Das Cerralbo Museum repräsentiert sich in einem der wenigen
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Das Cerralbo Museum repräsentiert sich in einem der wenigen
Das Cerralbo Museum repräsentiert sich in einem der wenigen, original erhaltenen Palastbauten des 19. Jahrhunderts in Madrid einschließlich der ursprünglichen Innendekoration. Erster Besitzer des Palastes war der siebzehnte Marquis de Cerralbo, Enrique de Aguilera (1845-1922), der mit seiner Familie hier lebte: seiner Ehefrau Inocencia Serrano y Cerver (1816-1896), ehemals Witwe Antonio del Valles, mit ihren beiden Kindern aus erster Ehe, ihrem Sohn Antonio del Valle y Serrano (1846-1900), erster Marquis von Villa-Huerta, sowie ihrer Tochter Amelia (1850-1927), die nach dem Tod ihres Bruders die erste Marquise von Villa-Huerta wurde. Als Palastmuseum zeigt das Cerralbo auf einzigartige Weise das Leben, den Alltag und die Repräsentation des Madrider Adels der Jahrhundertwende zwischen dem ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Auf einer zweiten Ebene vermittelt es die künstlerischen Vorlieben und den Geschmack dieser Zeit – zumal als Museum eines Kunstsammlers, dessen Kollektion seinerzeit zu den wichtigsten und umfangreichsten Privatsammlungen in Spanien gehörte. DAS MUSEUM Das zwischen 1883 und 1893 errichtete Gebäude wurde gleichzeitig als Wohnung und als ein Ort konzipiert, wo Kunstwerke, Antiquitäten und andere Wertgegenstände auf harmonische Weise ausgestellt werden sollten. Der heute zum Museum umfunktionierte Palast verfügt über vier Stockwerke: das Kellergeschoss, das Mezzaningeschoss, schließlich das Hauptgeschoss und das Dachgeschoss. Die seinerzeit als Nutzbereich vorgesehenen Zonen wie Küche, Abstellkammern, Garage, Pferdestall, Geschirrkammer, Heizraum und Dienstbotenkammern entsprechen heute dem Vortragssaal und den museumsinternen Räumen, wie etwa den Büros, der Restaurierungswerkstatt und den Depots. Das vom Verlauf der Zeit vermeintlich unberührte Aussehen des Museums täuscht: Der Bau litt nicht nur unter den von der Adelsfamilie selbst ausgeführten Umbauten, sondern auch an den schrecklichen Kämpfen des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) und nicht zuletzt an den musealen Reformen des 20. Jahrhunderts. Seit dem Jahre 2002 wird der Palast einer minutiösen Rekonstruktion zur Wiederherstellung des originalen Aussehens unterzogen. Eine der sich daraus ergebenden Konsequenzen ist die für heutige Besucher eher ungewöhnliche Rezeptionsweise der Kunstwerke: Die Betrachtung des Einzelkunstwerkes wird zugunsten einer Gesamtschau, einer globalen Lektüre des Raumes aufgegeben. 5 DAS MEZZANINGESCHOSS Im weniger protokollarisch orientierten Mezzaningeschoss fand das alltägliche Leben der Familie statt. Diese private Nutzung ist der Hauptgrund für verschiedene Änderungen: Die erste fand nach dem Tode des Sohnes Antonio im Jahr 1900 statt und betraf vor allem den linken Flügel dieses Stockwerks. Die meisten der bisher als private Gemächer genutzten Räume wurden nun zu Kabinetten und zu Sommersalons umgewandelt. Die einschneidensteVeränderung fand aber in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts statt: Schlafräume und andere dem Alltag gewidmete Zimmer, die damals nicht als erhaltenswürdig für ein Museum angesehen wurden, gab man zugunsten eines großzügigeren Ausstellungsbereiches auf. Den modernen museumsdidaktischen Kriterien folgend, konnten so die Kunstobjekte mit dem damals für angemessen gehaltenen Platz bzw. Abstand voneinander gezeigt werden. Aus diesem Grund sind die Räume des Mezzaningeschosses nicht wie im Hauptgeschoss historisch exakt, sondern historisierend nachempfunden. Diese annähernde Rekonstruktion wurde, soweit möglich, mit aus diesen Räumen stammenden Originalstücken vorgenommen. Zur Vervollständigung des Dekors griff man zudem auf Stücke der Villa-Huerta-Sammlung des Palastes der Marquise in Santa Maria de Huerta in Soria zurück, die mit vereinzelt auf dem Antiquitätenmarkt erstandenen Objekten ergänzt wurden. 6 DAS MEZZANINGESCHOSS 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Sommer-Empfangssaal und Galerie Garten Roter Saal Gelber Saal Rosa Saal Schlafgemach des Marquis von Cerralbo Flur Großes Eingangsportal und Ehrentreppe Winter-Empfangszimmer und Kapelle Privater Salon und Schlafgemach der Marquise von Villa-Huerta Esszimmer und Musikzimmer 7 1 Sommer-Empfangssaal und Galerie Der Empfangssaal des Sommerflügels entsprach bis zum Tod Antonio del Valles dem für seine Privatgemächer reservierten Empfangsbereich. Ab dem Jahr 1900 wurde der Raum aufgrund seiner Orientierung zum Garten hin vom Marquis und seiner Stieftochter Amelia im Frühling und Sommer bewohnt, also in der Zeit vor dem jährlichen Umzug zum Palast Santa Maria de Huerta in Soria. Der Empfangsbereich geht in die Galerie über, die einen Zugang zum Garten bietet – hier werden heute Gemälde mit religiöser Thematik gezeigt. Der Empfangssaal hat die Form eines schmalen, langen Flurs. Ursprünglich war er über eine Treppe mit dem Hauptgeschoss verbunden, die aber während der Reformarbeiten in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts abgerissen wurde. Allegorie der Eucharistie Heiliger Augustin und Heilige Monika Spanische Schule Zweite Hälfte des 17. Jhs. Öl auf Leinwand Inv. VH 939 Girolamo Muziano 1580-1590 Öl auf Leinwand Inv. 4905 In der Gemäldesammlung dominieren neben Italienern die Spanier – bei beiden lässt sich noch im 17. und 18. Jahrhundert eine klare Vorliebe für religiöse Thematiken ausmachen. Das Gemälde, das mit dem Maler Antonio Palomino aus Córdoba in Verbindung gebracht wurde, zeigt eine mystische Vision: die Apotheose der Eucharistie. Dieses Gemälde ähnelt einem in der Kirche San Augustin in Perugia aufbewahrten Bild, das vom selben Meister stammt. Muziano fertige außerdem zwei Varianten dieser Komposition für den Petersdom in Rom, sowie drei weitere Versionen für verschiedene italienische Kirchen. Heiliger Josef mit dem Kinde Wanduhr J.Wts. London 18. Jh. Eisen, Bronze Inv. 4838 Italienische Schule 1600-1630 Öl auf Leinwand Inv. VH 1 Ein englischer Wandwecker für den Hausgebrauch, der mit Gewichten funktioniert und als lantern clock bekannt ist. Es handelt sich bei ihm um die älteste der siebzig im Museum Cerralbo aufbewahrten Uhren, die alle noch genau funktionieren. Der anonyme Maler dieses Gemäldes folgte mit seiner Komposition des auf dem Schoß von Josef friedlich schlafenden Christuskindes den Madonnen-Darstellungen des bolognesischen Meisters Guido Reni. 9 2 Gar ten Der heutige Garten stammt aus dem Jahr 1995. Vom originalen Garten ist bis auf eine Skizze des Marquis de Cerralbo nur sehr wenig bekannt. Dieser Skizze zufolge teilte eine Achse den Garten in zwei Dreiecke auf, die den Raum von der Palastfassade bis hin zur Ecke des Belvederes strukturierte. Im Zentrum lag ein unregelmäßig geschnittener Platz, der von einem kurvenreichen Gehweg umschlossen war. Diese große Achse wurde allerdings im Zuge des in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts konstruierten, für museumsinterne Zwecke errichteten Pavillons zerstört, der dem Palast ähnelt. Der Garten wurde auf diese Art grundlegend verändert. Die heutige Anlage ist als klassisch-romantischer Garten konzipiert, bei dem sich das vom Marquis vorgesehene Konzept erahnen lässt. Der zentrale Platz wurde als kleiner Teich verdeutlicht, in dessem Wasser sich die Skulpturen spiegelartig reflektieren. Die vor den Palast- und Gartenmauern aufgereihten Büsten römischer Kaiser vermitteln dagegen den Eindruck eines italienischen, mit klassischen Elementen dekorierten Gartens, während die gekrümmten Wege und die dichte Bewachsung mehr an den melancholischen Stil eines englischen Gartens denken lassen. Büste einer römischen Frau Madrid und gehörte zur Skulpturensammlung des neapolitanischen Vizekönigs Per Afan de Riberas. Es handelt sich um die Kopie einer Skulptur in den Uffizien von Florenz – einer römischen Plastik, die ihrerseits auf eine hellenistische Skulptur zurückgeht. Italien, 18./19. Jh. Marmor Inv. 1026 Ein Beispiel für jene klassischen Büsten, die einst den Garten in Santa Maria de Huerta in Soria schmückten. In diesem der Marquise und ihren Kindern gehörenden Anwesen verbrachte die Familie die Sommermonate. Dort widmete sich der Marquis auch dem Studium der bei seinen Ausgrabungen in der Gegend des Flusses Jalón (im heutigen archäologischen Zentrum Arcóbriga) geborgenen Funde. Römisches Kapitel Arcóbriga (Monreal de Ariza, Saragossa) Ende des 1. Jhs. n. Chr. Sandstein Inv. 6143 Wildschwein Florenz, 16. Jh. Marmor Inv. VH 1023 Dieses korinthische Eckkapitell des Portikus eines römischen Hauses ist ein Fundstück von einer der ersten Ausgrabungen, die der Marquis de Cerralbo von 1908 bis 1911 leitete: in dem keltisch-iberisch-römisch geprägten Arcóbriga. Dieses Wildschwein stammt ursprünglich aus dem 1890 zerstörten Medinaceli-Palast in 10 3 Roter Saal Der Rote Saal ist der erste von drei Räumen einer Zimmerflucht mit Blick auf den Garten. Seinen Namen verdankt er der – ganz den Gewohnheiten der Zeit entsprechenden – Farbe der Tapisserien und Wandstoffe. Der kräftige Tonklang des Raumes wird zum Boden hin mit einer Borte aus bemaltem Papier abgeschlossen, welche die für das Ende des 19. Jahrhunderts übliche Fußleiste ersetzt. Dieser Saal wurde vom Marquis als Büro genutzt – so konnte er mit Verwaltern und Lieferanten sprechen, ohne dass diese das restliche Gebäude betreten mussten. Solche im unteren Geschoss befindlichen Räume, in denen der Hausherr seine Besitztümer verwaltete und über seine Geschäfte wachte, waren allgemein üblich bei adligen und bürgerlichen Stadtpalästen. Fernando de Aguilera y Conteras, 10. Marquis von Cerralbo Ericsson-Telefon 1890-1900 Holz, Bakelit, Metall, Seide Inv. 7262 Valentín Carderera 1833 Öl auf Leinwand Inv. VH 496 Dieses Haustelefon Modell BC 1300 (405) konnte sicherlich mit einem identischen, im Wohnturm angebrachten Apparat kommunizieren. Ein solches Modell befand sich den Dokumenten zufolge gegen 1900 im Dachgeschoss und ist im Ericssonkatalog von 1897 aufgeführt. Das Porträt zeigt den Uronkel von Enrique de Aguilera, dem Gründer des Museums. In dem Jahr seiner Ernennung zum Hauptmann der Königlichen Stallmeister zu Beginn der Regierungszeit Isabel II. angefertigt, trägt er über der Schulter eine Reitgerte. Auf dem Tisch liegt der Schlüssel zu den Gemächern, die ihm gemäß seines neuen Amtes bei Hofe zustanden. Singende Engel Jaime mit Uniform zu Pferde Ludovico Carracci 1600-1610 Öl auf Leinwand Inv. VH 490 Studio A. Mayer Österreich, gegen 1893 Gelatine, Kollodium ED Inv. 6177 Fotografie des Sohnes Karl von Bourbons in der Pose eines königlich anmutenden Staatsporträts. Der junge Herr erscheint uniformiert und mit herrschaftlicher Anmut auf seinem still stehenden Pferd. Gewidmet ist die Fotografie der Marquis de Cerralbo. Der letzten Schaffensphase des bolognesischen Malers zugeordnet, handelt es sich möglicherweise um ein Fragment. Es stellt einen zusammengedrängten Engelschor dar und besticht neben der soliden Zeichnung vor allem durch seinen Hell-Dunkelkontrast. 11 4 Gelber Saal Der im Alltag als Esszimmer genutzte Saal war zugleich „Raum des Vertrauens“, der private Salon. Darüber gibt das Mobiliar Auskunft: ein massiver Mahagoni-Tisch mit sechs Stühlen englischer Art samt ihrer charakteristischen, spatenförmigen Rückenlehne. Außerdem eine gut gepolsterte Kabinettsitzgruppe, die passend zu den Gardinen mit gelber Damastseide bezogen ist. So sollte eine dialogfreundliche und private Atmosphäre ermöglicht werden. Die Wände des Gelben Saals werden von der einzigen im Palast erhaltenen originalen Papiertapete geschmückt. Dieses bedruckte Papier, das um 1850 in Mode war, galt als praktische und ökonomische Alternative zu den kostspieligen Wandbespannungen. Heute geben sie uns einen Eindruck der im Kunsthandwerk angewandten industriellen Techniken. José de Aguilera y Conteras, 16. Marquis de Cerralbo Agustín de Aguilera y Gamboa mit Uniform Studio Otero y Colominas Havanna, 1888-1889 Albumin-Papier Inv. VH 982 Vicente López oder Bernardo López um 1840 Öl auf Leinwand Inv.VH 502 Diese in einem berühmten kubanischen Studio gemachte Fotografie zeigt einen der Brüder des Marquis de Cerralbo: Agustín de Auilera y Gamboa, Graf von Alba de Yeltes. Gekleidet in einer gestreiften Uniform, posiert er im Stile des traditionellen Militärporträts. Der Großvater Enrique de Augileras wurde von Vicente López – oder dessen ihm im Stil treubleibenden Sohn Bernardo – porträtiert. Wie sein Vater wurde auch Bernardo Hofmaler Isabels II. und ein bei Großbürgertum wie Aristokratie beliebter Porträtmaler. Inocencia Serrano y Cerver im Kostüm der Charra Kronleuchter Studio Poujade und Gattin Salamanca, 1878-1896 Gelatine / Kollodium ED illuminiert. Inv. VH 984 Böhmen oder Frankreich Zweite Hälfte des 19. Jhs. Glas, vergoldete Bronze Inv. VH 1006 Ein Beispiel der im 19. Jahrhundert produzierten Glas-Luxusgüter aus Böhmen mit feinem, gebogenen Kristall. Auch die Beschichtung besteht entweder aus Glas oder gefrästem Goldrubinkristall, das ab 1830 durch das kostengünstigere Kupferrotglas ersetzt wurde. Diese kolorierte Fotografie zeigt die Marquise de Cerralbo in der typischen Charra-Tracht aus Salamanca. Das französische Fotografen-Ehepaar arbeitete in verschiedenen spanischen Städten; diese exquisite, mit „Ch. De Bar.