Wege zur inneren Schönheit

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Wege zur inneren Schönheit
Wege zur inneren Schönheit
Körperliche Liebesethik
Mathias Claus
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Windisch
Körperliche Liebesethik
Die religiösen Glaubensformen der Vergangenheit haben dazu
beigetragen, das körperliche Liebesleben zu unterdrücken und
abzuwerten. In der patriarchalen Epoche wurde die körperliche Liebe, die
Schönheit der Sinnlichkeit und damit die Sexualität mit Schuld, Scham
und Angst belegt. Sie wurden gespalten in einen ungelebten heiligen und
einen heimlich gelebten, schuldbeladenen Teil. Im Zuge des
Monotheismus wurde der Körper als der Tempel der Seele immer
weniger geschmückt, die Körperkultur wurde vernachlässigt und der
Tanz und die höheren Freuden der Sinneslust wurden abgewertet. Zu oft
wurde in den Religionen der Vergangenheit das geistige Leben über das
Körperliche gestellt. Askese und die Vernachlässigung der körperlichen
Kräfte führten zu einer Spaltung von Körper und Geist. Mit diesem
historischen Erbe sind viele Männer und Frauen in ihrem sexuellen
Liebesleben noch heute konfrontiert.
Heutzutage boomt in vielen Ländern dieser Welt die Prostitution. Die
Sexualität findet in der Pornographie und in abstrusen Sexualriten ihre
Perversion. Leben wir demzufolge nicht in einer Zeit, in der es nach einer
neuen Sexualethik ruft? Und liegt nicht in einer Verbindung von
ethischer Schönheit und Sexualität der Gegenpol zu der Degradierung
der körperlichen Liebe? Können wir nicht mit einer neuen Sexualethik
dem körperlichen Liebesleben eine neue Würde verleihen?
„Es ist daher eine Roheit und Dummheit zugleich, wenn Männer in
der Frau nur ein Möbel sehen zur Befriedigung ihrer sinnlichen
Triebe, statt eine auf gleicher Stufe der Bildung stehende Gattin.“
Carl Huter
Die Sexualität wird noch heute von vielen Männern so betrieben, als
wäre es ein Leistungssport, in dem Kraft, Härte und Rohheit zählen und
in dem sie sich ihre Männlichkeit und Potenz beweisen können. Mit der
Verrohung der Sexualität nähert sich der Mensch dem unbewussten,
triebhaften Leben, das jeglicher Heiligkeit und Liebe entbehrt und damit
den Boden für ein seelisches Wachstum verhindert.
Die Sexualethik
In einer liebevollen Sexualität, in der Würdigung von Zärtlichkeit und einer
ästhetischen Sinnlichkeit liegt eine grosse Heilkraft. Die innige Verbindung
von Mann und Frau ist nicht nur ein Quell der höchsten Lust, sondern sie ist
auch ein Tor zu einer höheren Welt. In der geschlechtlichen Verbindung
werden wir zu Schöpfern neuen Lebens, hier werden die ersten Wurzeln für
ein neues Leben gelegt. In der Sexualität fliessen somit körperliche Lust,
spirituelle Betätigung und humanitäre, ethische Verantwortung zusammen.
„Der Geschlechtstrieb ist der Wurzeltrieb alles Werdens, Bildens
und Erhaltens. Er ist der Grundtrieb aller Liebe und die Quelle
alles seelischen und geistigen Erwachens. Der Geschlechtstrieb
ist der Trieb zum Schönen, zum Sittlichen und zum Idealen. An
ihn heften sich alles Sein, alle Schöpfung und alle
Entwicklungen. Den Geschlechtstrieb müssen wir zügeln,
heiligen, bilden, stärken und entfalten lernen, denn aus ihm
fliessen Lebens- und Liebesglück, alles Heil, alle Kraft und alle
Freude … Aus diesem folgt nun, dass durch die Zeugung die
Grundkräfte des Individuums geschaffen werden und zweitens,
dass die äussere Umgebung bildend und beeinflussend auf den
Menschen einwirkt. Beides kann in günstiger und ungünstiger
Weise vor sich gehen. Das eine wie das andere kann heilen und
kräftigen oder schwächen und zerstören … “
Carl Huter
Der Geschlechtstrieb ist der Grundtrieb aller Liebe, er gilt als die Quelle
alles seelischen und geistigen Erwachens und als höchster Trieb zum
Schönen und Idealen. Wenn der Mensch einen bewussten, verfeinerten
Zugang zur Sexualität findet, so kann sich mit seinem Geschlechtstrieb
auch seine Liebeskraft stärken und ihn zu höheren Stufen der
Persönlichkeitsentwicklung führen.
