Festschrift 20 Jahre Psychosoziale - Kreisverband Leipzig

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Festschrift 20 Jahre Psychosoziale - Kreisverband Leipzig
DRK-Kreisverband
Leipzig-Land e.v.
In Richtung Hoffnung
20 Jahre Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtkranke und Angehörige
Impressum:
Herausgeber: Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Leipzig-Land e.V., Schulstraße 15, 04442 Zwenkau,
Titelbild: Maren Wenke
Redaktion: DRK Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtkranke und Angehörige, Evelyn Beitz, Anne Jander, Franziska
Krauß, Verena Raschke,
Layout und Satz: Ines Morgenstern (Vorstandsbüro /Kommunikation)
Druck: Decker-Druck, Zwenkau
Gefördert durch die AOK Plus und die Deutsche Rentenversicherung Bund
Inhalt
Inhalt
3
Kontakt zu unseren Beratungsstellen
4
Grußworte des Oberbürgermeisters 5
Zur Geschichte der Suchtberatungsstelle
6
Zahlen, Daten, Fakten - Ein statistischer Überblick
16
Alkohol? Kenn` dein Limit! Suchtprävention in unserer Beratungsstelle
18
Rückschau auf die Suchtwochen
20
Der Tagestreff in Markkleeberg
22
Unterstützung durch Hunde in der Suchtbehandlung
24
Zur Entwicklung der Suchtselbsthilfe im DRK
28
„Hilf dir selbst, sonst hilft dir…?“30
Die Entwicklung der Selbsthilfegruppen32
Die Gruppentreffen seit 2003
42
Lachen ist gesund!
44
Kontakt zu unseren Beratungsstellen
Beratungsstelle Zwenkau
Ansprechpartnerinnen:
Schulstraße 15, 04442 Zwenkau
Telefon: 03 42 03 / 49-220
Telefax: 03 42 03 /49-102
Evelyn Beitz
Leiterin der Suchtberatung
Pädagogin/Sozialtherapeutin Sucht
Sprechzeiten
Montag
8.00–15.30 Uhr
Dienstag
nach Vereinbarung
Donnerstag
8.00–14.00 Uhr
und nach telefonischer Terminvereinbarung in der
Beratungsstelle Markkleeberg unter 03 41 / 35 80 76 2
Anne Jander
Dipl.-Sozialarbeiterin/-pädagogin, Sozialtherapeutin
Sucht
Beratungsstelle Markkleeberg
Hermann-Landmann-Straße 8
04416 Markkleeberg
Telefon: 03 41 / 35 80 762
Telefax: 03 41 / 35 88 577
Sprechzeiten
Montag
8.00–15.30 Uhr
Dienstag & Donnerstag 8.00–18.00 Uhr
Mittwoch
8.00–16.00 Uhr
Freitag
nach Vereinbarung
Beratungsstelle Markranstädt
Teichweg 16, 04420 Markranstädt
Telefon: 03 42 05 / 44 34 0
Telefax: 03 42 05 / 44 54 7
Sprechzeiten
Dienstag
8.00–16.00 Uhr
Mittwoch
8.00–16.00 Uhr
und nach telefonischer Terminvereinbarung in der
Beratungsstelle Markkleeberg unter 03 41/3580762.
Franziska Krauß
Dipl.-Sozialarbeiterin/-pädagogin
Verena Raschke
Dipl.-Sozialarbeiterin/-pädagogin, Sozialtherapeutin
Sucht
Grußworte des Oberbürgermeisters Dr. Bernd Klose für die Festschrift 20 Jahre DRK-Suchtberatung in
Markkleeberg
Grußworte des Oberbürgermeisters
Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
als Oberbürgermeister der Stadt Markkleeberg liegen
mir der soziale Zusammenhalt der Menschen und ein
attraktives Lebensumfeld in unserer Stadt besonders
am Herzen.
Der stete Bevölkerungszuwachs verdeutlicht, dass
man in Markkleeberg mit seiner guten Infrastruktur,
leistungsfähigen Wirtschaft und grünen Umgebung
sowie den beiden Badeseen gut leben und wohnen
kann.
Doch zum Wohlfühlen gehört Gesundheit und nicht
allen Bürgern ist diese uneingeschränkt gegeben.
Wir sind froh, dass der DRK-Kreisverband LeipzigLand e.V. seit nunmehr 20 Jahren einen Anlaufpunkt
mit professioneller Hilfe für Suchtkranke und deren
Angehörige bietet.
Im Namen der Stadt Markkleeberg gratuliere ich dem
Vorstand des DRK, allen Mitarbeitern und ehrenamtlichen Helfern zum 20-jährigen Jubiläum und danke Ihnen allen für Ihr besonderes Engagement zum
Wohle unserer Mitmenschen.
Die DRK-Suchtberatung ist für die Bürgerinnen und
Bürger unserer Stadt im Bedarfsfall ein wertvolles
Angebot, das wir gern unterstützen. Diese Angebote
reichen von der Betreuung und Beratung Betroffener
sowie ihrer Angehörigen bis hin zur Prävention in den
Schulen. Darüber hinaus ist die Beratungsstelle ein
wichtiger Partner in der Netzwerkarbeit sozialer Institutionen.
Die Einrichtung der Beratungsstelle des DRK-Kreisverbandes Leipzig-Land in Markkleeberg im Jahr
1991 war die erste ihrer Art im gesamten damaligen
Landkreis. Die Räumlichkeiten in Markkleeberg
wechselten und seit einem reichlichen Jahr freuen wir
uns, dass das DRK-Beratungszentrum sich in unmittelbarer Nähe des Rathauses und somit im
Herzen unserer Stadt befindet. Viele weitere soziale
Angebote konnten in den großen hellen Räumen der
Einrichtung ihren Platz finden.
Nochmals herzlichen Dank allen Mitarbeitern und
ehrenamtlichen Helfern für Ihren unermüdlichen Einsatz.
Mit besten Grüßen
Dr. Bernd Klose
Oberbürgermeister
Die Beratungsstelle
Zur Geschichte der Suchtberatungsstelle
„Zwanzig Jahre ist es schon her...“
Erinnerungen des Vorstandsvorsitzenden des DRKLandesverbandes Sachsen e.V.
Als ich vor Kurzem angefragt wurde, Erinnerungen
an den Anfang der DRK Suchtberatung beim Kreisverband Leipzig-Land aufzuschreiben, sagte ich gern
zu. Beim Sortieren der dann zu Papier bringenden
Gedanken wurde es schon ein wenig komplizierter:
zwanzig Jahre lassen Detailerinnerungen schließlich
verblassen.
Erster Gedanke: zwanzig Jahre ist es schon her, dass
die Beratungsstelle ins Leben gerufen wurde? Dann
tauchen Bilder und Erinnerungen aus der Zeit auf. Als
junge Kreisverbände hatten wir wenige Erfahrungen
beim Aufbau von Diensten. Innerhalb weniger Monate
gingen Sozialstationen, Fahr- und Menüdienste in
Betrieb. In manchmal atemberaubendem Tempo entwickelten wir mit der Kreisverwaltung und den „Bürgermeistereien“ der Städte und Gemeinden Ideen für
die künftigen Sozialstrukturen in der Region. Obwohl
wir kaum Kenntnisse in Bezug auf Drogen, ihre langfristigen Wirkungen auf das Umfeld des Abhängigen
und den dann zu erwartenden sozialen Verwerfungen
in Familien und der Gesellschaft, und noch viel weniger von den Beratungs- und Begleitungsbedarfen
hatten, gingen wir recht euphorisch an dieses Aufgabenfeld heran. Man kann das heute als weitsichtiges
und visionäres Handeln herausstellen und sich selbst
auf die Schulter klopfen. Mit dem Abstand der zwei
Jahrzehnte glaube ich, es war mindestens ebenso
reichlich optimistische Naivität wie Zukunftswille.
Von den ersten Gesprächen mit dem Landratsamt
und der Stadtverwaltung in Markkleeberg über die
Planung bis zur Eröffnung der Beratungsstelle vergingen nur wenige Monate, fast nur Wochen. Die Zeiten
waren so: der Tatendrang der Beteiligten war durch
die fehlenden Verwaltungsregularien weitgehend ungebremst. Finanzierung? Erst mal machen und dann
fragen! Damals ernteten wir alle Beifall für ungestü-
mes Voranjagen; heute wären Hinweise auf unzureichende konzeptionelle Ausrichtung und nicht zu verantwortende kaufmännisches Abenteurertum eher
das Mindeste. Und natürlich ist beides richtig. Jedes
hat seine Zeit.
Wie war das denn nun am Anfang, mit der Finanzierung? Eigentlich ganz einfach: Antrag an das Arbeitsamt für die Bewilligung von ABM auf die Dauer von drei Jahren, inklusive Sachkostenzuschuss
schreiben. Musste natürlich gut formuliert sein! Dann
paar Tage (manchmal auch Wochen) auf den Bewilligungsbescheid warten und los ging‘s. An sich viel
einfacher als heute. Gut, ein bisschen banalisiert ist
diese Erinnerung jetzt schon…
Aus heutiger Perspektive haben wir damals (die Erinnerungen an vergangene Zeiten locken einem das
Wort „damals“ regelrecht in die Schreibfinger) auch
das Gesicht des nun gesamtdeutschen DRK mit dieser Entwicklung deutlich verändert. Beratungsstellen
unterschiedlichster Fachdisziplinen sind heute in vielen Teilen des Verbandes allgegenwärtige Aufgabenfelder. Dass dies vor zwanzig Jahren nicht so war,
war an den fehlenden Beratern aus den „alten“ Kreisverbänden erfühlbar.
Mit zwanzig Jahren ist man erwachsen. Manche
Kinder bedürfen noch der elterlichen Begleitung; andere tragen schon eigene Verantwortung. Unsere
Beratungsstellen sind den Kinderschuhen lange entstiegen. Gute Gelegenheit, den Geburtshelfern und
Wegbegleitern zu danken. Was gibt man zum Jubiläum auf den Weg? Mein Wunsch: bewältigen Sie auch
künftig den Spagat zwischen Notwendigkeiten und
Möglichkeiten!
Rüdiger Unger
Vorstandsvorsitzender des DRK-Landesverbandes Sachsen e.V.
Zur Geschichte der Suchtberatungsstelle
1991 bis 1994
1991, das Jahr, in dem die Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtkranke und Angehörige des DRK KV Leipzig-Land e.V. ins Leben gerufen wurde, war auch für die sächsische Suchthilfe insgesamt eine Zeit
des Um- und Aufbruchs. Bewährtes sollte erhalten, Neues geschaffen,
Strukturen angepasst und entwickelt werden. Am 28. Mai 1991 wurde
nach vielen Diskussionen in Dresden die Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren als Zusammenschluss der Wohlfahrtsverbände
und Vereine, die sich bei der Suchtkrankenversorgung in Sachsen engagieren wollten, gegründet.
Ein paar Tage später schon (Anfang Juni 1991) nahm die DRK Suchtberatungsstelle in Markkleeberg mit zunächst nur einer Mitarbeiterin die
Arbeit auf. Die Initiative dazu war von dem damaligen Geschäftsführer unseres Kreisverbandes und heutigem Vorstandsvorsitzenden des
DRK-Landesverbandes Sachsen e.V., Rüdiger Unger, ausgegangen.
Bis Dezember 1994 beriet und betreute diese „Zwei-Personen-Beratungsstelle“ (die zweite Mitarbeiterin war im Oktober 1991 eingestellt
worden) schon eine große Zahl von Suchtkranken und Bezugspersonen
im Raum Markkleeberg – Zwenkau. Die Außensprechstunde in Zwenkau wurde 1992 eröffnet. Es wurden Kontakte zu Ämtern und Ärzten
hergestellt, an Schulen erste Präventionsveranstaltungen durchgeführt.
Seit 1994 lieferte die Beratungsstelle Zahlen für die sächsische Suchthilfestatistik. Außerdem vertrat Frau Dr. Michalski das DRK im Vorstand
der Sächsischen Landesstelle (SLS) und war Mitglied in der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft des Landkreises (PSAG).
Wichtiges war in diesen ersten Jahren geleistet worden: Durch ihre praktische und konzeptionelle Suchthilfearbeit war die Beratungsstelle zu
einem unverzichtbaren Bestandteil in der psychosozialen Versorgungslandschaft des Landkreises und des Landes geworden und hatte es verstanden, die Personalplanung so zu gestalten, dass sie auch nach dem
Auslaufen der Übergangsregelungen weiter bestehen konnte. (Andere
Träger hatten mit ihren Beratungsstellen diese Weitsicht nicht bewiesen.
So konnten zum Beispiel im Landkreis Leipziger Land die AWO Suchtberatung Schkeuditz und die Diakonie Suchtberatung Borna nicht in der
bestehenden Form erhalten werden.)
Hervor gehoben sei an dieser Stelle die nun schon zwanzig Jahre währende gute Zusammenarbeit mit der Stadt Markkleeberg. Ohne die be-
Unsere vielen Adressen in
Markkleeberg seit 1991:
1991 bis 1992
Im
Verwaltungsgebäude
des
ehemaligen Krankenhauses im
Keesschen Park
1993 bis 1997
Geschwister-Scholl-Straße 11
1997
mehrere Monate als Gast in der
DRK Sozialstation in der Hermann-Landmann-Str. 2
1997 bis 2000
Dammstraße 17
2000 bis 2004
Lauersche Straße 2-4
2004 bis 2010
Hauptstraße 56
Seit 2010 / 2011
Hermann-Landmann-Straße 8
Mitarbeiterinnen Suchtberatung
1991 bis 2003
Dr. Sabine Michalski, Diplompsychologin, psychologische Psychotherapeutin
1991 bis 2004
Doris Fuchs, Krankenschwester,
Heimleiterin
1995 bis 1997
Ulrike Werner, Diplompsychologin,
Sozialtherapeutin Sucht
seit 1995
Evelyn Beitz, Pädagogin, Sozialtherapeutin Sucht
seit 2003
Verena Raschke, Diplom-Sozialarbeiterin, Sozialtherapeutin Sucht
seit 2004
Anne Jander, Diplom-Sozialarbeiterin, Sozialtherapeutin Sucht
ständige Unterstützung bei finanziellen, personellen, konzeptionellen,
räumlichen, ausstattungstechnischen und immer wieder auch klientenbezogenen Angelegenheiten wäre die Suchtberatungsstelle nicht zu
dem geworden, was sie heute ist. Von Anfang an hatten wir das Gefühl,
als Suchtberatungsstelle in Markkleeberg gewollt zu sein, gebraucht zu
werden, und haben auch deshalb versucht, unsere Arbeit für die Menschen in dieser Stadt möglichst gut zu machen.
1995 bis 2001
Ein altes Haus, Putz und Farbe abgebröckelt, ein dunkler Torbogen
– weiter nach rechts durch eine schief in den Angeln hängende abgestoßene Holztür – vorbei an der winzigen Außentoilette, ein paar Stufen hoch in dem herunter gekommenen Treppenhaus – dann erschien
links der Eingang zur Beratungsstelle; eingerichtet in einer ehemaligen
kleinen Drei-Zimmer-Wohnung. Von den drei Zimmern ist das Kleinste
mit einem Gasheizkörper beheizbar, das Zweite mit einem Ölradiator,
das Größte (der spätere Gruppenraum) nur bei Bedarf mit einem archaisch anmutenden Gasheizer, der mit Stichflamme zündet, dann mit
zuckenden Flämmchen brennt und in unmittelbarer Nähe schnell große
Hitze erzeugt. Dazu allerdings benötigt er den Sauerstoff aus der Luft,
was besonders bei Präventionsveranstaltungen zu beachten ist, will
man nicht irgendwann in wahrlich dünner Luft mit immer schläfriger werdenden Schülern da sitzen und auch selbst aufgrund des Sauerstoffmangels zunehmend benommener werden…
(Dies mein Eindruck von der Suchtberatungsstelle als ich im Januar 1995 dort zu arbeiten begann. / E.B.)
