Handy-Ortung für jedermann

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Handy-Ortung für jedermann
Datum 26.03.2007
Handy-Ortung für jedermann: Kinder schützen,
Ehebruch verraten?
Es geht nicht mehr allein um Notfall-Rettung, die neue
Handy-Ortung richtet sich an jedermann: Kindern können
überwacht, Freunde erkannt oder ein Ehebruch verraten
werden. Von Oliver Schonschek
„Handy Ortung für jedermann“, so wirbt der Anbieter Handy Ortung.org und
macht gleich darauf aufmerksam, dass der Datenschutz dabei nicht immer
gewährleistet sei. Die vor der Ortung einmalig notwendige Registrierung und
Verifizierung des Handys kann nicht nur der jeweilige Besitzer vornehmen,
sondern jede Person, die ein paar Minuten Zeit hat, ein fremdes Mobiltelefon per
SMS für den Peildienst anzumelden. Der Geschäftsführer von Handy Ortung.org,
Daniel von Rohr, nennt als Beispiel die eifersüchtige Ehefrau, die nach der
Aktivierung der Handy-Ortung ihren Mann überwachen will, um zu sehen, ob
dieser wirklich so lange im Büro ist.
Handy-Ortung im Internet
Bild: Intervista AG, PICOS
Überwachung als Liebesbeweis
Andere Dienste gehen noch weiter und tragen bereits Namen wie ehebruch24.de.
Der Anbieter möchte Paare dazu ermuntern, sich gegenseitig eine
Ortungsgenehmigung zu erteilen. Dies sei der Liebesbeweis des neuen
Jahrtausends, verspricht ehebruch24.de, erklärt aber gleichzeitig, dass Vertrauen
die Basis jeder Beziehung ist. Warum also den Standort der Liebsten orten? Der
gleiche Anbieter betreibt auch den Dienst mister-vista.de. Hier bietet der
Ortungsservice nach eigener Aussage einen schnellen und unkomplizierten
Überblick über den Aufenthaltsort von Freunden, Familienmitgliedern oder
Kollegen.
Fast alle Handys können zur Ortung freigeschaltet werden
Tatsächlich können sich nicht nur Verliebte und Eifersüchtige orten. Alle Vertragsund PrePaid-Handys der Netzbetreiber Vodafone, E-Plus und O2 können zur
Ortung freigeschaltet werden, nur T-Mobile-Nutzer können nicht durch
kommerzielle Dienste gepeilt werden. Ein GPS-Modul ist dazu nicht notwendig.
Alleinige Voraussetzung für das Tracking der Position ist der Versand einer
bestimmten SMS an den jeweiligen Mobilfunk-Anbieter. Der jeweilige
Ortungsdienstleister bietet über ein Internet-Portal die Möglichkeit, die Position
des Handys auf virtuellen Landkarten und Stadtplänen zu sehen und diese
Information auch für andere Personen freizugeben.
Wird das eigene Handy geortet, so erhält man darüber in der Regel leider keine
Benachrichtigung wie zum Beispiel eine SMS „Sie werden gerade geortet“. Einige
Mobiltelefone sollen zumindest einen Piepton bei einem Ortungsversuch von sich
geben, doch reicht dies als Hinweis sicherlich nicht aus. Der Ortungsdienstleister
Ortungsportal.com empfiehlt Handy-Besitzern, die nicht wissen, ob ihr
Mobiltelefon von Bekannten oder Familienmitgliedern insgeheim zur Ortung
freigegeben wurde, eine SMS an eine bestimmte Kurzwahl mit dem Text „MECCOR
AUS“ zu schicken.
Handy-Ortung zeigt Diebe und Kinder auf Abwegen
Trotz des möglichen Missbrauchs der Ortungsdienste zur Überwachung des
Partners oder von Kollegen, die ihr Handy in der Mittagspause auf dem
Schreibtisch haben liegen lassen, gibt es durchaus positive Seiten an der
Handy-Ortung. So berichtete der Tagesspiegel Ende Oktober 2006 von der
Aufklärung eines Handtaschendiebstahls durch die Ortung des in der Tasche
befindlichen Mobiltelefons.
Neben der Suchmöglichkeit nach verlorenen oder gestohlenen Handys werben die
Ortungsdienstleister massiv mit der höheren Sicherheit für Kinder, die von ihren
Eltern über das mitgeführte Mobiltelefon im Fall des Falles geortet werden
können. Spezialisierte Dienste wie kidsfinder.de bieten den Eltern eine räumliche
Sicherheitszone für ihr Kind an, die nicht verlassen werden darf. Andernfalls
erhalten die Eltern eine positionsgenaue Meldung über den Aufenthaltsort des
Kindes.
