Marco Polo auf der Seidenstrasse
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Marco Polo auf der Seidenstrasse
Marco Polo auf der Seidenstrasse von Markus Kübler © Copyright Pädagogische Hochschule Schaffhausen. Private Nutzung und als Unterrichtsmaterial in der Schule frei. Kommerzieller Abdruck nur mit Genehmigung des Autors. Sachlesetexte für 3. und 4. Klasse (Marco Polo erzählt von seiner Reise) Unterrichtskonzepte – Werkstatt; Karten und Bilder Einleitung: Der Lebensbericht von Marco Polo (1254 – 1324) war einer der populärsten Geschichten, die im mittelalterlichen Europa kursierten. Marco Polo wurde vermutlich 1254 als Sohn des Kaufmanns Niccolo Polo in Venedig geboren. Als er sechs Jahre alt war, brach sein Vater zu einer Reise nach der Krim auf, die ihn bis nach Asien führte. Mit 17 Jahren begleitete er seinen Vater zu einer 24 Jahre dauernden Reise nach China. So wird es möglich, die Lesewerkstatt für schnellere und langsamere Leser und Leserinnen einzusetzen. Die Texte können kapitelweise kopiert werden, so dass die Leseaktivität portioniert werden kann. Lebensdaten von Marco Polo * 1254 1271 – 1295 um 1299 Die Reisen der Polos nach China 1260 – 1269 Die Gebrüder Nicolo und Maffeo Polo reisen nach Asien 1270 –1271 Die Polos sind in Venedig 1271 – 1295 Reise von Nicolo, Maffeo und Marco Polo nach Asien; Hinreise auf dem Landweg und Rückreise auf dem Seeweg. † 1324 in Venedig; auf Reisen in Asien Gefangenschaft in der Republik Genua, Verfassen seines Reiseberichtes in Venedig Für die Bearbeitung der Leseaufgaben zusammen mit der Karte stehen Symbolkärtchen zur Verfügung, die dann auf der Karte platziert werden können. Konzept: In Form einer Lesewerkstatt wurden die Texte von Marco Polo für Kinder aufbereitet, da der Originalbericht für Kinder kaum lesbar ist. Die Texte wurden stark gekürzt und verdichtet. Abwertende und falsche Aussagen von Marco Polo über die Völker Asiens wurden weggelassen. Die Inhalte wurden nach folgenden Gesichtspunkten ausgelesen: Inhalte, die für Kinder verstehbar sind und mit ihrem Alltag in Beziehung gesetzt werden können (z.B. Erdöl, Yoghurt usw.). Verstreute Aussagen über denselben Gegenstand wurden zusammengefasst. Die Namen der Städte und Landschaften folgen denen des Schweizer Weltatlas. Der Bericht wurde in sieben Kapiteln unterteilt, die von Venedig über den Mittleren Ost nach Peking und Hangzhou führen, so dass die Reise der Polos auf der Karte verfolgt werden kann. Jedes Textkapitel ist als Leseposten konzipiert und enthält eine kurze sachbezogene Einleitung, die den Bericht kurz in einen Zusammenhang stellt. Abb. 1: Die Kanäle in Venedig sind die Verkehrsstrassen der Stadt Unterrichtsvorschlag: Lesewerkstatt Die Lesewerkstatt kann als Selbstlerneinheit im Rahmen von Werkstatt- oder Wochenplanunterricht eingesetzt werden. Material: 1. Kapitelweise kopierte Lesetexte 2. Eine Kartenkopie von Europa und Asien (physikalische Karte) im Format A3 (Schweizer Weltatlas) 3. Farbige Malstifte 4. Handelsgüterkärtchen (selber erstellen: siehe Hinweise unten) Lesewerkstatt mit Binnendifferenzierung: Jeder Leseposten steht in zwei Leseschwierigkeiten zur Verfügung: Kürzerer Text: Einfaches Leseniveau. Längerer Text: Anspruchsvolles Leseniveau. 1 Aufgaben zum Text: 1. Wähle einen Postentext aus. 2. Lies den Text sorgfältig und laut durch. 3. Suche auf der Landkarte die Orte, von Marco Polo berichtet, und zeichne sie ein. 4. Streiche im Text die besonderen Handelsgüter oder Sehenswürdigkeiten an. Suche unter den Ereigniskärtchen die richtigen heraus und klebe sie beim richtigen Ort ein. Handelsgüterkärtchen (Bilder) kann man sich im Internet zusammen suchen, in ein WordDokument kopieren, ausdrucken, laminieren, ausschneiden. Man kann die Kinder auch animieren, die Kärtchen selber herzustellen. Internet: Zur Seidenstrasse findet man gute Infos unter: http://www.silk-road.com/toc/index. html Download: Der Download der zusätzlichen Texte ist unter folgender Adresse möglich: www.phsh.ch (dann Forschung und Entwicklung; weiter mit Entwicklung) Abb. 2: Dogenpalast in Venedig: Das Zentrum der Macht Lernziele für die Kinder Kinder können neue Einsichten über die Entdeckung von Asien im 13. Jahrhundert gewinnen. Sie erwerben Sachkompetenz (Wissen) über das Europa und Asien im Mittelalter. Durch geeignete Aufgaben wird das Textverständnis von Kindern gefördert und gestärkt. Ebenfalls geschult wird die Umsetzung von Text in grafische Formen. Kinder lernen zudem die verschiedenen Regionen Asiens kennen. Abb. 3: Fondaco dei tedesci. Handelshaus der deutschen Kaufleute in Venedig. Fondaco stammt vom arabischen Wort "funduq", das Hotel. Literatur: EMERSLEBEN, Otto (2002): Marco Polo. Reinbek bei Hamburg: rororo RÜBESAMEN, Hans Eckart (2000): Marco Polo. Von Venedig nach China. Augsburg: Weltbild/Bechtermünz. YAMASHITA, Michael (2002): Marco Polo. Eine wundersame Reise. München/Vercelli: GEO Verlag und Frederking&Thaler. Zusätzliche Informationen und Materialien: Im Internet findet man unter Wikipedia zu den Stichworten Marco Polo, Seidenstrasse und Venedig genügend weitere Informationen. Die Abb. 4: Bild aus dem alten Venedig 2 Marco Polo reist nach China 1. Vereinfachte Version Lesewerkstatt für Kinder (3. und 4. Klasse) Wenn ein heisser Landwind kommt, tauchen die Menschen bis zum Kinn in den Fluss. Sie warten bis der Wind vorüber ist. Die Bewohner von Hormus sind Muslime. Sie haben eine dunkle Hautfarbe. Sie säen im November den Weizen, Reis und Hirse und ernten im März. Aus Datteln machen sie einen guten Wein. Viele Tagereisen von Hormus erstreckt sich eine grosse Wüste und man erreicht das Land Afghanistan. Dort beginnt das grosse Gebirge. Es ist so hoch, dass ein Mann von morgens bis abends steigen muss, um die Gipfel zu erreichen. Dort meinen alle, sie seien am höchsten Ort der Welt. Man findet einen grossen See zwischen zwei hohen Gebirgszügen. Zwölf Tage führt der Weg über eine weite Hochebene, die man Pamir nennt. Man trifft keine Menschen, aber viele wilde Tiere. Dort weiden auch Schafe, die riesige Hörner haben. Die Berge sind so hoch, dass man keine Vögel in der Nähe der Gipfel sieht. Das Feuer, das man anzündet, ist nicht so heiss wie in niedrigen Gebieten, und es ist schwierig, etwas Richtiges zu kochen. Nach dem Text von Marco Polo, gekürzt, angepasst von Markus Kübler; Vereinfachte Version 1. Von Venedig nach Bagdad Im Jahre 1271 bestiegen Vater Nicolo Polo und Maffeo Polo ein venezianisches Schiff. Mit ihnen war Marco, der siebzehnjährige Sohn. Marco Polo berichtet: In Armenien gibt es eine schöne Stadt. Sie heisst Tiflis. Dort wohnen Armenier und Georgier. Sie sind Christen. Daneben wohnen auch noch Muslime und Juden in der Stadt. In grossen Werkstätten weben sie feines Baumwolltuch, goldene Stoffe und Seide. An der Grenze zu Georgien trifft man auf einen grossen Brunnen mit Öl. Dieses Öl kann man nicht essen. Als Salbe für Hautkrankheiten bei Mensch und Vieh kann man es brauchen. Auch zum Brennen benutzt man es. Bagdad ist eine mächtige Stadt. Früher regierte dort der Kalif aller Araber. Der Strom Tigris fliesst mitten durch die Stadt. Auf ihm führen die Kaufleute ihre Waren bis in den Indischen Ozean. In der Stadt werden ganz besondere Stoffe wie Seide mit Goldfäden, Damast mit Tierfiguren gewoben. Indische Perlen und Edelsteine werden von den Kaufleuten nach Europa transportiert. Die Händler werden mit diesen Waren sehr reich. Endlich erreicht man einen Platz, der Kaschgar heisst. Wir stehen jetzt unter der Herrschaft des Grosskhans. Das Volk spricht eine andere Sprache und lebt vom Handel und vom Handwerk. Sie stellen Stoffe aus Baumwolle her. 3. Die grosse Wüste – Takla Makan Die meisten Leute in Bagdad aber sind arm. Man findet viele verschiedene Völker und Religionen: Nestorianer, Armenier, Jakobiten und Georgier, alle sind Christen; Muslime, die in der Mehrheit sind, und Juden. Jede Gruppe hat ihre eigene Sprache. Die Wüste Takla Makan ist zusammen mit der Wüste Gobi eine der grössten Wüsten der Welt: Im Sommer wird es bis 40 Grad Celsius, im Winter sinken sie schnell unter minus 20 Grad. Es gibt heftige Winde und Sandstürme, die für die Reisenden lebensgefährlich sind.. 2. Von Persien nach Kaschgar – Über das Dach der Welt Von Kaschgar zieht man südöstlich und erreicht über Yarkant die Stadt Hotan. In dieser Gegend findet man in den Flüssen Edelsteine wie Calzedone und Jaspis; diese sind ein wichtiges Handelsgut und werden nach China verkauft. Von dort muss man eine grosse Wüste queren. Am Rande der Wüste muss man sich für einen Monat mit Essen und Trinken versorgen. Man kauft kräftige Esel und Kamele. Am besten sind Kamele, weil sie anspruchslos sind und schwere Lasten tragen können. Während dreissig Tagen geht der Weg unaufhörlich über sandige Flächen und kahle Berge. Nach jedem Tag erreicht man einen Platz, wo es Wasser gibt. An einigen Plätzen Marco Polo reiste durch Persien nach Hormuz. Er durchquerte den Pamir, der so hoch wie der MontBlanc ist (4800 Meter über Meer), vorbei an den höchsten Bergen der Welt. In dieser Höhe im Pamir kocht das Wasser schon bei 86 Grad Celsius, so dass man Gerichte länger kochen muss. Nach fünf Tagereisen in südlicher Richtung erreicht man die Ebene von Hormuz. Im Sommer ziehen die Bewohner aus der Stadt, weil dort unerträgliche Hitze und ein ungesundes Klima herrscht. Sie ziehen in ihre Gärten vor der Stadt, wo sie aus Weiden Hütten bauen. 3 jedoch ist das Wasser bitter oder salzig. In diesen Wüsten wohnen böse Geister. Sie zeigen einem Sachen, die man sieht, die aber nicht richtig sind. Man hört auf einmal seinen Namen rufen und wenn man dem Rufen nachläuft, ist alleine in der Wüste und stirbt. Manchmal ist die Luft voll von Musik, mit Lärm von Waffen und Trommeln. Den Lasttieren hängen sie Glocken um, damit sie nicht verloren gehen. 