2005/2006 und 2008 bis 2010
Kathrin Michel, Diplom-Sozialarbeiterin
seit 2010
Franziska Krauß, Diplom-Sozialarbeiterin
Mitarbeiterin Tagestreff
seit 2007
Marianne Kruber
1995 war also das Jahr, in dem die Übergangsregelungen des Landes
Sachsen für die in Vielzahl nach der Wende entstandenen - und überwiegend mit über ABM finanziertem Personal - arbeitenden Suchtberatungsstellen ausliefen. Ab Januar 1995 galten die verbindlichen Förderrichtlinien des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit
und Familie für alle Suchtberatungsstellen und etablierten damit auch die
bis heute gültigen hohen Qualitätsstandards für die ambulante Suchtkrankenhilfe. Beratungsstellen, die diese Anforderungen nicht einhalten
konnten, fielen aus der Landesförderung (die immerhin bei fast 50% lag)
heraus und gingen entweder ein oder konnten regional in neue Strukturen überführt werden.
Für die Suchtberatungsstelle des DRK KV Leipzig-Land e.V. bedeutete das: Ab dem 2. Januar 1995 wurde die dritte Mitarbeiterin in Markkleeberg eingestellt und zeitgleich wurde die Diakonie-Suchtberatungsstelle Borna als Außenstelle der Psychosozialen Beratungsstelle für
Suchtkranke und Angehörige des DRK-Kreisverband Leipzig-Land e.V.
übernommen. Nun reichte das Versorgungsgebiet von Markkleeberg
(Hauptstelle) über Zwenkau und Groitzsch (Außensprechstunden) bis
nach Borna (Außenstelle) und östlich bis hin nach Engelsdorf/ Mölkau
(Außensprechstunde ab Juni 1995). Vier feste Ansprechpartner mit der
geforderten Qualifikation (zwei begannen im laufenden Jahr die suchttherapeutische Zusatzausbildung) standen für Beratungsgespräche und
weitere Betreuung zur Verfügung. Die Klientenzahl stieg auf mehr als
das Doppelte an. Zusammen mit der DRK Schwangerenberatungsstelle fanden regelmäßig kollegiale Supervisionen statt. Zusätzlich wurden
viele Präventionsveranstaltungen vor allem in Schulen durchgeführt.
Und endlich wurde auch Gruppenarbeit ins Angebotsspektrum der Beratungsstelle aufgenommen.
Mit der Übernahme der Beratungsstelle Borna gelangten die schon
1990 gegründete Selbsthilfegruppe Bubendorf, die Selbsthilfegruppe
Groitzsch (die später autark weiter arbeitete) sowie drei (damals noch)
therapeutisch begleitete Gruppen aus Borna zu uns. Daraus hervor gegangen ist die heutige Selbsthilfegruppe „Hoffnung“ Borna. Im Juni 1995
nahm dann auch in Markkleeberg eine therapeutisch begleitete Gruppe
die Arbeit auf (heute SHG Markkleeberg). Die Gruppenarbeit in Zwenkau begann 1996 (heute SHG Zwenkau). Seit 1995 erfüllte die Suchtberatungsstelle damit zuverlässig alle Aufgaben der Basisversorgung, die
für die sächsische Suchthilfe verbindlich sind.
1997 verließ die Kollegin, die Borna und Groitzsch betreute, die Beratungsstelle und nahm eine therapeutische Tätigkeit in der Fachklinik
Klosterwald auf. Ihre Stelle wurde in den Folgejahren nie mehr besetzt
und die Finanzierung vom Landkreis nicht mehr gesichert, sodass wir
seit dieser Zeit unsere Aufgaben mit drei Vollzeitstellen erfüllen mussten.
Die Veränderungen im April 1997 sahen demzufolge so aus: In Borna
wurden die Sprechzeiten auf drei Tage in der Woche reduziert, die Klienten konnten zum großen Teil übernommen werden. Die drei therapeutisch begleiteten Gruppen arbeiteten nach und nach selbständiger
und wurden zu Selbsthilfegruppen. Die Außensprechstunde Groitzsch
wurde eingestellt, die Klienten nutzten zum Teil das Beratungsangebot
in Zwenkau. In Markkleeberg, Zwenkau und Engelsdorf waren wir wie
gewohnt für die Klienten erreichbar.
Im selben Jahr zogen wir in Markkleeberg um. Unser neues Domizil war
nun (nach einem mehrmonatigen „Notaufenthalt“ in der DRK Sozialstation) eine kleine Erdgeschoßwohnung in der Dammstraße 17. Der Umzug war nötig geworden, da das Haus in der Geschwister-Scholl-Straße
saniert wurde und wir am Ende mit unseren Klienten in Staub, Ruß und
Lärm Gespräche führen mussten.
Die räumlichen Bedingungen für die Suchtberatung waren in den ersten Jahren generell nicht sonderlich gut. In Markkleeberg hatte anfangs
– zumindest in den Wintermonaten – nicht jeder Mitarbeiter einen eigenen Beratungsraum, sodass bei der Terminvergabe genaustens geplant
Gremien
auf Bundesebene
• Bundesarbeitskreis
Suchthilfe
DRK
auf Landesebene
• Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren:
• Vorstand
• Fachausschuss „Suchtberatungsstellen“
• Fachausschuss „Illegale
Drogen“
• Fachausschuss „Selbsthilfe“
auf kommunaler Ebene
• Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft „Suchthilfe“ des Landkreises Leipzig
• Suchtpräventionskreis
• Ambulanzberatung der Stadt
Leipzig
• AG „Psychosoziale Begleitung
bei Substitution“
• Netzwerktreffen Substitution
• Qualitätszirkel Suchtmedizin
• Arbeitsgruppe
„Prävention“
der Stadt Markkleeberg
10
werden musste. In Borna waren wir Teilhauptmieter
zusammen mit einer Versicherungsagentur, was besonders im gemeinsamen Wartebereich erhebliche
Probleme mit sich brachte.
Bis zum Jahr 2000 stiegen die Beratungsgespräche
mit Konsumenten illegaler Drogen (hauptsächlich
Heroinkonsumenten) stetig an (1995: 5; 1998: 22;
2000: 83); zugleich nahmen die Gespräche mit Bezugspersonen zu und Präventionsveranstaltungen
sowie Elternabende zum Thema illegale Drogen wurden verstärkt nachgefragt. Zusammen mit unseren
Drogenklienten mussten wir im Laufe der nächsten
Jahre lernen, dass auch hier der Ausstieg (wenn er
denn überhaupt stattfindet) offenbar viele Jahre dauert und immense Arbeit an sich selbst verlangt. Diese
ist wegen des frühen Einstiegs in den Drogenkonsum
und der bestehenden ich-strukturellen Störungen
von den Klienten nur schwer zu leisten. Viele dieser
Klienten sind heute immer noch (oder wieder) in der
Beratungsstelle – nun aber im Zusammenhang mit
der psychosozialen Begleitung bei laufender Substitutionsbehandlung. Wegen der sachsenweit gestiegenen Zahl der Drogenklienten bewilligte das Land
Sachsen in Kooperation mit den Kommunen in den
Jahren 2000/2001 zusätzliche Stellen für spezielle
Drogenfachkräfte. Im Landkreis Leipziger Land wurde von dieser Möglichkeit trotz erheblich gestiegenen
Beratungsbedarfs kein Gebrauch gemacht.
Ende des Jahres 2000 erfuhren wir dann, dass im
Zuge der Landkreisreform und der Neuordnung der
Versorgungsgebiete die DRK Suchtberatungsstelle
in Borna zum 31.12.2001 geschlossen wird und der
DRK KV Leipzig-Land e.V. ab 2002 für den Aufbau
einer Suchtberatungsstelle im nördlichen Teil des
Landkreises, in Markranstädt, verantwortlich sein
wird. (Eine ähnliche Erfahrung, allerdings ohne Neuaufbau, hatten wir schon 1998 mit der Schließung der
Außensprechstunde Engelsdorf gemacht, als Engelsdorf und Mölkau nach Leipzig eingemeindet wurden
und die Sprechstunde ersatzlos wegfiel.)
Wir hatten also ein Jahr Zeit, mit unseren Bornaer
Klienten und den bestehenden zwei Selbsthilfegruppen die Situation zu besprechen, den Wechsel von
Klienten zur Suchtberatungsstelle des Gesundheitsamtes zu regeln, die Eigenständigkeit der Selbsthilfe-
gruppen zu stärken und durch regelmäßige Gruppenleiterberatungen die Verbindung zur Beratungsstelle
(und damit zur professionellen Suchthilfe) zu sichern.
Im Januar 2001 eröffneten wir in Borna noch eine
therapeutisch begleitete Nachsorgegruppe (heute
SHG „Zukunft“ Borna). Es war von Anfang an klar,
dass diese Gruppe es schaffen muss, innerhalb eines
Jahres selbständig zu arbeiten, um dann als SHG
weiter bestehen zu können. Christian Bruna, Leiter
der SHG Hoffnung Borna und langjähriger Landessprecher der DRK Suchtselbsthilfe in Sachsen, engagierte sich sehr stark beim Entstehen dieser zweiten
Betroffenengruppe.
2002 bis 2004
2002 begannen wir mit unserer Außensprechstunde
in Markranstädt, nahmen Kontakt zum Sozialamt,
zu niedergelassenen Ärzten, den Kliniken im Versorgungsgebiet, Schulen, anderen Beratungsstellen
usw. auf, um unser Beratungsangebot bekannt zu
machen. Innerhalb eines Jahres betreuten wir mehr
als 30 Klienten, vermittelten zu Entzugsbehandlungen
ins Sächsische Krankenhaus Altscherbitz, stellten die
ersten Anträge auf Langzeittherapien und führten
Präventionsveranstaltungen in der Grundschule
und im Gymnasium durch. Zwei Jahre später, 2004,
konnte in Markranstädt eine therapeutisch begleitete
Gruppe die Arbeit aufnehmen, welche seit 2008 als
Selbsthilfegruppe Markranstädt tätig ist.
Die Jahre 2002 und 2003 waren nicht nur durch den
Neuaufbau des Beratungsangebots in Markranstädt
eine komplizierte Zeit für die Beratungsstelle. Zeitgleich traten schwierige persönliche Situationen und
schwere Krankheiten im Team auf. Als 2003 die langjährige Leiterin der Beratungsstelle ausschied, musste das Beratungsangebot in Markkleeberg, Zwenkau
und Markranstädt über Monate mit nur einer Mitarbeiterin aufrecht erhalten werden. Durch schnelle und
unbürokratische Unterstützung der Geschäftsleitung
konnte jedoch zur Überbrückung der Situation kurzfristig eine Studentin der HTWK, die ihr Praktikum
bei uns absolviert hatte, stundenweise eingestellt
werden und so die Präsenz in der Beratungsstelle
Markkleeberg absichern. Nach Abschluss ihres Studiums verstärkte sie dann als feste Mitarbeiterin unser Team. Ab Juli 2003 entspannte sich die Situation
zunehmend: Eine junge, in der Jugendarbeit erfah-
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rene Sozialarbeiterin konnte fest eingestellt werden
und nach und nach konnten wir an allen Standorten
wieder das volle Leistungsspektrum der Beratungsstelle anbieten.
Das Jahr 2004 markiert Stabilisierung und eine Art
Neubeginn: In Markkleeberg zogen wir in die sehr
schönen großzügigen Räumlichkeiten in der Hauptstraße 56; unser Team hatte sich erneuert und verjüngt; wir hatten das Konzept einer integrativen Beratungsstätte entwickelt und boten nun zusammen
mit der DRK Schwangerenberatung und der Diakonie
Schuldnerberatung in Markkleeberg „Beratung unter
einem Dach“ mit vielen Vorteilen für unsere Klienten
an. Und im Oktober 2004 fand der erste Frühstückstreff (sozusagen der Auftakt zu einem niedrigschwelligen Angebot) statt, zu dem bis heute immer wieder
viele Teilnehmer aus Markkleeberg, aber auch aus
Borna, Groitzsch, Pegau und anderen Orten kommen, um gemeinsam zu frühstücken und sich mit anderen auszutauschen.
2005 bis 2010
2005 ist allen wohl noch in Erinnerung als das Jahr, in
dem „Hartz IV“, also das SGB II, in Kraft trat. Im Vorfeld gab es erheblichen Beratungsbedarf – sowohl bei
unseren Klienten als auch bei den Fallmanagern der
Arbeitsgemeinschaft, denen plötzlich abverlangt wurde, die Anzeichen einer Abhängigkeitserkrankung zu
erkennen, zur Abklärung und eventuell weiteren Behandlung an eine Suchtberatungsstelle zu vermitteln
und bei Nichtmitwirkung des Klienten gegebenenfalls
Sanktionen zu verhängen. (Nach §16 SGB II ist die
Vermittlung an eine Suchtberatungsstelle bei Vorliegen des Vermittlungshemmnisses Sucht möglich.)
Unsere Erwartung allerdings, dass die Arbeitsgemeinschaft uns nun förmlich mit neuen Klienten überschütten würde, traf so nicht ein. Nach zögerlichem
Anlauf der Vermittlung waren es in den letzten Jahren
jährlich um die 20 Klienten, die in die Beratungsstelle
geschickt wurden – Tendenz rückläufig. Hier gibt es
ganz sicher Diskussionsbedarf, zumal 2012 im Landkreis erneut umstrukturiert wird und die Verantwortung für die Bezieher von Arbeitslosengeld II ganz in
die Hand der Kommune übergehen wird.
Ebenfalls 2005 wurde der erste Versorgungsvertrag
zum Betrieb unserer Suchtberatungsstelle zwischen
dem Landkreis und dem DRK KV Leipzig-Land e.V.
abgeschlossen, welcher den Versorgungsauftrag
und die Finanzierung für die Suchtberatungsstelle
bis Ende 2009 vertraglich fixierte. Wir konnten nun,
da die Grundversorgung unserer Klienten langfristig
gesichert war, die Planung zusätzlicher Angebote angehen.
Zugleich versuchten wir, unsere Suchtberatungsstelle
in der Region, im Land und innerhalb des DRK stärker zu vernetzen. Wir intensivierten die Zusammenarbeit mit anderen Suchtberatungsstellen im Landkreis,
engagierten uns im Qualitätszirkel Substitution der
Stadt Leipzig, tauschten Arbeitserfahrungen mit der
zweiten sächsischen Suchtberatungsstelle in Trägerschaft des DRK (Suchtberatungsstelle Reichenbach)
und den DRK Suchtberatungsstellen in SachsenAnhalt aus. Zudem arbeiteten wir in verschiedenen
Fachausschüssen und im Vorstand der Sächsischen
Landesstelle gegen die Suchtgefahren sowie im Bundesarbeitskreis DRK Suchthilfe mit. Wir beteiligten
uns beim DRK Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.
an einem Qualitätsmanagement-Qualifikationsseminar (was sich als vorausschauend erwies, da heute
Qualitätsmanagement auf der Agenda unseres Kreisverbandes steht und in den nächsten Jahren sicher
als Qualitätsstandard für die sächsische ambulante
Suchthilfe verpflichtend sein wird).
Beim Picknick im agra-Park 2007
Die 2003 und 2004 eingestellten Sozialarbeiterinnen
konnten 2009 ihre über drei Jahre gehende berufsbegleitende suchttherapeutische Zusatzqualifikation
zum Sozialtherapeuten Sucht (psychoanalytisch/
verhaltenstherapeutisch) abschließen, was sich vor
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allem in einem tieferen Verstehen unserer Klienten
und einer bewusster reflektierten Interaktion mit ihnen sowie in konzeptionellen Planungen für die Beratungsstelle und das ambulante Suchthilfesystem in
Sachsen niederschlägt. Außerdem profitierten unsere vielen Praktikantinnen (im Laufe der Jahre waren
es insgesamt 25) von dem gewachsenen fachlichen
Niveau.
