimeter Gesamtlänge bei leichtem
Griff gewinnt das ehemalige StudentenOutfit mondäne Dynamik. Lange Mäntel
mit klassischem Anklang verstecken
herausnehmbares Gänsedaunenfutter.
Strickeinsätze, weiches Nappaleder oder
Shearling veredeln die leichten Mäntel
und Cabanjacken aus Kaschmirgewebe.
Doppelte Verarbeitung gibt den Farbtönen der Kollektion einen raffinierten Camaieu-Effekt. Beigetöne wie Vanille, Granit, Mandel und Kleie treffen auf Blauund Grauabstufungen. Das exklusivste
Stück auf dem Stand ist ein komplett
von Hand gefertigter Mantel aus zwei
verschiedenen Kaschmirstoffen in Doubleface-Optik mit glänzend polierten
Hornknöpfen.
CUCINELLI
B
eginnen wir den Rundgang im
zentralen Pavillon der „Fortezza
da Basso“, dem Herzstück für
die Schau zeitgenössischer Lifestyle-Trends. Hier stellen vor allem die
großen klassischen Firmen ihre Kollektionen vor. Die Mode steht ganz im Zeichen des „Casual Luxury“ und zeigt sich
in entspanntem Luxus, kombiniert mit
informellem Chic. Der Look unterstreicht die Männlichkeit – klare
Schnitte und betont slim-fit. Dieser Stil
ist eine Kombination aus SportswearEinflüssen mit der hohen Kunst der
Maßschneiderei. So entwickeln sich
neue innovative Konzepte. Mäntel und
Jacken werden heute aus hochtechnologischen Bekleidungsstoffen genäht, sie
umgibt die Aura von Luxus und großstädtischer Dynamik. Zum Edel-Look
gehören texturierte Garne, weiche
Boucléstoffe, ein Material-Mix aus Wolle,
Leder und Nylon sowie die Komfortmischung aus Seide und Kaschmir. Immer
noch beliebt sind die klassischen Stoffe
aus feiner Wolle, kardiertem Flanell und
Mouliné. Absolut en vogue sind leichtere
Gewebe aus Stretchwolle in neu interpretierten Farben, die mit Jacquard-Gewebe, Druckmustern und Stickereien
veredelt sind. Für die perfekte OutdoorBekleidung werden gerne Qualitäten mit
strukturierten Oberflächen verarbeitet.
Figurbetonte Jacken und Hosen aus weicher Wolle mit großen und kleinen Karos werden neu kombiniert. Alle Modelle
vermitteln ein Gefühl von warmem und
sinnlichem Luxus. Und sollte es einmal
Minusgrade geben, so kann man auch
diesen meteorologischen Unbilden stilvollendet begegnen. Zur Edelausstattung
gehören leichte Daunenjacken aus weichem Lammleder mit Pelzeinsätzen,
feine Kaschmirstrickwaren, wasserdichte, atmungsaktive Baumwoll-Canvas-Parkas, Dufflecoats mit mehrfachen
Taschen und herausnehmbaren Linings,
Oversized-Jacken und hybride SteppStyles wie gedoppelte Nylon-Wolle-Daunenjacken mit originellen Druckmustern
und Techno-Finishing. Die Kleidung ist
vom Country-Look inspiriert, aber für
die Kälte verarbeitet. Die Verwendung
von Schaffell, Hirsch-Printleder, JeansFlanell und wattiertem, gestepptem Nylon bietet einen außerordentlichen
Reichtum an Neuigkeiten.
Smartes Team am Stand
von CUCINELLI.
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PITTI UOMO
LUBIAM
Sie sind nicht nur praktisch, sondern werten jedes Outfit auf: Im Dreiteiler vermitteln Westen
Eleganz, im Tandem mit
dem Sakko konferieren
sie ein „angezogenes“
Gesamtbild und fungieren oft als Bindeglied
zwischen Casual und
Formal. Westen sind Designers Liebling geworden.
Als Einzelstück wird das
ärmellose Leibstück zur
kreativen Spielwiese mit
Stoff und Styling. Warm
ums Herz machen im
nächsten Winter besonders Strickversionen mit
ausgefallenen
Garnen
und innovativen Färbetechniken.
LUBIAM
WESTEN SETZEN
MODISCHE
STATEMENTS:
Sich der
Zukunft zu
stellen, bedeutet
bedeut
bei LUBIAM das
genaue Studium
der Silhouetten.
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Herren-Rundschau 4-5/2015
LUBIAM
PAOLONI
Eine schlanke Figur ist auch bei den Anzügen von Paoloni gefragt, knapp und
kurz sitzt das Sakko, und die Hosen haben einen scharfen Shape. Die Materialien folgen Retro-Dessinierungen der
1930er-Jahre: Jacquards, Mikromuster,
Fischgrät, Nadelstreifen. Showpieces für
das ungefütterte Sakko in Melange-Grau
aus gedoppeltem Baumwolle/Kaschmir,
rundum AFM-Kante, mit aufgesetzten
Taschen und dunkelblauer Abseite, sowie die dunkelblaue zweireihige Jacke
aus volumigem Waffelmuster-Strukturgewebe.
PAOLONI
Was 1911 in Mantua als Schneideratelier für Herrenanzüge und Damenkostüme begann, ist heute ein Unternehmen mit 300 Beschäftigten, das mit drei
Linien plus einem Made.to.Measure-Service aufwartet, dem ein Auftragsplus
von 12 Prozent zu verdanken ist. Allein
28 Flagship Stores hat die Firma bereits
in China eröffnet. „Sich der Zukunft zu
stellen bedeutet für uns vor allem das
genaue Studium der Silhouette“, erklärt
Giovanni Bianchi, Kreativdirektor von
Lubiam. Es ist ein Spiel mit wenigen
Millimetern und hochwertigen Garnen,
besonders beim Anzug: „Er ist heute so
gefragt, weil er sich verändert hat. Er ist
jünger und informaler geworden, gleichermaßen bequem und slim – mit einer Struktur, die die athletische Figur
unserer Kunden mit stattlichen Schultern und langen Beinen betont“, so Bianchi. „Unsere fashion-orientierten Modelle haben hohe und schmale Revers,
bei den Jacken im Tailormade-Stil sind
sie bis zu 10,5 Zentimeter breit. Der
Mittelpunkt der Taille wird dabei leicht
nach unten versetzt, um Hemd und Kra-
watte zur Geltung zu bringen.“ 95 Prozent der Lubiam-Kunden entscheiden
sich für den Zweiknopf-Einreiher. Der
Grund? „Er streckt die Figur und die
schlanke Linie. Diese toppen unsere
Kunden noch mit einer schmalen Hose.“
Stretch-Stoffe mit perfekten Rücksprungwerten garantieren die Bewegungsfreiheit.
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PITTI UOMO
LARDINI
Eyecatcher bei Lardini ist ein weißer
Casentino-Mantel aus Wolljersey, den
der smarte Trendsetter über einem dunkelblauen Strickrolli zur HahnentrittHose trägt. Seine Jacken, in Camel und
Black&White, sind aus aufgeworfenem
Alpaka und Mohair – eine Mischung,
die bei Lardini sogar beim Dinnerjacket
mit dem klassisch-britischen Blackwatch-Karo zum Einsatz kommt.
WOOSTER
Eklektisch und expressiv – Nick Wooster stellt in seiner Kooperation mit Lardini wieder meisterlich die Schneiderregeln auf den Kopf. Im Spannungsfeld
von Maskulin und Feminin, Sartorial
und Street, Military und Couture konstruiert er Patchwork-Sakkos mit großen aufgesetzten Pattentaschen und
weite Hosen mit langem Schritt, doppelten Bundfalten und hohem Aufschlag.
TAGLIATORE
GABRIELE PASINI
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TAGLIATORE
An die Düfte und Farben der kleinen
Dörfer im sonnigen Apulien, seine Olivenhaine und vor allem das tiefe Blau
des Meeres im Winter dachte Kreativdirektor Pino Lerario, als er die neue Tagliatore-Kollektion entwarf. Seine Mäntel
mit Vintage-Anklängen, mit großem
Rückenriegel, breiten Revers und Raglanärmeln wecken Begehrlichkeit. Formale Eleganz und charaktervoller Casual-Style verschmelzen harmonisch in
den körperbetonten und kontrastvoll
karierten Tagliatore-Jacken. Must-have
ist das zweireihige Gilet, auch als Modell mit Samteinsätzen. Pino Lerario
fixiert dabei nichts Beliebiges: Für die
gelaserten Knöpfe der Jacken hat er
sich von den Rosetten der barocken Kirchen inspirieren lassen, andere sind
eine Hommage an historische Limousinen. Perfekt für den Dandy im Gentlemen’s Club: der Smoking aus der Capsule Collection Pino Lerario mit lauten
Checks oder Regimental-Streifen, rauer
Oberfläche und Revers aus gekürztem
Samt.
