Wege zur inneren Schönheit
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Wege zur inneren Schönheit
Wege zur inneren Schönheit Körperliche Liebesethik Mathias Claus Der vorliegende Text ist urheberrechtlich geschützt. Der Autor behält sich alle Rechte vor. April 2010 - Copyright bei Mathias Claus, Ländestrasse 27c, 5210 Windisch Körperliche Liebesethik Die religiösen Glaubensformen der Vergangenheit haben dazu beigetragen, das körperliche Liebesleben zu unterdrücken und abzuwerten. In der patriarchalen Epoche wurde die körperliche Liebe, die Schönheit der Sinnlichkeit und damit die Sexualität mit Schuld, Scham und Angst belegt. Sie wurden gespalten in einen ungelebten heiligen und einen heimlich gelebten, schuldbeladenen Teil. Im Zuge des Monotheismus wurde der Körper als der Tempel der Seele immer weniger geschmückt, die Körperkultur wurde vernachlässigt und der Tanz und die höheren Freuden der Sinneslust wurden abgewertet. Zu oft wurde in den Religionen der Vergangenheit das geistige Leben über das Körperliche gestellt. Askese und die Vernachlässigung der körperlichen Kräfte führten zu einer Spaltung von Körper und Geist. Mit diesem historischen Erbe sind viele Männer und Frauen in ihrem sexuellen Liebesleben noch heute konfrontiert. Heutzutage boomt in vielen Ländern dieser Welt die Prostitution. Die Sexualität findet in der Pornographie und in abstrusen Sexualriten ihre Perversion. Leben wir demzufolge nicht in einer Zeit, in der es nach einer neuen Sexualethik ruft? Und liegt nicht in einer Verbindung von ethischer Schönheit und Sexualität der Gegenpol zu der Degradierung der körperlichen Liebe? Können wir nicht mit einer neuen Sexualethik dem körperlichen Liebesleben eine neue Würde verleihen? „Es ist daher eine Roheit und Dummheit zugleich, wenn Männer in der Frau nur ein Möbel sehen zur Befriedigung ihrer sinnlichen Triebe, statt eine auf gleicher Stufe der Bildung stehende Gattin.“ Carl Huter Die Sexualität wird noch heute von vielen Männern so betrieben, als wäre es ein Leistungssport, in dem Kraft, Härte und Rohheit zählen und in dem sie sich ihre Männlichkeit und Potenz beweisen können. Mit der Verrohung der Sexualität nähert sich der Mensch dem unbewussten, triebhaften Leben, das jeglicher Heiligkeit und Liebe entbehrt und damit den Boden für ein seelisches Wachstum verhindert. Die Sexualethik In einer liebevollen Sexualität, in der Würdigung von Zärtlichkeit und einer ästhetischen Sinnlichkeit liegt eine grosse Heilkraft. Die innige Verbindung von Mann und Frau ist nicht nur ein Quell der höchsten Lust, sondern sie ist auch ein Tor zu einer höheren Welt. In der geschlechtlichen Verbindung werden wir zu Schöpfern neuen Lebens, hier werden die ersten Wurzeln für ein neues Leben gelegt. In der Sexualität fliessen somit körperliche Lust, spirituelle Betätigung und humanitäre, ethische Verantwortung zusammen. „Der Geschlechtstrieb ist der Wurzeltrieb alles Werdens, Bildens und Erhaltens. Er ist der Grundtrieb aller Liebe und die Quelle alles seelischen und geistigen Erwachens. Der Geschlechtstrieb ist der Trieb zum Schönen, zum Sittlichen und zum Idealen. An ihn heften sich alles Sein, alle Schöpfung und alle Entwicklungen. Den Geschlechtstrieb müssen wir zügeln, heiligen, bilden, stärken und entfalten lernen, denn aus ihm fliessen Lebens- und Liebesglück, alles Heil, alle Kraft und alle Freude … Aus diesem folgt nun, dass durch die Zeugung die Grundkräfte des Individuums geschaffen werden und zweitens, dass die äussere Umgebung bildend und beeinflussend auf den Menschen einwirkt. Beides kann in günstiger und ungünstiger Weise vor sich gehen. Das eine wie das andere kann heilen und kräftigen oder schwächen und zerstören … “ Carl Huter Der Geschlechtstrieb ist der Grundtrieb aller Liebe, er gilt als die Quelle alles seelischen und geistigen Erwachens und als höchster Trieb zum Schönen und Idealen. Wenn der Mensch einen bewussten, verfeinerten Zugang zur Sexualität findet, so kann sich mit seinem Geschlechtstrieb auch seine Liebeskraft stärken und ihn zu höheren Stufen der Persönlichkeitsentwicklung führen. Die Unio Mystica – die heilige Hochzeit „Führe diese Gegensätze zusammen, und die Welt versinkt in spiritueller Ekstase“, sagen die Meister des Tao, für die Sex so natürlich und notwendig für die menschliche Gesundheit und ein langes Leben ist wie der Regen, der auf die Felder fällt.