“ signierte Fotografie wurde dagegen wohl in Paris angefertigt. 12 5 Rosa Saal Im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Räumen, in denen die originale Dekoration rekonstruiert werden konnte, wurde dieser Saal als Kabinettraum der Marquise de Villa-Huerta nachempfunden und dafür die von ihr dem Museum vermachten Möbelstücke verwendet. Die Nachstellung orientiert sich dabei an den – ganz dem Geschmack der Damen des 19. Jahrhundert entsprechenden – sogenannten Gesellschaftsstube. Hier durfte eine Komfortsitzgruppe nicht fehlen, wo die Hausdame entspannt und ohne Etikette Platz nehmen konnte. Leicht lässt sich hier Fräulein Amelia in Begleitung einer Freundin vorstellen, etwa während der Unterhaltung durch die geöffneten Fenster die Frühlingsblumen betrachtend, sich gegenseitig aus einem Buch vorlesend oder jeweils ihrer individuellen Lektüre widmend. Auch am mit ihren Initialen geschmückten Schreibtisch kann man sie sich denken, wie sie Briefe, Einladungen oder Danknotizen schrieb. Schmuckschatulle Inocencia Serrano y Cerver mit ihrer Tochter Amelia um 1800 Glas, vergoldetes Metall Inv. 26975 Spanische Schule um 1855 Aquarell auf Karton Inv. 505 Eine Schmuckschatulle in Buchform, die ursprünglich in der Renaissance aus Bergkristallplatten zusammengesetzt wurde. Die Griffe sind mit eingeritzten Arabesken verziert. In der Schatulle sind Auszeichnungen wie ein Kreuz des Frauenordens Isabel la Católica aufbewahrt. Antonio María del Valle mit seinem Sohn Antonio Antonio María del Valle y Angelín Spanische Schule um 1855 Aquarell auf Karton Inv. 506 Joseph Heigel 1830 Aquarell auf Karton Inv. VH 504 Beide Miniaturen sind in der für dieses Format charakteristischen Technik ausgeführt. Die Doppelportraits zeigen Mitglieder der Familie Valle Serrano: Inocencia (1816-1896) und ihre Tochter Amelia (1850-1927) bzw. Antonio del Valle (1863 verstorben) mit seinem Sohn Antonio (1846-1900). Miniaturporträt des ersten Ehemanns von Inocencia Serrano y Cerver, der Marquise de Cerralbo. Von dem deutschen, zwischen 1817 und 1837 in Paris lebenden Miniaturmaler Joseph Heigel signiert. 13 6 Schlafzimmer des Marquis de Cerralbo In einer Gesellschaft, in der es vor allem um Schau und Schein ging, waren im Gegensatz zur üppigen Pracht der Empfangsräume die Privatgemächer eher schlicht gehalten. Das Schlafzimmer wurde mittels der im Hausinventar erwähnten Objekte und einiger auf dem Antiquitätenmarkt angekauften Möbel wiederhergerichtet. Dazu gehört ein Bett, dessen Matratze mit Ziegenhaar oder Wolle gefüllt ist, ein Nachttisch, in dem ein Nachttopf untergebracht werden kann, ein Kleiderschrank sowie eine Kommode mit mehreren Schubladen, in denen sich gestärkte Kragen, Unterwäsche,Westen und Handschuhe befanden. Die oberste Schublade hatte zudem die Funktion eines Schreibtisches. Für die tägliche Toilette war der Rasierspiegel gedacht (dessen Neigung es erlaubt, sich entweder zu rasieren oder den Schnurrbart zu frisieren) sowie ein Waschbecken aus bedruckter Keramik, das sich aus Kanne und Becken zusammensetzt. Neben dem Bett steht das aus der Zeit Isabellas stammende Sofa, in dem der Marquis am 27. August 1922 verstarb. Bett Uhrwecker mit Belichtungstechnik Mallorca oder Katalonien 19. Jh. Gebeiztes Holz Frankreich (?), zweite Hälfte des 19. Jhs. Holz, Metall Inv. VH 1122 Dieses Bett wurde erst kürzlich erworben, um die Ausstattung des Schlafzimmers des Marquis de Cerralbo zu vervollständigen. Der BarockTradition nachempfunden, setzen sich Kopf- und Fußende aus gedrechselten, in kleinen Zinnen auslaufenden Gitterstäben zusammen. Der Tischuhrwecker wurde mit den ersten existierenden französischen Batterien angetrieben. Er verfügt über einen elektrischen Gasanzünder mit Schalterfunktion und eine Glühbirne zur Beleuchtung des Zifferblatts. Kommodenschreibtisch Spanien, vielleicht aus Madrid, um 1815 Kiefer- und Nussbaumholz, vergoldetes Messing Inv. 5144 Der Marquis de Cerralbo in Galauniform Manuel Compañy Madrid, 1885-1909 Gelatine / Kollodium ED Inv. 6181 Das Möbel hat eine Doppelfunktion: Es besteht aus vier Schubladen, deren untere drei für Kleidung vorgesehen sind, während die obere nach unten ausgeklappt und so als Stehpult verwendet werden kann. Die kleineren Schubladen hinten sind für Tintenfass, Papier, Schreibfeder, Wachs und Siegel vorgesehen. Porträtfoto des Marquis de Cerralbo in Galauniform, die sich durch den Hut mit Federn und dem Hoffechtdegen aufzeichnet. Manuel Compañy war Ende des 19. Jahrhunderts einer der bekanntesten Fotografen Madrids, der drei Fotostudios zugleich betrieb. 14 7 Flur Der zur alten Bedienstetentreppe offene Flur wurde in jüngster Zeit mit Erinnerungsstücken des Marquis de Cerralbo geschmückt, die seine politische Neigung zum Karlismus illustrieren. Früher zirkulierte hier das Hauspersonal zwischen der Küche des Halbkellers und dem Essraum. Karl von Bourbon und seine Gemahlin Berta in traditioneller Tracht Die Junta des IgauladaDistrikts J. Sagrista Igualada (Barcelona) um 1892 Albumin-Papier Inv. FF 2673 G. Contarini Venedig, 1896 Albumin-Papier Inv. 6173 Die Fotografie ist den Mitgliedern einer Junta, der regionalen Basisorganisation des Karlismus, gewidmet. Als politischer Repräsentant Karls von Bourbon, reiste der Marquis durch das ganze Land, um dessen Anhänger zu ermutigen und zur Gründung einer modernen Partei zu animieren. Die Fotografie zeigt den spanischen Thronanwärter Karl von Bourbon in Karlistenuniform mit seiner zweiten, in eine Mantilla (Spitzenschleier) gehüllte Gemahlin Berta de Rohan. Contarinis Studio lag in Venedig, wo das Ehepaar seinen offiziellen Wohnsitz innehatte. Gruppenbild in den Gärten von Santa Maria de Huerta Karl von Bourbon und Habsburg-Ost, Herzog von Madrid Santiago Oñate Calatayud (Saragossa) 1870-1900 Albumin-Papier Inv. 6176 G. Atam Venedig, um 1890 Zeichenkohle Inv. 5379 Karl von Bourbon sandte dieses Porträt dem Marquis 1893 aus Venedig als Dank für die geleisteten Dienste. Er trägt Generalsuniform und Karlistenmütze. Seine Figur ist, einer Fotografie täuschend ähnlich, in präzisem Helldunkel gezeichnet. Auf dem Bild erkennen wir die Familienmitglieder Enrique, Inocencia, Antonio und Amelia im Garten des Ferienpalastes in Santa Maria de Huerta (Soria). Der aragonesische Fotograf gehörte zu den ständigen Mitarbeitern des Marquis. 15 8 Großes Eingangspor tal und Ehrentreppe Die Einfahrt ist, wie häufig in Madrid, mit einem doppelten Flügelportal versehen, die ursprünglich die korrekte Ein- und Ausfahrt der Gäste- und Lieferantenkutschen gewährleistete. Nach einem Einbahnstraßensystem erlaubte ein Portal die Ein-, das andere die Ausfahrt, was die Manöver der Pferdekutschen erleichterte. Die eigenen Wagen hielten vor dem Absatz der Ehrentreppe, damit die Herrschaft in aller Bequemlichkeit absteigen konnten, während der Kutscher weiter in den Innenhof mit Stallungen und Werkstätten fuhr. Die Ehrentreppe gehörte in einem Palast des 19. Jahrhunderts zu den theatralischsten Momenten des Hauses: Hier galt es, das soziale Prestige des Hausherrn in Szene zu setzen. Im Cerralbo-Palast dient dafür das geschmiedete Treppengelände, das aus dem von Königin Barbara de Braganza gestifteten Kloster der Salesianerinnen stammt, und das große, von zwei Wandteppichen des 17. Jahrhunderts flankierte Familienwappen. Der eine, aus Brüssel stammende Teppich zeigt das viergeteilte Wappen der Carvajal, Padilla, Acuña und Enriquez, der andere, in Pastrana angefertigte Teppich die Wappen der Silva, Mendoza und de la Cerda. Römische Matrone Der Heilige Dominikus in Soriano Zweite Hälfte des zweiten Jhs. v. Chr. Marmor Inv. 44 Antonio de Pereda um 1655 Öl auf Leinwand Inv. 56 Das unbedeckte Haupt der jungen Matrone belegt die nun endlich erlangte Anerkennung und Freiheit der Frau im antiken Rom. Die Büste weist Spuren verschiedener Restaurierungen auf, darunter eine antike Klammerung sowie Ergänzungen des 19. Jahrhunderts. Das Gemälde gehörte zum Altar der Kapelle des Marquis de La Lapilla, die 1872 beim Brand des Madrider Seminars in Atocha zerstört wurde. Enrique de Aguilera, Stifter der Kapelle, erhielt das Bild zurück, auf dem ein 1530 im Dominikanerkloster von Soriano (Italien) sich zutragendes Wunder zu sehen ist. Wandteppich des dritten Herzogs von Pastrana Wappen Manufaktur aus Pastrana um 1625 Wolle und Seide Inv. 55 um 1893 Stuckierter Gips Inv. 29322 Rechts befindet sich das Wappen des Marquis de Cerralbo, Träger des Titels Grande de España. Weitere seiner Titel sind die eines Herzogs des Heiligen Römischen Reiches, von Almarza und Campo Fuerte, außerdem von Alcudias,Villalobos und Foncaladas. Links sind die Wappen seiner Frau zu sehen: Serrano, Soler und Cerver. Ein hervorragendes Beispiel der kaum überlieferten Produkte der Teppichmanufaktur in Pastrana (Guadalajara), ausgeführt vom Antwerpener Teppichmeister Franz Tons. Ihm wird dieser Wandteppich aufgrund formaler Ähnlichkeiten mit zwei Teppichen zugeschreiben, die sein Signum tragen. 16 9 Winter-Empfangszimmer Der Empfangsraum des Marquis Cerralbo und seiner Tochter Amelia wurde später nur noch während des Winters genutzt. Er ist mit den seiner Zeit üblichen Möbeln des 19. Jahrhunderts ausgestattet: einem Wandtisch mit zwei ihn flankierenden Stühlen und einem großen, auf einem dekorativen Sockel ruhenden Spiegel, der mit einer Ablage für das Anbringen von Zimmerpflanzen versehen ist. Diese großformatigen, im französischen als Tremó bezeichneten Spiegel erlaubten dem Besucher sich vor dem Empfang herzurichten, während der Hausherr vor Verlassen der Räume einen letzten Kontrollblick auf sich werfen konnte. Das Empfangszimmer bot direkten Zugang zur Kapelle, zum Privaten Salon und dem innere Flur, der wiederum zu den Privatgemächern führte. Philipp III. Wanduhr Spanische Schule 1600-1630 Öl auf Leinwand Inv. VH 434 Deutschland, 1870-1900 Holz, Alabaster, Metall, Porzellan Inv. VH 270 Das Porträt lehnt sich an das repräsentative Hofporträt im Stile der Nachfolger Pantoja de la Cruz’ an. Zu ihnen gehören etwa Bartolomé González, Rodrigo de Villandrandro oder Andrés López Polanco. Die von Uhrmachern im Schwarzwald angefertigte Kuckucksuhr war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr populär. Dieses Exemplar öffnet noch heute zu jeder vollen Stunde ihr Türchen, um den Vogel sein „Kuckuck“ rufen zu lassen. Margarete von Habsburg Schirmständer Spanische Schule 1600-1630 Öl auf Leinwand Inv. VH 433 Daniel Zuloaga 1888 Emaillierte Keramik Inv. 27068 Als Pendant zum vorangegangenen Porträt wiederholt es einen etablierten kodifizierten Porträttypus, der im 17. Jahrhundert dank der immer wieder bestellten Kopien der adligen Auftraggeber fortbestand. Diese legten mit derartigen Bildnissen ihre eigenen Porträtgalerien an, dem Modell der königlichen Galerien in den Schlössern El Pardo und Alcazar folgend. Von Daniel Zuloaga für die königliche Fabrik La Moncloa mit dem Neorenaissancemotiv der Candelieri dekoriert. Der berühmte, in Sèvres ausgebildete Kunsthandwerker war für die Keramik-Interieurs mehrerer Madrider Paläste des ausgehenden 19. Jahrhunderts verantwortlich, etwa dem Velázquez-Palast im Retiropark oder dem heutigen Landwirtschaftsministerium. 