Auf Wunsch bietet ein Verfolgungsmodus die ständige Übermittlung der
Positionsdaten mit Straßennamen, Hausnummer und Ort. Die Genauigkeit wird
mit 2,5 bis zehn Metern angegeben. Zusätzlich wird jede Minute die Position des
Kindes bei kidsfinder.de vorsorglich gespeichert, falls die Handy-Verbindung
einmal abreißen sollte.
Keine Garantie für Sicherheit der Kinder
Auch wenn verschiedene Anbieter die Handy-Ortung als Mittel zur Rettung in Not
geratener Bergsteiger, für das Auffinden von Vermissten und die Rettung
entführter Kinder anpreisen, gibt sich die Pressesprecherin Melanie Storch der
Björn Steiger Stiftung realistisch: „Handy-Ortung ist keine Garantie für die
Sicherheit der Kinder. Die Eltern können nicht von ihrer Sorgfaltspflicht entbunden
werden.“
Bei einer Kindesentführung könnte nach ihrer Meinung auch eine Peilung des
Handys nicht helfen. „Die Entführer werfen das Handy doch einfach weg.“, so die
Einschätzung von Melanie Storch. Im Gegensatz zu Diensten, die die
Handy-Ortung für jedermann forcieren wollen, setzt die Björn Steiger Stiftung auf
die kostenlose Ortung im Notfall. „Wir bieten auch kostenpflichtige Dienste wie
LifeServiceTraveller und LifeServiceKids an, doch diese sollen unser kostenloses
Ortungsangebot im Notfall refinanzieren.“, erklärt die Pressesprecherin der Björn
Steiger Stiftung.
Das i-Kids Handy ermöglicht die Ortung von Kindern
Bild: Björn Steiger Stiftung
Auch die Rettungsleitstellen werden kontrolliert
Sicherheit wird bei der Björn Steiger Stiftung groß geschrieben, so Frau Storch.
Die Ortung eines Handys über die Internetplattform wird durch einen
achtstelligen, alphanumerischen PIN-Code und eine SSL-Verbindung geschützt.
Selbst Online-Banking erfordert nur einen fünfstelligen PIN.
Nach fünf Fehlversuchen bei der Anmeldung auf der Ortungsplattform wird der
Zugang gesperrt. Auch die kostenlose Notfall-Ortung erfolgt nicht ohne jede
Kontrolle. Die Rettungsleitstelle fragt die Person, die den Notfall meldet, nach
ihrem Einverständnis geortet zu werden, es sei denn, die Person ist nicht mehr
ansprechbar, und es besteht Gefahr für Leib und Leben.
Die Disponenten in den Leitstellen erhalten nur Zugriff auf die Ortungsfunktion,
wenn sie neben einem Passwort den passenden Schlüssel (Token) besitzen. Die
erfolgten Ortungen werden monatlich ausgewertet. „Würde ein Disponent in einer
Rettungsleitstelle seine Freundin überwachen, fällt dies auf, denn die Monatslisten
werden unter anderem auf mehrfache Ortungen überprüft.“, kann Melanie Storch
berichten.
Rettungsleitstellen können im Notfall orten Bild: Björn Steiger
Stiftung
So werden Handy-Ortungen sicherer
Als Lieferant von GSM/GPS Modulen kennt die Round Solutions GmbH & Co KG die
Notwendigkeit, Ortungssysteme abzusichern. Harald Naumann, Technical Director
bei Round Solutions, nennt Maßnahmen für Ortungsdienstleister. Vor der
Freischaltung für eine Ortungsfunktion sollte die Firewall im GPRS Modul aktiviert
und nur eine feste IP-Adresse zugelassen werden, so Naumann.
Noch besser sei die Verwendung einer VPN-Verbindung, die es als Zusatzleistung
für alle GSM-Netze gebe. Ortungsdienstleister sollten weder Standardports noch
Standardprotokolle verwenden. Auch die Wahl des richtigen Webhosters sei
wichtig. "Große Hoster sind eventuell besser, da diese einen größeren Schaden
bei aufgedeckten Mängeln haben. Man gibt sich dann einfach mehr Mühe.", weiß
der technische Direktor von Round Solutions.
Nicht zuletzt bestehe das Sicherheitsrisiko Mensch bei den Ortungsdienstleistern.
"Es besteht die Möglichkeit das ein Server gehackt wird, nachdem ein Mitarbeiter
das Unternehmen verlassen hat. Man sollte nach jeder Kündigung oder Austritt die
Passwörter ändern."
Passwörter ändern."
Geschützter Zugriff auf Ortungsdaten in der Alarmzentrale
Bild: Björn Steiger Stiftung
Beachtet man solche Sicherheitsmaßnahmen nicht, so besteht die Gefahr, dass
nicht nur besonders misstrauische Ehepartner oder besorgte Eltern die Position
des geliebten Gegenübers herausfinden, sondern jeder geschickte Hacker, der
dann das Kind oder die Frau auf Schritt und Tritt unsichtbar begleiten kann.