Stabilisierende und destabilisierende Faktoren
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Stabilisierende und destabilisierende Faktoren
Stabilisierendeunddestabilisierende FaktorenaufdenWohnungsmärktender EU‐14 Robert Wieser Fachbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung Technische Universität Wien http://www.ifip.tuwien.ac.at I NHALT Einleitung .......................................................................................................................................... 1 Wohnungsmarktzyklen ..................................................................................................................... 2 Der letzte Wohnungsmarktzyklus in den EU‐14 ......................................................................... 5 Entwicklungen auf Länderebene ................................................................................................ 8 Die Entwicklung der fundamentalen Einflussfaktoren ................................................................... 13 Die Ausgangsbedingungen ........................................................................................................ 16 Die Hauptdeterminanten der Nachfrage .................................................................................. 17 Finanzmarktliberalisierung und Kreditmärkte .......................................................................... 22 Steuern, Subventionen und Transaktionskosten ...................................................................... 37 Bodenmarktregulierung und Raumplanung ............................................................................. 45 Die Veränderung der Bestandsverhältnisse ................................................................................... 46 Entwicklung der Eigentumsquoten ........................................................................................... 46 Entwicklungen im Mietensektor ............................................................................................... 50 Länderprofile .................................................................................................................................. 58 Spanien ..................................................................................................................................... 58 Irland ......................................................................................................................................... 67 Frankreich ................................................................................................................................. 75 Niederlande .............................................................................................................................. 84 Schweden .................................................................................................................................. 92 Österreich ............................................................................................................................... 102 Indikatoren für Stabilität und Instabilität ..................................................................................... 112 Häuserpreise und Fundamentalfaktoren ................................................................................ 113 Hauspreisvolatilität, Staatseinfluss und Institutionen ............................................................ 116 Schlussfolgerungen ....................................................................................................................... 120 Literatur ........................................................................................................................................ 123 Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................. 129 Tabellenverzeichnis ...................................................................................................................... 131 1 E INLEITUNG Wohnimmobilien stellen in Europa einen Großteil des gesamtwirtschaftlichen Nettoanlagevermögens dar. Sie sind wichtige Vermögenswerte und Verbindlichkeiten für Kreditinstitute und private Haushalte. Starke Preisveränderungen bei Wohnimmobilien haben daher nicht nur Einfluss auf die Entwicklungen der Wohnungsmärkte selbst, sondern auch spürbare makroökonomische Folgen. Sie beeinflussen den privaten Konsum, die private Investitionsgüternachfrage und die Finanzmarktstabilität über deren Wirkungen auf das Vermögen, die Kapitalkosten, die Bilanzen und die Erwartungen der Wirtschaftsakteure. Die vorliegende Studie untersucht die Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten in vierzehn Ländern der EU in den Jahren 1995 bis 2007, dem Beginn der Banken‐, Finanz‐ und Wirtschaftskrise und der Zeit danach bis Ende 2010. Im Zentrum der Untersuchung stehen die zum Teil deckungsgleichen, zum Teil aber auch stark divergierenden Entwicklung bei den Häuser‐ bzw. Wohnungseigentumspreisen in diesem Zeitraum. Untersucht wird, wie gut sich die Entwicklungen der Häuserpreise und der Wohnbauinvestitionen in den einzelnen Ländern mit den Entwicklungen bei den Einkommen, den Zinsen, der Bevölkerungszahl und anderen wichtigen Einflussfaktoren erklären lassen. Einen Schwerpunkt dabei bildet die Darstellung der Veränderungen auf den Finanzmärkten. Darüber hinaus werden die steuerlichen Rahmenbedingungen und Förderungen für Wohnungsinvestitionen, die Transaktionskosten auf Wohnungsmärkten und die Veränderungen in den Eigentumsverhältnissen im Wohnungsbestand untersucht. Es folgen Länderprofile für sechs der vierzehn EU‐Länder. Kern der Arbeit ist der Versuch, stabilisierende und destabilisierende Faktoren aus einem Ländervergleich zu identifizieren. Dies geschieht einerseits durch eine Analyse der fundamentalen Fehlbewertungen auf den Märkten zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Finanzkrise und danach, und andererseits durch eine Analyse der institutionellen Merkmale von drei Ländergruppen, klassifiziert nach deren Entwicklungen der Häuserpreise bis Ende 2010. 2 W OHNUNGSMARKTZYKLEN Wohnungsmärkte zeigen im Zeitverlauf ein ausgeprägt zyklisches Verhalten, das sich markant von anderen Märkten unterscheidet. Der Wohnbau reagiert ausgesprochen sensitiv auf gesamtwirtschaftliche Veränderungen. In vielen Ländern schwanken die Wohnbauinvestitionen im Konjunkturverlauf stärker als der Rest der Bruttoanlageinvestitionen. Starken Anstiegen über mehrere Jahre folgen oft drastische Einbrüche in relativ kurzen Zeiträumen. Eine Untersuchung von 49 Wohnbauzyklen in 23 Ländern hat ergeben, dass im Durchschnitt innerhalb von 2 Jahren nach dem Höchststand der Wohnbauinvestitionen 80% der Zuwächse wieder verloren gehen (Rae und van den Noord, 2006). Die Preisrückgänge waren in den meisten Zyklen weniger stark. In der Regel gehen die (realen) Häuserpreise zwar über längere Zeiträume zurück, der vorherige Anstieg wird aber sehr oft nicht vollkommen zurückgenommen. Vor allem in Gebieten mit steigender Bevölkerungszahl und zugleich knappem Bodenangebot steigt der relative Preis des Wohnens. Ein zweiter Grund für langfristig steigende reale Wohnimmobilienpreise liegt in der geringeren Produktivität des Wohnbausektors im Vergleich zu den Konsumgütersektoren. Relativ zu Wohnimmobilien lassen sich Konsumgüter tendenziell immer günstiger produzieren, weshalb der relative Preis des Wohnens tendenziell zunimmt. Ein Grund für die im Vergleich zu den Wohnbauinvestitionen kurzfristig moderateren Rückgänge der Wohnungspreise dürfte darin zu suchen sein, dass Wohnungseigentümer in der Regel davor zurückscheuen, Wohnungen mit Verlusten zu verkaufen. Für viele Haushalte stellt das Wohneigentum die Hauptkomponente des Vermögens dar, Verluste beim Wohnungsverkauf bedeuten daher mitunter spürbare negative Vermögensveränderungen. Sie nehmen ihre Wohnungen in Schwächeperioden daher entweder vom Markt oder sie halten an ihren Preisvorstellungen fest und warten, bis sich die Marktverhältnisse wieder zu ihren Gunsten gebessert haben1. Die Situation kann sich schlagartig ändern, wenn die zentralen Einflussfaktoren am Wohnungsmarkt massiven negativen Schocks ausgesetzt sind. Zwei Beispiele wären ein kurzfristig dramatischer Einbruch der Einkommenserwartungen oder ein kurzfristig rascher Anstieg der Zinsen. Ein anderes Beispiel wäre eine grundlegende Änderung der Steuerpolitik, etwa eine drastische Anhebung von Immobiliensteuern. In solchen Fällen kann man auch ausgeprägte Abstürze der Wohnungspreise beobachten. Rae und van den Noord (2006) haben 49 Wohnbauzyklen in 23 Ländern untersucht. Nach ihrer Definition existiert ein Wohnbauboom, wenn die Wohnbauinvestitionen pro Kopf über eine Periode von 5 Jahren um mehr als 15% p.a. zulegen. Der obere Wendepunkt ist definiert als der höchste Stand der Wohnbauinvestitionen in einem Zeitfenster von 7 Jahren (vier Jahre vor dem Höchststand und drei Jahre nach dem Höchststand). Der mittlere Anstieg der Wohnbauinvestitionen in den 40 untersuchten Zyklen zwischen Tiefpunkt und Höchststand betrug 40%. Der stärkste beobachtete Anstieg war mit 160% in Korea zwischen 1973 und 1978 zu beobachten. In 16 Fällen lagen die Anstiege über 50%. Die Aussagekraft offizieller Preisstatistiken kann von solchen Verhaltensweisen stark 1 beeinflusst sein. Dies betrifft sowohl Statistiken, die auf tatsächlichen Transaktionspreisen als auch Statistiken, die (zum Teil) auf Angebotspreisen basieren. In Extremphasen des Wohnungsmarktes kann sich der Bestand und die durchschnittliche Qualität der Markt angebotenen Wohnungen sehr stark verändern. Darauf muss bei der Erstellung offizieller Preisindizes Rücksicht genommen werden. 3 Anders als bei den Wohnungspreisen zeigen die Wohnbauinvestitionen in der Regel ausgeprägte Abschwünge. Im Durchschnitt gehen in den ersten beiden Jahren nach dem Höchststand rund 80% des Anstiegs wieder verloren. Danach stabilisieren sich die Wohnbauinvestitionen tendenziell für zwei bis drei Jahre und ziehen dann wieder an. „Sanfte Landungen“ kann man in den Investitionszyklen sehr selten beobachten. Nur in 4 Fällen war der Rückgang der Wohnbauinvestitionen pro Kopf geringer als 1/3 des Anstiegs in der Boomperiode (Niederlande 1978, Belgien nach 1990, Großbritannien nach 1998 und Finnland nach 2000). In 20 Fällen zog sich der Rückgang über mehr als 3 Jahre hin und in allen Fällen waren die kumulierten Rückgänge sehr stark. Rae und van den Noord (2006) haben auch den Einfluss der Geldpolitik vor und nach Erreichen der Höchststände bei den Wohnbauinvestitionen untersucht. Nur in etwa der Hälfte von 34 untersuchten Fällen haben die Notenbanken vor Erreichen des Höchststandes die Zügel angezogen, d.h. die kurzfristigen Zinsen erhöht. Zinsveränderungen sind daher nicht die einzigen Faktoren, die zu Einbrüchen auf den Wohnungsmärkten führen. Auch Ahearne u. a. (2005) haben die Einflüsse der Geldpolitik auf die Häuserpreise in 18 Ländern seit 1970 untersucht. Sie stellen grundsätzlich fest, dass die Notenbanken sich in der Vergangenheit kaum an der Inflation der Vermögenspreise (Häuserpreise, Aktienkurse etc.) orientiert haben dürften. Ihr Fokus war in der Regel auf die Verbraucherpreise und die Wechselkurse gerichtet. Trotzdem ist die Wirkung der Geldpolitik auf die Hauspreisentwicklung natürlich stark. Dem typischen Hauspreisboom geht eine Periode lockerer Geldpolitik voraus. Die Häuserpreise beginnen in der Regel dann am stärksten zu steigen, wenn die kurzfristigen Zinsen den Boden erreicht haben, im Durchschnitt 3 Jahre vor den Preishöchstständen. Generell ist die Hauspreisentwicklung stark pro‐zyklisch. Der Höchststand der Häuserpreise fällt sehr oft mit dem oberen Konjunkturwendepunkt zusammen. Zu dem Zeitpunkt sind die kurzfristigen Zinsen aber schon über Monate oder Jahre wieder angestiegen, weil sich die Notenbanken an der steigenden Inflation orientieren. Nach dem Höchststand sind die Preise im Durchschnitt der Zyklen in den 18 Ländern 5 Jahre lang zurückgegangen und haben einen Großteil des vorangegangenen Preisanstiegs, aber nicht den gesamten Anstieg, wieder zurückgenommen. Der starke Zusammenhang zwischen Hauspreisentwicklung und Konjunktur bedeutet auch, dass sich Häuserpreise und andere Vermögenspreise, wenn auch mit zeitlichem Abstand, in gleicher Richtung entwickeln. Im Durchschnitt haben die Aktienkurse ihren Höchststand ein bis zwei Jahre vor dem Höchststand der Häuserpreise erreicht. Sehr langfristig mag die Investition in Wohnimmobilien eine Versicherung gegen steigende Inflation darstellen, kurz‐ bis mittelfristig ist dies nicht der Fall und auch das Argument, Immobilien seien ein optimales Diversifikationsinstrument in einem breit gestreuten Anlageportfolio gilt, angesichts der beinahe parallelen Preisentwicklungen von Wohnimmobilien und Aktien, nur bedingt. Der Effekt der Risikostreuung dürfte geringer sein, als oft angenommen. Ahearne u. a. (2005) haben auch untersucht, welche Sektoren der Wirtschaft am stärksten vom Risiko fallender Häuserpreise betroffen waren. Am stärksten unmittelbar betroffen ist natürlich die Gruppe der Eigentümer. Je höher der Anteil des Wohneigentums am gesamten Wohnungsbestand ist, desto stärker trifft ein Einbruch der Häuserpreise den privaten Haushaltssektor. Aber auch in Ländern wie Deutschland mit hohem Mieteranteil ist der private Haushaltssektor stark betroffen, weil dort ein Großteil der vermieteten 4 Wohnungen im Eigentum der Privathaushalte steht. Das Risiko der Haushalte steigt zudem mit dem Anteil an variabel verzinsten Hypothekarkrediten, weil in Zeiten stark steigender Zinsen relativ kurzfristig die Gefahr besteht, dass die Kredite wegen steigender Rückzahlungsraten nicht mehr bedient werden können. Dass auch die Kreditgeber von Hauspreiseinbrüchen betroffen sein können, hat die gegenwärtige Finanzkrise gezeigt. In der Vergangenheit waren Finanzkrisen, soweit sie vom Immobiliensektor ausgelöst wurden, fast immer mit Preiseinbrüchen auf den Gewerbeimmobilienmärkten verbunden. Jüngere Beispiele dafür waren die Krisen in Japan, Schweden und Norwegen in den frühen 1990er Jahren. Die geringere Gefahr, die von Wohnimmobilienpreiskrisen ausgehen soll, wurde mehrfach begründet: Zum ersten war historisch gesehen die Volatilität der Wohnimmobilienpreise in der Regel geringer als die Volatilität der Preise von Gewerbeimmobilien. Zum zweiten war die Belehnungsrate, also das Verhältnis von Hypothekarkredit zu Immobilienpreis (die loan to value‐Ratio bzw. LTV‐Ratio) am Wohnungsmarkt in der Regel geringer. Zum dritten nimmt die LTV‐Ratio während der Laufzeit der Kredite ab, d.h. die durchschnittliche LTV‐Ratio in einem Hypothekarkreditportfolio einer Bank liegt mitunter deutlich unter der LTV‐Ratio der Neukredite. Eine Untersuchung von Moody’s zum größten Hypothekeninstitut in Großbritannien Anfang des letzten Jahrzehnts ergab, dass die durchschnittliche LTV‐Ratio bei nur 41 Prozent lag und nur 7 Prozent der Kredite eine LTV‐Ratio von über 85% hatte. Historisch hat man daher das Ausfallsrisiko von Hypothekarkrediten in der Regel immer viel niedriger eingeschätzt als das Ausfallsrisiko von Geschäftskrediten. Auch ist nicht davon auszugehen, dass Wohnhypothekennehmer bei fallenden Wohnungspreisen strategischen Konkurs betreiben. In der Regel werden die Kredite weiter bedient. Das Hauptrisiko für den Kreditgeber ist die Arbeitslosigkeit des Kreditnehmers. Die Liberalisierung der Finanzmärkte in den letzten Jahrzehnten hat unter anderem auch dazu geführt, dass den Kreditgebern heute eine Reihe von neuen Instrumenten, insbesondere Instrumente zur Risikostreuung, bereit stehen. Mit Hilfe von Residential Mortgaged Backed Securities (RMBS) ist es möglich, Hypothekarkredite zu bündeln und als Bündel weiterzuverkaufen. Dadurch verschwinden die Kredite aus der Bilanz der Kreditgeber und das Risiko wird an die Käufer der RMBS weitergegeben, ähnlich wie dies bei Rückversicherungen geschieht. Daher stammt wahrscheinlich auch die etwas irreführende Bezeichnung „Securitisation“ für dieses Vorgehen. Vor zehn Jahren verblieben weniger als 1/3 der Kredite in den Büchern US‐amerikanischer Hypothekenbanken. In Europa war das Instrument vor zehn Jahren noch deutlich weniger verbreitet, trotz stark steigender Wachstumsraten. In Großbritannien, das im Jahr 2004 mehr als die Hälfte des RMBS‐Marktes für sich beanspruchte, waren nur 19% der Brutto‐ Neukredite in dieser Art „versichert“. Deutlich weniger als in den USA. Ahearne u. a. (2005) haben diese Entwicklungen sehr unkritisch gesehen. Nicht immer ist es von Vorteil, aus vergangenen Erfahrungen auf zukünftige Entwicklungen zu schließen. Ihre Fehleinschätzung kulminiert in der Formulierung in den Schlussfolgerungen: „….even though some lending institutions have substantial exposures, it is unlikely that residential mortgage lending poses a significant threat to banking systems in these countries” (S.28). Im Nachhinein kann man solche Formulierungen leicht kritisch sehen. Tatsache ist, dass die Entwicklung anders gekommen ist als erwartet. Viele Beobachter der Wohnimmobilienmärkte in den USA und anderswo haben vor dem Platzen einer Blase gewarnt. Auch Ahearne u. a. haben darauf hingewiesen, dass Risiken von 5 Hauspreiseinbrüchen bestehen, insbesondere in den Niederlanden, in Australien und in Großbritannien. Tatsächlich waren die Einbrüche seit dem Jahr 2007 am höchsten in Irland, Dänemark, Spanien und Griechenland. Die USA haben sie auch nicht erwähnt. Bekanntlich hat die Krise aber dort ihren Ausgang genommen. D E R L E T Z T E W O H N U N G S M A R K T Z Y K L U S I N D E N EU‐14 Wenn wir uns für den Moment einen gemeinsamen Wohnungsmarkt in den EU‐14 vorstellen, dann haben wir seit 1970 vier Wohnungsmarktzyklen erlebt. In jedem dieser Zyklen gab es zumindest in einem Jahr einen spürbaren Rückgang bei den Eigentumspreisen und/oder den Wohnbauinvestitionen. Im Jahr 1975, dem Jahr der Ölkrise und der hohen Inflationserwartungen, sind die Wohnbauinvestitionen (in realer Rechnung) dramatisch eingebrochen. Im Zuge und in Folge der zweiten Ölkrise Anfang der 1980er Jahre sind die Investitionen über drei Jahre hindurch, die Preise aber über sechs Jahre hindurch zurückgegangen. Zwischen 1990 und 1993 gab es erneut negative Veränderungsraten bei den Wohnbauinvestitionen und rückläufige oder stagnierende Preise. Mitte der 1990er Jahre lagen die Wohnbauinvestitionen (in konstanten Preisen) in etwa auf dem Niveau von 1970, während die realen Häuserpreise um etwa 25% höher standen als Anfang der 1970er Jahre. Mitte der 1990er Jahre beginnt der längste Wohnbauzyklus der letzten 40 Jahre. Preise und Wohnbauinvestitionen steigen bis ins Jahr 2007 hinein mit jährlichen Wachstumsraten von 5% und mehr. Im Jahr 2007, dem ersten Jahr der Finanzkrise, setzt ein Abschwung im Wohnbaugeschehen ein der im Jahr 2009 mit einem Minus bei den realen Wohnbauinvestitionen von mehr als 18% im größten Einbruch seit 40 Jahren kulminiert. A BBILDUNG 1 E NTWICKLUNGEN DER REALEN H ÄUSERPREISE UND DER REALEN W OHNBAUINVESTITIONEN IN DEN EU‐14 HPI_Veränderung WBI_Veränderung Häuserpreise Wohnbauinvestitionen 200 180 20 15 Indizes (1995 = 100) 10 140 120 100 80 5 0 -5 60 -10 Jährl. Veränderung in % 160 40 20 0 -15 -20 Quellen: OECD, Eurostat, Ameco, Häuserpreisquellen (siehe Abb. 3), eigene Berechnungen Zwei Beobachtungen im Gesamtbetrachtungszeitraum sind bemerkenswert. Erstens, die Volatilität (d.h., die jährlichen Schwankung der Veränderungsraten) der 6 Wohnbauinvestitionen ist größer als die der Häuserpreise. Und zweitens, der Zusammenhang von Häuserpreisen und Wohnbauinvestitionen hat deutlich zugenommen. Die Korrelation der jährlichen Veränderungsraten ist von 0,64 im Zeitraum 1971 bis 1994 auf 0,88 im Zeitraum 1995 bis 2010 angestiegen. Die Bedeutung der Entwicklung der Häuserpreise bzw. der Wohnungseigentumspreise für die Beurteilung der Stabilität der Wohnungsmärkte nimmt also deutlich zu. Ein Grund dafür ist auch in den steigenden Eigentumsquoten in Europa zu suchen. In fast allen Ländern ist der Anteil des Wohnungseigentums am Gesamtbestand der Wohnungen gestiegen, im Durchschnitt von 57% im Jahr 1980 auf 64% im Jahr 2008. Die Entwicklung der Häuserpreise wird sehr oft in Relation zur Entwicklung der Einkommen und der Mieten gesetzt. Die Relation Häuserpreis zu Einkommen soll dabei ein Maß für die Leistbarkeit des Wohnungseigentums vor allem für Erstkäufer (Familiengründer) darstellen, während die Relation von Häuserpreisen zu Mieten als Indikator für (Fehl‐)Bewertung von Häusern herangezogen wird. Fehler! Ungültiger Eigenverweis auf Textmarke. zeigt die Entwicklungen von realen Häuserpreisen, realem BIP und realen Mieten im Durchschnitt der EU‐14. Sehr deutlich ist zu erkennen, dass die Häuserpreise den Einkommen und den Mieten seit dem Jahr 2001 „davonlaufen“. Selbst nach den starken Preisrückgängen in einigen Ländern seit dem Jahr 2007 sind die Relationen immer noch sehr hoch. Dies ist ein Grund, warum für einige Länder auch nach dem Jahr 2010 noch Korrekturen erwartet wurden. A BBILDUNG 2 I NDIZES VON H ÄUSERPREISEN , BIP UND M IETEN IM EU‐14‐D URCHSCHNITT Häuserpreise real BIP real HVPI-Mieten real 200 Index 1995 = 100 180 160 140 120 100 80 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quellen: Eurostat, Ameco, Eigene Berechnungen Beide Indikatoren werden oft herangezogen, um auf eine Überbewertung (ein Bubble) auf den Wohnimmobilienmärkten hinzuweisen. Beide Indikatoren haben jedoch ihre Schwächen. Erstens wird die Einkommensentwicklung zumeist gemessen durch die Entwicklung der verfügbaren Haushaltseinkommen, des BIP oder des Volkseinkommens. Wenn es aber systematische Unterschiede in der Einkommensentwicklung zwischen Hauseigentümern, potentiellen Hauseigentümern und Mietern gibt, zeigt der Indikator nicht die relevanten Verhältnisse. Auch die Einkommensverteilung zwischen und innerhalb 7 der Gruppen ist für die Aussagekraft von Belang. Zweitens lässt sich die Beobachtung, dass das Verhältnis von Häuserpreisen zu Einkommen zuletzt deutlich über dem langfristigen Trend liegt, zum Teil wenigstens durch Änderungen bei den Nutzerkosten erklären. Neben den Erwartungen über zukünftige Entwicklungen der Wohnungseigentumspreise stellen die Zinsen die wichtigste Komponente der Nutzerkosten dar. Die Zinsen sind in Folge von geldpolitischen Entscheidungen, Liberalisierung auf den Finanzmärkten und institutionellen Änderungen auf den Hypothekenmärkten (Produktinnovationen, verstärkter Wettbewerb usw.) vor allem seit Anfang der 2000er Jahre dramatisch gesunken. Dadurch hat sich die Nachfrage nach Wohnraum in vielen Ländern, unabhängig von der Einkommensentwicklung, deutlich erhöht. Eine Wohnung stellt ein dauerhaftes Gut dar, das den Menschen zugleich als Konsum‐ und Investitionsgut bzw. als Gut zur Kaufkraftaufbewahrung dient. Haushalte haben die Wahl, entweder das gesamte Gut im Eigentum zu erwerben, wodurch das Gut zugleich Konsum‐ und Investitionscharakter hat, oder nur die Konsumkomponente zu erwerben, also zu mieten. Jede Wohnung hat daher zwei Preiskomponenten: Eigentumspreis und Miete. Der Indikator Häuserpreis zu Mieten hat für die Bewertung der Wohneigentumsmärkte eine ähnliche Bedeutung wie das Kurs‐Gewinn‐Verhältnis bei der Aktienbewertung. Da in die Vermögenspreisbestimmung Erwartungen über zukünftige wirtschaftliche und institutionelle Entwicklungen eingehen, ist es allerdings schwer, anhand des Indikators eine Fehlbewertung festzustellen. Wir haben noch keine guten Modelle der Erwartungsbildung auf Vermögensmärkten. Es ist nicht leicht, zwischen Preisentwicklung aufgrund von Änderungen in den Fundamentaldaten und Preisentwicklungen aufgrund irrationaler Übertreibungen (z.B. Herdenverhalten) zu unterscheiden. Die meisten Modelle versagen in der vollständigen Erklärung von vergangenen Vermögenspreisentwicklungen, noch mehr aber in der Vorhersage der Preisentwicklungen. Gallin (2004) verweist auf einen Mean Reversion Prozess des Hauspreis‐Mieten‐Indikators. Das würde bedeuten, dass die Häuserpreise irgendwann relativ zu den Mieten weniger stark steigen oder sogar fallen, wenn das Verhältnis über dem langfristigen Trend liegt. Hier gelten allerdings ähnliche Argumente wie oben zum Verhältnis Häuserpreise zu Einkommen. Wenn sich grundlegende strukturelle und institutionelle Faktoren ändern, kann das Verhältnis auf einen neuen Trend einschwenken. Die Vergangenheit liefert dann zur Beurteilung zukünftiger Entwicklungen keine hinreichend guten Anhaltspunkte mehr. 8 ENTWICKLUNGENAUFLÄNDEREBENE Die Durchschnittsbetrachtung über alle Länder verschleiert, dass zwischen den einzelnen nationalen Wohnungsmarktzyklen durchaus gravierende Unterschiede bestehen. Seit Mitte der 1990er Jahre zeigen sich dabei mehrere Auffälligkeiten: Zum ersten beobachten wir zwar sehr starke Preisanstiege in der Mehrheit der Länder, in acht Ländern haben sich die realen Häuserpreise von 1995 bis 2007 mehr als verdoppelt, mit den stärksten Anstiegen in Irland, Großbritannien und Finnland. Von einer verstärkten Synchronisation der Zyklen kann allerdings keine Rede sein (Abbildungen 4 bis 6). In Irland, Finnland und den Niederlanden konzentrierten sich die stärksten Preiszuwächse auf die Jahre um die Jahrtausendwende. Danach hat sich das durchschnittliche Preisniveau dort nicht mehr so stark erhöht. In Spanien und Frankreich haben die Preise erst gegen Mitte des letzten Jahrzehnts stärker angezogen, während wir in Dänemark, Schweden und Griechenland eine Wellenbewegung mit im Periodenverlauf hohen, weniger hohen und dann wieder sehr hohen Wachstumsraten beobachten. Großbritannien andererseits hatte in den Jahren zwischen 1998 und 2004 durchwegs Anstiege der realen Preise von über 5% pro Jahr. A BBILDUNG 3 I NDEX DER REALEN H ÄUSERPREISE (1995 = 100) Indexstand 2007 Indexstand 2010 300 250 200 150 100 50 0 Anm: Peak Irland 2006; Peak Belgien und Niederlande 2008 Quellen: OENB, BIS, INSEE, DEHRP, Abildgren (2006), Bailen (2011), Muzzicato et al. (2008), NVM, Statistics Sweden, Department for Communities and Local Government GB, eigene Schätzung f. Österreich, eigene Berechnungen Eine zweite Beobachtung ist, dass die Häuserpreise in den acht Ländern mit den stärksten Anstiegen bis 2007 seit Ausbruch der Finanzkrise in unterschiedlichem Ausmaß nachgegeben haben bzw. im Fall Schweden auf Jahresbasis betrachtet sogar weiter angestiegen sind. Die stärksten Rückgänge gab es in Irland, Dänemark, Spanien, Griechenland und Großbritannien. Die Rückgänge in Frankreich, Finnland und den Niederlanden waren im Vergleich weniger stark. Schweden war unter diesen acht Ländern das einzige Land mit Preisanstiegen im Jahr 2009. Im Jahr 2010 haben die realen Häuserpreise auch in Finnland, Frankreich, Belgien und Großbritannien schon wieder zugelegt. 9 A BBILDUNG 4 V ERÄNDERUNGSRATEN DER REALEN H ÄUSERPREISE IN % ‐ „V ORLÄUFER “ Irland Griechenland Finnland Niederlande Schweden 25 20 Veränderung geg. Vj in % 15 10 5 0 -5 -10 -15 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 -20 Quelle: Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen A BBILDUNG 5 V ERÄNDERUNGSRATEN DER REALEN H ÄUSERPREISE IN % ‐ „N ACHLÄUFER “ Spanien Frankreich Belgien Dänemark Großbritannien 25 20 Veränderung geg Vj in % 15 10 5 0 -5 -10 -15 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 -20 Quelle: Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen Eine dritte Beobachtung ist, dass vier Länder den Zyklus der Häuser‐ bzw. Wohneigentumspreise nicht oder kaum mitgemacht haben. Neben Österreich waren das Deutschland, Portugal und Italien. Der italienische Wohnungsmarkt hatte zwischen 2001 und 2007 zwar durchwegs reale Preisanstiege zu verzeichnen, die waren aber insgesamt geringer als in den meisten anderen Ländern. Bemerkenswert ist auch, dass die Wohneigentumspreise in Österreich seit 2005, unbeschadet der Finanzkrise, kontinuierlich angewachsen sind, real zwischen 2,5% und 5,5% pro Jahr. Österreich war das einzige Land neben Schweden, in dem die Häuserpreise während der Krise in Summe zugelegt haben. 10 A BBILDUNG 6 V ERÄNDERUNGSRATEN DER REALEN H ÄUSERPREISE IN % ‐ „A USREIßER “ Österreich Deutschland Portugal Italien 25 Veränderung geg. Vj in % 20 15 10 5 0 -5 -10 -15 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 -20 Quelle: Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen Insgesamt waren die Wohnungsmarktpreiszyklen in den vierzehn EU‐Ländern zwischen 1995 und 2010 zum Teil zwar stärker synchronisiert als in den Jahrzehnten zuvor, es gab allerdings Vorläufer und Nachläufer und dazu noch einige Länder, die sich außerhalb des breiten Trends bewegt haben, mit zum Teil sogar konträren Bewegungen. Aus Abbildung 7 geht hervor, dass die jährlichen Hauspreisveränderungen in Frankreich und Spanien am stärksten positiv korreliert waren, während die Veränderungen der Häuserpreise in Österreich und Irland die höchste negative Korrelation aufwiesen. A BBILDUNG 7 1995 BIS 2010 P AARWEISE K ORRELATIONEN DER JÄHRLICHEN H AUSPREISVERÄNDERUNGEN – Schweden-Belgien Schweden-Spanien Frankreich-Schweden Irland-Finnland Frankreich-Italien Irland-Niederlande Großbritannien-Finnland Großbritannien-Spanien Frankreich-Belgien Italien-Spanien Frankreich-Spanien Österreich-Irland Österreich-Niederlande Deutschland-Irland Österreich-Griechenland Österreich-Großbritannien Deutschland-Dänemark Portugal-Italien Österreich-Spanien -0,8 -0,6 -0,4 Quelle: Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 11 Auf einem funktionierenden Markt kann man erwarten, dass anhaltende Preiszuwächse zu einer entsprechend starken Reaktion auf der Angebotsseite führen. Die Wohnbauinvestitionen haben auf die Preisentwicklungen in den Ländern allerdings sehr unterschiedlich reagiert. Am stärksten war die Reaktion in Schweden, Irland und Spanien, sehr schwach dagegen in den Niederlanden, in Frankreich und in Großbritannien. A BBILDUNG 8 I NDEX DER REALEN W OHNBAUINVESTITIONEN (1995 = 100) Indexstand 2007 Indexstand 2009 300 250 200 150 100 50 0 Quellen: Eurostat; Eigene Berechnungen A BBILDUNG 9 16,0 W OHNBAUINVESTITIONEN IN % DES BIP ‐ REAL Finnland Niederlande Irland Spanien Schweden Großbritannien Griechenland Österreich 14,0 WBI in % des BIP - real 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Quellen: Eurostat; Eigene Berechnungen Die Unterschiede in der Angebotsreaktion deuten auf unterschiedliche angebotsseitige Bedingungen in den einzelnen Ländern hin. Das Wachstum der Wohnbauinvestitionen für 12 sich allein genommen ist jedoch kein hinreichender Gradmesser für die Stärke der Angebotsreaktion. Von einem niedrigen Stand lässt es sich leichter stark wachsen als von einem hohen Stand. Es kommt daher auch auf das Niveau an, gemessen etwa als Anteil der Wohnbauinvestitionen am BIP oder als Wohnbauinvestitionen pro Kopf, also in Relation zur Bevölkerungsentwicklung. Gemessen daran haben sich insbesondere die Wohnbauinvestitionen in Schweden, Großbritannien und auch Österreich2 in den letzten 10 Jahren stark unterdurchschnittlich entwickelt. Allerdings hatten Österreich und Schweden vor 10 Jahren im Vergleich zu Großbritannien und anderen Ländern andere Ausgangsbedingungen am Wohnungsmarkt (siehe dazu im Folgenden). A BBILDUNG 10 I NDEX W OHNUNGSBESTAND PRO K OPF DER B EVÖLKERUNG Irland Großbritannien Spanien Niederlande Griechenland Schweden Dänemark Österreich 130 125 Index 1995 = 100 120 115 110 105 100 95 90 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Quellen: UNECE, EMF, Housing Statistics (2010), Eigene Berechnungen 2 Die Entwicklung der Wohnbauinvestitionen in Österreich in den letzten Jahren dürfte in den offiziellen Statistiken etwas unterschätzt sein (siehe dazu die Ausführungen im Länderbericht zu Österreich bzw. Fussnote 25) 13 D IE E NTWICKLUNGDERFUNDAMENTALEN E INFLUSSFAKTOREN Die Nachfrage eines Haushaltes am Wohnungsmarkt hängt entscheidend davon ab, wie sich sein Vermögen im Lebenszyklus verändert bzw. welche Erwartungen der Haushalt in Bezug auf die Vermögensentwicklung hat. Das Lebenszyklusvermögen umfasst zu jedem Zeitpunkt das derzeitige Vermögen, das derzeitige Einkommen und das diskontierte erwartete zukünftige Einkommen (Muellbauer und Murphy, 1997). Die Nachfrage nach Wohnraum steigt mit der Höhe des erwarteten Vermögens. In negativer Weise beeinflussen die Nutzungskosten die Nachfrage nach Wohnraum. Die Nutzungskosten von Wohneigentum umfassen Abschreibungen, Erhaltungsaufwendungen, Steuern, Kreditannuitäten und Opportunitätskosten des Wohnungserwerbs (in Form entgangener Zinsen einer Alternativveranlagung) abzüglich erwarteter Veräußerungsgewinne (Poterba, 1984). Die meisten Wohnungen werden entweder über Kreditaufnahme oder über intrafamiliäre Transfers finanziert. Die Bedingungen der Kreditaufnahme bzw. der externen Finanzierung und deren Veränderungen stellen daher eine sehr wichtige Determinante der Wohnungsnachfrage dar. Auch wenn das (bedingte) Eigentum an einer Wohnung sehr oft als Sicherheit für Kredite herangezogen wird, kommt es vor, dass Kreditwerber keine Kredite bekommen. Kreditrationierung führt dazu, dass das gegenwärtige Vermögen, das gegenwärtige Einkommen und der Hypothekenzinssatz für die Wohnungsnachfrage eine stärkere Bedeutung bekommen als das erwartete zukünftige Einkommen und erwartete zukünftige Veräußerungserlöse. In so gut wie allen Ländern war in der Vergangenheit die Wohnungskreditvergabe der Banken durch Obergrenzen bei den Belehnungsquoten (Verhältnis von Wohnungswert und Kreditvolumen) und durch Obergrenzen beim Verhältnis von Kreditannuität zu Einkommen mehr oder weniger beschränkt. Finanzmarktliberalisierungen, Markteintritte neuer Kreditgeber, intensiverer Wettbewerb unter den Kreditgebern und Produktinnovationen haben diese Obergrenzen in den letzten Jahrzehnten zunehmend aufgeweicht. Dadurch konnten viele Haushalte, die zuvor keine Kredite bekommen hätten, als zusätzliche Nachfrager am Markt auftreten. Letztlich war die Aufhebung von Kreditbeschränkungen und die damit verbundene Einführung des Subprime‐Kreditsegments in den USA Mitte der 1990er Jahre einer der Hauptfaktoren in der Entstehung der aktuellen Finanzmarktkrise. Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor der Nachfrage auf Wohnungsmärkten sind die steuerlichen Regelungen, insbesondere jene für das Wohnungseigentum. Wohnungseigentum wird im Verhältnis zur Miete und zu Alternativveranlagungen in vielen Ländern steuerlich gefördert. Dies betrifft in erster Linie die Höhe der Steuern auf Veräußerungsgewinne, das Ausmaß der Abzugsfähigkeit von Kreditzinszahlungen bei der Einkommen‐ und Lohnsteuer, die steuerliche Behandlung imputierter Mieten und die Grundsteuern. Begründet wird die Förderung des Wohnungseigentums mit positiven Externalitäten durch Eigentümer, wie stärkeres ziviles Engagement und stabilere Gemeinschaften mit homogeneren Interessen (Glaser und Sacerdote, 2000). Kritiker sehen vor allem die geringere Mobilität von Eigentümern gegenüber Mietern und die damit zusammenhängenden negativen Auswirkungen auf die Allokation am Arbeitsmarkt, was letztlich zu Wirtschaftswachstums‐ und Wohlstandseinbusen führen kann (OECD, 2011). Da Wohnungen keine reinen Investitionsgüter sind, sondern der Charakter als Konsumgut zumeist überwiegt, spielt Spekulation auf den Wohnungsmärkten eine geringere Rolle als 14 auf anderen Vermögensmärkten. Trotzdem können Marktunvollkommenheiten dazu führen, dass auch auf Wohnungsmärkten sogenannte Bubbles entstehen. Der Grund liegt darin, dass erwartete Preisveränderungen in der Zukunft in die Nutzerkosten und damit auch in den gegenwärtigen Wohnungspreis eingehen. Erwartete Preissteigerungen senken die Nutzerkosten, wodurch Haushalte, die keiner Kreditbeschränkung unterliegen, Anreize bekommen, vermehrt in Wohnungen bzw. Wohnraum zu investieren. Es wird in größere Wohnungen, in Zweit‐ und Dritthäuser usw. investiert. Der resultierende Nachfragedruck wirkt sich auf das allgemeine Wohnungspreisniveau aus, und es kann sein, dass überzogene Erwartungen zu Preissteigerungen führen, die fundamental nicht mehr gerechtfertigt sind3. Das Erkennen von Bubbles ist jedoch sehr schwer. Ein Beispiel bieten die unterschiedlichen Ergebnisse von Studien zu den Häuserpreisentwicklungen in Irland. So waren die Schlussfolgerungen von Roche (2001 und 2003), McQuinn (2004) und Fitzpatrick und McQuinn (2007), dass die Häuserpreise zum Zeitpunkt der jeweiligen Studie den Fundamentalfaktoren entsprachen und daher keine Überbewertung vorlag. Bacon und MacCabe (2000) dagegen fanden heraus, dass die Häuserpreise im Jahr 2000 um über 85% überbewertet waren. Der IWF stellte fest, dass die zugrundeliegende Datenbasis (der Schätzzeitraum) für die Beurteilung entscheidend ist. Bei einem Schätzzeitraum von 1976‐2002 waren die Häuserpreise im Jahr 2003 um 16,5% überbewertet, während bei einem Schätzzeitraum von 1976‐1997 eine Überbewertung von mehr als 50% vorlag. Rae und van den Noord (2006) haben die Entwicklung der Preise für neuerrichtete und gebrauchte Häuser im Zeitraum 1977 bis 2004 ökonometrisch untersucht. Die Preisreihen der beiden Segmente haben sich lange Zeit weitgehend synchron entwickelt, erst seit Mitte der 1990er Jahre ist der Preisindex der Gebrauchthäuser viel stärker gestiegen (bis 2004 um nominell 340% gegenüber 240% bei neuen Häusern). Die beiden Segmente sind zwar miteinander verbunden, die Häuser aus beiden Segmenten stellen aber keine perfekten Substitute dar. Die Neubauten sind im Durchschnitt kleiner und liegen weiter weg von den Zentren, das Angebot ist elastischer als bei den Gebrauchthäusern. Rae und van den Noord kommen zu dem Ergebnis, dass, je nach Annahme über die Entwicklung der Zinsen, die Preise für Gebrauchthäuser Ende 2004 um 10%‐16% und die Preise für Neubauten um 20%‐26% überbewertet waren. Das Ergebnis bedeutet aber auch, dass 80‐ 90% der rasanten Hauspreissteigerung in Irland ab 1995 auf die Entwicklungen bei den fundamentalen Faktoren (Einkommen, Zinsen, Demographie usw.) zurückzuführen war. In einer alternativen Berechnung nach dem Investitionsansatz zeigen Rae und van den Noord (2006), dass das hohe Häuserpreisniveau in Irland im Jahr 2005 gerechtfertigt gewesen wäre, wenn die Einkommen der Iren auch in Zukunft rascher gestiegen wären als die Einkommen im europäischen Durchschnitt und wenn das historisch niedrige Zinsniveau erhalten geblieben wäre. Ein Anstieg der Zinsen von 2% auf 4%, dem historischen Durchschnitt, hätte allerdings eine Überbewertung der Häuserpreise um 20% ergeben. Malzubris (2008) stellt mit einem ähnlichen Ansatz fest, dass gegen Ende 2007 die realen Preise für gebrauchte Häuser zu einem Niveau zurückgekehrt sind, das vollständig durch fundamentale Faktoren erklärt werden kann, wogegen die Preise für neue Häuser immer noch um 7% über dem Fundamentalniveau lagen. Nach seinen 3 Nach Stiglitz (1990) entsteht ein Bubble (in freier Übersetzung) wenn der einzige Grund, warum der Preis heute hoch ist, darin besteht, dass Investoren glauben, dass der Preis morgen hoch sein wird, ohne dass fundamentale Faktoren dies rechtfertigen würden. 