Eben dieses tiefere fachliche Verständnis für die Eigenheiten unserer Klienten zwang uns förmlich immer wieder dazu, zusätzliche niedrigschwellige, der
Stabilisierung dienende Angebote zu entwickeln. Ab
2007 führten wir eine Außensprechstunde in der Böhlener Straße in Markkleeberg ein. Alle 14 Tage können die dort lebenden vorwiegend chronisch mehrfach geschädigten Abhängigkeitserkrankten mit einer
Mitarbeiterin über ihre Probleme sprechen. Den Weg
bis zur Beratungsstelle würden sie nicht mehr bewältigen können.
Ausgehend von der hohen Anteil arbeitsloser Klienten, ihren ich-strukturellen Besonderheiten und
der daraus resultierenden Notwendigkeit zu einer
stützenden äußeren Strukturgebung erweiterten wir
den Frühstückstreff um ein Kreativangebot und konnten dafür 2007/2008 und nochmals 2008/2009 eine
ehemalige, inzwischen langjährig abstinente und in
der Gruppenarbeit engagierte Klientin mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft Leipziger Land auf
Ein-Euro-Job-Basis einstellen. Unser Plan zielte aber
weiter: Zur Tagesstrukturierung sollte ein Tagestreff
als Begegnungs- und Beschäftigungsangebot für
Suchtkranke und psychisch Kranke etabliert werden.
In mehreren Anläufen wurde eine Konzeption erarbeitet und modifiziert. Ab April 2009 bewilligte man für
das Projekt Tagestreff eine Kommunal-Kombi-Stelle
für drei Jahre. Nun mussten neue Räume gesucht,
die Personal- und Sachkosten insgesamt abgesichert
werden. Zwischen Weihnachten und Silvester 2009
zogen wir mit tatkräftiger Unterstützung durch die
Selbsthilfegruppen in die Hermann-Landmann-Straße 8, die unseren Bedürfnissen gemäß umgebaut
wurde. Ende März 2010 war es dann so weit: Der
Tagestreff konnte feierlich eröffnet werden.
Bedrohlich schienen an diesem Tag und allen folgenden des Jahres 2010 die von der sächsischen
Staatsregierung angekündigten gravierenden Finanzkürzungen im sozialen Bereich, die auch die
ambulante Suchthilfe betreffen sollten. Wir gaben
nicht auf, versuchten in den folgenden Monaten bei
Gesprächen mit Landtagsabgeordneten in der Beratungsstelle und in der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren die langfristig verheerenden
Folgen der Kürzungspläne zu verdeutlichen und
hatten Erfolg. Die Kürzungen wurden (zumindest für
den Haushalt 2011/ 2012) zurück genommen. Zudem
konnte mit dem Landkreis der Versorgungsvertrag für
die nächsten drei Jahre abgeschlossen werden.
Unsere Suchtberatungsstelle heute
Unsere Klienten sind hauptsächlich Alkohol- und
Drogenklienten (etwa 2/3 Alkoholabhängigkeit; etwa
1/3 Abhängigkeit von illegalen Drogen). Pro Jahr betreuen wir mehr als 450 Klienten und führen mehr als
2.200 Beratungsgespräche. In den zwanzig Jahren
seit Bestehen der Beratungsstelle führten wir mehr
als 38.000 Gespräche, suchten in fast 3.700 Fällen
Klienten zu Hause auf und beantragten für 622 Patienten eine Langzeittherapie.
Ein Teil unserer Klienten ist sozial gut integriert, hat
Arbeit und Familie, erfährt die Abhängigkeit häufig
als ich-fremd und sucht relativ schnell professionelle
Hilfe auf. Eine große Zahl unserer Klienten aber erlebt bei ihrem Suchtmittelkonsum immer wieder einen Rückgang auf frühkindliche Entwicklungsstufen
mit entsprechenden Erlebens- und Verhaltensweisen. Daraus ergeben sich gravierende Beziehungsstörungen, welche die kommunikativen und sozialen
Fähigkeiten dieser Patientengruppe erheblich beeinträchtigen.
Insgesamt nimmt die Zahl der Klienten mit Doppeldiagnosen (Abhängigkeit plus Persönlichkeitsstörung/
Psychose/ Angststörung/ Depression) oder/ und erheblichen somatischen Folgeerkrankungen der Abhängigkeit (Leberzirrhose/ chronische Pankreatitis/
Polyneuropathie) in der Beratungsstelle zu. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen liegt bei rund 50%, der
Anteil der Alleinstehenden beläuft sich auf etwa 55%.
Unsere Klienten sind kränker, einsamer und ärmer
geworden. Häufig sind sie nur noch in kurzfristige Arbeitsgelegenheiten zu vermitteln.
13
Eingang zum DRK-Beratungszentrum in der Hermann-Landmann-Straße / Ecke Mittelstraße
Um weiterer sozialer Desintegration entgegen zu wirken, haben wir den Tagestreff eingerichtet. Ein Teil
unserer Klienten hat sich in Selbsthilfegruppen organisiert, um ihre Abstinenz zusammen mit anderen
Betroffenen langfristig zu sichern, von denen heute
sechs Gruppen aus den verschiedensten Orten eng
mit unserer Beratungsstelle verbunden sind. Jährlich
werden Selbsthilfegruppentreffen durchgeführt.
Unser Team besteht aus vier Fachkräften. Drei davon
haben eine suchttherapeutische Zusatzausbildung
abgeschlossen, die vierte Kollegin wird diese voraussichtlich noch in diesem Jahr beginnen. Wir führen
innerhalb des Teams einen intensiven fachlichen
Austausch und werden regelmäßig von einer externen Supervisorin supervidiert.
Unsere Beratungsstelle ist seit vielen Jahren gut in
die psychosoziale Versorgung der Region integriert
und mit allen wichtigen Kooperationspartnern gut
vernetzt. Die Mitarbeiterinnen leisten in einer Vielzahl
von Gremien auf Stadt-, Landkreis-, Landes- und
Bundesebene eine qualifizierte Arbeit.
Folgende Aufgaben liegen vor uns:
• Sicherung der Finanzierung, der Fachkraftversorgung und der hohen Qualitätsstandards der
sächsischen Suchtberatungsstellen auch für die
•
•
•
•
•
•
•
nächsten Jahre;
Prüfung der Umsetzung ambulanter Therapieangebote im Landkreis Leipzig;
Arbeit an der Etablierung einer qualitätsgerechten
Substitutionsbehandlung in der Region Leipzig
und in Sachsen;
Mitwirkung an der Erarbeitung und Umsetzung
von Präventionskonzepten im schulischen und
kommunalen Bereich;
Mitarbeit an der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems im DRK KV Leipzig-Land e.V.
und Überführung in die praktische Arbeit der
Suchtberatungsstelle;
Sicherung des Fortbestehens des Tagestreffs
über 2012 hinaus durch den Erhalt der Personalstelle in Kooperation mit Jobcenter und Kommune; Sicherung einer langfristigen Finanzierung
tagesstrukturierender Angebote;
Erarbeitung und Umsetzung von Konzepten für
Beschäftigungsprojekte mit suchtspezifischer
sozialpädagogischer Begleitung, um einer drohenden sozialen Desintegration unserer Klienten
entgegen zu wirken;
Erarbeitung und Umsetzung von Konzepten für
ambulant betreute Wohnformen für verschiedene
Klientengruppen im Landkreis Leipzig.
14
Die Beratungsstelle
Erfahrungsbericht
„Wer Hilfe sucht, der wird auch Hilfe finden“
Von Kindheit an auf Gehorsam getrimmt, habe ich,
wenn auch widerwillig, gehorcht, als 2003 mein damaliger Hausarzt mir empfahl, eine Suchtberatungsstelle
aufzusuchen. Der Begriff „Suchtberatungsstelle“ war
mir absolut unbekannt. Ich konnte damit nichts anfangen. Was ich dort sollte? Was dort passierte? Ich
hatte überhaupt keine Vorstellung. Warum sollte ich
dahin gehen? Es ist mir nie in den Sinn gekommen,
dass ich alkoholabhängig bin, dass mein Alkoholkonsum mich suchtkrank gemacht hat.
Mein „1. Mal“ in dieser Beratungsstelle ist wohl für
beide Seiten nicht so ganz zufriedenstellend verlaufen. In meiner Erinnerung habe ich mir Mühe gegeben, freundlich zu sein – es dürfte aber nur halbherzig herübergekommen sein. Die Beraterin, welche mir
gegenüber saß, hat sicherlich sehr schnell gemerkt,
dass ich nicht so ganz ehrlich war. Was die Familie
betrifft schon, aber in Bezug auf meinen Alkoholkonsum überhaupt nicht. Ich bin bis 2004 regelmäßig zur
Beratung gegangen, aber nur, weil ich zu feige war,
zu sagen: „Ich komme nicht mehr“. Mein Umzug bot
Beim österlichen Frühstückstreff
dann die perfekte Ausrede, um aus dieser Nummer
herauszukommen: Der Weg war zu weit.
2005 war ich seelisch und moralisch am Boden. Da
fiel mir die Suchtberatungsstelle wieder ein. An einem
Tag, als es mir mal wieder richtig schlecht ging, hatte ich endlich den Mut, dort anzurufen und nachzufragen, ob ich wiederkommen darf. Ich durfte. Zu
meinem Termin hatte ich ein schlechtes Gewissen
meiner Beraterin gegenüber, war mir doch bewusst,
dass ich mich in der Vergangenheit nicht fair verhalten habe.
Ein Jahr hat es noch gedauert, bis ich erst zur Entgiftung und dann zur Langzeittherapie in die SoteriaKlinik gegangen bin. Dort bekam ich auch Besuch
von meiner Beraterin. Bei einem längeren Gespräch,
machte sie mir Mut, die Reha durchzuziehen. Nach
der Therapie ging ich regelmäßig zur Beratung – diesmal nahm ich die Sache Ernst. Ich bin auch ehrlich
gewesen. Zu mehr „Aktivitäten“ war ich nicht bereit.
Auch Hunde haben Hunger ...
Einmal gab es aus Versehen eine Doppelbelegung
der Termine. Die gute Seele des Frühstückstreffs,
welcher in der Beratungsstelle stattfand, bot mir Kaffee an, während ich warten musste. Sie holte mich
an den großen Esstisch und schob mir Brötchen hin,
aber einen Ton bekam ich nicht heraus. Ich fühlte mich
gehemmt und es war mir unangenehm. Die nächsten
Male kam ich zufällig wieder zum Frühstückstreff. Da
15
saß ich plötzlich mit fremden Personen am Tisch und fand es gar
nicht so schlecht, obwohl ich mich
nur auf’s Zuhören beschränkte. Die
nächsten Gesprächsstermine haben wir dann immer auf den zweiten Freitag im Monat gelegt. Jetzt
fahre ich gerne zum Frühstückstreff
– auch ohne Termin. Das Eis war
gebrochen. Daraufhin nahm ich am
Treffen der Selbsthilfegruppen in
Reichenbach, am Schreibwettbewerb der Aktionswoche Alkohol, am
Workshop in Erbach und am Sommerfest in Markkleeberg teil. 2011
habe ich eine Fortbildung zum ehrenamtlichen Suchtkrankenhelfer bestanden.
Der Suchtberatungsstelle habe ich viel zu verdanken.
Die Mitarbeiter haben es verstanden, mich aus dem
Dornröschenschlaf zu holen, mein Selbstvertrauen
und Selbstbewusstsein zu stärken. In den Fortbildungen habe ich neue Erfahrungen gesammelt und
mir neues Wissen angeeignet. Ich möchte mich auf
diesem Wege recht herzlich bei den Mitarbeiterinnen
der Beratungsstelle bedanken.
Marlies Marten
Die Bücherecke im Tagestreff
Die Computerecke im Tagestreff
16
Die Beratungsstelle
Zahlen, Daten, Fakten Ein statistischer Überblick
Die Suchtberatung ist verpflichtet, bestimmte Patientendaten in einem einrichtungsbezogenen Informationssystem (EBIS) zu erfassen. Berücksichtigt werden
dabei Patienten, die zu mindestens zwei Gesprächen
in der Suchtberatung waren. Zuverlässige Daten unserer Beratungsstelle gibt es seit 1996.
Darauf aufbauend erstellt die Suchtberatung jedes
Jahr einen statistischen Jahresbericht, der zusätzlich auch alle Einmalkontakte enthält. Dieser bietet
einerseits eine Übersicht über die Patientenstruktur
und andererseits über die Tätigkeiten der Beratungsstelle. Leider liegen uns diese Jahresberichte erst ab
1994 vor, so dass sich alle folgenden Angaben darauf
beziehen:
1. Betreuungsgrund
Der Großteil unserer Patienten (erfasst aus den Jahresberichten) kommt wegen einer Alkoholproblematik
in die Beratungsstelle - überwiegend mit einer Alkoholabhängigkeit, ein geringerer Anteil wegen eines
Alkoholmissbrauches oder eines riskanten Konsums.
1999 war ein sprunghafter Anstieg von Patienten
mit einer Abhängigkeit von illegalen Drogen zu verzeichnen, welche seitdem auch einen größeren Anteil ausmachen und 2010 einen Höchstwert erreichte.
Patienten mit einer Medikamenten- oder Spielsucht
waren im Gegensatz dazu eher Einzelfälle. Häufig
tritt aber ein problematischer Medikamentengebrauch
und inzwischen auch immer häufiger eine Computeroder Glücksspielsucht im Zusammenhang mit einer
zunächst diagnostizierten Alkohol- oder Drogenabhängigkeit auf.
73 % der Patienten (eingetragen im EBIS) mit einer
Drogenproblematik waren bzw. sind opiatabhängig.
Häufig befinden sich diese in einem Substitutionsprogramm, wo sie zur gesundheitlichen Stabilisierung
und zur Entkriminalisierung Ersatzdrogen wie Polamidon, Methadon oder Subutex ärztlich verordnet
bekommen. Die restlichen 27 % verteilen sich fast
gleichmäßig auf Missbräuchler bzw. Abhängige von
Cannabinoiden und Stimulanzien (Crystal, Speed,
Ecstasy etc.).
2. Alter bei Betreuungsbeginn
Die Tabelle auf der rechten Seite zeigt, wie alt die Patienten (eingetragen im EBIS) der letzten Jahre waren, als sie die Beratungsgespräche aufgenommen
haben. Das Alter bei Betreuungsbeginn differiert stark
zwischen Patienten mit einer Alkohol- und Drogenabhängigkeit. Der größte Anteil der Alkoholkranken
ist bei Betreuungsbeginn zwischen 41 und 50 Jahre alt, was zeigt, dass ein Veränderungswunsch erst
mit gewissen Erfahrungen und sicher auch sozialen,
psychischen oder körperlichen Folgen einhergeht. Es
gibt aber auch einen nicht zu geringen Anteil an über
60jährigen, die häufig mit dem Ausstieg aus dem Arbeitsleben und dem damit verbundenen Wegbrechen
der Arbeitsstruktur relativ spät ein Alkoholproblem
entwickeln. Auch einige sehr junge Patienten (16-25
Jahre) suchten unsere Beratungsstelle mit alkoholbezogenen Störungen auf.
Die Mehrzahl der Patienten im Bereich der illegalen
Drogen ist bei der Betreuungsaufnahme 16 – 30 Jahre alt, nur wenige sind deutlich jünger oder älter.
3. Geschlecht
Über ¾ der Patienten (eingetragen im EBIS) mit einer Suchtmittelproblematik, die zu mindestens zwei
Gesprächen die Beratungsstelle aufsuchten, waren
17
männlich; weniger als ¼ weiblich. In absoluten Zahlen bedeutet dies: Von 1.828 Patienten waren 1.399
männlich und 429 weiblich.