1229 - 1241 1233 1214 – 1294 1268 – 1279 1368 4. Die Mongolen in China erobert Ügedei Nordchina vollständig Aufteilung des mongolischen Nordchinas. Khubilai Khan (Enkel von Dschingis Khan) verlegt 1264 die seine Residenz nach Peking Kubilai Khan; ab 1279 nennt er sich Kaiser Shih Tsu Eroberung von Südchina (Reich Sung) Ende der Mongolenherrschaft in China 5. Marco Polo bei Khubilai Khan in Peking In den Steppen und Wüsten Asien leben verschiedene Nomaden- und Reitervölker wie die Hunnen, die Türken, die Uiguren, Tataren, Mongolen. Zwischen 1200 und 1300 erobern diese Völker das gesamte Asien zwischen dem Kaspischen Meer und China Ab 1264 ist Peking die Hauptstadt des östlichen Mongolenreichs. Peking heisst Kambalu. Nach dem Tod von Dschingis Khan wird das Reich unter den Söhnen aufgeteilt. Der Enkel von Dschingis Khan nennt sich Kubilai Khan. Er lebt von 1214 bis 1294. Khan heisst Herrscher. In den Jahren 1268 und 1279 erobert Kubilai Khan das Reich Sung in Südchina. Die Mongolen haben keine festen Wohnungen. Im Sommer ziehen sie nach Norden, um Weide für ihr Vieh zu suchen. Sie begeben sich dabei in die Berge, wo es kühl ist. Dort hat es Wasser und saftige Weiden und die Tiere werden nicht so von den Pferdefliegen geplagt. Ihre Zelte bestehen aus Pfählen, die sie mit Filzmatten belegen. Sie sind rund und so gebaut, dass man sie zu einem Bündel zusammenlegen kann. Sie haben auf einem Wagen Platz. Der Filz ist so gut, dass man im Zelt einen ganzen Regentag sitzen kann, ohne nass zu werden. Auf den Wagen führen sie alles mit, was sie zum Leben brauchen. Die Mongolen essen vorwiegend Milch und Fleisch. Sie trinken auch Stutenmilch, der wie weisser Wein schmeckt. Sie nennen ihn Kumys. Auch haben sie Milch bei sich, die wie Teig verdickt und getrocknet ist. Jeder Vorsteher einer Sippe brennt seinen Hengsten, Stuten, Kamelen und Rindern sein Zeichen ein. Dann schickt er die Tiere auf die Weide in die Berge ohne Hirten. Khubilai zog nach seinem Sieg über die Chinesen mit grossem Pomp in seine neue Hauptstadt Peking. Dort feierte er alle Feiertage der verschiedenen Religionen: Christen, Juden, Muslime und Buddhisten. Als er gefragt wurde, warum er dies tue, antwortete er: Es gibt vier Profeten: Jesus Christus für die Christen, Mohammed für die Muslime, Moses für die Juden und Buddha für die Buddhisten. Ich verehre alle und bitte den höchsten unter ihnen um Hilfe. Marco Polo fragte ihn, warum er nicht Christ werden wolle. Da antwortete Khubilai Khan: Weil die Christen auch keine Wunder bewirken können. Kubilai Khan ist von mittlerer Grösse und ein schöner Mann. Er hat vier Hauptfrauen und noch eine Menge Nebenfrauen. Jedes zweite Jahr sendet er seine Botschafter aus, die in der Mongolei alle jungen Frauen anschauen Die schönsten unter ihnen liest man aus und bringt sie nach Peking. Die Mongolen in Asien 1196 wird der Stammesfürst Temüdschin zum „Dschingis Khan“ der Mongolen 1155 – 1227 Dschingis Khan 1206 Dschingis Khan wird zum höchsten Herrscher der mongolischen, türkischen und tatarischen Völker in Asien 1206 – 1227 Eroberung eines Gebiets vom kaspischen Meer bis Nordchina; Karakoram in der Mongolei ist Hauptstadt 1218 wird Peking von den Mongolen erobert 1227 Tod Dschingis Khans. Aufteilung des Reiches unter den vier Söhnen: Dschöti, Tschagatai, Tului, Ügedei In Peking baute der Khan einen neuen Stadtteil. Darin steht sein Palast. Er hat die Form eines grossen Vierecks, das vier mal vier Kilometer gross ist. In der Mitte der Seite befindet sich immer ein Tor. Innerhalb dieser Mauer findet sich ein weiteres Mauerviereck, das drei mal drei Kilometer misst. Mitten drin sieht man noch ein weiteres sehr dickes Mauerviereck, das anderthalb mal anderthalb Kilometer weit ist. Darin wohnt der Kaiser in einem grossen Palast mit vielen, vielen Zimmern. Zu diesem Palast haben nur Personen von hohem Rang Zutritt. Der Palast ist reich verziert mit vergoldeten Schnitzereien. Es sind Drachen, Krieger, Vögel und vierfüssige Tiere dargestellt. 