15 Berechnungen waren die Häuserpreise Mitte der 1990er Jahre und zu Beginn des letzten Jahrzehnts sogar unter dem fundamental gerechtfertigten Niveau. Der Zeitraum der Überbewertung begann etwa im Jahr 2003 und dürfte Ende 2007 bzw. 2008 ein Ende gefunden haben. Einen entscheidenden Einfluss auf das Bewertungsniveau auf den Wohnungsmärkten hat das Wohnungsangebot. Gäbe es keine Marktunvollkommenheiten, dann müsste der Wohnungspreis allein durch die Baukosten und die Bodenkosten bestimmt sein. Vor allem in der kurzen Frist reagiert das Angebot aber unelastisch, aus unterschiedlichen Gründen: ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ Das Angebot ist grundsätzlich lokal Lange Planungs‐ und Bauphasen verzögern die Angebotsreaktion Langfristige Mietverträge und starke Mietenregulierung dämpfen die Angebotsreaktion Marktpreise sind wenig transparent, weil die meisten Transaktionen bilateral abgehandelt werden Hohe Transaktionskosten reduzieren die Liquidität des Marktes Der hohe Anteil externer Finanzierung und die geforderten Sicherstellungen verzögern die Angebotsreaktion Vor allem zunehmende staatliche Regulierungen, wie restriktivere Flächenwidmungen und Bauvorschriften, steigende technische Anforderungen und Umweltauflagen hemmen die Reaktionsgeschwindigkeit der Angebotsseite. Dazu kommen quasi natürliche Engpässe beim Baulandangebot in ohnehin schon dicht besiedelten Gebieten (Stichwort zunehmende Urbanisierung). Die Umstände führen dazu, dass bei permanentem Nachfragedruck der Baulandpreis schneller steigt als die Baukosten4. In den letzten Jahren haben sich zahlreiche Studien mit den Determinanten der Wohnungseigentumspreise bzw. der Häuserpreise auseinander gesetzt. Als fundamentale Einflüsse auf die Entwicklung regionaler und nationaler Preisindizes wurden identifiziert: ‐ ‐ ‐ ‐ Aggregierte Einkommens‐ und Vermögensentwicklung der Haushalte (Muellbauer und Murphy, 1997; Almeida, Campello und Liu, 2006), Arbeitslosenquote, kurz‐ und langfristige Zinsen (Barker, 2005; Iossifov, Cihak und Shanghavi, 2008), Inflation, Rendite von Alternativanlagen, Kreditbedingungen (Tsatsaronis und Zhu, 2004; Annett, 2005; Almeida, Campello und Liu, 2006) Steuerliche Anreize und demographische Faktoren (Egebo und Lienert, 1988; Hilbers, Lei und Zacho, 2001) Die Untersuchungsperiode der hier vorliegenden Studie beträgt 12 bzw. 15 Jahre. Das sind relativ kurze Zeiträume für die Beurteilung von Entwicklungen auf vierzehn mehr oder weniger unabhängigen, durch zahlreiche Besonderheiten charakterisierten nationalen Wohnungsmärkten. Bevor daher die Entwicklung der Häuserpreise den Entwicklungen bei den fundamentalen Determinanten von Nachfrage und Angebot auf den Märkten gegenüber gestellt wird, ist es notwendig, einige der Ausgangsbedingungen zu betrachten. Davis und Palumbo (2006) haben in ihrer Untersuchung der Baulandpreise in 46 US‐ 4 amerikanischen Metropolen im Zeitraum 1984 bis 2004 errechnet, dass der Anteil der Baulandkosten an den Gesamtkosten im Wohnbau im Durchschnitt von 32% auf rund 50% angestiegen ist. 16 D I E A U SG A N G SB E D IN G U N G E N Die Wohnungsmarktzyklen der einzelnen Länder verlaufen nicht synchron. Mitte der 1990er Jahren befand sich Finnland in einem auslaufenden Zyklus während Österreich und Deutschland sich gerade vor dem Höhepunkt befanden. Schweden hatte Anfang der 1990er Jahre mit einer schweren Bankenkrise, ausgelöst durch Einbrüche bei den Preisen von Gewerbeimmobilien, zu kämpfen. Im Zuge des Konjunktureinbruchs sind auch die Wohnbauinvestitionen stark zurückgegangen und verharren seither, trotz stärkster Zuwachsraten seit Mitte der 1990er Jahre, gemessen am Anteil am BIP auf niedrigstem Niveau in Europa. Ähnliches lässt sich für Großbritannien feststellen, das seit vielen Jahren mit Angebotsproblemen im Wohnbau zu kämpfen hat. Abgesehen vom unterschiedlichen Stand im Wohnbauzyklus und von möglichen strukturell langfristigen Problemen auf der Angebotsseite waren die nach 1995 einsetzenden unterschiedlichen Entwicklungen auch auf Unterschiede im Neubaubedarf und in der Altersstruktur des Wohnungsbestandes zurückzuführen. Die durchschnittliche Anzahl an Personen pro Haushalt schwankte im Jahr 1990 zwischen 3,4 in Irland und Spanien und 2,1 in Schweden. Wenn man annähernd gleiche Präferenzen der Bevölkerung in Bezug auf den Wohnkomfort unterstellt, so gab es vor allem in den südlichen Ländern und in Irland einen erheblichen Nachholbedarf. Dieser Faktor dürfte zum ausgeprägten Wohnbauboom in einigen dieser Länder mit beigetragen haben. Jedenfalls ist die durchschnittliche Haushaltsgröße dort absolut am stärksten zurückgegangen. Generell besteht aber überall aufgrund der zunehmenden Alterung, zunehmender Scheidungsraten und anderer Faktoren ein Trend zum Singlehaushalt und damit auch zu durchschnittlich kleineren Haushalten. A BBILDUNG 11 D URCHSCHNITTLICHE Z AHL VON P ERSONEN PRO H AUSHALT 1990 ca. 2005 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 Quelle: Housing Statistics (2010) Sehr starke Unterschiede gab es auch in der Altersstruktur des Wohnungsbestandes. Der Anteil der Wohnungen am Gesamtbestand, die nach 1980 errichtet wurden, schwankte um das Jahr 2001 zwischen mehr als 45% in Irland und Portugal und knapp 10% in Italien. Ein relativ alter Wohnungsbestand hat vor allem in den nordischen Ländern zur Folge, dass 17 der Anteil von Sanierungen und Verbesserungen in den Wohnbauinvestitionen größer ist als in Ländern mit jüngerem Bestand. Damit kann teilweise erklärt werden, warum in Ländern mit starkem Wachstum der Wohnbauinvestitionen der Wohnungsbestand nicht entsprechend stark zunimmt. A BBILDUNG 12 A LTERSSTRUKTUR DES W OHNUNGSBESTANDES – A NTEIL DER W OHNUNGEN , DIE SEIT 1980 ERRICHTET WURDEN ( IN %); S TAND UM DAS J AHR 2001 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Quelle: Housing Statistics (2003) D I E H A U P T D E T E R M I N AN T E N D E R N A C H F R A G E BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG Die Entwicklung der Bevölkerungszahl, insbesondere der Bevölkerung im Alter des ersten Wohnungserwerbs, ist eine wesentliche Determinante der Nachfrage auf den Wohnungsmärkten. Viele Länder in Europa weisen seit Jahren rückläufige Geburtenzahlen bei gleichzeitiger Steigerung der Lebenserwartung auf. Der Bevölkerungszuwachs ging zuletzt vor allem auf Immigration zurück. Besonders stark war die Netto‐Zuwanderung seit 1995 in Irland und Spanien. Dadurch war in diesen beiden Ländern das Bevölkerungswachstum zwei‐ bis dreimal so hoch wie in den übrigen Ländern. Am anderen Ende zeichnet sich Deutschland seit Jahren durch eine schrumpfende Bevölkerungszahl aus. Im Länderquerschnitt ist der Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Häuserpreisentwicklung allerdings äußerst schwach. Ein Grund dürfte darin liegen, dass die Nachfrage aufgrund der natürlichen Bevölkerungsveränderung, also ohne Migration, relativ leicht prognostizierbar ist. Die Schwierigkeiten für eine optimale Reaktion des Angebots liegt weniger in der Prognose eines wie immer definierten Gesamtwohnungsbedarfs als vielmehr in den Veränderungen die sich aus verstärkter Binnenmigration und demographischen Entwicklungen (Zunahme von Alterung, Scheidungen, Singlehaushalten usw.) ergeben. Es geht dabei also viel mehr um eine räumliche Verlagerung der Wohnungsnachfrage und um geänderte Wohnansprüche. Einige dieser Entwicklungen sind aber längst bekannt, und es kann daher auch entsprechend frühzeitig darauf reagiert werden. Allerdings kann sich auch aus einem 18 vorhergesehenen Bevölkerungsanstieg ein Ansteigen der Wohnungspreise ergeben, wenn das Bodenangebot in den Städten der verstärkten Nachfrage aufgrund von natürlichen Beschränkungen oder staatlichen Auflagen und Regulierungen nicht nachkommt. A BBILDUNG 13 R EALE H ÄUSERPREISE UND E NTWICKLUNG DER G ESAMTBEVÖLKERUNG – DURCHSCHNITTLICHE JÄHRLICHE V ERÄNDERUNGEN IN % ‐ 1995 BIS 2007 16,0 IR 14,0 UK FI 12,0 SW Häuserpreise 10,0 DÄ GR ES FR NL 8,0 BE 6,0 4,0 IT 2,0 PT 0,0 -2,0 -4,0 -0,2 AT DE 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Gesamtbevölkerung 1,2 1,4 1,6 1,8 Quellen: Eurostat, Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen A BBILDUNG 14 R EALE H ÄUSERPREISE UND E NTWICKLUNG DER B EVÖLKERUNG IM A LTER VON 25‐44 J AHREN – DURCHSCHNITTLICHE JÄHRLICHE V ERÄNDERUNGEN IN % ‐ 1995 BIS 2007 16,0 IR 14,0 12,0 UK FI Häuserpreise 10,0 DÄ FR SW GR ES NL 8,0 BE 6,0 4,0 IT 2,0 PT 0,0 -2,0 -4,0 -1,5 AT DE -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 Bevölkerung im Alter von 25-44 Jahren Quellen: Eurostat, Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen 2,5 3,0 3,5 19 ENTWICKLUNGDEREINKOMMEN Der Zusammenhang zwischen Häuserpreisen und Einkommensentwicklung, hier dargestellt durch die Entwicklung des Netto‐Volkseinkommens, war zuletzt sehr stark. Die Korrelation beträgt im Querschnitt der Länder +0,78. Irland sticht durch seine außergewöhnliche makroökonomische Entwicklung heraus. Das reale Netto‐ Volkseinkommen ist mit über 10% p.a. gut doppelt so stark gestiegen wie im Durchschnitt der Länder. Ein großer Teil des Häuserpreisanstiegs in Irland lässt sich daher auf die vergleichsweise starke Einkommensentwicklung zurückführen. Am anderen Ende der Skala befinden sich mit Deutschland, Österreich und Portugal drei Länder mit relativ schwacher Realeinkommensentwicklung und zugleich stagnierenden oder sogar rückläufigen Häuserpreisen. Ein Großteil der Länder befindet sich aber über der 45°‐Linie, d.h. die Häuserpreise sind im Durchschnitt stärker gestiegen als die Einkommen. Das Verhältnis von Hauspreis‐ zu Einkommensveränderung lag in der Mehrheit der Länder sogar über 2. Am stärksten sind die Häuserpreise den Einkommen in Dänemark, Frankreich und Belgien „davon gelaufen“. A BBILDUNG 15 R EALE H ÄUSERPREISE UND R EALEINKOMMEN – DURCHSCHNITTLICHE JÄHRLICHE V ERÄNDERUNGEN IN % ‐ 1995 BIS 2007 16 IR GB 14 FI 12 Häuserpreise 10 DÄ FR NL 8 SW GR ES BE 6 4 Korrelation: +0,78 IT 2 PT 0 AT DE -2 -4 0 2 4 6 8 10 Netto-Volkseinkommen 12 14 16 Quellen: Eurostat, Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen Wohnungseigentum wird gemeinhin als Luxusgut betrachtet. Ein Luxusgut ist definiert als ein Gut, bei dem die Nachfrage im Verhältnis zur Einkommensentwicklung überproportional stark zunimmt. Luxusgüter haben demnach eine Einkommenselastizität von größer als 1, d.h. steigt das Einkommen um 1%, dann steigt die nachgefragte Menge um mehr als 1% an. Bei unelastischem Angebot wird daher auch der Preis um mehr als 1% ansteigen. 20 A BBILDUNG 16 H AUSPREIS ‐ ZU E INKOMMENSVERÄNDERUNG – 1995 BIS 2007 4 3 2 1 0 -1 -2 Quellen: Eurostat, Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen Das Angebot auf den Wohnungsmärkten ist kurz‐ bis mittelfristig aufgrund von Bodenknappheiten und staatlichen Regulierungen unelastisch. Langfristig ist auf den Wohnungsmärkten aber von einem elastischen Angebot auszugehen, es sei denn, es gibt Sonderfaktoren, die eine entsprechende Angebotsreaktion auf Preisveränderungen verhindern. Die dramatische “Verschlechterung” des Verhältnisses von Häuserpreisen zu Einkommen in den meisten hier untersuchten Ländern von 1995 bis 2007 geht aber nicht allein auf mögliche Angebotsprobleme zurück. Da der Anschaffung von Wohnungseigentum in der Regel ein langfristiges Kalkül unterliegt, ist nicht primär das aktuelle Einkommen entscheidend. Entscheidend sind die Erwartungen über die Entwicklungen des zukünftigen Einkommens und der Nutzungskosten (User Costs). Ein vollständiges Wohnungsmarktmodell müsste die Einflussfaktoren der Erwartungsbildung berücksichtigen. Die fundamentale Bewertung von Hauspreisentwicklungen scheitert, wie bereits erwähnt, in vielen Fällen vor allem daran, dass die Erwartungen der Marktteilnehmer nicht entsprechend abgebildet werden können. ENTWICKLUNGDERZINSEN Die kurzfristig wichtigsten Komponenten der Nutzungskosten des Wohneigentums sind der Zinssatz und die Erwartungen über zukünftige Preisveränderungen. Der Grund dafür liegt darin, dass beide im Vergleich zu den anderen Komponenten sich normalerweise am schnellsten verändern können5. Charakteristisch für den letzten Wohnungsmarktzyklus 5 Auch Veränderungen in der Immobilienbesteuerung können kurzfristig drastisch sein, wie etwa die Abschaffung der Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen von der Steuer in Großbritannien im Jahr 1999. Solche Steueränderungen treten aber weniger häufig auf als Änderungen bei den Zinsentwicklungs‐ oder den Preisentwicklungserwartungen. 21 waren die starken Veränderungen der Finanzierungsbedingungen, insbesondere die starken Rückgänge der nominellen und der realen Zinsen. A BBILDUNG 17 R EALE H ÄUSERPREISE UND LANGFRISTIGE R EALZINSEN – DURCHSCHNITTLICHE JÄHRLICHE V ERÄNDERUNGEN IN % ‐ 1995 BIS 2007 16 IR 14 GB FI 12 SW GR ES 10 DÄ Häuserpreise FR NL 8 BE 6 R² = 0,12 4 IT 2 PT DE 0 AT -2 -4 -10 -9 -8 -7 -6 -5 -4 Langfristiger Realzins -3 -2 -1 0 Quellen: Eurostat, Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen Der Wohnungskauf stellt unter normalen Umständen eine langfristige Investition dar, mit erheblichem Einsatz ebenso langfristiger fremder Mittel. Der normale Wohnungskäufer ist ein risiko‐averser Konsument, der sich unsicheren zukünftigen Entwicklungen gegenüber sieht. Er sollte sich daher in seiner rationalen Entscheidung über die Höhe der Kreditaufnahme nicht primär am gegenwärtigen nominellen Zinssatz orientieren, sondern an der Entwicklung des (i) erwarteten, (ii) risiko‐adjustierten, (iii) realen (iv) Nach‐Steuer Zinssatzes. In gleicher Weise, wie dies Analysten in der Bewertung von Unternehmen tun, wenn sie zukünftige Kreditrückzahlungen und Gewinnströme diskontieren. Empirische Untersuchungen zeigen, dass sich die langfristige Hauspreisentwicklungen nur mit den realen Zinssätzen, nicht mit den nominellen erklären lassen (Iossifov u. a., 2008). Der nominelle Zinssatz hat allenfalls in Zeiten starker Kreditrationierung Erklärungswert.6 Den stärksten durchschnittlichen Rückgang bei den langfristigen Realzinsen zwischen 1995 und 2007 hatte Irland zu verzeichnen. Als Sonderfaktoren gelten hier eine zeitweise vergleichsweise hohe Inflation, der Rückgang des Wechselkursrisikos durch Mitgliedschaft bei Einführung der Währungsunion, höhere Liquidität durch leichteren Zugang zu europäischen Finanzquellen und hohe Kapitalzuflüsse infolge der starken wirtschaftlichen Entwicklung, welche die langfristigen Nominalzinsen gedrückt haben. Die langfristigen Realzinsen lagen in Irland im Jahr 2000 und in den Jahren 2006 und 2007 zeitweise im negativen Bereich. Auch Spanien und Griechenland hatten im Durchschnitt der Periode 6 . Der Grund liegt in den hohen Einmalzahlungen beim Wohnimmobilienkauf und in den vergleichsweise kürzeren Kreditlaufzeiten während der Zeiten der Kreditrationierung. Wenn bei steigenden Nominalzinsen die Kreditlaufzeit nicht ausgeweitet werden kann, kommt es rascher zu Zahlungsschwierigkeiten. Eventuell reicht das Einkommen dann nicht aus, um die gestiegenen Kreditraten zu bedienen. Veränderungen der Nominalzinsen haben daher in solchen Zeiten stärkere Wirkung auf die Nachfrage. 22 starke Realzinsrückgänge. Insgesamt war der Zusammenhang zwischen Realzinsrückgang und Hauspreisanstieg im Länderquerschnitt aber eher schwach. Die Gründe liegen einerseits in den NonBoom‐NonBust‐Ländern, in denen trotz Rückgang der Realzinsen die Häuserpreise aus teilweise bereits angesprochenen Gründen (siehe die Ausgangsbedingungen) nicht gestiegen sind, aber auch in Großbritannien, wo die Häuserpreise offenbar am stärksten auf den Realzinsrückgang reagiert haben. A BBILDUNG 18 V ERHÄLTNIS VOM DURCHSCHNITTLICHEN JÄHRLICHEN H ÄUSERPREISWACHSTUM ZUM DURCHSCHNITTLICHEN JÄHRLICHEN R EALZINSRÜCKGANG 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 Quellen: Eurostat, Hauspreisquellen, Eigene Berechnungen F I N A N Z M AR K T L I B E R AL I S I E R U N G U N D K R E D IT M Ä R K T E In den letzten 30 Jahren haben sich die Wohnbaufinanzierungssysteme in vielen Ländern grundlegend geändert. Bis Anfang der 1980er Jahre waren die Hypothekarmärkte in Europa sehr stark reguliert. Die Vergabe von Hypothekendarlehen war spezialisierten Instituten, vor allem Bausparkassen und ähnlichen Organisationsformen (z.B. building societies in Großbritannien) vorbehalten. Reguliert waren nicht nur die Zinssätze sondern auch Belehnungsquoten und Rückzahlungsmodalitäten, so auch die Kreditlaufzeiten. Diese stringente Form der Regulierung hat in vielen Ländern zu Kreditrationierung geführt (Girouard und Blöndal, 2001). Der Umbau der Kreditmärkte begann in einigen Ländern schon Anfang der 1980er Jahre. Im Zuge der allgemeinen Deregulierungswelle sollte auch der Wettbewerb im Kreditsektor durch den Markteintritt anderer nicht spezialisierter institutioneller Kreditgeber erhöht werden. Tatsächlich hat der verstärkte Wettbewerbsdruck nicht nur das Zinsgefüge beeinflusst sondern in der Folge auch neue Kreditformen, Produktinnovationen und neue Dienstleistungen hervorgebracht. Die Deregulierung der Kreditmärkte fand in allen hier betrachteten Ländern in ähnlicher Weise, zum Teil aber stark zeitversetzt statt. In Großbritannien wurden schon 1980 jegliche Kreditkontrollen abgeschafft, was dort relativ rasch zu einem intensiven Wettbewerb führte. Auch in den nordischen Ländern ging die Deregulierung rasch vor sich 23 und war im Wesentlichen schon Mitte der 1980er Jahre abgeschlossen. In anderen europäischen Ländern schritt die Liberalisierung langsamer und in abgeschwächtem Ausmaß voran. In Deutschland, Frankreich und Italien vollzogen sich die Abschaffung der Zinskontrollen und die Zulassung von Marktzutritten nicht spezialisierter Institute in mehreren Schritten. Noch für lange Zeit wurde das Hypothekenkreditgeschäft in diesen Ländern von Instituten im öffentlichen Eigentum beherrscht. Der Anteil von Nichtbanken im Wohnungskreditgeschäft lag in diesen Ländern im Jahr 2005 bei lediglich 1%, wenig im Vergleich zu den 30% in den USA (IMF, 2008). Die Folge der Deregulierung und Liberalisierung im Kreditsektor für die Haushalte war ein leichterer Zugang zu Wohnungskrediten, bedingt durch eine höhere Anzahl an unterschiedlichen Anbietern und eine größere Palette an Produkten. Die faktische Kreditrationierung nahm wesentlich ab, einerseits durch höhere Kreditbelehnungsquoten und andererseits durch verlängerte Kreditlaufzeiten. Letztere bewirken, dass Haushalte sich bei gegebenem Einkommen geringeren Annuitäten gegenübersehen als es bei kürzeren Rückzahlungszeiten der Fall wäre, d.h. dass die Leistbarkeit von Krediten steigt. Die Kombination aus höherer Belehnungsrate und längeren Kreditlaufzeiten ermöglichte auch finanzschwächeren Haushalten einen Zugang zu Krediten. Ein zweites Phänomen, das im Zuge der Deregulierung und Liberalisierung in einigen Ländern verstärkt aufgetreten ist, ist die hypothekarisch gesicherte Kreditvergabe für den Nichtwohnkonsum (equity withdrawal). In Zeiten stark steigender Häuserpreise steigt auch die Belehnungsbasis für solche Kredite, was in einigen Ländern zum aggregierten Konsumwachstum beigetragen haben dürfte. Dazu kamen in vielen Ländern Regelungen, welche eine Reduktion der Gebühren für vorzeitige Kreditrückzahlung bewirkten. Dadurch wird es für die Kreditnehmer kostengünstiger, sich bei fallenden Zinsen neu zu refinanzieren, d.h. laufende, höher verzinste Kredite durch neue zu geringeren Zinsen zu ersetzen. 24 A BBILDUNG 19 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Griechenland Irland Italien Niederlande Portugal Spanien Schweden Großbritannien S CHRITTE ZUR D EREGULIERUNG UND L IBERALISIERUNG DER F INANZMÄRKTE 1977 Aufhebung der Zweigstellenbeschränkung 1980 Liberalisierung der Zinssätze 1981 Abschaffung der Kreditkontrollen 1985 Erneuerung des Zinskartells 1987 Bankaufsichtliche Reformen; Erhöhung der Eigenmittelerfordernisse; umfassende Meldepflicht 1988‐1991 Liberalisierung des Kapitalverkehrs etwa 1993 Auflösung des Zinskartells 1994 Öffnung des Marktzutritts 1992‐2000 Privatisierung verstaatlichter Banken Gesetz, mit dem variable Zinskredite zugelassen und die maximale Gebühr für vorzeitige 1994/95 Kreditrückzahlungen reduziert wurden, tritt in Kraft 1990er Fusions‐ und Privatisierungswelle im Bankensektor Liberalisierung der Hypothekarkreditbedingungen und freier Zugang zu hypothekarisch frühe 1990er gesichterten Verbraucherkrediten (equity release bzw. withdrawal) 1997 flexible Zinsanpassungen eingeführt 1986 Abschaffung der Kreditzinskontrollen 1987 Zurücknahme der Richtlinien für Hypothekarkredite 1989 Securitisation eingeführt 1984 Reduktion der Erfordernisse für Spezialbanken 1987 Abschaffung der Kreditkontrollen 1999 Reform der Securitisation von Hypothekarkrediten 1999 Senkung der Maximalgebühren für vorzeitige Rückzahlungen 1970er Zinsderegulierung Mitte 1908er ‐ frühe graduelle Liberalisierung von quantitativen Beschränungen, Zinsen und anderen Bedingungen für 1990er Hypothekarkredite Liberalisierung der Hypothekarkreditrefinanzierung; Expansion von nicht‐spezialisierten Späte 1990er Kommerzbanken in Hypothekarkreditgeschäft 1980 Zentralbank führt tägliche Interbankenausgleichsfazilitäten ein Erhöhung der Liquidität des Interbankenmarktes durch Einführung von Kauf‐ und 1983 Verkaufsvereinbarungen 1984 Abschaffung der formalen Richtlinien für Bankenkredite an den privaten Sektor 1985 Mehr Wettbewerb unter den Banken durch neue Zinsarrangements 1986 Abschaffung der sektoralen Kreditvergaberichtlinien 1987 Einrichtung der IFSC angekündigt 1988 Liberalisierung der Wechselkurskontrollen Aussetzung des "trigger"‐Mechamismus bei Änderungen der "retail"‐Zinsen; primäre 1991 Liquiditätsrate auf 8% reduziert 1992 primäre Liquiditätsrate auf 6% reduziert; Abschaffung der Kreditverkehrskontrollen 1993 primäre Liquiditätsrate auf 4% reduziert; Banken führen erste Fixzinshypothekarkredite ein 1994 primäre Liquiditätsrate auf 3% reduziert; sekundäre Liquiditätserfordernisse abgeschafft 1999 primäre Liquiditätsrate auf 2% reduziert; 2003 Regulator IFSRA gegründet; 1983 Zinsderegulierung 1983 Abschaffung der Kreditgrenzen (wurden 1986 und 1987 temporär wieder eingeführt) 1990 Abschaffung administrativer Zweigstellenkontrolle 1993 Reform der Bankenregulierung; Separation von Langfrist‐ und Kurzfristgeschäft aufgehoben Erhöhung der maximal zulässigen Beleihungsquoten von 75% auf 80% (Anhebung auf 100% 1995 möglich, wenn andere Garantien gegeben) 1980 Zinsderegulierung 1992 Liberalisierung der Kreditkriterien ab 1983 Deregulierung der Markteintrittsbedingungen in den Banken‐ und Versicherungssektor 1984/1989 Liberalisierung der Zinsen (1984 Sparzinsen; 1989 Kreditzinsen) 1990/1991 Abschaffung der Kreditkontrollen und der Kreditvergaberichtlinien Rechtsvorschriften betreffend Beschränkungen von Markteintritt, Zweigstellenpolitik, frühe 1990er Spezialisierung und Segmentation ab 1993 Verschärfung der Anforderungen an und zugleich Liberalisierung von Investmentdienstleistungen 1974 ‐ 1981 und 1987 Liberalisierung der Zinsbedingungen frühe 1980er Aufhebung der Bankentypbezogenen Aktivitätsbeschränkungen 1989 Zweigstellenausbau von Sparkassen auf andere als die Heimregion zugelassen 1992 Securitisation auf Hypothekarkredite eingeführt 1994 und 1996 Maximalgebühren für vorzeitige Rückzahlungen eingeführt Erleichterungen für Hypothekeninstitute bei Ausgabe von Wohnbauanleihen zur Refinanzierung 1983 alter Wohnungen 1985 Abschaffung der Kreditgrenzen für Banken 1986 Abschaffung der Portfolioregulierung für Versicherungsunternehmen 1980 Abschaffung der Kreditkontrollen; Hypothekarkreditvergaben auch Banken erlaubt 1986 Ausweitung des Kreditgeschäfts durch Bauvereinigungen erlaubt 1987 Securitisation eingeführt Quellen: ECB (2003), IMF (2004), Braumann (2003) 25 ÄNDERUNGENINDERFINANZIERUNGDESWOHNKONSUMS Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank haben im Jahr 2009 eine Studie zur Finanzierung des Wohnkonsums in den Euroländern verfasst (ECB, 2009). Die folgenden Ausführungen basieren in erster Linie auf den zentralen Aussagen dieser Studie7: ZURFINANZSITUATIONDERHAUSHALTE Der Bestand an aushaftenden Wohnbaukrediten ist im Euroraum von 27% des BIP im Jahr 1999 auf 42% des BIP im Jahr 2007 angestiegen. Als Begründung führt die ECB das niedrige Zinsniveau und den stärkeren Wettbewerb im Hypothekenmarkt an, der die Zinsspannen reduziert hat. Auch der durchschnittliche Kreditbetrag ist angestiegen, unter anderem weil die Kreditlaufzeiten ausgedehnt wurden. T ABELLE 1 2007 H AUSHALTSVERMÖGEN , H AUSHALTSVERSCHULDUNG UND E INFLUSSFAKTOREN ‐ Verschuldung Nominelles GesamtNichtWachstumsrate Brutto-Finanz- Netto-finanzfür Häuserpreisverschuldung finanzielles Eigentümerder Kredite für Wohnkonsum vermögen vermögen wachstum, 1) 2) Vermögen bei MFI Hauskauf, 1999quote bei MFI 1999-2007, 2007, in % p.a. 3) in % des BIP in % p.a. Belgien n.a. Deutschland 199,8 188,4 124,5 58,7 40,0 3,0 0,4 43,0 n.a. 163,6 60,1 90,5 73,9 23,4 11,1 74,7 216.5 Irland Griechenland Spanien 248,8 4) 44,3 35,8 11,5 9,5 71,3 n.a. 139,4 85,8 43,6 30,3 30,3 9,1 79,6 580,3 182,1 93,2 82,7 61,5 19,8 11,9 86,3 57,2 Frankreich 350,1 188,8 126,3 47,4 35,0 10,1 10,3 Italien 362,9 240,9 192,8 34,7 21,8 20,3 6,3 69,1 Niederlande 252,8 265,6 145,6 97,7 89,4 13,4 8,1 56,6 n.a. 167,8 114,4 45,6 24,9 13,2 1,2 58,0 215,2 220,6 120,5 85,9 69,4 14,9 3,3 74,5 n.a. 119,9 65,9 48,2 34,6 14,0 5,7 65,1 - 200,5 133,0 57,1 41,5 10,4 6,1 62,3 Österreich Portugal Finland Eurozone Anmerkungen: 1) Gesamtbestand v. Krediten an Haushalte bzw. v. Krediten für Hauskauf gewährt durch MFI; inkl. Kredite, die nicht mehr in der Bankenbilanz erscheinen. 2) Prozentsatz der Hauptwohnsitzwohnungen der Eigentümer. Daten aus dem Jahr 2007, ausgenommen Belgien, Deutschland, Griechenland und Italien (2006), Spanien (2005) und Portugal (2001). 3) 2001 bis 2007 für Finnland. 4) Daten von 2006. Quellen: ECB (2009), eigene Darstellung Im Durchschnitt machten im Jahr 2007 Wohnungskredite 70% der Gesamtverschuldung der Haushalte aus. In Österreich waren es etwa 50%. Das Verhältnis von Hypothekarschuld zu verfügbarem jährlichen Haushaltseinkommen war besonders hoch in Griechenland, Spanien und Portugal. Am höchsten lag das Verhältnis aber in den Niederlanden, wo die aggregierte Hypothekarschuld 2007 bei rund 370% der aggregierten verfügbaren Einkommen lag. Die Gefahr von Zinserhöhungen für die Leistbarkeit der Kredite war besonders hoch in den Haushalten der untersten Einkommensklassen in Griechenland, Spanien, Italien und den Niederlanden. Diese Haushalte haben im Jahr 2007 mehr als 1/3 des verfügbaren Einkommens für die Kreditbedienung aufgewendet. 7 Die folgende Zusammenfassung aus der Studie bezieht sich nur auf die Länder der Eurozone, die in der hier vorliegenden Studie untersucht werden. 26 Das durchschnittliche jährliche Wachstum der Wohnungskredite zwischen 1999 und 2007 lag über 10%. Die Hauptursachen waren laut ECB steigende Einkommen, niedrigere Zinsen, mehr Wettbewerb und Effizienz im Hypothekenmarkt, steigende Häuserpreise und demographische Trends. Die Beziehung zur Eigentumsquote war im Länderquerschnitt schwach, weil in einigen Ländern stärker intrafamiliäre Transfers anstelle von Krediten zur Finanzierung eingesetzt werden. Das Wachstum der Kredite für Hauskauf lag im Zeitraum 1999 bis 2007 in den meisten Ländern über dem Wachstum der Häuserpreise. Besonders Schweden und Griechenland stechen hervor, mit nominellen jährlichen Kreditwachstumsraten von über 25%. A BBILDUNG 20 H ÄUSERPREIS ‐ UND K REDITWACHSTUM – DURCHSCHNITTLICHE JÄHRLICHE V ERÄNDERUNG IN % ‐ 1999 BIS 2007 30 25 Häuserpreise 20 UK 15 IR SW FI 10 DÄ FR NL BE ES GR 5 IT 0 PT AT DE -5 -5 0 5 10 15 20 MFI-Kredite für Hauskauf nom 25 30 DK und SW: alle Wohnbaukredite Quellen: ECB (2009),Häuserpreisquellen, eigene Berechnungen Das unterschiedlich starke Wachstum der Wohnungskredite in den EU‐14 Ländern geht auf verschiedene Faktoren zurück, die in weiterer Folge für die Länder der Eurozone genauer betrachtet werden. Für die Erklärung der Häuserpreisentwicklungen ist nicht nur das Wachstum der Wohnungskredite ausschlaggebend. Auch andere Faktoren spielen eine Rolle. Überdies gibt es zwischen Häuserpreis‐ und Kreditwachstum eine wechselseitige Beziehung. Eine verstärkte Verfügbarkeit von Krediten stärkt die Nachfrage nach Wohnraum, was bei unelastischem Angebot die Häuserpreise erhöht. Steigende Häuserpreise andererseits bewirken einen Anstieg des Pfandwertes der Häuser, was wiederum zu steigendem Kreditvolumen führen kann8. Die Kausalkette ist daher nicht eindeutig. Interessant und geldpolitisch brisant (vgl. Schwedische Reichsbank, 2011) ist der Zusammenhang zwischen Haushaltsverschuldung und Hauspreisveränderungen. Die 8 Hofmann (2001) findet in seiner empirischen Untersuchung Unterstützung für die Hypothese, dass steigende Häuserpreise das Kreditwachstum fördern. Oikarinen (2009) untersucht die Wechselbeziehung zwischen Häuserpreisen und dem Bestand an Wohnungskrediten in Finnland. Er findet eine deutliche Verstärkung der Wechselwirkungen seit der Finanzmarktliberalisierung Ende der 1980er Jahre. 27 folgende Abbildung 21 zeigt, dass seit Ausbruch der Krise die Häuserpreise vor allem in jenen Ländern stark zurückgegangen sind, in denen die Pro‐Kopf‐Verschuldung mit Hypothekarkrediten besonders hoch war. Zwei Ausnahmen stellen Schweden und Griechenland dar. Schweden hat trotz relativ hoher Pro‐Kopf Verschuldung im Jahr 2007 keine nachhaltigen Rückschläge bei den Häuserpreisen erlebt. In Griechenland sind die Häuserpreise trotz geringer Pro‐Kopf‐Verschuldung relativ stark eingebrochen. A BBILDUNG 21 A USHAFTENDE W OHNBAUKREDITE 2007 UND H AUSPREISVERÄNDERUNGEN DANACH BIS E NDE 2010 Aushaftende Hypothekendarlehen in 1.000 € pro Kopf der Bevölkerung Veränderung der realen Häuserpreise seit 2007 in % 50 40 30 20 10 0 -10 -20 -30 -40 Quellen: Hypostat (2009),Häuserpreisquellen, eigene Berechnungen ZURCHARAKTERISTIKDERWOHNUNGSKREDITE Zinsen: In der Mehrheit der Länder werden sowohl Kredite mit variablen als auch Kredite mit Fixzinsen angeboten (Tabelle 2). Fixzinskredite mit langen Laufzeiten dominieren in Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Diese Kreditform betraf im Jahr 2007 65% des gesamten Neukreditvolumens in der Eurozone. In den übrigen Ländern herrschten Kredite mit variabler Verzinsung vor. Diese werden monatlich, quartalsmäßig, halbjährlich oder jährlich an Referenzzinssätze angepasst. Als Referenzsatz gilt zumeist der EURIBOR mit entsprechender Laufzeit. Andere Referenzzinssätze für variabel verzinste Kredite kamen in Belgien, Finnland, Irland, Griechenland und Österreich zur Anwendung. Der Anteil variabel verzinster Kredite schwankt mit der Zeit, allerdings nicht so stark, um die Kategorisierung der Länder nach dominierender Verzinsungsart zu gefährden. Wenig Variation gibt es in Deutschland und Portugal, viel in Belgien und Griechenland. Im Jahr 2005 ist in allen Ländern, wahrscheinlich aufgrund des niedrigen Zinsniveaus, der Anteil variabel verzinster Kredite angestiegen. Die Anpassung an neue Zinsverhältnisse bei variabler Verzinsung unterliegt in einigen Ländern gesetzlichen oder vertraglich festgelegten Einschränkungen. In Belgien bestimmt das Gesetz, dass Anpassungen maximal einmal pro Jahr erfolgen dürfen. Zudem müssen die Kreditverträge Ober‐ und Untergrenzen für die Anpassung vorsehen. In Frankreich sind Obergrenzen (Caps) auch ohne gesetzliche Vorschriften üblich. Dies betrifft dort etwa 50% 28 der insgesamt aushaftenden Wohnbaukredite und 90% der aushaftenden Kredite von Sonderfinanzierungsanstalten. In Österreich ist aufsichtsrechtlich festgelegt, dass sich die Kreditzinsen der Bausparkassen in bestimmten Korridoren bewegen müssen. Abweichungen davon müssen von der Finanzaufsicht genehmigt werden. In einigen Ländern verlangt das Gesetz die Anpassung nach offiziellen Referenzsätzen, wobei exzessive Sätze verboten sind. Die Gründe für die Dominanz fixer oder variabler Verzinsung sind noch wenig untersucht. Sowohl Nachfrage‐ und Angebotsfaktoren als auch institutionelle Faktoren dürften dabei eine Rolle spielen. Auf der Nachfrageseite werden kulturelle Faktoren, Risikoaversion und Planungshorizonte genannt. Länder mit langfristiger makroökonomischer Stabilität bei anhaltend geringer Inflation erlauben den Marktteilnehmern längere Planungshorizonte, was dort die Dominanz von Fixzinskrediten mit längeren Laufzeiten erklärt (Belgien, Deutschland, Niederlande). Auf der Angebotsseite spielen die Refinanzierungspraktiken der Banken eine Rolle. In Deutschland, beispielsweise, werden langfristige Fixzinskredite i. d. R. über lang laufende Pfandbriefe refinanziert, während in Finnland die dort vorherrschenden variabel verzinsten Wohnbaukredite mittels kurzfristiger Instrumente refinanziert werden. In einer Umfrage der ECB meldeten allerdings die Banken aus allen Euroländern, dass die Wahl des Refinanzierungsinstruments in erster Linie von der Laufzeit der Kredite abhängt. Auf der institutionellen Seite werden vor allem Regulierungen genannt. Beispielsweise durften in Spanien die Banken bei Kreditumschichtungen durch die Kunden zwischen 1994 bis 2005 nicht mehr als 1% und zwischen 2005 und 2008 nicht mehr als 0,5% an Gebühr verlangen. Das hat langfristige Kredite unattraktiver gemacht. Die Einführung von Basel II dürfte für die Banken den Anreiz erhöht haben, variable Kredite zu vergeben, weil dadurch das Risiko stärker auf die Kreditnehmer überwälzt werden kann und damit die Eigenkapitalerfordernisse der Banken sinken. Laufzeiten: Die typische durchschnittliche Laufzeit von Wohnungskrediten schwankt je nach Land relativ stark zwischen 20 und 30 Jahren (Tabelle 2). Die maximalen Laufzeiten liegen zwischen 40 und 60 Jahren (bis 40 Jahre in Belgien, Irland, Griechenland und Italien; bis 50 Jahre in Spanien, Frankreich und Portugal; bis 60 Jahre in Finnland). Kredite mit variabler Laufzeit waren 2007 bereits eingeführt in Belgien, Griechenland und Frankreich. Ein häufiges Vorgehen ist die Anpassung der Kreditlaufzeit von variabel verzinsten Krediten an veränderte Zinssätze („accordion loans“). Der Zweck solcher Laufzeitanpassungen liegt darin, die Leistbarkeit aufrecht zu erhalten. Kreditlaufzeiten wurden auch verlängert, um die Leistbarkeit höherer Belehnungsquoten (80% bis 100%) zu ermöglichen (Irland, Griechenland, Italien, Portugal). Die durchschnittliche Kreditlaufzeit ist in den meisten Ländern angestiegen, zum Teil wegen der gestiegenen Häuserpreise, die höhere Kredite erfordern, zum Teil auch wegen der höheren Lebenserwartung. Belehnungsquoten (LTV‐Ratios): Im Jahr 2007 lag die typische Belehnungsquote eines neuen Wohnungskredits in den Ländern der Eurozone zwischen 80% und 101%. In den Niederlanden lagen die registrierten Belehnungsquoten im Durchschnitt sogar bei 110%, während die aktuelle Quote bei Kreditvergabe bei durchschnittlich 100% lag. Die Differenz ergibt sich daraus, dass Haushalte die Kredite ohne zusätzliche Kosten über die ursprüngliche Quote erhöhen konnten. 