600
Patientenanzahl
500
400
4. Betreuungsdauer
Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug 59
Wochen, wobei dies individuell sehr verschieden ist
(bei 1828 Patienten variiert die Zeit zwischen 1 Woche bis 787 Wochen). Manche Patienten entscheiden sehr schnell, dass eine Einzelberatung nicht der
Jahr
Alkohol
illegale Drogen
Medikamente
geeignete Weg für sie ist und beschließen z.B. „nur“
eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen oder brechen Hauptdiagnose
Betreuungsgrund
- ein Vergleich 1994 bis 2010
den Kontakt gänzlich ab, weil sie - vorerst - einen
anderen Weg einschlagen (z.B. weiter oder wieder N=168
Alkohol oder Drogen konsumieren). Andere benöüber 70
tigen Unterstützung über mehrere Jahre – sei es,
61-65
weil sie kaum (trockene oder cleane) Bekannte ha51-55
ben, mit denen sie sprechen können oder von denen
41-45
sie sich verstanden fühlen, sei es, weil sie größere
soziale, persönliche oder häufig auch psychische
1-5
Schwierigkeiten in Verbindung mit Persönlichkeits21-25
störungen haben, die nicht kurzfristig zu „bereinigen“
unter 15
sind. Auch die Entscheidung zur Abstinenz oder zum
0
100
200
00
kontrollierten Konsum dauert längere Zeit und ist immännlich
76,5
Patientenanzahl
2,47
Behandlungszeitraum nicht selten mit Rückschlägenweiblich
verbunden, welche dann in den Gesprächen aufge- Alter bei Betreuungsbeginn
fangen, besprochen und verstanden werden können.
Das dafür nötige Sicherheitsgefühl und Vertrauen
kann durch den Berater häufig nicht in wenigen Wochen hergestellt werden.
23%
00
200
100
0
´95
´96
´97
´98
´99
2000
´01
´02
´0
´04
´05
´06
´07
5. Beurteilung der Suchtproblematik am Ende der Betreuung
Bei 57 % der Patienten (aus EBIS), die in den letzten
Jahren eine Betreuung beendet bzw. abgebrochen
haben, wurde die Suchtproblematik am Ende als erfolgreich (d.h. abstinent bzw. clean) bzw. gebessert
(z.B. gesundheitliche Stabilisierung, geringere Trinkmengen, weniger riskantes Konsumverhalten) eingeschätzt. Bei 33% blieb die Situation unverändert, d.h.
die Patienten haben auch im Laufe der Beratung ihr
Konsumverhalten beibehalten oder sind rückfällig geblieben.
´08
´09
´10
Spielsucht
Alter
1994
illegale Drogen
Alkohol
400
männlich
weiblich
77%
Geschlecht
erfolgreich
gebessert
unverändert
verschlechtert
0
100
200
00
400
500
Patientenanzahl
Beurteilung der Suchtproblematik am Ende der Betreuung
600
18
Präventionsveranstaltungen
Alkohol? Kenn` dein Limit!
Suchtprävention in unserer Beratungsstelle
„Am besten hat mir gefallen, dass wir hier mal über
so was wie Trinken und Alkohol geredet haben“. In
den Auswertungsrunden nach einer Präventionsveranstaltung hören wir oft solche oder ähnliche Sätze.
Denn wann redet man schon übers Trinken, über
Alkohol, über die „Leute, die vor Penny stehen“,
über den Lehrer mit der Alkoholfahne oder über den
Kumpel, der jedes Wochenende betrunken ist?
Unsere Beratungsstelle führt zusätzlich zu ihren
Basisaufgaben verschiedenste Präventionsveranstaltungen an Grund-, Mittel- und Berufsschulen, in
Gymnasien und Jugendclubs oder auch in Ausbildungsstätten durch. Es entstanden dabei enge Kooperationsstrukturen mit einigen Schulen – z.B. dem
Gymnasium Markkleeberg, der Mittelschule Kitzscher, der Mittelschule Pegau und der Mittelschule
Böhlen, so dass wir dort jährlich Suchtpräventionen
durchführen.
Neben der reinen Informationsvermittlung (Differenzierung legale/ illegale Suchtmittel, stoffgebundene/
-ungebundene Süchte, Arbeit einer Beratungsstelle,
Folgen übermäßigen Alkoholgebrauches, Behandlungsmöglichkeiten, Alkoholauswirkung auf Psyche
und Körper usw.) geht es uns in diesen Veranstaltungen ganz besonders um die Sensibilisierung für
die Suchtmittelthematik und den Austausch über eigene Erfahrungen.
Den ersten direkten, eigenen Kontakt zu Alkohol haben Kinder heute schon im Alter von 10/ 11 Jahren.
Und das weniger im Freundeskreis oder in der Clique, sondern sehr viel häufiger in der Familie. Da
darf man vom Bier kosten oder zu Silvester mit Sekt
anstoßen oder das Schnapsglas auslecken. Alkohol
wird getrunken, „weil er dazugehört“. Kinder und Jugendliche trinken ihn, um dazuzugehören – zu den
Erwachsenen, den „Großen“.
In den Präventionsveranstaltungen hinterfragen wir
genau diesen Umgang mit Alkohol kritisch, lassen
den Schülern Raum, sich damit auseinanderzusetzen. Uns begleiten in die Schulen abstinent lebende
Alkoholkranke, die von sich berichten und an ihren
Erfahrungen teilhaben lassen. Durch die Offenheit
der Betroffenen kommt es zu regen Gesprächen
über eigene Erfahrungen, Suchtmittelkonsum im familiären/ sozialen Umfeld, über Ängste und Sorgen.
All das soll dazu beitragen, sowohl einen bewussteren Umgang mit Alkohol und Suchtmitteln im Allgemeinen anzuregen als auch zu ermöglichen.
Dabei kommen die so genannten „Rauschbrillen“
regelmäßig zum Einsatz. Durch die simulierten Promillewerte können körperliche, psychische, koordinative und gruppendynamische Auswirkungen von
Alkohol „am eigenen Leib“ erfahren werden. Es geht
uns auch um die Schärfung der Selbstbeobachtung,
die wichtig ist, um Risiken zu erkennen und ihnen
zu begegnen. Auch kleine Übungen zur Körperwahrnehmung, zum „Nein – Sagen – Können“, zum
Umgang mit Gefühlen gehören zum praktischen Teil
innerhalb der Präventionsveranstaltungen.
Auch Elternabende gehören zur Präventionsarbeit.
Dabei geht es vor allem um Informationsvermittlung,
da gerade im Bereich der illegalen Drogen Kinder
und Jugendliche einen deutlichen Informationsvorsprung haben.
Unsere Beratungsstelle arbeitet darüber hinaus am
19
Schüler bei koordinativen Erfahrungen mit Rauschbrillen
Suchtpräventionskonzept der Stadt Markkleeberg mit, was vornehmlich für Kinder und Jugendliche erarbeitet wird und zugleich die Kommunale Verantwortung betont.
Wichtig bei allen Präventionsangeboten ist es, hinzuschauen. Wir
möchten mit der Suchtprävention unseren Teil dazu beitragen und einen Raum schaffen, in dem man sich mit Suchtmittelgebrauch, dessen
Funktionen, Wirkungen und Auswirkungen, wertfrei auseinandersetzen kann.
Selbsterfahrung beim Rollenspiel
In den Jahren 1994 bis 2010
fanden insgesamt 233 Veranstaltungen zur Suchtprävention
in Schulen und anderen Einrichtungen statt. Damit wurden etwa
7.000 Adressaten (Schüler, Eltern, Lehrer, Jugendclubbesucher)
erreicht.
Erlebnispädagogische Übung
20
Die Beratungsstelle
Rückschau auf die Suchtwochen
In Deutschland konsumieren rund 9,5 Millionen
Menschen Alkohol auf riskante Weise, davon sind
1,3 Millionen abhängig. Jeder fünfte Mann und fast
jede sechste Frau trinken zu viel. Weltweit belegen
wir im Alkoholkonsum den 5. Platz. Das Konsumverhalten ist zu hoch und zu risikoreich – vor allem
bei Erwachsenen, nicht nur bei Jugendlichen, deren Trinkexzesse häufig angeprangert werden. Um
Erwachsene und Jugendliche für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol zu sensibilisieren,
rief die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.
2007 die Aktionswoche Alkohol ins Leben, welche
seither alle zwei Jahre durchgeführt wird. Auch unsere Suchtberatung beteiligte sich mit verschiedenen
Projekten an den Suchtwochen 2007 und 2009.
Im Rahmen der 1. Deutschen Suchtwoche 2007
wurde in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt ein Kreativwettbewerb für Kinder und Jugendliche im Landkreis Leipzig ausgerufen. Gesucht
wurden bildnerische oder literarische Arbeiten zum
damaligen Motto „Alkohol – Verantwortung setzt
die Grenze“. 68 Schüler beteiligten sich daran und
Urkunden für den Kreativwettbewerb für Kinder und Jugendliche
bei der 1. Suchtwoche 2007
Gespanntes Lauschen während der Suchtwoche 2009
schrieben Gedichte oder Geschichten, zeichneten
Bilder oder bastelten kleine Skulpturen. Die besten
Arbeiten wurden im Bornaer Landratsamt prämiert
und anschließend zum „Tag der offenen Tür“ in der
Suchtberatungsstelle ausgestellt.
Zum Auftakt der Suchtwoche konnten wir den Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer - Preisträger
der Leipziger Buchmesse - gewinnen, welcher in
der Markranstädter Stadtbibliothek und im Westphalschen Haus in Markkleeberg aus seinem Roman
„Als wir träumten“ las. Außerdem fand eine Lesung
von Texten berühmter Autoren zum Thema Alkohol
im Altenpflegeheim Zwenkau statt.
Nachdem Kinder und Jugendliche im Fokus dieser
ersten Veranstaltung standen, wollte die Suchtberatungsstelle zur zweiten Aktionswoche 2009 die Zielgruppe erweitern. Veranstaltet wurde ein Schreibund Literaturwettbewerb für Kinder, Jugendliche und
Erwachsene diesmal zur Suchtwochenthematik „Alkohol? Kenn’ Dein Limit“. Es nahmen 35 Personen
am Wettbewerb teil. Viele setzten sich in Form von
Erfahrungsberichten und Gedichten mit dem Thema Alkoholkonsum auseinander. Auch Beiträge
aus Sicht von Angehörigen wurden eingereicht. Die
Texte wurden zu einem „Tag der offenen Tür“ in den
21
Weinselig
Rote Merlot – Tropfen strömen
wie ein Fluss durch meine Adern,
überschwemmen mein Hirn,
überfluten mein Gedankenland auf
dessen fruchtbaren Boden jene
Saat gedeiht die mich nährt.
Programmpunkte der Suchtwoche 2009
Räumlichkeiten der Beratungsstelle ausgehangen
und prämiert; die Gewinnertexte wurden vorgetragen. Alle eingereichten Beiträge wurden in dem kleinen Band „Grenzlinien – Geschichten und Gedichte
von, mit und ohne Alkohol“ zusammengefasst, welcher bei Interesse in der Beratungsstelle zu erhalten
ist.
Nun ist es ein Sumpf,
der mich herunterzieht
und dennoch selig macht.
Weinselig für eine Nacht
Sybille Block, Gedicht eingereicht zur Suchtwoche 2009
Ergänzend las wiederum Clemens Meyer im Westphalschen Haus diesmal „Stories“ aus seinem Erzählband „Die Nacht, die Lichter“.
Die diesjährige Aktionswoche 2011 „Alkohol? Weniger ist besser!“ fällt nun zusammen mit dem 20jährigen Bestehen unserer Suchtberatung, so dass wir
dies zum Anlass nehmen wollen, alle Selbsthilfegruppen, Patienten, unsere Unterstützer und Kooperationspartner in und „rund um“ unsere Räumlichkeiten einzuladen und um gemeinsam diesen Tag
zu begehen. Die letzten Aktionen lassen uns voller
Spannung auf all die kommenden Jahre in die Zukunft blicken.
„Teufel Alkohol“, eingereicht zur Suchtwoche 2007
22
Die Beratungsstelle
Der Tagestreff in Markkleeberg
Entwicklung Tagestreff
1997/98
erste konzeptionelle Überlegungen
zur Einrichtung einer Tagesstätte
2004
mit dem Umzug in die Hauptstraße
56 richten wir einen monatlichen
Frühstückstreff ein
2005
Vorstellung einer Konzeption zur
Einrichtung eines Tagestreffs im
Vorstand des DRK-Kreisverbandes
Leipzig-Land e.V., die wegen unklarer Finanzierung abgelehnt wird
Seit März 2010 gibt es den Tagestreff Markkleeberg,
welcher von der Suchtberatung des Deutschen Roten Kreuzes Kreisverband Leipzig-Land e.V. eingerichtet wurde. Wer sich einsam und allein fühlt oder
einfach nur mit anderen in Kontakt kommen möchte,
ist hier jederzeit herzlich willkommen. Neben einer
umfassenden Computernutzung (Internet, Schreiben von Bewerbungen, Erledigung von Schriftverkehr u.a.), gibt es auch die Möglichkeit in Büchern
zu schmökern oder sich über das aktuelle Tagesgeschehen in Form von Zeitungen und sonstigen
Printmedien zu informieren. Doch dies ist bei weitem noch nicht alles.
2007 – 2009
Fortführung des Frühstückstreffs
und Erweiterung durch ein Kreativangebot mit Hilfe eines 1-€-Jobs
2009
Erfolgreiche Verhandlungen mit
der damaligen Amtsärztin über
die Finanzierung einer Tagesstätte und Suche nach geeigneten
Räumlichkeiten in Markkleeberg
Ab April Gewährung einer Kommunal-Kombi-Stelle über drei Jahre für den Tagestreff
Im Dezember Umzug der Beratungsstelle in die Hermann-Landmann-Straße 8
2010
Im März feierliche Eröffnung des
Tagestreffs für Suchtkranke und
psychisch Kranke. Durch großzügige Unterstützung der Stadt
Markkleeberg erhält der Tagestreff
Frau Kruber beim Plätzchenbacken zur Weihnachtszeit im Tagestreff
Auf Anfrage hat man hier auch die Möglichkeit, eine
Waschmaschine und einen Kopierer zu nutzen. Eine
Tasse guter Kaffee, heißer Tee oder ein Kaltgetränk
inklusive kleinem Imbissangebot sorgen für das
leibliche Wohl. Für Kinder gibt es die Gelegenheit
sich kreativ zu beschäftigen oder einfach nur dem
Spieltrieb freien Lauf zu lassen, die entsprechenden
Utensilien sind reichlich vorhanden.
23
Frau Beitz (Leiterin der Beratungsstelle),
Frau Kruber (Leiterin des Tagestreffs),
Herr Bruske (Vorstand des DRK-Kreisverbandes) bei der Eröffnung des Tagestreffs
in der Hermann-Landmann-Straße 8 am
17. März 2010
Bei seelischen Problemen und bei der Bewältigung
von Alltagssorgen gibt es Hilfe, Motivation und umfassende Unterstützung. Frau Kruber, die gute Seele
des Hauses und Chefin vom Tagestreff, steht hierbei
gerne jedem Besucher als erste Ansprechpartnerin
zur Seite. Aber auch die Mitarbeiter der Beratungsstelle, deren Räumlichkeiten sich gleich nebenan
befinden, sind gerne behilflich.
Michael Westerkamp, Tagestreffbesucher
Erfahrungsbericht
Mein Name ist Thomas Häusler. Nach einer Langzeittherapie zur Alkoholentwöhnung besuche ich täglich
den „Tagestreff“ in Markkleeberg. Da ich völlig alleinstehend bin, benötige ich einen strukturierten Tagesablauf. Diesen finde ich zum Teil hier.
Es gibt Gruppengespräche, ein gemeinsames Frühstück und jeden Dienstag ein gemeinschaftliches Mittagessen. Da ich Koch gewesen bin, kann ich meine
Kenntnisse in die Gruppe einbringen. Mir persönlich
gibt dies das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und gebraucht zu werden. Da wir alle die gleiche Krankheit
haben, ist gegenseitiges Verständnis wichtig. Genau
dies kann man hier finden. Bei eventuell auftretenden
Problemen bekommt man Rat und Unterstützung.
im Herbst eine Waschmaschine mit
Trockner, die fortan durch die Besucher genutzt werden kann.