4 In der Stadtmitte der Stadt Peking hängt eine grosse Glocke. Wenn es dunkel wird, schlägt die Glocke dreimal: Dann darf sich niemand mehr in den Strassen aufhalten, ausser wenn jemand Hilfe holen muss. Die Chinesen tragen keine Bärte. Die Mongolen, Türken, Christen und Europäer haben Bärte. Da die Mongolen China erobert haben und fremd im Land sind, vertrauen sie den Chinesen nicht. Alle Wachen und die Mitglieder der Regierung sind darum Mongolen, Türken oder andere Fremde. men. Aus dem Weizen machen sie aber kein Brot, sondern sie machen Nudeln daraus. Aus Reis machen die Leute Wein. Sie verwenden auch schwarzen Stein. Er brennt wie Kohle und hält viel länger als Holz. 6. Marco Polo berichtet über China Den Umfang der Stadt Hangzhou schätzt man auf 160 Kilometer. Die Stadt hat breite Strassen und Kanäle und 12'000 Brücken. Man zählt zehn Marktplätze. Jeder ist 800 Meter breit und lang. Auf den Plätzen versammeln sich an den drei Markttagen ungefähr 50'000 Menschen, um ihre Waren anzubieten. Alles kann man dort kaufen. Um die Plätze herum sind die Häuser gebaut. Im Erdgeschoss befinden sich die Kaufläden, im ersten Stock wohnen die Menschen. Die Menschen haben eine weisse Gesichtsfarbe und sind sehr schön und kleiden sich in Seide. Die Strassen sind gepflastert. Man bekommt keine schmutzigen Füsse. Die Hauptstrasse ist an beiden Rändern 10 Schritte breit gepflastert. In der Mitte ist sie mit Sand bedeckt. Im ganzen ist die Strasse gewölbt, so dass das Regenwasser ablaufen kann und die Strasse immer trocken bleibt. In jeder Strasse der Stadt hat es einen Wachtturm. Bei jeder Brücke hat es ein Wachthaus. In diesen Wachthäusern hat es eine Wasseruhr, welche die Stunden anzeigt. Nach der ersten Nachtstunde schlägt der Wächter mit einem Holzstab auf einen Gong aus Metall: einmal. Nach der zweiten Nachtstunde schlägt er zweimal; und so fort bis zum Morgen. 7. Die Hauptstadt Hangzhou Marco Polo reist noch in die Hauptstadt des südchinesischen Reiches der Sung-Dynastie, die von den Mongolen in diesen Jahren erobert wurde. Marco Polo berichtet aus der Sicht eines Kaufmanns aus China. Ihn interessiert alles, was für Handel und Verkehr wichtig ist. In Peking befindet sich auch die Münzanstalt, wo Khubilai Khan Papiergeld herstellen lässt. Das Papier wird in Geldnoten mit verschiedenem Wert geschnitten. Beamte stempeln und färben das Papier: so wird es zu Geld. Mit dem Papiergeld kann man in ganz China alles bezahlen und kaufen, was man will. Von Peking aus führen viele Strassen in alle Richtungen. Im Abstand von 40 Kilometern findet man Stationen mit Unterkunft und Verpflegung für die Reisenden. 40 Kilometer sind eine normale Tagesreise. Die Häuser an den Wegstationen werden Posthäuser genannt. Es sind grosse und geräumige Häuser mit vielen gut eingerichteten Zimmern zum Übernachten. Auch stehen immer frische Pferde bereit. Diese Poststationen dienen auch dem Transport von Nachrichten. Sowohl die Chinesen wie auch die Mongolen essen häufig Reis, Buchweizen und Hirse. Diese kochen sie in Milch oder mit Fleisch zusam- Abb. 5: Die Seidenstrasse im Mittelalter zwischen Konstantinopel und China 5 Marco Polo reist nach China 2. Anspruchsvolle Version Lesewerkstatt für Kinder (3. und 4. Klasse) Nach dem Text von Marco Polo, gekürzt und angepasst von Markus Kübler. 1. Von Venedig nach Bagdad gionen in der Stadt: Nestorianer, Armenier, Jakobiten und Georgier, allesamt Christen; Muslime, die in der Mehrheit sind, und Juden. Jede Bewohnergruppe hat ihre eigene Sprache. Im Jahre 1271 bestiegen Vater Nicolo Polo und Maffeo Polo ein venezianisches Schiff. Mit ihnen war Marco, der siebzehnjährige Sohn; sie segelten der kroatischen Küste entlang nach Süden, um Griechenland herum, an Euböa vorbei, über Iskenderun in der Türkei bis nach Akko im heutigen Israel. Von dort weg ging es auf dem Landweg nach Armenien, vorbei am Berge Ararat. Von Armenien aus erreichten sie über Mosul in Kurdistan die berühmte Stadt Bagdad. Marco Polo berichtet: In Bagdad ist es auch möglich die arabischen Wissenschaften Physik, Astronomie und Medizin zu studieren. 2. Von Persien nach Kaschgar – Über das Dach der Welt In Armenien gibt es eine schöne Stadt. Sie heisst Tiflis. Dort wohnen Armenier und Georgier. Sie sind Christen. Daneben wohnen auch noch Muslime und Juden in der Stadt. In grossen Werkstätten stellen sie feines Baumwolltuch, golddurchwirkte Stoffe und Seide her. Es gibt auch viele Bäder und heilende Quellen. Auf dem Lande trifft man viele Türken, die dort ihr Vieh weiden. Es gibt auch eine reiche Silbermine. Der Berg Ararat, auf dem die Arche Noah gelandet ist, befindet sich dort. Man kann ihn nicht besteigen, weil er immer schneebedeckt ist. Nicht einmal in zwei Tagen kann man ihn umgehen. An der Grenze zu Georgien trifft man auf einen grossen Brunnen mit Öl. Dieses Öl kann man nicht essen, aber als Salbe für Hautkrankheiten bei Mensch und Vieh kann man es brauchen. Auch zum Brennen braucht man es und die Leute kommen von weither, um es für ihre Lampen zu holen. Die Polos reisten durch Persien nach Hormus. Dort wandten sie sich nach Norden, durchquerten die Wüste Afghanistans, nördlich des Hindukusch durchquerten sie den Pamir über den Pass Kaltadawan, der so hoch wie der Mont-Blanc ist (4800 Meter über Meer), vorbei an den höchsten Bergen der Welt wie der Pik Kommunismus 7495 m oder dem Kongur 7719 m. In dieser Höhe im Pamir kocht das Wasser tatsächlich schon bei 86 Grad Celsius, so dass man Gerichte länger kochen muss. Darauf erreichten sie