29 T ABELLE 2 M ERKMALE DER K REDITE FÜR H AUSKAUF ‐2007 Dominierende Verzinsungsart 1) Prozentanteil variabel verzinster Referenzzinssatz Kredite am Gesamtfür Anpassungen Neukreditvolumen 2) Belgien Deutschland Irland Griechenland Spanien Frankreich Prozentsatz von aushaftenden variabel verzinsten Krediten mit Cap Wucherzinssatz Typische Laufzeit (in Jahren) Fix (für 10 Jahre) 10 Treasury bills (10 Monate), Anleihen (1 bis 10 Jahre) 34 Keine spezifische Regelung; Missbrauch per Gesetz unter Strafe 20 Fix (für 5 bis 10 Jahre) 15 langfristige Marktzinssätze 0 Doppelte Höhe des vergleichbaren Marktzinses 25-30 Variabel 67 ECB Hauptrefinanzierungsrate, 3-Monats Libor 0 Keine spezifische Regelung 31-35 28 ECB Hauptrefinanzierungsrate, 3-Monats Libor 4 Keine spezifische Regelung 15-20 Variabel 91 12-Monats EURIBOR 0 Mehr als das 2,5 fache des legalen Satzes 30 Fix (für 10 Jahre) 15 12-Monats EURIBOR 50 Mehr als 33% über dem Mittelwert des Jahreszinssatzes aus dem letzten Quartal 19 22 Variabel 3) Variabel 47 3-Monats EURIBOR n.a. Vierteljährlich festgelegt; mehr als 50% über dem Mittelwert des Jahreszinssatzes mit zwei Quartalen Verzögerung Niederlande Fix (für 5 bis 10 Jahre) 18 langfristige Marktzinssätze 0 Keine spezifische Regelung 30 Österreich Variabel 61 3-Monats EURIBOR 5 Keine spezifische Regelung 30 Portugal Variabel 99 6-Monats EURIBOR 0 Keine spezifische Regelung 30-40 Finland Variabel 96 12-Monats EURIBOR; Prime Rate 11 Wucher verboten 20-25 - 43 - 19 - - Italien Eurozone 4) Anmerkungen: 1) Kredite mit variabler Verzinsung umfassen auch Kredite mit einer Fixzinsperiode bis zu einem Jahr. 2) Anteil von Krediten mit Zinsänderungsperioden bis zu einem Jahr am Gesamtvolumen der Neukredite für Hauskauf im Jahr 2007. 3) Kredite mit variablen Zinsen haben bis 2006 dominiert. Im Jahr 2007 haben Kredite mit Fixzinsperioden von 1 bis 5 Jahren vorgeherrscht. 4) Der Eurozonen-Durchschnitt wird auf Basis von Ländern kalkuliert, für welche Daten vorhanden waren. Er ist daher nicht immer repräsentativ. Quellen: ECB (2009), eigene Darstellung Unter Basel II erhalten Kredite mit Belehnungsquoten über einem bestimmten Niveau (80% in Spanien und Italien, 75% in Griechenland, Irland und Portugal, 70% in Finnland) ein höheres Risikogewicht und müssen mit entsprechend mehr Eigenkapital oder Eigenkapitalsurrogaten unterlegt werden. Das Risiko kann aber im Prinzip über private oder öffentliche Garantiesysteme transferiert werden. Insbesondere in Frankreich haben solcher Art Garantien eine große Bedeutung. Die Banken erhöhen die Zinsen, wenn bestimmte LTV‐Raten überschritten werden sollen. Im Durchschnitt um 20 bis 40 Basispunkte. Trotzdem sind die LTV‐Raten in den meisten Ländern angestiegen, unterstützt durch längere Kreditlaufzeiten und Kredite mit variablen Laufzeiten. Im Jahr 2007 sind die LTV‐Raten im Zuge der sich abzeichnenden Krise in Belgien, Irland, Spanien und Portugal zurückgegangen. Amortisationsarten: Das am häufigsten verwendete Amortisationsschema ist eines mit konstanten Rückzahlungsraten, bei dem die anfänglich höheren Zinszahlungen mit der Zeit durch einen höheren Anteil von Tilgungszahlungen abgelöst werden. In Griechenland, Spanien und Finnland nahm dieses Schema ca. 90% aller Neukredite im Jahr 2007 ein. Es wurden aber auch alternative Rückzahlungsschemas entwickelt wie „teaser loans“ mit 30 geringeren Rückzahlungen zu Beginn der Kreditlaufzeit, „balloon loans“ mit einer Zahlung am Ende der Laufzeit, die weit höher ist als frühere Zahlungen, und Kredite mit variablen Rückzahlungen, etwa bei Einkommensausfällen. Schon erwähnt wurden die „accordion loans“ in Belgien, Frankreich, Italien und Portugal, deren Laufzeiten sich bei konstanten Rückzahlungen an die Zinsveränderungen anpassen. T ABELLE 3 W EITERE M ERKMALE DER K REDITE FÜR H AUSKAUF Prozentanteil Vorzeitige der Kredite, die Prozentanteil Staatliches Privates Typische Rückzahlungen: 2007 von neuer Kredite PrivatkonkursBelehnungsquote Garantie- GarantieGesetz (G) oder vorzeitiger für andere recht 2) 2) (LTV-Ratio) system system Vertrag (V) Rückzahlung Zwecke betroffen waren 1) Belgien 80 1 18 Deutschland 70 0 0 G/V n.a. Irland 83 0 2 V 9 Griechenland 73 4 19 V 5 30 Nein 72 ½ 0 1 G/V 1) 8 5 Nein Frankreich 91 14 44 G/V 1) 8 1 Ja Italien 65 0 2 G 1 3) 1 Nein Niederlande 101 13 0 V 2 3 Ja Österreich 84 0 13 G 9 2 Ja Portugal 71 0 0 7 20 Ja 81 5 4 V 8 12 Ja 79 4 19 - 6 5 - Spanien Finland Eurozone 5) G/V G 1) 5 1 Ja 1-2 13 4) Ja Ja Anmkerkungen: 1) In Belgien, Spanien, Frankreich und Portugal bestimmt das Gesetz eine Maximalgebühr. Die tatsächlichen Kosten müssen aber per Vertrag vereinbart werden. 2) Prozentanteil des aushaftenden Kreditvolumens für Hauskauf, für welches eine staatliche oder eine private Garantie besteht. 3) Der Prozentsatz bezieht sich auf vorzeitige Rückzahlungen im Fall einer erneuten, alternativen Kreditaufnahme. 4) Enthält hauptsächlich "top-up" Kredite. 5) Der Eurozonen-Durchschnitt wird auf Basis von Ländern kalkuliert, für welche Daten vorhanden waren. Er ist daher nicht immer repräsentativ. Quellen: ECB (2009), eigene Darstellung Gebühren und vorzeitige Rückzahlungen: Die Modalitäten für vorzeitige Kreditrück‐ zahlungen sind in allen Ländern relativ flexibel. Die Gebühren dafür unterscheiden sich jedoch deutlich. Ein Ländervergleich ist wegen der zahlreichen unterschiedlichen Möglichkeiten und Formen allerdings nicht wirklich möglich. Ein Beispiel mit vereinfachten Annahmen zeigt eine Spannweite der Kreditgebühren von 3,5% des Kreditbetrages in Belgien bis zu beinahe 0% in Finnland. Lässt sich das Beispiel verallgemeinern, so dürfte die Kreditaufnahme im Durchschnitt in Belgien, Frankreich und Italien besonders teuer kommen, relativ am günstigsten wäre sie in Finnland und in Irland. Verwendungszweck: 70% bis 90% aller Hypothekarkredite in der Eurozone wurden 2007 zum Kauf des eigenen Hauptwohnsitzes verwendet. 8% wurden verwendet um Eigentum anzuschaffen, das weitervermietet werden sollte (buy‐to‐let). Der buy‐to‐let Markt wird besonders in Österreich durch steuerliche Förderungen unterstützt. In Frankreich wurden 14% der Kredite für die buy‐to‐resale Option verwendet. Für Zweitwohnsitze wurden nur 5% der Kredite in der Eurozone verwendet. 8% galten anderen Zwecken. In einigen Ländern wurden spezielle Kreditprodukte entworfen, um equity withdrawel zu ermöglichen. Der Prozentsatz von Wohnungskrediten für andere Zwecke schwankt von 1% in Frankreich, Italien und Belgien bis 20% in Portugal und 30% in Griechenland. In Portugal wird angenommen, dass ein Großteil davon für die Transaktionskosten des Wohnungserwerbs verwendet wird. In Frankreich gelten dafür strenge Regulierungen und 31 in Belgien sind die Kosten für solche Kredite sehr hoch. Insgesamt ist die Datenlage über die endgültige Verwendung der Wohnungskredite aber sehr schlecht. Konkurs und Zwangsvollstreckungsverfahren: Das Privatkonkursrecht hat eine lange Tradition in den USA und in Großbritannien. In Kontinentaleuropa gibt es in den meisten Ländern erst seit den 1990er Jahren entsprechende Regelungen. Griechenland, Spanien und Italien hatten im Jahr 2009 nach wie vor kein Privatkonkursrecht. Ein Hauptelement eines jeden Privatkonkursrechts ist, dass die Schuldner im Falle eines Privatkonkurses ihre Schuld zumindest teilweise zu begleichen haben. Das Einkommen der Schuldner wird typischer Weise für einige Jahre gepfändet. Die Entlastung der Schuldner ist in Kontinentaleuropa zumeist teurer als in den USA. Banken können, im Gegensatz zu den Banken in den USA, oft auch auf andere Vermögensarten als nur das Einkommen zugreifen. Die Zahl der Privatkonkurse wies gegen Ende des letzten Jahrzehnts einen steigenden Trend auf. Die Wachstumsraten waren allerdings bis 2007 rückläufig. Die Einbehaltung der Immobilie ist normalerweise eine Lösung, auf die zuletzt zurückgegriffen wird. Kann eine einvernehmliche Lösung nicht gefunden werden, dann wenden sich die Gläubigerbanken an die Gerichte, welche die Details der Zwangsvollstreckung festlegen. Ein Zwangsverkauf findet normalerweise über öffentliche Auktion statt. Um das zu vermeiden, werden in vielen Fällen vor der Kreditvergabe die Kredithistorien der Kreditwerber untersucht, in Belgien und den Niederlanden besteht sogar die gesetzliche Verpflichtung dazu. Dauer und Kosten von Zwangsvollstreckungsverfahren variieren sehr stark in Europa. Unter Einbezug der Zeit für ein Gerichtsverfahren, der Zeit für den Verkauf der Immobilie und die Verteilung des Erlöses auf die Gläubiger vergehen zwischen nur 2 Monaten in Finnland und 56 bis 132 Monate in Italien. Im Durchschnitt vergehen in Europa etwa 2 Jahre. Allein die Auszahlung an die Gläubiger braucht im Durchschnitt 4 Monate mit einer Spanne von 1 Monat in Irland, Spanien, Portugal und Finnland bis zu 24 Monaten in Griechenland. ZURREFINANZIERUNGDERKREDITEFÜRHAUSKAUF Marktstrukturen: MFI („Monetäre Finanzinstitute“) sind bei weitem die wichtigsten Kreditgeber mit mehr als 90% Anteil am gesamten Hypothekarkreditvolumen in der Eurozone. Versicherungen und Pensionsfonds (ICPF) haben geringere Anteile. Deren Anteil lag im Jahr 2007 mit 3% bis 8% am höchsten in Belgien, Deutschland und den Niederlanden. In diesen drei Ländern sind ihre Anteile seit Anfang der 1990er Jahre von 15% in Belgien, 12% in Deutschland und 10% in den Niederlanden stark zurückgegangen. Die Gründe für die Rückgänge der ICPF‐Marktanteile liegen in steuerlichen Änderungen (Deutschland) und in der Übernahme von Versicherungen durch Banken im Zuge von Fusionen und Akquisitionen in Belgien. Auch „Sonstige Finanzintermediäre“ (OFIs)9 und öffentliche Einrichtungen vergeben Kredite. Deren Anteil ist in Belgien mit 10% relativ hoch. Raiffeisenbanken und Sparkassen halten in manchen Ländern eine starke Position in der Wohnungsfinanzierung. In Österreich und Deutschland hatten Sparkassen im Jahr 2007 einen Anteil von 31% bzw. 30% im Jahr 2007. Der kooperative Sektor spielt vor allem in 9 Die Gruppe der “Sonstigen Finanzintermediäre“ umfasst unter anderem Versicherungen, Pensionsfonds, Investmentfonds, Private Equity und Venture Capital Gesellschaften. Vgl.: http://www.ecb.int/mopo/eaec/intermediaries/html/index.en.html 32 Deutschland (19%), Österreich (21%) und Finnland (31%) eine größere Rolle. Spezialisierte Hypothekeninstitute finden sich in Österreich, Deutschland, Frankreich und Spanien. In der Eurozone besteht eine Tendenz zu einer höheren Unternehmenskonzentration im Bankensektor. Einem Rückgang der Anzahl der Banken zwischen 1998 und 2007 stand ein Anstieg der ausländischen Beteiligungen und Tochtergesellschaften gegenüber. Der Anteil ausländischer Tochtergesellschaften erreichte im Jahr 2007 in Belgien 53%, in Irland 40%, in Griechenland 43% und in Spanien 22%. Der Marktanteil im Kreditgeschäft lag jedoch darunter, in Belgien, Irland und Griechenland jeweils bei etwa 30%. Ein Grund für den Anstieg der Anzahl ausländischer Unternehmen und Zweigstellen in der Wohnungsfinanzierung ist, dass Cross‐Border Kredite in diesem Finanzierungssegment kaum eine Rolle spielen. Spezifische Regelungen und Praktiken wirken diesen in diskriminierender Weise entgegen (z.B. im Rahmen von Konkurs‐ und Zwangsvollstreckungsrecht). Vor allem um dem auszuweichen, haben Banken Tochtergesellschaften in anderen Ländern errichtet. Refinanzierung der MFI: Der Anteil von Krediten für Wohnungseigentumskauf an den gesamten Krediten an Nicht‐MFI ist von 1999 bis 2007 um 5%‐Punkte auf 32% angestiegen. Dieser Trend bestand in allen Ländern der Eurozone. Abgesehen von einigen speziellen Refinanzierungsinstrumenten werden Hypothekarkredite vor allem aus den allgemeinen Quellen der Banken refinanziert, vor allem aus den Spareinlagen. In der letzten Dekade haben sich aber die Möglichkeiten der Refinanzierung durch finanzielle und technische Innovationen ausgeweitet. In der Art der Refinanzierung gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Ländern, die teilweise historisch bedingt sind. Das Verhältnis von Krediten an Nicht‐MFI zum BIP ist zwischen 1997 und 2007 um 40%‐ Punkte angestiegen. Das Verhältnis von Krediten für Hauskauf zum BIP ist von 15% auf 38% angestiegen. Das Kreditvolumen hat sich insgesamt um den Faktor 2,5 erhöht. Gleichzeitig ist das Verhältnis von Spareinlagen zu BIP weitgehend konstant geblieben. Die Länder mit den stärksten Anstiegen der Kredite an Nicht‐MFI und den stärksten Anstiegen der Spanne zwischen Krediten und Einlagen waren Spanien, Irland, die Niederlande und Portugal. Die Spanne ist allerdings in allen Ländern der Eurozone angestiegen mit Ausnahme von Deutschland. Die Differenz aus Kreditvolumen und Spareinlagen musste daher anderweitig refinanziert werden, vorwiegend geschah dies mit marktbasierenden Instrumenten (Wertpapieren) und Geldmarktausleihungen. Die Kausalkette ist jedoch nicht eindeutig. Ein Hauptgrund für die geänderten Refinanzierungspraktiken war, dass es diese neuen Instrumente gab, die vorher nicht in dieser Form zur Verfügung standen. Bankverbindlichkeiten können in drei Kategorien eingeteilt werden: Typ a) Einlagen von Nicht‐MFI aus der Eurozone, die sich normalerweise am stabilsten entwickeln und wegen der Einlagensicherung am wenigsten Risiken beherbergen. Ihre Renumeration reagiert in der Regel am wenigsten auf Änderungen in der Zinsenlandschaft, obwohl steigender Wettbewerb dies in den letzten Jahren etwas geändert hat. Typ b) Einlagen von Nicht‐MFI von außerhalb der Eurozone sind aufgrund des Wechselkursrisikos volatiler und stammen großteils von großen Unternehmen und Finanzintermediären. 33 Typ c) Interbankenfinanzierung zeichnet sich durch hohe Volatilität und sehr kurze Fristen aus. Wichtig ist zudem die Unterscheidung zwischen gesicherter und ungesicherter Finanzierung. Bei gesicherter Finanzierung müssen Wertpapiere als Sicherheiten gegeben werden. Bei solchen Krediten springt normalerweise auch die Zentralbank ein, wenn der Partner nicht zahlt oder zahlungsunfähig wird. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass vor allem die Ausgleichsfunktion des nicht gesicherten Geschäfts wichtig für die Liquidität und Solvenz der Finanzinstitutionen ist. Typ d) Securitisation ist die Unterlegung oder Verbriefung von Kredit‐ und Einlagepositionen durch Wertpapiere. Es handelt sich dabei um einen Ersatz direkter Bankenfinanzierung durch vom Schuldner mit Wertpapieren unterlegten Finanzmittelaufnahmen. Nicht in jedem Fall wird dabei das Risiko aus der Bankbilanz genommen. Die Möglichkeiten hängen hier von nationalen Regulierungen und Bilanzierungsstandards ab. Es ist daher schwer, international vergleichbare Daten zu bekommen. In Spanien und Portugal beispielsweise werden die Kredite in der Regel nicht ausgebucht. Typ e) Andere Schuldwertpapiere umfassen beispielsweise verbriefte Anleihen bzw. Pfandschuldverschreibungen oder ungesicherte Schuldpapiere. Der Vorteil dieser Instrumente liegt vor allem in der längeren Laufzeit und der stärkeren Übereinstimmung der Fristigkeiten von Assets und Verbindlichkeiten. Ein Vergleich zwischen 4. Quartal 1999 und 4. Quartal 2007 zeigt, dass der Anteil der Einlagen der MFI aus der Eurozone (Typ a) um 8%‐Punkte auf 55% gesunken ist, während der Anteil der Schuldpapiere (Typ e) von 38% auf 41% angestiegen ist. Der Anteil der anderen Formen, inkl. Securitisation, ist um 7%‐Punkte auf 21% angestiegen. Der Anteil der Typ a‐Einlagen schwankte im Jahr 2007 von 30% in Irland bis zu 95% in Griechenland. Der Anteil der Typ e‐Schuldpapiere schwankte von 1% in Griechenland bis 60% in Deutschland. Securitisation war bedeutend in Spanien (19%), den Niederlanden (17%) und Portugal (9%). In einigen Ländern wie Belgien, Finnland und Griechenland lag um 1997 herum ein hohes Verhältnis von Einlagen zu Krediten vor, weshalb der Anreiz zu verstärkter Kapitalmarktfinanzierung für die Banken in diesen Ländern geringer gewesen sein dürfte. Der Trend zu marktbasierten Instrumenten und Interbankenrefinanzierung hat deutlich zugenommen. RMBS (Residential Mortgage‐Backed Securities) und Pfandschuld‐ verschreibungen machten Ende 2007 21% aller Hypothekenfinanzierungen aus. True‐sale Securitisation hatte einen hohen bzw. größeren Anteil an den Wohnungskrediten in Spanien (31%), den Niederlanden (25%) in Italien und Portugal (jeweils etwa 20%) und Irland (10%). Eine Implikation aus dem steigenden Anteil von marktbasierten Instrumenten bei der Refinanzierung der Banken ist, dass Investoren und Sparer einen größeren Risikoanteil tragen, da diese Sparformen nicht der Einlagesicherung unterliegen. Die Laufzeiten der Kredite sind angestiegen und der Zugang zu ausländischem Kapital wurde erleichtert. Dies war besonders der Fall in Ländern, in denen das Kreditvolumen stark angestiegen ist, also in Spanien, in den Niederlanden und in Portugal. Die spanische Zentralbank hat geschätzt, dass Ende 2007 66% aller durch spanische Institutionen begebenen verbrieften Anleihen in Händen ausländischer Investoren waren. Institutionelle Charakteristiken von Pfandbriefen und Securitisation: Aus der Sicht der begebenden Bank haben diese Instrumente eine Reihe von Vorteilen: Erstens, durch die 34 Unterlegung bzw. Besicherung haben sie ein höheres Rating und dienen daher der langfristigen Refinanzierung bei relativ niedrigen Kosten. Zweitens, sie dienen der Diversifikation und Verbreiterung der Kapitalquellen. Die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Instrumenten sind: bei Pfandbriefen bleiben die Sicherheiten in der Bilanz des Kreditgebers, während bei RMBS die Sicherheiten in ein Special‐Purpose Vehicle (SPV) ausgelagert werden bei einigen Formen von RMBS kann die Auslagerung der Risiken aus der Bilanz die regulatorischen Eigenkapitalerfordernisse senken RMBS‐Investoren haben, anders als Käufer von Pfandbriefen, keine Ansprüche gegenüber dem ursprünglichen Kreditgeber Der Pool an Sicherheiten ist bei Pfandbriefen flexibel, während er bei RMBS statisch ist, d.h. „faule“ Kredite können bei letzteren nicht aus dem Pool entfernt werden bei RMBS werden oft Tranchen aus dem gesamten Sicherheitenpool herausgeschnitten. Damit sollen unterschiedliche Investoren nach Grad ihrer Risikofreude(‐aversion) bedient werden, um die Kapitalkosten durch bessere Ratings zu senken. Der Wert aushaftender Pfandschuldverschreibungen ist zwischen 2003 und 2007 in der Eurozone um 80% angestiegen. In Deutschland ist das Instrument seit langem etabliert, in anderen Ländern wurde es erst kürzlich entdeckt. Änderungen in der Gesetzgebung und die Dynamik auf den Wohnungsmärkten haben das Instrument dort attraktiver gemacht. Der Anteil Spaniens am Gesamtvolumen der gesamten Eurozone ist durch eine Vervierfachung der aushaftenden Pfandschuldverschreibungen im Land von 18% im Jahr 2003 auf 39% im Jahr 2007 angestiegen, während der Anteil Deutschlands von 72% auf 34% gesunken ist, allerdings bei einem Rückgang der aushaftenden Bonds von lediglich 16%. Zu erklären ist diese Anteilsverschiebung auch aus dem unterschiedlichen Wohnungskreditwachstum: im Durchschnitt 20% p.a. in Spanien und lediglich 1,6% in Deutschland. Auch in Frankreich hat sich das Volumen der Pfandschuldverschreibungen zwischen 2003 und 2007 verdreifacht, wodurch der Anteil in der Eurozone von 6% auf 16% gestiegen ist. Es gibt zwei grundlegende Formen von Securitisation in Europa: True‐sale Securitisation beinhaltet den Verkauf eines Pools an Ansprüchen vom Urheber an ein SPV, welches dann entsprechende Wertpapiere begibt, deren Rück‐ und Zinszahlungen an die Zahlungsströme der unterliegenden Assets gebunden sind. Wenn alle Risken und Ansprüche an das SPV abgegeben werden, werden diese aus der Bilanz des Urhebers ausgebucht. In Spanien und Portugal ist ein solches Vorgehen sehr streng geregelt. Securitisation ohne Ausbuchung hat allein den Zweck der Aufbringung von finanziellen Mitteln, ohne Erleichterungen bei den Eigenkapitalunterlegungen. Bei synthetischer Securitisation nutzt der Urheber Kreditderivate um das Risiko des zugrundeliegenden Pools zu transferieren. Diese Form ermöglicht unterschiedlichste Arten von Risiko‐Rendite Profilen und ist daher sehr flexibel. In diesem Fall bleiben die Sicherheiten in der Bilanz des Urhebers, während SPV einen Pool von Derivaten verwalten, die auf die Sicherheiten referenzieren. 35 Der ausstehende Betrag an True‐Sale‐Securitisation in der Eurozone ist von unter 50 Mrd. Euro im Jahr 1997 auf über 750 Mrd. Euro im Jahr 2007 angestiegen (Chart 16, S.51)10. Trotzdem lag der Anteil von Securitisation an den gesamten ausstehenden Wohnungskrediten nur bei 7%, in den USA dagegen bei ca. 50%. Gemessen am BIP lag das Verhältnis bei 3% bis 5% in der Eurozone und bei ca. 52% in den USA. Bezieht man andere ABS (asset backend securities) mit ein, dann betrug die Quote in den USA ca. 70%. Die langsame Entwicklung in Europa geht zurück auf: eine gute Finanzbasis der wichtigsten Banken in Europa zu der Zeit, als ABS und andere neue Instrumente auf den Markt kamen fehlende rechtliche Regelungen traditionelle Kunden‐Banken‐Beziehung Regelungen zur vorzeitigen Kreditrückzahlung, die RMBS risikant machen würden teilweise geringe Dynamik am Wohnungsmarkt und daher auch am Finanzierungsmarkt Die Länder mit den größten Anteilen am Markt für Securitisation sind Spanien, die Niederlande, Frankreich und Italien. In Spanien ist das Volumen zwischen 1997 und 2007 jährlich um 65% angestiegen. Im Jahr 2007 betrug der Anteil Spaniens am Gesamtvolumen in der Eurozone fast 50%. Spanien hat auch Multi‐Seller Securitisation eingeführt, um den ABS‐Markt auch für kleinere Banken zu öffnen. In den späten 1990er Jahren lag der Anteil von RMBS am Gesamtmarkt für Securitisation bei 80%. Der Anteil ist auf etwas über 60% zurückgegangen weil Securitisation zunehmend auch für Unternehmenskredite und –anleihen eingesetzt wird. Auswirkungen der Krise: Seit Sommer 2007 wurde es wegen der steigenden Risikoaversion der Investoren und die Sorge um die finanzielle Lage der Banken zusehends schwieriger Mittel auf dem Kapitalmarkt zu akquirieren. Liquidität und Transaktionsvolumina gingen stark zurück, Securitisation verblieb fast nur mehr in Form privater Platzierungen. Die Emissionen der Banken lagen um 30% unter dem Vorkrisenniveau. Die Banken reagierten darauf einerseits mit der Konzentration auf relativ günstigere kurzfristige Finanzierungen (Repos von der Zentralbank; ungesicherte Geldmarktfinanzierungen und Geldmarktpapiere) und andererseits mit verstärktem Wettbewerb um die Sparer. Das gestiegene Risikobewusstsein der Investoren hat die Spareinlagen steigen lassen. Im Verlauf der Krise waren auch RMBS‐Emissionen immer stärker betroffen. Die Renditen auf RMBS und Pfandbriefe sind deutlich angestiegen. Assessment: Die Ursachen der Finanzmarktkrise lagen in a) einem hohen Leverage der Bankbilanzen, b) einem massiven Einsatz komplexer und undurchsichtig strukturierter Produkte in einigen Euroländern, und c) einer fast flächendeckenden Unterschätzung von Risiken, die sich in den historisch geringen Kreditspreads Mitte 2007 widerspiegelten. Die Banken haben ihr traditionelles Geschäftsfeld, die Vergabe von Krediten und das Halten der Kredite über die Laufzeit, vernachlässigt und statt dessen ihre Aktivitäten auf das Neuverpacken und den Verkauf von Krediten an andere Finanzmarktakteuren konzentriert. Dieses Modell hat Nutzen, wie eine Verbesserung der Risikoallokation, eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis und Marktvervollständigung, es hat aber auch Die ECB‐Studie enthält nur Informationen zu Typ‐A Securitisation und unterschätzt daher 10 die Aktivitäten der Banken in diesem Bereich! Typischer Weise macht Typ‐A Securitisation bei weitem den größten Anteil aus, mit der Ausnahme von Deutschland. 36 massive Nachteile: es führt zu einer falschen Ausrichtung von Anreizen mit einer Aneinanderreihung von schwer zu lösenden Prinzipal‐Agent Beziehungen, beispielsweise zwischen ursprünglichen Kreditgebern und Käufern der neuen Finanzinstrumente. Die Risikoübertragung in Verbindung mit den schwachen Kontrollkräften in diesem System mindern die Anreize der Kreditgeber, ihre traditionelle Aufgabe der Risikokontrolle adäquat zu erfüllen. Eine Erosion der Kreditvergabepraktiken führt zu suboptimaler Kreditvergabe mit höheren Ex‐post Risiken. Zwei weitere Nachteile sind die Informationsprobleme auf Seiten der Ratingagenturen, die ohnehin schon mit Anreizproblemen zu kämpfen haben, und das Missverhältnis von Laufzeit und Liquidität zwischen zugrundeliegenden Assets (Krediten) und Verbindlichkeiten (Wertpapieren) durch Auslagerung in Vehikel außerhalb der Bilanzen der Banken. ZINSSPREADSIMHYPOTHEKENMARKT Refinanzierungskosten der Banken: Ein ideales Maß für die Refinanzierungskosten der Banken wäre der gewichtete Durchschnitt der Kosten der Spareinlagen und der Kosten der marktbasierten Finanzierung, inklusive der imputierten Kosten des Eigenkapitals pro Refinanzierungseinheit. Die Kosten der Spareinlagen waren zwischen 2003 und 2007 besonders niedrig in Italien, Finnland und Spanien, hauptsächlich wegen eines hohen Anteils an täglich fälligen Einlagen. Hoch waren die Kosten dagegen in Österreich, Deutschland und den Niederlanden wegen hoher Anteile von zeitlich gebundenen Spareinlagen. Die Zinsen auf Wohnungskredite waren zwischen 2003 und 2007 am höchsten in Deutschland, Griechenland und den Niederlanden, in Deutschland und den Niederlanden vor allem wegen der Dominanz langer Laufzeiten mit fixer Verzinsung. Am niedrigsten waren die Zinsen in Spanien, Finnland, Irland und Portugal, alles Länder, in denen typischerweise variabel verzinste Kreditformen vorherrschen. Die Verteilung der Gesamtkreditkosten war sehr ähnlich. Das Verhältnis aus Kreditzinsen und Refinanzierungskosten war bei variabel verzinsten Krediten im Jahr 2007 besonders in Österreich und Griechenland hoch, niedrig dagegen in Spanien, Finnland und Portugal. Gering war der Spread auch in den Niederlanden, Belgien und Frankreich, wo variabel verzinste Kredite eine untergeordnete Rolle spielen. Bei Fixzinskrediten war der Spread hoch in Deutschland und in den Niederlanden, aber auch in Griechenland, Irland und Italien, wo normalerweise variabel verzinste Kredite überwiegen. Die hohen Spreads der Fixzinskredite in diesen Ländern dürften auch ein Grund gewesen sein, warum der Anteil variabel verzinster Kredite dort so hoch war. In Frankreich war der Spread sogar negativ, was wahrscheinlich darauf zurückgeht, dass dort Quersubventionierung mit anderen Krediten bzw. Bankprodukten betrieben wird. Die Spreads für alle Kreditformen (variabel und verzinst) sind in allen Ländern zwischen 2003 und 2007 zurückgegangen. Als Erklärung kommen eine Reihe von Faktoren in Frage: Charakteristiken der Produkte, mikroökonomische und makroökonomische Faktoren und institutionelle Faktoren. Die ECB‐Studie lässt dazu nur einige qualitative Aussagen zu. Demnach waren die Ursachen höchst wahrscheinlich: zunehmender Wettbewerb unter den Banken, gestiegene Effizienz der Banken, eine Zunahme von Securitisation, und unterschätzte Risiken und laxere Kreditvergabestandards. 37 STEUERN,SUBVENTIONENUNDTRANSAKTIONSKOSTEN Die Wohnungsmärkte der EU‐14 zeichnen sich durch eine Vielfalt an staatlichen Interventionen aus. Der öffentliche Sektor greift über die Raumplanung, die Bodenpolitik, den öffentlichen und geförderten Wohnbau und über die Mietenregulierung direkt ein. Indirekt versucht er das Verhalten der Marktteilnehmer über Steuern und Subventionen zu beeinflussen. Dazu zählen (ECB, 2003): Steuern und Subventionen, die auf das Einkommen aus Wohnungseigentum bzw. auf die Opportunitätskosten des Wohnungseigentums einwirken, Steuern und Subventionen, die direkt mit der Wohnimmobilie verbunden sind, und Indirekte Steuern und Transaktionssteuern. Die fiskalischen Interventionen des Staates ziehen unterschiedliche Formen von Marktverzerrungen nach sich (ECB, 2003). Sie beeinflussen: die Vorteilhaftigkeit der Investition in Immobilien gegenüber anderen Veranlagungsformen, die Vorteilhaftigkeit von Wohnungseigentum gegenüber der Wohnungsmiete, und die Attraktivität des Wohnungsneubaus gegenüber Erhaltungs‐ und Verbesserungsinvestitionen in bestehende Wohnungen. S TEUERN UND F ÖRDERUNGEN VON W OHNUNGSEIGENTUM UND ‐ INVESTITIONEN 2010 2001 2010 2001 2010 2001 2010 Österreich Ja Ja Ja Ja 50% Nein Nein Ja Ja Belgien Ja Ja Ja Ja 16,5%/33% Ja Ja (1) Ja Ja Dänemark Ja Ja Ja Ja 59% Ja Ja Ja Finnland Ja Ja Ja Ja 28% Nein Ja Frankreich Ja Ja Ja Ja 16%/6% Nein Nein (2) Deutschland Nein Ja Ja Ja 47,5% Nein Nein (2) Nein Griechenland Ja Ja Nein Ja 20%/10%/5% Ja Nein (2) Ja Ja Irland Nein Nein Ja Ja 22%/15% Nein Ja Ja Italien Ja Ja Ja Ja 44,2% Ja Ja Ja Niederlande Ja Ja Nein Nein - Ja Ja Ja Portugal Ja Ja Ja Ja 25% Nein Ja Ja Ja 42,0% 0%/0%-10% Spanien Ja Ja Ja Ja 43%/18% Nein Nein Ja Ja 43,0% 7% 7% 15% k.A. Schweden Ja Ja Ja Ja 30% Ja Ja Ja Ja 56,6% 25% 25% 25% 25% Großbritannien Ja Ja Ja Ja 18%/(18%-28%) Nein Nein Nein - 0% 0% 17,5% k.A. Steuer auf Grundsteuer Veräußerungsgewinne Abzugsfähigk eit von Kreditzinsen in der Einkommensteuer Steuer auf imputierte Mieten Ja (max) Steuersatz 2009 2001 (max) Steuersatz nach Behaltedauer od. Erwerbszeitpunkt 2009 T ABELLE 4 UmsatzsteuerWohnungsneubau Umsatzsteuer Wohnungsreparatur 2001 2010 2001 2010 50,0% 10%-20% 10%-12% 10%-20% 20% 53,5% 21% 21% 21%/6% 6% Ja 59,0% 25% 25% 25% 25% Ja Ja 28,0% 22% 22% 22% 22% Nein Nein - 19,6% 19,6% 5,5% 5,5% - 16% 19% 16% 19% 40,0% 0% 19% 18% k.A. 41,0% 12,5% 13,5% 12,5% 13,5% Ja 44,2% 4%/19% 4% 10%/19% 10% Ja 52,0% 19% 19% 19% k.A. 0% 5%/17% k.A. Nein Nein (3) (4) (1) Auf Basis der durchschnittlichen Nettomiete (2) Abgeschafft 1965 (Fr), 1987 (De), 2003 (Gr); in Gr nur mehr für Wohnflächen über 120m2 (3) Abgeschafft 1986; Eigenheimzulage als Ersatz (4) In mehreren Schritten abgeschafft (1983, 1988, 1991, 2000) Quellen: ECB (2003); Housing Statistics (2010); Hemmelgarn et al. (2011); Wolswijk (2008); www.GlobalPropertyGuide.com STEUERNUNDSUBVENTIONEN,DIEAUFDIEOPPORTUNITÄTSKOSTENDES WOHNUNGSEIGENTUMSWIRKEN Zu den Steuern, welche die Opportunitätskosten des Wohnungseigentums beeinflussen, zählen Steuern auf Veräußerungsgewinne, Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern und Steuern auf imputierte Mieten. Staatliche Förderungen, die auf die Opportunitätskosten wirken, sind direkte Objektförderungen und indirekte Förderungen über das Steuersystem, wie die Abzugsfähigkeit der Kreditzinsen von der Lohn‐ und Einkommensteuer. 38 Grundsteuern: Die Grundsteuerbelastung ist in den meisten Ländern gering, da der Grundsteuerberechnung einerseits in der Regel Einheitswerte zugrunde liegen, die zumeist stark von den Verkehrswerten nach unten abweichen, und andererseits die Steuersätze gering sind. Die Entwicklung des Grundsteueraufkommens in % der Gesamtsteuereinnahmen zeigt, dass die Grundsteuer an den massiven Wohnimmobilienpreissteigerungen in den meisten Ländern vorüber gegangen ist. Das Aufkommen in % des Gesamtsteueraufkommens ist nur in Belgien und in Großbritannien nennenswert angestiegen. In Schweden und den Niederlanden ist der Aufkommensanteil der Grundsteuern zuletzt gesunken. In Österreich und Griechenland ist die Grundsteuerbelastung relativ am geringsten. T ABELLE 5 E NTWICKLUNG DER G RUNDSTEUERAUFKOMMEN IN % DER G ESAMTSTEUERAUFKOMMEN 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 AT BE DÄ FI FR DE GR IR IT NL PT ES AT BE DÄ FI FR DE GR IR IT NL PT ES SW GB 0,9 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,7 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,7 0,7 2,1 2,3 2,4 2,6 2,6 2,6 2,6 2,6 2,7 2,7 3,1 3,3 3,4 3,2 1,7 1,6 1,7 1,7 1,8 1,8 1,9 2,0 2,1 2,0 1,9 1,9 1,9 2,1 1,5 1,3 1,2 1,2 1,3 1,2 1,3 1,3 1,4 1,4 1,4 1,5 1,5 1,6 k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 2,0 1,9 1,8 1,8 0,8 1,0 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,9 0,9 0,6 0,7 0,8 1,0 2,8 2,7 2,4 2,3 2,2 2,1 2,2 2,4 2,4 2,5 2,5 2,5 2,5 3,2 2,9 2,9 2,8 2,7 2,7 2,6 2,6 2,9 2,8 2,9 2,9 2,8 2,7 2,2 2,5 2,4 2,5 2,5 2,4 2,5 2,5 2,6 2,8 2,9 2,8 1,9 1,9 1,9 1,6 1,5 1,5 1,6 1,7 1,7 1,8 1,9 2,1 2,4 2,3 2,4 2,5 2,7 3,1 3,0 3,0 3,1 3,0 3,0 3,1 2,9 2,9 3,0 2,9 2,7 2,7 3,3 2,4 3,5 3,7 3,2 2,7 2,7 2,5 2,8 2,7 2,6 2,5 2,3 2,3 2,1 4,4 4,5 4,5 4,5 4,6 4,7 4,9 5,3 5,7 5,8 5,7 5,6 5,6 5,5 SW Grunds teuer A und B (l a nd ta x A & l a nd ta x B) Droi ts d'enregi s trement & Droi ts d'hypothèque (regi s tra ti on ri ghts & mortga ge ri ghts ) Amts kommuna l grunds kyl d & Kommuna l grunds kyl d (county ta x on l a nd & muni ci pi a l ta x on l a nd) Ka tuma ks u/Ki i ntei s tövero (ta x on rea l es ta te) ta xe d'ha bi ta ti on & ta xe fonci ère Grunds teuer A und B (l a nd ta x A & l a nd ta x B) ta x on l a nd, bui l di ngs a nd other s tructures & ta x on bui l di ngs res i denti a l property ta x Impos ta comuna l e s ugl i i mmobi l i (ICI) ‐ Fa bbri ca ti & ICI Aree edi fi ca bi l i (Muni ci pa l rea l es ta te ta xes (ICI)) Onroerende za a kbel a s ti ng (rea l es ta te ta xes ) Contri bui çã o a utá rqui ca (rea l es ta te ta x) Impues to s obre Bi enes Inmuebl es (IBI) / Reca rgo s obre el IBI & Gra va men Es peci a l s obre Bi enes Inmuebl es de Enti (Rea l Sta te ta x (IBI) / Rea l Sta te ta x Surcha ge & Speci a l Rea l Sta te ta x for Non‐Res i dents ) Fa s ti ghets s ka tt (ta x on rea l es ta t GB Current ta xes on l a nd a nd bui l di ngs : Ra tes & Counci l ta x Quellen: Eurostat, eigene Berechnungen Steuern auf Veräußerungsgewinne: Mit der Ausnahme der Niederlande waren in allen hier betrachteten Ländern Veräußerungsgewinne unter bestimmten Voraussetzungen steuerpflichtig. Die spezifischen Regelungen der Länder dazu unterscheiden sich aber extrem stark. Dies betrifft beispielsweise die Art der Wohnung, die Mindestbehaltedauer, ab welcher die Steuerpflicht entfällt, und die Art der Besteuerung. Ausnahmen von der Steuerpflicht gibt es in einigen Ländern für Wohnungen, die eine bestimmte Zeit lang als Hauptwohnsitz der(des) Eigentümer(s) gedient haben. In den meisten Ländern wird bei frühzeitigem Verkauf eine Besteuerung zum Grenzsteuersatz in der Einkommensteuer schlagend. In anderen Ländern gibt es Flat Rates (Finnland, Portugal, Schweden) oder mit der Behaltedauer abnehmende Flat Rates (Frankreich). Differenzierte Behandlung von 39 Einheimischen und Gebietsfremden gibt es in Frankreich, Irland, Portugal und Großbritannien. A BBILDUNG 22 A NNUALISIERTER N ACHSTEUERGEWINN BEI V ERÄUßERUNG VON W OHNIMMOBILIEN NACH UNTERSCHIEDLICHEN B EHALTEFRISTEN nach Ablauf von 3 Jahren nach Ablauf von 5 Jahren nach Ablauf von 10 Jahren 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben von globalpropertyguide.com Die Abbildung zeigt die unterschiedliche Attraktivität von Wohnimmobilieninvestitionen in den vierzehn EU‐Ländern aus Besteuerungssicht. Unterstellt ist hier ein Haus auf 2.000 m2 Grund, welches ohne steuerlich anrechenbare Verbesserungsmaßnahmen weiterveräußert wird und nicht (in steuerlich schonender Hinsicht) als Hauptwohnsitz gedient hat11. Die annualisierten Nachsteuergewinne pro erzieltem € an Vorsteuergewinn (Verkaufserlös abzgl. gesamte Akquisitionskosten) sind nach 3 Jahren Behaltedauer in den Niederlanden doppelt so hoch wie in Österreich. Nach 5 Jahren Behaltedauer sind gewinnträchtige Weiterveräußerungen von Wohnimmobilien in Belgien und Italien ebenso attraktiv wie in den Niederlanden. Nach 10 Jahren schließen auch Österreich und Deutschland zu den Niederlanden auf. Steuern auf imputierte Mieten und Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen: Der Grundgedanke hinter der Besteuerung imputierter Mieten besagt, dass selbstnutzende Wohnungseigentümer einen fiktiven Einkommensvorteil gegenüber Mietern haben, da sie keine Miete zu bezahlen haben. Angesichts der relativ hohen Anteile der Wohnungsmieten an den gesamten Wohnungsausgaben und den Konsumausgaben 11 Dänemark schneidet hier generell am schlechtesten ab. Allerdings sind in Dänemark Veräußerungsgewinne von Häusern auf Grundstücken unter 1.400 m2 steuerfrei, wenn diese wenigstens zum Teil als Hauptwohnsitz gedient haben (Quelle: globalpropertyguide.com). In Österreich entfällt die Steuerpflicht, wenn der Hauptwohnsitz zumindest 2 Jahre bestanden hat. In Portugal, Spanien und Schweden entfällt die Steuerpflicht, wenn der Veräußerungserlös innerhalb gewisser Zeiträume (PT: 2 Jahre) zur Gänze wieder in einen permanenten (Haupt)wohnsitz investiert wird. In Frankreich entfällt die Steuerpflicht, wenn der Hauptwohnsitz zumindest 5 Jahre bestanden hat. 40 insgesamt, kommt diesem Vorteil sowohl verteilungspolitische als auch allokative Bedeutung zu12. Im Jahr 2003 hatten Belgien, Dänemark, Griechenland, Italien, die Niederlande und Schweden Einkommensteuern auf imputierte Mieten. Frankreich und Deutschland hatten die Besteuerung schon vorher aufgegeben. Auch Griechenland und Schweden (im Jahr 2007) haben die Besteuerung zuletzt eingestellt bzw. zum Teil eingestellt. In Griechenland unterliegen nur mehr Wohnungen mit Wohnflächen über 120m2 einer derartigen Besteuerung. T ABELLE 6 A BZUGSFÄHIGKEIT VON K REDITZINSEN VON DER E INKOMMENSTEUER Belgien Pro Steuerzahler dürfen grundsätzlich 1.990 € abgezogen werden; zusätzlich sind in den ersten 10 Steuerperioden weitere 660€ abzugsfähig Deutschland keine Abzugsfähigkeit von Zinsen auf Hypothekarkredite bei Wohneigentum; bei vermieteten Wohnungen dürfen Zinszahlungen von den Mieteinnahmen abgezogen werden Irland Griechenland Abzugsfähigkeit für Zinszahlungen auf Hypothekarkredite für Kauf, Reparatur und Verbesserung der Hauptwohnsitzwohnung. Obergrenzen für Abzüge bei Erstkäufern 16.000 € für ein Paar, ansonsten 6.000 € für ein Paar; Für Erstkäufer gilt die erhöhte Obergrenze nur innerhalb der ersten 7 Steuerjahre; Für alle Hypothekarkreditnehmer gilt ein Steuerkredit von 20% des Kreditbetrages bis zur jeweiligen relevanten Obergrenze Für Hypothekarkredite ab dem 1. Januar 2003 gilt ein Steuerkredit von 20% der jährlichen Zinszahlungen, allerdings nur für einen Hauptwohnsitz pro Steuerzahler; der Steuerkredit kann nicht in Anspruch genommen werden, falls der Steuerzahler oder seine Angehörigen bereits über eine Wohnung mit zumindest 70m2 Wohnfläche verfügen. Die erlaubte Wohnfläche steigt mit der Anzahl der Kinder; bei Wohnflächen an 120m2 reduziert sich der Steuerkredit proportional; der Steuerkredit kann nur für einen Teil des Hypothekarkredits bis zu einer Grenze von 200.000 € in Anspruch genommen werden. Spanien Eigentümer eines Hauptwohnsitzes können in jedem Jahr 15% von 9.105 € an Zins‐ und Rückzahlungen für Kaufkredite von der Nettosteuer abziehen; Vor 2007 betrug die Quote 25% von 4.508 € im ersten Jahr und 20% für die Restlaufzeit der Kredite, falls die Kredithöhe mehr als 50% des Kaufpreises betragen hat. Für weitere 4.508 € galt in jedem Jahr eine Quote von 15%. Frankreich Für Wohnbau‐ und Kaufkredite, die ab dem 22. August 2007 verlängert wurden, gilt eine Steuerkredit auf Zinszahlungen für die ersten 5 Jahre; der Steuerkredit beträgt 20% (im ersten Jahr 40%) der qualifizierten Zinszahlungen; für die qualifizierten Zinszahlungen gilt eine Obergrenze von 7.500 € pro Paar, erhöht um 500 € p.a. pro weiterem Angehörigen; der maximale Steuerkredit pro Jahr beträgt daher pro Paar 1.500 € (20% von 7.500 €), erhöht um 100 € pro weiterem Angehörigen; Italien Für den Hauptwohnsitz gilt generell ein Steuerkredit von maximal 19% von 4.000 €; d.h. 760 € Niederlande Zinszahlungen auf Hypothekarkredite für Hauptwohnsitzwohnungen sind maximal 30 Jahre von Steuer absetzbar; für Wohneigentum kann ein Kredit für Erhaltungs‐ und Verbesserungsmaßnahmen erhöht werden; Zinszahlungen auf diese Erhöhungen sind voll absetzbar; Österreich es gibt keine spezielle Regelung für die Abzugsfähigkeit von Hypothekarkreditzinszahlungen; Annuitäten für Zins‐ und Rückzahlungen für Wohnbau‐ oder Wohnungsrenovierungskredite sind abzugsfähig; Portugal Abzugsfähig sind Zinszahlungen für Kredite für den Kauf, den Bau und den Umbau von Eigenheimen; 30% von maximal 574 € Quelle: ECB (2009) 12 Für Österreich wurden die gesamten fiktiven Mieteinnahmen der Hauptwohnsitz‐ eigentümer pro Jahr auf je nach Ermittlungsverfahren 10,9 Mrd. € bis 24,2 Mrd. € geschätzt (Fessler und Schütz, 2010). Den imputierten Mieten kommt auch in der Definition der verfügbaren Einkommen im Rahmen der EU‐Statistik zu den Einkommens‐ und Lebensbedingungen (EU‐SILC) große Bedeutung zu. Hier wird auch die Differenz aus aktueller (regulierter und subventionierter) Miete und Marktmiete als imputierte Miete gerechnet. Die Idee dahinter ist, dass imputierte Mieten das verfügbare Einkommen erhöhen und für (alternative) Konsum‐ und Sparzwecke zur Verfügung stehen (Törmälehto und Sauli, 2010). 