„Dieses althergebrachte Karomuster,
wieder aufgelegt in weiß-schwarzem
Bouclé Typ Chanel, ist die Quintessenz
dieser Kollektion”, kommentiert Gabriele
Pasini (2.v.l.) seinen stilistischen Spagat
zwischen Historie und Fashion. Der stilbewusste Designer aus Mailand ist bekannt für seinen klassischen Geist, den
er mit der ungewöhnlichen Interpretation und Kombination von Farbe, Muster, Stoff und Details beflügelt. Mit Fashion-Elementen wie Animalier-Drucken
und geometrischen Mustern, zum Beispiel auf Hemden, Westen oder Tüchern,
durchbricht Pasini die Standards gehobener Herrenkleidung. Hergestellt ist sie
aus feinsten Webstoffen und Flanellen
von Vitale Barberis Canonico. Pasinis
modisches Signal: der Tuchmantel über
einem grauen Glencheck-Dreiteiler.
PASINI
PASINI
PASINI
LARDINI
LARDINI
ER
WOOST
Althergebrachte
Karomuster und
Patchwork sind
wieder angesagt.
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ALTEA
CANTARELLI
ALTEA
CANTARELLI
Unter dem Motto „Culture of Style” zelebriert die Marke aus der Toskana mit
einem Blick in die siebziger Jahre zeitgenössische Leichtigkeit in kernigen
oder „verstrichenen“ Jacken und Mänteln in Unis, Melange, Multicolor und
Overchecks. Softe Modelle mit unkonstruierter Schulterpartie setzen dabei
Maßstäbe für die neue alltags-, aber
auch businesstaugliche „Cosiness“.
Eine Stoffneuheit bei Cantarelli ist warmes Winterleinen bei Sakkos mit Innenfutter.
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„Das Farbspektrum ist ruhiger geworden“, leitet Herr Stalherm unseren
Rundgang durch den attraktiven Stand
von Altea ein: „Erdige Töne wie Braun,
Beige und Camel sind in der nächsten
Wintersaison dominierende Farben.
Wichtig sind die Texturen und die Haptik der Stoffe geworden. Sakkos und
auch Strickwaren haben eine belebtere
Oberfläche, mit aufgeworfenen und volumigen Garnen. „Spugna ist das Stichwort, weiche Schlingenware wie Bouclé.
Gefragt sind Melange-Optiken und Vanisé-Effekte. Sie entstehen durch die
Verwendung von zwei Garnen mit unterschiedlichen Farben.“ Hohen Tragekomfort versprechen Strickjacken im
Sakko-Schnitt. „Sie erinnern an eine
Kaminjacke“, schmunzelt der Fachmann und ist sich des kaufentscheidenden Kuschelfaktors bewusst. Für den
urbanen Wanderer hat Altea sogar einen Poncho und Rucksäcke im Programm, die ebenso wie flotte Sneakers
aus dem Sakko-Obermaterial gefertigt
sind. Tücher, Schals und Krawatten mit
stimmigen Kolorits und Dessins runden
das harmonische Gesamtbild der AlteaKollektion ab.
Patrick Stalherm mit
Sneakers, die aus
Sakko-Obermaterial
gefertigt sind.
Herren-Rundschau 4-5/2015
PITTI UOMO
RAVAZZOLO
Diese von der Familie Ravazzolo geleitete Firma mit langer Tradition war
über vier Generationen hinweg ein
Schneiderhandwerksbetrieb, bis sie im
Jahr 1959 auf ein Konfektionsunternehmen umgestellt wurde. Heute leiten das
norditalienische Unternehmen Andrea
Giuseppe (CEO), Vater Silvano, Bruder
Gian Carlo, Onkel Andrea und Cousine
Monika. Ravazzolo exportiert in fünf
Kontinente und hat Monomarken-Geschäfte in Mailand und Moskau. Zu seiner Karriere meint Andrea Giuseppe:
Innerhalb von vier Jahren habe ich in
Verona den Hochschulabschluss in
Business Administration abgelegt, in
drei Jahren den Master, und schon zwei
Tage später war ich in der Direktion.“
Für ihn war es selbstverständlich, die
Hoffnungen des Vaters zu erfüllen und
die Zügel des Betriebs in die Hand zu
nehmen. Für italienische Firmen wie
die von Ravazzolo ist es heute schwierig zu überleben, denn der Verkauf im
Inland stagniert, es fehlt das Geld der
Kunden, und so setzen sie alles auf den
Export, der allerdings von einem harten
Konkurrenzkampf bestimmt wird. Noch
vor 35 Jahren machten die Eltern von
Andrea Ravazzolo hohe Umsätze, damals war die Nachfrage groß. Das
althergebrachte Konzept von Ravazzolo
funktioniert bis heute. „Wir haben uns
schon immer auf das Nischenprodukt
„Qualität“ spezialisiert, das ist Kleidung
aus besten Stoffen mit exquisiter Verarbeitung und einem innovativen Design,
das die Käufer überzeugt und sie motiviert, ein neues Kleidungsstück zu erwerben." Er zeigt uns die Tuxedojacke
mit floralen Jacquard-Fantasien und
Swarovski-Schmuckknöpfen mit dem
Initial „R" als Monogramm am Ärmelschlitz. Die Modelle entwickelt der
Kreativdirektor zusammen mit seinem
Team. Ravazzolo bietet einen Total Look
mit Taschen und Schuhen, alles aus einer Hand. Noch heute ist „Made in
Italy“ im Ausland geschätzt. „Die Firma
durchzieht ein guter und belebender
Teamgeist, die 200 Angestellten sehen
sich als eine Gemeinschaft, und man
begegnet einander mit Respekt.“ Andrea Ravazzolo zieht sich berufsmäßigklassisch an, gerne in einem Anzug aus
Glencheck, Ton in Ton chromatisch abgestimmt. Das Monogramm darf natürlich nicht fehlen. Mit der eleganten Linie „Blue Gray“ kann Ravazzolo vor
allem beim Geschäftsmann punkten,
dazu gehören elegante ein- und doppelreihige Mäntel mit Lanzenrevers, superleichte Nadelstreifenanzüge, die besonders bequem sind durch die Stretch-Zugabe im Stoff.
Der 84jährige Firmenchef Renato Cecchi von D’Avenza und sein Mitarbeiter zeigen unserer
Rom-Korrespondentin Dr. Beniga Mallebrein (r.) und der Modejournalistin Susanne Schaller
doppelreihige Kaschmirmäntel mit breiten Revers als Musthave für den kommenden Winter.
RAVAZZOLO
D’AVENZA
Andrea Guiseppe ist Geschäftsführer des
Familienunternehmens RAVAZZOLO.
Herren-Rundschau 4-5/2015
Den Status eines Kultobjektes erlangte
in den siebziger Jahren der Kaschmirmantel von Marlon Brando im Film
„Tango“ aus dem Atelier D’Avenza. Immer noch sind diese cosy Mäntel der renommierten Firma aus der Marmorstadt Carrara ein Renner. Vor einem
Jahr hat der umbrische Unternehmer
Brunello Cucinelli den Made to Measure-Zweig der Firma übernommen. Renato Cecchi, der 84 Jahre alte Besitzer,
ist stolz auf diese Aktion. Schon immer
setzt die Firma auf modischen Schnitt,
perfekte Passform, wertvolle Stoffe und
Handarbeit, sodass die Anzüge zu einem einzigartigen Kunststück werden.
Er zeigt uns die neuen doppelreihigen
Kaschmirmäntel, mit breiten Revers,
Rückengurt und Pattentaschen – für
den nächsten Winter ein Must-have.
Neben der Herrenbekleidungsfirma ist
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PITTI UOMO
STEFANO RICCI
Auch Stefano Ricci nimmt das Thema
Natur und Countryside in seine neue
Kollektion auf. Der von Stefano Ricci
avisierte Mann begibt sich am Wochenende aufs Land zum Reiten oder Jagen.
Ricci verarbeitet in seiner Kollektion
unterschiedliche Ledervarianten, aber
auch Tweed zu einem perfekten und
raffinierten Look. Exklusiv ist das
neuartige Finishing mit Krokodilleder:
Es erscheint nicht nur glänzend und
matt, sondern dank technologischer
Hilfe strahlt es einen Antik-Effekt aus.
Kroko gehört zum heutigen Stil des
Mannes, und so sind die Sneakers,
Schuhe, Sonnenbrillen, aber auch Bilderrahmen mit Kroko-Details geschmückt. Verarbeitet werden seine
sartorialen Nischenprodukte in der
Toskana, exportiert werden sie nach
China, USA und Russland. Aber auch
die Maison Ricci lasst sich von der
Sportswear beeinflussen, obwohl der
formelle Anzug fester Bestandsteil der
DNA des Brands ist. In der Sportslinie
kreiert Stefano Ricci einen Powersuit,
Jog-Pants und Sporttaschen für die Freizeit. Und wie setzt er seine Akzente?
Natürlich mit Kroko-Einsätzen.