Kaschgar, die berühmte Oase der Seidenstrasse am Westrand der Wüste Takla Makan. Nach fünf Tagereisen in südlicher Richtung erreicht man die Ebene von Hormuz. Das Land ist voller Dattelpalmen und Waren aus allen Gegenden von Indien: Gewürze, köstliche Steine, Perlen, Gold- und Seidenstoffe, Elefantenzähne und vieles anderes. Im Sommer ziehen die Bewohner aus der Stadt, weil dort unerträgliche Hitze und ein ungesundes Klima herrscht. Sie ziehen in ihre Gärten vor der Stadt, wo sie aus Weiden Hütten bauen. Die Hütten decken sie mit Blättern. Wenn ein besonders heisser Landwind kommt, tauchen die Menschen bis zum Kinn in den Fluss und warten bis der Wind vorüber ist. Die Bewohner von Hormus sind Muslime und haben eine dunkle Hautfarbe. Sie säen im November den Weizen, Reis und Hirse und ernten im März. Aus den Datteln machen sie einen guten Wein. Die Menschen leben hauptsächlich von Datteln und gesalzenen Fischen. Bagdad ist eine mächtige Stadt. Früher regierte dort der Kalif aller Araber. Der Strom Tigris fliesst mitten durch die Stadt. Auf ihm führen die Kaufleute ihre Waren bis in den Indischen Ozean. In der Stadt werden ganz besondere Stoffe wie golddurchwirkte Seide, Damast mit Tierfiguren. Indische Perlen und Edelsteine werden von den Kaufleuten nach Europa transportiert. Die Händler werden mit diesen Waren sehr reich. Die Händler bringen viele Waren aus der Umgebung der Stadt: Baumwolle aus Mosul, Datteln aus Basra, Felle aus Russland. Aus Persien kommen Stickereien aus Seide und Gold, Schwerter und alle Art von Waffen, weil es in Persien Eisenerz gibt. Aus Kurdistan kommt aus einem besonderen Brunnen Erdöl, das man nicht als Speiseöl verwendet, sondern als Salbe für Hautkrankheiten oder als Brennstoff für Lampen Viele Tagereisen von Hormuz erstreckt sich eine grosse Wüste und man erreicht das Land Afghanistan. Man findet dort Burgen und Städte. Die Menschen bauen die besten Melonen der Welt an; sie trocknen die Stücke in der Sonne; sie schmecken wie Honig. Auch wird dort das reinste Salz auf der ganzen Welt gewonnen und verkauft. Die Menschen tragen auf dem Kopf eine zehn Spannen lange Die meisten Leute in Bagdad aber sind arm. Man findet viele verschiedene Völker und Reli6 Schnur. Die Menschen sprechen eine besondere Sprache und ihr Reich stammt vom König Alexander dem Grossen ab. Man findet dort in den Bergen den Stein Lapislazuli, der für alle die Farbe blau liefert. Sie sind die besten der Welt. Auch Silber, Kupfer und Blei findet man in Minen. wichtiges Handelsgut und werden nach China verkauft. Von dort muss man eine grosse Wüste queren. Am Rande der Wüste muss man sich für einen Monat mit Essen und Trinken versorgen. Man kauft kräftige Esel und Kamele. Am besten sind Kamele, weil sie anspruchslos sind, schwere Lasten tragen können. Während dreissig Tagen geht der Weg unaufhörlich über sandige Flächen und kahle Berge. Nach jedem Tag erreicht man einen Platz, wo es Wasser gibt. An einigen Plätzen jedoch ist das Wasser bitter oder salzig. In diesen Wüsten wohnen, wie man weiss, böse Geister. Sie zeigen einem Sachen, die man sieht, die aber nicht richtig sind. Man hört auf einmal seinen Namen rufen und wenn man dem Rufen nachläuft, ist man auf einmal alleine in der Wüste und stirbt. Andere sehen in der Nacht Truppen nähern und begeben sich auf die Flucht und verirren sich darauf in der Wüste. Zuweilen ist die Luft voll von Musik, mit Lärm von Waffen und Trommeln. Den Lasttieren hängen sie Glocken um, damit sie nicht verloren gehen. Dort beginnt das grosse Gebirge. Es ist so hoch, dass ein Mann von morgens bis abends steigen muss, um die Gipfel zu erreichen. Zwischen den Bergen aber breiten sich weite Hochebenen voller Wiesen und Blumen aus, und grosse Ströme mit ganz klarem Wasser enthalten viele Forellen und andere schmackhafte Fische. Wenn man also Afghanistan verlässt und in nordöstlicher Richtung geht, dabei Berg über Berg übersteigt, gelangt man endlich an einen Platz. Dort meint man, man sei am höchsten Ort der Welt. Man findet einen grossen See zwischen zwei hohen Gebirgszügen. Zwölf Tage führt der Weg über eine weite Hochebene, die man Pamir nennt. Man trifft keine Menschen, aber viele wilde Tiere. Dort weiden auch Schafe, die riesige Hörner haben. Die Berge sind so hoch, dass man keine Vögel in der Nähe der Gipfel sieht. Das Feuer, das man anzündet, ist nicht so heiss wie in niedrigen Gebieten und es ist schwierig, etwas richtiges zu kochen. Nach dreissig Tagen kommt man in die Stadt Dunhuang, die zu China gehört. Die Bewohner sind Buddhisten. In der Umgebung gibt es auch viele Klöster; die Wände sind mit vielen Bildern mit allen möglichen Gestalten bemalt. Diese Bilder werden von der Bevölkerung mit grosser Ehrfurcht angeschaut. Die Leute bringen den Götterbildern Opfer. Daneben gibt es Türken: sie sind Muslime und auch einige