Die Aktion Mensch bewilligt für
den Tagestreff eine größere Summer zur Anschaffung von Kochutensilien, Herd und Kühlschrank
für den Kurs „Gemeinsam Kochen
und Genießen“
Im Dezember wird gemeinsam ein
Weihnachtsmenü gekocht und zur
Weihnachtsbäckerei eingeladen
Von April bis Dezember 2010 fanden 387 Besuche des Tagestreffs
statt.
2011
Ab März beginnt jeden Dienstag
das regelmäßige „Gemeinsam Kochen und Genießen“
Thomas Häusler, Tagestreffbesucher
Kontaktdaten:
Hermann-Landmann-Straße 8
04416 Markkleeberg
Ansprechpartnerin:
Marianne Kruber
Telefon: 03 41 / 35 12 44 7
Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag
9 bis 14 Uhr
Beim gemeinsamen Frühstück
24
Die Beratungsstelle
Unterstützung durch Hunde in der Suchtbehandlung
Ende 2010 musste ich aufgrund eines Betreuungsengpasses meine Mischlingshündin mit in die Beratungsstelle nehmen. Die bestellten Klienten hatten
nichts dagegen, dass ein Vierbeiner mit anwesend
war. Im Gegenteil, sie waren ganz angetan: „Die ist
ja lieb, die können sie das nächste Mal ruhig wieder
mitnehmen. Oh ja, bringen sie sie wieder mit.“
So ergab es sich, dass meine Hündin mich immer
mal wieder auf Arbeit begleitete und als hätten wir
uns vorher abgesprochen, sprang sie auf, wenn
es an der Tür klingelte, begrüßte schwanzwedelnd
die Klienten, legte sich dann auf ihre Decke, schlief
Unterstützung durch Hunde in der Suchtbehandlung
und sprang erst wieder zur Verabschiedung mit auf.
Meine anfänglichen Bedenken waren schnell verflogen. Da die meisten Klienten selbst einen Hund
haben oder hatten, freuten sie sich über die Anwesenheit des Vierbeiners. Tatsächlich war auch ich
überrascht, dass sich der Hund so unkompliziert in
die Beratungssituation integrieren ließ und darüber
hinaus die Beratung davon sogar profitieren konnte.
Dies wurde mir besonders in den Erstgesprächen
deutlich, bei denen man über den Hund ein neutrales
Einstiegsthema hatte und viel schneller in Kontakt
kam. Aber auch im fortschreitenden Prozess konnte
er nützlich sein. So erzählte z. B. einmal eine Klientin
von einem Ereignis der letzten Woche. Während sie
sprach, fiel mir auf, dass sie plötzlich immer schneller und lauter redete. Noch bevor ich einhaken konnte, sprang meine Hündin auf, setzte sich vor sie und
die Klientin streichelte ganz selbstverständlich über
das Fell. Der Hund legte sich zurück auf seine Decke und die Klientin erklärte mir mit ruhiger Stimme,
was sie so geärgert hatte. Von meinen Erfahrungen
und den zahlreichen Erlebnissen der „Klienten mit
Hund“ angeregt, entstand die Idee zu einer extra
„Hunderubrik“ in dieser Zeitung.
Hunde und Katzen sind sowohl als Haus- als auch
als Therapietiere besonders geeignet, da sie sich
mit dem Menschen nicht nur denselben Wohnraum
teilen, sondern auch direkt an dessen Leben teilnehmen. Der Hund wird als das älteste Haustier des
Menschen betrachtet. Die Anfänge dieser „Gemeinschaft“ fielen in die Zeit der „Jäger und Sammler“
(vor etwa 15.000 Jahren). Während der Hund den
Großteil der „gemeinsamen Geschichte“ als Nutztier
gehalten wurde, veränderte sich dies doch besonders in jüngerer Zeit, in der meist eher der emotionale Wert ausschlaggebend für die Anschaffung
dieses Haustieres ist.
Generell scheint der Hund das „gemeinschaftsfähigste“ Haustier des Menschen zu sein, da er einerseits sehr anpassungsfähig ist und andererseits über
ausgeprägte Verständigungsmöglichkeiten verfügt.
Dies liegt sicher auch darin begründet, dass Hunde
untereinander seit jeher im Rudelverband leben und
somit den Menschen als „Rudelgenossen“ betrachten. Der domestizierte Hund besitzt die Fähigkeit,
die Gestik und Mimik des Menschen zu deuten und
feinfühlig auf menschliche Stimmungen zu reagieren. Dadurch entsteht der Eindruck des Verstehens
und Mitfühlens. Hunde agieren aber auch aus eigenem Impuls, so zeigen sie in Trennungssituationen
z. B. ähnliche Reaktionen wie sie bei Kleinkindern
beobachtet werden. Das sensible Reagieren, die
Gelehrigkeit und Anhänglichkeit des Hundes ermöglichen eine sehr enge und fast einmalige Tier-
25
Mensch-Beziehung. Daher sind sie als Therapietier
auch noch häufiger im Einsatz als Katzen, die im
Vergleich meist viel eigensinniger agieren und sich
öfter den menschlichen Kontaktversuchen sogar
entziehen.
Positive Auswirkungen der Hundehaltung auf den
Menschen
Die Anwesenheit eines vertrauten Tieres vermittelt
uns Sicherheit und Geborgenheit. Warum dies so
ist, ist seitens der Wissenschaft bislang nicht hinreichend geklärt. Es wird aber vermutet, dass in der
menschlichen Evolution die Anwesenheit entspannter Tiere stets ein Zeichen für Sicherheit war und
das Beobachten und richtige Interpretieren ihres
Verhaltens die Überlebenschancen des Menschen
sicherten.
Bei der Kommunikation zwischen Mensch und
Hund ist die taktile Ebene besonders bedeutsam.
Es besteht ein wechselseitiges Bedürfnis nach Körperkontakt, das von beiden eingefordert wird. Das
Streicheln des Hundes beruhigt den Menschen und
soll puls- und blutdrucksenkend wirken. Es werden
- wie auch beim Spielen mit dem Tier - körpereigene Opiate (z.B. Endorphine) ausgeschüttet, die ein
Glücksgefühl verursachen und Stress abbauen.
Meist zeigen sich beim Menschen darüber hinaus
folgende Veränderungen: seine Gesichtszüge entspannen sich und die Stimme wird höher und weicher. Beim Sprechen mit dem Tier dominieren kurze Sätze mit fragender Intonation und folgenden
Pausen, um eine Reaktion beim Tier hervorzurufen.
Auch entsteht über die Berührung des Tieres ein
Gefühl des Nicht- Alleinseins. Daher empfinden die
meisten Menschen ihren Hund als sozial anregend,
weil sie über die Beschäftigung mit dem Tier viel
Freude erfahren und weniger einsam sind. Häufig
hat der Hund eine „Partnerfunktion“, da er seinem
Halter das Gefühl des Verstehens sowie Treue und
Hunde zu Besuch in unserer Beratungsstelle
Sympathie vermittelt. Dies stärkt beim Menschen
wiederum das Selbstwertgefühl. Ferner schätzen
viele die Beschützerfunktion des Hundes.
Des Weiteren wird die Freizeit durch ihn aktiv gestaltet: das Tier bietet Ablenkung, sorgt für Entspannung und übt gleichzeitig einen erzieherischen
Einfluss auf den Lebensstil und -rhythmus seines
Besitzers aus. Da ein Hund regelmäßig versorgt
werden muss, wird der Alltag strukturiert. Aufgaben
müssen übernommen werden, Selbständigkeit und
Eigeninitiative werden gefördert. Regelmäßige Spaziergänge an der frischen Luft wirken sich positiv
auf die Gesundheit aus. Viele Hundebesitzer sehen in der Hundehaltung eine sinnstiftende Aufgabe
und Verpflichtung, die ein Gefühl des „GebrauchtWerdens“ erzeugt und gerade in schwierigen Situationen Resignation vorbeugen kann. Ein weiterer
positiver Aspekt ist, dass Hunde - im Gegensatz zu
den meisten Zweibeinern – ihrem Besitzer beständige emotionale Zuwendung entgegen bringen.
Ihnen kommt auch eine „Brückenfunktion“ zu, weil
sie die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen
erleichtern. Dies funktioniert natürlich nur dann,
wenn diese ihrerseits bisher positive Erfahrungen
mit Hunden gemacht haben. Selbst auf Partnerbeziehungen kann die Hundehaltung positive Effekte
haben. Neben der beruhigenden, aber auch anregenden Wirkung des Tieres, bietet es ständig neuen
Gesprächsstoff, sorgt für Heiterkeit und verbindet
durch gemeinsame Erlebnisse mit ihm. Darüber hinaus gelten Hunde als sehr gelehrig. Lernfortschritte
26
bei der Erziehung vermitteln ihrem Besitzer Erfolgserlebnisse und tragen damit auch zur Stärkung des
Selbstvertrauens bei.
Den beschriebenen positiven Auswirkungen, sind
aber auch folgende Faktoren der Hundehaltung entgegenzusetzen: erhöhte finanzielle Kosten, eventueller Platzmangel, erhöhter Zeitaufwand, hygienische
Probleme, Abhängigkeiten und erhöhtes Konfliktpotential z. B. durch Ängste der Mitmenschen. Auch
gilt es zu beachten, dass die Hundehaltung kein generelles Allheilmittel zur Bekämpfung persönlicher
Probleme ist. Diese kann nur dann heilsam wirken,
wenn das Zusammenleben für beide als bereichernd
empfunden wird, d.h. der Mensch das Tier in seiner
Andersartigkeit akzeptiert und es trotz der Abhängigkeit vom Menschen als selbständiges, empfindsames Wesen respektiert und artgerecht hält.
Zu Besuch in unserer Beratungsstelle
Einsatz von Hunden im therapeutischen Setting
Die positiven Wirkungen, die sich aus dem alltäglichen
Umgang mit dem Haustier abzeichnen, wurden unlängst auch im therapeutischen Setting erprobt und
bestätigt. Hierbei dient der Hund als „Eisbrecher“.
Die eingangs oft ängstliche oder ablehnende Haltung gegenüber dem Therapeuten kann durch die
Anwesenheit des Tieres oft entschärft werden. (Dieser Effekt wurde besonders bei „Therapiemüdigkeit“
beobachtet.) Das Tier wirkt dabei wie ein Katalysator: es bietet „unverfänglichen“ Gesprächsstoff, leitet darüber den persönlichen Kontakt ein und fördert
den Gedankenaustausch. Dies liegt unter anderem
daran, dass die meisten Menschen an frühere, positive Erfahrungen mit Tieren anknüpfen können und
daher bereit sind, sich auf einen emotionalen Kontakt mit dem Tier einzulassen. Aber auch im Fall von
Antipathie, können die zu Beginn negativen Gefühle
und Projektionen thematisiert und therapeutischen
genutzt werden.
Hunde akzeptieren den Menschen, so wie er ist. Sie
lehnen keinen Menschen grundsätzlich ab. Unbeeindruckt von körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen, fordern sie Kontakt ein. Auch zeigen
sie dem Menschen durch ihre Reaktion sofort, wenn
dieser sie falsch behandelt.
Durch ihre natürliche, unbefangene Art verhalten
sich Hunde authentisch und kongruent. Dies bietet gerade Klienten, deren zwischenmenschliche
Beziehungen oft brüchig sind bzw. die soziale Ausgrenzung erfahren haben, Sicherheit. Durch die bedingungslose Zuneigung eines Tieres können die
eigene Selbstachtung und das Selbstvertrauen gestärkt und das persönliche Wohlbefinden gesteigert
werden.
Das Tier kann den Menschen dabei unterstützen,
Gefühle wahrzunehmen und zu äußern. Die Sprache, die in der zwischenmenschlichen Kommunikation die übergeordnete Rolle spielt, gerät in der TierMensch-Interaktion in den Hintergrund. Hier sind
die nonverbalen Elemente wie Gestik, Mimik und
Stimmlage ausschlaggebend. Der Hund kann an
den Erzählungen emotional teilnehmen, ohne diese durch Wortäußerungen zu unterbrechen. Durch
dieses „Mitgehen“ mit menschlichen Emotionen werden sie im Therapiesetting in der Literatur als „stille
Psychiater“ oder „Co-Therapeuten“ bezeichnet.
Bei vielen Klienten haben negative biographische
Erlebnisse die Selbst- und Umweltwahrnehmung
gestört. Diese können durch die neuen Erfahrungen
mit dem Therapietier verbessert werden und somit
Selbstheilungsprozesse einleiten. In Beratungssituationen kann das Tier unterstützend wirken, macht
aber natürlich nicht das Gespräch des Klienten mit
dem Therapeuten unnötig.
27
Erfahrungsbericht: „Mein Partner mit der kalten
Schnauze“
Warum schätzen wir unsere Hunde so? Ein Hund
hat keine Vorurteile und nimmt dich immer so an,
wie du gerade bist. Mein Hund ist sogar ein Familienmitglied. Das spürt er auch. Mein Hund heißt
Max und ich habe ihn mit 7 Wochen beim Züchter
abgeholt. Er war damals noch sehr klein und wog
vielleicht 1 Kilo. Das erste viertel Jahr hat er mich
voll beansprucht. Ich versuchte ihm die Mama zu ersetzen und war sein bester Spielkamerad. Das hieß
13 Mal am Tag Gassi gehen, 4 Mal am Tag füttern
und viel spielen.
Er durfte natürlich auch in seinem Körbchen an
meinem Bett schlafen. Eines Nachts entdeckte er,
dass er auch springen kann. Es fiel ihm meistens
nachts ein in mein Bett zu springen und auf Entdeckungsreise zu gehen. Das gefiel mir nach 8 Tagen
nicht mehr – so bekam er seinen Platz in der Diele.
Der Hund kann sogar ein Therapeut sein. Für mich
hat Max mein ganzes Leben verändert. In der Zeit,
als ich ihn holte, ging es mir nicht gut. Ich hatte
Depressionen. Max nahm mich damals voll in Anspruch. Ich lernte wieder Verantwortung zu übernehmen. Mein Selbstwertgefühl baute sich wieder
auf. Auch nicht zu vergessen sind der Spaß und die
Freude, die wir zusammen haben.
Als Max zwei Jahre alt war, schaffte ich mir einen
nestjungen Wellensittich Hansi an. Die beiden wurden ganz dicke Freunde. Sie besaßen z.B. eine kleine gelbe Ente, um die sie sich immer balgten. Sie
sehen, mit einem Hund wird es nie langweilig. Das
macht alles einfacher. Nun ja, jedenfalls würde ich
meinen Hund nie wieder hergeben wollen. Es gibt
für mich nichts Schöneres, als am Abend, wenn alles ruhig ist, mit Max spazieren zu gehen.
Martin Preinesberger
Erfahrungsbericht: „Mein Hund“
Ich wollte mir schon immer einen Hund holen, hatte
aber nie die Möglichkeit gehabt. Von einer Freundin
wurde ich überraschend gefragt, ob ich nicht einen
Hund haben möchte, und so bin ich zu meiner Hündin Nyssa gekommen.
Sie hat mein Leben grundlegend auf den Kopf gestellt und verändert. Ich habe mehr Abwechslung,
mehr Bewegung und muss mich um ein Lebewesen kümmern. Ich bin glücklich, weil ich aufgrund all
dieser Veränderungen den Drogen absagen konnte
und nicht mehr einen Gedanken daran verschwende. Leute, ich kann Euch nur raten, holt Euch einen
Hund. Der verändert alles! Er kostet zwar auch Geld
und Nerven, aber bestimmt nicht so viel wie Drogen
es würden.
Andreas Böhnke
Zu Besuch in unserer Beratungsstelle
28
Selbsthilfegruppen
Zur Entwicklung der Suchtselbsthilfe im DRK
Dieser Aufsatz gibt einen kurzen Einblick in die über
30jährige Entwicklung der Suchtselbsthilfe im DRK.
Diese begann am 1. Oktober 1971 mit der Gründung
der ersten Suchtselbsthilfegruppe in Bielefeld.