ISAIA
Bei Isaia empfangen uns leicht bekleidete junge Paare in Tuniken und
Gladiatorenmontur. Auf dem Stand
des neapolitanischen Herrenausstatters
suggerieren Bilder von Fresken und
Mosaiken aus dem antiken Pompeji den
Lebens- und Liebesstil der Pompeianer,
bevor sie im Jahr 79 nach Christus die
Asche des Vesuvs begrub. Evoziert wird
eine Atmosphäre von Sinnlichkeit und
Eros – wie geschaffen für die typisch
neapolitanische „Dandy Attitude“, mit
der sich die internationale Isaia-Klientel
gerne identifiziert. Sie wird sich im
nächsten Winter in Doppelreiher mit
markanten Checks und Gitterkaro kleiden, in deren Farbbild die Freskenfarben Rosso Pompeiano und Ockergelb
aufflammen. Kleine Details für den Connaisseur: Sogar die Innenseite der eher
kurzen Jacken mit geradem Abstich ist
mit AMF-Nähten versehen, die Unterkrägen schmückt ein Mosaikmuster.
ISAIA
STEFANO RICCI
HOMO
ELEGANCE
STEFANO RICCI
Cecchi noch Besitzer des größten Betriebs Italiens für das Finishing der
Stoffe in Prato. „Die meisten der verarbeiteten Stoffe werden nicht im rohen
Zustand verarbeitet, sondern erst einem
aufwendigen Finishing unterzogen, das
für Glanz, Wetterschutz, Struktur und
vieles mehr sorgt.“ Kein Wunder, dass
er selbst im hohen Alter immer noch
den Wecker auf 4.30 Uhr stellt.
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Herren-Rundschau 4-5/2015
Windsor steht in großen Lettern vor
dem Pavillon in dem ehemaligen
Hackett-Gebäude. Es handelt sich jedoch nicht mehr um eine englische
Firma, sondern um ein alteingesessenes deutsches Label, das vor rund 150
Jahren gegründet wurde. Windsor
nahm schon einmal, vor sechs Jahren,
an der Modemesse Pitti teil, aber als
reine Konfektionsfirma. Ihre Kollektion
aus schwerem englischem Tuch hatte
damals nicht den durchschlagenden Erfolg. Dank der Neubesetzung der Direktion und des neuen Designers Tobias
Habrecht wurden neben den klassischen Sakkos, dem Anzug, Mantel- und
Hosenbereich auch neue Produktionslinien entwickelt. Der Sportbereich
wurde stark ausgebaut, Sportswear-Elemente in Kombination mit sartorialen
Aspekten werden urban umgesetzt,
aber auch im Bereich des Mantels hat
man neue Formen entwickelt: „Die
Mäntel haben sich verschmälert, sind
körperbetont, etwas länger, was den
KRAWATTEN
Die Krawatte, die von dem Hype um
gemusterte Hemden im wahrsten
Sinne des Wortes ausgemustert wurde,
feiert ein Comeback mit Drucken auf
Wolle und Strick und in Mouliné- und
Flanell-Optiken. Und sie scheint sich
sogar mit innovativen Skills nützlich zu
machen: Es gibt Modelle mit einem
Lining, das Displays von Handys und
iPads blank polieren kann.
ETON
Am Stand von Eton zeigt eine große
Leinwand die wunderbare Naturlandschaft des schwedischen Archipels,
denn die reichen Wälder, das klare
Wasser und die vielfältige Tierwelt prägen die Kollektion der Hemdenfirma
Eton aus Gånghester (Schweden). Blickt
man auf die Mikroprints der klassischen weißen Businesshemden, so sind
winzig gedruckte Wolfs-oder Fuchsgesichter zu erkennen, aber auch kleine
Tannenzapfen. Dies ist charakteristisch
für das Design von Eton, es sind die raffinierten Details, die diesen traditionsreichen Hemdenmacher auszeichnen.
Auch die Manschettenknöpfe und Krawattennadeln sind mit kleinen Tierdarstellungen dekoriert. Motive aus der
Natur in warmen Grün- und Dark-Tönen zieren Hemden, aber auch Schals
und Krawatten. Alle Stoffe lässt der
schwedische Hersteller Eton exklusiv
aus feinster langfädiger und weicher
Pirma-Baumwolle in den besten Webereien anfertigen. Hemden in großflächigeren Mustern wie Paisley, floral oder
meliert haben meist keinen Knopf am
Kragen. Dank verschiedener Kragentypen gibt es für jeden Anzug das passende Hemd: den gemäßigten Cutaway,
den extremen Cutaway, den klassischen Turndown und den legeren Button-down. Kreativdirektor Sebastian
Dollinger sorgt mit drei Top-Hemden
für Glamour: ein weißes Pikee-Hemd
mit goldenen Pünktchen, ein schwarzes
Smokinghemd mit Glitzerpunkten und
seidener Paspel und ein weißes Smokinghemd mit winzigen horizontalen
Fältchen. Der neue schmale Schal aus
100 Prozent Seide wird zur neuen
Abendkrawatte, ein stilvoller und zugleich cooler Look.
WINDSOR
ETON
ETON
ETON
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PITTI UOMO
männlichen Kunden gefällt. Außerdem
verarbeiten wir heute erstklassige italienische Stoffe“, so Oliver Schäfer von der
Vertriebsleitung. Klassiker werden neu
inszeniert, cleanere und schärfere
Looks sorgen für eine neue Eleganz. Für
den smarten Businessmann entwirft
Windsor leichte, sehr komfortable und
elastische, kaum strukturierte Sakkos
mit wenig Schultereinlage, gerne gefärbt mit der „tintura italiana“. Dabei
werden circa 250 Jacken in eine mit
Farbe angereicherte Färbemaschine gegeben und gewaschen. Innovativ sind
die gestrickten, leicht aufgerauten
Oberstoffe – das Flachgewebe ist out.
Der Material-Mix spielt eine wichtige
Rolle wie Wolle und Leder oder Wolle,
Leder und Nylon. Lässige Attribute und
raffinierte Details werten die Jacken
auf. Das neue Stricksakko ist der modische Begleiter zur lässigen Chino oder
salonfähigem Denim. Night Blue wird
mit hellen Farben akzentuiert, dunkle
Farben wie Graphit und Schwarz werden mit einem intensiven Kastanienrot
ergänzt. Die Preise variieren von 599
Euro bis zu 1000 Euro für das hochkarätige Kaschmirsakko.
WINDSOR
DIELMAR
BUGATTI
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CASUAL SMART
BUGATTI
Die nächsten Wetterkapriolen kommen
bestimmt. Auch bei Bugatti haben sehr
viele Oberteile ein herausnehmbares
Innenleben. Marc-Oliver Korff, BugattiVertriebsleiter für den deutschsprachigen Raum, zeigt uns hybride Jacken mit
Fake-Westen, die für drinnen und
draußen geeignet sind. Auch er bestätigt uns: „Weg vom Uni, hin zu
neuen bewegten Bindungsbildern, zu
Strukturen mit 3-D-Ausstrahlung, zu
Karotypen, die teils verstrichen sind.
Gewünscht sind eine leichte Konstruktion und moderne lässige Optik“. Realisiert werden sie bei den Jacken aus gekochten Wollstoffen im Taglio vivo oder
in klassischer, halbgefütterter Verarbeitung. Der körpernahe Bugatti-WinterLook mit „Wellness-Faktor“ setzt auf
Material-Mix: Tweedjacken haben Einsätze und Paspeln aus Microma, einem
Material aus der Autobranche, Nylonstepp verbindet sich mit Strick oder Lederimitat mit Jersey. Bei den Mänteln
rücken etwas längere Varianten wieder
stärker ins Blickfeld, wichtig bleiben
kürzere Formen wie zum Beispiel legere Stehkragentypen.
Die große Zahl 50
schmückt den Stand
des
portugiesischen
Herrenausstatters
Dielmar aus Porto, der
dieses Jahr seinen runden Geburtstag feiert.
Am Stand begrüßt uns
Antonio Simoes. Er ist
der Hauptdesigner der Firma, gekleidet
in eine trendy Denim-Stretch-Hose, eine
Art Leggings, ein beigefarbenes Sakko,
ein hellblaues Hemd und Karo-Papillon.