41 Aus allokativer Sicht wird kritisiert, dass Länder, in denen Zinsaufwendungen für die Errichtung von Wohnraum von der Einkommensteuer absetzbar sind, auf die Besteuerung der imputierten Mieten verzichten. Immobilienvermögen sollte zur Vermeidung von Verzerrungseffekten in gleicher Art und Weise besteuert werden wie anderes Vermögen. Idealerweise bedeutet das eine Besteuerung von imputierten Mieten bei gleichzeitiger Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen. Die Grundsteuern kompensieren die Verzerrungen aufgrund der geringen Höhe nur zum Teil. Um Verzerrungen bei Investitionsentscheidungen abzubauen, müssten daher Grundsteuern erhöht werden, was aber in vielen Ländern wegen der kommunalen Zuständigkeiten schwer zu implementieren ist13. Eine alternative zweitbeste Lösung wäre, die Abzugsfähigkeit der Kreditzinsen abzuschaffen falls Steuern auf imputierte Mieten nicht in marktwertadäquater Höhe eingeführt werden (OECD, 2011). Die Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen von der Einkommensteuer wirkt in vielen Ländern zudem relativ stark regressiv. Nach Untersuchungen von Matsaganis und Flevotomou (2007) und Matsaganis (2010) profitieren davon vor allem höhere Einkommensgruppen. In Griechenland, Italien, den Niederlanden, Finnland und Schweden übertreffen die Steuererleichterungen durch Zinsabzug bei weitem die Ausgaben für Wohnbeihilfen. Am stärksten war dies der Fall in den Niederlanden, am wenigsten in Schweden. A BBILDUNG 23 A BZUGSFÄHIGKEIT VON K REDITZINSEN , 2009 – S PANNE ZWISCHEN M ARKTZINSSATZ UND N ACH ‐S TEUER ‐F REMDKAPITAL F INANZIERUNGSKOSTEN 1,80 1,60 Prozentpunkte 1,40 1,20 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 Quellen: OECD (2011); eigene Darstellung Nach Matsaganis (2010) entfallen von 100€ an entfallener Einkommensteuer durch den Zinsenabzug zwischen 33€ (Schweden) und 57€ (Griechenland) auf das oberste Einkommensquintil. In den Niederlanden und Dänemark wird das verfügbare Einkommen im obersten Einkommensquintil durch den Zinsenabzug um 4,3% bzw. 5,4% erhöht. Eine 13 Allerdings zahlen auch Mieter Grundsteuern, entweder direkt über die Betriebskosten oder indirekt aufgrund von Überwälzungseffekten. Grundsteuern kompensieren daher die Verzerrungen zwischen den Rechtsformen aufgrund einer fehlenden Besteuerung von imputierten Mieten nur unvollständig. 42 Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Kreditzinsen würde in allen Ländern die Progression im Einkommensteuersystem erhöhen. Am stärksten in Griechenland, Dänemark und den Niederlanden. Die OECD kritisiert mit Recht, dass die steuerliche Bevorzugung von Wohnungsinvestitionen Produktivität und Wachstum (langfristig) einschränken können (OECD, 2009). Aus der Sicht der Stabilität der Wohnungsmärkte wird kritisiert, dass die steuerliche Wohneigentumsförderung spekulatives Verhalten fördern kann, in dem die Finanzierungskosten quasi künstlich nieder gehalten werden. Die Kombination aus Steueranreizen und Deregulierung der Hypothekarmärkte kann die Volatilität der Wohnimmobilienpreise erhöhen, insbesondere wenn zugleich Schwächen auf der Angebotsseite auftreten. Nach den Schätzungen von Andrews (2010) würde eine Reduktion des steuerlichen Förderungseffekts vom Niveau Finnlands auf das Niveau von Frankreich Wohnungspreisanstiege ceteris paribus um 50% reduzieren. Im Übrigen führt eine großzügige steuerliche Abzugsfähigkeit nicht automatisch zu höheren Eigentumsquoten. Aufgrund der regressiven Verteilungseffekte profitieren gerade junge Haushalte (als Erstkäufer) relativ wenig davon (Andrews und Sanchez, 2011). SUBVENTIONEN Die Subventionen des Staates für den Wohnungssektor umfassen direkte objektbezogene Wohnbauförderungen, direkte Subjektförderungen (v.a. Wohnbeihilfen) und indirekte steuerliche Förderungen des Wohnkonsums. Eurostat weist im Rahmen der COFOG99‐ Klassifikation die Ausgaben des Staates für Wohnungswesen und kommunale Einrichtungen und für das Wohnungswesen im eigentlichen Sinne aus. Letztere Daten sind allerdings für die hier untersuchten Länder weitgehend unvollständig. Die Ausgaben des Staates für Wohnbeihilfen werden unter dem Titel „Soziale Sicherung“ ausgewiesen, sind aber auch, wie beispielsweise im Fall Österreich, unter der COFOG99 „Wohnungswesen und kommunale Einrichtungen“ enthalten. Diese Klasse enthält allerdings nicht Darlehen und rückzahlbare Annuitätenzuschüsse. Das sind Instrumente, die besonders in Österreich eine wichtige Rolle in der Wohnbauförderung spielen14. Die Vergleichskraft dieser Zahlen ist daher sehr eingeschränkt. Die Tabelle 7 zeigt die Ausgaben des Staates für Wohnungswesen und kommunale Einrichtungen in % des BIP. Angesichts der unsicheren Datengrundlagen kann man nur eine halbwegs gesicherte Feststellung treffen: Die Ausgaben in diesem Bereich dürften in den meisten Ländern in den letzten 15 Jahren weitgehend stabil geblieben sein. 14 Bei den Darlehen und rückzahlbaren Annuitätenzuschüssen handelt es sich im Sinne der VGR um finanzielle Transaktionen, die nicht zu den Staatsausgaben gezählt werden. Da der Staat die Darlehen weit unter Marktzinsen anbietet, müsste der Förderungswert der Darlehen im Grunde auch als Staatsausgabe gewertet werden. Aufgrund der Unzahl von unterschiedlichen Fördermodellen ist ein Vergleich der Förderungswerte aber schon für Österreich allein sehr aufwendig (vgl. Oberhuber et al. 2005), umso mehr trifft dies für einen internationalen Vergleich zu. Im Rahmen dieser Studie konnte dies nicht geleistet werden. Wenn wir vom derzeitigen Bestand an Wohnbauförderungsdarlehen in Österreich in Höhe von rund 15 Mrd. € ausgehen, dazu einen Refinanzierungszins des Staates von 4% p.a. und einen geförderten Zins von 1% p.a., eine Laufzeit von 30 Jahren und konstante Annuitätenzahlungen des Staates und der Empfänger der Wohnbauförderung unterstellen, ergäbe sich ein jährlicher Förderwert von rund 280 Millionen Euro. Um etwa diesen Betrag, der ca. 0,1% des BIP entspricht, müssten in Österreich die Staatsausgaben für das Wohnungswesen höher ausgewiesen werden. 43 Ausnahmen stellen Schweden, Großbritannien, Frankreich und Irland dar. In letzteren drei Ländern sind die Ausgaben in % des BIP zum Teil beträchtlich gestiegen, in Schweden haben sie beträchtlich abgenommen. T ABELLE 7 A USGABEN DES S TAATES FÜR W OHNUNGSWESEN UND K OMMUNALE E INRICHTUNGEN ( NACH COFOG99) IN % DES BIP 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 BE 0,3 0,4 0,4 0,4 0,3 0,3 0,3 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,3 DÄ 0,7 0,7 0,7 0,8 0,7 0,7 0,7 0,6 0,6 0,5 0,6 0,5 0,6 DE 0,8 0,9 1,0 1,0 1,0 1,1 1,1 1,1 1,0 0,9 0,8 0,7 0,7 IR 1,3 1,3 1,3 1,4 1,7 1,7 1,5 1,4 1,5 1,7 2,2 2,0 2,1 GR 0,3 0,4 0,5 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,3 0,3 0,3 0,3 0,4 ES 1,0 1,1 1,1 1,2 1,0 1,1 1,1 0,8 0,9 0,8 0,9 1,1 1,2 FR 1,6 1,5 1,5 1,7 1,7 1,8 1,8 1,8 1,8 1,9 1,9 1,9 2,1 IT 0,9 1,0 0,9 0,9 0,8 0,1 0,7 0,7 0,7 0,7 0,7 0,7 0,8 NL 0,9 1,2 1,0 1,0 1,0 1,1 1,1 1,1 1,1 1,0 1,0 1,0 1,1 AT 0,9 0,9 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 0,7 PT 1,0 0,9 1,0 1,0 1,0 0,9 0,7 0,7 0,6 0,7 0,7 0,7 0,6 FI 0,6 0,5 0,4 0,4 0,4 0,4 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,4 0,5 SW 2,0 1,7 1,3 0,9 1,0 0,9 0,9 0,8 0,8 0,7 0,7 0,8 0,8 GB 0,9 0,8 0,7 0,8 0,7 0,8 1,0 1,0 1,1 1,1 1,1 1,2 1,5 MW 1997/2009 0,4 0,6 0,9 1,6 0,4 1,0 1,8 0,7 1,0 0,7 0,8 0,4 1,0 1,0 Quelle: Eurostat; eigene Darstellung TRANSAKTIONSKOSTEN Die Transaktionskosten am Wohnungsmarkt umfassen zum einen die Kosten einer Wohnungstransaktion, zum anderen die Kosten eines für den Erwerb aufgenommenen Kredites. Der Großteil der Kosten einer Wohnungstransaktion entfällt normalerweise auf den Käufer. In einigen Ländern tragen aber auch Verkäufer einen Teil dieser Kosten15. Nach Berechnungen der OECD waren die Transaktionskosten im Jahr 2009 am höchsten in Belgien, Frankreich und Griechenland, am geringsten in Großbritannien und Dänemark. Österreich nimmt eine mittlere Stellung ein. Die EMF (European Mortgage Federation) hat jüngst die Kosten einer typischen Eigentumswohnungstransaktion in einer Reihe von EU‐Ländern untersucht (European Mortgage Federation, 2010b). Der (ungewichtete) durchschnittliche Hauspreis in den 14 untersuchten EU‐Ländern lag bei ca. 181.000 €, wovon ca. 137.000 € mit Hypothekarkredit finanziert wurden. Die durchschnittliche Laufzeit des Kredites und die durchschnittliche Belehnungsquote betrugen 28 Jahre bzw. 76,4%. Die durchschnittlichen Transaktionskosten (von Kauf und Finanzierung) betrugen im Jahr 2008 5,3% vom Wohnungspreis. Gegenüber einer früheren Studie aus dem Jahr 2006 sind die Transaktionskosten in Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Schweden und Großbritannien zurückgegangen, nur in Deutschland von 4,5% auf 4,6% und in Spanien von 10,4% auf 11,4% angestiegen. Der Rückgang war in Belgien am stärksten, von 17,1% auf 13,4%. 15 Die Inzidenz, d.h. die Aufteilung der Transaktionskosten zwischen Käufer und Verkäufer, hängt letztlich von der Marktlage und von der Stärke von Überwälzungsprozessen ab. Ist das Angebot im Vergleich zur Nachfrage groß, dann ist es für die Verkäufer schwerer, Transaktionskosten über höhere Preise an die Käufer weiterzuwelzen. Umgekehrt verhält es sich bei starker Nachfrage und schwachem Angebot. 44 A BBILDUNG 24 T RANSAKTIONSKOSTEN DES W OHNUNGSKAUFS (2009) Verkäufer gesamt Käufer gesamt % des Wohnungswertes 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Quelle: OECD (2011); eigene Darstellung Die Transaktionskosten des Kaufes sind bedeutender als diejenigen der Finanzierung. Von den durchschnittlich 5,3% Gesamttransaktionskosten (inkl. den Kosten der Finanzierung) entfielen im Jahr 2008 4,2% auf die Kauftransaktionskosten. Der größte Anteil davon entfällt auf die Transaktionssteuern. Diese sind in Belgien gegenüber 2006 von 12,4% auf 9,5%, in Italien von 4,0% auf 3,3% und in Großbritannien von 1,0% auf 0,0% des Kaufwertes zurückgegangen. In den anderen Ländern haben sich die Steuersätze nicht verändert. A BBILDUNG 25 T RANSAKTIONSKOSTEN DES W OHNUNGSKAUFS (O HNE M AKLERGEBÜHREN UND A NDERE OPTIONALE K OSTEN ) – 2008 Quelle: European Mortgage Federation (2010b); eigene Darstellung 45 Maklergebühren und andere vom Kaufwert abhängige optionale Transaktionskosten existieren in Dänemark und Portugal nicht. In Belgien liegen sie typischer Weise in einer Spanne von 4,0% bis 5,0%, in Deutschland zwischen 3,0% und 7,0%, in Frankreich in einer Höhe bis 4,5%, in Italien bei rund 3,0% und in Schweden bei etwa 2,0%. In Irland erreichen sie maximal 1,5%, in Großbritannien 1,0% und in Spanien maximal 0,1%. Die Transaktionskosten der Finanzierung machen nur rund 1,1% vom Wohnungspreis aus. Steuern, die in Zusammenhang mit der Kreditaufnahme stehen, gibt es in Dänemark, Italien, Portugal, Spanien und Schweden, nicht jedoch in Irland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Die Höhe der Transaktionskosten auf Wohnungsmärkten beeinflusst spekulatives Verhalten. Andrews et al. (2011) kommen zu dem Ergebnis, dass die Volatilität der Häuserpreise in Ländern mit höheren Transaktionskosten zwar geringer ist, der Effekt aber klein ist im Vergleich zu den Wirkungen einer strengeren Bankenaufsicht. Auch der negative Effekt hoher Transaktionskosten auf die Mobilität der Haushalte ist nach den Ergebnissen von Andrews und Sanchez (2011) eher gering. B O D E N M A R K T R E G U L I E R U N G UN D R A U M P L A N U N G Viele Studien verweisen darauf, dass Angebotsschwächen am Wohnungsmarkt ganz entscheidend mit Regulierungen, insbesondere solchen am Bodenmarkt zusammenhängen (Barker, 2004 und 2006, Kuenzel und Bjornbak, 2008, Andrews et al. 2011, Schwedische Reichsbank 2011 usw.). Die Barker Reviews von 2004 und 2006 beispielsweise kritisieren das britische Planungssystem als komplex, unkalkulierbar und langsam. Wenig produktive landwirtschaftliche Flächen in den sogenannten „Green Belts“ der Städte unterliegen einem nach ihrer Ansicht übertriebenen Entwicklungsverbot. Darüber hinaus fehlen oft die Mittel zur Errichtung wichtiger wohnungsbezogener Infrastruktur und die Gemeinden bzw. die lokalen Planungsbehörden haben schwache Anreize, Bauland in ausreichender Menge und Qualität bereitzustellen. Im Jahr 2002, also Mitten im britischen Hauspreisboom, wurden 25% der eingereichten Wohnbauprojekte abgelehnt. In den Jahren 1996 bis 1999 waren es noch durchschnittlich 15%. Die Beschränkungen durch das Planungssystem dürften also zugenommen haben (Kuenzel und Bjornbak, 2008). Kritisiert werden außerdem der zunehmende Grünlandschutz in den Niederlanden (Vermeulen und Rouwendal, 2007; siehe den Länderbericht zu den Niederlanden), lange Bauphasen in Spanien und eine langsame Reaktion des Angebots in Frankreich (siehe die entsprechenden Länderberichte). Auch in Österreich erkaufen einzelne größere Städte einen intensiveren Grünlandschutz mit stark steigenden Bodenpreisen und entsprechend schwächerer Wohnbauleistung (siehe dazu den Länderbericht zu Österreich). Oft ist der Grünlandschutz nur ein vorgeschobenes Argument. Ein NIMBY (“Not in my backyard”)‐ Verhalten der eingesessenen Bewohner (Insider) bzw. der starke Einfluss der Insider auf die kommunale Politik erzeugt hier oft externe Kosten für Neuzuziehende, zumeist junge Familien (Outsider). Andrews et al (2011) zeigen wenig überraschend, dass die Preiselastizität des Angebots im Wohnbau tendenziell in jenen Ländern am niedrigsten ist, wo Bauphasen bzw. 46 Baubewilligungen besonders lange Zeit in Anspruch nehmen. Unter den hier betrachteten Ländern finden sich in dieser Gruppe Italien, Spanien, die Niederlande, Großbritannien, Belgien und Österreich. Auch für die USA zeigt sich eine hohe negative Korrelation zwischen Angebotselastizität und einem Bodenregulierungsindex. Es besteht daher unzweifelhaft und auch erwartbar ein Zusammenhang, das Ausmaß der Wirkungen der Bodenregulierung auf das Wohnungsangebot ist allerdings unklar (Gyourko, 2009). D IE V ERÄNDERUNGDER B ESTANDSVERHÄLTNISSE Die Zusammensetzung des Wohnungsbestandes nach Rechtsformen hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Dazu zählen Präferenzen, Altersstruktur der Bevölkerung, Einkommenssituation, Finanzierungsbedingungen, Wohnungs‐ und Bodenpolitiken, Steuersystem, rechtliche Rahmenbedingungen (z.B. Mietenregulierung), Urbanisierungsgrad, usw. Die Bestandsverhältnisse sind aber nicht nur Ergebnis von Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten, sie haben ihrerseits wiederum Einfluss auf diese Entwicklungen. Das Verhältnis von Eigentum zu Miete wirkt sich aus auf die Finanzsituation der Haushalte, auf die Erwartungshaltungen und auf die Mobilität auf dem Wohnungsmarkt. Viele Länder haben ihre Wohnungspolitiken in den letzten Jahrzehnten mit dem Ziel umgestellt, die Eigentumsquoten zu erhöhen. Ein Ziel, das sowohl aus wohnungspolitischer als auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kontrovers diskutiert wird. E N T W I C K L U N G D E R E IG E N T U M S QU O T E N Seit 1980 ist die durchschnittliche Eigentumsquote in den EU‐14 um 7 Prozentpunkte (PP) angestiegen (von 57% auf 64%). Für Portugal liegen keine aktuelleren Zahlen vor, aber der Anstieg bis 2001 lag bei 24 PP. Besonders starke Anstiege seit 1980 verzeichneten auch die Niederlande (+16 PP), Großbritannien (+11 PP), Frankreich und Italien (jeweils +10 PP). In Irland, Schweden und Dänemark ist die Eigentumsquote seit 1980 zurückgegangen. A BBILDUNG 26 V ERÄNDERUNG DER E IGENTUMSQUOTEN IN %‐P UNKTEN 1980-zuletzt 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% -5% -10% -15% Quelle: Housing Statistics (2010); eigene Berechnungen 1990-zuletzt 47 Der Trend zu höheren Eigentumsquoten weist allerdings keinen durchgehend gleichmäßigen Verlauf auf. In Italien, Frankreich und Belgien ist die Eigentumsquote vor allem in den 1980er Jahren stark angestiegen, seit 1990 war der Anstieg nur mehr gering. In den Niederlanden und in Spanien dagegen konzentrierte sich der Anstieg stärker auf die letzten 20 Jahre. Finnland, Irland und Dänemark hatten seit 1990 relativ starke Rückgänge. Im Jahr 2009 waren die Eigentumsquoten vor allem in den südlichen Ländern aber auch in Irland sehr hoch. Die geringsten Quoten wiesen Deutschland und Dänemark auf. T ABELLE 8 E NTWICKLUNG DER E IGENTUMSQUOTEN IN %‐ PUNKTEN Österreich 52 55 52 56 Irland 76 79 77 75 Eigentumsquote 1980 Eigentumsquote 1990 Eigentumsquote 2000 Eigentumsquote 2009 Eigentumsquote 1980 Eigentumsquote 1990 Eigentumsquote 2000 Eigentumsquote 2009 Belgien 59 67 68 68 Italien 59 68 71 69 Dänemark 55 54 52 46 Niederlande 42 45 53 58 Finnland 63 72 64 66 Portugal 52 67 75 Frankreich 47 54 55 57 Spanien 73 78 84 85 Deutschland 39 42 44 46 Schweden 58 56 53 56 Griechenland 70 76 76 74 Großbritannien 58 65 69 69 Quelle: Housing Statistics (2010); eigene Darstellung A BBILDUNG 27 E IGENTUMSQUOTEN 1980 UND 2009 2009 1980 90% 85% 76% 80% 75% 74% 69% 70% 69% 68% 66% 58% 60% 57% 56% 56% 46% 50% 46% 40% 30% 20% 10% 0% Anm: Portugal zuletzt 2001; Schweden inkl. Cooperatives; Deutschland früheres Bundesgebiet Quelle: Housing Statistics (2010) Wie lassen sich die unterschiedlichen Entwicklungen bei den Eigentumsquoten erklären? Andrews und Sanchez (2011) haben den Zeitraum 1995 bis 2005 für einige OECD‐Länder untersucht, unter anderem für Österreich, Dänemark, Finnland, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien. Sie kommen zu folgenden Ergebnissen: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt im Wohnungseigentum lebt, steigt mit dem Alter, mit dem Einkommen und mit dem Bildungsniveau. Sie ist höher bei Paaren als bei Single‐Haushalten und unterdurchschnittlich bei Migrationshaushalten und Haushalten mit Personen, die an Gesundheitsproblemen leiden. Demographische und sozio‐ökonomische Entwicklungen (Altersstruktur, Haushaltsgröße und ‐struktur, reales Haushaltseinkommen, Bildungsstrand und 48 Migrationsstatus) erklären den Anstieg der Eigentümerquote besonders gut in Österreich und Großbritannien (zu rund 75%). Der Beitrag der zunehmenden Alterung allein lag im Durchschnitt der untersuchten OECD‐Länder bei ¾ bis 1 Prozentpunkt, in Deutschland und Dänemark war er stärker. Der Beitrag der gestiegenen Realeinkommen war besonders stark in Dänemark, Finnland, Spanien und Großbritannien, in Deutschland und anderen europäischen Ländern war er dagegen vernachlässigbar. Veränderungen bei der Haushaltsstruktur und ‐größe und ein Anstieg der Immigrantenzahlen hatten leicht dämpfende Effekte auf die Eigentumsquote. In den meisten untersuchten Ländern konnte ein großer Teil des Anstiegs der Eigentümerquoten allein durch demographische und sozio‐ökonomische Entwicklungen nicht erklärt werden. Andrews und Sanchez (2011) führen den nicht erklärten Anteil auf Veränderungen der Finanzierungsbedingungen und auf Änderungen in den Wohnungspolitiken zurück: Kreditmarktinnovationen, insbesondere aber höhere Belehnungsquoten und damit verbundene geringere Eigenkapitalerfordernisse haben es auch weniger finanzkräftigen Haushalten erlaubt, Wohnungseigentum zu erwerben. Die Wirkung dieses Faktors war vergleichbar mit dem Effekt der steigenden Alterung. Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinszahlungen dagegen wirkt regressiv und führt über einen Kapitalisierungseffekt (Anstieg der Häuserpreise) zu einem preisbedingten Crowding Out finanzschwacher Haushalte. Die Mietenregulierung hat kurz‐ bis mittelfristig andere Effekte als langfristig. Kurz‐ bis mittelfristig ist der Effekt ein negativer, weil Mietzinskontrollen zunächst einmal das Mieten relativ attraktiver machen. Längerfristig ist damit zu rechnen, dass eine zu starke Mietenregulierung das Angebot an Mietwohnungen reduziert, dadurch die Nachfrage nach Eigentum erhöht, in dessen Folge die Häuserpreise steigen, was wiederum zu Crowding Out finanzschwacher Haushalte führen kann. Die Ergebnisse von Andrews und Sanchez werden zum Teil durch andere Studien bestätigt. Auch Scanlon und Whitehead (2004) kamen zu dem Schluss, dass das Alter, in dem Wohnungseigentum erworben oder begründet wird, angestiegen ist, weil entweder jüngere Haushalte ein Leistbarkeitsproblem haben (war vor allem in Großbritannien ein Problem darstellt) oder der Mietensektor so attraktiv ist, dass Eigentum nicht konkurrenzfähig ist. In manchen Ländern ist die Unterstützung junger Haushalte bei der Eigentumsbegründung durch Familie und Angehörige gestiegen (vor allem in den Niederlanden und in Dänemark). Auch Scanlon und Whitehead sehen eine Ursache für gestiegene Eigentumsquoten darin begründet, dass die Kosten des Wohnungseigentums infolge der stark reduzierten Nominalzinsen deutlich gesunken sind. Bei rückläufigen Nominalzinsen und gleichbleibenden Kreditlaufzeiten sinken die Rückzahlungsraten und Eigentum wird gegenüber der Miete unter sonst gleichen Bedingungen attraktiver. Ein weiterer Faktor ist, dass die öffentlichen Subventionen für den Wohnbau in einigen Ländern zurückgenommen wurden, was generell dort zu einem gestiegenen Mietenniveau beigetragen haben dürfte. Springler und Wagner haben untersucht, wie sich die Struktur der Immobilienfinanzierungssysteme auf die Höhe der Eigentumsquoten in den USA und 49 einigen europäischen Ländern im Zeitraum 1996 bis 2006 ausgewirkt haben. Sie argumentieren, dass das institutionelle Umfeld, insbesondere die Steuervorschriften (Steuerfreibeträge für Hauseigentümer und die steuerliche Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinszahlungen) eine bedeutende Rolle gespielt habe (Wagner, 2008). DIEPROBLEMATIKSTEIGENDEREIGENTUMSQUOTEN Die Steigerungen der Wohnungseigentumsquoten in den letzten Jahrzehnten nimmt in der aktuellen Diskussion um die Stabilität der Wohnungsmärkte und deren Bedeutung für die Gesamtwirtschaft eine wichtige Rolle ein. Die OECD sieht in steigenden Eigentumsanteilen eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung, weil die Mobilität im Wohneigentum geringer ist als im Durchschnitt des Wohnungsbestandes. Es wird davon ausgegangen, dass eine hohe Mobilität der Arbeitskräfte generell die Allokation am Arbeitsmarkt verbessert und damit zum Abbau von Arbeitslosigkeit und zu erhöhtem Wirtschaftswachstum beiträgt. Berechnungen der OECD zufolge weisen Wohnungseigentümer ohne Hypothekarschulden im Durchschnitt eine um 13% geringere Mobilität als Mieter auf. Bei Wohnungseigentümern mit Hypothekarschulden liegt die Mobilität um durchschnittlich 9% unter jener von Mietern. Als Erklärung für die vergleichsweise höhere Mobilität der Eigentümer mit gegenüber solchen ohne Hypothekenschulden wird angeführt, dass die Eigentümer mit Schulden aufgrund der Rückzahlungsverpflichtungen stärkere Anreize haben dürften, ihre Arbeit zu behalten oder nach Jobverlusten rascher einen neuen Job zu suchen bzw. anzunehmen (OECD, 2011). Hohe Eigentumsquoten müssen volkswirtschaftlich betrachtet nicht nur Nachteile haben. So verweisen Haurin und Gill (2002) darauf, dass in ihrer Untersuchung Kinder aus Eigentümerhaushalten im Durchschnitt bessere Lernerfolge in der Schule aufweisen. Und Di Pasquale und Glaeser (1999) argumentieren, dass Wohnungseigentümer im Durchschnitt politisch besser informiert und aktiver sind. Beide Ergebnisse hätten, sofern sie auch empirisch belegbar sind, wachstumspolitische Implikationen. Humankapital und demokratische Entwicklung sind zwei wichtige Faktoren in jüngeren Modellen des Wirtschaftswachstums. Aus der Sicht der OECD (2011) ist jedoch die empirische Evidenz für beide Pro‐Eigentum‐Argumente bisher eher schwach, weshalb diese beim gegenwärtigen Stand der Forschung auch nicht überbewertet werden sollten. Einschränkend sollte hier noch erwähnt werden, dass ein internationaler Vergleich von Eigentumsquoten aufgrund unterschiedlicher Eigentumsformen und Eigenschaften von Eigentümern in den einzelnen Ländern nicht ganz unproblematisch ist. In den nordischen Staaten existiert ein spezifischer Typ von Eigentumswohnungen in Genossenschaftsform. Jeder Bewohner kann seinen Anteil am genossenschaftlichen Eigentum auf dem freien Wohnungsmarkt veräußern. Diese Rechtsform betrifft in Schweden 18% des Bestandes und gewinnt auch in Dänemark und Finnland zunehmend an Bedeutung (Ball, 2006). In Deutschland und Österreich sind Wohnungseigentümer generell älter als im Durchschnitt Europas und weisen daher auch eine geringere Mobilität auf als in Ländern mit höheren Eigentumsanteilen, wo in der Regel auch das Transaktionsvolumen im Eigentumssektor höher ist. Eigentumswohnungen in Österreich und Deutschland werden oft maßgeschneidert nach Absprache mit den zukünftigen Eigentümern errichtet, was ebenfalls zu geringerer Mobilität beitragen dürfte. Ganz anders als in Großbritannien, Irland und Spanien, wo Eigentumswohnungen ein Massenprodukt der privaten Bauindustrie darstellen (Ball, 2006). 50 In den südeuropäischen Staaten wird Wohnungseigentum hauptsächlich über Familientransfers finanziert. Die Wohnqualität ist dabei geringer als im europäischen Durchschnitt bei gleichzeitig größeren Haushalten. Die Kinder bleiben länger im Haushalt als beispielsweise in den nordischen Staaten. Zum Teil geht die Ausweitung der Eigentumsquote dort auf die Umwandlung bestehender Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, vor allem in den Innenstädten, zurück. In Italien und Portugal ist auf diese Art der Mietanteil in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch gesunken. E N T W I C K L U N G E N I M M I E T E N S E KT O R Trotz gestiegener Eigentumsquoten stellt der Mietensektor in einigen Ländern noch immer einen wichtigen Teil der Wohnungsmärkte dar. Hohe Bedeutung hat der Sektor in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Frankreich, Dänemark und Schweden. Die Attraktivität der Miete im Vergleich zum Wohnungseigentum hängt, abgesehen von demographischen und sozio‐ökonomischen Merkmalen, vor allem ab von: der Bedeutung direkter und indirekter öffentlicher Förderung des Mietwohnungsbaus (direkte Wohnbauförderung, Wohnbeihilfe, steuerliche Förderungen usw.), der Regulierung des Mietensektors, dem Ausmaß der Bereitstellung öffentlicher Mietwohnungen und der Struktur und Regulierung des Finanzmarktes, insbesondere des Kreditmarktes (ECB, 2003). Der Rückgang des Mietanteils am Bestand der bewohnten Wohnungen war besonders ausgeprägt in den Niederlanden, in Italien, in Belgien, in Großbritannien und in Spanien. T ABELLE 9 E NTWICKLUNG DES M IETENSEKTORS ‐ A NTEILE IN P ROZENT DES BEWOHNTEN W OHNUNGSBESTANDES (O CCUPIED DWELLING STOCK ) Österreich (1) 43 40 17 24 Irland MW gesamt 1980 24 MW gesamt 2008 21 Geförderte/öffentliche MW 1980 13 Geförderte/öffentliche MW 2008 7 MW gesamt 1980 MW gesamt 2008 Geförderte/öffentliche MW 1980 Geförderte/öffentliche MW 2008 Belgien 39 31 7 7 Italien 36 19 5 4 Dänemark 43 39 15 20 Niederlande 58 42 34 32 Finnland 30 31 12 16 Portugal 39 13 Frankreich 41 39 15 17 Spanien 21 13 k.A. Deutschland 61 54 k.A. 5 Schweden 42 44 20 20 Griechenland 27 0 Großbritannien 42 31 31 18 Anm: (1) nur Hauptwohnsitze Quelle: Housing Statistics (2010); eigene Berechnungen In Großbritannien war die Verdrängung des Mietensektors ausschließlich durch den Rückgang bei den Sozialwohnungen verursacht. Deren Anteil an den bewohnten Wohnungen ist von 31% im Jahr 1980 auf zuletzt 18% gesunken. Dieser Rückgang konnte durch den leichten Anstieg beim Anteil der sonstigen Mietwohnungen16 nicht kompensiert 16 “Sonstige Mietwohnungen“ sind Wohnungen, die mit betriebswirtschaftlichem Kalkül vermietet werden und sich zumeist im Eigentum von Privatpersonen oder Marktunternehmen befinden. Würde sich das Eigentum an solchen Wohnungen auf diese Akteure beschränken, so wäre auch die üblichere Bezeichnung „Private Mietwohnungen“ gerechtfertigt. In das Segment der „Sonstigen Mietwohnungen“ fallen aber auch Wohnungen im Eigentum von staatlichen Organisationen, die ohne gemeinnützigen Auftrag, d.h. möglicherweise, aber nicht unbedingt ausschließlich betriebs‐ bzw. privatwirtschaftlich agieren. Zu letzteren zählen etwa 51 werden. Einen nennenswerten Rückgang beim Anteil der Sozialwohnungen gab es auch in Irland und in den Niederlanden. In den meisten anderen Ländern ist der Anteil der Sozialwohnungen sogar angestiegen. Signifikant war der Anstieg des Anteils geförderter/öffentlicher Wohnungen in Österreich, Dänemark und Finnland. A BBILDUNG 28 A NTEILE S OZIALER M IETWOHNUNGEN AN DEN BEWOHNTEN W OHNUNGEN (O CCUPIED DWELLING STOCK ) ‐ 2009 35% 32% 30% 24% 25% 20% 20% 20% 18% 17% 16% 15% 10% 7% 7% 5% 5% 4% 4% 3% 0% 0% Anm: Portugal und Griechenland 2000; Spanien 1990; Deutschland früheres Bundesgebiet Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnungen A BBILDUNG 29 V ERÄNDERUNGEN DER A NTEILE S OZIALER M IETWOHNUNGEN AN DEN BEWOHNTEN W OHNUNGEN (O CCUPIED DWELLING STOCK ) ‐ IN %‐P UNKTEN 1980-zuletzt 1990-zuletzt 10% 5% 0% -5% -10% -15% Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnungen kommunale Wohnungsunternehmen in Deutschland. Die Bezeichnung „Private Mietwohnungen“ wäre für dieses Segment daher nicht in jedem Fall adäquat, wenn auch in den meisten Ländern vor allem private Akteure dieses Segment prägen. 52 DIEROLLEDESSONSTIGEN(PRIVATEN)MIETENSEKTORS Eine wohnungspolitische Maßnahme, die in Österreich besonders stark kritisiert wurde, war die Privatisierung der gemeinnützigen Bundeswohnungen (BUWOG). Österreich ist hier aber kein Sonderfall. In Deutschland standen Ende der 1990er Jahre rund 4 Millionen Wohnungen im öffentlichen Eigentum. Viele dieser Wohnungen, vor allem Wohnungen in den Städten, wurden an inländische und ausländische private Investoren verkauft. Auch in Italien gab es Privatisierungen. In Großbritannien gab es massive Privatisierungen und Wechsel der Eigentümer im Sozialwohnungsbestand. Der Anteil der sozialen Mietwohnungen ist zwischen 1980 und 2008 von 31% auf 18% gesunken. Die Sozialwohnungen waren 1980 noch Großteils im Eigentum der Gemeinden, werden heute aber vorwiegend von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen besessen und verwaltet. Die gestiegenen Eigentumsquoten haben sich in den meisten Ländern in erster Linie negativ auf den Anteil der Sonstigen Mietwohnungen ausgewirkt, weniger auf den Sozialwohnungsbereich. Der Prozentanteil der Sonstigen Mietwohnungen am gesamten Wohnungsbestand ist vor allem in Italien und in den Niederlanden drastisch zurückgegangen. Auch in Österreich, Dänemark und Belgien hat der Sektor seit 1980 fast 10%‐Punkte verloren. Seit 1990 waren die Rückgänge in den Niederlanden und in Dänemark am stärksten17. A BBILDUNG 30 V ERÄNDERUNGEN DER A NTEILE S ONSTIGER M IETWOHNUNGEN AN DEN G ESAMTBESTAND ‐ IN %‐P UNKTEN 1980-zuletzt 1990-zuletzt 5% 0% -5% -10% -15% -20% Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnungen 17 Die hier präsentierten Ergebnisse zu den „Sonstigen Mietwohnungen“ dürften der Tendenz nach, nicht aber der absoluten Höhe nach, richtig sein. Der Grund liegt darin, dass für die Berechnungen der Zahlen in den Abbildungen 29 und 30 nur Daten für unterschiedliche Teilbestände vorgelegen sind. In einigen Ländern dürfte der Anteil der sozialen Mietwohnungen über‐ und der Anteil der Sonstigen Mietwohnungen daher unterschätzt sein. Da dies aber für alle hier dargestellten Zeitpunkte gilt, dürften die Veränderungen zwischen den Zeitpunkten annähernd richtige Größenordnungen widergeben. 53 Der Sonstige Mietensektor stellt heute, mit der Ausnahme von Deutschland, durchwegs weniger als ein Viertel des Gesamtwohnungsbestandes dar. In den meisten Ländern ist es sogar weniger als 20%. In den skandinavischen Ländern Finnland, Dänemark und Schweden nehmen die Sonstigen Mietwohnungen Marktanteile von 15% bis 25% ein. Österreich liegt mit 16% im Mittelfeld. Hohe Anteile haben Belgien (24%) und Frankreich (22%). Massive Einbrüche hat dieser Sektor in Österreich, Italien und den Niederlanden erfahren. A BBILDUNG 31 A NTEILE S ONSTIGER M IETWOHNUNGEN AN DEN G ESAMTBESTÄNDEN ‐ 2009 60% 50% 49% 40% 30% 24% 20% 24% 22% 20% 19% 17% 16% 15% 15% 14% 13% 12% 11% 10% 0% Anm: Portugal 2000; Spanien 1990; Deutschland früheres Bundesgebiet Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnungen Der Fall Deutschland: Der hohe Anteil der Sonstigen Mietwohnungen in Deutschland geht darauf zurück, dass die deutschen Haushalte einen Großteil ihres Wohneigentums vermieten. Nach einer Umfrage sind zwar rund 75% aller Wohnungen im Eigentum der Privathaushalte, nur 46% leben aber in eigenen Wohnungen (ECB, 2009)18. Mehr als 30% aller Wohnungen in Deutschland werden daher von Privatpersonen vermietet und nur 18% von Privatunternehmen und gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften (cooperatives). Es gibt mehrere Gründe für die besondere Wohnungsstruktur in Deutschland. Diese sind in der Nachkriegssituation, in der Mietenregulierung, in den steuerlichen Anreizen, in den Transaktionskosten bei Eigentumserwerb und in der Alterssicherung zu suchen (ECB, 2009). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der in großen Teilen zerstörte Wohnungsbestand vor allem in Form von Sozialwohnungen wieder aufgebaut. Bis Mitte der 1970er Jahre war der Anteil des Geschossbaus daher sehr hoch. Ein Großteil der städtischen Bevölkerung lebte daher in Miete, in der Regel in Wohnungen mit hoher Qualität. Der Anreiz, Wohnungseigentum zu schaffen war daher für diese Bevölkerungsgruppen nicht sehr Deutschland als Sonderfall zu bezeichnen, wäre allerdings insofern nicht ganz richtig, als 18 sich auch in Österreich und in anderen Ländern der EU ein großer Teil des Wohnimmobilienvermögens im Eigentum privater Haushalte befindet, viele davon sind private Mietzinshäuser. Überblicke zu den Haus‐ und Grundbesitzverhältnissen deutscher privater Haushalte im Jahr 2008 geben Destatis (2009) und Kott und Behrends (2009). 