17 10 Privater Salon Dieser im Alltag genutzte Empfangsraum ist mit einigen der dekorativsten Objekten des Hauses geschmückt. Der spanische Terminus Vertrauten-Saal bezieht sich, Vorstellungen des 19. Jahrhunderts folgend, auf jene Räume, in denen private Besuche ohne spezielle Etikette empfangen wurden und die nichts mit dem bei Galaempfängen üblichen Pomp gemein hatten. Der Raum ist mit dem von der Marquise de Villa-Huerta gegen Ende ihres Lebens benutzten Schlafzimmer verbunden. Beeindruckend ist die große, von den Cerralbos während einer Italienreise erstandene Muranolampe. Ähnliches gilt für das auf dem Tisch platzierte, ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammende Meißner Porzellan: zwei Karaffen und zwei Vasen, die die Vier Elemente repräsentieren: Wasser, Feuer, Erde und Luft. Büste eines Mädchens Drehspiegel Psiqué Meißen um 1885 Porzellan, Glas, Holz Inv. 533 Antonio Frilli Marmor um 1900 Inv. VH 510 Ein repräsentatives Werk des Virtuosen Frillis, der seine Werkstatt 1860 in Florenz eröffnete. Seine Skulpturen finden sich vor allem in berühmten Florentiner Friedhöfen wie Porte Sante und Allori. Frilli nahm aber auch an den Weltausstellungen in Philadelphia (1876) und Melbourne (1880) teil. Inmitten von Lieblingsporzellanen der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts steht ein im Dresdner bzw. Sächsischen Stil geschaffener Drehspiegel. Solche im Neo-Rokokostil entworfene, an ihre exklusiven Porzellanstücke erinnernde Möbel vertrieb die Manufaktur Meißen ab 1850. Inocencia Serrano y Cerver und Amelia del Valle y Serrano im orientalischem Kostüm Zarf-Set Studio Abdullah Frères Istanbul, 1889 Albumin-Papier Inv. VH 702 Türkei, um 1890 Silber Inv. VH 678 bis 680 Solche als Kelche geformten Stützen nutzte man im Orient zum Halten von henkellosen Tassen besonders beim Trinken von Mocca. Gut denkbar, dass die Cerralbos und ihre Kinder den in der Vitrine „Reiseerinnerungen“ ausgestellten Zarf-Set während ihrer Fahrt durch die Türkei kauften. Das während der Türkeireise aufgenommene Foto zeigt Mutter und Tochter, die im orientalischen Kostüm auf einem Divan posieren. Die drei als Abdullah Frères bekannten armenischen Brüder waren angesehene Fotografen, die in Istanbul und Kairo arbeiteten. 18 11 Esszimmer Esszimmer und Wohnzimmer zugleich, gehört dieser Raum dank seines leicht entzündbaren Gusseisen-Kamins, dank der Südausrichtung und der Nähe zu beheizten Zimmern zu den angenehmsten und wärmsten des Palastes. Der im Zentrum des Raumes stehende Rundtisch, der mit entsprechenden Zusätzen verlängert werden kann, diente als Esstisch, wurde aber auch zur Konversation, zur Lektüre, zum Nähen oder Kartenspielen genutzt. Neben dem Kamin steht ein gemütlicher Divan, der zum Kaffeetrinken nach dem Mahl aufgesucht wurde. Vor einem der Balkone thront schließlich ein Schreibtisch, an dem täglich die Buchhaltung überprüft, die Aufgabenliste für den Hauswirtschafter geschrieben oder das für die damalige Gesellschaft zentrale Kommunikationsmittel der Korrespondenz erledigt wurde. Gleich im Anschluss befindet sich das Musikzimmer, wo die Marquise von Villa-Huerta ihr Klavierspiel übte. In alten Inventaren wurde dieser Raum wegen seines glasgeschützten Balkons auch als Ausblickzimmer bezeichnet. Blumenstillleben Landschaftsstillleben mit Früchten, Blumen und Gemüse Jan Baptiste Boschaert 1715 Öl auf Leinwand Inv. VH 469 Giovan Battista Ruoppolo um 1680 Öl auf Leinwand Inv. VH 455 Eines der herausragenden Blumenstillleben des Museums, auf dem bei einer Restaurierung die Signatur Boschaerts zu Tage kam. Der italienisierende Stil des flämischen Malers gründet sich auf der damals in Europa herrschenden Bewunderung für neapolitanische Blumenstillleben. Ruoppolo machte die großformatigen, in einer Landschaft dargestellten Stillleben mit üppigen Früchten, Gemüse und Blumen populär, die er neben einem Obstbaum, Strauch oder auf dem Boden liegend darstellte. Wegen ihres dekorativen Charakters wurde dieser Typus in Spanien und Italien sehr beliebt. Matilde de Aguilera y Gamboa, Herrin von Fontagud Blumenstillleben mit Maske Gabriel de la Corte um 1670-1780 Öl auf Leinwand Inv. VH 461 Federico de Madrazo y Kuntz 1873 Öl auf Leinwand Inv. 28025 Das Porträt einer der Schwestern des Marquis befindet sich im Ausblickzimmer. Gemalt von dem seinerzeit in Madrid sehr begehrten Porträtmaler Federico de Madrazo, gibt er die Schönheit der Dargestellten mittels einer delikaten Pose wieder. Das Gemälde wurde 2008 von ihrem Urenkel Jaime Parladé dem Museum gestiftet. Jene Gemälde, auf denen Blumen von einer bronzenen Maske herunterhängen, sind das Werk eines der wichtigsten Blumenmaler am Madrider Hof Karls II. Corte verwandelt die traditionelle, auf die Renaissance zurückgehende Girlande in eine ausladende, vor Vitalität und Naturalismus ersprühende Kaskade. 19 DAS HAUPTGESCHOSS Das Piano nobile oder Hauptgeschoss war von rein protokollarischem Nutzen und wurde deshalb besonders kostbar ausgestattet – schließlich war dieses Stockwerk der ökonomische und soziale Spiegel des Hausherrn. Die Stuckierung des Geschosses ist charakteristisch für die Mentalität des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Alles ist dem Schein untergeordnet, die besten Räume sind den Gästen vorbehalten. Tatsächlich wurde das Hauptgeschoss nur zu Empfängen, Festen oder Bällen geöffnet. In der Raumverteilung ähnelt es dem Untergeschoss, so werden auch hier Zimmer zu einer Raumflucht angeordnet, in der ein Zimmer ins nächste übergeht. Sie werden allerdings zum Innenhof um drei ineinander übergehende, alle Zimmer miteinander verbindende Galerien ergänzt. Dadurch entstand zum einen genügend Platz für eine große Zahl von Gästen, zum anderen konnten die Kunstwerke großzügig und auf harmonische Weise verteilt werden. Das vermeintlich von der Zeit unberührte Aussehen des Hauptgeschosses ist das Ergebnis eines multidisziplinär arbeitenden Teams, welches die originale Erscheinung des Palastes wiederherzustellen wusste. 20 DAS HAUPTGESCHOSS 12 Rüstkammer 13 Bad 14 Arabischer Saal 15 Wintergarten 16 Korridor mit graphischem Kabinett 17 Säulchensaal 18 Ankleidesaal 19 Kleiner Empiresaal 20 Großer Speisesaal 21 21 Billardsaal 22 Ecksalon 23 Arbeitszimmer 24 Bibliothek 25 Erste Galerie 26 Zweite Galerie 27 Dritte Galerie und Toilette 28 Ballsaal 12 13 Rüstkammer Bad Die Rüstkammer war zum Empfang der Gäste und für das Zeremoniell des Handkusses bestimmt. Die Dekoration erinnert an mittelalterliche Rüstkammern und veranschaulicht zudem die edlen Taten, an denen die Vorfahren des Marquis teilnahmen. Gotisierend nachempfunden sind die dekorativen Elemente mit der Spiegelkonsole und die obere Galerie sowie die beiden neben der Türe stehenden Sessel, die an einen Thronsaal einer mittelalterlichen Burg denken lassen. Waffen und Rüstungen flankieren die Wände auf harmonische Weise und geben, zusammen mit dem bemalten heraldischen Stuckwappen an der Decke, zur Genüge über die weit zurückliegende Abstammung des Hausherrn Auskunft. Direkt neben der Rüstkammer liegt das einzig zwecks Zurschaustellung eingerichtete Bad mit exklusiver Marmorbadewanne samt Warm- und Kaltwassergriff und einem funktionierenden Abfluss. Es sei daran erinnert, dass es bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nicht üblich war, ein Bad als eigenständigen Raum zu konzipieren. Dieses Badezimmer spricht also hauptsächlich vom Prestigegebaren der Besitzer, zumal sie es niemals praktisch nutzten. Ritterrüstung Helm mit Visier um 1650 Geschmiedetes Eisen Inv. 100 Deutschland, 16. Jh. Geschmiedetes Eisen mit Gravur Inv. 103 Die Ritterrüstung gehörte, der Tradition des Hauses folgend, einem Vorfahren des Marquis de Cerralbos: Pablo Fernández de Contreras, erster Graf von Alcudia und Admiral des Ozeans, der wegen seines 1635 erzielten Sieges mit drei Galeonen gegen eine holländische Flotte berühmt wurde. Legenden zufolge gehörte dieser Helm dem „Eisenschädel“ genannten Emanuel Philibert, Herzog von Savoyen, dem Sieger der Schlacht in San Quintin. Er führte die spanischen Truppen Philipps II. 22 Jesus zum Tode verurteilt (Ecce Homo) Steigbügel (Abumi) Japan, Edoperiode (1614-1868) Eisen, Silber, Lack Inv. 464-465; 466-467 Francisco de Herrera, der Jüngere um 1670 Öl auf Leinwand Inv. 295 Steigbügel eines Samurais, der von seinem Schöpfer auf der Schnallenleiste signiert ist. Das Silber auf der Außenseite ist mit floralen Motiven dekoriert; innen ist das Holz, auf das der Fuß sich stützte, lackiert. In Sevilla und Italien ausgebildet, arbeitete Herrera als Maler des Königs am Madrider Hof. Das Museum bewahrt die beiden Passionsszenen Christi auf, die er für das 1872 zerstörte Priesterseminar des Heiligen Thomas von Atocha ausführte. Pistole Tragsessel Belgien, um 1820 Holz, Eisen Inv. 453 Frankreich, um 1750 Kiefer, Eiche, Leinen und Seide Inv. 396 Eine mit Zündladung funktionierende Pistole für den Zivilgebrauch. Sie ist mit einer doppelten Zündpfanne ausgestattet, die beim Drehen des seitlich an der Waffe angebrachten Hahnes zum Anschlag gebracht wird. Die Rokokosänfte ist mit Leinenstoff überzogen, der mit Blumensträußen bemalt ist und das Motiv eines sogenannten bois unis – geeinte Hölzer – nachstellt: Eine Dekorationsform, die bei französischen Möbeln um 1750 in Mode war. Jagdhakenbüchse Miguel Cegarra 1768-1783 Eisen, Gold, Holz, Elfenbein Inv. 445 Martyrium des Heiligen Sebastian José Antolínez 1657 Öl auf Leinwand Inv. 519 Mit dem für Madrid charakteristischen Zünder ausgestattet, weist ein Stempel auf die Werkstatt der Königlichen Büchsenmacher. Der in Gold tauschierten Eingravierung zufolge gehörte die Waffe dem Infanten Gabriel de Bourbon. Der Büchsenmacher Cegarra war Karls III. Armbrustschütze. Das Gemälde stellt den Moment kurz vor dem Martyrium dar, in dem der bereits seiner Kleidung entledigte Heilige an den Baum gebunden ist. Gleich wird er im Angesicht des römischen Kaisers von den Pfeilen der pretorianischen Garde erschossen werden. 23 14 Arabischer Saal Bezeichnungen wie orientalisches Kabinett oder türkischer Saal beziehen sich wie ähnliche Umschreibungen auf einen im 19. Jahrhundert europaweit in Mode gekommenen Wohnraum. Er stand mit dem Konsum von Tabakwaren in Verbindung, deshalb auch Fumoir genannt, und blieb so ausschließlich Männern vorbehalten. Die Wände sind mit Kelimen bespannt, die Möbel mit Stoff bezogen und die Böden mit Teppichen ausgelegt – den Nomadenzelten der Wüste nachempfunde Textilien. Im orientalischen Kabinett war auch Platz für Kuriositäten und Sammelstücke, etwa Waffen oder Rüstungen, aber auch wie hier, für Musikinstrumente oder Präparate seltener Tiere (wie etwa den ausgestellten Sägefisch). Der neoarabische Wandschmuck und die im arabischen Saal aus China, Japan, den Philippinen, Marokko oder Neuseeland stammenden Objekte entsprechen dem von der Romantik geerbten Interesse am Exotischen. Dieser Exotismus und der Orientalismus sind für derartige Räume miteinander kombinierte Qualitäten, die sich in Madrid bis ins 20. Jahrhundert – in Anlehnung an das von Rafael Contereas für den Palast in Aranjuez entworfene Arabische Kabinett – großer Beliebtheit erfreuten. Service zum Opiumrauchen Bento China, Quing-Dynastie, 19. Jahrhundert Emaillierte Keramik, Metall Inv. 554 Japan, Meji Dynastie (1868-1911) Lackiertes Holz Inv. 566 Das Opium-Besteck gehört – zusammen mit der Opiumpfeife – zu den Kuriositäten des arabischen Kabinetts. Eine exotische Anspielung auf die in europäischen Häusern in Mode gekommene Gepflogenheit der Gentlemen, orientalische Salons alsTreffpunkte für elegantes Rauchen zu nutzen. Ein Set von Behältern, die zum Aufheben oder Transport von Mahlzeiten dienten. Derartige Schachteln oder stapelbare Behälter sind in Japan seit etwa 1610 bekannt und werden auch heute noch genutzt. 