“ Mantak Chia In einer Ethik der Zukunft wird die Sexualität zu einem Fest der ästhetischen Sinnlichkeit, der Liebe, der Schönheit, der Innigkeit und Lebensfreude. Nicht länger wird die Befriedigung der sinnlichen Triebe im Zentrum der Sexualität stehen, sondern das Feingefühl, die Harmonie von Körper und Geist und die Vielfalt der körperlichen, sinnlichen und seelischen Liebesformen wird zu einer neuen Kultur der Liebeskunst führen. Ein nie dagewesener Reichtum der sinnlichen und seelischen Empfindungen wird das Liebesleben bereichern. In der erotischen Begegnung wird der Mensch an die Vereinigung von männlichen und weiblichen Urkräften erinnert, also an das Grundprinzip des Lebens. Sie erleben die Unio Mystica - die heilige Hochzeit, die in den Religionen immer wieder als Symbol für die Überwindung der Dualität und für die höchste Stufe der Glückseligkeit angesehen wird. Insofern hilft uns die erotische Beziehung uns an die grosse Vereinigung, an die Nicht – Dualität und Harmonie der höheren Entwicklungsstufen zu erinnern. Die innige Umarmung ist deshalb nicht nur ein Quell der höchsten sinnlichen und seelischen Lust, sondern sie ist auch ein Tor zu einer höheren geistigen Welt. Die erotische Liebe in ihrer höchsten Verwirklichung gibt uns einen vagen Vorgeschmack auf die göttliche Einheit, in der Harmonie, Gegenseitigkeit, Liebe und ethische und sinnliche Schönheit die höchsten Stufen der Verwirklichung finden. Das Ritual der Schöpfung neuen Lebens „Warum ist die geschlechtliche Zeugung als ethische und religiöse Handlung aufzufassen? Eine ethische Handlung soll es darum sein, weil die Erzeuger ein Stück von ihrem eigenen geistigen und körperlichen Ich in das Kind verpflanzen und verschmelzen; hierzu müssen höchste seelische Liebe beider Gatten zueinander mit dem übereinstimmenden Willen, ein neues wesen zu zeigen, ebenso die gegenseitige Pflicht wie auch die vorherige Läuterung und Anspornung der Seele zu allem Guten Bedingung sein, dieses sind Pflichten, die sie auch dem werdenden Kinde schuldig sind. Geschlechtsakte ohne diese ethischen Grundlagen sind schwer zu verantwortende Handlungen. Da also die Erzeuger am Leben des Kindes schuldig sind, so sollen sie sich zum Zeugungsakte längere Zeit vorbereiten, durch gesundes, körperliches Befinden, ungestörtes Alleinsein mit edelstem Denken und Empfinden. Die Verschönerung ihrer Körper, Seelen und Umgebung müsste vorhergehen. Religiös ist der Zeugungsakt dadurch, dass ein neues Leben, dass den Gottesfunden trägt, von den Erzeugern erschaffen wird; je edler sie dieses Leben erschaffen, desto gottähnlicher und entwicklungsfähiger wird es. Zeugungsakte können im naturwidrigen Sinn die grössten Verbrechen, in richtiger natürlicher Art die heiligsten Handlungen sein.“ Cal Huter Gehen wir den Weg zu den Quellen der Liebe zurück, so finden wir diese in der geschlechtlichen Verbindung von Mann und Frau. Hier entsteht der erste zarte Keim des Lebens, hier finden wir die Wurzeln unserer ersten Lebenskraft. In der Schönheit der körperlichen Liebe finden wir die besten Voraussetzungen für ein neues Lebensglück. Wer neues Leben in tiefer Liebe zeugt, der baut an dem Fundament der Weisheit des Lebens. Er schafft damit die beste Basis für das Erblühen höherer ethischer Werte. „Und suche in Liebe zu zeugen, im edelsten Streben, in sympathischer, treuer Vereinigung, mit einem Gatten neue Wesen, die da tragen so wie du den Stempel der Gottheit, verklärend die Wahrheit, und Gesundheit und den Widerschein der Ideale der Natur am Körper, im Auge und Angesicht!