54 groß. Darüber hinaus war in Deutschland die Mietenregulierung immer ziemlich schwach, was sich positiv auf das Angebot an Mietwohnungen ausgewirkt haben dürfte. Damit ließe sich auch der hohe Anteil an privaten Vermietern erklären, insbesondere wenn man bedenkt, mit welch hohen Transaktions‐ und Kontrollkosten die Vermietung verbunden ist. Ein dritter Grund ist in der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Wohnungsmarktsegmente zu suchen. Seit 1987 wird selbstgenutztes Wohnungseigentum nicht mehr steuerlich gefördert, dagegen sind Finanzierungskosten für vermietetes Eigentum steuerlich absetzbar. Ein vierter Grund sind die im europäischen Vergleich hohen Transaktionskosten bei Kauf von Wohnungseigentum. Das hindert die Mobilität der Haushalte mit selbstgenutztem Eigentum im Vergleich zu Mieterhaushalten stärker als anderswo. Ein letzter Grund könnte sein, dass in der Vergangenheit viele Selbständige vermietetes Eigentum als Surrogat für Unterdeckungen in der Pensionsvorsorge gesehen haben. Zumal das Einkommen aus Vermietung wegen der Mietenindizierung in Deutschland inflationsgesichert ist. 55 DEREGULIERUNGUNDLIBERALISIERUNGIMSONSTIGEN MIETWOHNUNGSSEKTOR Der relativ starke Rückgang im Sonstigen (vor allem privaten) Mietwohnungssegment ist insofern bemerkenswert, als in so gut wie allen Ländern, mit Ausnahme von Schweden, das Mietrecht in den letzten drei Jahrzehnten liberalisiert wurde (Tabelle 10). Die Liberalisierungsschritte waren allerdings nach Ländern unterschiedlich intensiv und wir beobachten derzeit noch immer sehr unterschiedliche Regulierungsintensitäten. Die nachfolgenden beiden Regulierungsindizes versuchen diese darzustellen. A BBILDUNG 32 stark reguliert R EGULIERUNGSINDEX S ONSTIGER M IETENSEKTOR ‐ M IETRECHT 7 6 5 4 3 2 1 sehr liberal 0 Der Regulierungsindex Mietrecht berücksichtigt die zulässigen Vertragsdauern (befristet und unbefristet), die Regulierung der Anfangsmiete, die Regulierung von Mieterhöhungen, Kautionsregelungen, den Kündigungsschutz Quellen: GlobalPropertyGuide.com; eigene Berechnung A BBILDUNG 33 F OLGEMIETEN R EGULIERUNGSINDEX S ONSTIGER M IETENSEKTOR – A NFANGS ‐ UND 18 stark reguliert 16 14 12 10 8 6 4 2 sehr liberal 0 Der Regulierungsindex Mieten berücksichtigt allein die Regelungen zur Vereinbarung der Anfangsmiete und zu nachfolgenden Mieterhöhungen Quellen: GlobalPropertyGuide.com; eigene Berechnung 56 Die hier gezeigten Regulierungsindizes weichen zum Teil von den beiden kürzlich präsentierten Indizes der OECD (OECD, 2011) ab, weil sich die Zusammensetzungen der Indikatoren etwas unterscheiden. Der Regulierungsindex Mietrecht berücksichtigt Unterschiede bei den zulässigen Vertragslaufzeiten (befristet, unbefristet), bei den Modalitäten der Festlegung von Anfangsmiete und nachfolgenden Mieterhöhungen, bei den Kautionsregelungen, beim Kündigungsschutz sowie bei den Weitergabe‐ und Untervermietungsrechten. Beispielsweise haben Mieter in Finnland bei ansonsten stark liberalisiertem Mietrecht ausgedehnte Untervermietungsrechte und erhöhten Kündigungsschutz bei befristeten Mieten. Der zweite Index berücksichtigt nur die Regulierung von Anfangsmiete und Mieterhöhungen. In einigen Ländern führt die Mietenregulierung zu einer Segmentierung auch innerhalb des sonstigen Mietensektors. Beispielsweise gibt es keine Mietenkontrolle in Dänemark für Wohnungen, die nach 1991 errichtet wurden, und in den Niederlanden für die sogenannten freien Mieten. Die jeweils verbleibenden Segmente sind dagegen einer starken Regulierung unterworfen. Daher kann man auch nicht beide Länder als generell überreguliert oder weitgehend liberalisiert bezeichnen. Die meisten heute bestehenden Mietenregulierungssysteme gehen auf Reformen in den 1990er Jahren zurück. Der Zusammenhang zwischen Liberalisierung und Mietenentwicklung seither ist dabei alles andere als eindeutig. Er ist auch theoretisch nicht zweifelsfrei festlegbar. Einerseits gehen Befürworter einer Liberalisierung davon aus, dass ein freierer Mietensektor Wohnbauinvestitionen stärker anregt, dadurch das Angebot erhöht und so ceteris paribus den Mietenanstieg bremst. Gegner einer Liberalisierung wenden ein, dass auf dem Wohnungsmarkt einige Marktunvollkommenheiten herrschen, welche tendenziell die Mieter gegenüber den Vermietern benachteiligen. Das verschafft den Vermietern monopolistische Vorteile, insbesondere die Möglichkeit, die Mietenentwicklung zu ihren Gunsten zu beeinflussen (Arnot, 2003). A BBILDUNG 34 D URCHSCHNITTLICHE S TEIGERUNGSRATEN DER REALEN W OHNUNGSMIETEN IN % ‐ 1996 BIS 2010 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 -2,0 -2,5 Quelle: Eurostat; eigene Berechnung 57 Außerdem wirkt auf die Mietenentwicklung nicht nur die Mietrechtssituation sondern noch eine Reihe von anderen Faktoren ein. Die vergleichsweise hohen Mietenanstiege in Irland und Spanien hängen mit Sicherheit sehr stark mit der extrem hohen Neubauleistung zusammen. Die Neubauten haben höhere Qualität und wurden mit höheren Baukosten errichtet, was zu höheren Mieten führt. In Österreich geht ein Teil der Mietensteigerungen auf Wiedervermietungseffekte zurück. Bei Wiedervermietungen im Bestand der privaten Mietwohnungen gelten die jüngeren Richtwertmieten, die weit über den älteren Kategoriemieten liegen. In Großbritannien kann der starke Rückgang im Bestand der Sozialwohnungen, der nicht durch entsprechende Zuwächse bei den privaten Mietwohnungen kompensiert wurde, zu den Steigerungen wesentlich beigetragen haben. Der Rückgang in Deutschland ist wahrscheinlich demographisch bedingt. Ein Rückgang der Bevölkerung in vielen Landesteilen hat dort zu einem Überangebot an Wohnungen geführt, was auf die Mieten drückt. T ABELLE 10 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland L IBERALISIERUNGSSCHRITTE UND R EFORMEN IM M IETRECHT 1986 1994 1984 1985‐1987 1991 1997 2005 1990 1990‐1995 nach 1995 1997 1983 2001 Griechenland Irland Italien Niederlande Portugal Spanien Schweden Großbritannien 1997 1982 1992 2004 1992 1998 1994 1981 Teilliberalisierung für Neuvermietung Richtwertmieten eingeführt Mietzinserhöhungen an VPI gekoppelt (Indizierung) Indizierung der Mietzinserhöhungen temporät ausgesetzt Zulassung frei vereinbarter befristete Neuvermietungsverträge Beschränkungen für neue befristete Verträge Versuche, Gerichte zu entlasten und Mieten transparenter zu machen Nach 1991 errichtetes Wohnungseigentum wird von Mietzinskontrollen ausgenommen schrittweise Liberalisierung der Mietenkontrollen praktisch vollständig liberalisierter Mietensektor mit Ausnahme der staatlich subventionierten Mietwohnungen; Mieten dürfen nur nicht "exzessiv" im juristischen Sinne sein Liberalisierung bei Neuvermietungsverträgen Obergrenze von 30% Mietsteigerung innerhalb von 3 Jahren für Bestandsmieter; Mietensteigerungsklauseln und Mietenindizierung erlaubt Obergrenze von Mietsteigerungen innerhalb von 3 Jahren auf 20% reduziert; Kündigungsfrist für Mieter auf 3 Monate reduziert Frei vereinbarte Mieten bei Neukontrakten; Mindestbefristung von 3 Jahren Mietenkontrolle abgeschafft Neue Rechte für Mieter: zB Mindeststandards für Wohnungen, aber kein Kündigungsschutz Kündigungsschutz für 4 Jahre und Einrichtung einer Regulierungsbehörde für den Sektor Zulassung frei vereinbarter befristeter Neuvermietungsverträge Zwei Typen von "freien" Verträgen: individuell frei vereinbarte zu Vertragsbeginn und Verträge mit jährlichen Mietanpassungen die kollektiv zwischen Vermietern und Mietern vereinbart werden; Mindestbefristungen von 4 Jahren Teilliberalisierung von Neuverträgen Zulassung frei vereinbarter Neuvermietungsverträge; allerdings ohne zulässige Indizierungen 1985 Mechanismus zur Bindung aller Mieten an den VPI; einmalige Anpassung der Altverträge, allerdings ohne wirkliche Annäherung an das Nievau der Mieten bei Neuverträgen 1990 Möglichkeit einer Befristung von Mietverträgen 1993 Möglichkeit der Einführung abweichender Indizierungsmechanismen bei entsprechenden Voraussetzungen 1985 Zulassung frei vereinbarter Neuvermietungsverträge; Mieterhöhungen weiter an VPI gebunden 1995 Mindestbefristung von 5 Jahren; weiterhin VPI‐Indizierung; einmalige Anpassung der Altverträge (innerhalb von 10 Jahren umzusetzen) keine wesentlichen Reformen; aber zuletzt verstärkt diskutiert 1988 gesicherte Mietverhältnisse (assured tenancy)‐ leichtere Delogierung; Vereinbarungen von Anfangsmiete und Indizierung; gesicherter kurzfristige Mietverhältnisse (assured shorthold tenancy) ‐ Kündigungsschutz bis 6 Monate 1996 Veränderungen, welche die assured shorthold tenancy weiter favorisieren Quellen: ECB (2003), Sanguinetti (2010), GlobalPropertyGuide.com 58 L ÄNDERPROFILE SPANIEN WOHNVERHÄLTNISSEDERZEIT Spanien hatte im Jahr 2010 rund 45,8 Millionen Einwohner (Eurostat). Die Einwohner‐ dichte ist mit rund 80 Einwohnern pro m2 relativ gering, vergleichbar mit Griechenland. Rund 31% der Bevölkerung leben in den Großstadtregionen Madrid, Barcelona und Valencia. Auf 22 Großstadtregionen entfallen ca. 75% der Bevölkerung. Damit ist die Bevölkerung Spaniens räumlich um einiges stärker konzentriert als die Bevölkerung Frankreichs (mit Ausnahme des Pariser Raums). Das Bevölkerungswachstum war in den letzten 30 Jahren mit einem Plus von 23,1% das zweithöchste in Europa nach Irland (abgesehen von einigen kleineren Ländern wie Malta, Luxemburg und Cypern) (Housing Statistics, 2010). Für den Zeitraum bis 2050 wird mit plus 14% weiter ein starkes Wachstum, ähnlich stark wie in Frankreich und Schweden, allerdings geringer als in der Vergangenheit erwartet. Die Fertilitätsrate ist sehr niedrig (Housing Statistics, 2010), vermutlich wird die Netto‐Zuwanderung weiterhin zum Bevölkerungswachstum entscheidend beitragen. Für die nächste Dekade wird allerdings nach Prognosen von INE kaum ein Wachstum erwartet. T ABELLE 11 ‐ S PANIEN S CHLÜSSELINDIKATOREN ( DURCHSCHNITTLICHE J ÄHRLICHE V ERÄNDERUNG IN %) 1995 ‐ 2000 2000 ‐ 2007 2007 ‐ 2010 (1) 2009/2010 Spanien Reales BIP 4,5 3,8 ‐1,0 ‐0,1 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) real 8,3 6,4 ‐6,7 Bevölkerung 0,4 1,6 1,1 0,4 Reales BIP pro Kopf 4,0 2,0 ‐2,1 ‐0,5 Beschäftigung 4,8 4,5 ‐2,4 Frauenbeschäftigung 5,5 7,5 2,2 EU‐14 Reales BIP 4,1 2,7 ‐1,0 1,5 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) real 7,1 3,2 ‐4,9 Bevölkerung 0,4 0,6 0,6 0,4 Reales BIP pro Kopf 3,7 2,0 ‐1,5 1,1 Beschäftigung 1,9 1,4 ‐0,4 Frauenbeschäftigung 2,4 2,2 1,3 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung; (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007 ‐ 2009 Spanien kann in den letzten Jahrzehnten auf einen starken wirtschaftlichen Aufholprozess verweisen. Die Demokratisierung Ende der 1970er Jahre und der Beitritt zur Europäischen Union Mitte der 1980er Jahre haben das Vertrauen internationaler Investoren gestärkt, das Zinsniveau gesenkt und den Zugang zu globalen Finanzquellen erhöht. Die verbesserten Kapitalmarktbedingungen haben das Wachstum gefördert, die Unternehmensinvestitionen und die Beschäftigungsquote erhöht. In der Folge sind die Realeinkommen stark angestiegen. Schon Ende der 1980er Jahre wurden Wachstumsraten des realen Volkseinkommens von 6% pro Jahr und mehr erzielt. Zwischen 1995 und 2007 ist das reale Volkseinkommen in jedem Jahr um mehr als 3% angewachsen. Allerdings war auch das Bevölkerungswachstum sehr hoch, daher ist das reale BIP pro Kopf seit 1995 nur mehr wenig über dem EU‐14‐Schnitt gewachsen. 59 In Spanien sind zwischen 2000 und 2009 in Summe mehr als 6,3 Millionen Menschen zugewandert. Der Wanderungssaldo betrug im Jahr 2005 über 650.000 Personen, was rund 36 Prozent des Wanderungssaldos der EU‐25 insgesamt ausgemacht hat (Eurostat Jahresbericht 2005). Im Jahr 2006 kamen 300.000 von insgesamt ca. 840.000 Zuwanderern nach Spanien aus EU‐27‐Staaten, davon ca. 130.000 aus Rumänien. Knapp 500.000 Zuwanderer kamen von außerhalb der EU, davon allein 80.000 aus Marokko (Eurostat, Statistics in focus, 98/2008). Viele der männlichen Immigranten waren als Arbeitskräfte im dynamischen Wohnbausektor ins Land geholt worden und benötigten ihrerseits auch Wohnraum, was den Wohnbauboom im letzten Jahrzehnt zusätzlich verstärkt hat. Mit dem langen Wirtschaftsaufschwung und der hohen Nettozuwanderung war ein starkes Beschäftigungswachstum verbunden. Interessant ist, dass vor allem der Zuwachs bei der Frauenbeschäftigung im Zeitraum 1995 bis 2007 deutlich über dem EU‐14 Schnitt lag. Dieses Faktum dürfte am Wohnungsmarkt zusätzlich nachfrageerhöhend gewirkt haben. Die Arbeitslosenquote ist seit Mitte der 1990er Jahre stark zurückgegangen. Im Jahr 2005 konnte mit 9,2% sogar der Wert von Frankreich unterboten werden. In Folge der Wirtschafts‐ und Finanzkrise ist die Arbeitslosigkeit aber explodiert. Im April 2011 lag die Arbeitslosenquote bei 20,7% (Eurostat). A BBILDUNG 35 E INKOMMEN ‐ UND B ESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG IN SPANIEN – D IFFERENZ ZU EU‐14 D URCHSCHNITT ( JÄHRL . V ERÄNDERUNG IN %) 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2010 (1) 2009/2010 -1,0 -2,0 -3,0 (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007-2009 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung Die Anzahl der Haushalte beträgt derzeit ca. 16,7 Millionen. Der Anteil an Singlehaushalten ist mit rund 18% einer der geringsten in Europa, geringer nur in Rumänien und Portugal. Die durchschnittliche Belegungszahl war mit 2,7 Personen pro Haushalt im Jahr 2008 vergleichsweise hoch. Spanien hatte allerdings aufgrund des Wohnbaubooms nach Irland den stärksten Rückgang in der Belegungszahl, von 3,5 im Jahr 1981 über 3,1 im Jahr 2000 auf nunmehr etwa 2,7. Spanien hat den höchsten Wohnungseigentumsanteil in Europa. Von den ca. 25 Millionen Wohnungen waren im Jahr 2008 85% Eigentumswohnungen oder Häuser im Eigentum, 60 13% Mietwohnungen und 2% andere Rechtsformen. Ein aktueller Stand des Anteils an Sozialwohnungen ist nicht bekannt. Im Jahr 1990 waren 21% der Mietwohnungen bzw. 2% des Gesamtwohnungsbestandes Sozialwohnungen (Housing Statistics, 2010). Mit durchschnittlich 33 m2 pro Person steht den Spaniern verhältnismäßig wenig Wohnraum zur Verfügung. Niedrigere Werte findet man derzeit fast nur mehr in den ehemaligen Ostblockländern. Die Überbelegungsquoten19 waren im Jahr 2009 allerdings in allen Marktsegmenten (Miete und Eigentum) sehr gering (Eurostat, SILC). So gut wie alle Wohnungen verfügen über Warmwasser, nur ca. 64% verfügen über Zentralheizung (Housing Statistics, 2010). Der Wohnungsbestand dürfte nach dem Wohnbauboom nur in Irland jünger sein als in Spanien. Aktuellere Statistiken als aus dem Jahr 2001 waren nicht vorhanden. Die Spanier gaben im Jahr 2008 im Durchschnitt nur 17,7% des Konsumbudgets fürs Wohnen aus, ein sehr niedriger Wert in Europa (Housing Statistics, 2010). Die Mieten im relativ unbedeutenden privaten Mietensegment waren mit durchschnittlich 5,1 €/m2 im Jahr 2009 im Europavergleich zwar niedrig, angesichts der spanischen Kaufkraft aber hoch. Die Mieten im noch weniger bedeutenden regulierten Marktsegment waren mit 1,6 €/m2 relativ niedrig (Housing Statistics, 2010). Der Preisindex der Wohnungskosten lag mit einem Wert von 100,8 ziemlich genau am Durchschnitt in den EU‐27. A BBILDUNG 36 W OHNUNGSMARKTINDIKATOREN – S PANIEN UND EU‐14 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 EU-14 Spanien Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnung 19 Die Überbelegungsquote wird von Eurostat als der Prozentsatz der Bevölkerung definiert, die in einem überfüllten Haushalt lebt. Man lebt in einem überfüllten Haushalt, wenn der Haushalt über das folgende Minimum von Zimmern nicht verfügt: ‐ ein Zimmer für den Haushalt; ‐ ein Zimmer durch das Paar im Haushalt; ‐ ein Zimmer für jede einzelne Person im Alter von 18 und mehr; ‐ ein Zimmer durch das Paar von einzelnen Leuten desselben Geschlechtes zwischen 12 und 17 Jahren alt; ‐ ein Zimmer für jede einzelne Person zwischen 12 und 17 Jahren alt und nicht eingeschlossen in die vorherige Kategorie; ‐ ein Zimmer durch das Paar von Kindern unter 12 Jahren alt. Der Indikator wird nach Rechtsformen präsentiert. 61 Die Überbelastungsquoten20 der spanischen Privathaushalte waren je nach Rechtsform extrem unterschiedlich (Eurostat, SILC). Die Überbelastung war im Segment der „Mietwohnungen mit Marktpreis“ mit 40,8% weitaus am höchsten und stellte einen europäischen Spitzenwert dar. Nur Griechenland hatte in diesem Segment einen höheren Wert. Mit 10,3% ist auch die Überbelastungsquote im Segment „Miete mit ermäßigtem Preis“ relativ hoch. Die Überbelastungsquote im Segment „Eigentum mit Hypothek und/oder Darlehen“ war mit 14,7% die zweithöchste nach Dänemark (23,1%). Nur im Segment „Eigentum ohne Hypothek“ konnte mit 3,3% ein niedriger Wert erreicht werden. A BBILDUNG 37 Ü BERBELASTUNGSQUOTEN ‐ 2009 Miete mit Marktpreis Eigentümer mit Hypothek 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Quelle: Eurostat SILC WOHNUNGSPOLITIK In Spanien ist das Recht auf Wohnversorgung in der Verfassung festgelegt. Artikel 47 bestimmt, dass alle Spanier ein Recht auf eine adäquate Wohnversorgung haben. Die öffentliche Hand hat die Pflicht, angemessene Rahmenbedingungen und entsprechende Regelungen festzulegen, insbesondere aber zu verhindern, dass mit Boden spekuliert wird. Tatsächlich ist die spanische Politik diesem Anspruch nie gerecht geworden. Noch heute wurzelt die Wohnungspolitik in der Politik des Franco‐Regimes. Das Verständnis von Wohnungspolitik war nie ein sozialpolitisches, sondern immer ein mehr wachstumspolitisches. Eine soziale Wohnungspolitik im engeren Sinne gab es bisher nicht. Die Verantwortlichkeit für den Wohnungssektor teilt sich auf unterschiedliche Verwaltungsebenen (Hoekstra et al., 2010). Die Zentralregierung hat das Wohnungswesen als einen ökonomischen Sektor zu koordinieren. Die autonomen Kommunen sind autorisiert, die Politiken der Zentralregierung mit Hilfe eigener Ressourcen zu modifizieren oder zu ergänzen. In ihrer Verantwortung liegen die Regulierung von Bodennutzungen, die Entwicklung und das Management von subventionierten Wohnungen, ob Eigentum‐ oder 20 Die Überbelastungsquote wird, gegliedert nach Eigentumsverhältnissen, als der Prozentsatz der Bevölkerung definiert, die in einem Haushalt lebt, wo die gesamten Unterkunftskosten (Netto von Haushaltsgeld) mehr als 40 % des verfügbaren Haushaltnettoeinkommen (Netto von Haushaltsgeld) repräsentieren. 62 Mietwohnungen, und die Bereitstellung und Kontrolle der Verwendung von Subventionen. Generell wird der Eigentumssektor durch direkte Subventionen und indirekte Maßnahmen, wie die Steuerpolitik, sehr stark bevorzugt. Vormals öffentliche Mietenwohnungen wurden weitgehend privatisiert, während Investitionen durch private Akteure (Privatpersonen und Institutionelle) in Mietwohnungen durch eine sehr strenge Mietenregulierung in der Vergangenheit wenig attraktiv waren (Leal, 2003 u. 2004). In Folge dieser Politiken ist der Anteil des Mietensektors von über 50% im Jahr 1950 auf unter 10% im Jahr 2001 zurückgegangen (Hoekstra et al, 2010). Spanien hat eine lange Tradition der Förderung von Wohneigentum, bekannt unter der Bezeichnung VPO (Vivienda de Proteccion Oficia – Öffentlich Geschütztes Wohnen). Diese Tradition war aber im Zeitverlauf begleitet von einer Reihe von gesetzlichen Änderungen. Nach dem Bürgerkrieg wurden vor allem in den Städten öffentliche Mietwohnungen schlechter Qualität gebaut, um dem starken Zuzug der Landbevölkerung in Folge der zunehmenden Industrialisierung des Landes Herr zu werden. Seit den 1960er Jahren verfolgten die unterschiedlichen Regierungen die Förderung des Wohneigentums. Es bestand die Überzeugung, dass mit den vorhandenen öffentlichen Fördermitteln durch Forcierung des Eigentumsbaus mehr Wohnungen errichtet werden können als durch Forcierung des Sozialmietwohnungsbaus. Die Förderung von Wohneigentum geschieht seit langem über Subventionen an private Entwickler und Wohnungskäufer. Die sozialen Bedingungen der Käufer spielten dabei in der Vergangenheit kaum eine Rolle, mittlerweile bestehen aber Einkommensobergrenzen (derzeit das 5,5fache des Mindesteinkommens; vgl. Hoekstra et al. 2010). Den privaten Wohnbauträgern werden öffentliche Kredite unter Marktzinsniveau zur Verfügung gestellt. Als Gegenleistung müssen die Wohnungen zu regulierten Preisen unter Marktpreisniveau an förderungswürdige Käufer verkauft werden. Die Nachfrage nach diesen Wohnungen war praktisch immer garantiert, die Profite der Entwickler aber gering. Die Anzahl fertiggestellter geförderter Eigentumswohnungen hat im Zeitraum 1991 bis 2007 zwischen etwa 40.000 und 80.000 Wohnungen pro Jahr variiert. Der Anteil an den Gesamtfertigstellungen lag durchschnittlich bei etwa 15% (vgl. Hoekstra et al. 2010, Abbildung 2). Der Anteil geht vor allem dann zurück, wenn die Nachfrage am Wohnungsmarkt groß ist, weil sich die Entwickler dann durch freifinanzierten Wohnbau größere Renditen versprechen. Umgekehrt stieg der Anteil in der Vergangenheit in Krisenzeiten, auch in Folge antizyklischer Förderungsmaßnahmen der Regierung. Ein wichtiges Merkmal der spanischen Eigentumsförderung war die Einführung einer Sozialbindungsperiode, bezeichnet als “Qualifikationsperiode”. Während dieser Periode kann das geförderte Wohneigentum nur zu durch die Regierung festgesetzten Preisen, die sich zumeist an geförderten Neubaupreisen orientieren, weiterveräußert werden. Damit will man Spekulation mit diesen Objekten verhindern. Nach Ablauf der “Qualifikationsperiode” kann das Wohneigentum ohne Einschränkungen zu Marktpreisen weiterveräußert werden. Die Qualifikationsperiode betrug in den 1950er und 1960er Jahren zwischen 20 und 50 Jahren. Im Jahr 1978 wurde eine Standardperiode von 30 Jahren festgelegt, die 1998 auf 20 Jahre gesenkt wurde. Zu Beginn der 1990er Jahre hat man ein neues Fördersystem eingeführt, das sogenannte Vivienda a Precio Tasado (VPT). Dabei handelt es sich um Wohneigentum auf mittlerem Preisniveau, unter Marktpreisen aber über den Preisen des VPO‐Regimes. Wohnungen, die unter dem VPT‐Regime errichtet wurden, dürfen ohne die Einhaltung einer 63 Mindestbehaltefrist (“Qualifikationsperiode”) weiterveräußert werden. Geschieht dies innerhalb von 5 Jahren nach Errichtung, so müssen die öffentlichen Subjektförderungen refundiert werden. In Zeiten stark steigender Eigentumspreise hat die Pflicht zur Rückzahlung der Subjektförderung allerdings nicht verhindert, dass viele dieser Objekte zu Marktpreisen weiterveräußert wurden (Sanchez Garcia und Plandiura, 2003). Der Anteil des geförderten Eigentumssektors in Spanien am Gesamtwohnungsbestand variiert regional sehr stark. Die höchsten Anteile befinden sich in den nördlichen Regionen Navarra (19%) und Baskenland (16%), die niedrigsten auf den Inseln (Balearen 5%, Kanaren 6%). Jedes Jahr verschwindet etwa 1% der unter dem VPO‐Regime subventionierten Wohnungen aufgrund des Ablaufs der Qualifikationsperiode aus dem Bestand. Die Preisunterschiede zwischen subventioniertem und freifinanziertem Eigentumssektor schwankten im Jahr 2008 je nach Region zwischen 10% und 120% (Hoekstra et al. 2010, Abb. 4). Die Anreize zur Weiterveräußerung sind im Zuge des letzten Wohnungsmarkzyklus aufgrund steigender Preisdifferenzen ständig gestiegen, die zu erwarteten Profite waren hoch. Besonders problematisch war diese Situation vor dem Hintergrund des spanischen Wohnungsproblems. Jugendorganisationen haben darauf hingewiesen, dass die Jungen als Outsider immer mehr Schwierigkeiten haben, leistbaren Wohnraum zu finden, während Menschen, die vor 20, 30 Jahren geförderte Wohnungen gekauft haben, diesen nun mit beträchtlichen Gewinnen verkaufen. Die Politik hat darauf reagiert, in dem die Mindest‐Qualifikationsperiode für Wohnungen, die im VPO‐Regime errichtet werden, wieder auf 30 Jahre angehoben wurde. Den autonomen Kommunen wurde die Möglichkeit gegeben, für Wohnungen aus dem VPT‐Regime eigene Qualifikationszeiträume festzulegen. WOHNBAULEISTUNG Die Wohnbauleistung Spaniens in den letzten 25 Jahren war beeindruckend. Vor allem seit 1995 gab es mehrere Jahre mit Zuwächsen bei den realen Wohnbauinvestitionen von 10% und mehr. Die Differenz zum Zuwachs der Wohnbauinvestitionen im EU14‐Durchschnitt war vor allem im Zeitraum 1995 bis 2000 sehr groß. Im Zeitraum 2000 bis 2007 waren die Fertigstellungen, Baubewilligungen und die Baubeginne jeweils pro 1.000 Einwohner weit über dem EU‐Durchschnitt. Im gleichen Zeitraum sind aber auch die realen Häuserpreise um mehr als 5%‐Punkte pro Jahr stärker gewachsen als im EU‐14 Schnitt. Die Entwicklungen auf dem spanischen Wohnungsmärkten in dieser Zeit wurde daher von Analysten als “Double Bubble” bezeichnet, eine Situation, in der Preise und Mengen gleichzeitig sehr stark ansteigen und die Anstiege mit hoher Wahrscheinlichkeit fundamental nicht mehr gerechtfertigt waren. Zum Teil wurde spekulatives Verhalten dafür verantwortlich gemacht (Garcia‐Montalvo, 2007; Callau und Pac, 2008 zitiert in IMF, 2009). Nicht alle Analysten waren dieser Meinung. Igal (2006) beispielsweise erklärt den parallelen Anstieg von Wohnbauproduktion und Häuserpreisen im Zeitraum 1997 bis 2004 damit, dass der Häuserpreis nicht das zentrale Kaufkriterium war, weil sich gleichzeitig die Kreditkonditionen extrem verbessert haben. Wer ein Haus über Kredit kauft, orientiert sich an der Annuitätenbelastung im Verhältnis zum Einkommen. Dieses Verhältnis hat sich 64 im Zeitraum 1997 bis 2004 trotz stark steigender Häuserpreise wegen der günstigeren Finanzierungsbedingungen und der steigenden Einkommen praktisch kaum verändert. A BBILDUNG 38 REAL E NTWICKLUNG DER H ÄUSERPREISE UND W OHNBAUINVESTITIONEN IN S PANIEN , HP-Ver Index Häuserpreise WBI-Ver Index Wohnbauinvestitionen 50 350 40 300 Index 1995 250 20 10 200 0 150 -10 -20 100 Veränderung geg. Vj in % 30 -30 50 -40 0 -50 Quellen: OECD, Eurostat; eigene Berechnung A BBILDUNG 39 W OHNBAULEISTUNG SPANIEN – D IFFERENZEN ZU EU‐14 D URCHSCHNITT Jährl. %-Veränderung %-Punkte Baubeginne Bewilligungen Fertigstellungen Wohnbauinvestitionen in % des BIP Wohnbauinvestitionen real pro 1.000 EW Wohnbauinvestitionen real Reale Häuserpreise 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 -10 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2009 (1) 2009/2010 bzw. 2010 Anzahl pro 1.000 EW (1) Häuserpreise: 2007 ‐ 2010 Quellen: OECD, Eurostat, Hypostat, Hauspreisquellen ES: BIS,Bailen (2011); eigene Berechnungen Der Internationale Währungsfonds kommt im Jahr 2009 erwartungsgemäß zu einer etwas differenzierteren Betrachtung. Zweifelsfrei waren die guten Fundamentaldaten ausschlaggebend für den langen Wohnungsmarktboom in Spanien. Das Angebot hat auf die Nachfrage sehr kräftig reagiert, allerdings auch mit Verzögerungen. Die Gründe für die Verzögerungen liegen in der spanischen Bodengesetzgebung, welche den spanischen Gemeinden Anreize gibt, Bauland knapp zu halten und in den schwerfälligen 65 Baubewilligungsprozessen. Es dauert im Durchschnitt 3 Monate, um einen Bau zu beginnen, Fertigstellungszeiten betragen im Durchschnitt 18 bis 24 Monate (vgl. auch Maza und Penaloza, 2010). Einen wichtigen Beitrag zur hohen Wohnbauleistung in Spanien in den letzten 25 Jahren dürfte auch die moderate Entwicklung der Wohnbaukosten geliefert haben. Real sind die Wohnbaukosten nach Angaben von Eurostat zwischen 1980 und Mitte der 1990er Jahre jährlich gesunken. In Summe war ein Rückgang von etwa 18% zu verzeichnen. Erst seit dem Jahr 2004 war ein kontinuierlicher Anstieg der realen Wohnbaukosten zu verzeichnen. A BBILDUNG 40 E NTWICKLUNG DER W OHNBAUKOSTEN IN S PANIEN , REAL Veränderung geg. Vj. in % 150 Index 1995 = 100 15 140 Index 1995 120 10 5 110 100 0 90 80 70 -5 Veränderung in % 130 -10 60 50 -15 Quellen: OECD, Eurostat; eigene Berechnung Den langen Bauphasen in Spanien ist es auch zu verdanken, dass in Zeiten der größten Krise die Fertigstellungen noch immer ein hohes Ausmaß erreicht haben. Die Baubeginne haben bereits Anfang 2007 einen rückläufigen Trend gezeigt, ein starkes Indiz für eine schwächere Nachfrage. Das gleichzeitig hohe Niveau bei den Fertigstellungen hat zu einem dramatischen Anstieg der nicht verkäuflichen Häuser geführt. Nach Schätzungen von Maza und Penalosa (2010) waren im 3. Quartal 2010 zwischen 700.000 und 1,1 Millionen kürzlich fertiggestellter Häuser nicht verkauft. Das entspricht Anteilen von 2,8% bis 4,6% des gesamten Bestandes21. Der Anteil nicht verkaufter Häuser war besonders in den Küstenregionen hoch (zum Teil über 6%), wo wiederum der Anteil an Ferienhäusern und Zweitwohnsitzen groß ist. Dieses Segment hat erwartungsgemäß am stärksten unter der Krise gelitten und hat sich vorher am dynamischsten entwickelt. Spanische Experten verweisen darauf, dass die Erholung der Wohnbauinvestitionen rascher vor sich gehen könnte als viele erwarten. Der Grund liegt darin, dass in Regionen in denen 40% der Bevölkerung leben, der Anteil nicht verkaufter Häuser vor wenigen Monaten noch unter 2% lag, einer Zahl, die unter friktionalen Gesichtspunkten als nicht 21 Maza und Penalosa (2010) verweisen aber auf die großen Schwierigkeiten aus den spanischen Statistiken solche Zahlen abzuleiten. 66 ungewöhnlich bezeichnet werden kann (Maza und Penalosa, 2010). Allerdings wird die Entwicklung der Nachfraged, d.h. die Entwicklung der Fundamentalfaktoren (Bevölkerung, Einkommen, Arbeitslosigkeit usw.) ganz entscheidend sein. Derzeit ist auch die Kreditvergabe durch die Banken, besonders im Bereich der kleinen Sparkassen (“Cajas”) wegen Unterkapitalisierung, sehr restriktiv (Interview Sebastian, www.faktwert.de). E NTWICKLUNG DES P RO ‐K OPF ‐W OHNUNGSBESTANDES IN S PANIEN Veränderung geg. Vj. in % Index 1995 = 100 150 3,5 140 3 130 2,5 Index 1995 120 2 110 1,5 100 1 90 0,5 80 70 0 60 -0,5 50 -1 Veränderung in % A BBILDUNG 41 Anm: Änderung der Reihe bei Hypostat 2005 und 2006 ab Jahr 1997 Quellen: Housing Statistics (2010), Hypostat, UNECE; eigene Berechnung In Zukunft soll vor allem der Umstand, dass derzeit noch ein verhältnismäßig hoher Anteil der jungen Bevölkerung bei den Eltern lebt, nachfragebelebend wirken, falls sich die Situation am Arbeitsmarkt und die Einkommensentwicklung in Spanien entsprechend darstellen. Für die Zwischenzeit schlägt der IMF vor, den spanischen Mietensektor zu stärken indem das überschüssige Angebot an Eigentumswohnungen und Häusern in Mietwohnungen konvertiert wird (IMF, 2009). Dies dürfte allerdings angesichts der ungleichmäßigen regionalen Verteilung der Überschüsse nicht leicht mit der lokalen Nachfrage nach Mietwohnungen in Übereinstimmung zu bringen sein. 67 IRLAND WOHNVERHÄLTNISSEDERZEIT Irland hatte im Jahr 2010 rund 4,5 Millionen Einwohner (Eurostat). Die Einwohnerdichte ist mit rund 65 Einwohnern pro m2 relativ gering, die räumliche Konzentration der Bevölkerung allerdings extrem hoch. Rund 54% der Bevölkerung leben in den zwei Großstadtregionen Dublin und Cork. Im Raum Dublin allein leben mehr als 39% der Bevölkerung. Das Bevölkerungswachstum war in den letzten 30 Jahren mit einem Plus von 31,2% das höchste der hier untersuchten Länder (Housing Statistics, 2010). Für den Zeitraum bis 2050 wird mit plus 42% weiter ein extrem hohes Bevölkerungswachstum prognostiziert. Die Fertilitätsrate ist die höchste in Europa (Housing Statistics, 2010). Irland hatte bis Mitte der 1990er Jahre hohe Arbeitslosenraten, nachdem die Arbeitslosigkeit in den 1980er Jahren auf über 10% angestiegen war. Nach Mitte der 1990er Jahre ist die Arbeitslosenquote stark gefallen und hat zu Beginn des letzten Jahrzehnts nur mehr rund 1,5% betragen. Zumindest die Hälfte des Rückgangs kann auf einen Rückgang der strukturellen Arbeitslosigkeit zurückgeführt werden, wofür vor allem folgende Faktoren ausschlaggebend waren (IMF, 2005): eine kooperative Einkommens‐ bzw. Lohnpolitik mit einer gestärkten Gewerkschaft, die aber auf makroökonomische Belange vermehrt Rücksicht nimmt; ein kontinuierlicher Rückgang der Lohnsteuern (sowohl der Grenz‐ als auch der Durchschnittssteuersätze) in den 1990er Jahren; eine Individualisierung im Einkommenssteuersystem, die den Steuerdruck auf Zweitverdiener im Haushalt reduziert hat; eine teilweise Rücknahme der relativ generösen Arbeitslosenunterstützung in den 1990er Jahren22; Änderungen bei den Sozialleistungen: Eine „back‐to‐work“ allowance, eingeführt 1993, erlaubt den Weiterbezug von 75% der Sozialleistungen (Wohnbeihilfen, Kindergeld, freie Gesundheitsleistungen) im ersten Jahr, 50% im zweiten Jahr und 25% im dritten Jahr einer neu aufgenommenen Beschäftigung; Verschärfungen bei der Zuerkennung von Arbeitslosenunterstützung seit 1998; hohe Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik (Ausbildung, öffentliche Arbeitsvermittlung, subventionierte Beschäftigung). Die Änderungen in der Arbeitsmarkt‐ und Einkommenspolitik haben entscheidend zum irischen “Wachstumswunder” beigetragen. Das reale BIP Irlands ist zwischen 1991 und 2006 um durchschnittlich 6,5% p.a. gewachsen. Das Wachstum war in den 1990er Jahren vorwiegend vom Export angetrieben, im letzten Jahrzehnt haben aber die Binnennachfrage und hier vor allem auch der Wohnbau die treibende Rolle übernommen. Nach Berechnungen der OECD ist die Höhe der Arbeitslosenunterstützung für verheiratete 22 Paare ohne Kinder zwischen 1979 und 1994 real um 56% angestiegen, während im gleichen Zeitraum das Nettoeinkommen eines Durchschnittsverdieners in der Industrie real weitgehend gleich hoch geblieben ist (IMF 2005, S.27). Die durchschnittliche Nettoersatzrate (Durchschnitt über drei Typen von Familien mit durchschnittlichem Einkommensniveau) lag 1995 allerdings bei nur 52%, 2002 ist sie auf 46% zurückgegangen. In anderen Ländern der OECD lagen die Nettoersatzraten Mitte der 1990er Jahre zum Teil beträchtlich höher (Martin, 1996). 68 Das durchschnittliche Wachstum der realen verfügbaren Einkommen von Mitte der 1990er Jahre bis 2005 war das höchste unter allen Industriestaaten. Das irische Einkommensniveau liegt schon seit den 1990er Jahren im europäischen Spitzenfeld. Zwischen 1990 und 2007 ist das BIP pro Kopf kaufkraftbereinigt gemessen am EU27‐Durchschnitt von 130 Indexpunkten auf 147 Indexpunkte angestiegen. Die Wirtschaftskrise hat einen Rückgang auf das Niveau von Österreich und Dänemark im Jahr 2010 bewirkt (125 Indexpunkte). Ausschlaggebend dafür war der hohe Anstieg der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren. Im April 2011 lag die Arbeitslosenquote bei 14,7%, die zweithöchste Arbeitslosenquote nach Spanien (Eurostat). T ABELLE 12 ‐ I RLAND S CHLÜSSELINDIKATOREN ( DURCHSCHNITTLICHE J ÄHRLICHE V ERÄNDERUNG IN %) 1995 ‐ 2000 Irland Reales BIP Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt Bevölkerung Reales BIP pro Kopf Beschäftigung Frauenbeschäftigung EU‐14 Reales BIP Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt Bevölkerung Reales BIP pro Kopf Beschäftigung Frauenbeschäftigung 2000 ‐ 2007 2007 ‐ 2010 (1) 2009/2010 11,7 17,7 1,0 10,2 6,5 8,9 6,4 6,9 2,0 3,9 3,6 4,6 ‐3,7 ‐13,6 1,2 ‐4,7 ‐3,1 2,1 ‐0,2 4,1 7,1 0,4 3,7 1,9 2,4 2,7 3,2 0,6 2,0 1,4 2,2 ‐1,0 ‐4,9 0,6 ‐1,5 ‐0,4 1,3 1,5 0,4 ‐0,6 0,4 1,1 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung; (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007 ‐ 2009 A BBILDUNG 42 E INKOMMEN ‐ UND B ESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG IN IRLAND – D IFFERENZ ZU EU‐14 D URCHSCHNITT ( JÄHRL . V ERÄNDERUNG IN %) 10,0 5,0 0,0 -5,0 -10,0 (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007-2009 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2010 (1) 2009/2010 69 Die Anzahl der Haushalte beträgt derzeit ca. 1,5 Millionen 23 . Der Anteil an Singlehaushalten war 2004 mit rund 22% einer der geringsten in Europa (Housing Statistics, 2010). Die durchschnittliche Belegungszahl war mit 2,9 Personen pro Haushalt im Jahr 2005 vergleichsweise hoch. Irland hatte allerdings aufgrund des Wohnbaubooms den stärksten Rückgang in der Belegungszahl, von 3,7 im Jahr 1981 über 3,0 im Jahr 2000 auf nunmehr wahrscheinlich unter 2,9. Mit durchschnittlich 35 m2 pro Person stand den Iren im Jahr 2002 verhältnismäßig wenig Wohnraum zur Verfügung (Housing Statistics, 2010). Die Überbelegungsquoten waren im Jahr 2009 allerdings in allen Marktsegmenten (Miete und Eigentum) gering (Eurostat, SILC). So gut wie alle Wohnungen verfügen über ein Bad, nur ca. 59% verfügen über Zentralheizung (Housing Statistics, 2010). Der Wohnungsbestand ist nach dem Wohnbauboom der jüngste unter allen hier betrachteten Ländern. Schon im Jahr 2002 hatten waren 52,5% aller Wohnungen nach 1980 errichtet. Irland hat traditionell einen sehr hohen Eigentumsanteil (79% im Jahr 2004). Der Anteil von Sozialwohnungen betrug 2002 8% vom Gesamtbestand bzw. 38% von den Mietwohnungen (Housing Statistics, 2010). A BBILDUNG 43 W OHNUNGSMARKTINDIKATOREN – I RLAND UND EU‐14 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 EU-14 Irland Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnung Die Iren gaben im Jahr 2008 im Durchschnitt nur 22,4% des Konsumbudgets fürs Wohnen aus, ein mittlerer Wert in Europa (Housing Statistics, 2010). Die Mieten im privaten Mietensegment waren mit durchschnittlich 12 €/m2 im Jahr 2004 im Europavergleich extrem hoch, auch wenn man die höhere Kaufkraft der Iren mit einrechnet. Die Mieten im regulierten Marktsegment waren mit 1,9 €/m2 andererseits extrem niedrig (Housing Statistics, 2010). Der Preisindex der Wohnungskosten war mit einem Wert von 144,4 im Jahr 2008 sehr hoch (EU27 = 100), höher nur in Luxemburg (169,3) und Dänemark (157,4). 