Gottesdienst Misericordias 14 April 2013

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Gottesdienst Misericordias 14 April 2013
Evangelische Kirchengemeinde Allmersbach im Tal
Gottesdienst am 14.04.2013 – Sonntag Misericordias
Joh 21,15-19 (Vikar Guillet)
„Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine
Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen
das ewige Leben.“
Joh 10,11.27.28
Liturgie:
- Vorspiel
- Begrüßung
- Eingangslied: EG 288,1.3.5-6: Nun jauchzt dem Herren, alle Welt
- Votum und gesungenes einfaches Amen
- Psalm 23 (EG 711) + „Ehr sei dem Vater ...“
- Eingangsgebet
- Stilles Gebet
- Schriftlesung (Hesekiel 34,1-2.10-16.31) Dieter Handel
- Wochenlied: EG 274,1.3.5: Der Herr ist mein getreuer Hirt
- Predigttext + Predigt
- Predigtlied: EG 609,1-4: Du bist der Weg und die Wahrheit und das
Leben
- Fürbitten und Vaterunser
- Schlusslied: EG 100,1-5: Wir wollen alle fröhlich sein
- Abkündigungen
- Segensbitte („Meine Hoffnung und meine Freude“ EG 576)
- Segen mit gesungenem dreifachem Amen
- Nachspiel
Eingangsgebet
Vater im Himmel,
jetzt stehen wir hier.
Wir sind gekommen um dein Wort zu hören.
Mache uns nun bereit deinen Geist zu empfangen.
Sende uns deinen Geist, ob wir auf der grünen Aue stehen,
oder im finsteren Tal wandern.
Wir brauchen dich!
Begleite uns jetzt und über diesen Gottesdienst hinaus, dass
wir dir, dem guten Hirten, dienen können.
Hilf uns die zu finden, die sich verloren fühlen.
Führe uns zu ihnen!
Predigt
Liebe Gemeinde,
im Zentrum des heutigen Predigttextes steht der Jünger Petrus.
Petrus, der Sohn des Johannes.
Petrus, der Stein.
Petrus, der Erste der spricht „Du bist der Christus!“ (Mk 8,29)
Man könnte sagen: Petrus, der erste unter den Jüngern.
Aber vielleicht kennen Sie auch noch andere Geschichten von Petrus:
Petrus, der will Jesus nicht nach Jerusalem gehen lassen. Er will mit
ihm fliehen. Wenn es nach ihm ginge, würde er das Kreuz umgehen.
Jesus weist ihn stark in seine Grenzen und fährt ihn an, mit den Worten: „Geh weg von mir, Satan!“ (Mk 8,33).
Im Johannes Evangelium, einige Kapitel vor dem Predigttext finden
wir auch die Geschichte von der Verleumdung des Petrus: Während
Jesus vor den Hohepriestern verhört wird, sind viele Menschen vor
dem Tor anwesend. Auch Petrus steht mit in der Menge. Er wird zur
Befragung hineingeführt. Auf dem Weg hinein, wird er von einer
Türsteherin gefragt, ob er nicht einer der Jünger ist. Petrus antwortet
„Ich bin‘s nicht.“ Auch bei dem Verhör wird er befragt, ob er zu den
Jüngern gehört. Petrus antwortet „Ich bin‘s nicht.“ Aber ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgeschlagen hat, will es genau
wissen, weil er dabei war, ob er Petrus nicht im Garten gesehen hat.
Petrus antwortet „Ich bin‘s nicht.“ Und darauf krähte der Hahn dreimal.
Alles berühmte Geschichten von Petrus, von denen Sie die ein
oder andere schon einmal gehört haben. Denken Sie daran, wenn ich
jetzt den Predigttext vorlese, der nach Jesu Auferstehen spielt, ganz
am Schluss des Johannes Evangeliums, also fast die letzten Worte
Jesu.
Ich lese den Predigttext aus Joh 21,15-19:
15 Nach dem Essen fragte Jesus Simon Petrus: "Simon, Sohn des
Johannes, liebst du mich mehr als die anderen hier?" "Ja, Herr",
antwortete ihm Petrus, "du weißt, dass ich dich lieb habe." "Dann
hüte meine Lämmer", sagte Jesus.
16 Jesus wiederholte seine Frage: "Simon, Sohn des Johannes,
liebst du mich?" "Ja, Herr, du weißt doch, dass ich dich liebe", antwortete Petrus noch einmal. Erneut sagte Jesus: "Dann hüte meine
Schafe!"