24 Rüstung Dolch (Kris) Japan, Edoperiode (1614-1868) Eisen, Kupfer, Lack, Textil Inv. 585 Philippinen (Zulu Inseln), 19. Jh. Stahl, Holz Inv. 642 Die Rüstung setzt sich aus einem Kabuto (Helm), Ho-Ate (Maske), Nodu-Wa (Kehlstück) und Sune-Ate (Beinschützer) zusammen. Gegen Ende der Edoperiode stellte Japan, alten Modellen folgend, Samurai-Rüstungen als Kunst- und Andenkenstücke her. Der Kris, eine jahrtausendealte Waffe aus dem Süden Asiens, wurde von den muslimischen Filipinos auch als Glücks- bzw. Unglücksbringer verstanden. Spezialisierte Handwerker schmiedeten die Klinge normalerweise in Flammen- oder Wellenform und verliehen ihr mit mystischen Ritualen spirituelle Kräfte. Gewehr Zweisaitiges Geige Marokko, 19. Jh. Holz, Metall Inv. 588 (Erh-hu) Shanghai (China), 19. Jh. Rohr, Schlangenhaut Inv. 652 Diese Waffe wurde im Melillakrieg genutzt und am 30. September 1909 auf dem Markt El Jemis von Beni-Bu-Ilfrur beschlagnahmt. Wegen seiner leichten Handhabe und der Möglichkeit, sie bei fehlender Munition auch mit Steinen laden zu können, wurde sie zur bevorzugten Feuerwaffe der Marokkaner des Rif-Gebirges. Einen Teil der in diesem Raum ausgestellten Objekte erstand der Marquis de Cerralbo im Hôtel Drouot in Paris, wo die Musikinstrumente von Adolphe Sax, dem Erfinder des Saxophons, versteigert wurden. Sax gehörte diese Violine bis 1877. Säbel (Wakizashi) Streitaxt (Ligua) Japan, Edoperiode (1614-1868) Stahl, Bronze, Holz, Haifischhaut, Lack, Textil Inv. 731 Philippinen, 19. Jh. Eisen, Holz Inv. 609 Dieser Samuraisäbel wurde für Duelle und Nahkämpfe, aber auch für die rituelle Selbsttötung (Hara-Kiri oder Seppuku) genutzt. Die Länge der Waffe entsprach dem höchsten erlaubten Maß für ein Wakizashi. Dieses Kriegsbeil war – zusammen mit anderen Waffen der Muslime aus Mindanao und der Igoroten der Insel Luzon – ein Geschenk des Generalintendanten des Finanzwesens der Philippinen an Enrique de Aguilera. 25 15 Wintergar ten Prinzipiell wurde dieser Raum als Überwinterungsort exotischer Pflanzen oder Zimmerpflanzen genutzt. Er entspricht dem Geschmack der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der in dieser Hinsicht von der Weltausstellung in London von 1851 geprägt war. Dort feierten die Glas- und Stahlgewächshäuser von Joseph Paxton Furore und breiteten sich seitdem in Parkanlagen und Gärten aus. Angepasst an die Stadtpalast-Architektur wurden sie schließlich auch in Innenräumen nachgestellt. Allerdings sah der Marquis keinen Nutzen in der vorgesehenen Verglasung, da bei den großen Temperaturschwankungen in Madrid Glasflächen als unpraktisch erschienen. Deshalb hängte er sie, Vorhängen gleich, mit dichten Teppichen ab. Dadurch wurde der Raum zu einem Sammlerkabinett umfunktioniert, in dem sich Materialien, Stile und Epochen mit archäologischen Funden mischen. Zu diesen gehören neolithische Äxte und Textilien der Pfahlbau-Kulturen aus der Schweiz, aber auch die glockenförmige Keramik aus Malpartida in Plasencia (Cáceres), attische und italische Vasen sowie iberische Waffen. Die meisten Objekte erstand der Marquis auf dem Antiquitätenmarkt – sie haben nichts mit den Fundstücken seiner archäologischen und paläontologischen Ausgrabungen gemein, die der Marquis dem Archäologischem Nationalmuseum und dem Nationalen Naturkundemuseum gestiftet hat. Büste und Hände eines Apostels Pilgerampulle Ägypten, 6. bis 8. Jh. Gebrannter Ton Inv. 848 Kastilische Schule um 1700 Polychromiertes Holz Inv. 799 Eine Keramik, die ursprünglich Öl zum Anzünden der Lampen am Grab in San Mena in Abu Mena (Alexandrien, Ägypten) enthielt, die später aber den Pilgern als Souvenir angeboten wurde. Die bekleidbare Büste war ein besonders während des spanischen Barocks bekannter Skulpturentypus. Bei diesem Objekt waren Kopf und Hände mit einer Struktur verbunden, die unter der Tunika versteckt blieb, welche die Figur für Messen und vor allem Prozession bekleidete. 26 Tondo mit der Anbetung Mariens Blumentopf Japan, Meiji-Periode (1868-1912) Porzellan Inv. 947 Florenz, erstes Drittel 16. Jh. Emaillierter Ton Inv. 811 Die Funktion des Blumentopfes stimmt mit seinem Aufstellungsort im Wintergarten überein. Das Stück wurde anlässlich der Weltausstellung von 1878 in Paris für den Export geschaffen, als derartige blau-weiße, mit Blumen und Vögeln dekorierte Porzellane ein großes Ansehen genossen. Diese bemerkenswerte Tonskulptur wurde in der Art der religiösen Renaissancewerke Lucca della Robbias geschaffen. Die Figur ist weiß, die Girlanden sind farblich emailliert. Der Tondo wird einem Nachfolger Andrea della Robbias oder der Buglioni-Werkstatt zugeschrieben. Falcata (Schwert der Iberer) Griechischer Skyphos Nekropole Las Angosturas Illora (Granada), 4. bis 3. Jh. v. Chr. Geschmiedetes Eisen, tauschierte Dekoration Inv. 1306 Apulien (Italien) Mitte 4. Jh. v. Chr. Rotfigurige Technik Inv. 902 Auf diesem Weinbecher erscheint ein jung Verstorbener als Dionysos. Eine Nike händigt ihm die Leichenbänder aus, während eine Mänade einen bacchantischen Tanz aufführt. Der Rhyton bzw. das Horn enthält den heiligen Wein der Zeremonie. . Die Falcata ist das charakteristische Krummschwert der iberischen Krieger. Sie besitzt einen pferdekopfartig geschwungen, mit silbernen Pflanzenmotiven geschmückten Griff. Die Klinge ist mit einem Fantasiewesen (ein Drachen?) geschmückt. Früchtestillleben mit Küchengerät Semi-Pedalis der LegioVII Gemina Luis Meléndez um 1760-1765 Öl auf Leinwand Inv. 905 Leon, 238-244 n. Chr. Gebrannter Ton, eingestanzte Markierung Inv. 1400 Das Gemälde ist ein Werk des bedeutendsten spanischen Stilllebenmalers des 18. Jahrhunderts. Meléndez‘ Bild zeichnet sich durch die Charakterisierung der Oberflächen und den ungewöhnlich tiefen Blickwinkel aus, der den Eindruck entstehen lässt, der Künstler habe beim Malen ganz dicht davor gesessen. Ziegelstein der Länge eines halben römischen Fußes, gebrannt von der römischen Legion, die in der heutigen Stadt León stationiert war. Sie sorgte nicht nur für den Erhalt des Friedens und die Eintreibung der Steuern, sondern war dank modernster Handwerkstechnik auch Teil der Romanisierung der eroberten Gebiete. 27 16 Korridor mit graphischem Kabinett Einst vom Personal als Warteraum genutzt – hier hielt es sich auf, wenn bei Galaabenden serviert wurde –, stellte der Marquis in diesem Flur 80 seiner 558 Handzeichnungen aus. Seine Entscheidung für diesen lichtarmen Ort ist sicher kein Zufall: Der Marquis de Cerralbo kannte die Schäden, die Sonnenlicht bei graphischen Arbeiten verursachen kann. Heute werden nur Faksimiles der Zeichnungen ausgestellt – die Originale werden unter optimalen konservatorischen Bedingungen im Depot des Museums aufbewahrt. Authentisch sind dagegen sowohl die restaurierten Rahmen als auch die ursprünglichen Passepartouts der Zeichnungen, auf denen sich noch die alten Zuschreibungen lesen lassen. Von ganz besonderer Bedeutung ist zweifellos Goyas Handzeichnung „Coche Barato y tapado“ („Billiger und abgedeckter Wagen“), die in den Jahren seines französischen Exils zwischen 1824 und 1828 entstand. Abgesehen von diesem Meisterwerk, sind im Museumsbestand auch wichtige Zeichnungen von Francisco Bayeu, José del Castillo, Salvador Maella oder Manuel Salvador Carmona sowie anderer europäischer Meister erhalten. Italienischer Herkunft sind etwa die Zeichnungen Confortinis, Pietro da Cortonas, Palma dem Jüngeren oder die Blätter Tiepolos. Von den französischen Zeichnern sind vor allem Charles Mellin, Nicolas de Plattemontaigne oder Antoin Ranc zu erwähnen, innerhalb der nördlichen Schulen schließlich Willem van Nieuwlandt, Adriaen van Ostade oder Jan Ykens. „Coche Barato y tapado“ Frau an einem Tisch sitzend Francisco de Goya 1824-1828 Lithografenstift Inv. 4711 Jacobo Confortini 1634-1666 Schwarze Kreide und Rötel Inv. 4713 Die Zeichnung gehörte zu dem von Goya in Bordeaux angelegten Album und ist Teil einer Serie, die sich mit den Transportmitteln und anderen Fortbewegungsmethoden von Armen und Bettlern beschäftigt. Dieses mit der Nummer 25 versehene Blatt zeigt einen Krüppel, der unter den amüsierten Blicken dreier Frauen eine Karre vor sich herschiebt. Es handelt sich um eine Studie für eine Figur aus Confortinis „Hochzeit von Kanaa“, die der florentinische, frühbarocke Meister 1631 für das Refektorium des Klosters Santa Trinita in Florenz ausführte. Der lockere Duktus und die natürliche Haltung der Dargestellten lassen dabei an eine Naturstudie denken. 28 Porträt eines Knaben König empfängt einen Gesandten Manuel Salvador Carmona um 1790 Schwarze Kreide und Rötel Inv. 4698 Federico Zuccaro 1542-1609 Feder, braune Tinte, weiß gehöht, Rötel und schwarze Kreide Inv. 4705 Die von dem Hofradierer Karls III. angelegte Zeichnung könnte einen der Söhne Carmonas, Juan Antonio, darstellen. Der Knabe stammte aus Carmonas zweiter Ehe mit Ana María Mengs, der älteren Tochter Anton Raphael Mengs‘. Zuccaro arbeitete für die wichtigsten Mäzene des 16. Jahrhunderts in Italien, England, Holland und Spanien. Zwischen 1586 und 1588 nahm er im Auftrag Philipps II. an der Ausstattung des Klosters im El Escorial teil. Dekorationsprojekt für eine Kirche Ankunft Friedrichs V. in Böhmen Francisco Rizi de Guevara, 1614-1685 Schwarze Kreide, braune Tinte und Aquarell Inv. 4763 Adriaen Pietersz. van de Venne 1613-1618 Feder, braune Tinte und schwarze Kreide Inv. 4744 Skizze für die Wanddekoration einer Kapellenwand. Francisco Rizi erlernte bei den Italienern Agostino Mitelli und Angelo Michele Colonna die Perspektivtechnik der Quadratura. Mit derartig fingierten Architekturen malte er verschiedene Madrider Klosterkapellen aus. Vorzeichnung für eine Radierung van de Vennes, die 1618 von seinem Bruder Jan in Middelburg veröffentlicht wurde. Sie stellt die Ankunft der englischen Flotte in Vlissingen im Jahre 1613 dar, die den Kurfürsten der Pfalz, Friedrich V., und dessen Gattin Isabel, Prinzessin von England, in ihr neues Königreich nach Böhmen brachte. Heilige (Martina?), zum Martyrium geführt Der gefesselte und an Sila ausgelieferte Jugurtha, der ihn zu Mario führt Pietro da Cortona um 1634 Schwarze Kreide, Feder und braune Tinte Inv. 4766 Mariano Salvador Maella um 1772 Feder, braune Tinte und graue Lavierung Inv. 4746 Möglicherweise steht diese Vorzeichnung mit einem Bauprojekt am Forum Romanum in Zusammenhang: Die Erneuerung der Kirche Santi Luca e Martina stand unter der Schirmherrschaft der Accademia di San Luca und wurde von Cortona geleitet. 1634 begann die Renovierung der Krypta, bei der die Reliquien der Hl. Martina gefunden wurden. Vorzeichnung für die von Manuel Salvador Carmona angefertigte Radierung der Illustration Nr. 30 zu Sallusts „Über den Krieg gegen Jugurtha“, das Joaquín Ibarra 1722 zusammen mit „Die Verschwörung des Catilina“ veröffentlichte. Es handelt sich um eine der schönsten Editionen des 18. Jahrhunderts in Spanien. 29 17 Säulchensaal Auch dieser Saal zeugt von der Sammelleidenschaft des Marquis de Cerralbo. Er wurde als Fumoir, als Rauchersaal, genutzt, wo die Herren zusammenkamen, um ihre Geschäfte oder die bewegte Politik ihrer Zeit zu diskutieren. Die Bezeichnung des Raumes rührt augenscheinlich von den auf dem zentralen Tisch stehenden kleinen Säulen. Dort sind Terrakotta-, Marmor- und Bronzefiguren sowohl ägyptischer, griechischer, etruskischer und römischer Herkunft aufgestellt als auch Figurinen jüngerer Epochen. Platziert wurden sie, kleinen Monumenten gleich, auf Achat-, Alabaster-, Marmor- oder vergoldeten Holzsäulchen. Die Opulenz und Üppigkeit dieser Objekte versetzt den Besucher – zusammen mit den vollständig mit Gemälden behängten, früher mit Guadameci (gestanztes Leder) imitierendem Papier tapezierten Wänden – tief zurück in das 17. Jahrhundert. Die ausgestellten Gemälde gehören hauptsächlich zum madrilenischen Barock. Barock, das ist auch der Stil der Möbel: Dazu gehören die ganz dem Geschmack der Zeit entsprechend paarweise angeordneten neapolitanischen Papier- und Aktenschränke mit Elfenbein- und Muschelapplikationen, der an Vorbildern aus Salamanca orientierte Schreibtisch sowie der venezianische, mit Perlmuttapplikationen geschmückte Spiegel auf dem Kamin. Büste Kanopendeckel Manufaktur Sèvres um 1770 Frittenporzellan (Biscuit) Inv. 4656 Ägypten, erstes Jahrtausend v. Chr. Marmor Inv. 4646 Es handelt sich möglicherweise um ein Porträt des französischen Thronfolgers. Die Büste datiert aus der Zeit, als der Maler Jean-Jacques Bachelier die Bildhauerwerkstatt in der französischen königlichen Porzellanmanufaktur Sèvres leitete. Der Menschenkopf stellt den Gott Amset dar, einen der vier Söhne von Horus. Alle vier deckten je eine Kanope ab, in denen die Innereien der mumifizierten Verstorbenen aufbewahrt wurden – im Falle Amsets: die Leber. 