Die Unio Mystica – die heilige Hochzeit
„Führe diese Gegensätze zusammen, und die Welt versinkt in
spiritueller Ekstase“, sagen die Meister des Tao, für die Sex so
natürlich und notwendig für die menschliche Gesundheit und ein
langes Leben ist wie der Regen, der auf die Felder fällt.“
Mantak Chia
In einer Ethik der Zukunft wird die Sexualität zu einem Fest der
ästhetischen Sinnlichkeit, der Liebe, der Schönheit, der Innigkeit und
Lebensfreude. Nicht länger wird die Befriedigung der sinnlichen Triebe
im Zentrum der Sexualität stehen, sondern das Feingefühl, die Harmonie
von Körper und Geist und die Vielfalt der körperlichen, sinnlichen und
seelischen Liebesformen wird zu einer neuen Kultur der Liebeskunst
führen. Ein nie dagewesener Reichtum der sinnlichen und seelischen
Empfindungen wird das Liebesleben bereichern.
In der erotischen Begegnung wird der Mensch an die Vereinigung von
männlichen und weiblichen Urkräften erinnert, also an das Grundprinzip
des Lebens. Sie erleben die Unio Mystica - die heilige Hochzeit, die in
den Religionen immer wieder als Symbol für die Überwindung der
Dualität und für die höchste Stufe der Glückseligkeit angesehen wird.
Insofern hilft uns die erotische Beziehung uns an die grosse Vereinigung,
an die Nicht – Dualität und Harmonie der höheren Entwicklungsstufen zu
erinnern.
Die innige Umarmung ist deshalb nicht nur ein Quell der höchsten
sinnlichen und seelischen Lust, sondern sie ist auch ein Tor zu einer
höheren geistigen Welt. Die erotische Liebe in ihrer höchsten
Verwirklichung gibt uns einen vagen Vorgeschmack auf die göttliche
Einheit, in der Harmonie, Gegenseitigkeit, Liebe und ethische und
sinnliche Schönheit die höchsten Stufen der Verwirklichung finden.
Das Ritual der Schöpfung neuen Lebens
„Warum ist die geschlechtliche Zeugung als ethische und religiöse
Handlung aufzufassen?
Eine ethische Handlung soll es darum sein, weil die Erzeuger ein
Stück von ihrem eigenen geistigen und körperlichen Ich in das Kind
verpflanzen und verschmelzen; hierzu müssen höchste seelische
Liebe beider Gatten zueinander mit dem übereinstimmenden Willen,
ein neues wesen zu zeigen, ebenso die gegenseitige Pflicht wie auch
die vorherige Läuterung und Anspornung der Seele zu allem Guten
Bedingung sein, dieses sind Pflichten, die sie auch dem werdenden
Kinde schuldig sind. Geschlechtsakte ohne diese ethischen
Grundlagen sind schwer zu verantwortende Handlungen. Da also die
Erzeuger am Leben des Kindes schuldig sind, so sollen sie sich zum
Zeugungsakte längere Zeit vorbereiten, durch gesundes, körperliches
Befinden, ungestörtes Alleinsein mit edelstem Denken und
Empfinden. Die Verschönerung ihrer Körper, Seelen und Umgebung
müsste vorhergehen. Religiös ist der Zeugungsakt dadurch, dass ein
neues Leben, dass den Gottesfunden trägt, von den Erzeugern
erschaffen wird; je edler sie dieses Leben erschaffen, desto
gottähnlicher und entwicklungsfähiger wird es. Zeugungsakte können
im naturwidrigen Sinn die grössten Verbrechen, in richtiger
natürlicher Art die heiligsten Handlungen sein.“
Cal Huter
Gehen wir den Weg zu den Quellen der Liebe zurück, so finden wir diese
in der geschlechtlichen Verbindung von Mann und Frau. Hier entsteht der
erste zarte Keim des Lebens, hier finden wir die Wurzeln unserer ersten
Lebenskraft. In der Schönheit der körperlichen Liebe finden wir die
besten Voraussetzungen für ein neues Lebensglück. Wer neues Leben in
tiefer Liebe zeugt, der baut an dem Fundament der Weisheit des Lebens.
Er schafft damit die beste Basis für das Erblühen höherer ethischer
Werte.