Er zeigt uns Fotos von der trendigen
Fahrradtour durch die City von London‚
der Tweed Run mit Stil, für ihn eine
große Inspirationsquelle. Für seine Kollektion im Retro-Stil wählte er erlesene
Vintage-Stoffe der Firma Vitale Barberis
Canonico aus Biella. Er zeigt uns ein
leichtes Sakko aus Wolle, Seide und
Kaschmir, das durch ein VintageFinishing wie ein softes Bouclé-Sakko
wirkt, oder gewaschene destrukturierte
Anzüge aus feingliedrigem Kordsamt,
auch zweifarbig und Leinenanzüge mit
Heritage-Anklängen. Bequem sind die
Anzüge aus der Stoffkombination
Wolle/Leinen/Kaschmir, die HarrisTweedjacken, Kaschmirjacken in verschiedenfarbigen Mustern und Strukturen. Dazu trägt er Chinos oder Flanellhosen, einen Pullover oder ein Button
down-Flanellhemd mit Krawatte oder
Fliege. Unschlagbar sind „city“-taugliche Glencheck-Sakkos mit großen Gitterkaros und farbigen Streifen. Die Basisfarben reichen von Grau- und
Schwarzschattierungen über gesprenkelt mit Gelb und Gold bis hin zu
Braun-, Bordeaux-, Blau- und Beigetönen. „Im Fokus steht der selbstbewusste Mann mit gesellschaftlichen Ambitionen, der aber auch gerne mal radelt.“
Auch die Schuhe wurden passend zur
Kollektion entworfen. Das Finishing mit
einer „alten“ Patina gibt den Anschein
von Vintage-Schuhen. Schon immer
legte Simoes Wert auf die sorgfältige Innenverarbeitung seiner Kleidung. Seit
elf Jahren ist er Chefdesigner bei der
umsatzwachstumsstarken Firma aus
Porto. Pro Tag werden 450 Jacken und
700 Hosen hergestellt. Insgesamt hat
die Firma 400 Mitarbeiter. Dielmar betreibt 15 Monomarken-Boutiquen in
Portugal und ist in 30 Ländern präsent.
Bei der diesjährigen Modemesse Pitti
Herren-Rundschau 4-5/2015
RICHARD JAMES
HARDY AMIES
DIELMAR
haben sich vier weitere Einkaufsländer
dazugesellt. Was ist das Erfolgsgeheimnis von Dielmar? „Die Kunden schätzen
unser Modekonzept für den modernen,
klassisch orientierten Mann mit gutem
Geschmack, ohne extrem fashionable
zu sein. Wir gehören nicht zur Avantgarde. Wir bieten ein gutes Produkt, exzellente Stoffe, keine Sportswear, sondern „casual formal“, und unsere Anzüge sind mit 450 Euro bis 1.000 Euro
für Kaschmirqualität auch preislich attraktiv.
Eine Figur mit Umhang und Hut, wie
man ihn in den Anden trägt, daneben
ein großes Designersofa mit eklektischem Gobelin-Patchwork – bei Richard
James kommt britischer Humor ins
Spiel. Seit 1992 residiert das Atelier für
Anzüge, Krawatten und Hemden in der
Savile Raw und bietet dem Gentleman
Bespoke und Made to Measure. „Wir
präsentieren uns zum ersten Mal auf
der Pitti Uomo“, sagt Commercial Manager Olok Banerjee und zeigt uns einen Querschnitt durch die Kollektion
mit den südamerikanischen Anklängen
– vom goldbraunen Dinnerjacket mit
Makro-Inka-Muster-Stickereien über einen rustikalen Tweedmantel mit großen
Pattentaschen im Stil der siebziger
Jahre hin zum dicken grünen Lammfellblouson. „Die Kunden wünschen sich
von Richard James inzwischen nicht
nur klassisches Tailoring, sondern auch
Kleidung, die sie am Wochenende
tragen können“, kommentiert der Verkaufsleiter. Zu haben sind die Modelle
in den Keystores von New York, Hongkong und Moskau.
Herren-Rundschau 4-5/2015
HARDY AMIES
RICHARD JAMES
HARDY AMIES
In die Gebirgslandschaft des Mount
Snowdon, des zweithöchsten Bergs im
United Kingdom und beliebtes Ausflugsziel der Briten, ist das Kreativteam von
Hardy Amies gefahren, um die neuen
Wintertrends aufzuspüren. Man ist fündig geworden: Ein spektakuläres Gewebe aus Bergseilmaterial wurde vom
Savile-Raw-Label zu cleanen Parkas und
Jacken verarbeitet. Eine haptische Erfahrung ist der pelzbesetzte Parka in Dégradé mit unterschiedlichen Stoffhöhen:
Er imitiert die Texturen und Farben von
Fels und Moos auf Gestein. Retro-orientierte Oberstoffe wie Jacquards der fünfziger Jahre, umgesetzt in moderne Silhouetten mit Kombinationsvielfalt, sind
das Markenzeichen der alteingesessenen
Londoner Tailor-Marke. Die Farben für
den nächsten Winter stibitzte man bei
dem Maler William Turner: Clay, Blue,
Terracotta und Zypressengrün.
Fortsetzung auf Seite 26
15
PITTI UOMO
Fortsetzung von Seite 15
OUTDOOR SPORT
HERNO
HERNO
Der sportliche Mann, der mit großer Leidenschaft seine Freizeit in der Natur verbringt, verlangt heute mehr von einem
Kleidungsstück, als dass es vor Regen
und Wind schützt und wärmt. Die Hersteller versuchen mit neuen Techniken
diesem Wunsch entgegenzukommen.
Mehr denn je wird heute eine transsaisonale Mode vorgestellt. Ermöglicht wird
dies durch High-Tech-Stoffe von großer
Isolierfähigkeit. Die mithilfe von Ingenieurwissenschaftlern entwickelten bequemen Produkte können als Layering getragen werden oder auch nicht. Sie sind
wasserdicht, winddicht und atmungsaktiv und haben ein herausnehmbares wattiertes Futter. Aufwendige Forschungen
haben sogar Alternativen zu Watte und
Daunen entdeckt. Es sind Wärmewattierungen, die extrem leicht sind und eine
noch bessere Isolierung bieten. Die
Außenstoffe sehen wie Wolle aus, sind
aber aus einer Tech-Zusammensetzung
in Kombination mit bedrucktem Nylon
in Blau/Schwarz und Braun/Schwarz
oder darken Checks. Der Schwerpunkt
liegt auf Parkas, Trenchcoats und Bomber-Blousons, aber auch auf sportiven
Hemden, Sweatshirts und Accessoires
wie Rucksäcken, alles gefertigt aus einer
Mischung aus höchster Wollqualität und
High-Performance-Technologie. Das Angebot umfasst immens: warme, reversible und kontrastfarbige Daunenjacken,
Trench-Parkas – die neue Hybrid-Version des Militärparkas – aus wasserabweisender, schmutzabweisender, teflonbeschichteter Baumwolle und Jacken mit
herausnehmbaren Frontblenden für den
Windschutz und vieles mehr.
HERNO
LA MARTINA
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LODENFREY
LODENFREY 1842
Der Dufflecoat, das Field-Jacket und der
Bomber-Blouson mit abknöpfbarem
Lammfellkragen sind die Heritage-Styles von Lodenfrey 1842 für die kalten
Tage. Interessant sind dabei innovative
Stoffe, wie ein gewaschener Double, der
durch eine andersfarbige Abseite überrascht oder ein querelastischer Double
in Lodenoptik. Neu bei Lodenfrey 1842
sind auch Oversized-Parkas in Strickqualitäten. Schwarz, Blau und Hellgrau
führen die Farbpalette an, daneben
auch Oliv und das neue „Summerset“.
Für darunter: melangefarbiger Strick
mit ausgeprägtem Zopfmuster.
Ein kräftiger Rückenwind bringt die
hochtechnologische Outdoor-Kollektion
von Herno nach vorne. Unter dem Konzept „Sartorial engineering“ konnte das
Unternehmen aus Lesa bei Novara in
den vergangenen beiden Jahren ihren
Umsatz verdoppeln. Claudio Marenzi,
der die Firma in der zweiten Generation
führt, zeigt auf der Pitti Uomo wetterfeste hochwertige Jacken, reversibel aus
Wolle-Nylon- bis hin zu Kaschmir-SeideMischungen mit urbanem Appeal. Die
clevere Oberflächenbedruckung spricht
eine junge Zielgruppe an. Absolutes Federgewicht ist ein wasserabweisender
glänzender Daunenblouson, gefüllt mit
einem Mix aus Primloft-Material und
Gänsedaunen, dessen ultradünner Nylon-Oberstoff dem Wert 7den bei Feinstrümpfen entsprechen würde. Verstauen lässt er sich in einer kleinen integrierten Tasche. Wenn die Kälte richtig knackt, dann verstaut man sich
selbst am besten in der „Expedition“Daunenjacke mit der höchsten Schmerzgrenze: Komplett aus italienischen Daunen, schützt sie bis zu minus 30 Grad.
Hoch zu Roß ziehen vier Polospieler, darunter der Kapitän der englischen Nationalmannschaft, ins Messegelände ein.
Im szenografisch ausgestatteten Clubhaus von La Martina verwandeln sich
die Edel-Sportler in Models und kleiden
sich mit dem Must have der nächsten
Wintersaison: einem gesteppten WinterPoloshirt mit Kaschmirfütterung. „Viele
Marken schmücken sich mit Polo, wir leben Polo“, bestätigt Volker Stinnes, der
Verantwortliche für den deutschen
Markt. „Wir sind pro Jahr bei 30 PoloEvents auf der ganzen Welt dabei und
sogar im Polo-Club der englischen
Queen. Sämtliche Produkte des Polosports – vom Stiefel bis zur Jacke – werden von La Martina gefertigt.“ Ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem sich die argentinische Marke auf dem aggressiven
Markt behaupten will. Die Anfänge des
Labels gehen in die dreißiger Jahre
zurück, als es als Hersteller von Reitsätteln und Zubehör diverse Nationalmannschaften für den Polosport ausstattete.