“ Carl Huter „Die wahre Religion fängt mit der Liebe und Zeugung an, strebt in der segensreichen Arbeit weiter und gipfelt in den Idealen der Schönheit.“ Carl Huter Die Verfeinerung der Sexualität „Die Vereinigung von Mann und Frau schenkt uns einen Einblick in die Einheit des Universums. Die sexuelle Erfahrung ist eine der grossen Gaben der Menschheit, denn sie bietet eine relativ einfach zugängliche Erfahrung der totalen Ausgeglichenheit und Harmonie und dient so als Metapher für das höchste Ziel des Lebens, jenes Ziel besteht nach Auffassung der taoistischen Weisen darin, durch die Vereinigung der Gegensätze Frieden und Harmonie zu schaffen.“ Mantak Chia Wie Sexualität gesundheitsfördernd wirken kann, so kann sie aber auch bei Verrohung und einseitiger Triebhaftigkeit die positiven Lebenskräfte schwächen. In der Sexualität sind immense Kräfte verborgen, die wir im Liebesspiel bewusst steigern oder vergeuden können. Wenn der Mensch einen verfeinerten Zugang zur Sexualität findet, dann kann mit der körperlichen Liebe auch die Helioda erblühen und ihn zu höheren Stufen der Schönheit führen. „Jeder geschlechtliche Zeugungsakt soll jedem Manne und jeder Frau ein heiliger sein. Kein Zeugungsakt soll ohne vorhergehende, begleitende und nachfolgende grosse gegenseitige physische und seelische Liebe vollzogen werden … Gute Stimmung, Gesundheit, Wohlsein, Kraft und Liebe müssen beiderseits vorhanden sein. Bei Abneigung, Ärger, bösen, trüben oder furchtsamen Gedanken, Unwohlsein, Schwäche, Lieblosigkeit ist die geschlechtliche Berührung so lange streng zu meiden bis diese überwunden sind. Auch in dem Falle, wenn davon nur auf einer Seite etwas vorhanden ist, muss der andere Teil von einer intimen Vereinigung absehen. Ebenso streng sind vorher narkotische Mittel wie Tabak, Opium und Alkohol zu meiden … Die innigst verbindende Umarmung darf sich niemand in Gegenwart dritter Personen erlauben. Man soll sich nur in ungestörter Einsamkeit an einem möglichst ruhigen und sehr schönen, von der Natur oder kunstreicher Hand ausgeschmückten Ort, welcher zuvor in Liebe geweiht wurde, hingeben. Sehr tiefes Dunkel oder sehr helles Licht wirken störend und für beide Körper der Gatten nachteilig, daher muss ein angenehmes Halbdunkel oder ein Dämmerlicht gewählt werden.“ Carl Huter Die vorhergehende, begleitende und nachfolgende grosse gegenseitige körperliche und seelische Liebe und auch der in Liebe und Schönheit geweihte Ort können uns helfen, uns der Heiligkeit der Sexualität anzunähern. Körperliche Liebe ist mehr als sexuelle Lust "Verweile mit ruhigem Geist da, wo du Befriedigung findest! So wird sich dir die Essenz der Glückseligkeit offenbaren!" Vijnana Bhairava Tantra Durch den Einbezug der Liebe wird die Sexualität mehr als nur triebhaftes Lusterleben. Körper, Geist und Seele werden zu einer Einheit, die gleichermassen zu einem Höhepunkt des Erlebens geführt werden. Die Sexualität ist in den Anfangsstadien der Entfaltung oftmals egoistisch erlebte körperliche Lust zu zweit. Jeder ist auf seine Sinneslust konzentriert und möchte diese steigern und zum Höhepunkt führen. In der Verfeinerung der Sexualität geht es nicht mehr primär um die Steigerung der körperlichen Lust, sondern es geht um den Aspekt der Beziehung und um die im gegenseitigen Austausch erlebte sinnliche und seelische Schönheit. Erotische Liebe wird dadurch zu einem Fest der körperlichen und seelischen Einfühlung. Im gegenseitigen Geben und Nehmen, im innigen Austausch vitaler, seelischer Kräfte wird der erotische Akt zu einem innigen körperlichen und geistigen Dialog zwischen Mann und Frau. Sexualität wird dann zu einer sinnlichen Beziehung, die auf Wertschätzung, Einfühlung und Gegenseitigkeit basiert. Sobald sich dieser Dialog der Liebenden einstellt haben die Partner nicht mehr das Gefühl, dass sie ein Objekt der Begierde