„Basel III noch lange nicht abgehakt“
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„Basel III noch lange nicht abgehakt“
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Osram AG 36,89 " Nabaltec AG 11,83 " Schneider AG 69,32 ! Andritz AG 43,3 " E.ON AG 14,18 " Gerresheimer AG 49,45 ! Einhell Germany AG 30,5 ! Deutsche Steinzeug Cremer und Breuer AG 0,261 " Pilkington Deutschland AG 450 ! BHS Tabletop AG 10,95 " HeidelbergCement AG 63,68 " Deutsche Telekom AG 12,86 " General Electric Co 19,6 " Amgen Inc. 85,22 " Daimler AG 69,74 " Textron Inc. 28,75 " Johnson Controls 35,4 " Lear Corporation 64,32 " Polytec Holding AG 0,104 " Kontron AG 5,08 " Toshiba Corp. 2,98 ! Südzucker AG 15,24 " Bechtle AG 65,13 1,67% 4,71% 5,49% 3,24% 5,74% 9,23% 5,88% -9,35% 7,55% 2,18% -3,38% 2,68% 0,75% -0,21% -6,79% 0,45% -3,86% 1,50% 10,01% 1,32% 5,09% 3,47% 1,53% 10,98% 9,74% 6,12% 2,63% 4,56% -2,12% 2,57% Stand: 30.5.2014 DAX = 9939 (+4,31%) DAX (normiert*) = 1595 (+4,31%) DOX = 1642 (+2,30%) *Zur besseren Vergleichbarkeit wurde der DAX-Wert am 1.10.2010 zum Start der DOX-Erhebung auf den DOX-Startwert 1000 heruntergerechnet. sen und Genossenschaftsbanken durchaus Erfolge erzielt worden seien, so warnten der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Toni Hinterdobler und sein Bereichsleiter Andreas Keller sowie IHK-Geschäftsführer Dr. Reinhard Rieger vor der Illusion, Basel III könne für den Mittelstand als „abgehakt“ gelten. VON GERD OTTO Die Gefahr einer Kreditklemme sehen die Sparkassen und Genossenschaftsbanken derzeit nicht. Jedenfalls gelte dies in Ostbayern und für die Mittelstandsfinanzierung. Wie im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz und der Industrie- und Handelskammer Oberpfalz/Kelheim zum Thema „Basel III“ betont wurde, sei man freilich bei Großfinanzierungen, wenn man also mehrere Partner aus dem Bankensektor ins Boot holen müsse, durchaus besorgt. Hier setzen die Finanzinstitute auf die Zusammenarbeit mit Förderbanken wie LfA, KfW, die Bürgschaftsbank Bayern oder die Bayerische Beteiligungsgesellschaft mbH. Die BayBG hatte nicht von ungefähr die Rodel-Legende Georg „Schorsch“ Hackl in die Oberpfalz eingeladen. Schließlich steht der dreifache Olympiasieger und heutige Bundestrainer als Symbol für Glaubwürdigkeit, Konstanz und Beharrlichkeit. CHARLOTTENHOF. Kreditverknappung möglich Diese Eigenschaften sind es denn auch, die angesichts des Regulierungswahnsinns rund um die neuen Eigenkapitalanforderungen gerade im Bereich der Mittelstandsfinanzierung als dringend notwendig erachtet werden. Wie der Neumarkter Sparkassen-Vorstand Stefan Wittmann und Maximilian Zepf, der Vorstand der Gutes Rating immer wichtiger Rodel-Legende Georg Hackl (2. v. li.) hatte viele Kniffe parat. Foto: HWK Raiffeisenbank Schwandorf-Nittenau, übereinstimmend feststellten, seien die im Zusammenhang mit Basel III notwendigen Aufwendungen alles andere als produktiv, „sie kosten nur Geld“. Die Regulierungsmaßnahmen der Bankenunion machen inzwischen jährlich rund zehn Milliarden Euro an Kosten aus. Dass sie (noch) nicht an die Bankenkunden weitergegeben werden, sei lediglich dem harten Wettbewerb geschuldet, betonte Maximilian Zepf. Und sein Sparkassen-Kollege Stefan Wittmann ergänzte: „Auch die anhaltende Niedrigzinsphase drückt auf unsere Margen.“ Die seit Jahresbeginn geltenden Regeln rund um die erhöhte Hinterlegung des Eigenkapitals könnten dazu führen, dass zumindest 38 Prozent weniger Kredite vergeben werden. Ein ty- pischer Mittelstandskredit wäre aufgrund dieser gestiegenen Eigenkapitalkosten der Banken eigentlich um 40 Basispunkte teurer. Da Staatsanleihen oder Bankschuldverschreibungen überhaupt nicht oder nur in geringem Maße mit Eigenkapital unterlegt sein müssen, könnte es auch dadurch zu einer Verknappung des Kreditangebots kommen, wäre es doch immerhin denkbar, dass sich die Anreize für die Banken, ihr Kapital in diese Finanzprodukte zu investieren, spürbar erhöhen. In diese Richtung könnten auch die neuen Liquiditätsvorschriften Wirkung zeigen. Auch wenn bei der „mittelstandsgerechten“ Umsetzung von Basel III in europäisches und deutsches Recht dank gemeinsamer Bemühungen der Kammern, Sparkas- Generell verwies nicht nur Herbert Antes von der LfA Förderbank Bayern darauf, neben Eigenkapital und Liquidität vor allem ein gutes Rating nicht zu unterschätzen und empfahl, Haftungsfreistellungen und Bürgschaften stärker einzusetzen. Laut Sebastian Wegner von der Bürgschaftsbank Bayern, einer Selbsthilfeeinrichtung der gewerblichen Wirtschaft, können Bürgschaften dazu beitragen, die Eigenkapitalkosten der Hausbank zu senken und damit zu einem höheren Kreditangebot für den Mittelstand führen. Ehe Josef Krumbachner, der Pressesprecher der BayBG, von dem Olympioniken Georg Hackl die Geheimnisse für „Ausdauer, Engagement und Zusammenarbeit“ erfragen konnte, schilderte seine Kollegin Dr. Barbara Karch die Win-win-Situation, die sich durch den Einsatz von Beteiligungskapital für alle ergeben könne: ein verbessertes Rating ohne dingliche Sicherheiten, keine Einflussnahme auf das operative Geschäft und all dies bis zu zehn Jahre tilgungsfrei. Die fiesen Tricks der Datendiebe Repertoire reicht von Hackerangriffen über Spammails bis zu verseuchten USB-Sticks Mit Mario Draghi an der Spitze hat die EZB den Leitzins im Euroraum auf ein Foto: Arne Dedert/dpa neues Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt. Enteignung der Sparer Prof. Dr. Rösl kritisiert „manipulierte Zinssätze“ VON PROF. DR. GERHARD RÖSL, OTH REGENSBURG Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank verschärft die ohnehin schon immensen Belastungen für den deutschen Sparer weiter. Experten sprechen hier von „finanzieller Repression“, also einer kalten Enteignung des Geldvermögens durch künstlich nach unten manipulierte Zinssätze seitens der Zentralbanken. So sehen sich die Besitzer von Sparund Termineinlagen bei Banken, Sparbriefen, Wertpapieren und Guthaben bei Versicherungen bei Fälligkeit ihrer Finanzanlagen gezwungen, zum Teil erhebliche Abschläge bei der Wiederanlage ihrer Ersparnisse hinzunehmen, da die Finanzakteure sowohl an den Geld- als auch an den Kapitalmärkten bei überschaubaren Risiken kaum mehr positive Renditen für ihre Kunden erwirtschaften können. Profiteure dieser Politik sind freilich vor allem die Regierungen in Südeuropa, die sich nun günstiger neu verschulden oder alte Kredite ablösen können. Aber auch die deutsche Bundesregierung freut sich über einen gegenwärtig negativen Realzins, kann sie sich doch durch bloßes Abwarten entschulden. Kein Wunder also, dass von weiten Teilen der politischen Klasse in Deutschland die Eurorettung als alternativlos bezeichnet wird. Um nun eine Größenordnung für die Entwertung der Ersparnisse der Deutschen durch die finanzielle Repression abzuleiten, können bei konservativer Rechnung jährlich rund 100 Milliarden Euro angesetzt werden. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man neben der sogenannten Inflationssteuer, also dem Kaufkraftverlust des Geldes durch die Inflation (derzeit circa zehn Milliarden Euro), auch noch die Zinsverluste der Sparer in Höhe von 60 Milliarden Euro – bei einem unterstellten Zinssatzverlust von 1,5 Prozent auf das deutsche Geldvermögen in Höhe von rund vier Billionen Euro – und die zu zahlende Kapitalertragssteuer (rund 26 Milliarden Euro) aufsummiert. Noch verheerender dürften die langfristigen Kosten der Niedrigzinspolitik der EZB für die deutsche Volkswirtschaft sein, werden die Ersparnisse doch über die EZB-Bilanz künstlich in den Süden Europas gelenkt. Entsprechende Wachstums-, Effizienz- und Wohlfahrtsverluste sind dann die logische Folge im Norden. Die Kosten der von der EZB angeworfenen Umverteilungsmaschinerie sind enorm. Zudem fehlt hierzu die demokratische Legitimation. Entscheidungen in Bezug auf Umverteilungen innerhalb Europas sind von den zuständigen Parlamenten zu treffen und nicht intransparent und über die Hintertür von der EZB. NÜRNBERG. Einen ausgewiesenen Kenner haben sich die Veranstalter der Bayerischen Mittelstandsgespräche, die BayBG und die IHK Nürnberg, zum Thema „Wie schützt sich der Mittelstand vor Datenklau?