Dank der Qualität und des Designs seiner Sportswear wurde La Martina schon
bald außerhalb des Polosports bekannt.
Herren-Rundschau 4-5/2015
LA MARTINA
Heute bietet das Familienunternehmen
einen Heritage-Total Look mit verschiedenen Themen, die sich dem Zeitgeist
anpassen. „Erfolgreiche Polomannschaften gehören natürlich weiterhin zu unserem festen Kundenstamm“, so Volker
Stinnes. „Und wir freuen uns schon auf
die German Polo Tour mit sechs PoloEvents und der Teilnahme an der deutschen Meisterschaft.“
Herren-Rundschau 4-5/2015
SPIEWAK
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts produzierte der gebürtige Pole Isaac Spiewak
in Williamsburg für die Hafenarbeiter in
Brooklyn und Manhattan Arbeitskleidung aus Schaffell mit einer technischsportlichen Note. Der Kundenkreis erweiterte sich schnell: Neben Feuerwehrleuten und Postbeamten wendete sich im
Ersten und Zweiten Weltkrieg sogar das
Militär an den brillanten Unternehmer.
Die schicken Uniformen fanden auch bei
der Bevölkerung großen Anklang, und
dies hält bis heute an. Inzwischen liegt
das Hauptquartier der Firma Spiewak &
Sons in New York, die Produktentwicklungsfirma ist in der Schweiz ansässig.
Chiara Cattanio erklärt die Innenverarbeitung einiger Produkte, denn gerade
hier liegt das Innovationspotenzial dieser
Marke. „Spiewak ist dem Umweltschutz
verpflichtet. Wir recyceln alte Matratzen,
Deckbetten und Kissen (große und kleine
intakte Federn werden durch Windmaschinen getrennt), um neues Material
und die Wattierungen für die OutdoorJacken herzustellen.“ Ein zeitgenössisches Icon-Piece ist der Parka aus Satin
mit Fuchspelz (gibt es auch synthetisch),
raffiniert und sehr warm. Die recycelte
Wolle wird wie Lodenstoff gepresst und
als wärmendes Innenfutter verarbeitet.
Orange ist eine Trendfarbe. Zwei Designer entwerfen unsere Produktlinie, darunter der Japaner Joshinoro Ono. Er ist
unter anderem für die technisch perfekt
verarbeiteten Multipocket-Jacken (unter
anderem Snowboard-Jacken) mit hohen
Krägen verantwortlich. Der Japaner Nahrifuri orientiert sich an den Fahrradfahrern, dementsprechend haben seine
Jacken einen städtischen Charakter. Der
Clou ist die „Golden Fleece“-Jacke aus
qualitätshoher reflektierender Camou-Denim-Baumwolle (800 Euro), deren Finishing bei Tageslicht unsichtbar ist. Angestrahlt durch Autoscheinwerfer oder Fotoblitzlicht bei Nacht hingegen tritt das Pattern effektvoll hervor. Gerne favorisieren
die Designer auch Denim für die Parkas.
TINA
LA MAR
SPIEWAK
ARMATA DI MARE
ARMATA DI MARE
„Dynamik und Energie“ lautet das
Motto der historischen Firma Armata di
Mare, die seit 1959 ein Synonym für
Qualität und Garantie ist. Schon das gelungene Design des Stands gibt das Gefühl, das Meeresrauschen zu vernehmen. Die Kollektion ist in die Sektionen
„Yacht total White“ und „City total
Blue“ aufgeteilt und hat verschiedene
Aufgaben zu erfüllen. Konzipiert ist sie
für die Liebhaber der Meeresbrise sowie für die Freunde en plein air in der
Stadt: Jacken aus Stepp-Sandwich in Bicolor oder Jacken aus leichtem Nylon
und Frontblenden aus Flanell. Die waterproof-Jacken verbinden Tech- und
Schneider-Know-how. Die Mikroprints
auf den Hosen, die urban Fantasien der
Hemden, die kleinen Prints auf den
Poloshirts aus 100 Prozent Wolle und
Kaschmir sowie die stone washed
Sweaters drücken den Stempel des
Neuen auf. Armata di Mare produziert
auch die Bekleidungslinie Invicta mit
ihren über Generationen hinweg zum
Kultobjekt erhobenen Rucksackmodellen. Die goldfarbene Daunenjacke
wurde als „Anteprima“ im Florentiner
Luxusladen „Luisa Via Roma“ während
der Pitti-Tage zum Verkauf angeboten
und war innerhalb weniger Stunden
sold out.
27
PITTI UOMO
Die Metropole wird zum neuen Spielplatz für einen anspruchsvollen, kosmopolitischen Explorer. Der AvantgardeMann für den kommenden Winter ist
ein dynamischer und modebewusster
Gentleman: Er trägt seinen Anzug wie
eine zweite Haut, denn Komfort und
Qualität stehen an erster Stelle, ohne
auf Eleganz verzichten zu müssen.
Seine Outdoor-Garderobe ist ein Vorbote für einen Wandel zu schlichten Silhouetten. Die Tech-Gewebe lassen sich
je nach Design anpassen, jedes Detail
hat eine bestimmte Funktion. Dem
schlechten Wetter und der Kälte trotzt
der Avantgarde-Mann mit einem formvollendeten Parka aus japanischer Mikrofaser oder wind- und wasserdichter
Baumwolle sowie einem gewachsten/
gummibeschichteten Gewebe. Beliebt
sind weiterhin reversible Daunenjacken
mit herausnehmbarer Innenverkleidung, gewaschene und teflonbeschichtete Feldbaumwolljacken, wasserdicht
mit Antifleckenschutz. Strick- und
Tech-Gewebe werden verbunden und
fast architektonisch strukturiert. Der
ständige Dialog zwischen Form und
Textur ist zukunftsweisend. Immer wieder gibt es Anlehnungen an die Arbeitskleidung verschiedenster Berufsgruppen, aber so umgewandelt, dass die ausgetüftelte Verarbeitung diese veredelt.
Ästhetische Dissonanz und die Idee der
Überwindung der geschlechtsspezifischen Stereotypen sind typisch für die
Avantgarde-Kollektionen, die StraßenMatrizen mit einer Vorliebe für Exklusivität vereinen. Typisch die Cut & PastePhilosophie, die zu einer Gegenüberstellung von differenzierten Einflüssen
führt: britische und US-Militär-und
Streetwear, kombiniert mit Zitaten von
Rock ’n’ Roll bis Punk. Dazu gesellen
sich übergroße T-Shirts und Sweatshirts
mit gewagten Schriftzügen oder Grafiken, ärmellose Feldjacken, lange,
schmal geschnittene Hemden zu BikerJacken mit Schnallen, Nieten und
Reißverschlüssen, dazu Röhrenhosen –
überwiegend in Schwarz. Gemischte
Texturen mit High-Tech-Details prägen
eine einfache Passform, die die Grenze
zwischen männlichen und weiblichen
Merkmalen verwischt und neu interpretiert.
28
Neueste Avantgarde-Mode zeigt der Bereich „The lastest Fashion Buzz“. Dieses
Projekt beleuchtet die Entwürfe der
vielversprechendsten, jungen, internationalen Talente im Bereich Männermode und Accessoires. Sie stellen ihre
innovativen Konzepte der Modernität
vor, formelle, aber auch nichtformelle
Mode ist das Thema.
ANT PITAGORA
Beim Interview meint der sympathische
Jungdesigner aus Kalabrien: „Ant ist die
Abkürzung meines Namens Antonio, es
könnte aber auch ant bedeuten, im Englischen die Ameise, die nie ermüdet. Die
Muster meiner Shirts sind am PC bearbeitete Kopien von Reisefotos mit antiken Türklopfern.“ Mit einem Hauch von
Tüll (ebenfalls mit einem zarten Muster
versehen) bedeckt Ant Pitagora die
Drucke, sodass die Komposition auf den
Shirts dreidimensional erscheint. Trägt
man nur das Tüllteil, so erscheinen die
Drucke auf der nackten Haut als Tattoos. Wichtig für ihn ist das Spiel mit
dem Layering. Für seine Spielereien
nimmt er Jerseypullis, T-Shirts und technisch innovative Materialien, wie weichen japanischen Neopren. Wichtig ist
für ihn die Entstehung von Bewegung;
so hat er die Türklopfer auch dynamisch
verfremdet. Als ehemaliger Werbedirektor ist seine Laufbahn eher ungewöhnlich. Zehn Jahre lange hat er bei Modehäusern wie Valentino, Dolce & Gabbana und Alberta Ferretti gearbeitet,
t, bis
er vor einem Jahr seine erste Kollektion
Kollektio
ektion
entworfen hat. Der gebürtige Kalabrese
Kalabres
lebt und arbeitet jetzt in Mailand. Seine
Kollektionen, als „Unisex“ konzipiert,
konzipi
ipiert,
benennt er nach den Namen der Städte,
Städ
in denen die Fotos entstanden sind, od
oder
etwa „Golden Age“ oder „Golden Lion“
Lion“.
n“.