17 Und zum dritten Mal fragte Jesus: "Simon, Sohn des Johannes,
hast du mich wirklich lieb?" Jetzt wurde Petrus traurig, weil Jesus
ihm nun zum dritten Mal diese Frage stellte. Deshalb antwortete er:
"Herr, du weißt alles. Du weißt doch auch, wie sehr ich dich liebe!"
Darauf sagte Jesus: "Dann hüte meine Schafe!
18 Ich sage dir die Wahrheit: Als du jung warst, hast du dir selbst
den Gürtel umgebunden und bist gegangen, wohin du wolltest. Im
Alter aber wirst du deine Hände ausstrecken; ein anderer wird dir
den Gürtel darumbinden und dich dorthin führen, wo du nicht hingehen willst."
19 Damit deutete Jesus an, durch welchen Tod Petrus einmal Gott
ehren würde. Dann forderte Jesus ihn auf: "Folge mir nach!"
Liebe Gemeinde,
dieser Auftrag Jesu „Dann hüte meine Lämmer“ ist erstaunlich. Petrus bekommt ihn. Der Petrus, der geleugnet hat zu Christus zu gehö-
ren. Der Petrus, der den Weg Jesu erst nicht verstanden hat. Dieser
Petrus bekommt die wichtige Aufgabe „Hüte meine Lämmer.“
Einiges fällt an diesen Versen besonders auf:
Zum einen fällt auf, dass Petrus dreimal gefragt wird. Dreimal die
gleiche Frage: „Liebst du mich?“ Dreimal die gleich Antwort: „Ja!“.
Diese Geschichte steht der Verleumdung des Petrus gegenüber. Auch
dort wird Petrus dreimal gefragt: „Gehörst du zu Jesus?“. Dreimal die
gleiche Antwort „Nein!“ Diese Parallele macht eins deutlich, die Verleumdung ist nicht vergessen! Und trotzdem bekommt Petrus diese
Aufgabe.
Interessant ist auch, dass Petrus hier als Petrus, Sohn des Johannes gefragt wird. Nicht als Petrus, der „Stein“ unter den Jüngern,
nicht als Petrus, der erste unter den Jüngern. Nein, „Petrus, Sohn des
Johannes“ das ist einfach nur sein Name. Petrus wird hier ganz persönlich angesprochen und nicht mit seinem Amt, als „Vorsteher“ der
Jünger. Dies lässt vermuten: Seine bisherige Rolle ist nicht wichtig,
Jesus achtet auf etwas ganz anderes.
In allen drei Fragen geht es Jesus nämlich eigentlich nur um
eins, er fragt: „Liebst du mich…“ Für die Aufgabe, die Petrus erfüllen
soll sind seine bisherigen Taten egal, es zählt nur eins: die Liebe. Sie
ist die wichtigste Eigenschaft. Auf die Liebe kommt es an. Dies finde
ich besonders interessant, weil der Glaube, der sonst eine wichtige
Rolle spielt, hier gar nicht genannt wird.
Auch interessant ist, die Aufgabe, die Petrus bekommt. Man
muss schon gut aufpassen, denn schnell möchte man lesen, dass Pe-
trus Hirte werden soll, aber der Text redet eigentlich gar nicht vom
Hirten! Jesus gibt ihm die Aufgabe, seine Lämmer zu hüten. Hier
steht nicht „Von nun an sollst du der Hirte sein.“ Petrus soll die Schafe hüten. Seine wichtigste Eigenschaft für diese Aufgabe ist die Liebe! Die Schafe gehören weiterhin Jesus. Er bleibt der Hirte. Die Aufgabe, die Petrus bekommt, soll Jesus, als Hirten unterstützen. Petrus
wird vielleicht eine Art Verwalter, aber an oberster Stelle bleibt
Christus.
Liebe Gemeinde,
es gibt wahrscheinlich wenig Texte über deren Auslegung in der Vergangenheit und heute so viel gestritten und diskutiert wurde wie dieser!
Dieser Text diente spätestens seit dem 5. Jahrhundert als Begründung für das Amt des Papstes. Auch hat es andere Ämter innerhalb der Kirche geprägt. Dieser Text wurde für einzelne Menschen
ausgelegt, die ein Amt innehalten. Also, wurde unterschieden, zwischen denen, die dieses Hirtenamt haben und denen die es nicht haben.