30 Maria mit Engelschor Junger Mann mit Korb auf dem Kopf Bartolomé González um 1613 Öl auf Leinwand Inv. 4593 Sebastiano Ricci um 1722 Öl auf Leinwand Inv. 4605 Das auch als „Himmlisches Konzert“ bekannte Bild ist eine Replik eines Altargemäldes in der Klosterkirche der Kapuziner in El Pardo (Madrid). Es handelt sich um eine Auftragsarbeit Philipps III., die sein Hofmaler und Porträtist González ausführte. Der Marquis de Cerralbo erwarb dieses Werk möglicherweise gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Italien. Es handelt sich um ein Fragment der Emmaus-Szene, die Ricci für die Kirche Corpus Domini in Venedig malte. Die Auferstehung Mariens Schreibtisch Spanien oder Neapel um 1660 Schwarzgefärbtes Holz, Muschel, Bronze Inv. 4529 Eugenio Caxes um 1615-1620 Öl auf Leinwand Inv. 4601 Nach dem Tode seines aus Italien stammenden Vaters Patricio, stieg Eugenio Caxes – bis zum Erscheinen Velázquez’ – zum wichtigsten Maler am Madrider Hof auf. Caxes‘ Stil führt die spätmanieristische Tradition der italienischen Schule weiter. Ein in Spanien angefertigtes Qualitätsmöbel, das dem Standardmodell neapolitanischer Herkunft in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entspricht. Da die Ablage fehlt, handelt es sich letztlich nicht um einen Schreibtisch, sondern um einen Schrank, der zur Aufbewahrung von Dokumenten und kleineren Objekten genutzt wurde. Vogelkonzert Juan de Arellano (zugeschrieben) um 1650-1670 Öl auf Leinwand Inv. 4604 Pult mit Schreibmappe Spanien, 19. Jh. Holz, Metall, Samt Inv. 4547 In einem blumenreichen Garten singen unterschiedlichste Vögel in einem Chor, den der kleine Uhu dirigiert. Das auf ein flämisches Sujet zurückgehende Bild ist nicht frei von Ironie: So macht sich etwa der Pfau unnötig breit, der zwar schön ist, mit seinen Schreien aber auch sehr unmusikalisch. Dieses Originalmöbel wurde in Arbeitsräumen des 19. Jahrhunderts genutzt. Hier stand es, um in der samtumschlagenen Mappe einige Druckgraphiken und Handzeichnungen aufzubewahren. Wahrscheinlich zeigte der Marquis diese Stücke, vergleichbar mit den Zeichnungen im Korridor, so seinen Gästen. 31 18 Der Ankleidesaal Der Ankleidesaal diente, wie so viele Räume dieses Palastes, einem rein repräsentativen Zweck. Hier machte der Marquis de Cerralbos sich zurecht, der Raum gehörte also zum männlichen Trakt dieses Stockwerks. Aber gleich nebenan öffnete sich der weibliche Bereich der Marquise. Diese Zweiteilung zollte, wenn auch damals schon rein symbolisch, von der an Königshöfen herrschenden Sitte, sich vor einem großen Gefolge umzuziehen oder sogar im Ankleidesaal Audienz zu gewähren. In diesem Sinne ist auch der Kleiderschrank aus Eiche zu verstehen, dessen krönende Hauben mit goldverzierten französischen Skulpturen des 18. Jahrhunderts verziert sind. Auch die auf dem Tisch angeordnete Sammlung von Degen und Säbel des 18. und 19. Jahrhunderts schlägt in diese Kerbe. Ähnliches gilt für das zur Frisierkommode umfunktionierte Waschbecken. Aus Venedig mitgebrachte Objekte, aus Mikromosaiken angefertigte Andenken oder Kristalle, breiten sich auf der Marmorplatte und auf der Ablage der Frisierkommode aus, unter der sich das Wasserdepot der Installation befindet. Zwei mit Samt und gestickter Seide aus China bezogene, für das 19. Jahrhundert charakteristische Lehnsessel laden zum Gespräch vor dem Kamin ein. Kaminuhr mit zwei Kandelabern Lehnsessel Frankreich oder Spanien um 1890 Holz, Seide Inv. 4175 Marquís à Paris Zweites Empire (1852-1870) Vergoldete Bronze Inv. 4219 bis 4221 Dieser Lehnsessel gehört zu den sogenannten „Bequemlichkeitssitzen“, die ausschließlich mit weichen Polstermaterialien überzogen wurden. Derartige Sessel wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Wohnräumen genutzt, in denen nur Familienangehörige und nahestehende Freunde empfangen wurden. Sie konnten aber auch, wie hier, in Ankleide- oder sogar in Badezimmern stehen. Der Uhrwerkkasten und die dazugehörigen Kandelaber wurden von dem Pariser Bronzeschmelzer Marquís in Bronze mit gemahlenem Gold gegossen. Er gehörte zu einem der vielen in Paris arbeitenden Gießer für Uhrenbronzedekorationen. Die Uhr verfügt über eine Pendelfunktion, die volle und halbe Stunden schlägt. 32 Holzspatenhocker Gala-Degen Spanien, 19. Jh. Holz, Seide Inv. 4229 Tomás de Ayala um 1800 Eisen Inv. 4332 Der gepolsterte Hocker lässt sich wie eine Kiste öffnen – dort wurden die Holzscheite für das Kaminfeuer aufbewahrt. Derartige Zweckmöbel waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowohl in bürgerlichen wie in aristokratischen Häusern gängig. Auch wenn die Klinge die Signatur eines der Repräsentanten der berühmten Dynastie toledanischer Schwertmacher trägt, weist der Griff eine Schnur von diamantenförmigen Eisenkugeln auf – eine in der Manufaktur von Matthew Bolton (Birmingham, England) erfundene Technik. Blumenkasten Spiegel China, Quing-Dynastie um 1750-1825 Kupfer, Silber, Bronze, Emaille, Jade, Glas Inv. 4211 Venedig, um 1890 Glas Inv. 4251 Diese chinesische Kuriosität kann als Blumenkasten beschrieben werden, in dem Miniaturfiguren eine groteske Szene inszenieren: Während zwei Affen einen aus Lotusblättern gebildeten Untersatz halten, posiert ein Phönix zwischen einem Magnolienbaum und einem blühenden Kirschblütenbaum. Auf dem Waschbecken befindet sich ein Ensemble aus verschiedenen Spiegeln und zwei Schmuckkästchen, die mit kleinsten Mosaiksteinen, sogenannten Cristallo, verziert sind. Sie sind Erinnerungsstücke aus Venedig, wo sich der Marquis de Cerralbo häufig aufgrund seiner Arbeitstreffen mit Karl von Bourbon aufhielt. Bekehrung des Saulus zu Paulus Paradesäbel Spanien, um 1810 Eisen, gedunkelt und vergoldet Inv. 4195 Juan Antonio de Frías y Escalante um 1660-1670 Öl auf Leinwand Inv. 4271 Ein Gemälde des Hochbarock, das den Stich Bolswerts zu Rubens Gemälde „Bekehrung des Saulus zu Paulus“ kopiert. Im 17. Jahrhundert nutzten spanische Maler häufig Stiche und Radierungen anderer Künstler für die Erschaffung eigener Werke. Der repräsentative Säbel eines spanischen Offiziers, dessen Griff in Form eines Steigbügels ausgeführt wurde. Auf der Klinge sind in Gold auf blaugedunkeltem Grund militärische Siegeszeichen und das Wappen Spaniens eingraviert. 33 19 Kleiner Empiresaal Ursprünglich der Ankleideraum der Marquise, wurde er um 1900 zu einem Spiegelkabinett umdekoriert und seitdem als „Kleiner Empiresaal“ bezeichnet. Er liegt zwischen dem Ankleideraum und dem Großen Speisesaal, sodass er wahrscheinlich als Durchgangsraum genutzt wurde, in dem die Damen ihr Aussehen überprüfen oder kurz auf gemütlichen Divanen ausruhen konnten. Mit seiner hellen und heiteren Einrichtung, gestrichen in Weiß und Rosa, unterscheidet er sich deutlich vom pompös-zeremoniellen Dekor der angrenzenden Räume. Dieser Saal lässt vielmehr an französische Schlösschen des 18. und Anfang 19. Jahrhunderts denken. In Dekoration und Mobiliar wird das feminine Luxuskonzept des Rokoko zu Zeiten Luis XV., des Klassizismus Luis XVI. und, wenn auch weniger, des Empire aufgenommen. Dieser eklektizistische Stil ist typisch für die letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts. Boiserien (Holztäfelungen) mit klassizistischen Mäanderbändern inszenieren ein französisches Ambiente, in dem sich Spiegel, vergoldete Skulpturen oder Gläser aus Murano häufen. Konsolen und Säulentische zeigen ein breit gefächertes Repertoire an dekorativen Gegenständen: Uhren, Vasen, Blumenkästen, Kerzenhalter und Leuchter aus Bronze, Glas oder Porzellan. Blumenornamente dominieren die Vorhänge, Gardinen und Teppiche. Eingelassen in die Innenseiten der Türen befinden sich die Leinwände der beiden vom Marquis für die Dekoration des Palastes protegierten Maler José Soriano Fort und Máximo Juderías Caballeros. Die dargestellten Blumen und Allegorien der vier Jahreszeiten „untermalen“ mit ihrer Schönheit diesen außergewöhnlich kleinen, der Marquise de Cerralbo zu Ehren geschaffenen Raum. Säulentisch Vase Russland, um 1850 Malachit, Bronze Inv. 4167 Paul Millet & Fils, Sèvres um 1890 Porzellan, Bronze Inv. 4102 Tischplatte und Lampe bestehen aus einem Mosaik aus Malachitplatten, einem Mineral, das nicht in großen Blöcken verarbeitet werden kann. Die Technik wurde von russischen Steinmetzen perfektioniert, die Teile für Möbel und andere Luxusgüter in Marmor und Gesteinen aus dem Ural herstellten. Das Privatunternehmen Millet, Céramique d’Art produzierte zwischen 1866 und 1945 in Sèvres, in unmittelbarer Nachbarschaft zur angesehenen staatlichen Manufaktur Frankreichs. Die Millets imitierte deren Vasentyp der flamé, was einen flammenartigen Hintergrund meint – Ausdruck des um 1900 aufkommenden Jugendstils. 34 Vase mit „Opferszene an Amor“ Empire-Vasen Frankreich, um 1810 Porzellan Inv. 4088-4089 Toskana um 1785-1790 Wedgewood-Jaspis Inv. 4123 Eine der Vasen zeigt das zwei Tage nach der Schlacht von Austerlitz im Jahr 1805 stattfindende Gespräch zwischen Kaiser Franz I. mit Napoleon, die andere volkstümliche Typen aus jenen Fürstentümern Deutschlands, die im Frieden von Pressburg (Bratislava) ihre Unabhängigkeit von Österreich erlangten. Die zweifarbige Vase mit klassizistischem Relief folgt einem in ganz Europa epochemachenden Dekorationstrend von Josiah Wedgwood und seiner Manufaktur in Staffordshire. Wedgwood war der Erfinder einer Keramik, die einem nicht glasierten Frittenporzellan glich und die er wegen seiner Härte Jaspis nannte. Vase Nelken und Rosen 19. Jh. Emailliertes Glas Inv. 4119 José Soriano Fort um 1895 Öl auf Leinwand Inv. 4071 Im Innern der Vase befindet sich ein farbloser, herausnehmbarer Glaszylinder, der vermutlich als Lampe genutzt wurde. Das so durch die sandpolierte, matte Oberfläche durchscheinende Licht beleuchtete indirekt und sanft die farblich gefasste Blumengirlande. Soriano Fort – in der Akademie der Schönen Künste in Valencia ausgebildet – führte mehrere Wandbilder und Gemälde für den Cerralbo-Palast aus, darunter diese im dekorativ-delikaten Stil ausgeführten, heiter wirkenden Gartenblumen. Allegorie des Winters Kleine Kaminuhr Máximo Juderías Caballero um 1895 Öl auf Leinwand Inv. 4075 Frankreich, erste Hälfe des 19. Jhs. Vergoldete Bronze, Eisen Inv. 4085 DieTürflügel des ehemaligen Ankleideraums sind mit weiblichen Allegorien der vier Jahreszeiten dekoriert. Die Allegorien des Winters, Frühlings und Herbstes sind das Werk Máximo Juderías Caballeros, einem aragonesischen Maler, der auch Teile der im Hauptgeschoss befindlichen Wanddekorationen und Skulpturen ausführte. Französische Uhren des 18. und 19. Jahrhunderts unterscheiden sich von englischen Modellen bezüglich ihres Uhrwerkes und ihrer Gehäuse, die mit vergoldeten Bronzeskulpturen dekoriert sind. Diese Uhr weist ein ungewöhnliches Format auf und greift eine nur selten gezeigte Thematik auf: den auf seinem Wagen stehenden Cupido. 35 20 Großer Speisesaal Hier fanden die festlichen Empfänge und Gala-Abende statt, den Etiketten folgende Abendessen, bei denen fabulös anmutende Buffets angeboten wurden. Es dauerte seine Zeit, bis der in England im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts erfundene, längliche Esstisch in Spanien eingeführt wurde. Die ersten Beispiele finden sich Anfang des 19. Jahrhunderts in Palästen des Adels, in speziell als Speisesaal konzipierten Räumen. Hier standen die ersten dieser für das Ritual eines Galaempfangs wie geschaffenen Esstische. Die zu diesem Tisch gebetenen Gäste mussten an der allgemeinen, vom Gastgeber geführten Konversation teilnehmen, gleichzeitig aber auch dem unmittelbaren Tischnachbarn Aufmerksamkeit schenken. Dem „französischen Protokoll“ folgend, befand sich der Hausherr im Zentrum der Langseite und wurde, wie im Falle dieses Esszimmers, von großen Spiegeln flankiert, die über dem Tisch bzw. zwischen den Balkonen aufgehängt wurden. Wie im Archiv aufbewahrte Menükarten verschiedener Feste zeigen, wurde auch in Bezug auf die Servierweise dem „französischen Protokoll“ gefolgt: Die Teilnehmer konnten zwischen einer Vielzahl an aufgetischten Gerichten wählen. Auf diese Weise wurde in Spanien bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gespeist, wenn sich auch langsam die im übrigen Europa geltende „russische“ Servierart durchzusetzen begann: Sie bestand aus einem für alle Teilnehmer identischen, mehrgängigen Menü, dessen Speisen von den Bediensteten nacheinander von der linken Seite serviert und von der rechten Seite abgeräumt wurden. Beistell- oder Serviertische unterstützten diesen Vorgang. In den Anrichten wurde und wird Geschirr aus versilbertem Metall ausgestellt – hervorzuheben sind hier die Samoware, die kuriosen Schüsseln mit Deckeln oder die Stövchen zum Warmhalten des Essens. Zur Beleuchtung dieses Raumes wurden die ersten elektrischen Glühbirnen mit Kerzenlicht kombiniert, das sich, geschickt im Raum verteilt, in den Spiegeln multiplizierte. Die Jalousien des Balkons blieben fast immer geschlossen; auch die Gardinen, auf denen die heraldischen Familienwappen prangten, waren seinerzeit zugezogen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Marquis befinden sie sich nun in der Bestattungskappelle der Cerralbos in Ciudad Rodrigo (Salamanca). Flaschenkühler Teller um 1900 Geschliffenes Glas und versilbertes Metall Inv. 3927 Talavera de la Reina um 1743-1750 Emaillierte Keramik Inv. 3978 Dieser Flaschenkühler wurde von Gisela von Falke entworfen, einer Schülerin von Koloman Moser und Josef Hoffmann, zwei Gründungsmitgliedern der Wiener Sezessionswerkstätten. Zum Verkauf in großen Warenhäusern bestimmt, handelt es sich bei dem Glas um das von Moser selbst entworfene Meteoriten-Design. Die exquisite Blau-Weiß-Dekoration im Stile Bérains deutet auf einen in der Manufaktur Alcora (Castellón de la Plana) ausgebildeten Maler. Vielleicht handelt es sich um José Causada, der sich zeitweilig nach Talavera (Toledo) begab und dort den dekorativen Tontöpferstil der AlcoraKeramik einführte. 