ANT
PITAGORA
DOCUMENT
Die Inspirationsquelle des Designers
Jongsoo Lee aus Seoul, der sein Label
Document erst vor einem Jahr gründete,
stammt von dem französischen Impressionisten Monet, genauer von den
Gemälden der Kathedrale von Rouen,
die dieser zu den verschiedensten Tageszeiten malte und somit die „impressionistische“ chromatische Wandlung
aufzeigte. Jedes Mal, wenn man ein Kleidungsstück wäscht, ändert sich die
Farbe, wenn auch nur wenig. Einige
seine Modelle hatte er schon bei seiner
ersten Kollektion entworfen. Bei seiner
zweiten nimmt er diese wieder auf, allerdings erweitert um kleine Details.
Klare Linien und minimalistische
Schnitte sind sein Credo. Oft inspirieren
ihn alltägliche Dinge, etwa ein Straßenfoto, ein neues Modell zu entwerfen. Er
verweist auf die Bordüre einer Rayon-/
Wolljacke, des Abbilds eines Straßenabschnitts. Das Innenleben der Jacke ist so
hochwertig gearbeitet, man könnte sie
ebenso gewendet tragen. Originell sind
das weite, gerade geschnittene kurzärmlige Hemdkleid mit Eingrifftaschen und
die kurzen Hosen mit vier Abnähern.
Auch er gesellt sich in die new wave
genderles Generation, die jeglichen Altersgruppen und beiden Geschlechtern
gerecht wird.
Grenzen zwischen
Männermode und
Damenmode
werden aufgehoben –
Transgender Fashion
DOCUMENT
AVANTGARDE
CRUCIANI
CRUCIANI
CIRCLE OF GENTLEMAN
SMART
Zu den jungen Playern, für die
Pitti Uomo ein Sprungbrett ist,
um sich in Position zu bringen,
sind einige sehr innovative
Designer mit großzügiger
Unterstützung der niederländischen Botschaft und der
Dutch Fashion Foundation aus
den Niederlanden angereist
(insgesamt 13) und haben ihre
Kollektion im Rahmen der
Veranstaltung „The Dutch
Touch Fashion and Photography “ im Hotel Savoy
gezeigt. Seit Jahren werden
die jungen holländischen
Modeschöpfer von ihrer
Botschaft in Rom unterstützt,
„denn die Kreativindustrie ist
ein Spitzensektor in unserer
Wirtschaft“, erklärt
Botschafter Michiel den Hond.
THE DUTCH TOUCH FASHION
CIRCLE OF
GENTLEMAN
Einen Tag lang ziehen junge Kerle in
modischen Uniformen, mit Herzen bedruckt, durch die Modemesse Pitti mit
der Botschaft: Lebt die Romantik, lebt
die Liebe! Ihre Mode ist eine Art „Love
Revolution“, die Herzen, die Zeichen der
Liebe, werden in den Olymp der Mode
erhoben. Angelo Cruciani und seine
#Armyoflove hoffen, dass die Energie
dieses uralten Symbols, das eigentlich
eher auf weiblichen Kleidungsstücken
zu finden ist, die Tür zu einer verständnisvolleren Menschheit öffnet.
Michel von Kommer und Janjaap van
Gent, zwei Schulfreunde, haben 2006 angefangen, Hemden mit hohen Krägen zu
produzieren. „Sie waren völlig unkonventionell und verkörperten einen typisch
holländischen Geschmack“, erklärt Michel von Kommer. Sie bekamen sogar ein
Patent für ihre Kreation, denn der Kragen blieb auch ohne Bügeln steif. Nach
dem Erfolg dieser „verrückten“ Krägen
im Heimatland und in Belgien bedruckten sie die Hemden mit floralen und grafischen Mustern. Nach acht Jahren produzieren sie nun eine Kollektion, die international so gut ankommt, dass sie in
zwölf Länder verkauft wird, darunter Kanada, Übersee und England. Bei der kommenden Herbst-/Winter-Kollektion setzen sie auf eine enge Passform, slim fit
mit soften Schultern, engen Hosen mit
Fußweite 16 Zentimetern, Glencheck Ton
in Ton und wattierten Steppsakkos. Die
italienischen Stoffe (eigens für Circle of
Gentleman hergestellt) in Kaschmir, Leinen und 100 Prozent ägyptischer Baumwolle werden in Portugal verarbeitet.
Große Sorgfalt legen sie im Luxussegment auf den Heritage Look mit klassischen Reminiszenzen – neu interpretiert
– und auf Details wie Taschen, Knöpfe
und das Innenfutter. Der „casual look“
zieht sich durch das breite Spektrum der
Kollektion mit Strickware, sportlichen
Anzügen und Jacken. Im Preissegment
ist das Label mit Jacken zwischen 379
Euro und 499 Euro und Anzügen ab 599
Euro kompetitiv. Originell ist die kleine
Zigarilloschachtel aus Zedernholz mit Fotos und USB-Stick. „Zedernholz ist gegen
Motten, so sagt man in Holland“, erklärt
Kommer schmunzelnd.
29
PITTI UOMO
Täglich war vor dem Hauptpavillon eine Performance junger Kreativer zu sehen, die unter dem Motto „Alternativ Set“ sich und
ihr Label mit schneidertechnischem Können vorstellten.
mit dem eines Zaren würdigen breiten
Pelzkragen. Für ihre Produktion in Italien, Portugal und Litauen verwendet
Anna italienische Stoffe. Hingucker der
schmalen Wollhose ist unten ein seitlicher Reißverschluss. „In die Details und
die Innenausstattung unserer Teile investieren wir sehr viel Zeit“, so die Schwedin „denn sie verbindet das Kleidungsstück mit ihrem Träger.“
Gleich neben Circle of Gentleman standen ebenfalls exzellent gekleidete Schaupuppen der Marke The Makers. Die Philosophie des Designers Thomas Baldwin
liegt in dem Mix aus italienisch inspirierter Mode mit ihrer Eleganz und Nonchalance, einer Prise „freak out“ sowie
perfekter englischer Schneiderkunst. Ein
Beispiel dafür ist das elegante Nadelstreifensakko, dessen Streifen an der
Taille enden. Sein Konzept ging auf. Seit
vier Jahren befindet sich sein Label in
beständigem Wachstum, mit Kunden in
China, Russland, USA und Deutschland.
Sein professionelles Team besteht aus
Schneidermeistern mit italienischer und
englischer Erfahrung. Insgesamt sind in
seinem Betrieb 1200 Leute beschäftigt.
Die Preislage für elegante modische Anzüge liegt bei 400 bis 800 Euro und bei
Maßanfertigung bei rund 1.000 Euro.
NIKOLAJ D’ÉTOILES
Bei #SwedishSpot, einem Sonderprojekt
der Pitti Uomo, konnte man junge
schwedische Kreativität auskundschaften. Eine Ausstellerin ist Anna Björkstedt. Angereist ist sie mit Baby, Partner
und ihrer 35-teiligen Kollektion. Ihr Label Nikolaj d'Étoiles hat sie mit ihrem
Mann 2005 mit dem ambitioierten Ziel
30
NIKOLAJ D’ÉTOILES
THOMAS BALDWIN –
THE MAKERS
gegründet, der erste schwedische Luxury Brand zu sein, der Avantgarde-Design zwischen Sportswear und Tailoring
für einen modernen Gentleman bietet.
„Der modeverliebte Zar Nikolaus II.
stand Pate für unseren Markennamen,
und ‚Étoiles’ ist ein Tribut an die Dandys der französischen Riviera“, klärt sie
uns auf. Ihre Mode ist für einen privilegierten jungen Mann gedacht, der auf
eine höhere Schule geht und sich selbst
verwirklichen möchte. Seine Lieblingsteile sind „preppy“-Outfits, informale
Track-Pants und markante Oberteile wie
die zweireihige Jacke aus Heavy Wool
EVENTS TÜRKEI
„Fashion in Evolution. Eine türkische Ledergeschichte“ heißt das
Projekt, das in Zusammenarbeit mit
der Zeitschrift L’Uomo Vogue die
vielfältige Kreativität der türkischen
Modeindustrie vorstellt. Im festlich
beleuchteten Palazzo Capponi zeigen die jungen Designer ausschließlich tragbare Ledermode, pur oder
mit Akzenten aus Pelz und Fell. Die
Türkei ist die zweitgrößte Ledermanufaktur in Europa und eine von
vier weltweit. Die Lederverarbeitung begann unter der Herrschaft
der Osmanen mit Fatih Sultan Mehmet. Er ließ 33 Schlachthäuser und
36 Gerbereien in Anatolien errichten, wo noch heute die türkische Lederverarbeitung (Sahtiyan) ihren
Stammsitz hat.