„Und suche in Liebe zu zeugen, im edelsten Streben, in
sympathischer, treuer Vereinigung, mit einem Gatten neue Wesen,
die da tragen so wie du den Stempel der Gottheit, verklärend die
Wahrheit, und Gesundheit und den Widerschein der Ideale der Natur
am Körper, im Auge und Angesicht!“
Carl Huter
„Die wahre Religion fängt mit der Liebe und Zeugung an, strebt in
der segensreichen Arbeit weiter und gipfelt in den Idealen der
Schönheit.“
Carl Huter
Die Verfeinerung der Sexualität
„Die Vereinigung von Mann und Frau schenkt uns einen Einblick in
die Einheit des Universums. Die sexuelle Erfahrung ist eine der
grossen Gaben der Menschheit, denn sie bietet eine relativ einfach
zugängliche Erfahrung der totalen Ausgeglichenheit und Harmonie
und dient so als Metapher für das höchste Ziel des Lebens, jenes Ziel
besteht nach Auffassung der taoistischen Weisen darin, durch die
Vereinigung der Gegensätze Frieden und Harmonie zu schaffen.“
Mantak Chia
Wie Sexualität gesundheitsfördernd wirken kann, so kann sie aber auch
bei Verrohung und einseitiger Triebhaftigkeit die positiven Lebenskräfte
schwächen. In der Sexualität sind immense Kräfte verborgen, die wir im
Liebesspiel bewusst steigern oder vergeuden können. Wenn der Mensch
einen verfeinerten Zugang zur Sexualität findet, dann kann mit der
körperlichen Liebe auch die Helioda erblühen und ihn zu höheren Stufen
der Schönheit führen.
„Jeder geschlechtliche Zeugungsakt soll jedem Manne und jeder Frau
ein heiliger sein. Kein Zeugungsakt soll ohne vorhergehende,
begleitende und nachfolgende grosse gegenseitige physische und
seelische Liebe vollzogen werden … Gute Stimmung, Gesundheit,
Wohlsein, Kraft und Liebe müssen beiderseits vorhanden sein. Bei
Abneigung, Ärger, bösen, trüben oder furchtsamen Gedanken,
Unwohlsein, Schwäche, Lieblosigkeit ist die geschlechtliche
Berührung so lange streng zu meiden bis diese überwunden sind.
Auch in dem Falle, wenn davon nur auf einer Seite etwas vorhanden
ist, muss der andere Teil von einer intimen Vereinigung absehen.
Ebenso streng sind vorher narkotische Mittel wie Tabak, Opium und
Alkohol zu meiden … Die innigst verbindende Umarmung darf sich
niemand in Gegenwart dritter Personen erlauben. Man soll sich nur in
ungestörter Einsamkeit an einem möglichst ruhigen und sehr
schönen, von der Natur oder kunstreicher Hand ausgeschmückten
Ort, welcher zuvor in Liebe geweiht wurde, hingeben. Sehr tiefes
Dunkel oder sehr helles Licht wirken störend und für beide Körper
der Gatten nachteilig, daher muss ein angenehmes Halbdunkel oder
ein Dämmerlicht gewählt werden.“
Carl Huter
Die vorhergehende, begleitende und nachfolgende grosse gegenseitige
körperliche und seelische Liebe und auch der in Liebe und Schönheit
geweihte Ort können uns helfen, uns der Heiligkeit der Sexualität
anzunähern.
Körperliche Liebe ist mehr als sexuelle Lust
"Verweile mit ruhigem Geist da, wo du Befriedigung findest! So wird
sich dir die Essenz der Glückseligkeit offenbaren!"
Vijnana Bhairava Tantra
Durch den Einbezug der Liebe wird die Sexualität mehr als nur
triebhaftes Lusterleben. Körper, Geist und Seele werden zu einer Einheit,
die gleichermassen zu einem Höhepunkt des Erlebens geführt werden.
Die Sexualität ist in den Anfangsstadien der Entfaltung oftmals egoistisch
erlebte körperliche Lust zu zweit. Jeder ist auf seine Sinneslust
konzentriert und möchte diese steigern und zum Höhepunkt führen. In
der Verfeinerung der Sexualität geht es nicht mehr primär um die
Steigerung der körperlichen Lust, sondern es geht um den Aspekt der
Beziehung und um die im gegenseitigen Austausch erlebte sinnliche und
seelische Schönheit. Erotische Liebe wird dadurch zu einem Fest der
körperlichen und seelischen Einfühlung.
Im gegenseitigen Geben und Nehmen, im innigen Austausch vitaler,
seelischer Kräfte wird der erotische Akt zu einem innigen körperlichen
und geistigen Dialog zwischen Mann und Frau. Sexualität wird dann zu
einer sinnlichen Beziehung, die auf Wertschätzung, Einfühlung und
Gegenseitigkeit basiert. Sobald sich dieser Dialog der Liebenden einstellt
haben die Partner nicht mehr das Gefühl, dass sie ein Objekt der
Begierde sind. Die ganze Person wird sich in dem Moment der
Gegenseitigkeit und der Einfühlung integriert fühlen, so dass uns die
körperliche Liebe zu immer umfassenderen Erleben von Harmonie führt.