“ eingeladen: Daniel Domscheit-Berg, Gründer von OpenLeaks, einst Sprecher von WikiLeaks und neben Julian Assange das zweitbekannteste Gesicht der Enthüllungspioniere. Domscheit-Berg illustrierte das Problem an einem einfachen Beispiel. Sein 13-jähriges Kind kam lange in dem „internetaffinen Haushalt ohne Facebook, WhatsApp und Co.“ zurecht. Aber irgendwann musste es sich dem sozialen Druck in der Schule beugen. Nun wachse es auf „mit einem komplett archivierten Leben“ und vermutlich bis in alle Ewigkeit aufgezeichneten Daten. Angriffsziele gibt es viele Was für sein Kind gelte, gelte auch für jeden Firmenchef, Abteilungsleiter, jede private oder dienstliche digitale Korrespondenz. Es werde „gesammelt und ausgewertet“, legal und illegal. Es gebe Fälle, in denen sich Firmen wegen heimlich belauschter Kommunikation unversehens auf der Anklagebank wiederfanden. Auch die Möglichkeiten für ein digitales Bewegungsprofil würden immer besser. Gerade haben auch deutsche Automobilhersteller den Antrag für autonome Testfahrten auf europäischen Straßen gestellt. Ohne lückenlose Internetanbindung und eine reibungslose Kommunikation von Maschine zu Maschine, also etwa Auto zu Auto oder Auto zu Ampel, geht es nicht – der Schutz vor Auswertung oder vor Hackern, die per Laptop Bremsen oder Benzinzufuhr manipulieren, steht noch in den Sternen. Vor einer explodierenden Bedeutung des Internets für Straftaten warnte auch Bayerns oberster Cyber-Cop Günter Seibold vom Landeskriminalamt (LKA). Egal, ob es um einen Banküberfall, das Aushorchen von Wettbewerbern geht oder ob man sich über einen kleinen Zulieferer Zugang zu einem Branchenriesen verschaffen will – der Weg von Datendieben und organisierten Kriminellen führt immer häufiger über das digitale Netz. 30 Milliarden Spams würden täglich verschickt, so Seibold, jede 400. Mail lande mit Virus im Postfach. Attackiert werde erst einmal wahllos jede Firma, mit Vorliebe im attraktiven Industriestandort Bayern. Bislang wende sich aber nur ein Viertel der angegriffenen Firmen an die Polizei. Dabei gebe es neuerdings in jeder Polizeidirektion auch einen Mitarbeiter, der qualifiziert Auskunft geben könnte. Auf der Ebene darüber fänden sich bereits Experten und darüber die LKA-Abteilung von Seibold mit Mathematikern und Forensikern, die bis zum Jahresende auf 50 Cyber-Cops aufgestockt wird. Für Hacker sei nicht nur die Firewall Angriffsziel. Sie würden zunehmend auch in Social-Media-Netze ausweichen. Oder machten sich die menschliche Neugier zunutze und deponierten auf dem Firmenparkplatz einen infizierten USB-Stick, berichtet der CyberCop. Die Aufschrift „Personalabteilung“, „wichtig“ oder „vertraulich“ verleite 80 Prozent der Finder dazu, am Arbeitsrech- ner mal einen Blick auf die Daten zu werfen. „Alles von außen birgt Gefahren, das müssen Mitarbeiter verinnerlichen.“ „IT-Sicherheit ist teuer“, stellte Martin Hager, Chef von Retarus, einem Anbieter professioneller Messaging-Lösungen, fest. „Aber teurer ist die fehlende IT-Sicherheit.“ Das demonstrierte der gewerbliche Hacker Sebastian Schreiber, der mit seiner Firma SySS im Auftrag von Unternehmen Sicherheitssysteme von außen prüft. Er zeigte auf den Bayerischen Mittelstandsgesprächen live, wie leicht sich etwa ein Smartphone von außen belauschen lässt, wie sich mit ein paar Klicks der Preis in einem Webshop, in diesem Fall einem Pizzalieferdienst, manipulieren lässt oder wie schnell man ein gesichertes iPad oder einen verschlüsselten USB-Stick mit der geeigneten Software knacken kann. Für die notwendigen Trojaner und die Hackersoftware gebe es bereits einen Markt für Spionagepakete – für läppische 30 Euro. Geklautes Passwort gegen Bares Selbst Mittelständler, bei denen vermeintlich keine sensiblen Daten zu holen sind, sollten sich laut Hager nicht in Sicherheit wiegen. Aktuell werde es bei Hackern immer beliebter, einfach von außen den Rechner zu verschlüsseln. Dann sei eine Firma lahmgelegt und könne nur durch Entschlüsselung, also „Passwort gegen Geld“, weiterarbeiten. (ntt) Foto: picsfiveistock-thinkstock