36 Stachelschwein mit Natter (Detail) Küchenstillleben Cristoforo Munari um 1710 Öl auf Leinwand Inv. 3876 Frans Snyders 1625-1650 Öl auf Leinwand Inv. 3900 Genreszenen mit lebenden Tieren – das war eine Spezialität der flämischen Malerei des 17. Jahrhundert, in der sich Snyders hervortat. Seine Werke wurden von Philipp IV. und dem Marquis de Leganés sehr geschätzt, der dieses Gemälde erwarb. Dieses überaus gelungene Werk Munaris gleicht sechs Stillleben, die er für das Landhaus “La Ferdinanda“ der Medici-Familie, seinen Mäzenen, malte. Es zeichnet sich durch die Präsentation einfacher Gegenstände, deren betont plastische Modellierung und eine raffinierte Farbwahl aus. Weintrauben Stillleben mit Wassermelonen, Kürbissen und Blumen Miguel de Pret um 1630 Öl auf Leinwand Inv. 3898 Giuseppe Recco um 1675 Öl auf Leinwand Inv. 3868 Im Großen Speisesaal sind 24 Stillleben in exakt der vom Marquis de Cerralbo bestimmten Anordnung ausgestellt. WeintraubenDarstellungen wurden im 17. Jahrhundert wegen ihrer naturalistischen Darstellungsweise sehr geschätzt. Dieses Gemälde wurde bis 2013 Juan Fernández, genannt El Labrador (der Landarbeiter), zugeschrieben, ist aber, wie neuere Forschungsarbeiten nachwiesen, eine Arbeit Miguel de Prets. Recco gilt als einer der herausragenden neapolitanischen Stilllebenmaler des 17. Jahrhunderts. Das Gemälde besticht durch starke Lichtkontraste zwischen den Objekten und dem Hintergrund sowie durch die Kombination aus fein aufgetragener Lasur mit pastosen, dichteren Pinselstrichen, die Recco der jeweiligen Textur der Früchte anpasst. Wanduhr Le Faucher / Paris y Amant à Paris. 18. Jh. Holz, vergoldete Bronze, Schildplatt, Porzellan Inv. 3884 Stillleben mit Trauben und Süßigkeiten Juan de Espinosa um 1630-1640 Öl auf Leinwand Inv. 3866 Das Gemälde stammt von einem der bedeutendsten spanischen Stilllebenmaler des 17. Jahrhunderts, der von 1628 bis 1659 in Madrid arbeitete. Espinosa war ein Zeitgenosse von Juan Fernández, genannt El Labrador, dessen naturalistische Darstellungsweise derTrauben er übernimmt. Dieses Motiv ergänzt er aber, in Anlehnung an Juan van der Hamen, mit Süßigkeiten und roten Keramikgefäßen.. Dieser Wanduhrentyp wurde normalerweise über einer Konsole angebracht. Der Uhrkasten ist mit einer Einlegearbeit, der Boulle-Marketerie, aus Messing und Schildplatt gearbeitet. Die Bronzefiguren stellen den Lauf der Zeit dar. Sowohl Zifferblatt wie Mechanismus sind – mit dem alten Längenmaß der Pariser Linie konstruiert – von Uhrmachern aus der Zeit Ludwigs XV. signiert. 37 21 Billardsaal Dieser Saal dürfte als Beiraum für den Speisesaal gedient haben: Das bezeugt ein noch heute erhaltener, zwischen zwei Divanen hinter einer schmalen Tür angebrachter Flaschenzug, der mit der großen Küche im Keller verbunden war. Auch der mit einem Kelch aus geschliffenem Alabaster abgedeckte Wasserfilter spricht für diese Nutzung. Abgesehen von dieser Funktion liegt der Schwerpunkt des Raumes im Vergnügen, d.h. im Billardspiel – einem für Gentlemen des 19. Jahrhunderts bevorzugten Zeitvertreib. Der Raum wird ganz von dem beeindruckenden Carambolage-Tisch eingenommen; das übrige Mobiliar ordnet sich dem Spieltisch unter: Etwa die erhöhten Sitzbänke, auch Billardcanapés genannt, die mit abnehmbaren Fußstützen versehen sind, damit die hierauf sitzenden Damen dem Spiel problemlos folgen können. Das Licht kommt von einer horizontalen, den Tisch gleichmäßig beleuchtenden Lampe. Dank ihrer Tulpenform bestrahlt sie das Tuch, lässt aber den Raum im Dunkeln. An den Wänden hängen Frauen- und Männerporträts verschiedener Epochen und Schulen. Billardtisch Porträt eines Jungen Frankreich um 1855 Edelhölzer, Bronze, Billardtuch Inv. 3825 Italienische Schule 1600-1630 Öl auf Leinwand Inv. 3771 Ursprünglich ein Tisch zum Spielen des Billard à blouses oder Englisches Billard, wurde er später dem französischen Carambolage angepasst. Um 1900 beschrieben die Chroniken den Billardtisch des Marquis de Cerralbo als jenen, auf dem für Ferdinand VII. einfache Spielzüge zurechtgelegt wurden. Die naturalistische Darstellungsweise, die Nähe zum Porträtierten und der Hell-Dunkeleffekt des Chiaroscuro (Tenebrismus) erlauben die Einordnung dieses hervorragenden Gemäldes in das beginnende 17. Jahrhundert. 38 Porträt einer Dame im Jagdkostüm Spanische Schule 17. Jh. Öl auf Leinwand Inv. 3808 Selbstporträt Giulio Cesare Procaccini um 1624 Öl auf Holz Inv. 3731 Procaccini fertigte dieses Selbstporträt kurz vor seinem Tode an. Er betont dabei stärker seine Malutensilien wie Pinsel und Palette als die an seiner Brust hängende Goldmedaille – einem Geschenk des Großherzogs Cosimo de‘ Medici. José de Madrazo schrieb dieses anonyme Werk der Velázquez-Schule zu. Der Maler und Direktor des Prado-Museums besaß eine angesehene Gemäldesammlung, aus der einige Bilder des Museum Cerralbo stammen. Porträt Louis XIV. mit Brustpanzer François-Joachim, Herzog von Gèvres Werkstatt Hyacinthe Rigaud 1701-1715 Öl auf Leinwand Inv. 3729 Französische Schule 1725-1750 Öl auf Leinwand Inv. 3755 Das Brustbild leitet sich von zwei GanzkörperPorträts ab, die Rigaud 1701 vom zweiundsechzigjährigen Sonnenkönig anfertigte (Musée du Louvre und Museo del Prado). Das Format spricht für eine qualitätvolle Arbeit der Werkstatt, die Rigauds Bilder des Königs in kleineren Ausgaben zu vervielfältigen hatte. Dieses höfische Staatsporträt steht stilistisch dem Werk Jean-Marc Nattiers (1685-1766) nahe. Der Porträtierte ist zusammen mit Objekten dargestellt, die seinem gesellschaftlichen und militärischen Rang entsprechen. Luis I., Prinz von Asturien Porträt eines Edelmannes Miguel Jacinto Meléndez 1712 Öl auf Leinwand Inv. 3814 Tintoretto um 1555 Öl auf Leinwand Inv. 3740 Porträt des Erstgeborenen von Philipp V. und Maria Luisa Gabriela von Savoyen. Fünf Jahre alt, hält der Prinz das Zepter und berührt die neben der Krone liegende Ordenskette des Goldenen Vlies. 1724 war Luis für nur acht Monate spanischer König. DiesesWerk des großen venezianischen Meisters Tintoretto stellt möglicherweise Agustino Doria dar, ein Mitglied der mächtigen Familie aus Genua. Die Persönlichkeit des Porträtierten spiegelt sich sowohl in seinem Antlitz als auch in der rhetorischen Geste seiner Hand. 39 22 Ecksalon Im Anschluss an den Billardsaal liegt ein weiterer dem Vergnügen gewidmeter Raum, der seine Bezeichnung der abgeflachten Fassade des Gebäudes zu den Straßen Ferráz und Ventura Rodríguez verdankt. Das Zimmer war fürs Gespräch, den Klatsch und für Ruhepausen zwischen Tänzen bestimmt. Für die plastische Ausschmückung war Máximo Juderías (1867-1951) verantwortlich: Er führte sowohl die bildhauerischen Elemente wie auch die meisten Gemälde an den Wänden und der Decke aus, die auf Musik und Malerei anspielen. Die Wandszenen stellen eine Mittagsrast bei der Ernte und einen Tagesanbruch am Ufer des Flusses Jalón dar – eine Szene, die sich in den Gärten des Palastes in Santa Maria de Huerta abspielt, der Sommerresidenz der Familie Cerralbo. Ein volkstümlicher Tanz auf den Feldern Valencias ist dagegen das Werk José Sorianos (1873-1937). Die Bestuhlung des Saales, dem Stil der Herrscherzeit Maria Christinas angemessen, sollte das Gruppengespräch fördern. Der Boden ist mit unter hohem Druck hydraulisch gepressten Fliesen ausgelegt – einer technischer Innovation, die im 19. Jahrhundert in das bürgerliche Wohnen einzog – und mit zeitgenössischen Teppichen aus der französischen Manufaktur Aubusson ausgeschmückt. Von dort stammen auch die Gardinen der Balkone. Schale Uhr Kanton (China) Quing-Dynastie, 19. Jh. Porzellan Inv. 3616 Zweite Hälfte 19. Jh. Porzellan Inv. 3620 Auf der Töpferscheibe in einer Werkstatt in Jingdezhen modelliert und in Kanton auf eine für den Export bestimmte Art bemalt, weist die Schale eine komplexe Komposition mit buddhistischen und taoistischen Elementen auf. Ausgeführt wurde eine stark rosafarbene Emaille, die von dem deutschen Arzt Andreas Cassius entdeckt wurde. Das Gehäuse besteht aus Sächsischem bzw. Dresdner Porzellan – so wurden im 19. Jahrhundert sowohl die Porzellane aus Meißen wie auch deren französische, englische, aber auch deutsche Imitationen genannt: Diese Luxusgüter waren extrem beliebt. 40 Sommer und Herbstallegorie Tablett Japan, Meiji-Periode (18681911) Lackiertes Holz Inv. 3646 19. Jh. Porzellan Inv. 3623-3625 Das Tablett ist schwarz lackiert (Roiro), mit Reliefs (Takamakie) verziert und mit Flachdekorationen (Hiramakie) in Gold, Silber und roten Lackflecken bemalt. Das Motiv ist ein Blumenkreis mit Phönixvögeln. Angebracht ist es auf einen vergoldeten, bambusimitierenden Rahmen – einem europäischen Zusatz. Die Göttin Ceres mit einem Getreidebündel und der Weingott Bacchus mit Flasche stellen Brot undWein, damit auch Sommer und Herbst dar. Das ursprüngliche Modell wurde um 1785 im Buen Retiro entworfen. Allerdings handelt es sich bei diesem Fall um eine späte, qualitätsvolle Fälschung, die auf einem aus Madrid stammenden Podest angebracht ist. Glocke Vase China, Qing-Dynastie um 1800 Bronze mit Cloisonné (Zellenemaille) Inv. 3649 Japan, Edo- oder MeijiPeriode, um 1870 Lackiertes Porzellan Inv. 3614 Auch hier handelt es sich um ein einzig für den Export geschaffenes Objekt. Feine Metallfäden definieren die Zeichnung und trennen die Emaillefarben, mit denen Pflaumenbäume, Pfingstrosen und Chrysanthemen (Winter-, Frühling- und Herbstdarstellungen) definiert sind. Die den Sommer repräsentierende Lotusblüte fehlt allerdings. DieseVase wurde in einer speziell für den Export geschaffenen Technik hergestellt. Die Keramik bleibt unter der schwarzen Lackschicht verborgen und ist mit goldenen Motiven verziert, die den vermeintlich leichten, in doppelter Kürbisform geformten Vasenkörper stilisieren. Weibliche Büste Inocencia Serrano y Cerver, Marquise de Cerralbo Aristide Petrilli um 1890 Marmor Inv. 3641 Letztes Viertel des 19. Jhs. Albumin-Papier, bemalt Inv. 3651 Von dem Florentinischen Meister Petrilli signiert, ist diese Büste von den Skulpturen der Renaissance inspiriert – auch wenn die Stilisierung des Modells und die leichte Wendung des Kopfes dem zeitgenössischen Geschmack des Jugendstils entspricht. Der Bildhauer perfektionierte seine Gravierkunst, um den Marmor mit Ornamenten zu verzieren. Ein nachkoloriertes Studioporträt auf AlbuminPapier. Transparente Farben heben dabei das kupferblonde Haar und die blauen Augen der Dargestellten hervor, die ein Abendkleid mit langer Schleppe und kostbare Perlenohrringe trägt. 