Ende der 80er Jahre wurde das soziale Arbeitsfeld
der Suchthilfe beim Generalsekretariat (GS) des DRK
angesiedelt. Dieter Eckert übernahm neben anderen
Tätigkeiten die Funktion der Koordination, ab 1997
Frau Dr. Schmid.
Peter Battenberg, der sich damals in Erbach/Odenwaldkreis mit der Entwicklung von Hilfe für Menschen
mit Abhängigkeitserkrankungen verdient gemacht
hat und Leiter der dortigen Jugend- und Drogenberatungsstelle war, führte für die inzwischen in der
damaligen Bundesrepublik entstandenen Selbsthilfegruppen in Königswinter ein erstes Seminar durch.
Ab 1990 wurden dann alljährlich Bundesseminare in
der DRK-Bundesschule Meckenheim-Merl durchgeführt. Unter der Leitung von Renate Urban und Peter
Battenberg entwickelte sich die Suchtselbsthilfe zu
einem festen Bestandteil der ehrenamtlichen Tätigkeit auf Bundes-, Länder- und lokaler Ebene. Auf Initiative von Friedel Weyrauch sind in diesen Kreis die
Gruppensprecher/innen der Selbsthilfegruppen aus
den neuen Bundesländern mit aufgenommen worden.
1999 wurden mit der Wahl der Bundessprecherin
Friedel Weyrauch und auf Länderebene mit der Wahl
der Landessprecher neue Strukturen geschaffen. Die
Selbsthilfe erfuhr einen neuen Stellenwert, Verantwortung und Eigenständigkeit wurden immer mehr in
den Vordergrund gestellt.
Friedel Weyrauch erhält das Bundesverdienstkreuz in Erbach, Mai 2008
Theaterworkshop in Erbach 2010
29
Eröffnungsveranstaltung des Bundestreffens aller DRK-Selbsthilfegruppen in Erbach im Mai 2008
Mit dem Umzug von Bonn nach Berlin orientierte sich
der DRK-Bundesverband hinsichtlich seines Aufgabenspektrums neu. Frau Dr. Schmid verabschiedete sich vom Generalsekretariat und überließ ca. 80
Selbsthilfegruppen ihrem Schicksal. Die Stelle sollte
nicht wieder besetzt werden, die Suchthilfe kam in
der Agenda des Bundesverbandes nicht mehr vor.
Nur der Initiative von Elin Altemark, Peter Battenberg,
Monika Schumann und Friedel Weyrauch war es zu
verdanken, dass der „Stuhl“, der bereits vor der Tür
stand, wieder hereingeholt wurde und die Suchthilfe
weiter beim GS angesiedelt blieb. Ab 2003 fühlte sich
Monika Schumann vom DRK-Landesverband Sachsen-Anhalt für die Koordination der Suchtselbsthilfe
verantwortlich, Elin Altemark vom Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern für die Professionelle
Suchthilfe.
Durch die neuen Strukturen ging es mit der Selbsthilfe wieder aufwärts. In dem neu gegründeten Bundesarbeitskreis Suchthilfe haben Vertreter der Selbsthilfe
einen festen Platz eingenommen und setzen sich dort
für die Interessen der Gruppen ein. Ebenso arbeitet
die DRK-Selbsthilfe im Fachausschuss Selbsthilfe
der Hauptstelle für Suchtfragen mit.
eine gute Zusammenarbeit entwickelt. In der Arbeitsgemeinschaft „Landessprecher“ werden zentrale
Themenstellungen bearbeitet, Positionen zu suchtrelevanten Problemen ausgetauscht und bundesweit
einsetzbare Medien für die Öffentlichkeit entwickelt.
Im Jahre 2010 ging Elin Altemark in den Vorruhestand. Mit Wirkung vom 1. Januar 2010 wurde die Aufgabenstellung der „Referentin Suchtselbsthilfe“ Frau
Katrin Rosenbaum übertragen. Frau Rosenbaum hat
ihr Studium in „Gesundheitsmanagement“ erfolgreich
absolviert und ist seit April 2009 im Team 44 als Referentin „Grundlagen Grundversorgung“ tätig.
Als Krönung der Arbeit der DRK-Suchtselbsthilfe können die in den Jahren 2008 und 2010 durchgeführten
bundesweiten Treffen der Suchtselbsthilfegruppen in
Erbach bezeichnet werden. Für 2012 ist ein weiteres
Treffen geplant.
Die Suchtselbsthilfe ist stolz darauf, dass jemand aus
ihren Reihen mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde. Friedel Weyrauch hat zum
Bundestreffen 2008 in einer sehr bewegenden Feierstunde diese Auszeichnung für ihre Arbeit erhalten.
Friedel Weyrauch
Bundessprecherin der Suchtselbsthilfe im DRK
Mit dem Ausscheiden von Monika Schumann aus
dem aktiven Berufsleben übernahm Elin Altemark ab
2006 die Suchtselbsthilfe. Hier hat sich inzwischen
Auf dem Weg nach Erbach 2010
30
Selbsthilfegruppen und ihr Stellenwert in der Suchtkrankenhilfe
„Hilf dir selbst, sonst hilft dir…?“
An unsere Beratungsstelle sind sechs Selbsthilfegruppen angeschlossen. Allen gemeinsam ist, dass
sie selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten.
In Beratungsgesprächen ist der Anschluss an eine
Selbsthilfegruppe immer wieder Thema. Aber was
macht eine Gruppe denn aus? Was funktioniert
dort und wie? Warum sprechen wir als Therapeuten
dieses Thema immer wieder an? Was halten wir für
wichtig?
Aus den Erfahrungen in und mit unseren Selbsthilfegruppen – mit langjährigen Teilnehmern und kurzzeitigen „Besuchern“ – zeichnet sich für mich ein ganz
klares Bild der Selbsthilfegruppenarbeit ab. Es gibt
viele verschiedene kleine und große Wirkfaktoren,
die Selbsthilfegruppen ausmachen, und ich möchte
hier auf einige eingehen, die mir aus Klientenberichten ganz eindrücklich in Erinnerung geblieben sind.
Das „Wir – Gefühl“
In Suchtselbsthilfegruppen treffen sich Menschen,
die dieselbe Abhängigkeitserkrankung und dasselbe
Ziel haben – Abstinenz (entweder abstinent werden,
wieder abstinent sein oder abstinent bleiben). Das
schafft zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern
eine grundlegende Verbundenheit. Auch wenn die
Wege in und aus der Abhängigkeit ganz verschieden
sind, findet man in solchen Gruppen Menschen, die
einen verstehen und annehmen. Das Gefühl, nicht allein zu sein, gemeinsam mit anderen seinen eigenen
Weg zu finden und zu gehen, beschreiben Klienten
oft als sehr erleichternd und bestärkend.
Vertrauen und Offenheit
Oft stehen Klienten dem Thema Selbsthilfegruppe
anfangs eher skeptisch gegenüber. „Da muss man
fremden Leuten was erzählen, was nur mich was
angeht“, heißt es vielmals. Einige äußern auch Unsicherheit und Bedenken vor einem „Seelenstriptease“,
den man in einer Gruppe wohl absolvieren müsse.
Nach den ersten Gruppenbesuchen stellen sie dann
oftmals fest, dass dem gar nicht so ist. Es ist anfangs
sicher ungewohnt, offen mit der eigenen Abhängigkeit
umzugehen. Es fühlt sich so anders an, Dinge beim
Namen zu nennen, die man doch vorher so lange zu
verstecken versucht hat – seien es Trinkmenge oder
negative Konsequenzen des Alkohols.
„Erfahrene“ Selbsthilfegruppenmitglieder gehen zumeist ganz offen, klar und selbstverständlich mit ihrer
Sucht um. Wirkt das anfänglich vielleicht ein wenig
befremdlich, schafft gerade das Vertrauen und zeigt,
dass sich Offenheit lohnt, dass sie hilft, dass sie
nicht ausgenutzt wird. Die Selbsthilfegruppe kann zu
einem „geschützten“ Raum werden, in dem man sicher ist, sich sicher fühlen kann. Dazu trägt auch die
Schweigepflicht bei, die in den einzelnen Gruppen
sehr ernst genommen wird. Alles, was in der Gruppe
besprochen wird, bleibt in der Gruppe.
Unterstützung
Selbsthilfegruppenmitglieder sind untereinander füreinander da. Das kann in den Gruppenstunden sein,
in denen man Ratschläge und Tipps bekommt. Das
kann eine konfrontierende Nachfrage sein, die einem
einen neuen Blickwinkel eröffnet oder auch ein Erfahrungsbericht, der einen berührt, in dem man sich
selbst wiedererkennt. Es ist das Sich-Gegenseitig-Zuhören, das Anteilnehmen, das Miteinander-Lachen.
Unterstützung geschieht in Gruppen aber auch ganz
praktisch: Es finden sich Leute, die beim Umzug helfen; es werden Kranken- oder Krankenhausbesuche
organisiert; es werden Ansprechpartner vermittelt.
Bei Gruppenmitgliedern kann man auch abends anrufen, wenn man jemanden zum Reden braucht. All
das kann sehr dabei helfen, Abstinenz zu sichern
oder nach einem Rückfall wieder auf die Beine zu
kommen. Viele beschreiben, dass man durch die
regelmäßigen Gruppentreffen „den Faden zu seiner
Krankheit“ nicht verliere und dass es helfe „dranzubleiben“.
31
Hoffnung
In der Selbsthilfegruppe trifft man Menschen, die zum
Teil schon jahrelang abstinent leben, die es schaffen, Rückfälle zu bewältigen, die ihre Frau bzw. ihren
Mann stehen trotz (oder auch wegen) ihrer Abhängigkeitserkrankung. Oft höre ich von Klienten, wie viel
Zuversicht es ihnen gäbe, zu erleben, dass Abstinenz
machbar und möglich ist.
Nicht - Trinken ist selbstverständlich
Ich erinnere mich noch ganz genau an eine Klientin,
die mit ihrer Selbsthilfegruppe gemeinsam bei einem
Ausflug in einer Gaststätte war. Sie hatte sich vorher sehr intensiv damit beschäftigt, wie sie wohl mit
dem Alkoholangebot dort umgehen würde. Sie hatte
sich Gedanken gemacht, was sie sagen wollte, wenn
ihr jemand Alkohol anbieten oder sich erkundigen
würde, warum sie denn nichts trinke. Sie kam ganz
erleichtert und zufrieden zurück und beschrieb, wie
einfach dieser Gaststättenbesuch für sie war. „In der
Selbsthilfegruppe ist es ja ganz selbstverständlich,
dass man keinen Alkohol trinkt. Da fragt keiner nach.
Da braucht man sich nicht erklären oder sich vorher
Gedanken zu machen, mit welcher Begründung man
das Bier oder den Wein ablehnt. Und man ist auch
nicht einer der wenigen, die nichts trinken, so wie bei
den Familiengeburtstagen. Da bestellen sich alle anstandslos Cola, Wasser oder Tonic. Das hat mir richtig gut getan.“
Es gibt sicherlich noch ganz viele andere Faktoren,
die eine Selbsthilfegruppe ausmachen und durch die
sie sich von professionellen Hilfsangeboten unterscheiden bzw. diese ergänzen. Als Therapeutin finde
ich es immer wieder schön, wenn es Menschen gelingt in einer Selbsthilfegruppe anzukommen und in
ihr Fuß zu fassen. Ich erlebe oft die stabilisierende
Wirkung einer Gruppe. Ja, es gibt Klienten, die nicht
in die Gruppe gehen und auch trocken sind und bleiben. Für manche ist eine Gruppe zu eng oder auch
zu nah, zu viel.
Man kann in einer Selbsthilfegruppe, beim Frühstückstreff der Beratungsstelle, im Tagestreff oder
auch in der Nachbarschaft, im Bekannten- und Verwandtenkreis Menschen finden, die auch trocken
sind, die ebenfalls nichts trinken und mit denen ich
mich austauschen oder auch nur im Stillen die Abstinenz teilen kann. Ganz wichtig erachte ich, dass man
solche Menschen sucht und man weiß, dass man sie
in den Selbsthilfegruppen finden kann.
Plakatmotiv der DRK-Suchtselbsthilfe
32
Selbsthilfegruppen des DRK-Kreisverbandes Leipzig-Land e.V.
Die Entwicklung der Selbsthilfegruppen
Treffpunkt:
Raststätte Bubendorf
Rochlitzer Straße 158
04654 Bubendorf
Ansprechpartner:
Hilmar Dahlhaus
Telefon: 034348 / 54172
Selbsthilfegruppe „Schlussstrich“ Bubendorf
Unsere Gruppe „Schlussstrich“ wurde 1990 in der Diakonie in Borna
gegründet. Wir sind eine offene Gruppe für Alkoholkranke und -gefährdete sowie deren Angehörige, unabhängig von Weltanschauung und
Religion. Wir treffen uns jeden zweiten Dienstag von 18.00 – 20.00 Uhr.
Seit 21 Jahren besteht eine Freundschaft mit einer Partnergruppe für
Alkoholkranke in Burgdorf (in der Nähe von Hannover). Wir besuchen
uns abwechselnd und lernen durch Ausflüge in der Umgebung Land und
Leute kennen. Beim gemütlichen Beisammensein werden Erfahrungen
über das Leben ohne Alkohol ausgetauscht.
Unser eigenes Gruppenleben wird durch unsere regelmäßige Treffen,
Ausflüge und Unternehmungen geprägt. Wir waren bereits im Spreewald,
haben eine Dampferfahrt auf der Elbe gemacht und die Burg Kriebstein
besucht. Unsere jährliche Weihnachtsfeier in Borna im „Planet of Bowl“
ist jedes Jahr Abschluss von einem gemeinsamen Jahr.
Hilmar Dahlhaus, Gruppenleiter
Selbsthilfegruppentreffen 2010
Selbsthilfegruppentreffen Zwenkau 2006
33
Die Selbsthilfegruppe „Hoffnung“ Borna
Die Selbsthilfegruppe „Hoffnung“ existiert seit 1990. Die Mitgliederzahl
beträgt derzeit 14 Personen. Wir treffen uns regelmäßig 14tägig in Borna (Mittwoch, 18.00 -20.00 Uhr). Das Anliegen der Gruppe ist es, abhängigen und suchtgefährdeten Menschen zu helfen und sie auf dem Weg
zur Abstinenz zu begleiten.
Die Gruppe betreibt aktive Öffentlichkeitsarbeit. In diesem Zusammenhang wurde die Selbsthilfegruppe „Hoffnung“ 1994 im MDR-Fernsehen
vorgestellt. Es werden auch regelmäßig gemeinsame Freizeitaktivitäten
wie Bowling, Grillabende und Weihnachtsfeiern organisiert und es besteht eine gute Zusammenarbeit mit der Suchtberatungsstelle in Markkleeberg.
Treffpunkt:
DRK-Gebäude
Bahnhofstraße 56
04552 Borna
Ansprechpartner:
Christian Bruna
Telefon: 01 74 / 40 54 02 2
Die Gruppenmitglieder sind vertreten in regionalen und überregionalen
Gremien der Suchtarbeit (Landessprecher, DRK Suchtselbsthilfe Sachsen, Fachausschuss „Selbsthilfe“ der Sächsischen Landesstelle gegen
die Suchtgefahren). Des Weiteren nehmen sie auch an Präventionsveranstaltungen in Schulen, Jugendclubs und Kliniken sowie an Gruppenleiterschulungen teil.
Christian Bruna, Gruppenleiter
Selbsthilfegruppe „Zukunft“ Borna
Die Gruppe „Zukunft“ wurde 2001 gegründet, da die Gruppe “Hoffnung“
keine Mitglieder mehr aufnehmen konnte. 2001 noch therapeutisch und
von Christian Bruna (Gruppenleiter der Selbsthilfegruppe „Hoffnung“)
begleitet, wurde die Gruppe ab 2002 selbstständig, da die Beratungsstelle ihren Sitz in Borna aufgeben musste. Auch diese Gruppe trifft sich
14tägig (montags 17.00 Uhr).