23 wko.at/statistik/eu/eu.htm. 70 Die Überbelastungsquoten der irischen Privathaushalte waren nur im Segment „Mietwohnungen mit Marktpreis“ mit 21,9% relativ hoch. In allen anderen Segmenten waren die Überlastungsquoten mit jeweils unter 2,5% sehr niedrig. WOHNUNGSPOLITIK In der irischen Wohnungspolitik sticht insbesondere die steuerliche Behandlung von Wohnungseigentum hervor. In kaum einem anderen Land der EU wird der Erwerb von Wohnungseigentum steuerlich so stark gefördert. Am stärksten wirkt sich die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne aus, die für alle Grundstücke gilt, die kleiner als 1 Acre (ca. 4.000 m2) sind. Damit sind praktisch alle privaten Grundstücke von der Steuer ausgenommen (Rae und van den Noord, 2005). Irland hat 1983 eine Grundsteuer in der Höhe von 1,5% eingeführt, die aber nur für Grundstückswerte über einer bestimmten Marke und nur von Personen mit Einkommen ab einer bestimmten Grenze eingehoben wurde. Die Grundsteuer wurde 1996 abgeschafft. Zinszahlungen für Hypothekarkredite können in Irland von der Einkommensteuer abgesetzt werden. Seit 1974 gibt es dafür Obergrenzen, die 1993 und 2003 erhöht wurden. Seit 1994 wird anstelle des Grenzsteuersatzes ein einheitlicher Standardsteuersatz angewandt mit der Folge, dass die Absetzungsrate von 48% im Jahr 1993 auf 26% im Jahr 1997 zurückgegangen ist. Im Jahr 1998 gab es eine Steuerreform, deren Ziel es war, der drohenden Überhitzung des Wohnungsmarktes steuerpolitisch zu entgegnen. Die Transaktionssteuer (stamp duty) auf neue Häuser, die nicht im Eigentum der Bewohner waren, wurde erhöht, während die stamp duty für Zweitwohnsitze reduziert wurde. Die Steuer auf Veräußerungsgewinne beim Verkauf von qualifiziertem Wohnbauland wurde reduziert und Steuererleichterungen für Mieteneinkünfte beseitigt. Diese Maßnahmen wurden 2002 wieder zurückgenommen. Im Jahr 2000 wurde ein neues Steuerpaket geschnürt, mit dem Ziel, Investoren vom Kauf von Mietwohnungen abzuhalten. Eine der Maßnahmen war eine stamp duty von 9% beim Kauf von Mietwohnobjekten. In Folge dieser Maßnahme stiegen die Mieten, weshalb die Maßnahme schon ein Jahr später wieder zurückgenommen wurde. Im Jahr 2005 wurde die stamp duty für Erstkäufer reduziert. Die starke steuerliche Förderung 24 wirkt sich merkbar in den Nutzungskosten des Wohneigentums in Irland aus. Diese setzen sich zusammen aus dem Nach‐Steuer‐ Hypothekarzinssatz abzüglich der Kapitalgewinne, den Opportunitätskosten des Eigenkapitals, der Grundsteuer und der Abschreibung. In Irland waren die Nutzungskosten am Wohnungsmarkt schon mehrmals für längere Zeit negativ, zuletzt wieder ab Mitte der 1990er Jahre. Das bewirkt einen sehr starken Anreiz zum Erwerb von Wohnungseigentum. Zugleich ist, auch aufgrund der Einkommens‐ und Steuerpolitik, die Anzahl an Haushalten mit Doppelverdienern angestiegen und die Scheidungsraten haben zugenommen. Ein weiterer Faktor war das gestiegene Interesse der Baby Boomer Generation am Kauf von Vorsorgewohnungen, vor allem aus Sorge um die Entwicklungen bei den staatlichen Pensionen. 24 Irland ist das einzige Land in der OECD mit einer Absetzbarkeit von Zinszahlungen ohne gleichzeitige Besteuerung von Grundstückswerten (Grundsteuer), Veräußerungsgewinnen oder imputierten Mieten. In Finnland, Portugal und Spanien sind zwar Veräußerungsgewinnen auch steuerbefreit und alle drei Länder kennen keine Besteuerung von imputierten Mieten, in allen dreien gibt es aber kommunale Grundsteuern (Rae und van den Noord, 2005). 71 Irland hat, wie die meisten hier untersuchten Länder, in den 1980er und 1990er Jahren die Finanzmärkte dereguliert und liberalisiert. Durch die Liberalisierung ist der Wettbewerb unter den kreditgebenden Institutionen gestiegen. Der Zugang zu neuen Krediten war bis zum Ausbruch der aktuellen Finanzkrise leichter als in den Ländern in Kontinentaleuropa. Dazu hat insbesondere die Einführung des Euro beigetragen. Durch den Wegfall des Wechselkursrisikos und den leichteren Zugang zur europäischen Liquidität ist das generelle Zinsniveau zurückgegangen, was die Nachfrage nach Krediten zusätzlich erhöht hat. Infolge des gestiegenen Wettbewerbs im Finanzsektor sind die Kreditbeleihungsquoten ab Mitte der 1990er Jahren von 60% auf 70% bis 100% angestiegen. Securitisation hat dazu zusätzlich beigetragen, mit der Folge, dass die Zinsen für neue Wohnungskredite immer stärker vom aktuellen Marktzinsniveau bestimmt waren. Dem Großteil der Wohnungskredite liegt eine variable Verzinsung zugrunde. Auch die Möglichkeiten, über housing equity withdrawals andere Konsumsausgaben über Hypothekarkredite zu finanzieren, haben zugenommen. WOHNBAULEISTUNG Der Anstieg der Wohnimmobilienpreise in Folge der stark gestiegenen Wohnungsnachfrage hat seinerseits auch einen bemerkenswerten Anstieg des Wohnungsangebots nach sich gezogen. Wohnungsfertigstellungszahlen und Wohnbaubewilligungen pro Einwohner gehörten lange Zeit zu den höchsten in Europa. Irland hatte in den letzten 40 Jahren insgesamt aber eine sehr volatile Entwicklung der Wohnungsproduktion. A BBILDUNG 44 REAL E NTWICKLUNG DER H ÄUSERPREISE UND W OHNBAUINVESTITIONEN IN I RLAND , HP-Ver Index Häuserpreise 350 300 WBI-Ver Index Wohnbauinvestitionen 50 40 Index 1995 250 200 20 10 0 150 100 -10 -20 Veränderung geg. Vj in % 30 -30 50 0 -40 -50 Quellen: OECD, Eurostat; eigene Berechnung Der, unter allen hier untersuchten Ländern, höchste gemessene jährliche Zuwachs (+42,2%; 1973) und der höchste gemessene jährliche Rückgang (‐42,2%; 2009) bei den Wohnbauinvestitionen entfällt auf Irland. Abgesehen davon hatte Irland auch sonst sehr 72 ausgeprägte Wohnbauzyklen mit hohen jährlichen Zuwächsen und Einbrüchen. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte in der vergleichsweise hohen Mobilität und Wanderungsfreudigkeit der Iren liegen. Dadurch entwickelt sich die Nachfrage und in der Folge die Bauproduktion erratischer als in anderen Ländern. Der Abstand zu den EU‐14 war beim Wachstum der realen Wohnbauinvestitionen vor allem im Zeitraum 1995 bis 2000 sehr groß, bei den Fertigstellungen pro 1.000 EW dann im Zeitraum 2000 bis 2007. Wie Spanien, so hatte auch Irland in den Krisenjahren ab 2007 durchschnittlich noch mehr Baubeginne pro 1.000 EW als im EU‐14 Durchschnitt. A BBILDUNG 45 W OHNBAULEISTUNG IRLAND – D IFFERENZEN ZU EU‐14 D URCHSCHNITT 15 10 5 0 -5 -10 Jährl. %-Veränderung %-Punkte Baubeginne Bewilligungen Fertigstellungen Wohnbauinvestitionen in % des BIP Wohnbauinvestitionen real pro 1.000 EW Wohnbauinvestitionen real Reale Häuserpreise -15 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2009 (1) 2009/2010 bzw. 2010 Anzahl pro 1.000 EW (1) Häuserpreise: 2007 ‐ 2010 Quellen: OECD, Eurostat, Hypostat, Hauspreisquellen IR: ESRI, DEHRP; eigene Berechnungen Als Folge der hohen Wohnbauleistung hat Irland heute einen sehr jungen Wohnungsbestand. Ein großer Teil der neu errichteten Wohnungen befindet sich allerdings in freistehenden Häusern, einen nur geringen Teil machen Appartements aus. Dabei nahm der Anteil von Zweitwohnungen in den letzten Jahren ständig zu, wie Fitz Gerald (2005) feststellt. Fitz Gerald hat versucht, die Entwicklung in den letzten 30 Jahren beim Wohnungsbestand insgesamt, speziell aber bei den Zweitwohnsitzen und leerstehenden Wohnungen nachzuzeichnen. Schätzungen auf Basis der Stromanschlüsse ergeben, dass der Wohnungsbestand auch bei vorsichtiger Schätzung größer ist als im Census angegeben. In einigen Regionen ist der Bestand an Zweitwohnsitzen sehr stark angestiegen, was dort das allgemeine Wohnungskostenniveau stark beeinflusst hat und damit den regionalpolitischen Vorstellungen der Regierung entgegenläuft. Die Zweitwohnsitze, vor allem in freistehenden Häusern, erhöhen die Infrastrukturkosten der öffentlichen Hand und stellen negative monetäre Externalitäten in Form gestiegener Wohnungskosten für die ansässige Bevölkerung dar. Die Rabobank kommt zu der Einschätzung, dass Ende 2009 ein Überschuss von mehr als 100.000 Wohnungen bestand, der aufgrund des für die Jahre 2010 bis 2011 befürchteten Bevölkerungsrückgangs zunächst noch ansteigen und möglicherweise erst ab dem Jahr 2012 langsam wieder abgebaut werden wird (Rabobank, 2010). 73 Generell hatte die enorme Wohnbautätigkeit auch Auswirkungen auf die Wohnbaukosten und die Preise von Wohnbauland. Die negativen Effekte der gegen Ende der 1990er Jahre stark gestiegenen Wohnbaukosten wurden teilweise dadurch abgefangen, dass man bei den Regelungen zur Baulandwidmung weniger restriktiv vorgegangen ist. Insgesamt war daher der Wohnungsbau trotz gestiegener Wohnbaukosten nicht so stark beeinträchtigt, wie es ohne Lockerung der Raumplanung der Fall gewesen wäre. A BBILDUNG 46 E NTWICKLUNG DER W OHNBAUKOSTEN IN I RLAND , REAL Veränderung geg. Vj. in % 150 Index 1995 = 100 15 140 Index 1995 120 5 110 100 0 90 -5 80 70 Veränderung in % 10 130 -10 60 50 -15 Quellen: OECD, Eurostat; eigene Berechnung Fitz Gerald (2005) geht davon aus, dass sich der Wohnbau in Irland langfristig weiterhin dynamisch entwickeln wird, da die durchschnittliche Haushaltsgröße bzw. die Anzahl der Erwachsenen pro Haushalt in Irland im europäischen Vergleich hoch ist. Wenn man für die irischen Haushalte annähernd gleiche Präferenzen wie in wirtschaftlich vergleichbaren Ländern in Kontinentaleuropa unterstellt, dann sollte weiterhin ein latent starker Wunsch nach zusätzlichem Wohnraum bestehen. 74 E NTWICKLUNG DES P RO ‐K OPF ‐W OHNUNGSBESTANDES IN I RLAND Veränderung geg. Vj. in % Index 1995 = 100 150 3,5 140 3 130 2,5 Index 1995 120 2 110 1,5 100 1 90 0,5 80 70 0 60 -0,5 50 -1 Quellen: Housing Statistics (2010), Hypostat, UNECE; eigene Berechnung Veränderung in % A BBILDUNG 47 75 FRANKREICH WOHNVERHÄLTNISSEDERZEIT Frankreich hatte im Jahr 2010 rund 64,4 Millionen Einwohner (Eurostat). Die Einwohnerdichte beträgt, ähnlich wie in Österreich, rund 100 Einwohner pro m2, eine im europäischen Vergleich durchschnittlich hohe Dichte. Eine große Bedeutung hat der Großraum Paris mit über 18% der Einwohner. Die Großstadtregionen von Lille (4%.), Lyon (3,5%) und Marseille (3,1%) vereinigen noch einmal 10,6% der Einwohner auf sich. Sieht man von der Dominanz des Pariser Raums ab, so ist die Bevölkerung in Frankreich aber relativ gleichmäßig auf die Fläche verteilt. In 38 Großstadtregionen leben 65% der Bevölkerung, keine sehr hohe räumliche Konzentration. Das Bevölkerungswachstum war in den letzten 30 Jahren mit einem Plus von 19,8% eines der höchsten in Europa, höher nur in Spanien und Irland (abgesehen von einigen kleineren Ländern wie Malta, Luxemburg und Cypern) (Housing Statistics, 2010). Für den Zeitraum bis 2050 wird mit plus 14% weiterhin ein hohes Wachstum, ähnlich hoch wie in Spanien und Schweden, erwartet. Die Fertilitätsrate ist die zweithöchste in Europa, höher nur in Irland. Die Netto‐Zuwanderung war angesichts der Größe des Landes in den letzten Jahren nicht sehr hoch, jedenfalls wesentlich unter den Zahlen von Spanien (Housing Statistics, 2010). Die makroökonomische Entwicklung Frankreichs war in den letzten beiden Jahrzehnten wenig beeindruckend. Frankreich hatte im Jahr 2007 mit 108 Indexpunkten ein Pro‐Kopf‐ Einkommen gemessen in Kaufkraftstandards das nur unwesentlich über dem EU‐27 Durchschnitt lag. Das BIP pro Kopf hat sich seit 2007 etwas besser entwickelt als im EU‐14 Schnitt. Die Arbeitslosenquote ist im internationalen Vergleich seit Jahren relativ hoch. Sie liegt beständig bei 9% oder darüber. Nur im Jahr 2008 konnte mit 7,8% eine geringere Arbeitslosigkeit erreicht werden. Im April 2011 lag die Arbeitslosenquote bei 9,4% (Eurostat). Beschäftigung und Frauenbeschäftigung entwickeln sich in etwa gleich wie im EU‐14 Schnitt. T ABELLE 13 ‐ F RANKREICH S CHLÜSSELINDIKATOREN ( DURCHSCHNITTLICHE J ÄHRLICHE V ERÄNDERUNG IN %) 1995 ‐ 2000 2000 ‐ 2007 2007 ‐ 2010 (1) Frankreich Reales BIP 3,0 2,0 ‐0,3 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt 5,2 3,3 ‐2,2 Bevölkerung 0,4 0,7 0,6 Reales BIP pro Kopf 2,5 1,2 ‐0,8 Beschäftigung 1,2 1,4 0,1 Frauenbeschäftigung 1,2 2,2 1,4 EU‐14 Reales BIP 4,1 2,7 ‐1,0 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt 7,1 3,2 ‐4,9 Bevölkerung 0,4 0,6 0,6 Reales BIP pro Kopf 3,7 2,0 ‐1,5 Beschäftigung 1,9 1,4 ‐0,4 Frauenbeschäftigung 2,4 2,2 1,3 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung; (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007 ‐ 2009 2009/2010 1,6 0,5 1,1 1,5 0,4 1,1 76 A BBILDUNG 48 E INKOMMEN ‐ UND B ESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG IN FRANKREICH– D IFFERENZ ZU EU‐14 D URCHSCHNITT ( JÄHRL . V ERÄNDERUNG IN %) 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2010 (1) 2009/2010 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 -2,0 (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007-2009 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung Die Anzahl der Haushalte beträgt derzeit ca. 27 Millionen. Der Anteil an Singlehaushalten ist mit rund 34% etwas niedriger als in den Niederlanden (36%) und deutlich niedriger als in Schweden, Finnland, Deutschland und Dänemark. Die durchschnittliche Belegungszahl war mit 2,3 Personen pro Haushalt im Jahr 2005 gering. Mit durchschnittlich über 40 m2 pro Person steht den Franzosen ähnlich wie den Österreichern (41 m2) und Finnen (39 m2) vergleichsweise viel Wohnraum zur Verfügung. Die Überbelegungsquote war in beiden Mietensektoren (mit Marktpreis und mit regulierter Miete) mit 21,6% und 16,7% durchschnittlich hoch (Eurostat). A BBILDUNG 49 W OHNUNGSMARKTINDIKATOREN – F RANKREICH UND EU‐14 70 60 50 40 30 20 10 0 EU-14 Frankreich Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnung 77 Die Ausstattung der Wohnungen ist gut. So gut wie alle Wohnungen verfügen über ein eigenes Bad und Warmwasser, 93% verfügen über Zentralheizung (Housing Statistics, 2010). Der Wohnungsbestand ist aus europäischer Sicht eher als “alt” zu bezeichnen. Der Anteil der seit 1981 errichteten Wohnungen beträgt nur 27,1% (Housing Statistics, 2010). Von den ca. 31 Millionen waren im Jahr 2008 28 Millionen Hauptwohnsitzwohnungen und 3 Millionen Zweitwohnsitze. Im Jahr 2009 befanden sich etwas mehr als 40% der Wohnungen in Mehrfamilienbauten und etwas weniger als 60% in Einfamilienhäusern. Rund 57% der Wohnungen stellen Wohnungseigentum dar, 49% sind Mietwohnungen und 4% haben andere Rechtsformen. Das sind Werte, die ziemlich genau den österreichischen entsprechen. Der Anteil der Sozialwohnungen (Gemeinnützige und Öffentliche) beträgt seit Jahren relativ konstant 17% vom Gesamtbestand bzw. 44% vom Mietwohnungsbestand (Housing Statistics, 2010). 23% der Hauptwohnsitzwohnungen befinden sich im Eigentum physischer Personen, 4% gehörten anderen Bauträgern geförderter Mietwohnungen und nur 1% privaten Unternehmen. Die Franzosen gaben im Jahr 2008 im Durchschnitt 25,2% des Konsumbudgets fürs Wohnen aus, ein sehr hoher Wert in Europa (Housing Statistics, 2010). Die Mieten im privaten Mietensegment waren mit durchschnittlich 6,3 €/m2 im Jahr 2009 im europäischen Mittelfeld. Die Mieten im sehr bedeutenden regulierten Marktsegment (HLM‐Sektor) waren mit 4,0 €/m2 vergleichsweise niedrig (Housing Statistics, 2010). Der Preisindex der Wohnungskosten lag mit einem Wert von 110,7 über dem Durchschnitt in den EU‐27. Die Überbelastungsquoten der französischen Privathaushalte waren je nach Rechtsform unterschiedlich hoch und den österreichischen sehr ähnlich (Eurostat). Die Überbelastung war im Segment der „Mietwohnungen mit Marktpreis“ am höchsten. Die Quote von 10,0% stellt aber im internationalen Vergleich einen sehr geringen Wert dar. Sehr niedrig sind die Überbelastungsquoten in den Eigentumssegmenten und im Segment „Mietwohnungen mit ermäßigtem Preis“ (HLM‐Sektor). Wohnungspoliti k 25 In Frankreich gab es 1977 eine umfassende Reform der Wohnungspolitik. Die Objektförderung wurde zurückgenommen und im Gegenzug eine umfangreiche individuelle Subjektförderung eingeführt. Die verfügbaren staatlichen Mittel sollten stärker auf einkommensschwächere Haushalte konzentriert werden. Im Zuge der Dezentralisierung der Verwaltung wurde den Regionen und Gemeinden mehr Verantwortung in der Wohnungspolitik übertragen. Die Gemeinden sollten für ausreichende Bereitstellung geförderter Mietwohnungen sorgen. Ein wichtiges Instrument dazu war die direkte Beteiligung der Gemeinden an den gemeinnützigen HLM‐ Unternehmen. Das Stadtentwicklungsgesetz von 1991 hatte u.a. zum Ziel, in den französischen Gemeinden Segregationstendenzen entgegenzutreten und eine ausgewogene Sozialstruktur zu sichern. Die Gemeinden sind angehalten, sich gefährdeter Gruppen anzunehmen und Wohnungen für Personen mit akutem Wohnungsbedarf zu organisieren. 25 Dieser Abschnitt beruft sich großteils auf Donner (2011) und Boulhol (2011). 78 Das Recht auf eine angemessene Wohnung wurde durch das Gesetz “Solidarität und Stadterneuerung” aus dem Jahr 2000 gestärkt. Seit Anfang 2002 müssen alle Gemeinden, deren Wohnungsbestand nicht mindestens 20% HLM‐Mietwohnungen enthält, eine Abgabe entrichten und ein Programm vorlegen, mit welchem sie diese Vorgabe erreichen wollen. Rund 800 Gemeinden sind davon betroffen. Seit dem Jahr 2007 besteht ein einklagbares Recht auf eine angemessene Wohnung. Eine Kommission muss bei Vorliegen eines nachgewiesenen Wohnungsbedarfs binnen einer Frist eine Wohnung zuweisen. Die “angemessene” Frist ist jedoch lang, sie beträgt in Paris 8 Jahre, im Rest des Landes 1 bis 3 Jahre. Im Jahr 2008 hat der Staat in Frankreich 37 Mrd. Euro bzw. 1,9% des BIP für den Wohnungssektor ausgegeben. 15,7 Mrd. € betrug davon die Wohnbeihilfe, die an 20% der Haushalte ausgezahlt wurde. Die Effektivität der Subjektförderung war beeinträchtigt durch eine schwache Angebotsreaktion. Ein Großteil wurde über erhöhte Mieten an die durchgereicht (Fack, 2005, zitiert nach Bouhol, 2011). Vermieter Wohnungsverbesserungen und ‐modernisierungen wurden 2008 mit 7 Mrd. € subventioniert. Der Hauptteil der Subvention lag in einer Reduktion des Umsatzsteuersatzes auf 5,5%. Ein Großteil der Sozialwohnungen wurde 2008 von den HLM‐Institutionen bewirtschaftet. Die HLM (habitations a loyer modere) sind im Wesentlichen gemeinnützige Wohnungsunternehmen, die aber in verschiedenen Rechtsformen auftreten (Donner, 2011): (a) Knapp 300 Wohnungsämter (offices publics d’HLM, OPHLM) werden durch die Gemeinden kontrolliert. (b) Weitere etwa 300 Unternehmen haben die Rechtsform einer AG (reprises sociales pour l’habitat). Sie wurden vor allem von großen Wirtschafts‐ und Finanzunternehmen gegründet. (c) 160 Wohnbaugenossenschaften. Darüber hinaus gibt es ca. 60 Kreditunternehmen (societes anonymes de credit immobilier, SACI), die seit 2009 nicht mehr dem HLM‐Sektor angehören, und etwa 200 gemischte Wohnbauunternehmen (socities d’economie mixte sociales, SEM), welche die HLM‐Regulierungen einhalten, aber keine spezielle Anerkennung benötigen (Donner, 2011). Trotz des hohen Subventionsniveaus sind die Netto‐Bestandszuwächse an Sozialwohnungen von durchschnittlich 60.000 in den 1980er Jahren auf 40.000 bis 50.000 in den letzten Jahren zurückgegangen. Erst im Jahr 2010 wurde wieder ein Wert von annähernd 60.000 Wohnungen erreicht. Die Sozialwohnbauunternehmen sind befreit von der Körperschaftssteuer, von Transferabgaben, von der Mietenbesteuerung und von Gebäudesteuern und sie unterliegen einer Umsatzsteuer von nur 5,5%. Sie stehen einer starken Nachfrage gegenüber. Seit 2008 gab es mehr als 170.000 Anfragen zu Sozialwohnungen. Der private Mietwohnungsbau wird seit 1984 durch verschiedene Maßnahmen gefördert, die letzte war das sogenannte Scellier‐Programm. Es basiert auf einer Steuerreduktion, die proportional zum Investitionsvolumen verläuft. Gefördert wird, wer sich an Mietobergrenzen und Einkommensgrenzen für Bewohner hält. Insgesamt haben die Maßnahmen zum Bau von 570.000 Wohnungen zwischen 1985 und 2009 beigetragen. Seit 2009 ist das Scellier‐Programm auf Gebiete mit knappen Märkten reduziert. Der Grund war, dass die vorangegangenen Fördersysteme auch zu Wohnbau in ohnehin gesättigten Märkten geführt haben. Die Obergrenze für die förderbaren Kosten beträgt 300.000 € pro Mietwohnung. Ein Viertel der Gesamtkosten kann über 15 Jahre verteilt vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden. Im Gegenzug müssen die Wohnungen 79 mindestens 9 Jahre lange vermietet werden. Die einzuhaltenden Mietobergrenzen liegen knapp unter dem Marktmietenniveau. Für besonders energiesparende Neubauten gilt für das Jahr 2001 ein Satz von 25% und für 2012 ein Satz von 20% der förderbaren Kosten. Frankreich hat, wie die meisten hier betrachteten Länder, eine gespaltene Mietenregulierung. Für geförderte gemeinnützige Mietwohnungen werden jährlich regional differenzierte Mietobergrenzen festgelegt. Innerhalb der Grenzen können die HLM‐Unternehmen die Mieten frei gestalten, wobei aber eine Wohnanlage als wirtschaftliche Einheit betrachtet wird. Die Möglichkeiten der Quersubventionierung sind daher begrenzt, das Mietenniveau unterscheidet sich vor allem nach der Lage, weniger nach der Qualität der Wohnungen. Die HLM‐Mieten sind dem entsprechend in Paris am höchsten, in den Kleinstädten am geringsten. Wegen der noch stärkeren regionalen Unterschiede bei den Marktmieten kann es vorkommen, dass die HLM‐Mieten in der Provinz die Marktmieten übersteigen, während in Paris die HLM‐Mieten weit unter den Marktmieten liegen. Für die HLM‐Unternehmen besteht die Möglichkeit, die Mieten über einen Zuschlag zu erhöhen, falls das Haushaltseinkommen nach einiger Zeit die geltenden Obergrenzen überschreitet. Bis 2008 musste ein Zuschlag erhoben werden, falls die Einkommensüberschreitung über 60% lag. Seit 2009 besteht die Verpflichtung zur Einhebung bereits bei einer Überschreitung von 20%. Anfang der 1980er Jahre waren auch die Privatmietverhältnisse stark reguliert. Nach dem Mietengesetz 1982 bestand ein erhöhter Mieterschutz. So musste der Vermieter bei Mieterhöhungen auf die Einkommenssituation der Mieter Rücksicht nehmen. 1986 wurde der Mieterschutz abgebaut, kürzere Befristungen und vereinfachte Kündigungen durch den Vermieter wurden eingeführt. 1989 gab es mit dem Gesetz Mermaz‐Malandin eine weitere Mietrechtsreform. Mietverträge von Vermietern, die Privatpersonen sind, müssen seither mindestens 3 Jahre, solche von Vermietern die juristische Personen sind, mindestens 6 Jahre laufen. Die Anfangsmiete für neue und erneuerte Wohnungen kann frei vereinbart werden, die Mieterhöhungen waren aber bis 2008 an die Entwicklung des Baukostenindex gekoppelt. Seit 2008 gilt als Referenz anstelle des Baukostenindex ein eigener Mietenreferenzindex. Auch bei Wiedervermietung von Bestandswohnungen (also nicht neu und nicht erneuert) kann die Anfangsmiete frei vereinbart werden, muss sich aber an Vergleichswerten orientieren. WOHNBAULEISTUNG In Frankreich haben die starken Hauspreissteigerungen im Jahr 1999 eingesetzt und bis zum Jahr 2007 angehalten. Nach einem vergleichsweise moderaten Einbruch in den Jahren 2008 und 2009 sind die realen Häuserpreise 2010 wieder angestiegen. Die Reaktion der Wohnbauinvestitionen auf die Hauspreisrally war relativ schwach. Das Investitionswachstum lag im Zeitraum 2000 bis 2007 sogar leicht unter dem EU‐14 Schnitt. Die Baubewilligungen pro 1.000 EW haben sich zuletzt besser entwickelt als im EU‐14 Schnitt. Die Baubeginne lagen 2010 bereits über dem EU‐14 Schnitt. 80 A BBILDUNG 50 E NTWICKLUNG DER H ÄUSERPREISE UND W OHNBAUINVESTITIONEN IN F RANKREICH , REAL HP-Ver Index Häuserpreise WBI-Ver Index Wohnbauinvestitionen 350 50 40 300 Index 1995 250 20 10 200 0 150 -10 -20 100 Veränderung geg. Vj in % 30 -30 50 -40 -50 0 Quellen: Eurostat; INSEE; eigene Berechnung A BBILDUNG 51 W OHNBAULEISTUNG FRANKREICH – D IFFERENZEN ZU EU‐14 D URCHSCHNITT 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 -2,0 Jährl. %-Veränderung %-Punkte Baubeginne Bewilligungen Fertigstellungen Wohnbauinvestitionen in % des BIP Wohnbauinvestitionen real pro 1.000 EW Wohnbauinvestitionen real Reale Häuserpreise -4,0 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2009 (1) 2009/2010 bzw. 2010 Anzahl pro 1.000 EW (1) Häuserpreise: 2007 ‐ 2010 Quellen: OECD, Eurostat, Hypostat, Hauspreisquellen FR:INSEE; eigene Berechnungen Die realen Wohnbaukosten haben sich langfristig ähnlich entwickelt wie in Spanien. Der Index zeigt, ausgehend von einem Höchststand Ende der 1970er Jahre, fast zwanzig Jahre lang einen rückläufigen Trend. Seit der Trendumkehr im Jahr 1997 sind die realen Wohnbaukosten in jedem Jahr angestiegen, seit 2004 sogar relativ stark. Zum Teil werden dafür erhöhte Anforderungen an die technischen Standards der Wohnungen verantwortlich gemacht (Boulhol, 2011). 81 A BBILDUNG 52 E NTWICKLUNG DER W OHNBAUKOSTEN IN F RANKREICH , REAL Veränderung geg. Vj. in % Index 1995 = 100 150 15 140 Index 1995 120 Veränderung in % 10 130 5 110 100 0 90 -5 80 70 -10 60 50 -15 Quellen: OECD, Eurostat; eigene Berechnung E NTWICKLUNG DES P RO ‐K OPF ‐W OHNUNGSBESTANDES IN F RANKREICH Veränderung geg. Vj. in % Index 1995 = 100 150 3,5 140 3 130 Index 1995 120 2,5 2 110 1,5 100 1 90 80 0,5 70 0 60 -0,5 50 -1 Veränderung in % A BBILDUNG 53 Quellen: Housing Statistics (2010), Hypostat, UNECE; eigene Berechnung Untersuchungen zur Entwicklung der Häuserpreise in Frankreich kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass die Entwicklung mit Fundamentalfaktoren gut erklärt werden kann. Nach den Analysen von Miles und Pillonca (2008), Andre (2010) und de Bandt et al. (2010) waren die Häuserpreise in den letzten Jahren angesichts der gestiegenen verfügbaren Einkommen, der Entwicklung bei den Zinsen und angesichts demographischer und sozialer Veränderungen wie zunehmende Alterung, zunehmende Scheidungsraten usw. im Durchschnitt nicht fehlbewertet. 82 Als Besonderheit wird das französische System der Wohnbaufinanzierung hervorgehoben, das in der Finanzkrise stabilisierend gewirkt habe (Bouhol, 2011). Frankreich betreibt ähnlich wie Österreich und früher auch Schweden eine starke Objektförderung. Empfänger der Förderung, zumeist in Form subventionierter Kredite, sind fast ausschließlich die gemeinnützigen Bauvereinigungen (HLM). Als Finanzierungsquelle der Kredite dienen steuerbefreite Spareinlagen der privaten Haushalte. Die Transformation der Spareinlagen in langfristige Kredite für den Wohnungsneubau läuft über das Bankensystem, wobei den Banken eine jährliche Bearbeitungsgebühr in Höhe von 0,6% (1,12% vor 2008) zugestanden wird. Durch die Steuerfreiheit der Bankeinlagen und die geringe Bankgebühr ist es möglich, den gemeinnützigen Wohnbauunternehmen günstige Kredite zur Verfügung zu stellen, welche sie wiederum in Form niedriger Mieten an die Bewohner im sozialen Wohnbau weitergeben. Es gibt allerdings drei Kategorien von Krediten mit unterschiedlich hohem Fördergehalt die an drei unterschiedliche Typen sozialen Wohnens vergeben werden: Standardkredite, Kredite für “sehr arme” Haushalte und Kredite für Haushalte auch mit höherem Einkommen. Nach Laferrere (2006) geht rund ein Drittel der Förderungen an Haushalte in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung. Frankreich hatte nicht, wie andere Länder, zuletzt mit einer Überproduktion im Wohnungssektor zu kämpfen, eher ist das Gegenteil der Fall. Die Angebotsreaktion (sowohl Ausmaß als auch Geschwindigkeit) auf Veränderung der Wohnungspreise ist gering. Wohnbau und Wohnbauinvestitionen haben auf die demographischen Veränderungen seit Ende der 1990er Jahre mit einer Verzögerung von mehr als 5 Jahren reagiert. Der Neubau hat angesichts der kräftigen Preissteigerungen schwach reagiert, schwächer nur in Großbritannien und den Niederlanden (Andre, 2010). Für die schwache Angebotsreaktion insgesamt wird eine Reihe von Faktoren verantwortlich gemacht, die ihren Ursprung in der Wohnungspolitik haben (Boulhol, 2011): ‐ ‐ ‐ ‐ Die starke Segmentierung des Mietensektors: Die sozialen Mieten liegen im Durchschnitt um 60% unter den Marktmieten, bereinigt um Lagequalitäten um 40%. Die implizite Subvention des Sektors beläuft sich auf 0,6% des BIP pro Jahr. Die Segmentierung, insbesondere das Mietendumping, bewirkt unter anderem eine exzessive Wohnungsnachfrage im Sozialsegment, wenig Anreize für Neubau, wenig Anreize für Erhaltungsinvestitionen im Bestand, Reduktion von Mobilität und Korruption. Obwohl das Mietenniveau insgesamt nach unten gedrückt wird, steigen durch die Segmentierung die Mieten im freien Segment überproportional stark. Nach Schätzung von Boulhol wird das generelle Mietenniveau um 1,3% gedrückt, sind dadurch die Marktmieten um 5% höher und wird der Wohnungsbestand um 1,3% reduziert. Das Ausmaß der Mietenkontrolle im privaten Sektor ist starker als in anderen Ländern. Die Indexierung der Mieten, d.h. Anpassungen der Mietenhöhe nach dem Verbraucherpreisindex führen zu falschen Anreizen weil sie die strukturellen Veränderungen in den Konsumausgaben nicht berücksichtigen. Dadurch kommt es zu geringerer Mobilität im Bestand, erhöht die Kosten für die Bezieher neuer Wohnungen, verringert wahrscheinlich die Neubauleistung und erhöht damit generell das Mietenniveau. Boulhol schlägt eine Indizierung bestehender Mietverhältnis am Marktmietniveau vor, möglichst auf lokaler Ebene. 83 ‐ Mit 12% relative hohe Transaktionskosten bei Kauf/Verkauf von Grundstücken. Diese wirken sich aber vor allem auf die Mobilität aus. Der Einfluss auf den Wohnungsneubau dürfte gering sein. Diesen und anderen Faktoren arbeitet die Steuergesetzgebung in Frankreich teilweise entgegen oder führt zu widersprüchlichen Anreizen. Die Nichtbesteuerung imputierter Mieten und die geringe Besteuerung von Veräußerungsgewinnen beispielsweise unterstützt die Nachfrage nach Wohnkonsum auf Kosten des Nicht‐Wohnkonsums. Verzerrend wirkt die Bevorzugung von Renovierung und Verbesserungsmaßnahmen in der Umsatzsteuer (nur 5,5% während für den Neubau ein Satz von 19,6% gilt). Umsatzsteuer wird auch bei jedem Verkauf fällig, falls innerhalb von 5 Jahren weiterveräußert wird, was zu Mehrfachbesteuerung ein und desselben Grundstücks führen kann. Durch die Nichtbesteuerung der imputierten Mieten, die es außer in Belgien, den Niederlanden und Norwegen derzeit auch sonst nicht gibt, wird der Eigentumssektor auf Kosten des Buy‐to‐ let‐Marktes (vermietete Vorsorgewohnungen), in welchem die Mieterträge besteuert werden, gestützt. Die imputierten Mieten werden in der VGR auf immerhin 6% des BIP geschätzt. Zur Erhöhung der Angebotsreaktion im Wohnbau schlägt Bouhol (2011) folgende Maßnahmen vor: ‐ ‐ ‐ ‐ Maßnahmen gegen das Free‐Rider Verhalten der Gemeinden bei Baubewilligungen. Seit 2004 ist die Wohnungspolitik in Frankreich inter‐kommunal ausgerichtet, um den Focus stärker auf regionale Entwicklungen zu richten. Den Gemeinden obliegt jedoch weiterhin die Erteilung von Baubewilligungen. Ein NIMBY‐Verhalten (“Not in my back yard”) könnte dazu führen, dass Gemeinden Schwarzfahrer spielen und darauf setzen, dass in den Nachbargemeinden gebaut wird. Im Großraum Paris braucht es eine bessere zentralere Aufsicht der Wohnungspolitik. Die Steuer auf nicht genutztes gewidmetes Bauland, die derzeit nur einigen Gemeinden anzutreffen ist, sollte breitere Anwendung finden. Die kritische Behaltefrist von 2 Jahren sollte verkürzt werden, d.h. die Steuerpflicht schon früher einsetzen. In den letzten Jahren haben vor allem technische und umweltpolitisch motiviert Regulierungen für Hauseigentümer zugenommen. Das hat Baukosten, Wohnungspreise und Mieten erhöht und Bauzeiten verlängert. Nach Schätzungen sind dadurch Zusatzkosten bei Neubauten in den Jahren 2006 und 2007 in Höhe von 4,5% bis 17% entstanden. Zukünftige Regulierungsmaßnahmen sollten einer systematischen Ex‐ante‐Evaluierung hinsichtlich von Kosten und Nutzen unterworfen werden. 84 NIEDERLANDE WOHNVERHÄLTNISSEDERZEIT Die Einwohnerzahl der Niederlande belief sich im Jahr 2010 auf rund 16,5 Millionen (Eurostat). Die Niederlande haben bei weitem die höchste Bevölkerungsdichte in Europa. Mit etwa 490 Einwohnern pro m2 ist diese fünf Mal so hoch wie in Österreich und vierzig Mal so hoch wie in Schweden. Die Bevölkerung ist räumlich relativ gleichmäßig verteilt. Nur etwas mehr als ein Viertel der Bevölkerung lebt in den drei Ballungsräumen Amsterdam, Rotterdam und Utrecht. Das Bevölkerungswachstum war in den letzten 30 Jahren mit einem Plus von 17% überdurchschnittlich hoch, für den Zeitraum bis 2050 wird aber, trotz derzeit relativ hoher Fertilitätsrate und tendenziell positiver Netto‐Migrationsraten kein wesentliches Wachstum mehr erwartet. Der Grund dürfte in der prognostizierten sehr starken Zunahme des Altersabhängigkeitsquotienten liegen. Nach 2040 soll dadurch das Bevölkerungswachstum negativ werden (Housing Statistics, 2010). Die Entwicklungen von Einkommen und Bevölkerung seit 1995 entsprechen ziemlich genau dem EU‐14‐Schnitt. Schwach war die Entwicklung der Bruttoanlageinvestitionen im Zeitraum 2000 bis 2007. Dazu hat auch der relativ schwache Wohnbausektor beigetragen (siehe weiter unten). Die Beschäftigungsentwicklung war bis etwa 2000 und seit der Finanzkrise 2007 etwas stärker als im EU‐14‐Durchschnitt. Die Niederlande hatten nach Luxemburg und Irland das höchste durchschnittliche Pro‐ Kopf‐Einkommen im Jahr 2007. Der Einbruch der irischen Einkommen in der Wirtschaftskrise haben die Niederlande an die zweite Stelle in der EU‐27 gebracht. Im Jahr 2010 lag des BIP pro Kopf in Kaufkraftstandards um 34% über dem EU‐27 Schnitt. Die Arbeitslosenquote war mit 4,7% im Jahresdurchschnitt 2008 geringer als in Österreich, mit 4,2% im April 2011 auf gleichem Niveau wie in Österreich (Eurostat). T ABELLE 14 ‐ N IEDERLANDE S CHLÜSSELINDIKATOREN ( DURCHSCHNITTLICHE J ÄHRLICHE V ERÄNDERUNG IN %) 1995 ‐ 2000 2000 ‐ 2007 2007 ‐ 2010 (1) Niederlande Reales BIP 4,4 2,1 ‐0,1 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt 7,5 1,3 ‐2,8 Bevölkerung 0,6 0,4 0,4 Reales BIP pro Kopf 3,7 1,6 ‐0,6 Beschäftigung 3,0 1,1 0,5 Frauenbeschäftigung 3,9 1,8 1,9 EU‐14 Reales BIP 4,1 2,7 ‐1,0 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt 7,1 3,2 ‐4,9 Bevölkerung 0,4 0,6 0,6 Reales BIP pro Kopf 3,7 2,0 ‐1,5 Beschäftigung 1,9 1,4 ‐0,4 Frauenbeschäftigung 2,4 2,2 1,3 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung; (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007 ‐ 2009 2009/2010 1,7 0,5 1,2 1,5 0,4 1,1 85 A BBILDUNG 54 E INKOMMEN ‐ UND B ESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG IN DEN NIEDERLANDEN – D IFFERENZ ZU EU‐14 D URCHSCHNITT ( JÄHRL . V ERÄNDERUNG IN %) 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2010 (1) 2009/2010 -1,0 -1,5 -2,0 (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007-2009 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung Die Anzahl der Haushalte beträgt derzeit ca. 7,3 Millionen. Der Anteil an Singlehaushalten ist mit rund 36% relativ hoch, höher nur in Schweden, Finnland, Deutschland und Dänemark. Dem entsprechend ist die durchschnittliche Belegungszahl mit 2,2 Personen pro Haushalt gering. Mit durchschnittlich über 41 m2 pro Person steht den Niederländern vergleichsweise viel Wohnraum zur Verfügung. Die Überbelegungsquoten waren in allen Rechtsformen im Jahr 2009 gering (Eurostat). Die Ausstattung der Wohnungen ist ähnlich gut wie in Schweden. So gut wie alle Wohnungen verfügen über ein eigenes Bad und Warmwasser, 94% verfügen über Zentralheizung (Housing Statistics, 2010). Der Wohnungsbestand ist im europäischen Vergleich durchschnittlich alt. Der Anteil der seit 1981 errichteten Wohnungen beträgt 32,3% (Housing Statistics, 2010). Von den ca. 7,1 Millionen Wohnungen im Jahr 2009 waren rund 56% Wohnungseigentum, 34% gemeinnützige Mietwohnungen und 10% private Mietwohnungen. Etwa 500 gemeinnützige Wohnungsunternehmen bewirtschaften gegenwärtig rund 2,4 Millionen Wohnungen. Das sind mehr als ¾ aller Mietwohnungen. Damit sind die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen die wichtigste Gruppe an Akteuren am niederländischen Wohnungsmarkt. Ihr Anteil am Gesamtwohnungsbestand lag Anfang der 1990er Jahre sogar bei 44%, der Sektor wurde aber durch Abbrüche und Verkäufe im Laufe der Zeit reduziert (Donner, 2011). Trotz dieser Reduktion ist der Anteil der gemeinnützigen Wohnungen am Wohnungsbestand in den Niederlanden nach wie vor der höchste in der gesamten Europäischen Union. Der relativ unbedeutende private Mietwohnungssektor teilt sich auf eine Gruppe von 30 institutionellen Vermietern wie Versicherungen und Pensionsfonds und auf Privatpersonen auf. Die Mietwohnungen im Eigentum von Privatpersonen stammen zumeist aus den Vorkriegsbeständen und sind von schlechterer Qualität (Donner, 2011). 