41 23 Arbeitszimmer Der mit der Persönlichkeit des Marquis de Cerralbo am engsten verbundene Raum ist sein Arbeitszimmer. Als reiner Prunkraum gedacht, in dem illustre Besucher empfangen wurden, hatte er keinen wirklich praktischen Nutzen zu erfüllen. Das zylindrische Büro aus der Zeit Ferdinands VII. ist mit einer Vielzahl an wertvollen und anekdotischen, nicht praktischen Objekten gefüllt. Von diesem Schaustellungscharakter zeugen auch die auf dem Tisch befindlichen Erinnerungsstücke an Karl von Bourbon oder die ausgestellten Pistolen mit der Devise “Gott, Vaterland und König”. Der gesamte Raum spielt auf die Persönlichkeit und die unterschiedlichen Interessen Cerralbos an: Archäologie, Antiquitäten und die Sammelleidenschaft, in deren Zentrum der Marquis Gemälde stellte. Gerade in seinem Arbeitszimmer präsentierte er einige der ihm besonders wichtigen Werke: So hängt etwa neben dem Kamin das aus der Werkstatt Bronzinos stammende Porträt Alessando de’Medicis, das vom Marquis damals Andrea del Sarto zugeschrieben wurde. Und über der Schubladentruhe thront das Porträt Maria de‘ Medicis, eine Arbeit aus der Werkstatt Anton van Dycks. Die aus Stein gemeißelten Wappen und die Ritterrüstung des zweiten Marquis de Cerralbos erzählen auf illustre Weise von der edlen Herkunft des Hausherrn. Über dem Durchgang zur Bibliothek hängt schließlich eine der sogenannten „mysteriösen Uhren“, deren Werk in den Uhrzeigern versteckt ist. Vasenpaar Schwert mit zungenförmiger Klinge Paris, um 1845 Porzellan Inv. 3251-3252 Alhama de Aragón (Saragossa) 1150-1050 v. Chr. Bronzeguss Inv. 3562 Derartige als Amphoren modellierte Vasen zierten im 19. Jahrhundert den Empfangsbereich großer Häuser. Dem Stil nach Louis XVI., entspricht die florale Dekoration jener Epoche, in der Louis-Philippe von Orleans in Frankreich regierte (1830-1848). Ein charakteristisches Objekt für die Metallproduktion der ausgehenden atlantischen Bronzezeit, die von der Bretagne ausging. Derartige Schwerter waren Machtsymbole und Tauschobjekte der Elite, die den Handel mit seltenen Rohstoffen inWesteuropa kontrollierte. 42 Matilde deAguilera y Gamboa, Herrin von Fontagud Juan Vázquez de Mella, Cerralbo gewidmet um 1863-1868 Gebrannter Ton Inv. 3523 Kaulak Madrid, um 1915 Gelatineverfahren Das Porträt einer der Schwestern des Marquis de Cerralbo wurde mit der von François Willème 1860 patentierten Technik der Fotoskulptur hergestellt. Dabei wird die zu porträtierende Person in einem Radius von 5 Metern zeitgleich 24 Mal fotografiert. Die Büste entsteht dann mit Hilfe eines Pantographen, der sie anhand der erstellten Negative modelliert. Diese Fotografie stammt von dem berühmten Antonio Cánovas del Castillo, besser bekannt als „Kaulak“. Der Dargestellte ist der konservative Politiker Juan Vázquez de Mella, der sich in seiner freundschaftlichen Widmung auf die archäologische Arbeit des Marquis bezieht. Alessandro de’ Medici Bronzino und Werkstatt Florenz, um 1540-1533 Öl auf Holz Inv. 3180 Zylinder-Schreibtisch Frankreich, 1775-1800 Eiche und Mahagoni Inv. 3553 Dies ist eine der besten Versionen des Porträts vom ersten Herzog von Florenz, das Pontormo 1534 angelegt hatte, größtenteils aber von Bronzino ausgeführt wurde. Alessandro war der Sohn Giulio de’ Medicis (dem späteren Papst Clemens VII.) und einer schwarzen Sklavin. Der Verschluss dieses Schreibtischs ist als Viertel eines Zylinders geformt. Innen ist er mit grünem Saffianleder bezogen, die Schreibablage lässt sich ausziehen. Diese Art Schreibtisch im klassizistischen Stil war ausschließlich Männern vorbehalten. Gedenktafel Porträt eines Oberstleutnants Masriera Hermanos-Barcelona um 1890 Silber und andere emaillierte Metalle, Schafsleder und Walnussholz Inv. 3178 Spanische Schule um 1800 Öl auf Leinwand Inv. 3416 Auch wenn auf dem vergoldeten Schild „Goya“ in schwarzen Lettern zu lesen ist, handelt es sich nicht um eine Arbeit des berühmten Aragonesen. Diese Schilder mit oft veralteten Zuschreibungen wurden dennoch nicht erneuert – aufgrund ihres dekorativen und die Atmosphäre des ursprünglichen Museums atmenden Charakters. Die von Lorbeer- und Eichenkränzen eingefasste Inschrift informiert, dass diese Tafel von der katholisch-monarchischen Gemeinde zum Gedenken an Marquis de Cerralbo und an die Ereignisse des 10. April 1890 gestiftet wurde: In Valencia wurde der Marquis an diesem Tag während einer Wahlansprache für die Karlisten von Republikanern mit Steinen beworfen. 43 24 Bibliothek Dem luxuriösen Arbeitsraum gegenüber liegt die Bibliothek, ein Ort des Studiums und der Konzentration. Darauf verweisen die auf dem Tisch liegenden Utensilien ebenso wie die Schlichtheit des mit Büchern gefüllten Raumes. Die Bibliothek umfasst ca. 10.000 Bände, die von Inkunabeln bis hin zu zeitgenössischen Ausgaben der 1920er Jahre reichen. Zudem werden hier kostbare künstlerische, literarische und wissenschaftliche Handschriften aufbewahrt. Seinerzeit galt diese Bibliothek als die wichtigste im Bereich numismatischer und archäologischer Fachliteratur. Aber auch andere Gattungen finden sich, die die unterschiedlichen intellektuellen Interessen Enrique de Anguilaras bezeugen: Reiseführer, Geschichtsbücher,Titel über Geographie, Literatur, Religion, Recht und Politik. Sie alle sind immer noch nach dem ursprünglichen System des Marquis geordnet. In den Vitrinen wird eine Auswahl der von ihm und seinem Stiefsohn, dem Marquis von Villa-Huerta, zusammengetragenen, mehr als 24.000 Stücke umfassende Sammlung von Siegeln, Münzen und Medaillen gezeigt. Die Siegel sind durch päpstliche und königliche Matrizen oder Abdrücke repräsentiert. Die Münzen gehören vornehmlich zur iberischen Folge; hervorgehoben sei hier die ehemals Prosper Mailliet gehörende, von Cerralbo 1886 auf einer Pariser Versteigerung erworbenen Münze de nécessité – Notgeld als Ersatz für staatliche Zahlungsmittel. Die Medaillen, Papst- und Verkündigungsschriften datieren vom 16. bis ins 20. Jahrhundert. Besonders erwähnenswert sind die aus der Renaissance stammenden Objekte Jacobo Trezzos oder Pompeo und Leone Leonis. Uhr Tischuhr Henri Robert / Paris / Horloge mysterieuse um 1878 Glas, Metall Inv. 3155 Augte. Meyer à Paris 1800-1850 Vergoldete Bronze Inv. 2546 bis 2548 Von der Bibliothek aus ist die Rückseite dieser „mysteriösen“ Uhr zu sehen, die so genannt wurde, weil ihr Werk auf den ersten Blick unsichtbar scheint. Es handelt sich um eines der modernsten Modelle des damaligen Uhrmacherhandwerks, dessen Prototyp Henri Robert 1878 auf der Ausstellung für französische Produkte in Paris vorstellte. Die stilistisch der Zeit Karls X. angehörende Figur auf der Uhr stellt den mit Lorbeer gekränzten Apoll dar. Er spielt die Lyra und weist sich so als mythologischer Gott der Musik aus. Das mit einem Pendel ausgestattete Uhrwerk funktioniert nach dem alten Maß der Pariser Linie und schlägt zur vollen und halben Stunde. 44 Brief Königliches Siegel Alfons X., dem Weisen 1912 Papier, Tinte Inv. 6135 Königreich Kastilien, 1252-1284 Blei und Seide Inv. 2834 Am 16. Mai 1912 gratuliert Marcelino Menéndez Pelayo dem Marquis de Cerralbo zu dem angesehenen Martorell-Preis, der ihm für seine Arbeit „Páginas de la Historia Patria“ (Seiten zur Heimatgeschichte) verliehen wurde. Dort publizierte er seine ersten archäologischen Ausgrabungen. Die Sammlung königlicher Siegel und päpstlicher Bullen umfasst das 13. bis 18. Jahrhundert. Sie wurden hauptsächlich zur Bestätigung von Dokumenten, aber auch zum Verschließen von Briefen, zum Versiegeln von Reliquien, zur Bevollmächtigung von Botschaftern oder zum Markieren ungesäuerten Brotes beim Pascha-Fest benutzt. Hinrichtung MarieAntoinettes Halber Ekualakos Galvanisierter Kupfer Inv. 3059 ca. 180-146 v. Chr. Bronze Inv. 2726 Kopie der Rückseite einer 1794 von C.H. Küchler für den Unternehmer M. Boulton entworfenen Medaille. Die Originalmedaille entstand aufgrund der englischen Nachfrage: Die Briten waren sehr an Objekten und Erinnerungsstücken der Französischen Revolution interessiert. . Eine hispanische Münze aus Ekualakos, einer antiken Stadt, die vermutlich zwischen dem Oberen Dourofluss und der Jalon-Ebene lag. Bronzemünzen wurden imAlltag benutzt, um etwa Löhne zu zahlen. Die wertvollere Silbermünze dagegen gebrauchte man z. B. zum Bezahlen der Steuern an Rom. Oberherrschaft der Katholischen Doktrin Zweiunddreißig Stuiver-Stück Friedrich Pithan Jülich, Deutschland, 1621 Silber Inv. 2641 Giovanni M. Hamerani Rom, 1673 Kupfer, geschmolzen Inv. 3004 Der Stuiver (oder Stüber) wurde in Jülich angesichts fehlender Münzen während der Belagerung durch die von Ambrosio Spinola geführten und von Heinrich von dem Bergh kommandierten spanischen Truppen gemünzt. Das Stück ist eine Erinnerung an einen der ersten wichtigen Siege Philipps IV. nach dem sogenannten Zwölfjährigen Waffenstillstand in den Niederlanden. Diese Medaille mit Papst Clemens X. schuf G. Hamerani (1649-1705), der einer der wichtigsten römischen Familien im Bereich der Münzherstellung angehörte. Ursprünglich im Besitz Tomás Fr. Pireto (1716-1782), wurde dessen Sammlung von Karl III. für die Casa de la Moneda (Haus des Geldes) in Madrid angekauft. 45 25 Erste Galerie Die drei Galerien ziehen sich um den inneren Hof und ergänzen die Enfilade, d. h. die Zimmerflucht der zur Straßenseite (calle Ventura Rodriguez und calle Ferraz) hin orientierten Räume, die zudem über Balkone verfügen. Die Galerien erweitern den Ballsaal und bieten genügend Raum für große Feierlichkeiten. Der Marquis, beeinflusst von italienischen Palästen, entwarf diese Räumlichkeiten selbst, um seinen Gästen Freiraum und Flanierflächen zu ermöglichen. Beim Schlendern durch die Galerien konnten sie auch die wichtigsten Gemälde seiner Sammlung betrachten, etwa die aus dem 17. Jahrhundert stammenden Wandgemälde Francesco Ruschis und Francesco Maffeis. In der ersten Galerie konzentrieren sich die Porträts der Vorfahren. Ihnen zur Seite gestellt sind Porzellanvasen, Uhren, Divane und Konsolen, die mit den inVitrinen aufbewahrten Schmuckstücken und Kuriositäten wetteifern. Manuel Isidoro Aguilera y Galarza, Marquis de Cerralbo y Almarza Einsetzung eines Kardinals Jacopo Negretti, genannt Palma der Jüngere um 1590 Öl auf Leinwand Inv. 1769 Spanische Schule um 1800 Öl auf Leinwand Inv. 1795 Das Porträt stellt den Urgroßvater Enrique de Anguileras dar, der auch Graf von Fuenrubia war. Er trägt eine gepuderte Perücke, einen blauen Justaucorps und den Calatrava-Orden. Pendant zum ebenfalls ovalen Porträt seiner Gattin María Ruiz de Contreras Vargas Machuca. Das Gemälde zeigt die Ernennung eines Kardinals, der traditionell als Francisco Pacheco y Toledo, einem Vorfahren des Marquis de Cerralbo, identifiziert wurde und 1561 die Kardinalsweihe von Pius IV. empfing. Palma der Jüngere malte das Bild allerdings erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Inocencia Serrano y Cerver, Marquise de Cerralbo Luisa de Gamboa y López de León, Gräfin von Villalobos Ricardo Balaca 1859 Öl auf Leinwand Inv. 1814 Antonio Maria Esquivel (?) um 1835 Öl auf Leinwand Inv. 1750 Das Porträt zeigt die Marquise – entsprechend der Mode der Zeit Isabels II. gekleidet – mit Spitzenschleier und einem Missale in der Hand, als würde sie gleich zur Messe gehen. Am rechten Handgelenk trägt sie das Miniaturporträt eines Herrn: 1859 war sie noch mit Antonio Maria del Valle Angelin, ihrem ersten Ehemann, verheiratet. Dieses für den Marquis sehr wichtige Porträt zeigt seine noch sehr junge Mutter, bekleidet und frisiert entsprechend der Mode zur Zeit Isabel II. Sie heiratete 1842 Francisco de Aguilera y Becerril, den Graf von Villalobos, und gebar dreizehn Kinder. Enrique war ihr Erstgeborener. 46 Tischuhr Goldenes Vlies Manufaktur Brocot Paris, zweite Hälfte des 19. Jhs. Marmor, Alabaster, vergoldete Bronze Inv. 1779 19. Jh. Gold und Emaille Inv. 2187 Die Basis dieses bezaubernden Stückes beherbergt eine nicht mehr funktionsfähige Spieluhr, die sich aus Flöten und Orgel zusammensetzt. Der Klang schallte direkt aus dem Ziffernblatt. Bei der krönenden Vase handelt es sich um eine spätere Ergänzung. . Karl von Bourbon, der Herzog von Madrid, verlieh Marquis de Cerralbo das Goldene Vlies im Jahr 1895. Er handelte damit faktisch als Großmeisters des Ordens, da er sich als legitimer Nachfolger des spanischen Königs erachtete, dem diese Stellung vorbehalten war. . Kreuz Vase mit Maiblumen Spanien, 1610-1620 Emailliertes Gold, grünes Glas Inv. 2419 Meißen um 1890 Inv. 1742 Dieses Vasenpaar aus Meißen zeigt eine hoch geschätzte Besonderheit der sächsischen Manufaktur: Seit dem 18. Jahrhundert kombinierte sie auf Vasen gemalte mit skulptural ausgeführten Blumen und Figuren. Dieses Schmuckstück gehört zu den ältesten des Museums. Es datiert aus einer Zeit, als der Gebrauch der im 16. Jahrhundert in Mode gekommenen Brustkreuze wieder abnahm. Das grüne Glas imitiert die für kostbarste Kreuze verwendeten Smaragde aus Kolumbien. Enrique de Aguilera y Gamboa, 17. Marquis de Cerralbo Manschettenknöpfe José Soriano Fort um 1900 Öl auf Leinwand Inv.1807 19. Jh. Gold und Metall Inv. 2194 Das offizielle Porträt des Museumsgründers zeigt ihn als Senatsmitglied des Reiches gekleidet und mit den durch Karl von Bourbon verliehenen Auszeichnungen geschmückt. Die auf dem Tisch angehäuften Objekte und Bücher spielen auf seine Sammlungen und Forschungen als Historiker und Archäologe an. vergoldetes Zwei aus der Zeit Alexander des Großen (336323 v. Chr.) stammende Stater-Münzen sind auf mit filigranen Goldfäden verzierten Blättern montiert. Dieser Schmuck war ein Geschenk Georgs I. von Griechenland (1863-1913) an den Madrider Herzog Karl von Bourbon, der ihn wiederum dem Marquis de Cerralbo schenkte. 