Christian Bruna, Gruppenleiter
Weihnachtsfeier der Selbsthilfegruppen
„Tag der offenen Tür“ in der Suchtberatung 2007
34
Selbsthilfegruppen des DRK-Kreisverbandes Leipzig-Land e.V.
Treffpunkt:
DRK Beratungszentrum/
Tagestreff
Hermann-Landmann-Straße 8
04416 Markkleeberg
Ansprechpartner:
Andrea Kaiser
Telefon: 03 41/ 35 88 57 0
Selbsthilfegruppe Markkleeberg
Unsere Gruppe wurde im Mai 1995 gegründet, mit fünf Mitgliedern und
einer Sozialpädagogin. Was für ein Anfang? Mit viel Einfühlungsvermögen und der richtigen Portion Verständnis wurden wir mit der Gruppenarbeit vertraut gemacht. Es war nicht immer leicht, die Dinge in der Gruppe
zu besprechen, die jeder Einzelne lieber für sich behalten hätte. Dies
mussten wir alle noch lernen. Aber durch die gute Anleitung von Seiten
der Therapeutin wurde uns irgendwann bewusst, dass man mit Reden,
gegenseitigem Verständnis und tatkräftiger Unterstützung der Selbsthilfegruppe so manches Problem aus der Welt schaffen konnte. Schnell
merkten wir, dass wir mehr oder weniger das gleiche Problem beim
Aufbau eines neuen Lebens ohne Alkohol hatten. Wir mussten lernen
unsere Probleme und Sorgen auf andere Weise zu lösen. Wir wurden
mehr und mehr gefordert, so dass wir 2001 eine eigenständige Gruppe
wurden. Natürlich haben wir die gute Verbindung zur Beratungsstelle
und den Therapeutinnen nicht abreißen lassen.
Um uns alle besser kennen zu lernen, war es uns wichtig, uns auch außerhalb der wöchentlich stattfindenden Gruppenstunden in der Freizeit
zu treffen – zum Beispiel gemeinsame Weihnachtsfeiern, Bowling oder
die traditionelle Gartenparty im Privatgärtchen.
Mit samt der Beratungsstelle sind wir innerhalb von Markkleeberg mindestens sechs Mal umgezogen. Nachdem wir in die Hauptstraße 56
eingezogen waren, war es endlich möglich den Frühstückstreff einmal
im Monat durchzuführen. Er ist gedacht als Möglichkeit für Jedermann,
sich mit Menschen zu treffen, um sich zu unterhalten und gemeinsam
kreativ zu sein. Inzwischen wird der Treff von verschiedenen Mitgliedern
aller Selbsthilfegruppen des DRK besucht. Wir fanden es prima, kannten
sich ja früher nur die jeweiligen Gruppenleiter, so kennen sich jetzt auch
verschiedene Mitglieder aus den anderen Gruppen. So wird ein reger
Erfahrungsaustausch möglich und die Zusammenarbeit der Gruppen
läuft wie von allein. Im Dezember 2009 zogen wir in die Hermann-Landmann-Straße 8, wo Ende März 2010 durch die Suchtberatungsstelle ein
Tagestreff eröffnet wurde. Dieses Angebot wird von sehr vielen Mitgliedern der DRK-Selbsthilfegruppen gerne angenommen.
Zwei Gruppenmitglieder nahmen 2008 erfolgreich an der Ausbildung
zum Gruppenleiter teil und absolvierten anschließend 2010/11 eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Suchtkrankenhelfer.
Rege Teilnahme an den Sommergruppenfesten und an Veranstaltungen
der Beratungsstelle ist für die Mitglieder ein Muss. So beteiligten sich
Einige am Schreibwettbewerb anlässlich der Suchtwoche, andere halfen
bei den Vorbereitungen zum Sommerfest. Die Sommerfeste sind schon
Kult geworden, denn seit Jahren sind Gäste aus Weißenfels, Chemnitz,
Reichenbach eingeladen, dieses Jahr auch aus Brandenburg. Weißen-
35
fels und Reichenbach hatten auch schon zum Fest geladen, bei dem
auch einige von uns dabei waren. Die Brandenburger hatten wir in Erbach beim bundesweiten Treffen der DRK-Selbsthilfegruppen kennengelernt.
Andrea Kaiser (Gruppenleiterin), Marianne Kruber
Gruppenstunde 2011
Mitglieder der Selbsthilfegruppe in Pegau 2008
Im Gespräch beim Markkleeberger Stadtfest 2007
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Selbsthilfegruppen des DRK-Kreisverbandes Leipzig-Land e.V.
Treffpunkt:
DRK-Kreisverband
Leipzig-Land e.V.
Haus der Sozialen Dienste
Schulstraße 15
04442 Zwenkau
Ansprechpartner:
Kai Lemke
Telefon: 01 62 / 67 09 32 1
Selbsthilfegruppe ,,Treffpunkt“ Zwenkau
Die Selbsthilfegruppe wurde 1996 in Zwenkau gegründet und durch
Frau Fuchs bis 2004 angeleitet.
Bis heute treffen sich die Mitglieder alle zwei Wochen donnerstags
im Gebäude des DRK Kreisverbandes Leipzig-Land e.V. in Zwenkau.
Die Mitglieder stammen alle aus der Umgebung Pegau, Groitzsch und
Zwenkau.
In den Jahren 2006/07 bestand die SHG nur noch aus drei Mitgliedern
und ist bis heute auf neun angewachsen. Seit dem Frau Fuchs in den
Ruhestand gegangen ist, arbeitet die Gruppe selbstständig, wobei uns
die Damen der Suchtberatungsstelle Markkleeberg, wenn notwendig,
mit Rat und Tat unterstützen.
Außer den normalen Gruppentreffen besuchten wir mehrmals die Selbsthilfegruppe Reichenbach. Ein Höhepunkt war für uns das Jahr 2008, als
das Sommerfest der DRK-Selbsthilfegruppen aus Sachsen in Pegau im
,,Technischen Denkmal – Ziegelei Erbs“ stattfand. Dort übernahmen wir
die Organisation vor Ort, samt Stadtführung.
An selbiger Stelle führten wir auch ein Jahr später einen Grillnachmittag
durch, bei dem uns Mitglieder der Selbsthilfegruppen Bubendorf, Reichenbach und Markkleeberg besuchten. Des Weiteren besuchen einige
Mitglieder fast regelmäßig den monatlichen Frühstückstreff in der Beratungsstelle in Markkleeberg oder die jährlichen Sommerfeste sowie
die Bundestreffen der DRK-Selbsthilfegruppen. Auch unternehmen wir
zusammen Ausflüge in die Umgebung wie z.B. 2009 nach Freiburg.
Auch ständige Teilnahmen an Suchtpräventionen der Beratungsstelle
Markkleeberg an den Schulen des Landkreises sind gewährleistet. Der
Gruppenleiter führte eigenständig zusätzlich mehrere Suchtpräventionen in Zusammenarbeit mit ,,Free your Mind“ und dem Internationalen
Bund e.V. – offener Treff für Kinder und Jugendliche
– in Leipziger Schulen und Schülertreffs durch. Ferner werden monatlich noch zwei Suchtgruppen in der
Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen und dem
Jugendarrest begleitet.
In den Jahren 2010/11 sind auch Lehrgänge zum
Gruppensprecher und ehrenamtlichen Suchtkrankenhelfer belegt und erfolgreich abgeschlossen worden.
Kai Lemke, Gruppenleiter
Ausflug nach Freiburg 2009
37
Selbsthilfegruppe Markranstädt
Diese Selbsthilfegruppe ist Bestandteil der Suchtberatungsstelle Markranstädt des Deutschen Roten Kreuzes Kreisverband Leipzig-Land
e.V.. Unsere Zielgruppe sind trockene Alkoholiker. Zum ersten Treffen
der Selbsthilfegruppe Markranstädt sind wir am 6. Januar 2004 zusammengekommen und können nun schon auf ein siebenjähriges Bestehen
zurückblicken.
In den ersten beiden Jahren wurde die Gruppe von der Suchtberatungsstelle Markranstädt von Frau Beitz angeleitet. Danach haben wir
die Gruppentreffen in Eigenregie, mit Herrn Feindt als Ansprechpartner,
weiter fortgesetzt. Dadurch, dass die meisten Teilnehmer einer regelmäßigen Tätigkeit nachgehen, finden die Treffen im dreiwöchentlichen
Rhythmus immer dienstags 17 Uhr statt. Unsere Aufgabe der Selbsthilfegruppe besteht darin, trockene Alkoholiker, die nach einer Therapie
oder Entgiftung ihren weiteren Lebensweg ohne Alkohol bestreiten wollen, zu unterstützen. In unseren Zusammenkünften sprechen wir über
den Schwerpunkt Alkohol und tauschen unsere Erfahrungen und Tipps
zum Trockenbleiben aus.
Treffpunkt:
DRK Suchtberatungsstelle
Teichweg 16
04420 Markranstädt
Ansprechpartner:
Roland Feindt
Telefon: 03 41 / 42 50 333
Da sich nun in den Jahren eine Stammgruppe von drei bis vier Mitgliedern, welche schon von Anfang an dabei sind und regelmäßig teilnehmen, gebildet hat, haben wir schon einige Erfahrungen im Trockenbleiben gesammelt. Zu denen gehören das Sprechen über andere wichtige
Sachen wie Hobbys (unter anderem Pferdehaltung, Landwirtschaft,
Haus und Garten, Reisen), Familie, Arbeit, Arbeitsamt, Soziales und
noch einiges mehr – natürlich bei einer Tasse Kaffee oder zwei.
Des Weiteren sind wir auch immer bei den Gruppentreffen des DRK
Kreisverbandes Leipzig-Land e.V. dabei und meistens tätig beim Bratwurstgrillen. Auch schöne Ausflüge zu anderen Gruppentreffen, wie
Reichenbach oder Weißenfels, haben wir unternommen. Ebenso die
Ehemaligentreffen, wie zum Beispiel die der SoteriaKlinik, werden regelmäßig besucht. Wir freuen uns
über jeden „Leidensgenossen“, den wir nach einer
Therapie oder Entgiftung beim Trockenbleiben unterstützen können. Eine erfolgreiche Therapie oder ein
Entzug reichen nicht immer aus.
Roland Feindt, Gruppenleiter
Selbsthilfegruppentreffen 2008
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Selbsthilfegruppen - Erfahrungsberichte
Erfahrungsbericht
„Gruppenstunde – Nein heut´ nicht!“
Als ich von September bis Dezember 1998 zur Langzeittherapie in Bad Klosterlausnitz war, wusste ich,
das ist meine letzte Chance anschließend trocken zu
bleiben. Noch einmal in eine Selbsthilfegruppe gehen
– „Nein, Danke“. Die Leute waren mir alle zu glücklich
und zu zufrieden. Dies sagte ich auch voller Überzeugung meiner Therapeutin und bei einer Diskussion zur Chefin der Klinik. Ihr Argument: „Besuchen
sie doch erst einmal fünf Selbsthilfegruppen. Wenn
sie alle fünf schlecht finden, dann gehen sie in die,
die sie am wenigsten schlecht finden.“, überzeugte
mich nicht. Ich fing aber an, nachzudenken. Ihre Prophezeiung: „Allein gehen sie wieder unter.“, lies mich
nicht los. Die liebvolle Art und die Geduld meiner Therapeutin mich dazu zu bringen, mich immer wieder
selbst zu hinterfragen, taten ihr Übriges.
Regen, Schnee, Schnupfen noch andere Gebrechen
konnten mich davon abhalten. Was sollte mich denn
jetzt davon abhalten, zur Gruppe zu gehen?
Noch ein Wort zu dem allgemeinen Wehklagen: „In
meiner Gruppe ist nichts mehr los.“. Ich finde, eine
Gruppe ist nur so gut wie ihre Mitglieder selbst. Alles
auf den Leiter zu delegieren, zeigt nur meine eigene
Bequemlichkeit und Selbstzufriedenheit. Nur hinter
dem Rücken des anderen zu schimpfen, ist ein Verbergen des eigenen Gesichts. Als ich noch getrunken
habe, waren immer die anderen schuld. Jetzt bin ich
aber schon ein paar Jahre nüchtern. Da sollte sich
doch was geändert haben. So, das lag mir auf dem
Herzen. Ich will dies hier jetzt abschließen. Muss jetzt
zur Gruppenstunde.
Stopp! Muss oder will ich? Ich will! Ich brauche sie ja
nicht zu heiraten.
Roland Lägel
Trotzdem wollte ich es allein schaffen. Meinen grenzenlosen und arroganten Überzeugungen waren
keine Grenzen gesetzt. Am 15.12.1998 wurde ich
entlassen. Als „Geschenk“ bekam ich einen Zettel
mit Terminen von fünf Selbsthilfegruppen. Da mir die
Therapeutin so sympathisch war, machte ich ihr ein
„Gegengeschenk“ und versprach, einmal eine dieser
Gruppen zu besuchen.
Bei meinem ersten Besuch im Januar 1999 wurde gerade hart und kompromisslos mit einem Mitglied der
Gruppe über sein „ewiges“ Weitertrinken und Vertuschen seiner Sucht diskutiert. Ich fand es zwar ziemlich brutal, aber es gefiel mir. Diese direkte und ehrliche Art war so anders als in meiner vorhergehenden
Gruppe. So bin ich nun seit 12 Jahren Mitglied in dieser Gruppe. Ich hätte ohne diese Gruppe mit hoher
Wahrscheinlichkeit schon zwei Rückfälle gehabt.
Natürlich ist es nicht immer nur Friede-Freude-Eierkuchen. Manchmal habe ich auch gedacht: „Heute
hättest du auch zu Hause bleiben können“. Dieser
Mittwoch ist für mich aber zu einem festen Termin
geworden. Ich finde, man kann Arzt-, Einkauf-, Behörden- und andere Termine auch auf andere Tage
legen. Sicher, Ausnahmen bestätigen die Regel. Früher hatte ich immer die Zeit dafür, mich mit Alkohol zu
versorgen. Das stand an erster Stelle. Weder Kälte,
Mitglieder der Selbsthilfegruppe Borna im Gespräch mit einer
Lehrerin 2007
39
Erfahrungsbericht
„Erfahrungen mit meiner Selbsthilfegruppe“
Die Gruppe gehört zu meinem Leben. Meine Gruppe
gibt es seit 20 Jahren. Das baut Vertrauen auf. Das
schweißt zusammen. Wir sind alle unterschiedlich,
wie wir unterschiedlicher nicht sein könnten. Und das
ist gut so. Wir akzeptieren uns untereinander mit unseren Stärken und Schwächen. Wir haben es gelernt,
Kompromisse einzugehen. Und das Wichtigste: Wir
haben es gelernt, uns und die anderen nicht mehr zu
betrügen. Wir erkennen es, wenn es einem anderen
nicht gut geht. Heuchelei ist bei uns fehl am Platz.
Das weiß auch jeder. So entstehen Aufrichtigkeit und
Ehrlichkeit.
Und trotzdem geht im Leben jeder seinen eigenen
Weg. Meinungsverschiedenheiten werden ausdiskutiert. Dabei lassen wir unseren Emotionen freien Lauf,
aber ohne jemanden zu beleidigen. Wir veranstalten
Bowlingabende und gemütliches Zusammensein bei
Röster und Steaks. Bei Präventionen an Schulen und
Gymnasien versuchen wir, unser Wissen weiterzugeben. Wir arbeiten mit Institutionen wie dem DRK
zusammen und besuchen Workshops und Konferenzen, um unsere Erfahrungen auszutauschen. Irgendwie macht uns das alles ein wenig stolz. Ich bin
zwar nur einer von vielen, die so denken. Dennoch
stimme ich zu. Nur gemeinsam können wir etwas bewirken. Denk’ mal darüber nach!
Martin Preinesberger
Mitglieder der Selbsthilfegruppe Borna beim Bowling 2009
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Selbsthilfegruppen - Erfahrungsberichte
Erfahrungsbericht
„In deinem Kopf bist du klar.“
mal sehr ernsthaft und von Wachsamkeit geprägt und
dann wieder herrlich selbstironisch und befreit.