sind. Die ganze Person wird sich in dem Moment der Gegenseitigkeit und der Einfühlung integriert fühlen, so dass uns die körperliche Liebe zu immer umfassenderen Erleben von Harmonie führt. „Der Weg aber führt in der wahren Erotik von dem Beglücktsein durch den einzelnen schönen Leib über die Liebe zur leiblichen Schönheit überhaupt zur Liebe des Seelisch-Schönen und von ihm zur Liebe jener Schönheit, die dem Gedanken, dem Ideellen eignet. Wer die Stufen jenes Aufstiegs durchschritten hat, dem aber öffnet sich auf höchster Stufe der Blick für die reine Gestalt des einen wahren Schönen an sich, das immer ist… „ Platon Wussten sie, dass schon Platon als einer der ersten grossen Philosophen und Weisen des Abendlandes über die körperliche Liebe und über eine wahre Erotik nachsinnte? Für ihn stand am Beginn der wahren Erotik das Beglücksein über den schönen Leib. Diese Beglückung wird wohl fast jeder Mann kennen, doch auch viele Frauen schätzen die schönen Formen des männlichen Körpers. Pflegt man dieses Beglücktsein als eine Vorstufe zu einer höheren Erotik, so folgt als nächste Stufe die Liebe zur leiblichen Schönheit. In diesem Sinne dürfte man diese Liebe nicht abwerten und auch nicht verdrängen, um zu höheren Stufen der körperlichen Liebe zu finden. Blockierend für den Prozess zur wahren Erotik wäre höchstens das Stehenbleiben und damit die Fixierung auf dieser ersten Entwicklungsstufe des körperlichen Liebeslebens. Doch worin erkennt Platon die folgenden, höheren Stufe zur wahren Erotik? Platon spricht von der Liebe des „Seelisch–Schönen“ und von der Liebe jener Schönheit, die dem Ideelen gilt. Der Umgang mit dem unterschiedlichen Geschlechtsvermögen „Da nun der Geschlechtstrieb wie auch das Geschlechtsvermögen bei den Geschlechtern verschieden ist, da bei den einzelnen Personen diese wiederum schwach oder stark voneinander abweichen und da die rein seelische Liebe, d. h. der Grad des sympathischen Gefühls und des Gefühlsvermögens, nochmals sehr starke Unterschiede in den Stärkegraden zeigt, so gibt es im und unter Menschen nichts Komplizierteres als das sittliche oder edlere Liebesund Geschlechtsleben. Das Eheproblem bleibt daher das schwierigste, was es in der Welt noch zu lösen gibt. Bisher ist es in keinem religiösen, ethischen oder staatlichen System befriedigend gelöst. Unsere Zeit drängt auch hier nach einer Lösung.“ Carl Huter Ein grosses Problem unserer Zeit liegt darin, dass der Mensch sich zu wenig bewusst ist, dass ein Mann und eine Frau einen ganz unterschiedlich starken angeborenen Geschlechtstrieb haben können. Doch was bedeutet es für einen Partnerbeziehung, wenn die Geschlechtskraft bei einer Person viel stärker ist als bei der anderen? Wie viel Leid, wie viel Seelenschmerz und Konfliktpotential liegt in dieser Tatsache? In den individuellen Ausdrucksformen finden wir nicht nur die Ressourcen und Befähigungen, sondern auch die Geschlechtskraft. Sie gibt uns damit die Möglichkeit, die individuellen Anlagen zu erkennen und auch hier nach der idealen Ergänzung und Harmonie zu suchen. Hier stellen sich unter anderem folgende Fragen: Welchen Stellenwert hat die Sexualität in einer Beziehung? Gibt es Möglichkeiten und Wege, dass trotz unterschiedlich starkem Geschlechtstrieb jeder Partner ein erfülltes Sexualleben führen kann. Welche Vorstellungen und Möglichkeiten sind denkbar, um heimliche Seitensprünge, Onanie oder Prostitution zu vermeiden? Sind aussereheliche Beziehungsformen sinnvoll und förderlich? Unter welchen Umständen sind diese möglich? „Nur die innigste Liebe soll erst heilig genug sein, Mann und Frau näher zu bringen und sie zu Gatten zu machen. Solches Verhältnis bedingt aber grosse Seelenverwandtschaft, Ähnlichkeit und Gleichheit der Bildung… Treue und Liebe kann niemals durch Liebeseinbildung, Gesetz oder Vertrag erzielt werden, wenn die beiden Ehepartner nicht geistig, seelisch, physisch miteinander harmonieren.“ Carl Huter