Herren-Rundschau 4-5/2015
O
liver Saillard, Direktor des Musée de la
CLOAK
Mode, „Palais Galliera“ von Paris, Autor
der mise en scène „Cloak Room“, bringt Mäntel und Jacken
„zum Sprechen“. Im Theater La Pergola empfangen Oliver Saillard und die renommierte schottische Schauspielerin Tilda
Swinton die Zuschauer und bitten sie, ihre Mäntel und Jacken
in der Garderobe (cloak room) abzugeben. Tilda nimmt die
SALONE OF EXCELLENCE
schen gigantischen Bronzeskulpturen
ihre neueste Kollektion vorstellen. „Wir
zeigen eine komplette Ready-to-Wear
Kollektion mit Accessoires, in der wir
Schneiderkunst, Sportswear und Funktion mit unvermuteten Details kombinieren. Wir verbinden Volumen, Stoffe und
verschiedenste Elemente neu und verleihen so unseren Modellen einen unerwarteten Touch.“ Im Mittelpunkt des Defilees stand der formale Anzug. Die Proportionen und Stoffe sind gedacht für einen Mann, der sich frei fühlt, einen ausgeprägten Humor besitzt und immer auf
spezielle Details achtet. Er weiß die experimentelle und gewagte Ästhetik von
Marni zu schätzen. Bei der Präsentation
huschen smarte magere Boys in überlangen Sakkos mit warmen Ärmelstulpen
und knöchellangen engen Hosen mit
Umschlag an den Reiterskulpturen von
Marino Marini vorbei. Sie tragen Hemden mit Blütenmustern und Schildkappen. Anstatt Sakkos trägt „Mann“ mit
Stil heute auch eine Weste mit bunten
Rauten, darüber lange Mäntel in Dark.
Im Four Seasons Hotel wird unter der
Direktion von Alex Dordevic eine Auswahl besonderer Designer und Kreativer
vorgestellt. Antonio Annunziata, Maßschneider der Maison Chiaia in Neapel,
zeigte vier seiner neuesten Kreationen,
die einen gewissen Einfluss des „englischen Lord“ charakterisieren. Neapolitanische Schulter, 100 Prozent Seidenfutter, Stoffknöpfe, doppelreihige Westen,
knöchellange Hosen mit Abnäher, denn
„die Hose muss die Schuhe küssen“,
meint Antonio.
Außerdem gab der kurzweilige Film „54
Stunden“ unter der Leitung des Produzenten Alex Dordevic einen Einblick in
die Verarbeitung eines bespoke-Maßanzuges. Diese Stundenzahl benötigt ein
Maßschneider, um einen perfekten Herrenanzug von Hand zu nähen. Vater Mariano Rubinacci und Sohn Luca zeigen
in ihrem Atelier in Neapel Schritt für
Schritt die wichtigsten Passagen dieser
faszinierenden Verwandlung eines flachen Stückes Stoff in ein dreidimensionales Kunstwerk.
ANDREA INCONTRI
Herren-Rundschau 4-5/2015
MARNI
MARNI
Die Schweizerin Consuleo Castiglioni,
Kreativdirektorin und Gründerin der
Maison Marni, war sichtlich erfreut
über die Einladung als Gastdesignerin
zur Florentiner Modemesse. Im elitären
Marino Marini Museum konnte sie zwi-
Kleidungsstücke in Empfang, nimmt sie mit
all ihren Sinnen auf – spricht mit ihnen, riecht
an ihnen – und zieht sie dann an. Für einen Augenblick erhalten sie eine neue Identität. Anschließend hängt Oliver Saillard
das Kleidungsstück auf einen Ständer, für einen Moment gleichen sie einem Stillleben. Am Ende der Performance holen
sich die Zuschauer ihre Kleidungsstücke wieder ab.
ROOM
Als „Special Guest“ der Pitti Uomo gab
sich Andrea Incontri die Ehre, seine
Winterkollektion im imposanten Florentiner Palazzo Corsini vorzustellen. Zu
Electropop-Livemusik rauschen die Modelle durch den Prunksaal, sie tragen
Umhänge mit Kapuze, die an Regenpon31
ANDREA INCONTRI
32
„Meine Wurzeln in der Architektur hatten schon immer großen Einfluss auf
meine Arbeit, von der Studie der Formen bis hin zur Konstruktion der Volumen. Schlüsselwerte sind Details sowie
die Stoffe. Ich fühle mich mit der Kunst
und der Arbeit der italienischen Handdwerker sehr verbunden“, erklärt Andreaa
Incontri in einem Interview.
HOOD BY AIR
Weiße Scheinwerfer zucken zu TechnoSound durch den Nachthimmel in Fiesole, streifen die antiken Mauern des
Hotels Villa di Maiano hoch über Florenz. Die Tribu Streetwear von Hood by
Air mit ihrem „Guru“ Shayne Oliver ist
aus New York in der Toskana gelandet,
um die Modemesse mit „Sexy Superhelden“ aufzufrischen: Auf Schuhen mit
hohen Blockabsätzen, mit Riesenperücken und blonden, überlangen
falschen Wimpern und Schmuck aus
Glasmurmeln laufen die Jungs wie ferngesteuert durch den Wintergarten der
Villa. Sie tragen raffiniert umstruktutu-
HOOD
BY AIR
chos erinnern, dazu gleichfarbige Hosen. „International, informal und hyperfunktional“ nennt der junge Designer
seine Ready to Wear-Kollektion mit Modellen in vorwiegend dunklen Farben
aus Technogewebe oder Loden. Ein Beispiel: eine mit Ökodaunen gefütterte Lodenjacke mit Lederärmeln, dazu Hosen
im klassischen Schnitt und spitze, nietenbeschlagene „Killer-Mokassins“, dazu eine oversize Tasche. 18 Taschenvarianten und sieben Rucksacktypen hat
Andrea Incontri für seine jungen Metropoliten gestaltet. Incontri ist ein Spezialist im Design von Lederwaren. Entdeckt
wurde der diplomierte Architekt im Jahr
2010 im Nachwuchsdesignerwettbewerb „Who’s on Next Man“ als Gewinner in der Kategorie Accessoires. Mehrere Jahre lang arbeitete er in der künstlerischen Leitung des italienischen Lederwarenkonzerns Consorzio Centopercento Italiano, danach mit verschiedenen Marken, darunter Fratelli Rossetti, Alcantara, Jil Sander Navy und
Peuterey. 2009 gründete er seine eigene
Marke, und seit 2014 ist er Kreativdirektor für die Männerlinie von Tod’s.
HOOD BY AIR
NARDINI
rierte Leder-und Tuchmäntel mit Pelzeinsätzen zu weiten Hosen und Track
Pants. Die ausgefallenen Schnittformen
bezeugen Olivers Fähigkeit für scharfe
Analyse. Ausgezeichnet wurde seine im
Kollektiv produzierte, visionäre Underground-Wear bereits mit dem LVMH
Prize. Zu den Fans von Hood by Air
gehören Kanye West und Rihanna – ein
Zeichen, dass HBA-Kreationen bald
Mainstream sein könnten.
Herren-Rundschau 4-5/2015
NARDINI
Wo findet der gestresste Pitti-Besucher
einen Moment Ruhe, um wieder Energie zu tanken, um dann weiter über das
59.000 Quadratmeter große Messegelände zu stiefeln? Genial die Idee, auf
der Dachterrasse des Zentralpavillons
eine Art Hütten-Lounge einzurichten,
wo die besten toskanischen Zigarren
und Grappa-Cocktails angeboten werden. Die Familie Nardini stellt seit 1779
in Bassano del Grappa in der ältesten
Dampf-Destillerie der Welt charakteristische, im Eichenfass gereifte Grappasorten her. „Wir nehmen an der Messe
teil“, so Antonio Guarda Nardini „weil
wir das Konzept Made in Italy vertreten. Es umfasst Mode, Essen und Trinken.“ Aus diesem Grund ist er schon
das zweite Mal in Pitti mit von der Partie. Aber wie sieht seine Beziehung zur
Mode aus? Wie kleidet er sich? „Eigentlich kleide ich mich nicht, sondern ich
bedecke mich“, sagt Antonio schmunzelnd. Er trägt einen Hoody, denn es ist
ziemlich kalt auf der Dachterrasse, eigentlich ideal für einen wärmenden Es-
presso-Grappa-Cocktail. „Meine Anzüge
müssen über eine hohe Knitterresistenz
verfügen, unglaublich bequem sein,
aber auch die moderne Silhouette favorisieren und acht Stunden Flug einwandfrei überstehen.“ Aus diesem
Grund geht er zum Maßschneider, der
genau sein Anliegen kennt. Zurzeit
steht er auf den neapolitanischen Herrenausstatter Sartoria Partenopea, denn
die Schulterverarbeitung dort ist unübertroffen.
Auf 59.000 Metern Ausstellungsfläche haben bei der Pitti Immagine
Uomo 87° 1.119 Firmen ausgestellt, davon 487 ausländische Firmen. Von den 24.000 Einkäufern
kamen 37,5 Prozent aus dem Ausland. Ferner waren 66 Aussteller
für die DOB-Kollektionen der in die
Ausstellung integrierten Pitti Women 87° vertreten.