Es war ein schöner Sommertag, als ich am 26. August
2009 das erste Mal in der Markkleeberger Suchtberatungsstelle war. Ich hatte einen Termin mit meiner damaligen Therapeutin, Frau Michel, um mich über die
Nachsorge nach meinem Aufenthalt in der Soteria-Klinik zu informieren. Bei dieser Gelegenheit stellte sie
mir auch Marianne Kruber von der Selbsthilfegruppe
vor. Marianne wirkte auf mich sehr ruhig und sachlich.
Gleich während unseres ersten Gespräches erzählte
sie mir, dass auch sie, allerdings schon Anfang der
90er, zu einer Langzeittherapie in der Soteria-Klinik
war. Mit Erfolg, wie ich mich selber überzeugen konnte. Ich war überrascht und erleichtert zugleich.
Inzwischen verstehe ich meine Suchtabhängigkeit
als einen Teil von mir. Es gibt für mich klare Regeln
und nach fast zwei Jahren Abstinenz habe ich festgestellt, dass ich damit ein normales Leben führen
kann. Voraussetzung dafür war, dass ich mein Leben
privat und beruflich grundlegend verändert habe. Ich
kann mich wieder auf mein Gefühl verlassen. Wenn
ich spüre, dass eine Situation mein Wohlbefinden
aus dem Gleichgewicht bringt oder mir sogar schadet, dann steuere ich mit klaren Entscheidungen
dagegen. Wenn es notwendig ist, hole ich mir die
Hilfe, aber auch die Bestätigung, in den Therapiegesprächen und in der Selbsthilfegruppe.
Diese erste Begegnung gab mir die Gewissheit, dass
ich nach meiner Therapiezeit im Alltag Menschen an
meiner Seite haben werde, die meine Situation sehr
gut verstehen und bei denen ich mit professioneller
Hilfe rechnen kann. Ich werde den Weg in die Abstinenz also nicht alleine weiter gehen müssen. Eine
wunderbare Gewissheit, die sich bestätigt hat.
So ganz auf die „Sonnenseite des Lebens“ zurückgekehrt, fühle ich mich dennoch hilflos, wenn ich Rückfälle bei Mitgliedern aus der Selbsthilfegruppe oder
ehemaligen Mitpatienten aus meiner Klinikzeit erlebe
oder auch nur davon höre. Dann tut es einfach Not,
sich in der Gemeinschaft über das Erlebte auszutauschen. Das sind für mich Momente, in denen ich besonders nachhaltig an mein eigenes Trinkverhalten,
an die Selbsttäuschungen erinnert werde und mich
die Angst vor einem eigenen Rückfall belastet hat.
In der Selbsthilfegruppe brauchte ich meine ganz
persönliche Eingewöhnungszeit. Ich war zum damaligen Zeitpunkt noch weit entfernt von der Gelassenheit und dem selbstverständlichen Umgang mit der
eigenen Suchtkrankheit, wie ich das bei den anderen
in der Gruppe vorgelebt bekam. Manchmal habe ich
mich gefragt, wann ich wohl so weit sein werde?
Bei den regelmäßigen Zusammenkünften habe ich
nicht nur das Zuhören gelernt, sondern mich auch
immer wieder mit meinen eigenen Fehlern, die letztendlich zu meiner Alkoholabhängigkeit geführt haben,
auseinandergesetzt. Was während der Langzeittherapie in mir aufgewühlt worden war, konnte ich hier
verarbeiten.
Interessant war für mich, wie unterschiedlich die
einzelnen Gruppenmitglieder ihren Weg in die Abstinenz begonnen haben. Die Beweggründe, sich in der
Selbsthilfegruppe zu treffen, waren und sind dagegen
gleich. Es ist die Suchtkrankheit, die uns verbindet
und über die wir ganz offen reden können, manch-
In der Selbsthilfegruppe sprechen wir zwar darüber
und hinterfragen, wie es dem Einzelnen gelungen ist,
trocken zu bleiben, aber so richtig ausgereicht, nein,
so richtig ausgereicht hat mir das lange Zeit nicht. Bis
einmal Willi, ein langjähriges Gruppenmitglied, zu mir
sehr bestimmend und keine Selbstzweifel zulassend
sagte: „Du brauchst keine Angst vor einem Rückfall
haben, denn hier oben“ – dabei tippte er sehr nachdrücklich mit dem rechten Zeigefinger gegen seine
Stirn – „hier oben in deinem Kopf bist du klar.“
Silke Bader
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beit in und mit der Gruppe nicht mehr missen wollen.
Sie ist ein Bestandteil meines Lebens geworden.
Erfahrungsbericht
„Meine Gruppe und ich“
Renate Lorenz
Meine Gruppe ist die Selbsthilfegruppe „Hoffnung“
aus Borna. Auf sie aufmerksam gemacht wurde ich
durch meine Langzeittherapie in Bad Klosterlausnitz.
Das war vor acht Jahren.
Schon der Name der Gruppe machte mich neugierig,
denn es schien da einen kleinen Lichtstrahl zu geben,
der mich aus meinem - durch den Alkohol gezeichneten - Leben führen könnte.
PS: Eins ist mir noch eingefallen: Als ich von der
Langzeittherapie kam, habe ich jeden Tag, den ich
ohne Alkohol geschafft hatte, an einen gut sichtbaren
Kalender angestrichen. Ich bin überzeugt, dass ich
das heute nicht mehr brauche – aber die Gruppe
brauche ich!
„Hoffnung“, das heißt für mich Hilfe und Unterstützung
bei meinem Kampf mit dem Alkohol zu bekommen.
Das gelingt mir sehr gut durch unsere 14-tägigen
Treffen. Probleme werden angesprochen und nach
Lösungen gesucht. Erfahrungen der „alten Hasen“
haben mir schon oft geholfen!
„Hoffnung“, das heißt für mich auch Zuversicht, denn
ich habe gelernt mit meiner Krankheit zu leben und
sie zu akzeptieren und ich weiß, ich bin damit nicht
alleine! Viele unserer Gruppenmitglieder sind weitaus
länger abstinent als ich, für mich ein guter Grund, auf
diesem Weg zu bleiben und zu wissen, gemeinsam
ist das möglich.
„Hoffnung“, das heißt aber auch Erfüllung für mich
selbst. Ich nahm an Seminaren, Gruppenleiterschulungen u. a. teil. Für mich war das
erst „Neuland“, aber auch sehr,
sehr wichtig! Selbstbewussteres
Auftreten in der Gruppe und auch
im Alttag ist das Ergebnis vieler
Gespräche miteinander. Es macht
Spaß, wenn man selbst erkennt,
dass man durchaus wieder in der
Lage ist, sich durchzusetzen, sich
auch Gehör verschaffen zu können und dabei in verdutzte Gesichter zu schauen und sich dann
schmunzelnd zu freuen.
Ja, ich glaube auch die Gruppe
selbst hat gemerkt, dass mir die
Gruppe gut tut! Ich möchte die Ar„Meine Gruppe und ich“
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Selbsthilfegruppen
Die Gruppentreffen seit 2003
28.August 2010: Die letzten Dinge, wie Kuchen,
Salate und Bratwürste, sind im Auto verstaut, alles
andere haben wir schon gestern aus der Beratungsstelle zum Pfarrhaus an der Auenkirche in Markkleeberg-Ost gebracht. Wir fahren los. Als wir aus dem
Auto steigen, sehen wir, dass die Gruppenmitglieder
aus Markkleeberg und Zwenkau, die das Zelt und die
Biertischgarnituren im Pfarrgarten aufbauen wollen,
schon auf uns warten. Gegen halb zehn ist alles fertig: Das Zelt mit Tischen und Bänken ist aufgebaut,
der Grill aus Bubendorf steht bereit, im Vorraum der
alten Schule warten Getränke und Gebäck auf die
Ankommenden.
Und sie kommen zahlreich – die Selbsthilfegruppen
aus Chemnitz, Weißenfels, Reichenbach, Henningsdorf im Land Brandenburg, Borna, Bubendorf, Zwenkau, Markranstädt und Markkleeberg. Außerdem
kommen Friedel Weyrauch, Bundessprecherin der
DRK Suchtselbsthilfe, und ihre Kollegin aus der DRK
Suchtberatungsstelle Erbach im Odenwaldkreis. Aus
Dresden reist Frank Tschirch an, welcher in der AOK
Plus für die Selbsthilfe verantwortlich ist. Um 10 Uhr
begrüßt der Vorstand des DRK-Kreisverband Leipzig-Land e.V., Michael Morbitzer, dann traditionell
die Anwesenden - sichtlich bewegt von der geballten
Menge abstinent Lebender im Raum.
Danach folgt ein Gedicht, wie schon die Jahre zuvor.
Im Anschluss wird das Tagesprogramm bekannt gegeben. In diesem Jahr finden erstmals zwei Arbeitsgruppen statt. Friedel Weyrauch übernimmt eine
Großgruppe zum Thema „Hilfe beim Ausstieg aus der
Sucht durch Selbsthilfegruppen“. Die andere Hälfte
der Teilnehmer beschäftigt sich währenddessen unter
der Leitung von Ina Braun-Kuhn mit einem Programm
zur strukturierten Rückfallprävention, das individuell
oder in Gruppen eingesetzt werden kann.
Nach den anregenden Seminaren haben alle Appetit bekommen und strömen zum Grill, wo Würste
sowie ein köstliches Salat- und Obstbuffet auf die
Hungrigen warten. Beim Essen – Gespräche. Beim
Spaziergang zum Markkleeberger See - Gespräche.
Beim darauf folgenden Kaffeetrinken – Gespräche,
nur kurz unterbrochen vom traditionellen Quiz und
der feierlichen Preisverleihung an die Gewinner. Und
wieder Gespräche.
Beim Abschied immer wieder der Wunsch: „Auf Wiedersehen bis zum nächsten Jahr!“ Genau das ist es
wohl, was diese Gruppentreffen für alle so wichtig
werden lässt: Die Begegnung mit vielen anderen,
die wissen, was es heißt, abstinent zu werden und
es über die Zeit zu bleiben; der Austausch darüber
und über die Rolle, die die Gruppe dabei einnimmt;
die Hoffnung, auch im nächsten Jahr wieder dabei zu
sein und sagen zu können: „Wir haben es wieder ein
Jahr geschafft und wir haben es gut hinbekommen.“
Die Gruppentreffen, die gemeinsam von der Suchtberatungsstelle und unseren Selbsthilfegruppen geplant
und vorbereitet werden, finden seit 2003 regelmäßig
statt und knüpfen an die Tradition der „Herbstfeste“
der Bornaer Gruppen an. Von 2003 bis 2007 trafen
wir uns in den Räumen der DRK Geschäftsstelle in
Zwenkau. 2008 kamen wir in der Alten Ziegelei in
Pegau zusammen, 2009 fuhren wir zu befreundeten
Gruppen nach Weißenfels und nach Reichenbach
und 2010 versammelten wir uns in Markkleeberg.
Ab 2004 nahm die Selbsthilfegruppe Chemnitz regelmäßig an den Treffen teil, ab 2006 auch Vertreter der
Suchtselbsthilfe des DRK KV Weißenfels. 2008 kamen erstmals Mitglieder der DRK Selbsthilfegruppe
Reichenbach zu uns. 2010 fanden auch Vertreter der
DRK Suchselbsthilfe aus Brandenburg den Weg zu
uns.
Wer weiß, wer in den nächsten Jahren noch kommen
wird… Aber dass es diese Treffen der Selbsthilfegruppen, diesen Austausch und dieses Erleben von
Gemeinsamkeit auch künftig geben soll, wünschen
sich wohl alle.
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Selbsthilfegruppentreffen 2007 in Zwenkau
Führung durch die Ziegelei Erbs - Selbsthilfegruppentreffen 2008
2010 - Workshop 2 mit Ina Braun-Kuhn
Auf der Fahrt nach Reichenbach 2009
Ankunft der Gruppe Chemnitz 2010
2010 - Stärkung nach der Theorie
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Quiz, Sprüche und WItze
Lachen ist gesund!
Sie: „Hans, du bist schon wieder betrunken!“
Er: „Sei still, es ist schon Strafe genug, dass ich dich
doppelt sehe!“
Aber Otto, der Arzt hat dir doch verboten, beim Essen Wein zu trinken. „Du hast recht. Räum das Essen
weg.“
Kommt ein Mann ins Lokal und ruft: „Herr Wirt einen
Doppelten, ehe der Krach los geht!“
Er kippt den Doppelten herunter und sagt:“ Noch einen, ehe der Krach los geht.“
Nach dem 5. Glas fragt der Wirt seinen Gast: „Was
für einen Krach meinen Sie eigentlich?“
„Ich kann nicht bezahlen.“
Alkohol ist keine Antwort, aber man vergisst die Frage.
Frau Mubbel zu ihrer Tischnachbarin: „Warum machen sie denn beim Trinken die Augen zu?“
Das ist Anweisung meines Arztes. Er hat gesagt: „Ich
soll nicht so tief ins Glas schauen.“
Wirt: „Wilhelm. Vom letzten Monat hast du bei mir
noch 6 Bier stehen.“
Wilhelm: „Kannst du ruhig weg schütten, die trinkt ja
eh keiner mehr.“
Der Arzt erklärt dem Patienten mit besorgter Miene:
„Sie müssen unbedingt mit dem Trinken aufhören.
Ihre letzte Blutprobe hat sich verflüchtigt, bevor ich
sie untersuchen konnte!“
Ein Schotte bekommt eine Flasche guten alten
Scotch Whisky geschenkt, die er in seine Manteltasche steckt. Auf dem Heimweg stolpert er und fällt
hin. Als er aufsteht bemerkt er eine feuchte Stelle auf
seiner Hose. „Bitter lieber Gott, lass es Blut sein“, betet er.
Der größte Feind des Menschen wohl, das ist und
bleibt der Alkohol. Doch in der Bibel steht geschrieben; „ Du sollst auch deine Feinde lieben.“
„Sind sie für den nächsten Tanz schon vergeben?“
„Oh nein ich bin noch frei!“
„Könnten Sie dann bitte mein Bierglas halten?“
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„Sicherlich ist kein Tag mehr vergeudet als einer, an dem man überhaupt nicht gelacht hat.“
Nicolas Chamfort (1741-94), frz. Moralist
Der Arzt zum Patienten: „Leider kann ich die Ursache
ihrer Krankheit nicht finden, aber vielleicht liegt es am
Alkohol.!
„Gut, dann komme ich wieder, wenn Sie nüchtern
sind.“
„Ich glaube, ich bin gegen Leder allergisch.“
„Wieso?“
„Immer wenn ich morgens aufwache und die Schuhe
noch anhab, brummt mir der Schädel.“
Wen bezeichnet man als Alkoholiker?
Einen Menschen, der genauso viel trinkt wie man
selbst, den man aber nicht leiden kann.
„Herr Ober, das Steak riecht nach Schnaps!“
Tritt der Ober einen Schritt zurück und fragt: „Immer
noch?“
Lieber ein stadtbekannter Säufer als ein anonymer
Alkoholiker.
Der Arzt zum Patienten: „Trinken Sie mal 4 Wochen
keinen Alkohol, dann sehen wir, ob ihre Krankheit
besser wird!“
„Könnte ich nicht lieber 4 Wochen lang doppelt so viel
Alkohol trinken und wir sehen dann, ob meine Krankheit sich verschlimmert?“
Fragt der Polizist bei der Fahrzeugkontrolle: „Haben
Sie vielleicht Restalkohol?“
Antwortet der Fahrer entrüstet: „Was? Zum Schnorren haltet ihr einfach Autos an?“
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Quiz, Sprüche und WItze
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Das Lösungswort kann auch mit Namen und Adresse in unseren DRKBeratungsstellen abgegeben werden. Adressen finden Sie auf Seite 5.
www.drk-leipzig-land.de