86 A BBILDUNG 55 W OHNUNGSMARKTINDIKATOREN – N IEDERLANDE UND EU‐14 70 60 50 40 30 20 10 0 EU-14 Niederlande Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnung Die Niederländischen Privathaushalte geben im Durchschnitt rund 22,5% des Konsumbudgets fürs Wohnen aus, ein mittlerer Wert in Europa (Housing Statistics, 2010). Die Mieten im kleinen relativ unbedeutenden privaten Mietensegment waren mit durchschnittlich 10,1 €/m2 im Jahr 2009 sehr hoch. Von jenen Ländern, für welche entsprechende Daten vorliegen, hatte nur Irland ein höheres Privatmietenniveau. Die Mieten im sehr bedeutenden regulierten Marktsegment (Gemeinnützige plus Öffentliche) waren mit 4,9 €/m2 dagegen durchschnittlich (Housing Statistics, 2010). Der relative Preisindex der Wohnungskosten (Mieten plus Energie; EU‐27 = 100) weist mit 121,5 im Jahr 2008 einen sehr hohen Wert auf. Interessant ist, dass die Überbelastungsquoten trotzdem vergleichsweise gering sind. Einzige Ausnahme ist die Überbelastungsquote im Segment „Eigentum mit Hypothek“, die mit 12,2% einen im europäischen Vergleich relativ hohen Wert erreichte (Eurostat). Nur 11,7% der privaten Haushalte empfanden im Jahr 2008 den Wohnungsaufwand als schwere finanzielle Belastung. Ein Wert, der nur in Dänemark (7,4%) und in Schweden (10,4%) unterschritten wurde (Housings Statistics 2010). WOHNUNGSPOLITIK Das niederländische Wohnungsförderungsinstrumentarium wurde schon seit den 1970er Jahren von der Objektförderung sukzessive auf die Subjektförderung und auf staatliche Garantien für gemeinnützige Bauträger umgestellt. Seit dem Jahr 1988 gibt es keine öffentlichen Wohnbaudarlehen mehr, allerdings gab es bis 1995 noch geringe zweckgebundene Baukostenzuschüsse (Donner, 2011). In diesem Jahr wurde die eine fundamentale Änderung des „Gesamtausgleichsvereinbarung“, Finanzierungssystems, umgesetzt, durch welche die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen finanziell vom Staat unabhängig wurden. Gemäß der Vereinbarung leistete der Staat auf einen Schlag eine „Ablöse“ in der Höhe des 87 geschätzten Barwerts aller künftigen Bewirtschaftungszuschüsse abzüglich aller ausstehenden Darlehenssalden. Seither müssen die Gemeinnützigen den Bau neuer Wohnungen über den Kapitalmarkt finanzieren, unterstützt durch den 1988 gegründeten zentralen Wohnungsfonds und den Garantiefonds für Sozialwohnbau26. Die Niederlande haben, ähnlich wie Schweden mit dem Nutzungswert und Österreich mit den Richtwertmieten, schon im Jahr 1979 für den gesamten Mietensektor mit den “Wohnwerten” ein Vergleichswertsystem zur Mietenregulierung eingeführt. Jede Wohnung wird nach Größe, Wohnform, Ausstattung, lokaler Infrastruktur usw. bewertet und deren Miete an die jährlich aktualisierten Normwerte angepasst. Während der 1980er Jahre hat man die Mieten generell über die Inflationsrate hinaus angehoben, um die öffentlichen Bewirtschaftungszuschüsse reduzieren zu können. Seit dem Jahr 1995 dürfen die Wohnbauvereinigungen die Mieten innerhalb ihres Bestandes differenziert verändern. Die Gesamtanpassung muss aber dem von der Regierung festgelegten Richtwert entsprechen. Die maximal von der Regierung zugelassenen Mietsteigerungsraten wurden von vielen Wohnbauvereinigungen nicht umgesetzt, weil sie zunehmende Leerstände befürchteten. Die Mieten blieben um durchschnittlich 30% unter der Kostenmiete und mussten mit anderen Erträgen, vor allem mit Bestandsverkäufen quersubventioniert werden. Das System der Wohnwertmietenregulierung ist noch heute in Kraft und betrifft den Großteil des Mietwohnungsbestandes. Ausgenommen ist nur das Hochpreissegment, das sind Wohnungen, deren Mieten im Jahr 2011 über 650 € liegen (Donner, 2011). Ein Ziel der Wohnungspolitik der Niederlande in den 1990er Jahren war es, eine bessere Übereinstimmung zwischen Haushaltseinkommen und Mieten zu erreichen. Durch einen besseren Filteringprozess sollten Fehlbelege im sozialen Mietwohnungsbestand, also die “Blockierung” von Sozialwohnungen durch besserverdienende Familien, reduziert werden. Das wurde zum Teil dadurch erreicht, dass den Wohnbauvereinigungen als eine Bewirtschaftungsrichtlinie die Vergabe von Wohnungen an die Zielgruppe vorgegeben wurde. Das Ziel wurde in der Zwischenzeit wieder aufgegeben, weil eine konsequente Umsetzung unweigerlich zur Folge gehabt hätte, dass sich die soziale Struktur im geförderten Mietwohnungssektor verschlechtert hätte. Allerdings hat das Wohnungs‐ und Umweltministerium aufgrund kritischer Stellungnahmen der Europäischen Kommission im Jahr 2007 die gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen angewiesen, die hohen Einkommensgrenzen der Berechtigtengruppe auf 33.000 € zu reduzieren, wodurch jetzt die besser verdienenden Haushalte keinen Zugang zum geförderten Wohnungssektor mehr haben. Ein zweites Problem der niederländischen Wohnungspolitik in den 1990er Jahren stellte die starke Konzentration ärmerer Haushalte in den Großwohnanlagen dar. Durch Kombination mehrerer Maßnahmen sollte das soziale Gefüge dort verbessert werden, darunter Teilabbruch, Zusammenlegung von Kleinwohnungen, Modernisierung, und kleinteiliger Ersatzbau mit hochwertigen Wohnungen, die Haushalte mit höherem Einkommen anziehen sollten (Donner, 2011). 26 Der zentrale Wohnungsfonds springt ein, falls einzelne Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Er speist sich aus Beiträgen der Mitgliedsunternehmen in Höhe von 1% der Mieterlöse. Der Garantiefonds für Sozialwohnbau fungiert als Bürge für die Aufnahme von Kapitalmarktdarlehen durch die Wohnbauunternehmen. Dadurch fallen die Darlehenszinssätze um 50 bis 150 Basispunkte geringer aus (Donner, 2011, S.305). 88 Zu Beginn der 1990er Jahre definierte die Regierung das Ziel, den Wohnungseigentumsanteil auf 65% anzuheben. Innerhalb von 10 Jahren sollten 700.000 Mietwohnungen, darunter 500.000 aus dem geförderten Bestand, verkauft werden. Tatsächlich wurden durchschnittlich nur 15.000 Wohnungen pro Jahr verkauft, vor allem weil, anders als bei der Privatisierung der Sozialwohnungen in Großbritannien, die Preisbildung für Käufer wenig attraktiv war (geringe Rabatte). Die Niederlande setzen heute stärker als alle anderen Länder auf die steuerliche Förderung des Wohnungseigentums (OECD, 2011). A BBILDUNG 56 N IEDERLANDE – L AND MIT DER STÄRKSTEN E IGENTUMSFÖRDERUNG DURCH A BZUGSFÄHIGKEIT VON K REDITZINSEN , 2009 – S PANNE ZWISCHEN M ARKTZINSSATZ UND N ACH ‐ S TEUER ‐F REMDKAPITAL F INANZIERUNGSKOSTEN 1,80 1,60 1,40 1,20 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 NL DÄ GR FI SW BE ES FR IR PT AT IT Quellen:OECD, 2011; eigene Darstellung Ein Sonderproblem der niederländischen Wohnungspolitik stellt die Bodenproblematik dar. Die extrem hohe Einwohnerdichte verschärft den Konflikt zwischen Bodennutzung und Naturschutz. Seit den 1960er Jahren waren die Möglichkeiten im sogenannten “Grünen Herzen”, dem Raum zwischen den vier größten Städten Amsterdam, Rotterdam, The Hague und Utrecht Wohnungen zu bauen extrem eingeschränkt. Gleichfalls aus Naturschutzgründen wurde in den 1970er und 1980er Jahren eine Politik des konzentrierten Wachstums verfolgt, mit dem Ziel das Bevölkerungswachstum auf bestimmte Gebiete, zum Teil eigens errichtete neue Städte, einzuschränken. Derzeit lautet die Zielsetzung, 40% des Neubaus auf die Innenentwicklung der Städte zu konzentrieren (Vermeulen und Rouwendal, 2007a). Generell scheint das Interesse der niederländischen Regierungen am Naturschutz seit den Reformen in den 1990er Jahren noch zugenommen zu haben. Das Ministerium für Wohnen, Planung und Umwelt (VROM) formuliert zwar nach wie vor ambitionierte Ziele für die Wohnungsproduktion, dessen Zuständigkeit beschränkt sich aber mittlerweile allein auf den Umweltschutz. Die starke Orientierung der niederländischen Bodenpolitik am Naturschutz führt zwangsläufig zu Verknappungen des Bodenangebots für Wohnungs‐ und andere Nutzungen. Damit kann die relativ schwache Wohnbauleistung (siehe unten) 89 in den letzten Jahrzehnten aber nur zum Teil erklärt werden. Auch in jenen Gebieten, die für den Wohnungsneubau gewidmet waren, konnten in der Vergangenheit die Produktionsziele nicht oder nur mit großer Verzögerung erreicht werden (Jókövi et al. 2006 zitiert nach Vermeulen und Rouwendal, 2007a). Eine Erklärung liegt in der Anwendung der Residualwertmethode zur Baulandpreisbestimmung. Nach dieser Methode werden nicht nur der Baulandpreis sondern auch die Aufwendungen für wohnungsbezogene öffentliche Güter und Infrastrukturen aus der Differenz von Verkaufserlösen und Baukosten residual ermittelt. Die Kosten für letztere tragen überwiegend die privaten Entwickler und subventionieren damit den sozialen Sektor. Diese implizite Besteuerung des privaten Sektors schafft Anreize bei den Gemeinden, die Nachfrage nach privat finanzierten öffentlichen Gütern auf Kosten einer optimalen Wohnungsproduktion zu erhöhen (Conijn, 2006 zitiert nach Vermeulen und Rouwendal, 2007a). Die Niederlande werden immer wieder als ein Land angeführt, in dem die Wohnungsproduktion auf Veränderungen der Wohnungspreise sehr schwach reagiert (zuletzt Sanchez und Johansson, 2011). Vergangene Untersuchungen zeigen kein ganz einheitliches Bild, bestätigen aber überwiegend die vorherrschende Meinung. Hakfoort und Matysiak (1997) finden für den freifinanzierten nicht‐geförderten Wohnbau eine kurzfristige Preiselastizität des Angebots von 2,3 und eine langfristige von 6. Das sind höhere Werte als in den USA. Swank et al. (2002) dagegen finden in ihrer Untersuchung der Baubewilligungen eine sehr schwache Reaktion. Auf eine schwache Preiselastizität kommen auch Koning et al. (2006) (zitiert nach Vermeulen und Rouwendal, 2007a), OECD (2004b) und Verbruggen et al. (2005) (zitiert nach Vermeulen und Rouwendal, 2007a). Vermeulen und Rouwendal (2007) untersuchen eine Reihe von Angebotsindikatoren für den Mieten‐ und den Eigentumssektor und finden eine extreme schwache kurz‐ bis mittelfristige Reaktion auf Preisänderungen. Nach Meinung der Autoren ist das Ergebnis vor allem auf die restriktive Bodenpolitik und die Anreize der Gemeinden zur Abschöpfung von Renten zurückzuführen. WOHNBAULEISTUNG Die Niederlande hatten von 1992 bis 2007 einen außerordentlich langen Hauspreisboom, unterbrochen nur durch politische Krisen und deren makroökonomische Implikationen. Im Jahr 2002 mussten zwei Regierungen zurücktreten (Wim Kok und Balkenende) und im Mai desselben Jahres wurde der Führer der rechten LPF, Pim Fortuyn, ermordet. 2002 und im Folgejahr gab e seine Stagnation bei den Realeinkommen. Eine weitere politische Krise gab es Ende 2006, Anfang 2007. Nach 2007 war der Einbruch bei den Häuserpreisen im Vergleich zu den meisten anderen hier untersuchten Ländern moderat. Zuletzt stagnierten die Preise. Die Wohnbauinvestitionen konnten mit der Entwicklung der Häuserpreise bei weitem nicht mithalten. Die Anzahl der Fertigstellungen und Baubewilligungen blieb im Zeitraum 2000 bis 2007 unter dem EU‐14 Durchschnitt. In der Zeit der Wirtschaftskrise haben sich die Wohnbauinvestitionen allerdings besser entwickelt als im Durchschnitt der EU‐14. Die realen Wohnbaukosten sind wie die Häuserpreise besonders in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre stark angestiegen. Im Jahr 2004 gab es einen vorübergehenden Einbruch. In den Jahren 2003 und 2004 sind, möglicherweise als Folge der politischen Krisen im 90 Vorjahr, auch die realen Wohnbauinvestitionen eingebrochen. Der Pro‐Kopf‐ Wohnungsbestand der Niederlande hat sich in Folge der schwachen Bauleistung in den letzten Jahren nur geringfügig erhöht. A BBILDUNG 57 E NTWICKLUNG DER H ÄUSERPREISE UND W OHNBAUINVESTITIONEN IN DEN N IEDERLANDEN , REAL HP-Ver Index Häuserpreise WBI-Ver Index Wohnbauinvestitionen 350 50 40 300 Index 1995 250 20 10 200 0 150 -10 -20 100 Veränderung geg. Vj in % 30 -30 50 -40 0 -50 Quellen: OECD, Eurostat; eigene Berechnung A BBILDUNG 58 D URCHSCHNITT W OHNBAULEISTUNG NIEDERLANDE – D IFFERENZEN ZU EU‐14 8 6 4 2 0 -2 Jährl. %-Veränderung %-Punkte Baubeginne Bewilligungen Fertigstellungen Wohnbauinvestitionen in % des BIP Wohnbauinvestitionen real pro 1.000 EW Wohnbauinvestitionen real Reale Häuserpreise -4 Anzahl pro 1.000 EW (1) Häuserpreise: 2007 ‐ 2010 Quellen: OECD, Eurostat, Hypostat, Hauspreisquellen NL:NVM; eigene Berechnungen 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2009 (1) 2009/2010 bzw. 2010 91 A BBILDUNG 59 E NTWICKLUNG DER W OHNBAUKOSTEN IN DEN N IEDERLANDEN , REAL Veränderung geg. Vj. in % Index 1995 = 100 15 150 140 Index 1995 120 5 110 100 0 90 -5 80 70 Veränderung in % 10 130 -10 60 50 -15 Quellen: OECD, Eurostat; eigene Berechnung E NTWICKLUNG DES P RO ‐K OPF ‐W OHNUNGSBESTANDES IN DEN N IEDERLANDEN Veränderung geg. Vj. in % Index 1995 = 100 150 3,5 140 3 130 2,5 Index 1995 120 2 110 1,5 100 1 90 0,5 80 0 70 60 -0,5 50 -1 Quellen: Housing Statistics (2010), Hypostat, UNECE; eigene Berechnung Veränderung in % A BBILDUNG 60 92 SCHWEDEN WOHNVERHÄLTNISSEDERZEIT Die Einwohnerzahl Schwedens belief sich im Jahr 2010 auf rund 9,3 Millionen (Eurostat). Schweden hat nach Finnland die geringste Bevölkerungsdichte in Europa, dafür ist die Bevölkerung räumlich relativ stark konzentriert. Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt in den drei Ballungsräumen Stockholm, Göteborg und Malmö. Der Anteil der drei Ballungsräume an der Gesamtbevölkerung hat seit 2000 und 2006 um 0,9% zugenommen (CIRCABC). Das Bevölkerungswachstum Schwedens war in den letzten 30 Jahren mit einem Plus von 11,5% durchschnittlich, für den Zeitraum bis 2050 wird aber mit +15% ein überdurchschnittliches Wachstum erwartet. Die Gründe dafür liegen einerseits in einer relativ hohen Fertilitätsrate, die in den EU‐27 nur von Frankreich und Irland übertroffen wird. Andererseits ist Schweden ein Einwanderungsland mit regelmäßig positiven Netto‐ Migrationsraten (Housing Statistics, 2010). Schweden hatte im Jahr 2007 ein durchschnittlich hohes Pro‐Kopf Einkommen, vergleichbar mit Österreich. Gemessen in Kaufkraftstandards lag das Einkommen um etwa 25% über dem EU‐27 Schnitt. Nur Luxemburg, Irland und die Niederlande lagen darüber. Im Jahr 2010 lag Schweden mit plus 23% leicht hinter Österreich (+25%) (Eurostat). Die Arbeitslosenquote war mit 6,2% im Jahresdurchschnitt 2008 und 7,5% im April 2011 durchschnittlich hoch (Eurostat). Auffällig ist vor allem die makroökonomische Entwicklung Schwedens während der Finanzkrise. BIP und BIP pro Kopf haben sich vor allem im Jahr 2010, deutlich besser entwickelt als im EU‐14 Durchschnitt. T ABELLE 15 ‐ S CHWEDEN S CHLÜSSELINDIKATOREN ( DURCHSCHNITTLICHE J ÄHRLICHE V ERÄNDERUNG IN %) 1995 ‐ 2000 2007 ‐ 2010 (1) 2009/2010 Schweden Reales BIP 3,8 3,3 ‐0,2 5,5 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt 6,3 5,3 ‐5,1 Bevölkerung 0,1 0,4 0,8 0,9 Reales BIP pro Kopf 3,7 2,8 ‐1,0 4,6 Beschäftigung 0,9 1,0 ‐0,3 Frauenbeschäftigung 0,4 0,9 1,2 EU‐14 Reales BIP 4,1 2,7 ‐1,0 1,5 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt 7,1 3,2 ‐4,9 Bevölkerung 0,4 0,6 0,6 0,4 Reales BIP pro Kopf 3,7 2,0 ‐1,5 1,1 Beschäftigung 1,9 1,4 ‐0,4 Frauenbeschäftigung 2,4 2,2 1,3 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung; (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007 ‐ 2009 2000 ‐ 2007 93 A BBILDUNG 61 E INKOMMEN ‐ UND B ESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG IN SCHWEDEN– D IFFERENZ ZU EU‐ 14 D URCHSCHNITT ( JÄHRL . V ERÄNDERUNG IN %) 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 -1,0 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2010 (1) 2009/2010 -2,0 -3,0 (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007-2009 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung Die Anzahl der Haushalte in Schweden beträgt derzeit ca. 4,6 Millionen (Statistik Schweden). Mit über 40% hat Schweden den höchsten Anteil von Singlehaushalten in Europa. Dem entsprechend ist die durchschnittliche Belegungszahl mit 2 Personen pro Haushalt die geringste. Mit über 45 m2 pro Person steht den Schweden nach Luxemburg (66,3 m2) und Dänemark (51,4 m2) im Durchschnitt der meiste Wohnraum zur Verfügung. Die Überbelegungsquoten waren im Jahr 2009 in allen Rechtsformen im internationalen Vergleich gering. Die Ausstattung der Wohnungen ist die beste in Europa. So gut wie alle Wohnungen verfügen über ein eigenes Bad, Warmwasser und Zentralheizung (Housing Statistics, 2010). Dies ist insofern bemerkenswert als der Wohnungsbestand zu den ältesten in Europa gehört. Der Anteil der seit 1981 errichteten Wohnungen ist mit 19,5% in Schweden am geringsten (Housing Statistics, 2010). Allerdings wurde in einem großen Sanierungs‐ und Verbesserungsprogramm in den 1980er Jahren der gesamte alte Wohnungsbestand auf ein hohes Qualitätsniveau gebracht (siehe im Folgenden). In Schweden gab es im Jahr 2010 ca. 4,5 Millionen Wohnungen, davon rund 2 Millionen in Ein‐ und Zweifamilienhäusern und rund 2,5 Millionen in Mehrfamilienhäusern (SCB Housing Statistics, 2010). Um die Jahrtausendwende betrug der Leerstand etwa 60.000 Wohnungen, ist im Laufe der Jahre aber auf weniger als 20.000 Wohnungen gesunken. Ein Teil des Rückgangs geht auf den Abbruch von Mehrfamilienwohnungen zurück (durchschnittlich etwa 2.000 Wohnungen pro Jahr in den letzten 10 Jahren; Statistics Sweden). Für 2009 meldete Statistik Schweden wieder einen höheren Gesamtleerstand von 34.000 Wohnungen, allerdings überwiegend in kleineren Gemeinden. Die Rechtsformen des Wohnungsbestandes umfassen Mietrecht, Wohnrecht und Eigentumsrecht. Rund 45% des Wohnungsbestandes umfassen Mietwohnungen, wovon wiederum rund die Hälfte sich im Eigentum von kommunalen Wohnungsgesellschaften 94 befindet. 38% der Wohnungen sind Eigenheime und 17% Genossenschaftswohnungen. Das Wohnrecht in den Genossenschaftswohnungen wird durch besondere Gesetze geregelt. Um Mitglied einer Genossenschaft zu werden, ist ein Kapitaleinsatz erforderlich. Danach sind für die Wohnung laufend Beiträge zu leisten, welche die Betriebs‐ und Kapitalkosten decken. Für die Instandhaltung der Wohnung ist zumeist der Mieter verantwortlich. Der Mieter kann das Wohnrecht veräußern und dabei in der Regel selbst den Kaufpreis festsetzen (SI, 2001). Dieses Segment hat daher hohe Ähnlichkeit mit dem Eigentumswohnungssegment in anderen Ländern. A BBILDUNG 62 W OHNUNGSMARKTINDIKATOREN – S CHWEDEN UND EU‐14 70 60 50 40 30 20 10 0 EU-14 Schweden Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnung Die Schwedischen Privathaushalte geben im Durchschnitt rund 28% des Konsumbudgets fürs Wohnen aus, was im europäischen Vergleich sehr viel ist (Statistics Sweden; Housing Statistics, 2010). Der Hauptgrund dafür liegt großteils im hohen Anteil der Singlehaushalte (siehe oben), zum Teil aber auch an den relativ hohen Baukosten, die in der Vergangenheit stärker gestiegen sind als in den meisten anderen EU‐Ländern. Die Mieten im privaten Mietensegment lagen mit durchschnittlich 6,2 €/m2 im Jahr 2008 im europäischen Mittelfeld, die Mieten im regulierten Marktsegment (Gemeinnützige plus Öffentliche) waren mit durchschnittlich 5,8 €/m2 dagegen relativ hoch (Housing Statistics, 2010). Der Preisindex der Wohnungskosten lag mit einem Wert von 112 leicht über dem Durchschnitt in den EU‐27. Die Überbelastungsquoten der schwedischen Privathaushalte waren je nach Rechtsform sehr unterschiedlich (Eurostat). Die Überbelastung der Haushalte durch Wohnkosten war im Jahr 2009 im Segment der „Mietwohnungen mit ermäßigtem Preis“ mit 31,5% bei weitem am höchsten unter den EU‐14. Nur Großbritannien erreichte mit 26,6% annähernd den Schwedischen Wert. Mit 10,9% war die Quote auch im Segment „Eigentum ohne Hypothek“ vergleichsweise hoch. Höher war der Wert nur in Dänemark und in Griechenland. Unterdurchschnittlich waren die Überbelastungsquoten in den Segmenten „Mietwohnungen mit Marktpreis“ und „Eigentum mit Hypothek“. 95 A BBILDUNG 63 Ü BERBELASTUNGSQUOTEN ‐ 2009 Miete mit ermäßigtem Preis Eigentümer ohne Hypothek 35 30 25 20 15 10 5 0 Quelle: Eurostat SILC WOHNUNGSPOLITIK Ziel der schwedischen Wohnungspolitik ist es, allen Bürgern ein gutes Wohnen zu einem angemessen Preis zu ermöglichen. Der Katalog wohnungspolitischer Maßnahmen umfasst die Planung der Wohnraumversorgung, gemeinnützigen sozialen Wohnbau, Mietpreisfestsetzungen, kommunale Wohnungsämter, Baubestimmungen, das Finanzierungssystem, allgemeine Zinssubventionen für Wohnbauinvestitionen und Wohngeld. Das wichtigste Instrument waren Darlehen zu niedrigen Zinsen mit langen Laufzeiten für die sogenannten zweitrangigen Hypotheken, das heißt für jenen Teil des Wohnungssektors, der auf dem Kreditmarkt am schwierigsten zu finanzieren war (Schwedisches Institut, 2001). In den 1980er Jahren wurde im Rahmen eines Wohnungsverbesserungsprogrammes ein Großteil der alten Wohnungen modernisiert. Einen Schnitt in der Wohnungspolitik gab es Anfang der 1990er Jahre. Die Senkung der Einkommensteuer in den Steuerreformen 1990 und 1991 wurde zum Teil durch Mehrwertsteuersatzerhöhungen für den Bau und die Betriebskosten der Gebäude auf 25% finanziert. Durch diese Maßnahme allein sind die Wohnungskosten in den Jahren 1989 bis 1991 real um 20% angestiegen. Zusätzlich wurde die Grundsteuer angehoben und die Höhe der von der Einkommensteuer absetzbaren Beträge für Zinsaufwendungen wurde verringert. Der Energieverbrauch wurde durch besondere Umweltabgaben belastet. Die Grundsteuer war in Schweden seither bis zum Jahr 2008 relativ hoch. Zwar betrug der Steuersatz für Einfamilienhäuser nur 1,5% des Einheitswertes, dieser wurde allerdings mit 75% vom Marktwert, im Vergleich zu Österreich beispielsweise, sehr hoch angesetzt. Seit 2008 wird anstelle der Grundsteuer eine Gemeindeabgabe in Höhe von 4.500 SEK (481 €) eingehoben. Im Gegenzug wurde die Steuer auf Veräußerungsgewinne von 20% auf 30% angehoben (globalpropertyguide.com). Nach der Steuerreform 1991 lag der Satz noch bei 15% des nominellen Gewinns. 96 Im Zuge der Reformen im Wohnungswesen in den 1990er Jahren wurde auch beschlossen, die Zinssubventionen für den Neu‐ und Umbau von Wohnungen zu reduzieren und allgemein selektivere Lenkungsinstrumente einzusetzen. Die Wohnkosten sollten stärker als bis dahin die Kosten für die Gesellschaft reflektieren. Anfang 1993 trat ein neues Finanzierungssystem für den Wohnbau in Kraft mit Neuregelungen zur Berechnung von Zinssubventionen für Neu‐ und Umbau von Wohnungen. Diese sollten langfristig dadurch verringert werden, dass die förderbaren Kosten stufenweise mit den Jahren zurückgenommen wurden und damit Kreditnehmer in stärkerem Ausmaß als vorher von Veränderungen der Kapitalkosten (Zinsen) betroffen waren, und der Zinszuschuss für Ein‐ und Zweifamilienhäuser ab 2000 gänzlich gestrichen wurde. Nur der Subventionsanteil für Wohnungen mit Mietrecht und Wohnrecht wurde nicht gekürzt. Mitte der 1990er Jahre wurden die detaillierten Baubestimmungen des Zentralamtes für Wohnungswesen, Bauwesen und Raumordnung (Boverket) durch liberalere Bestimmungen ersetzt. Diese Bestimmungen orientieren sich jetzt an den Bauproduktionsdirektiven der EU. Die Gemeinden spielen in der Wohnungspolitik Schwedens eine wichtige Rolle. Sie sind u.a. dafür zuständig, Bauland für den Hausbau zur Verfügung zu stellen. Sie sind auch verpflichtet, die Wohnraumversorgung für einige Jahre im Voraus zu planen. Die meisten Gemeinden verfügen auch über kommunale Wohnungsunternehmen ohne Gewinnstreben (gemeinnützige Wohnungsunternehmen), in deren Eigentum sich ein Großteil der Mietwohnungen befindet (rund 50% im Jahr 2000). Diese Wohnungen werden nicht nach Einkommenskriterien zugeteilt, sondern stehen allen Bürgern offen. Die Sonderbehandlung der kommunalen Wohnungsunternehmen hinsichtlich Finanzierung und Besteuerung wurde mit 1. Januar 1994 beendet. In Schweden gibt es seit 1968 eine Festsetzung der Miete, die sich am Vergleichswert bzw. am Nutzungswert orientiert. Die Miete darf nicht bedeutend höher sein als die Miete für andere Wohnungen am gleichen Ort mit gleichem Wert. Das System orientiert sich an den Mieten der kommunalen Wohnbauunternehmen. Diese werden in gesetzlich vorgeschriebenen Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und einer Mietervereinigung festgelegt und sollen im Prinzip die Selbstkosten im Betrieb, Kapitalkosten und Instandhaltungskosten der Wohnungen abdecken. Auch in Miethäusern in Privateigentum werden die Mieten zumeist in Verhandlungen zwischen Hauseigentümer(n) und einer Mietervereinigung beschlossen. Gibt es keine Einigung, dann entscheidet ein Sondergericht, ein Mietenausschuss, nach den Bestimmungen über den Nutzungswert. Mieter haben in Schweden noch andere Vorteile. So hat ein Mieter normalerweise ein direktes Recht auf Mietvertragsverlängerung, das sogenannte Besitzrecht, das er unter bestimmten Voraussetzungen bei Auszug auch an andere Personen weiter geben kann. Das System der Mietzinsfestsetzung wurde in Schweden lange diskutiert, und es haben bereits Lockerungen stattgefunden. 97 A BBILDUNG 64 stark reguliert S CHWEDEN – L AND MIT DER STRENGTSTEN M IETENREGULIERUNG 7 6 5 4 3 2 1 sehr liberal 0 Der Regulierungsindex Mietrecht berücksichtigt die zulässigen Vertragsdauern (befristet und unbefristet), die Regulierung der Anfangsmiete, die Regulierung von Mieterhöhungen, Kautionsregelungen, den Kündigungsschutz Quelle: GlobalPropertyGuide.com; eigene Berechnung Mit dem Wohngeld werden in Schweden zwei grundsätzliche Zielrichtungen verfolgt. Einerseits erfolgt damit eine Umverteilung innerhalb des Lebenszyklus, d.h. von Zeiträumen, in denen Familien keine Kinder haben, zu Zeiträumen mit Kindern. Zum anderen von Familien mit hohen Einkommen zu Familien mit, im Verhältnis zur Zahl der zu versorgenden Personen, niedrigem Einkommen. Im Jahr 1995 haben 99% aller Alleinerziehenden und 33% aller Paare mit Kindern Wohngeld bezogen. Der Grund lag auch in den Nachwirkungen der Wirtschaftskrise Anfang der 1990er Jahre. Nach 1996 ist der Wohngeldbezug wieder gesunken. Im Jahr 1999, beispielsweise, waren es nur mehr rund 60% der Ausgaben von 1995. WOHNBAULEISTUNG Schweden hat in den 1960er Jahren ein Wohnungsprogramm gestartet mit dem Ziel, innerhalb von 10 Jahren eine Million Wohnungen zu bauen („Millionenprogramm“). Das Ziel wurde im Jahr 1974 erreicht, am Höhepunkt der Produktion wurden 12 bis 13 Wohnungen je 1.000 Einwohner gebaut. Danach ging die Produktion bis 1985 relativ stark zurück, lag dann bis Anfang der 1990er Jahre wieder sehr hoch und ist danach drastisch eingebrochen. Für diesen Einbruch gab es mehrere Gründe. Die Folgen der Steuerreformen 1990 und 1991 und die hohe Nachfrage nach Wohnungen in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre haben zu beträchtlichen Kostensteigerungen in der Neubauproduktion geführt. Die Produktionskosten für Mehrfamilienhäuser stiegen von 1987 bis 1990 real um etwa 30 Prozent. Anfang der 1990er Jahre geriet Schweden in eine Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen verfügbaren Einkommen. Das Zinsniveau war hoch und das neue Wohnbaufördersystem brachte eine rapide Verringerung der Zinssubventionen mit sich. In Folge der Rezession sind die Produktionskosten für Mehrfamilienwohnungen bis 1995 real um 20% zurückgegangen, zwischen 1995 und 1998 dann wieder um 10% 98 angestiegen. In den letzten zehn Jahren hatte Schweden die stärksten Steigerungen bei den Wohnbaukosten unter allen hier untersuchten EU‐Ländern. A BBILDUNG 65 E NTWICKLUNG DER H ÄUSERPREISE UND W OHNBAUINVESTITIONEN IN S CHWEDEN , REAL HP-Ver Index Häuserpreise WBI-Ver Index Wohnbauinvestitionen 50 350 40 300 Index 1995 20 10 200 0 150 -10 -20 100 Veränderung geg. Vj in % 30 250 -30 50 -40 0 -50 Quellen: Eurostat;Statistics Sweden; eigene Berechnung A BBILDUNG 66 E NTWICKLUNG DER W OHNBAUKOSTEN IN S CHWEDEN , REAL Veränderung geg. Vj. in % 150 Index 1995 = 100 15 140 Index 1995 120 10 5 110 100 0 90 80 70 -5 Veränderung in % 130 -10 60 50 -15 Quellen: OECD, Eurostat; eigene Berechnung Die Erholung der Wirtschaft, der Rückgang bei den Zinsen und die relativ moderate Baukostenentwicklung insgesamt in den 1990er Jahren haben den Wohnbau wieder etwas in Schwung gebracht. Schweden hatte im Zeitraum 1995 bis 2010 die höchsten durchschnittlichen Zuwächse bei den Wohnbauinvestitionen, allerdings gemessen am BIP auf geringstem Niveau, vergleichbar nur mit Großbritannien. Die Häuserpreise sind in dem 99 Zeitraum gleichfalls stark gestiegen und haben im Gegensatz zu Ländern mit ähnlichen Steigerungen bis ins Jahr 2007, dem Beginn der Finanzkrise, seither nicht nachgegeben. Im Gegenteil, die Preise sind real bis zuletzt relativ stark weiter angestiegen. A BBILDUNG 67 W OHNBAULEISTUNG SCHWEDEN – D IFFERENZEN ZU EU‐14 D URCHSCHNITT 10 8 6 4 2 0 -2 -4 Jährl. %-Veränderung %-Punkte Baubeginne Bewilligungen Fertigstellungen Wohnbauinvestitionen in % des BIP Wohnbauinvestitionen real pro 1.000 EW Wohnbauinvestitionen real Reale Häuserpreise -6 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2009 (1) 2009/2010 bzw. 2010 Anzahl pro 1.000 EW (1) Häuserpreise: 2007 ‐ 2010 Quellen: OECD, Eurostat, Hypostat, Hauspreisquellen SW:Statistics Sweden; eigene Berechnungen Der anhaltende Anstieg der Häuserpreise in Schweden auch während der Krise hat sich positiv auf die konjunkturelle Entwicklung ausgewirkt. Dennoch macht man sich in Schweden Sorgen um die Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten. Die Reichsbank hat im Jahr 2010 eine Kommission eingesetzt, die sich mit den Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten und ihren makroökonomischen und geldpolitischen Implikationen beschäftigt hat. Der vor kurzem erschienene Bericht kommt zu folgenden Schlussfolgerungen bzw. Feststellungen (Schwedische Reichsbank, 2011): Die aktuelle Finanzkrise hat einen deutlichen Zusammenhang zwischen Häuserpreisentwicklung und Haushaltsverschuldung und der Tiefe der Krise gezeigt; die Krise ist überwiegend in jenen Ländern am stärksten ausgefallen, in denen die Haushalte zuvor am höchsten verschuldet waren und in denen die Häuserpreise zuvor am stärksten gestiegen sind. Schweden stellt eine Ausnahme dar. Trotz eines sehr starken Anstiegs und hohem Niveau der Haushaltsverschuldung bei gleichzeitig sehr starkem Anstieg der Häuserpreise sind die Häuserpreise in der Krise nicht gefallen, sondern weiter angestiegen, was die Konjunktur während der Krise durch entsprechende positive Nachfrageeffekte unterstützt hat. Die Kombination aus anhaltendem Hauspreisanstieg und einem Kreditwachstum, das weiter über dem Einkommenswachstum liegt, bereitet aber Sorgen. Zwei Berichte aus der Studie beschäftigen sich mit der Frage, ob die Entwicklung der Häuserpreise in den letzten Jahren fundamental gerechtfertigt war oder ob zuletzt eine Überbewertung vorlag. Beide Berichte kommen zu der Schlussfolgerung, dass die Entwicklung der Häuserpreise großteils durch die Entwicklungen bei Einkommen und 100 Zinsen und durch die schwache Wohnbauleistung erklärbar ist. Beide geben aber zu bedenken, wie schwer es ist, das Hauspreisniveau fundamental zu rechtfertigen. Letztlich befinden sich die Häuserpreise über einem langfristigen Trend, die Entwicklung in der Zukunft ist daher sehr ungewiss. Vor allem dann, wenn sich fundamentale Faktoren kurzfristig stark verändern, kann auch in Schweden das hohe Verschuldungsniveau der Haushalte schlagend werden. Eine zweite Frage, die untersucht wurde ist, ob im Fall eines Einbruchs der Häuserpreise die Gesamtwirtschaft nur über den Konsumkanal oder auch über den Finanzmarkt beeinträchtigt sein würde. Besonders kritisch wird hier gesehen, dass der Anteil an variabel verzinsten Wohnbaukrediten in den letzten Jahren stark angestiegen ist. Andererseits wird derzeit nicht befürchtet, dass Ausfälle von Wohnbaukrediten die Finanzstabilität in Schweden gefährden. Dabei spielt auch mit, dass die Möglichkeiten für Kreditnehmer, sich aus der Rückzahlungsverpflichtung herauszunehmen, im Vergleich beispielsweise zur USA, viel restriktiver gehandhabt werden. Darüber hinaus refinanzieren sich die schwedischen Banken in erster Linie über gesicherte Wohnbauanleihen. Eine Gefahr für die Liquidität und Stabilität der Banken in dem Zusammenhang besteht aber darin, dass sich ein Großteil dieser Anleihen in den Händen ausländischer Investoren befindet, die normalerweise sehr sensitiv auf Veränderungen der Rahmenbedingungen reagieren. Insgesamt sehen die Berichte die größeren Gefahren auf Seiten des Konsumkanals, die Finanzmarktstabilität ist in erster Linie eine Frage der Schwierigkeiten bei der Refinanzierung der Hypothekarkredite durch die Banken, weniger eine der Rückzahlungsfähigkeiten der Kreditnehmer. Die Studie befasst sich auch mit den Möglichkeiten, systemischen Krisen, die ihren Ausgang auf den Wohnungsmärkten haben, zu begegnen. Kritisch in dem Zusammenhang ist eine optimale Verteilung der Zuständigkeiten. Wegen der zwei Transmissionskanäle vom Wohnungsmarkt in die Gesamtwirtschaft (Konsum und Finanzmarkt), gibt es derzeit eine ganze Reihe von zuständigen Autoritäten. Diskutiert wird eine Konzentration von Zuständigkeiten bei der Finanzaufsicht oder bei der Schwedischen Reichsbank. Diese Diskussion steht aber erst am Beginn. Noch wichtiger als die Frage, wer zuständig bzw. verantwortlich sein soll, sei darüber hinaus die Klarstellung von Verantwortlichkeiten. Geteilte Verantwortlichkeiten und die Notwendigkeit zur Koordination werden wegen der Gefahr verzögerter Reaktionen sehr kritisch gesehen. Diese Fragen werden gegenwärtig in der Regierungskommission zur Finanzkrise ausführlich erörtert. Eine Forderung im Bericht betrifft die Anforderungen an vernünftige Datengrundlagen. Gefordert werden bessere Mikrodaten zur Haushaltsverschuldung, Mikrodaten zu den finanziellen Haushaltsvermögen, Mikro‐ und Makrodaten zu den Sachvermögen der Haushalte, bessere Hauspreisindizes und detailliertere Daten zu den Transaktionen auf den Wohnungsmärkte, insbesondere Angebots‐ und Bieterstatistiken. 101 E NTWICKLUNG DES P RO ‐K OPF ‐W OHNUNGSBESTANDES IN S CHWEDEN Veränderung geg. Vj. in % Index 1995 = 100 150 3,5 140 3 130 2,5 Index 1995 120 2 110 1,5 100 1 90 0,5 80 Veränderung in % A BBILDUNG 68 0 70 60 -0,5 50 -1 Quellen: Housing Statistics (2010), Hypostat, UNECE; eigene Berechnung 102 Ö S T E R R E IC H Die Einwohnerzahl Österreichs belief sich im Jahr 2010 auf rund 8,4 Millionen (Eurostat). Mit ca. 100 Einwohnern pro m2 weist Österreich eine im europäischen Vergleich durchschnittlich hohe Bevölkerungsdichte auf, wobei die Bevölkerung räumlich relativ stark konzentriert ist. Fast ein Drittel der Bevölkerung lebt im Wiener Raum, mit steigender Tendenz. Das Bevölkerungswachstum war in den letzten 30 Jahren mit einem Plus von 10,7% durchschnittlich hoch (Housing Statistics, 2010), regional aber sehr unterschiedlich. Für den Zeitraum bis 2050 wird für Österreich weiter ein hohes Wachstum erwartet, wobei dieses wegen der sehr niedrigen Fertilitätsraten fast ausschließlich durch Netto‐Zuwanderung erreicht werden wird (Housing Statistics, 2010). Bis in die 1990er Jahre haben die Großstädte Einwohnerverluste hinnehmen müssen. Seither hat sich die Tendenz umgekehrt. Das Bevölkerungswachstum war aufgrund der steigenden Zuwanderung aus dem Ausland aber auch aus dem Inland in den Großstädten in den letzten 10 Jahren wesentlich höher als in Restösterreich. In Wien ist die Zahl der Haushalte stärker gestiegen als die Anzahl an Wohnungen (Bauer, 2011). Der Wohnungsleerstand ist daher gesunken. Graz hatte seit dem Jahr 2001 ein Wachstum von mehr als 1% pro Jahr. Geringer war der Anstieg in Linz und in den anderen Großstädten, mit zuletzt abgeschwächtem (Linz) oder sogar negativem Wachstum (Salzburg). Speziell in Salzburg dürften die restriktive Flächenwidmung und die dadurch stark steigenden Bodenpreise dafür mit verantwortlich sein. Österreichs Pro‐Kopf‐Einkommen lag im Jahr 2007 im europäischen Spitzenfeld. Im Jahr 2010 lag das BIP pro Kopf in Kaufkraftstandards gemessen um 25% über dem EU‐27 Schnitt und damit sogar vor Schweden (+23%). Die Arbeitslosenquote ist im internationalen Vergleich seit Jahren sehr gering. Sie war mit 5,2% im Jahresdurchschnitt 2008 etwas höher als in den Niederlanden, mit 4,2% im April 2011 aber auf gleichem Niveau wie in den Niederlanden (Eurostat). T ABELLE 16 ‐ Ö STERREICH S CHLÜSSELINDIKATOREN ( DURCHSCHNITTLICHE J ÄHRLICHE V ERÄNDERUNG IN %) 1995 ‐ 2000 2007 ‐ 2010 (1) 2009/2010 Österreich Reales BIP 3,2 2,3 0,1 2,0 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt 3,1 0,9 ‐1,7 Bevölkerung 0,1 0,5 0,4 0,2 Reales BIP pro Kopf 3,0 1,8 ‐0,3 1,8 Beschäftigung (bis 2009) 0,1 1,2 0,4 Frauenbeschäftigung 0,4 1,5 1,6 EU‐14 Reales BIP 4,1 2,7 ‐1,0 1,5 Bruttoanlageinvestitionen (BAI) insgesamt 7,1 3,2 ‐4,9 Bevölkerung 0,4 0,6 0,6 0,4 Reales BIP pro Kopf 3,7 2,0 ‐1,5 1,1 Beschäftigung 1,9 1,4 ‐0,4 Frauenbeschäftigung 2,4 2,2 1,3 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung; (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007 ‐ 2009 2000 ‐ 2007 103 A BBILDUNG 69 E INKOMMEN ‐ UND B ESCHÄFTIGUNGSENTWICKLUNG IN ÖSTERREICH– D IFFERENZ ZU EU‐14 D URCHSCHNITT ( JÄHRL . V ERÄNDERUNG IN %) 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2010 (1) 2009/2010 0,0 -1,0 -2,0 -3,0 -4,0 -5,0 (1) BAI, Beschäftigung und Frauenbeschäftigung 2007-2009 Quellen: Eurostat; eigene Berechnung Die Anzahl der Haushalte beträgt derzeit ca. 3,6 Millionen. Der Anteil an Singlehaushalten ist mit rund 36% ähnlich hoch wie in den Niederlanden, höher nur in Schweden, Finnland, Deutschland und Dänemark. Dem entsprechend ist die durchschnittliche Belegungszahl mit 2,3 Personen pro Haushalt gering. Mit durchschnittlich über 43 m2 pro Person in den Hauptwohnsitzwohnungen steht den Österreichern vergleichsweise viel Wohnraum zur Verfügung. Die Überbelagsquote war vor allem in der Rechtsform „Miete‐Marktpreis“ mit 30,2% sehr hoch (Eurostat, SILC). A BBILDUNG 70 Ü BERBELAGSQUOTEN ‐ 2009 Miete Marktpreis 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Quelle: Eurostat SILC Miete ermäßigter Preis 104 Die Ausstattung der Wohnungen ist gut. So gut wie alle Wohnungen verfügen über ein eigenes Bad, 92% verfügen über Zentralheizung (Housing Statistics, 2010). Der Wohnungsbestand ist im europäischen Vergleich durchschnittlich alt. Der Anteil der seit 1981 errichteten Wohnungen beträgt 33,4% (Housing Statistics, 2010). Der Anteil des gründerzeitlichen Wohnungsbestandes ist vor allem in Wien noch sehr hoch. Die rund 270.000 Wohnungen stellen etwa 30% des Wiener Wohnungsbestandes dar. Von den ca. 3,6 Millionen Hauptwohnsitzwohnungen in Österreich im Jahr 2009 befanden sich etwas mehr als die Hälfte in Mehrfamilienbauten und etwas weniger als die Hälfte in Einfamilienhäusern. Rund 56% der Wohnungen stellen Wohnungseigentum dar, 40% sind Mietwohnungen und 4% haben andere Rechtsformen. Ein Anteil von 9% der Wohnungen steht im Eigentum von Gebietskörperschaften, im internationalen Vergleich ein sehr hoher Anteil. Hier sticht vor allem Wien mit seinen 220.000 Gemeindewohnungen hervor. 