47 26 Zweite Galerie Die zweite Galerie ist mit italienischen – dem florentinischen Barock nachempfundenen – Möbeln eingerichtet, darunter Tisch, Stühle und Vitrinen. Sie stammen vom Ende des 19. Jahrhunderts, bestehen aus gebeiztem Holz und sind mit Elfenbeindekorationen verziert. Beherrscht wird die Galerie von der um 1600 von Alonso Cano gemalten Pietà; ihr gegenüber hängt Pietro Paolinis (1603-1682) „Allegorie des Todes“, ein Gemälde, das – wie dem Schildchen zu entnehmen ist – zur Zeit des Marquis Caravaggio zugeschrieben wurde. Martyrium des Hl. Sebastian Unbefleckte Empfängnis Juan de Peralta um 1430 Öl auf Holz Inv. 1827 Francisco de Zurbarán um 1655 Öl auf Leinwand Inv. 1649 Dem alten Museumsinventar zufolge gehörte dieses gotische Gemälde der Einsiedelei des Heiligen Sebastian von Montuenga (Soria). In seiner Inschrift werden die Stifter, die dem Martyrium kniend beiwohnen, als Söhne von Luis de la Cerdas, dem 3. Graf von Medinaceli, identifiziert. Es handelt sich um ein Spätwerk des Malers aus der Extremadura. Von Zurbarán sind mehrere Versionen dieses Themas bekannt, dem er sich ab 1613 widmete, als sich die Bewohner Sevillas für den Glauben an die Unbefleckte Empfängnis Marias aussprachen. Auferstehung Christi Corrado Giaquinto 1755-1762 Öl auf Kupfer Inv. 1630 Pietà Alonso Cano um 1660 Öl auf Leinwand Inv. 1648 Ein einzigartiges Werk Giaquintos, das ihm aufgrund formaler Ähnlichkeiten mit seiner auf Leinwand gefertigten Serie der Passion Christi zugeschrieben wird. Diese Gruppe malte Giaquinto während seines Aufenthaltes in Spanien für Karl III. Sie schmückte die Kapelle des Königs in dem später abgerissenen Madrider Palast im Buen Retiro. Die Szene zeigt den Schmerz der Jungfrau und des Heiligen Johannes, nachdem Christus vom Kreuz genommen wurde und mit seinem Kopf auf dem Schoß seiner Mutter ruht. Das im 17. Jahrhundert sehr beliebte Sujet basiert hier auf einer Pietà Anton van Dycks von 1636. 48 Tisch Vasen des Regenten Mailand, um 1860-1870 Kiefer und Ebenholz, Elfenbein Inv. 1623 18./19. Jh. Porzellan Inv. 1624, 1625, 1637, 1638 Diese im chinesischen Imari-Stil gefertigte Gruppe gehörte Antoine d‘Orléans, Herzog von Montpensier. Die Vasen tragen sein Wappen und verraten so die Auftragsarbeit – ähnlich jener ersten Vase, die Philippe II. von Orleans, der Regent Frankreichs, Anfang des 18. Jahrhunderts in China bestellte. Auf den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts wurden solche eklektizistisch gestalteten Tischtypen häufig prämiert. Bei diesem wurde die Form im französischen mit einer Verzierung im italienischen Stil kombiniert, die sich auf neapolitanische Möbel der auslaufenden Renaissance bezog. Seestück mit Figuren Stuhl Luis Paret um 1785 Öl auf Leinwand Inv. 1934 Italien, um 1860-1870 Walnuss, Palisander, Knochen, Perlmutt, Metalle Inv. 1833 Das Seestück gehört zur Gruppe von Hafenansichten der kantabrischen Küste, die 1786 Karl III. bei Paret in Auftrag gab. Es stellt die Umgebung des alten Strandes bei Portugalete dar, die als Peñota identifiziert wurde. Demnach müsste die Stadt im Hintergrund Santurce sein. Historisierend im Stil, erinnert die Form an antike Klappstühle, die im 19. Jahrhundert „dantische Stühle“ genannt wurden. Die Einlegearbeit orientiert sich an italienischen Möbeln der Renaissance und des Barock. Diana bei der Jagd Allegorie des Todes Pietro Paolini 1640-1680 Öl auf Leinwand Inv. 1918 Clunia (Peñalba de Castro, Burgos) 2. Jh. n. Chr. Marmor, Metall Inv. 1937 Der aus Luca (Italien) stammende Maler war ein Nachfolger Caravaggios bezüglich des Chiaroscuro und Naturalismus. Paolini gruppiert Männer und Frauen verschiedenen Alters und gesellschaftlicher Stellung um einen Totenschädel, der vom Ältesten gehalten wird: Er scheint über den Sinn des Todes zu meditieren. Ein römischer Torso wurde hier in eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts eingefügt. Ursprünglich handelte es sich um eine Kopie des vom griechischen Bildhauer Leochares (4. Jh. v. Chr.) geschaffenen Originals, das die Göttin mit Pfeil und Bogen auf dem Rücken darstellte. 49 27 Dritte Galerie In der dritten Galerie findet sich eine kleine Gästetoilette mit einem marmornen Waschbecken und einem kuriosen, abdeckbaren Klosett aus Holz. Entlang der Galerie reihen sich Schreibtische im Stil Salamancas, Neorenaissancetruhen, Schatullen unterschiedlicher Herkunft, Marmorbüsten und große Spiegel in vergoldeten Rahmen. Die zur Treppe sich öffnenden Balkone erlaubten früher den pünktlichsten Gästen, die später Eintreffenden zu beobachten und dabei den Akkorden des Orchesters zu lauschen, das auf der Tribüne des naheliegenden Ballsaales spielte. Vase Schatulle für eine päpstliche Bulle Japan, Edo- oder Meiji-Periode um 1870 Bronze Inv. 1527 Bemalung: Werkstatt Antonio de Peredas (zugeschrieben) um 1661 Öl auf Holz, Metall Inv. 1533 Die in einer Form gegossene Vase weist ein von archaischen Bronzen Chinas inspiriertes Relief auf. Wahrscheinlich wurde sie 1877 im Hôtel Drouot in Paris erstanden. Wie viele andere Stücke repräsentiert sie das damalige, in ganz Europa sich ausbreitende Sammelinteresse an japanischer Handwerkskunst. Der Inschrift zufolge wurde in dieser Schatulle die Apostolische Konstitution von Papst Alexander VII. aus dem Jahr 1661 an König Philipp IV. geschickt. Diese päpstliche Bulle bestätigt die Doktrin der Unbefleckten Empfängnis, vermittelt durch Luis Crespi de Borgia, den auf dem Deckel dargestellten Bischof von Orihuela. Das Christuskind erscheint dem Heiligen Antonius von Padua Mariano Salvador Maella um 1787 Öl auf Leinwand Inv. 2014 Zwei korinthische Kapitelle 19. Jh. Porzellan Inv. 1950 und 2003 Das Museum besitzt zwei Ölskizzen der von Maella für die Kirche in der Casa de Campo angefertigten Gemälde, die heute im Historischen Museum Madrids aufbewahrt werden. Die zerstörte Kirche wurde unter der Regierung Karls III. wieder aufgebaut, da sich der Monarch besonders stark zum Heiligen Antonius bekannte. Die Kapitelle weisen eine ungewöhnliche Größe und Technik auf: Zwei unterschiedliche Porzellantexturen, die verglaste und die nicht verglaste, werden kombiniert. Zugeschrieben wurden die Stücke Sèvres oder der Manufaktur des Buen Retiro. 50 Diana und Callisto Das Martyrium des Heiligen Menas Federico Cervelli zugeschrieben 1665-1670 Öl auf Leinwand Inv. 1969 Spanische Schule 1600-1630 Öl auf Leinwand Inv. 1566 Diese, Bartolomé Carducho oder seinem Bruder Vicente zugeschriebe Kopie eines Gemäldes von Paolo Veronese (Museo del Prado) gehörte der Kirche San Ginés. 1657 wurde es als Martyrium des Heiligen Genesius von Arles gedeutet. Laut Inschrift auf dem Original stellt es aber den Ägypter Menas dar. Mythologische Szene, die von einem ähnlichen in der Eremitage aufbewahrten Bild von Pietro Liberi inspiriert wurde. Offenbar von einem seiner Nachfolger ausgeführt, stammt es möglicherweise vom Mailänder Cervelli, der der venezianischen Schule angehört. Pietà Die Ekstase des Heiligen Franziskus Sebastiano Ricci 1691-1706 Öl auf Leinwand Inv. 1574 El Greco und Werkstatt um 1600 Öl auf Leinwand Inv. 1982 Trotz des kleinen Formats handelt es sich nicht um eine Ölskizze, sondern um ein eigenständiges Gemälde. Die diagonal ausgerichtete Perspektive, die Gestik der Figuren und die starken HellDunkelkontraste gehören zur Bildsprache des berühmten Malers der venezianischen Schule, der so die Dramatik seiner Sujets erhöht. Mit „Domenikos Theotokopulos epoiei“ signiert, zeigt das Bild eine der zahlreichen, vom großen Griechen gemalten Versionen des Stigmatisierungswunders, welches Franz von Assisi auf dem Berg La Verna in Gegenwart seines Bruders Leon wiederfuhr. Jakob und die Schafsherde Labans Uhr Werkstatt José de Ribera um 1638 Öl auf Leinwand Inv. 1576 John Taylor, London 18. Jh. Mahagoni, Metalle Inv. 2008 Dank dieser Kopie ist die vollständige Komposition eines Bildes von Ribera bekannt, von dem nur ein in der Londoner National Gallery aufbewahrtes Fragment erhalten ist. Es stellt Jakob mit seinen gefleckten Schafen dar, die es ihm ermöglichen sein eigenes Volk Israel zu gründen. Diese Stockuhr funktioniert mit einem, für die englischen Uhren des Typ Bracket charakteristischen, birnenförmigen Pendel mit Zahnrad. Auf dem Ziffernblatt ist sie vom berühmten Londoner Uhrmacher John Taylor signiert, dessen Bracket-Uhren vor allem nach Spanien exportiert wurden. 51 28 Ballsaal Mit Achatplatten aus Granada, Marmor aus den Pyrenäen sowie großen, die Lichtreflexe ins Unendliche multiplizierenden venezianischen Spiegeln ausgestattet, markiert der Ballsaal das große Finale unseres Rundganges. Das von Juderías Caballero zwischen 1891 und 1892 in Öl ausgeführte Deckengemälde gehört zu den wenigen an die damals zeitgenössische Kunst gemachten Konzessionen. Dennoch ist das Werk tief in der akademischen Tradition verankert und weit entfernt von der sich Ende des Jahrhunderts abzeichnenden Avantgarde. Der gewählte Stil passt sich dafür aber perfekt dem historisierenden Ambiente des Palastes an – und er fördert den ungewöhnlichen Glanz und Glamour eines Raumes, der ganz und gar dem Tanz und Vergnügen gewidmet war. Dargestellt ist im Deckenzentrum der Tanz der Götter, an den Seiten werden bekannte überlieferte Tänze inszeniert. Der Idee eines „Tanztempels“ ordnen sich auch die römisch-antik anmutenden Büsten unter, die zwischen den Sitzgelegenheiten – Divane und leichte, mit Seiden aus Lyon bezogene Stühle – aufgestellt sind. Genutzt wurde der Saal auch als Ausstellungsraum für archäologische und numismatische Funde. Schließlich wurden hier immer wieder literarische Abende gefeiert. Kanapee Borne Uhr mit klassizistischer Skulptur um 1885 Vergoldetes Holz, Seide Inv. 2512 Barbedienne; Cie Des Marbres, Onyx d’Algerie, Paris um 1870 Versilberte Bronze, Marmor Inv. 2495 Die Struktur dieses Kanapees setzt sich aus einer eklektizistischen Komposition verschiedener Elemente zusammen, die möglicherweise vom Marquis de Cerralbo persönlich entworfen wurde. Er kümmerte sich um jedes Detail der Ausgestaltung im Hauptgeschoss des Museums. Eine von Farcot erfundene „mysteriöse Uhr“ mit konischem Pendel. Es dreht den Himmelsglobus, indem der Uhrzeiger auf dem Sockel, wo das Werk versteckt ist, in Bewegung gebracht wird. Die Skulptur wurde in der berühmten Gießerei Ferdinand Barbedienne hergestellt. 52 Figurenleuchter Die Allegorie des Tanzes Frankreich, 1850-1900 Bronze oder Zink mit schwarzer Patina, vergoldet Inv. 1799 Máximo Juderías Caballero 1891-1892 Öl auf Leinwand Die Kerzenleuchterfigur stellt eine Allegorie der irdischen Welt dar: Der Junge trägt um die Schulter eine Entomologentrommel, aus der Insekten kriechen und über seinen Körper krabbeln. Stilistisch evoziert er den Barock – eine für die französischen Bildhauer dieser Zeit wichtige Inspirationsquelle beim Entwurf dekorativer Bronzefiguren für Lampen oder Uhren. In seinem akademischen Stil formuliert Juderías Caballero eine romantischeVision der Geschichte des Tanzes. Ihre einzelnen Sequenzen, darunter einige mit versteckter Erotik, „drehen“ sich um den Tanz der Götter im himmlischen Olymp. Stuhl 1875-1900 Vergoldetes Holz, Seide Inv. 3606 Der Marquis de Cerralbo ist in einem der Deckenzwickel als perfekter Gastgeber, gekleidet in einen roten Gehrock, porträtiert. Die ihn umringenden, zu diesem idealisierten Ball geladenen Gäste spiegeln die Persönlichkeiten der Hohen Gesellschaft wieder. Sie tanzte in diesem Salon den damals sehr beliebten “Galopp”: Man bildete Kreise und sprang hüpfend wie galoppierende Pferde. Der Chaise volante (fliegender Stuhl) eignete sich wegen seines geringen Gewichtes besonders für Ballsäle, da ein Gast ihn selbst nach Belieben bewegen konnte – sei es um auszuruhen oder sich einer anderen Gesprächsrunde anzuschließen. Büste 18. Jh. Marmor Inv. 2501 Die Ikonographie dieser Büste – wahrscheinlich handelt es sich um einen griechischen Philosoph – schreibt diesen Kopf in die Tradition eines Porträtypus ein, der seine Ursprünge im klassischen Griechenland des 4. Jahrhunderts hatte, in der Kaiserzeit Roms wiederaufgenommen wurde und schließlich noch einmal während des Klassizismus, am Ende des 18. Jahrhunderts, wieder auflebte. 53