Ich muss mich jedoch fragen, ob hier nur bestimmte Ämter
und Menschen gemeint sind, oder ob von diesem Text her nicht
grundlegend über die Art wie Christen in der Kirche dienen wollen
nachgedacht werden kann. Petrus wird hier schließlich nicht als besondere Person angesprochen, sondern als Petrus, Sohn des Johannes.
Also Privatperson. Der Verweis auf seine Verleumdung zeigt auch,
dass er mit allen seinen Fehlern ausgewählt ist. Und deswegen muss
ich sagen: die Ämter, die angedeutet werden, kann vielleicht jeder
und jede ausfüllen, denn das einzige Kriterium ist die Liebe.
Aber wie ist diese Aufgabe eigentlich zu füllen? Sie wird eigentlich
kaum beschrieben. Jesus bittet nur um das „hüten“. Doch was ist mit
„Hüte meine Lämmer.“ gemeint? Ich selbst musste noch keine Schafe
hüten und habe sicherlich eher eine romantische Vorstellung davon,
aber am Donnerstag durfte ich ansatzweise etwas von aus diesem etwas anderen Berufsfeld erleben. Denn die Pfarrer des Dekanats Backnang haben den Karlshof besucht und sich mit Landwirtinnen und
Landwirten des Dekanats unterhalten. Besonders deutlich wurde im
Gespräch immer wieder, dass sich in dem Beruf der Bäuerinnen und
Bauern immer wieder ihre Liebe zur Natur und ihren Tieren ausdrückte. Und so kann ich den Begriff „hüten“ in diesem Fall mit „sich
in liebevoller Weise um sein Anbefohlenes kümmern“ übersetzen.
Auch hier spielt die Liebe eine entscheidende Rolle. Wenn ich dann
an die Bilder, die ich von Hirten habe denke, dann sind diese sehr
idyllisch. Hier wird deutlich, dass „hüten“ nicht mit „herrschen“ verwechselt werden kann.
Jesus hat uns für dieses „hüten“ mit der Fußwaschung ein
Vorbild gegeben. Und da dieser Text auch die Grundlage für das Amt
des Papstes ist, musste ich an den neuen Papst Franziskus denken. Ich
war sehr begeistert, als er am Gründonnerstag Insassen eines Jugendgefängnisses die Füße gewaschen hat. Dazu soll er selbst gesagt ha-
ben: „Wer auch immer ganz oben steht, muss den anderen dienen“.
Diese Tat hat mich sehr beeindruckt!
Ich muss jedoch auch sagen, dass dieser Text einige Schwierigkeiten mit sich bringt. Für uns heute ist es nicht mehr so leicht das
Bild, das Jesus wählt, zu verstehen. Wir sind heute keine Hirten mehr
und die wenigsten von uns von diesem Beruf abhängig.
Besonders V.15 wirft bei mir große Fragen auf: „liebst du
mich mehr als die anderen hier?“. Diese Frage nach dem „mehr“ gibt
mir zu denken. Zwar fragt er dies nur beim ersten Mal, aber irgendwie lässt es mich nicht los. Wann liebt ein Mensch „mehr“ als ein anderer? Der Text gibt mir keine Antwort darauf, denn Jesus geht eigentlich nicht darauf ein. Wurde des „mehr“ vom Evangelisten Johannes selbst eingefügt, um die besondere Stellung von Petrus deutlich zu machen? Wie ich es drehe oder wende ich komme zu keiner
Antwort und sehe die Gefahr, dass wenn dieses „mehr“ betont wird,
dass auch ein Vergleich ins Spiel kommt, den wir Menschen überhaupt nicht beurteilen können. Denn gerade die Liebe kennt keinen
Vergleich. Wer „liebt“ der „liebt“. Und das bedeutet, dass wir dieses
„mehr“ auch nicht erreichen können. Keine Anstrengung ist größer
oder kleiner, wichtig oder unwichtig. Die Taten der Liebe, die wir
tun, sind alle die wichtigsten Taten dieser Welt!