nestorianische Christen sind darunter. Endlich erreicht man einen Platz, der Kaschgar heisst. Wir stehen jetzt unter der Herrschaft des Grosskhans. Das Volk spricht eine andere Sprache und lebt vom Handel und vom Handwerk. Sie stellen Stoffe aus Baumwolle her. Es gibt hier hübsche Äcker, Baumgärten und Weinberge. Sie pflanzen neben Baumwolle auch Flachs und Hanf. Die meisten Bewohner sind Muslime, es leben aber auch nestorianische Christen dort. 4. Die Mongolen in China In den gemässigten Steppen und Wüsten Innerasien stammen verschiedene Nomaden- und Reitervölker wie die Hunnen, die Türken, die Uiguren, Tataren, Mongolen. Zwischen 1200 und 1300 unterwerfen diese Völker das gesamte Asien nördlich des Himalajas zwischen dem Kaspischen Meer und China 3. Die grosse Wüste – Takla Makan Die Wüste Takla Makan ist zusammen mit der Wüste Gobi einer der grössten Wüsten der Welt. Sie ist eine so genannte gemässigte Wüste und ist gefürchtet wegen ihren grossen Temperaturunterschieden: Im Sommer herrschen Temperaturen bis 40 Grad Celsius, im Winter sinken sie schnell unter minus 20 Grad. Durch die grossen Temperaturunterschiede und die begrenzenden Gebirge entstehen oft heftige Winde und Sandstürme, die für die Reisende lebensgefährlich sind. In Kaschgar teilt sich die Seidenstrasse in zwei Äste, die sich am Süd- und Nordrand der Takla Makan bewegen. Marco Polo benutzte die Südroute. Die Mongolen haben nirgends feste Wohnsitze. Im Sommer ziehen sie nach Norden, um Weide für ihr Vieh zu suchen. Sie begeben sich dabei in die höheren Regionen der Berge, wo es kühl ist, Wasser und saftige Weiden hat und die Tiere nicht so von den Pferdefliegen geplagt werden. Ihre Zelte bestehen aus Pfählen, die sie mit Filzmatten belegen. Sie sind rund und so gebaut, dass man sie zu einem Bündel zusammenlegen kann und auf einen vierrädrigen Wagen Platz hat. Der Filz ist so gut, dass man im Zelt einen ganzen Regentag sitzen kann, ohne nass zu werden. Auf den Wagen führen sie alles mit, was sie zum Leben brauchen. Die Frauen kümmern sich um den Handel; sie kaufen und verkaufen und Von Kaschgar zieht man südöstlich und erreicht über Yarkant die Stadt Hotan. In dieser Gegend findet man in den Flüssen Edelsteine wie Calcedone und Jaspis; diese sind ein 7 sorgen für die Familie. Die Männer beschäftigen sich mit der Jagd und den Waffen. Sie haben die besten Falken und Hunde der Welt. Die Mongolen essen vorwiegend Milch und Fleisch. Sie trinken auch Stutenmilch, der wie weisser Wein schmeckt. Sie nennen ihn Kumys. Auch haben sie Milch bei sich, die wie Teig verdickt und getrocknet ist. Jeder Vorsteher einer Sippe brennt seinen Hengsten, Stuten, Kamelen und Rindern sein Zeichen ein. Dann schickt er die Tiere auf die Weide in die Berge ohne Hirten. Wenn sich ein Tier einer andern Herde anschliessen, werden sie vom Besitzer zurück geschickt. Nur die Schafe und die Ziegen haben Hirten. Im Gebirge findet man wilde Rinder, so gross wie Elefanten. Viele dieser Tiere hat man gefangen und sie gezähmt und sie mit einer Kuh gekreuzt. Diese können schwere Lasten tragen und sind viel ausdauernder als andere Tiere im Gebirge. In der neuen Hauptstadt Peking baute der Khan einen neuen Stadtteil. Darin steht sein Palast. Er hat die Form eines grossen Vierecks, das vier mal vier Kilometer gross ist. In der Mitte der Seite befindet sich immer ein Tor. Innerhalb dieser Mauer findet sich ein weiteres Mauerviereck, das drei mal drei Kilometer misst. An der Nordseite befinden sich drei Tore als Eingang. Das mittlere ist das grösste und wird nur geöffnet, wenn der Kaiser in den Palast einzieht. Die andern Tore sind für die Diener und die Gäste. Mitten drin sieht man noch ein weiteres sehr dickes Mauerviereck, das anderthalb mal anderthalb Kilometer weit ist. Darin wohnt der Kaiser in einem grossen Palast mit vielen, vielen Zimmern. Zu diesem Palast haben nur Personen von hohem Rang Zutritt. Der Palast ist ausserordentlich reich verziert mit vergoldeten Schnitzereien, die Drachen, Krieger, Vögel und vierfüssige Tiere darstellen. Mitten drin findet man eine grosse Halle und sie wird für Gastmähler. verwendet. In der Halle haben sehr viele Menschen Platz. 