„Der Weg aber führt in der wahren Erotik von dem Beglücktsein
durch den einzelnen schönen Leib über die Liebe zur leiblichen
Schönheit überhaupt zur Liebe des Seelisch-Schönen und von ihm
zur Liebe jener Schönheit, die dem Gedanken, dem Ideellen eignet.
Wer die Stufen jenes Aufstiegs durchschritten hat, dem aber öffnet
sich auf höchster Stufe der Blick für die reine Gestalt des einen
wahren Schönen an sich, das immer ist… „
Platon
Wussten sie, dass schon Platon als einer der ersten grossen Philosophen
und Weisen des Abendlandes über die körperliche Liebe und über eine
wahre Erotik nachsinnte?
Für ihn stand am Beginn der wahren Erotik das Beglücksein über den
schönen Leib. Diese Beglückung wird wohl fast jeder Mann kennen, doch
auch viele Frauen schätzen die schönen Formen des männlichen Körpers.
Pflegt man dieses Beglücktsein als eine Vorstufe zu einer höheren Erotik,
so folgt als nächste Stufe die Liebe zur leiblichen Schönheit. In diesem
Sinne dürfte man diese Liebe nicht abwerten und auch nicht verdrängen,
um zu höheren Stufen der körperlichen Liebe zu finden. Blockierend für
den Prozess zur wahren Erotik wäre höchstens das Stehenbleiben und
damit die Fixierung auf dieser ersten Entwicklungsstufe des körperlichen
Liebeslebens. Doch worin erkennt Platon die folgenden, höheren Stufe
zur wahren Erotik?
Platon spricht von der Liebe des „Seelisch–Schönen“ und von der Liebe
jener Schönheit, die dem Ideelen gilt.
Der Umgang mit dem unterschiedlichen Geschlechtsvermögen
„Da nun der Geschlechtstrieb wie auch das
Geschlechtsvermögen bei den Geschlechtern verschieden
ist, da bei den einzelnen Personen diese wiederum schwach
oder stark voneinander abweichen und da die rein seelische
Liebe, d. h. der Grad des sympathischen Gefühls und des
Gefühlsvermögens, nochmals sehr starke Unterschiede in
den Stärkegraden zeigt, so gibt es im und unter Menschen
nichts Komplizierteres als das sittliche oder edlere Liebesund Geschlechtsleben. Das Eheproblem bleibt daher das
schwierigste, was es in der Welt noch zu lösen gibt. Bisher
ist es in keinem religiösen, ethischen oder staatlichen
System befriedigend gelöst. Unsere Zeit drängt auch hier
nach einer Lösung.“
Carl Huter
Ein grosses Problem unserer Zeit liegt darin, dass der Mensch sich zu
wenig bewusst ist, dass ein Mann und eine Frau einen ganz
unterschiedlich starken angeborenen Geschlechtstrieb haben können.
Doch was bedeutet es für einen Partnerbeziehung, wenn die
Geschlechtskraft bei einer Person viel stärker ist als bei der anderen?
Wie viel Leid, wie viel Seelenschmerz und Konfliktpotential liegt in dieser
Tatsache?
In den individuellen Ausdrucksformen finden wir nicht nur die
Ressourcen und Befähigungen, sondern auch die Geschlechtskraft. Sie
gibt uns damit die Möglichkeit, die individuellen Anlagen zu erkennen
und auch hier nach der idealen Ergänzung und Harmonie zu suchen.
Hier stellen sich unter anderem folgende Fragen: Welchen Stellenwert
hat die Sexualität in einer Beziehung? Gibt es Möglichkeiten und Wege,
dass trotz unterschiedlich starkem Geschlechtstrieb jeder Partner ein
erfülltes Sexualleben führen kann. Welche Vorstellungen und
Möglichkeiten sind denkbar, um heimliche Seitensprünge, Onanie oder
Prostitution zu vermeiden? Sind aussereheliche Beziehungsformen
sinnvoll und förderlich? Unter welchen Umständen sind diese möglich?
„Nur die innigste Liebe soll erst heilig genug sein, Mann und Frau
näher zu bringen und sie zu Gatten zu machen. Solches Verhältnis
bedingt aber grosse Seelenverwandtschaft, Ähnlichkeit und
Gleichheit der Bildung… Treue und Liebe kann niemals durch
Liebeseinbildung, Gesetz oder Vertrag erzielt werden, wenn die
beiden Ehepartner nicht geistig, seelisch, physisch miteinander
harmonieren.“
Carl Huter