Nächster Termin: 16.-19. 6.2015
33
WANT LES ESSENTIAL
PITTI UOMO
ACCESSOIRES
SCHNÜRSCHUHE
Wie bewegt sich der Geschäftsmann
durch die Stadt? Natürlich nur in handgefertigten Schnürschuhen aus exklusivem Leder, glattes oder gehämmertes
Kalbsleder, oft auf antik gearbeitet oder
gebürstet, aber auch gedrucktes Kalbsvelour-, Nappa- oder Hirschleder. Die
absoluten In-Farben der Saison sind
Pflaume, Traube und Moos sowie Metallic-Schwarz in differenzierten Schattierungen und Reflexionen. Dicke, extra
leichte Gummisohlen sorgen für ein superweiches und komfortables Gehen.
Natürlich dürfen feine Schuhe aus Krokodil- und Straußenleder nicht fehlen.
MORESCHI
Italienisches Handwerk, edles Leder –
hoch ist das Risiko für den Mann, sich
bei Moreschi einen Schuhtick einzufangen. „In diesem Paar interpretiert Moreschi die klassisch-englische Tradition
der sechziger Jahre, mit einer prominenten Sohle, 22 Millimeter hoch.“ Das
handgefärbte Modell mit dem reflektierenden Farbspiel kommt markant da34
her, ist aber zu unserer Überraschung
völlig leichtgewichtig. „Moderne Gummisohlen machen das möglich“, sagt
Andreas Kauers und führt uns zu den
neuen Trikolor-Modellen und Trendformen in Leder und Stoff-Mix. Der junge
Verkaufsexperte hat die Aufgabe, die
Wahrnehmung der Traditionsmarke, die
in den Achtzigern vor allem für ihre
weichen Mokassins bekannt wurde,
auch in Deutschland aufzufrischen und
in das Segment der Herrenausstatter zu
integrieren. 1946 wurde das Familienunternehmen in Vigevano nahe Mailand
von Mario Moreschi gegründet. Moreschi war ein Mann von gutem Geschmack und mit vielen Leidenschaften:
Dirigent und Pilot von Kleinflugzeugen,
aber vor allem bedacht auf hohe Produktqualität. Das hohe Qualitätsniveau
bei einer Schuhproduktion von 1.000
Paar pro Tag und 400 Mitarbeitern zu
halten ist heute für die dritte Generation
eine Herausforderung. Moreschi verarbeitet Kalbs- und Ziegenleder aus dem
Mittelmeerraum, schmiegsames Hirschleder und für die Sommermodelle weiches und resistentes Känguruhleder.
Exotische Ledersorten wie Eidechse,
Krokodil und Strauß kommen meist aus
Afrika. Der Markt in Deutschland konkretisiert sich vor allem in München
und Baden-Baden, wo man auch auf die
russische Klientel zielt.
SNEAKERS
Bei fast jedem Aussteller stehen heute
passende Accessoires gleichberechtigt
neben der Bekleidungsmode. Sie sind
Teil des Ensembles „Kleidung“. Der
klassische Trekkingschuh hat im legeren Turnschuh, den „urban Sneakers“,
Konkurrenz bekommen. Als LifestyleStatement, teils in limitierter Auflage,
und von erfahrenen Handwerkern hergestellt, werden Sneakers in einer breiten Palette gezeigt: von Low bis Super
High. In ihr Design fließen moderne
Kunst und Graffiti ein, postmoderne
Ausstattung paart sich mit Traditionsbewusstsein und Funktionalität. Die
Schuhkollektionen strahlen mit ihren
dicken Vibram-Sohlen einen resoluten
Charakter aus und bestechen durch ihr
Medley aus Dandy-Look und Punk. Die
Kunst des „Schuhmachers“ zeigt sich in
den raffinierten Details, so asymmetrische oder verdeckte Reißverschlüsse,
virtuose Ledereinsätze, Vintage-Elemente und Leder von Yak und Pony, oft
in einer minimalistischen Palette von
Grau, Schwarz und Weiß oder Gold.
DIE NEUEN TASCHEN
CITY-PROOF ICONS
Die neuen Ikonen städtischer Mobilität
sind ein Optimum an Funktion und Design. Was zählt, sind geringes Gewicht
Herren-Rundschau 4-5/2015
und Haltbarkeit. Obwohl reich an praktischen Innentaschen, sind sie dennoch
schlicht in ihrer Form, zu 100 Prozent
wasserdicht dank Beschichtung und
Tech-Materialien, dazu gehört auch der
Druckguss-Reißverschluss. Verstellbare
Griffe und abnehmbare Schulterriemen
verbessern die Funktionalität. Mit ihrem
geringen Gewicht sind sie absolut perfekt für die neue Biker-Generation. Die
Tasche von heute ist bei jeder Gelegenheit einsetzbar und erfüllt alle Bedürfnisse - vom modernen Rucksack über die
Umhängetasche bis hin zur Aktentasche.
WANT LES ESSENTIAL
Vor den Rucksackmodellen von Want
Les Essential bleibt man unwillkürlich
stehen. Die kanadische Firma hat den
zweisprachigen Namen gewählt, um der
bilingualen Bevölkerung gerecht zu werden. Die Menschen von heute möchten
sich unabhängig bewegen und ihre
Hände frei haben. Was gibt es Besseres
als den Rucksack? Das von Want Les Essential entwickelte Modell sieht wie ein
Rucksack aus, lässt sich aber wie eine
elegante, praktische Tasche handhaben
mit Multipocket-Ausstattung – funktionelle Taschen für den Laptop, das iPad,
iPhone und persönliche Gegenstände.
Raffiniert ist der Reißverschluß in Silber
und Gold, der sich in zwei Richtungen
öffnen lässt. Der Rucksack ist verschließbar und fest im Stand. In
Deutschland ist die Marke eher unbekannt, aber bei Schwittenberg in München und im KaDeWe in Berlin sind
diese smarten Accessoires zu haben.
D
FAZIT
ie Messe hat auch dieses Jahr wieder bewiesen: In der heutigen Zeit ist
Männermode mehr als nur ein schlichter Anzug. In ihrer Fülle an Formen,
Design und Farben steht sie der Frauenmode in nichts mehr nach. Sie hat sich
ihren ganz spezifischen Platz auf dem Mode-Olymp erobert. Die Männerwelt
scheint dies zu honorieren, die Verkaufszahlen steigen. Die Variationen an unterschiedlichsten Modellen und Accessoires sind kaum zu überblicken. Dies beginnt bei den Schnittformen, Stoffqualitäten und Mustern, den unterschiedlichsten Materialkombinationen. Der Übergang zwischen „Streetwear“, „Casual“
oder „Sportiv“ ist fließend. Die Männermode hat sich von der traditionellen
Maßschneiderei gelöst. Sweatshirts, Tracksuits (Jogginganzüge), Field Jackets
sind die heutigen Begriffe – worum handelt es sich dabei? Um Sport- oder
Straßenkleidung? Individuell gekleidet zu sein ist eine immer wichtigere Form
des luxuriösen Lebensstils. Neue Schnittformen, Farben und Kombinationen lassen den Körper in einem neuen Licht erscheinen. Jedes Kleidungsstück betont
einen bestimmten Teil des Körpers und den Lebensstil des Trägers. Heute steht
der Mann zu seiner Kleidung, er hat sich aus dem Korsett des klassischen Anzugs befreit. Humor, Farbigkeit, überwältigender Material-Mix und Raffinesse
bestimmen die neue Richtung.
Dr. Benigna Mallebrein/Susanne Schaller
Buchbesprechung
„Pitti People -Portraits of the Italian Dandy“
Der illustrierte Modeführer „Pitti People“ wurde
von der japanischen Zeichnerin Yooco Tanimoto
zusammengestellt. Sie zeigt ein Porträt des italienischen Dandy, so wie sie ihn im Jahr 2014 bei
den beiden Pitti Modemessen angetroffen hat.
Das Buch aus feinen Büttenpapier zeigt die
neuesten Modetrends nicht an Hand von Fotos,
sondern mit gekonnten Modezeichnungen. Dazu
gibt sie wertvolle Tipps, wie man die Schals
trägt, welche Farben man geschickt kombinieren
kann, welche Stoffe und Muster das „Must“ der
Herren-Rundschau 4-5/2015
Saison sind und sie beschriebt auch einige
Modelle.
Ebenso werden die besten Herrenläden, Restaurants, Bars, Enoteken und Orte präsentiert, um
sich in der Stadt am Arno verwöhnen zu lassen.
Grundlage für die Zeichnungen sind ihre
Schnappschüsse während der Pitti-Messe. Diese
werden jedoch von einem weiblichen Illustrator
interpretiert und so erscheint ein modischer, absolut schick gekleideter Mann, attraktiv wie ihn
das weibliche Geschlecht liebt.
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