5. Marco Polo bei Khubilai Khan in Peking Khubilai Khan baute für die Chinesen eine neue Stadt, die er Taidu nannte. Sie war ebenfalls viereckig und hatte einen Umfang von 40 Kilometern. Die Stadtmauer hat 12 Tore und die Stadt ist wie ein Schachbrett aufgebaut. Die Anzahl der Einwohner von Peking ist unvorstellbar gross. Es ist die grösste Stadt der Welt. Ab 1264 wird Beijing (oder Peking) die Hauptstadt des östlichen Mongolenreichs. Peking heisst Kambalu. Die osttürkische Schreibweise ist: Khanbaligh, d.h. Stadt des Khans. Nach dem Tod von Dschingis Khan wird das Reich unter den Söhnen aufgeteilt. Der Enkel von Dschingis Khan nennt sich Kubilai Khan. Er lebt von 1214 bis 1294. Khan heisst Herrscher. In den Jahren 1268 und 1279 erobert Kubilai Khan das reich Sung in Südchina. In der Stadtmitte hängt eine grosse Glocke. Wenn es dunkel wird, schlägt die Glocke dreimal: Dann darf sich niemand mehr in den Strassen aufhalten, ausser wenn jemand Hilfe holen muss. Die Chinesen tragen keine Bärte. Die Mongolen, Türken, Christen und Europäer haben Bärte. Da die Mongolen China erobert haben und fremd im Land sind, vertrauen sie den Chinesen nicht. Alle Wachen und die Mitglieder der Regierung sind darum Mongolen, Türken oder andere Fremde. Khubilai zog nach seinem Sieg über die Chinesen mit grossem Pomp in seine neue Hauptstadt Peking. Dort feierte alle Feiertage der verschiedenen Religionen: Christen, Juden, Muslime und Buddhisten. Als er gefragt wurde, warum er dies tue, antwortete er: Es gibt vier Profeten: Jesus Christus für die Christen, Mohammed für die Muslime, Moses für die Juden und Buddha für die Buddhisten. Ich verehre alle und bitte den höchsten unter ihnen um Hilfe. Marco Polo fragte ihn, warum er nicht Christ werden wolle. Da antwortete Khubilai Khan: Weil die Christen auch keine Wunder bewirken können. 6. Marco Polo berichtet über China Marco Polo berichtet aus der Sicht eines Kaufmanns aus China. Ihn interessiert alles, was für Handel und Verkehr wichtig ist. Das Papiergeld, die Transportorganisation und die Post sowie die Lebensweise der Menschen. Bekannt kam Marco Polo mit Sicherheit die Institution der Posthäuser vor: In Venedig heissen sie fondaco; aus dem Arabischen funduq; in der Schweiz nennt man sie Susten. Kubilai Khan ist von mittlerer Grösse und ein schöner Mann. Er hat vier Hauptfrauen und noch eine Menge Nebenfrauen. Jedes zweite Jahr sendet er seine Botschafter aus, die in der Mongolei alle jungen Frauen anschauen und die schönsten unter ihnen auslesen und nach Peking mitnehmen. Die Eltern der jungen Frauen fühlen sich sehr geehrt, wenn der Khan eine ihrer Töchter ausliest. Der Khan hat bereits 20 Söhne von seinen Hauptfrauen. In Peking befindet sich auch die Münzanstalt, wo Khubilai Khan Papiergeld herstellen lässt. Man löst die Rinde des Maulbeerbaumes ab. Die Blätter des Maulbeerbaums brauchen sie, um die Seidenraupen zu füttern. Die Innenrinde wird zerstampft und aus dem Brei wird Pa8 pier hergestellt. Das Papier wird dann in Geldnoten mit verschiedenem Wert geschnitten. Beamte stempeln und färben das Papier: so wird es zu Geld. Mit dem Papiergeld kann man in ganz China alles bezahlen und kaufen, was man will. Residenz. Der Venezianer ist überwältigt von der Grösse und der Pracht der Stadt. Den Umfang der Stadt schätzt man auf 160 Kilometer. Die Stadt hat breite Strassen und Kanäle und 12'000 Brücken. Man zählt zehn Marktplätze, die je 800 Meter breit und lang sind und auf den Plätzen versammeln sich an den drei Markttagen ungefähr 50'000 Menschen, um ihre Waren anzubieten. Alles was man sich vorstellen kann, kann man dort kaufen. Um die Plätze herum sind die Häuser gebaut. Im Erdgeschoss befinden sich die Kaufläden, im ersten Stock wohnen die Menschen. Die Menschen haben eine weisse Gesichtsfarbe und sind sehr schön und kleiden sich in Seide. Seide wird in dieser Stadt in gewaltigen Mengen hergestellt. Von jedem Handwerk gibt es tausend Werkstätten; in jeder Werkstatt arbeiten ungefähr zehn Handwerker. Von Peking aus führen viele Strassen in die verschiedenen Teile des Landes. Im Abstand von 40 Kilometern findet man Städte oder Stationen mit Unterkunft und Verpflegung für die Reisenden. Dies entspricht einer normalen Tagesetappe. Die Häuser an den Wegstationen werden Posthäuser genannt. Es sind grosse und geräumige Häuser mit vielen gut eingerichteten Zimmern zum Übernachten. Auch stehen immer frische Pferde bereit. Diese Poststationen dienen auch dem Transport von Nachrichten. Ein Postreiter bringt so die Nachricht von Station zu Station. Eine Nachricht kann so innerhalb von zwei Tagen über eine Entfernung von 12 Tagesreisen überbracht werden. Kommt eine Strasse an einen Fluss, stehen dort ständig Fähren bereit. Beiderseits der Strassen wurden auch Bäume gepflanzt. Im Sommer geben sie Schatten und im Winter weisen sie den Weg. In den Städten gibt es viele Brücken. Eine, die ich gesehen habe, ist 300 Schritte lang und 8 Schritte breit. Die Strassen sind gepflastert, so dass man sich die Füsse nicht schmutzig machen muss. Die Hauptstrasse ist an beiden Rändern 10 Schritte breit gepflastert. In der Mitte ist sie mit Sand bedeckt. Im ganzen ist die Strasse gewölbt, so dass das Regenwasser ablaufen kann und die Strasse immer trocken bleibt. In jeder Strasse der Stadt hat es einen Wachtturm. Bei jeder Brücke hat es ein Wachthaus. In diesen Wachthäusern gibt es eine Wasseruhr, welche die Stunden anzeigt. Nach der ersten Nachtstunde schlägt der Wächter mit einem Holzstab auf