Eine weitere Gefahr sehe ich gerade für die Menschen, die
glauben ein solches Amt auszufüllen. Dabei muss ich an alle kirchlichen Ämter denken, im Besonderen muss ich mir natürlich selbst an
die Nase fassen, denn gerade der Pfarrberuf wird nicht selten als Hir-
tenamt verstanden. Denn auch wenn ein Mensch dieses Amt übernommen hat, bleiben die Menschen, die er hütet, Menschen und sind
keine Tiere! Sie haben einen eigenen Willen und wollen nicht bevormundet werden. Zwar scheint dieses Amt, von dem hier gesprochen
wird, Menschen aus der Herde heraus zu nehmen, in meinen Augen
darf aber nicht vergessen werden, dass auch die Verwalter Menschen
bleiben. Auch sie gehören weiterhin zur Herde Jesu Christi und dürfen sich nicht anmaßen, seine Herrschaft auf sich zu nehmen!
Liebe Gemeinde,
in meinen Augen zeigt uns dieser Text vor allem zwei Dinge:
Zum Einen, dass wir alle die Möglichkeit haben ein Amt innerhalb der Kirche Jesu Christi auszuüben. Dieser Text möchte uns
darauf hinweisen, wie wir dieses Amt ausfüllen sollen: mit Liebe. Sie
ist das einzige und einfachste Kriterium für den Dienst im Namen
Jesu Christi. Wer mit Liebe seinen Dienst für Gott ausfüllt, kann ihn
nur schwer verfehlen. Aus gegebenem Anlass, dass dieses Jahr Kirchengemeinderatswahlen sind, möchte ich Sie dazu ermutigen sich
für dieses oder ein anders Amt in der Kirche zu entscheiden. In diesem Text beruft uns Jesus Christus selbst zu Dienern seiner Kirche, in
der wir seine Liebe, die wir von ihm empfangen haben weiter tragen
können.
Zum anderen zeigt uns dieser Text, dass, auch wenn der
Mensch Jesus uns verlassen hat, Christus durch andere Menschen in
dieser Welt weiter wirkt. Er ist der gute Hirte, der uns, seine Schafe,
nie alleine lässt, auch wenn wir ihn gerade nicht sehen.
Amen.
Schlussgebet
Du guter Hirte,
wir haben im diesem Gottesdienst dein Wort gehört.
Wir haben dich gepriesen mit unseren Liedern, und im Gebet haben
wir dir von uns erzählt.
Jetzt ist es an der Zeit, an die zu denken, die dich und deine Liebe
ganz besonders nötig haben.
Du guter Hirte,
bei dir finden die schuldig Gewordenen Vergebung.
Du bist der Weg zu neuem Leben.
Wir bitten dich:
Sieh auf die, die Macht über andere haben.
Wandle ihre Herzen, führe sie
vom Krieg zum Frieden.
Wir wollen besonders an die Spannungen in Korea denken.
Wandle die Herzen der Machthaber, führe sie von der Gier zur Gerechtigkeit.
Auch in anderen Zentren der Macht,
in den Chefetagen der Banken, Lebensmittelkonzerne, Waffenfabri-
ken,
in den Gerichtssälen, Flüchtlingslagern und Abschiebegefängnissen.
Lehre Du die Menschen, was wahre Fürsorge ist.
Du guter Hirte,
Erhöre uns.
Du guter Hirte,
du sprichst und machst alles neu.
Du bist die Wahrheit.
Wir bitten dich:
Sieh auf die Geschundenen und Gequälten.
Schenke ihnen Leben:
Freiheit für die Verschleppten.
Genesung für die Kranken.
Heilung für die Schöpfung.
Aufatmen für die Misshandelten.
Hoffnung für die Sterbenden.
Trost für die Verzweifelten.
Du guter Hirte,
Erhöre uns.
Du guter Hirte,
du willst unsere Liebe.
Du wartest darauf, dass wir dich suchen.
Wir bitten dich:
Sieh auf deine weltweite Kirche.
Gib ihr deinen Heiligen Geist.
Führe sie von der Angst zum Mut.
Führe sie von der Vorsicht zum Aufbruch
in unserer Kirche, in den geistlichen Gemeinschaften, in unserer Gemeinde.
Führe sie von der Sorge zur Leichtigkeit
bei den Vorbereitungen des Kirchentags in Hamburg und
bei allen ökumenischen Begegnungen.
Führe sie vom Zweifel zur Liebe
in den Glaubenskursen und Konfirmandengruppen.
Du guter Hirte,
Erhöre uns.
Suche du uns, damit wir dich finden.
Dir vertrauen wir uns und alle, die uns lieb sind, an.
Heute und alle Tage.
Amen.