einen Gong aus Metall: einmal. Nach der zweiten Nachtstunde schlägt er zweimal; und so fort bis zum Morgen. Am Morgen nach Sonnenuntergang schlägt er nach der ersten Morgenstunde einmal; und so weiter bis zum Abend. Den Menschen ist verboten, während den Nachstunden die Häuser zu verlassen. Die Nachtwachen harren auf einem Hügel aus, um ein Feuer in der sofort zu bemerken. Wenn es brennt, schlagen sie auf ein hölzernes Brett, das man weit hin hört. Sowohl die Chinesen wie auch die Mongolen essen häufig Reis, Buchweizen und Hirse. Diese kochen sie in Milch oder mit Fleisch zusammen. Aus dem Weizen machen sie aber kein Brot, weil es unbekannt ist, sondern sie machen Nudeln daraus. Der Khan sorgt auch dafür, dass in guten Jahren Kornkammern als Vorrat gefüllt werden. Wenn die Ernte schlecht ausfällt, erhalten die Menschen aus den Kornkammern Getreide, um sich zu ernähren. In schlechten Jahren müssen sie auch keine Steuern bezahlen. Aus Reis machen die Leute Wein. Sie verwenden auch schwarzen Stein. Er brennt wie Kohle und hält viel länger als Holz. Mitten in der Stadt befindet sich ein sehr schöner Palast. Er hat 16 Kilometer Umfang. innen drin ist er sehr schön verziert mit Azurblau und Gold. Eine Säulenhalle diente der Hofhaltung für den Kaiser. Die Säulen waren aus Gold, das Dach war verziert und die Wände waren reich bemalt. 7. Die Hauptstadt Hangzhou Marco Polo reist noch in die Hauptstadt des südchinesischen Reiches der Sung-Dynastie, die von den Mongolen in diesen Jahren erobert wurde. Marco Polo nennt sie Quinsai. Offenbar hat Marco Polo kein Chinesisch verstanden, den „King-sse“ heisst 9 Abb. 6: Physische Karte von Asien (aus: Schweizer Weltatlas) Marco Polo reist nach China: Historische Hintergründe Sterbebett gesagt haben: „Ich habe nicht die Hälfte dessen erzählt, was ich gesehen habe!“ War Marco Polo in China? Namhafte Forscher und Forscherinnen bezweifeln, ob Marco Polo jemals in China gewesen ist. Diese Zweifel basieren vor allem auf den Auslassungen von Marco Polo: Er erwähnt nicht die chinesische Mauer, die „Lilienfüsse“ der Chinesinnen und vieles mehr. Ein Autor nennt den Bericht von Marco Polo als den „grössten Schwindel des Mittelalters“ und geht davon aus, dass Marco Polo seine Texte aus verschiedenen arabischen Quellen abgeschrieben hat. Tatsache ist zwar, dass Menschen im Mittelalter ein anderes Verhältnis zur Wahrheit hatten als wir. Der Text von Marco Polo enthält trotz allen Verfälschungen, Unschärfen und offensichtlichen Fehlern so viele detailgetreue Informationen und eine insgesamt realistische Wegbeschreibung, so dass es eher unwahrscheinlich ist, dass der ganze Text ein Plagiat ist. Oder muss man auch davon ausgehen, dass auch die erste Reise der Gebrüder Polo eine Falschinformation ist? Auf jeden Fall hielten viele von Polos Zeitgenossen den Bericht für reine Lügengeschichten. Gemäss Bericht eines Zeugen blieb aber Marco Polo bei seiner Darstellung und soll auf dem Venedig im 13. Jahrhundert Im Jahre 1204 eroberten die venezianischen Streitkräfte Konstantinopel, die Hauptstadt der oströmischen Reiches, und errichteten ein lateinisches Königreich. Venedig war damit auf dem Höhepunkt seiner Macht und beherrschte das ganze östliche Mittelmeer. Der zweite Bruder von Marco Polos Vater unterhielt auf der Insel Krim ein Handelskontor. Die venezianischen Kaufleute engagierten sich im Fernhandel mit China, Indien und der Arabischen Halbinsel: Gewürze, Weihrauch, Seide, Edelsteine. Venedig umfasste um 1300 etwa 160'000 Einwohner. Die Stadt kontrollierte den Seehandel bis an die libanesische Küste und verfügte über ein Handelsnetz nach Deutschland und Frankreich. Venedig verfügte über ein effizientes Verbindungsnetz mit den muslimischen Kaufleuten im Orient. Um 1425 verfügt Venedig über die höchsten Staatseinnahmen Europa. Venedigs Staatseinnahmen betrugen in dieser Zeit 10 Millionen Goldstücke, diejeni- 10 gen des deutschen Kaiser nur 200'000 Goldstücke. Die Mongolen in Asien Marco Polo traf in China auf die Dynastie der Mongolen. Diese kamen ursprünglich aus dem Gebiet südöstlich des Baikalsees. Um 1200 einte sie Dschingis Khan. Seine Kriegszüge machten ihn zum Herrscher über Inner-, Ostund Vorderasien sowie Osteuropa. Von 1236 bis 1241 unterwarfen seine Truppen Russland, 1256-59 Persien und Kaukasien. Von 1215 bis 1280 eroberten sie Innerasien bis nach China. Ab 1260 bildete Beijing die neue Hauptstadt Chinas. Ihre Herrschaft über China brach erst 1368 zusammen. Doch bereits 1359 gründete Timur-i-leng (der Lahme) ein neues Mongolenreich, das Persien, Mesopotamien, Kaukasien, Innerasien mit seiner Hauptstadt Samarkand umfasste. Das Reich zerfiel bereits 1405. Zusätzliche Informationen und Karten: dtv-atlas Weltgeschichte, Bd. 1. München 39 2007. S. 176f., 178f., 182f. Abb. 7: Kaufmann an einer Hausfassade in Venedig 11