12% der Wohnungen werden von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen bewirtschaftet, und knapp 20% der Wohnungen sind private Mietwohnungen. A BBILDUNG 71 W OHNUNGSMARKTINDIKATOREN – Ö STERREICH UND EU‐14 70 60 50 40 30 20 10 0 EU-14 Österreich Quellen: Housing Statistics (2010); eigene Berechnung Die Österreichischen Privathaushalte gaben im Jahr 2007 im Durchschnitt 20,9% des Konsumbudgets fürs Wohnen aus, ein mittlerer Wert in Europa (Housing Statistics, 2010). Die Mieten im noch immer relativ bedeutenden privaten Mietensegment waren mit durchschnittlich 6,6 €/m2 im Jahr 2009 im europäischen Mittelfeld. Die Mieten im sehr bedeutenden regulierten Marktsegment (Gemeinnützige plus Öffentliche) waren mit 5,6 €/m2 vergleichsweise hoch (Housing Statistics, 2010). Der Preisindex der Wohnungskosten lag mit einem Wert von 105,1 nur leicht über dem Durchschnitt in den EU‐27. Die Überbelastungsquoten der österreichischen Privathaushalte waren je nach Rechtsform unterschiedlich hoch (Eurostat). Die Überbelastung der Haushalte durch Wohnkosten war im Jahr 2009 im Segment der „Mietwohnungen mit Marktpreis“ am höchsten. Die Quote von 12,4% stellt aber im internationalen Vergleich einen geringen Wert dar. Sehr niedrig 105 sind die Überbelastungsquoten in den Eigentumssegmenten und im Segment „Mietwohnungen mit ermäßigtem Preis“ (Gemeinnützige und Öffentliche). WOHNUNGSPOLITIK Der Staat ist in Österreich traditionell stark im Wohnungsmarkt engagiert. Dies zeigt sich einerseits durch einen hohen Eigentumsanteil der Gebietskörperschaften, andererseits durch ausgeprägte öffentliche Förderungen. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern hat in Österreich die Objektförderung, d.h. die direkte Förderung von Wohnbau und Wohnungssanierung bzw. ‐verbesserung, noch immer einen hohen Stellenwert. Die (Selbst‐)Finanzierungskraft des Systems der Objektförderung wurde allerdings in den letzten Jahren durch Forderungsverkäufe einiger Bundesländer und durch die Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel für den Wohnbau (2008 per Gesetz vollkommen aufgehoben) geschwächt. Die Wohnungspolitik war bis zum Ende der 1980er Jahre eine Kompetenz des Bundes. Seit Anfang der 1990er Jahre sind die Bundesländer bzw. die jeweiligen Landtage legistisch zuständig. Diese Veränderung hat zu einem stark ausdifferenzierten System der Wohnbauförderungsgesetze und ‐richtlinien geführt. In den meisten Bundesländern wurden Mitte der 1990er Jahre zinsgünstige Förderungsdarlehen und Annuitätenzuschüsse zur Wohnbauförderung eingesetzt. Das Ausmaß der Landesdarlehen lag zumeist bei 70% bis 80% der förderbaren Kosten. Die Zinssätze waren zumeist dynamisch gestaltet, d.h. die Zinsen wurden von anfänglich 0,5% oder sogar nur 0,0% während der Darlehenslaufzeit sukzessive erhöht. Zum Teil waren die Annuitäten auch einkommensabhängig gestaltet. Die Laufzeiten der Darlehen betrugen durchschnittlich 30 Jahre (Donner, 2011). Die Fördermodelle von Salzburg, der Steiermark und von Wien hoben sich am stärksten vom österreichischen Durchschnitt ab. Salzburg und vor allem die Steiermark setzten anstelle von zinsgünstigen Darlehen vor allem rückzahlbare, einkommensabhängige Annuitätenzuschüsse ein. Wien dagegen baute vor allem auf großzügige Baukostenzuschüsse, die mit Kapitalmarktdarlehen kombiniert wurden. Der Grundkostenanteil war von der Förderung immer ausgeschlossen. Die Länder Tirol und Vorarlberg haben die Höhe der Darlehenssumme an eine möglichst sparsame Baulandnutzung gekoppelt. Gegenwärtig gilt für Wohnbaudarlehen in allen Bundesländern ein Mindestzinssatz von 1%. Zudem besteht eine Tendenz, das Darlehensausmaß auf nur mehr 30% bis 60% der förderbaren Kosten zu reduzieren und im Gegenzug verstärkt auf rückzahlbare Annuitätenzuschüsse zu setzen. Wien hat die Baukostenzuschüsse abgeschafft und bietet derzeit Darlehen zu ähnlichen Bedingungen wie die anderen Bundesländer an (Donner, 2011). Ein wesentlicher Aspekt des österreichischen Wohnbauförderungssystems ist, dass die Einkommensgrenzen für förderungswürdige Haushalte sehr großzügig angesetzt sind. Die vertikalen Umverteilungswirkungen des Instruments sind daher nicht sehr groß. Einen stärkeren Umverteilungseffekt hat die Subjektförderung in Form der Wohnbeihilfe, deren Zuständigkeit im Zuge der Reform Ende der 1980er Jahre auch auf die Länder übergegangen ist. Der Bezieherkreis der Wohnbeihilfe wurde im Laufe der Jahre sukzessive ausgeweitet von den Nutzern von Neubaumietwohnungen auf solche von 106 gefördertem Wohnungseigentum bis auf Nutzer von privaten Mietwohnungen. Trotzdem ist die Bedeutung der Wohnbeihilfe in Österreich wesentlich geringer als in anderen Ländern. Eine andere Form der Subjektförderung ist die steuerliche Berücksichtigung von Wohnungsaufwendungen. Diese Art der Förderung hatte bis Ende der 1980er Jahre eine gewisse Bedeutung, hatte aber wegen der Progression in der Einkommensteuer eine regressive Wirkung. Im Rahmen der Steuerreform 1988 wurden für die Absetzbarkeit von Wohnungsaufwendungen Obergrenzen eingeführt. Im Jahr 1992 wurde durch die Zusammenfassung mit anderen Aufwendungen im Rahmen eines Sonderausgabentopfes das steuerliche Förderinstrument weiter zurückgefahren. Gegenwärtig ist die steuerliche Absetzbarkeit von Wohnungsaufwendungen vor allem im Bereich der Vorsorgewohnungen von Bedeutung. In keinem anderen Land in Europa wird der buy‐to‐ let Markt so stark steuerlich gefördert. Mit diesem Instrument soll vor allem der freifinanzierte Wohnungsbau gestärkt werden. Die gewerblichen Bauträger sind aber seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr nur im freifinanzierten Segment tätig. In einigen Bundesländern (z.B. Tirol, Vorarlberg und Wien) haben die gewerblichen Bauträger neben den gemeinnützigen Bauvereinigungen Zugang zu öffentlichen Wohnbaufördermitteln. Österreich hat ein System der geteilten Mietenregulierung. Für Gemeindewohnungen und Private Mietwohnungen gilt das allgemeine Mietrechtsgesetz mit den Kategorie‐ und den Richtwertmieten. Für die Wohnungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen gilt nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz von 1979 das Prinzip der „Kostenmiete“. Die Mietenregulierung im Segment der privaten Mietwohnungen wurde 1982 durch die Einführung der Kategoriemieten, 1986 durch die Freigabe der bestausgestattenen Kategorie‐A Wohnungen und 1993 durch die Einführung des Richtwertsystems geändert. Das Kategoriemietensystem berücksichtigt unterschiedliche Ausstattungen der Wohnungen, aber nicht unterschiedliche Lagequalitäten. Mit dem Richtwertsystem sollte die Möglichkeit geschaffen werden, durch Zu‐ und Abschläge vom, nach Bundesländern differenzierten, innerhalb jedes Bundeslandes aber einheitlichen Richtwert einer Normwohnung entsprechende Lagequalitätsdifferenzen zusätzlich zu Ausstattungsdifferenzen zu berücksichtigen. Das System ähnelt anderen in Europa, beispielsweise den seit längeren existierenden Mietenregelungen in Schweden und in den Niederlanden. Untersuchungen zeigen aber, dass die Richtwertmieten sich nur wenig vom Niveau der unregulierten Marktmieten unterscheiden (z.B. Blaas und Wieser, 2005). Berücksichtigt man den administrativen Aufwand, so erscheint das System aus wohlfahrtsökonomischer Sicht als fraglich. Eine weitere Änderung der Mietenregulierung war die im Jahr 2000 eingeführte Regelung für befristete Mieten. Mietverträge mit Befristungen müssen seither grundsätzlich mindestens drei Jahre laufen. Bei Befristung von Mieten in Altbauwohnungen ist die Miete um 25% zu reduzieren. Das Mietrechtssystem Österreichs gehört zu den komplexeren in Europa, allerdings nicht unbedingt zu den strengeren. Sieht man von den Regelungen des Gemeinnützigkeitsgesetzes ab, die nur für diesen Sektor gelten, dann erweist sich die Mietenregelung bereits als relativ liberalisiert, vor allem was die Regelungen zur Mietenhöhe betrifft. Vom österreichischen System der Wohnbauförderung ging in der Vergangenheit mit Sicherheit eine stabilisierende Wirkung auf den Wohnungsmarkt aus. Dies konnte sowohl für die Neubauproduktion (Blaas und Wieser, 2004) als auch für die Mietenentwicklung 107 (Blaas und Wieser, 2005) empirisch nachgewiesen werden. Kürzungen bei der Wohnbauförderung bewirken ceteris paribus kurz‐ bis mittelfristig Rückgänge beim Wohnungsneubau und Anstiege bei den Wohnungsmieten. Das größte Asset im Hinblick auf eine stabile Entwicklung am österreichischen Wohnungsmarkt bildet der seit Jahrzehnten aufgebaute Stock an Wohnbauförderungskapital. Die regelmäßigen Rückflüsse aus vergebenen Darlehen standen in der Vergangenheit überwiegend für die Finanzierung der Errichtung neuer Wohnungen bereit. Zugleich war ein ausreichender Eigenkapitalstock der gemeinnützigen Bauvereinigungen Garant für günstige Kreditkonditionen am Kapitalmarkt. Insgesamt konnten dadurch die Finanzierungskosten bisher niedrig und weitgehend stabil gehalten werden. Nicht zuletzt wirkt auch der große Bestand an Mietwohnungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen wegen der Kostenmietenregelung dämpfend auf die allgemeine Mietenentwicklung und damit auf die Inflation insgesamt. Diese Faktoren haben bisher entscheidend dazu beigetragen, dass sich der österreichische Wohnbausektor wesentlich stabiler entwickelt und die Krise daher auch besser bewältigt hat als es beispielsweise in jenen marktbasierten Systemen der Fall ist, in denen eine Kombination aus leichtem Zugang zu Hypothekarkrediten mit vorwiegend variable Verzinsung, leichter Inanspruchnahme von Umschuldungen und kurzfristiger Refinanzierung der Kreditgeber nicht nur zu einem unverträglich starken Wachstum des Kreditvolumens geführt hat, sondern in der Folge auch zu einer hohen Volatilität von Häuser‐ und Wohnungspreisen und zu starken Schwankungen in der Neubauproduktion (Marterbauer und Walterskirchen, 2005). WOHNBAULEISTUNG Der breite europäische Trend mit den starken Hauspreissteigerungen und zum Teil auch starkem Wachstum der Wohnbauinvestitionen bis 2007 ist am österreichischen Wohnungsmarkt weitgehend vorübergegangen. Der Hauptgrund liegt in dem hierzulande in den 1990er Jahren durchlebten Investitions‐ bzw. Neubauboom der am Ende zu einer leichten Überproduktion geführt hat. Die Leerstände ab Ende der 1990er Jahre dürften die Hauspreisentwicklung trotz steigender Bevölkerungszahlen für einige Jahre gebremst haben. Im Vergleich mit dem EU‐14‐Durchschnitt war von 1995 bis 2007 aber nicht nur die Preisentwicklung sondern auch die Wohnbauleistung schwach, zumindest wenn es nach den offiziellen Zahlen geht. Seit 2007 haben sich die Wohnbauinvestitionen in Österreich im Vergleich zum EU‐14‐Durchschnitt aber wesentlich stabiler entwickelt27 Die Untersuchung von Sanchez und Johansson (2011) weist für Österreich eine sehr geringe Preiselastizität und eine langsame Reaktionsgeschwindigkeit des Angebots aus. Österreich findet sich in der Schwäche der Angebotsreaktion gleichauf mit den Niederlanden, der Schweiz und Italien. Allerdings verwenden Sanchez und Johansson zur Ermittlung der Schätzergebnisse nicht einen österreichweiten Hauspreisindex, sondern den Wiener Hauspreisindex beginnend im Jahr 1986. Geht man realistischer Weise davon 27 Die Entwicklung der Wohnbauinvestitionen in Österreich ist aufgrund fehlender Daten zu den Fertigstellungen nach dem Jahr 2002 nur schwer nachzuvollziehen. Seit dem Jahr 2003 hat sich der Produktionsindex des Bauhauptgewerbes bei weitem besser entwickelt als der Volumensindex der Wohnbauinvestitionen. Zuvor gab es einen weitgehend deckenden Verlauf der beiden Datenreihen (Statistik Austria). Sehr wahrscheinlich haben sich daher die Wohnbauinvestitionen auch in den letzten Jahren dynamischer entwickelt als in den offiziellen Daten ausgewiesen ist. Die folgenden Ausführungen zur Angebotspreiselastizität im österreichischen Wohnbau sind daher nur unter Vorbehalt zu sehen. 108 aus, dass die Häuserpreise österreichweit gegen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre nur halb so stark gestiegen sind wie in Wien, dann verdoppelt sich die Preiselastizität des Angebots 28 . Trotzdem bleibt Österreich damit im unteren Bereich der Reaktionsstärken. Die Hauptgründe dürften wie in anderen Ländern auch im Bereich der Raumplanung (restriktive Flächenwidmungen in einzelnen Großstädten) und zum Teil in den real gestiegenen und relativ hohen durchschnittlichen Baukosten liegen (Abbildung 74). A BBILDUNG 72 E NTWICKLUNG DER H ÄUSERPREISE UND W OHNBAUINVESTITIONEN IN Ö STERREICH , REAL HP-Ver Index Häuserpreise WBI-Ver Index Wohnbauinvestitionen 350 50 40 300 Index 1995 20 10 200 0 150 -10 -20 100 Veränderung geg. Vj in % 30 250 -30 50 -40 -50 0 Quellen: Eurostat;OENB; eigene Berechnung A BBILDUNG 73 W OHNBAULEISTUNG ÖSTERREICH – D IFFERENZEN ZU EU‐14 D URCHSCHNITT Jährl. %-Veränderung %-Punkte Baubeginne Bewilligungen Fertigstellungen Wohnbauinvestitionen in % des BIP Wohnbauinvestitionen real pro 1.000 EW Wohnbauinvestitionen real Reale Häuserpreise 14 12 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 -10 1995 - 2000 2000 - 2007 2007 - 2009 (1) 2009/2010 bzw. 2010 Anzahl pro 1.000 EW (1) Häuserpreise: 2007 ‐ 2010 Quellen: OECD, Eurostat, Hypostat, Hauspreisquellen AT:OENB; eigene Berechnungen 28 Die Aussage basiert auf eigenen Berechnungen des Autors mit Jahresdaten. 109 Seit dem Jahr 2005 steigen die Wohnungseigentumspreise in Österreich mehr oder weniger kontinuierlich und das zum Teil deutlich über der Inflationsrate. Zwischen dem 3. Quartal 2005 und dem 3. Quartal 2011 ist der Immobilienpreisindex29 für Österreich ohne Wien um 22%, der Immobilienpreisindex für Wien sogar um 49% angestiegen. Im 3. Quartal 2011 gab es Zuwachsraten gegenüber dem Vorjahresquartal in Höhe von +5,1% bzw. +8,0% (ÖNB). Die Preissteigerungen werden großteils auf Umschichtungen der Anleger vom Finanz‐ auf den Immobilienmarkt zurückgeführt. Einerseits haben sich Privatanleger in den letzten Jahren generell verstärkt im Markt für Vorsorgewohnungen engagiert (Interview Sedelmayer, Standard v. 5.2.2010), andererseits dürfte die aktuelle Krise im Euroraum zu einer starken Verunsicherung in der österreichischen Bevölkerung geführt haben. Angst vor Inflation und hohe Unsicherheit auf den Aktien‐ und Anleihemärkten aber auch zunehmendes Misstrauen gegenüber traditionellen Bankprodukten haben nach Aussagen von Marktkennern in den letzten Monaten einen regelrechten Run auf Eigentumswohnungen vor allem in den Großstädten ausgelöst (ÖVI‐ Ausblick, Standard und Kurier v. 14.12.2011). Bemerkenswert an der Entwicklung ist, dass die Wohnungspreissteigerungen nicht mit einer Ausweitung des Kreditvolumens verbunden sind. Nach den Daten der österreichischen Nationalbank hat sich das Volumen der Wohnungskredittransaktionen (Neuverschuldung abzgl. Tilgungen) in den letzten Jahren gegenüber dem Stand von 2007 (5,2 Mrd. €) mehr als halbiert. Im Jahr 2009 betrug es 1,83 Mrd. €, im Jahr 2010 2,24 Mrd. € und in den ersten beiden Quartalen 2011 lag es bei 1,34 Mrd. €30. Der Run auf die Eigentumswohnungen ist daher bisher nicht mit einer nennenswerten Ausweitung der Verschuldung der Privathaushalte verbunden, die Ankäufe werden vielmehr zu einem beträchtlichen Teil mit Eigenkapital finanziert. Mögliche Verwertungsprobleme, z.B. Mietenausfälle, werden daher nicht sofort zu Zahlungsschwierigkeiten der Eigentümer führen, da keine entsprechenden Kreditverpflichtungen vorliegen. Aus diesem Blickwinkel heraus erscheint die Situation am österreichischen Wohnungseigentumssektor, trotz schon länger anhaltender Preiszuwächse, noch nicht besorgniserregend. Aber nicht nur im Eigentumssektor, auch im Mietensektor steigen die Preise. Zuletzt sind im Oktober und im November 2011 die Mieten österreichweit im Jahresabstand mit +4,0% stärker gestiegen als die allgemeinen Verbraucherpreise (+3,4% bzw. +3,6%) (Statistik Austria). Die Mietensteigerungen bleiben bisher aber deutlich unter den Steigerungen bei den Eigentumspreisen. Das könnte sich aber bald ändern. Die Entwicklung bei den Wohnbauförderungszusagen (ein Minus von fast 25% im Jahr 2010; Wurm und Lugger, 2011) und eine weiter anhaltende Kürzung bei der Wohnbauförderung in einigen der größeren Bundesländer wird die österreichweite Neubauleistung voraussichtlich für zumindest ein, zwei Jahre unter dem Bedarf bleiben lassen. Schätzungen gehen von 10.000 fehlenden Wohnungen im Jahr 2012 aus (Interview Sturm, Standard v. 4.7.2011). 29 Der Immobilienpreisindex basiert auf den durchschnittlichen Preisentwicklungen bei neuen und gebrauchten Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern. 30 Die transaktionsbedingte Veränderung der Kredite beschreibt die um Wechselkurseffekte, Abschreibungen und Reklassifikationen bereinigte (Netto‐)Kreditvergabe. Bezieht man die Wechselkurseffekte und Reklassifikationen durch die Banken mit ein, dann hat die Nettoveränderung der Verpflichtungen im Jahr 2010 6,9 Mrd. € betragen. Dies enstpricht einer Zuwachsrate von 7,1% gegenüber dem Vorjahresniveau der Verpflichtungen. Dieser Zuwachs lag deutclih über der Zuwachsrate im Jahr 2009 (1,9%), aber unter der Zuwachsrate in den Jahren 2006 (+9,7%) und 2008 (7,5%). 110 Laut WIFO war in den letzten Jahren die Anzahl der Baubewilligungen in Neubauten31 vor allem in Niederösterreich und in Wien vergleichsweise gering. Im Zeitraum 2005 bis 2010 lagen die durchschnittlichen Wohnbauraten in Wien bei 3,9 und in Niederösterreich bei 4,1 gegenüber einem Österreichdurchschnitt von 4,5. Dies erscheint insofern problematisch als im Osten Österreichs (insbesondere in Wien) die Bevölkerung weitaus dynamischer wächst als im Süden und Westen. Die hohen Zuwächse bei den Wohnungseigentumspreisen in den meisten Ballungsräumen sind zwar möglicherweise die Folge von Anlegerentscheidungen, die auf Inflationsängste oder Nachfrageverschiebungen in Richtung Eigentumssektor zurückgehen, sie könnten zum Teil aber auch andere handfeste realwirtschaftliche Hintergründe haben. Angesichts hoher Bevölkerungszuwächse und vergleichsweise niedriger Wohnbauraten, vor allem im Osten, könnten sich in den steigenden Eigentumspreisen auch die Erwartungen wiederspiegeln, dass in Zukunft mit weiteren dynamischen Preissteigerungen zu rechnen ist. Wie viele Wohnungen in Österreich insgesamt in den nächsten Jahren tatsächlich “fehlen” werden, hängt nicht nur von der Höhe der Wohnbaufördermittel ab, sondern von einer Reihe von anderen Faktoren. Durch Umschichtung von Fördermitteln von Sanierung zu Neubau, mit Baukosteneinsparungen durch Abstriche bei der Qualität, durch den Bau kleinerer Wohnungen und durch stärkere Aktivitäten im freifinanzierten Wohnbau kann das Defizit reduziert werden. Vom freifinanzierten Wohnbau ist allerdings nicht mehr als eine Kompensation von 10% bis 20% zu erwarten (Blaas und Wieser, 2004). Aktuell weist der frei finanzierte Sektor vor allem wegen der in Folge der Finanzkrise hohen Nachfrage nach Immobilien als Anlageprodukt eine hohe Aktivität auf. Diese Wohnungen sind aber für Mittel‐ und Niedrigverdiener derzeit nicht leistbar. Die Nachfrage nach solchen Wohnungen könnte daher bald wieder zurückgehen. Sollten tatsächlich über zwei, drei Jahre jeweils 10.000 Wohnungen unter dem Bedarf gebaut werden, dann ist in den nächsten Jahren mit einem zusätzlich kräftigen Anstieg der privaten Marktmieten zu rechnen (Blaas und Wieser, 2005). 31 Die Baubewilligungen in Neubauten unterschätzen das Bauvolumen. Durch Zubauten werden jährlich zusätzlich 5.000 bis 10.000 Wohnungen errichtet. 111 A BBILDUNG 74 E NTWICKLUNG DER W OHNBAUKOSTEN IN Ö STERREICH , REAL Veränderung geg. Vj. in % Index 1995 = 100 15 150 140 Index 1995 120 5 110 0 100 90 -5 80 70 Veränderung in % 10 130 -10 60 50 -15 Quellen: OECD, Eurostat; eigene Berechnung E NTWICKLUNG DES P RO ‐K OPF ‐W OHNUNGSBESTANDES IN Ö STERREICH Veränderung geg. Vj. in % Index 1995 = 100 150 3,5 140 3 130 2,5 Index 1995 120 2 110 1,5 100 1 90 0,5 80 70 0 60 -0,5 50 -1 Quellen: Housing Statistics (2010), Hypostat, UNECE; eigene Berechnung Veränderung in % A BBILDUNG 75 112 I NDIKATORENFÜR S TABILITÄTUND I NSTABILITÄT Die Ausführungen in den vorangegangenen Kapiteln haben klargelegt, dass die Entwicklungen auf den europäischen Wohnungsmärkten seit Mitte der 1990er Jahre sowohl durch globale Einflussfaktoren (Finanzmarktliberalisierung, europäische Integration) als auch durch länderspezifische Faktoren (makroökonomische Entwicklung, Wohnungspolitiken, institutionelle Rahmenbedingungen) beeinflusst waren. Die zentrale Frage dieser Studie ist, welche Faktoren in diesem Zeitraum stabilisierend und welche destabilisierend gewirkt haben. Hier ist zunächst zu klären, was man unter stabilen und instabilen Entwicklungen zu verstehen hat. Die Volkswirtschaftslehre kennt die Begriffe stabile und instabile Märkte nicht, sie spricht von Märkten im Gleichgewicht und Märkten im Ungleichgewicht, wobei darunter je nach Lehrgebäude durchaus unterschiedliche Auffassungen bestehen, einerseits darüber, was ein Gleichgewicht ist und ob es so etwas überhaupt geben kann, und andererseits darüber, welche Implikationen Ungleichgewichte haben. Die Antworten auf diese Fragen hängen auch entscheidend vom Zeitfaktor ab. In der kurzen Frist gehen auch die bekennendsten Neoklassiker nicht von Gleichgewichtssituationen auf den Wohnungsmärkten aus. Entscheidend ist vielmehr die längerfristige Sicht und die Frage, welche Faktoren dazu führen können, dass die Märkte sich langfristig nicht in ein wie immer definiertes Gleichgewicht einfinden. Ein entscheidendes Merkmal der Wohnungsmärkte ist, dass sich der Wohnungsbestand in der Regel nur langsam an Nachfrageveränderungen anpassen lässt. Der Neubau von Wohnungen benötigt Zeit und Anpassungen der Wohnungen im Bestand an veränderte Präferenzen sind oft nicht oder nur mit hohen Kosten möglich. Auf funktionierenden Märkten führt ein Auseinanderdriften von Nachfrage und Angebot zu entsprechenden Preisveränderungen. Das Problem auf den Wohnungsmärkten ist, das Such‐ und Transaktionskosten relativ hoch sind, und daher eine Reaktion auf Preisveränderungen langsam erfolgen kann. Die Vorstellung eines annähernd gleichgewichtigen Zustands auf Wohnungsmärkten ist daher abwegig. Wohnungsmärkte sind ständig „im Fluss“, und die Beurteilung der Funktionsfähigkeit eines Wohnungsmarktes muss sich praktischerer Indikatoren bedienen. Indikatoren für Instabilitäten auf Wohnungsmärkten, die häufig verwendet werden, sind die Volatilität von Häuserpreisen und/oder der Wohnbauinvestitionen. Starke Schwankungen der Häuserpreise führen zu Planungsunsicherheit auf den Märkten und können auch zu makroökonomischer Instabilität führen, mit entsprechend negativen Wirkungen auf die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt. Auch eine hohe Volatilität der Wohnbauinvestitionen ist gesamtwirtschaftlich unerwünscht, weil sie die Konjunkturschwankungen verstärken. Das zentrale Problem ist, dass in Zeiten massiver Nachfrageveränderungen die Volatilität der Häuserpreise nur durch eine starke Reaktion, d.h. hohe Volatilität der Wohnbauinvestitionen, niedrig gehalten werden kann. Das gilt für Nachfrageschübe wie auch für Nachfrageeinbrüche. Es gibt hier also ein Abtauschverhältnis, wobei die meisten Wohnungsmarktexperten offenbar eine starke Schwankung der Wohnungspreise für schädlicher halten und für eine möglichst flexible Angebotsseite eintreten (zuletzt OECD, 2011). Im Folgenden wird ein vergleichender Ansatz gewählt in dem zunächst die Entwicklung der Häuserpreise von 1995 bis 2007 (dem Beginn der Finanzkrise) den Entwicklungen bei den zentralen Nachfrage‐ und Angebotsindikatoren gegenüber gestellt wird. Hier geht es darum, in komprimierter Darstellung zu zeigen, wo die Entwicklungen der Häuserpreise 113 durch die Entwicklungen bei den fundamentalen Einflussfaktoren am besten und wo sie am wenigsten gut erklärbar waren. Danach werden für drei Ländergruppen (Boom‐Bust‐ Länder, Boom‐NonBust‐Länder, NonBoom‐NonBust‐Länder) die Ausprägungen wichtiger institutioneller Faktoren gegenüber gestellt und daraus Rückschlüsse auf mögliche stabilisierende und destabilisierende Faktoren gezogen. HÄUSERPREISEUNDFUNDAMENTALFAKTOREN Die folgende Abbildung zeigt, dass die Differenzen aus durchschnittlichem Häuserpreiswachstum und den Wachstumsraten von Einkommen, Mieten und Bevölkerung in Großbritannien, Finnland, Dänemark und Schweden bis zum Jahr 2007 am höchsten waren (in der Abbildung erkennbar an den niedrigen Indikatoren für die Übereinstimmung von Hauspreiswachstum und Wachstum der Nachfragefaktoren). In diesen Ländern ließ sich die Häuserpreisentwicklung bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Vergleich zu den anderen hier untersuchten Ländern am wenigsten gut durch die realen Nachfragefaktoren erklären. Andererseits war der Abstand zwischen dem Wachstum der Häuserpreise auf der einen Seite und der Entwicklung bei den Zinsen und dem Wachstum der Wohnungskredite in Schweden, Griechenland, den Niederlanden und Großbritannien am geringsten. In diesen Ländern ließ sich das Häuserpreiswachstum daher am besten mit den monetären Indikatoren erklären. Bemerkenswert ist, dass weder Irland noch Spanien hier als Extrembeispiele hervorgehen. A BBILDUNG 76 W AREN DIE H AUSPREISENTWICKLUNGEN FUNDAMENTAL GERECHTFERTIGT ? ‐ I NDIKATOREN DER N ACHFRAGE ( BLAU ) UND M ONETÄRE F AKTOREN ( GRÜN ) – 1995 BIS 2007 45 Die Indikatoren basieren auf den Differenzen der Wachstumsraten der Häuserpreise und der Wachstumraten der Einflussfaktoren; Für jeden Einflussfaktor gibt es eine Länderreihung; Der Gesamtindikator errechnet sich aus der Summe der Rangziffern über alle Indikatoren: Reale Nachfrage (blau): - Haushaltseinkommen - Mieten - Bevölkerung Monetäre Faktoren (grün): - Zinsen - Kreditwachstum 40 Monetär am besten erklärbar! 35 30 Real am wenigsten gut erklärbar ! 25 20 15 10 5 0 GB FI DÄ SW IR FR GR ES NL BE IT PT DE AT Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung Was hat sich seit Beginn der Finanzkrise geändert? Trotz massiver Veränderungen bei den Einkommen, den Zinsen und der Bevölkerung in einigen Ländern änderte sich am Befund drei Jahre nach Ausbruch der Krise relativ wenig. Seit 2007 gab es mehr oder weniger massive Einbrüche bei den Häuserpreisen in Irland, Dänemark, Griechenland, Spanien und Großbritannien. Die Rückgänge der Häuserpreise waren moderater in Finnland, in den 114 Niederlanden und in Frankreich. In Schweden sind die Häuserpreise weiter angestiegen, und dort hat auch das Kreditwachstum angehalten. Mit Stand Ende 2010 ließen sich die Häuserpreisentwicklungen mit den realen Nachfragefaktoren in Schweden am wenigsten gut erklären, gefolgt von Großbritannien, Finnland und Frankreich. Die monetären Faktoren trugen am meisten zur Erklärung in Schweden und Griechenland bei. A BBILDUNG 77 W AREN DIE H AUSPREISENTWICKLUNGEN FUNDAMENTAL GERECHTFERTIGT ? ‐ I NDIKATOREN DER N ACHFRAGE ( BLAU ) UND M ONETÄRE F AKTOREN ( GRÜN ) – 1995 BIS 2010 Die Indikatoren basieren auf den Differenzen der Wachstumsraten der Häuserpreise und der Wachstumraten der Einflussfaktoren; Für jeden Einflussfaktor gibt es eine Länderreihung; Der Gesamtindikator errechnet sich aus der Summe der Rangziffern über alle Indikatoren: Reale Nachfrage (blau): - Haushaltseinkommen - Mieten - Bevölkerung Monetäre Faktoren (grün): - Zinsen - Kreditwachstum 45 40 35 30 Real am wenigsten gut erklärbar ! Monetär am besten erklärbar! 25 20 15 10 5 0 SW GB FI FR BE NL DÄ IR GR ES IT PT AT DE Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung Zum Teil kann das Häuserpreiswachstum auch unter der Berücksichtigung der monetären Entwicklungen nur schlecht erklärt werden. Dies trifft beispielsweise auf Großbritannien, Finnland und Frankreich zu. Der Rest der Erklärung muss daher auf der Angebotsseite liegen. Die Abbildung 78 zeigt, dass diese drei Länder, und darüber hinaus Dänemark und die Niederlande bis zum Jahr 2007 die höchsten Spannen zwischen Häuserpreiswachstum und dem Wachstum bei den Wohnbauinvestitionen und dem Niveau der Wohnbauinvestitionen (durchschnittlicher Anteil der Wohnbauinvestitionen am BIP) aufwiesen. In diesen Ländern hat die Angebotsseite auf die Preisentwicklungen relativ am wenigsten stark reagiert. Die Einschätzung der Angebotsseite ändert sich etwas, wenn man die Entwicklungen von 2007 bis 2010 mit berücksichtigt. Hier rückt Schweden in die Gruppe der Länder mit den größten Angebotsproblemen, während Dänemark und die Niederlande besser abschneiden. Die Erklärung der Häuserpreisentwicklungen anhand von einigen wichtigen fundamentalen Nachfrage‐ und Angebotsfaktoren über die gesamte Untersuchungsperiode (Abbildung 79) lässt den Schluss zu, dass zum Ende des Jahres 2010 einige Länder im EU14‐Vergleich möglicherweise massive „hausgemachte“ Probleme auf den Wohnungsmärkten hatten bzw. noch haben. Dass hier Großbritannien aufscheint, wundert wenig. Die Analysen von Barker (2004, 2005, 2006) und anderen verweisen seit Jahren auf die Angebotsprobleme, verursacht vor allem durch staatliche Regulierungen. Mit Schweden, Finnland und Frankreich scheinen aber auch drei Länder auf, die bisher in der internationalen Diskussion noch relativ wenig Aufmerksamkeit erhalten haben. Erst 115 jüngste Untersuchungen (Bouhol, 2011 zu Frankreich und Schwedische Reichsbank, 2011 zu Schweden) fokussieren stärker auf mögliche Fehlentwicklungen in diesen Ländern. In Schweden macht nicht nur die hohe Haushaltsverschuldung Sorgen, sondern auch die schwache Wohnbauleistung in den letzten Jahren. Die Ursachen für letzteres scheinen noch nicht geklärt (Schwedische Reichsbank, 2011). In Frankreich wird trotz hoher staatlicher Zuschüsse eine zu geringe Wohnbauleistung erreicht. In diesem Land gibt es offenbar erhebliche Anreizprobleme in einem überaus komplexen und wenig transparenten System an Regulierungen und Institutionen (Boulhol, 2011). A BBILDUNG 78 W ELCHE R OLLE SPIELEN P ROBLEME AUF DER A NGEBOTSSEITE ? ‐ R EALE N ACHFRAGEFAKTOREN ( BLAU ) UND A NGEBOTSREAKTION ( GRÜN ) – 1995 BIS 2007 Die Indikatoren basieren auf den Differenzen der Wachstumsraten der Häuserpreise und der Wachstumsraten der Einflussfaktoren; Für jeden Einflussfaktor gibt es eine Länderreihung; Der Gesamtindikator errechnet sich aus der Summe der Rangziffern über alle Indikatoren: Reale Nachfrage (blau): - Haushaltseinkommen - Mieten - Bevölkerung Angebotsseite (grün): - Wohnbauinvestitionen - Wohnbauinvestitionen in % des BIP (Durchschnitt 1995 - 2007) 45 40 35 30 Länder mit größten Problemen auf der Angebotsseite 25 20 15 10 5 0 GB FI DÄ SW IR FR GR ES NL BE IT PT DE AT Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung A BBILDUNG 79 W ELCHE R OLLE SPIELEN P ROBLEME AUF DER A NGEBOTSSEITE ? ‐ R EALE N ACHFRAGEFAKTOREN ( BLAU ) UND A NGEBOTSREAKTION ( GRÜN ) – 1995 BIS 2010 Die Indikatoren basieren auf den Differenzen der Wachstumsraten der Häuserpreise und der Wachstumsraten der Einflussfaktoren; Für jeden Einflussfaktor gibt es eine Länderreihung; Der Gesamtindikator errechnet sich aus der Summe der Rangziffern über alle Indikatoren: Reale Nachfrage: - Haushaltseinkommen - Mieten - Bevölkerung 45 40 35 30 Länder mit größten Problemen auf der Angebotsseite 25 20 15 Angebotsseite: - Wohnbauinvestitionen - Wohnbauinvestitionen in % des BIP (Durchschnitt 1995 - 2010) 10 5 0 SW GB FI FR BE NL DÄ IR GR ES IT PT AT DE Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung 116 H A U S P R E I S V O L A T I L I T ÄT , S T A A T S E I N F L U S S U N D I N S T IT U T I O N E N Der vorherige Abschnitt war fokussiert auf die Erklärung der Hauspreisentwicklungen mit Hilfe zentraler Nachfrage‐ und Angebotsindikatoren. Dieser Abschnitt vergleicht für drei Ländergruppen die Ausprägungen wichtiger institutioneller Faktoren aus den Bereichen Finanzmarkt, Steuern, Transaktionskosten und direktem Staatseinfluss auf die Wohnungsmärkte. Untersucht werden folgende Ländergruppen, klassifiziert nach der Entwicklung der Häuserpreise bis Ende des Jahres 2010: Boom‐Bust‐Länder: Großbritannien, Irland, Spanien Boom‐NonBust‐Länder: Frankreich, Schweden, Niederlande NonBoom‐NonBust‐Länder: Österreich, Deutschland, Italien. Für diese Länder werden die Ausprägungen folgender Indikatoren gegenübergestellt: Index Finanzreform 1995: zeigt den Fortschritt bei der Finanzmarktliberalisierung im Jahr 1995 (Quelle: Abiad et al. 2008) Hypothekenmarktindex: Index der Vollständigkeit der Hypothekenmärkte im Jahr 2008 (Quelle: IMF 2008) CMBS (Refinanzierung): Zeigt den durchschnittlichen Anteil von Mortgage Backed Securities an ausstehenden Wohnungskrediten in den Jahren 2003 bis 2006 (Quellen: European Mortgage Federation 2004, 2005, 2006, 2007) Zins variabel: Zeigt den Anteil variabel verzinster Wohnungskredite um das Jahr 2000 (Quelle: ECB 2003) LTV‐Quote: Typische Kreditbelehnungsquote (Quellen: ECB 2003 und andere) Gewinnsteuer: Steuer auf Veräußerungsgewinne bei Wohnimmobilienverkauf bei 3 Jahren Behaltefrist (Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben in globalpropertyguide.com) Abzugsfähigkeit Kreditzinsen: Indikator für den steuerlichen Vorteil bei Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen (Quelle: Andrews et al. 2011(OECD)) Transaktionskosten: Kosten der Transaktionen mit Wohnimmobilien für Käufer und Verkäufer gesamt (Quelle: Andrews et al. 2011 (OECD)) Mietenregulierung: Index der Regulierung der privaten Mieten gesamt (Quelle: Eigene Berechnung nach Angaben von globalpropertyguide.com) Sozialwohnungen: Anteil Sozialwohnungen am Wohnungsbestand – Stand 2009 oder zuletzt (Quellen: eigene Berechnungen nach Daten von Housing Statistics 2010) Subventionen/BIP: Staatsausgaben für Wohnungswesen und kommunale Einrichtungen in % des BIP im Jahr 2000 (Quelle: Eigene Berechnungen nach COFOG‐Daten von Eurostat) Die folgenden Abbildungen zeigen jeweils die Ausprägungen der Indikatoren für die drei Ländergruppen. Die beiden Bilder zu den Boom‐Bust‐Ländern und den NonBoom‐ NonBust‐Ländern geben ein relativ homogenes Erscheinungsbild, während die Netze der Boom‐NonBust‐Länder uneinheitlicher erscheinen. In den Boom‐Bust‐Ländern war die Finanzmarktliberalisierung 1995 am weitesten fortgeschritten. Der 117 Hypothekenmarktindex 2008 zeigte weitgehend vollständige Hypothekenmärkte. Der Anteil von Kapitalmarktinstrumenten bei der Refinanzierung der Wohnungskredite war relativ hoch, ebenso wie der Anteil von variabel verzinsten Wohnungskrediten. Die typische Kreditbelehnungsquote war dagegen in allen drei Ländern nicht sehr hoch. Andere Länder wie die Niederlande, Belgien, Schweden, Dänemark hatten höhere durchschnittliche Kreditbelehnungsquote um die Jahrtausendwende. Bei den Gewinnsteuern und der Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen sticht Großbritannien hervor. Die Abzugsfähigkeit wurde 1999 aufgehoben, im Gegenzug sind die Steuern bei Veräußerung von Wohnimmobilien gering. Irland und Spanien nehmen bei beiden Indikatoren einen mittleren Rang ein. Uneinheitlich ist auch das Bild bei den Transaktionskosten. Diese waren relativ hoch in Spanien, sehr gering in Irland und Großbritannien. Die Regulierung der privaten Mieten war dagegen in allen drei Ländern sehr liberal. In allen drei Ländern spielt der Sektor der Privatmietwohnungen allerdings eine relativ unbedeutende Rolle. Der Anteil der Sozialwohnungen unterscheidet sich ebenso wie das Niveau der staatlichen Subventionen für Wohnungswesen und kommunale Infrastrukturen. Letzterer Indikator basiert allerdings auf einer schwachen Datenbasis, da die Länder sehr unterschiedliche Fördersysteme haben und diese in den COFOG‐Daten von Eurostat nicht adäquat berücksichtigt werden. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die größten gemeinsamen Nenner der Boom‐Bust‐Länder auf der Finanzierungsseite liegen, geprägt durch Kapitalmarktorientierung, liberale Regulierung und relativ starke Bedeutung kurzfristiger Finanzierung. A BBILDUNG 80 S TAATSEINFLUSS UND I NSTITUTIONEN – B OOM ‐B UST ‐L ÄNDER Irland Spanien Großbritannien Index Finanzreform 1995 14 Subventionen/BIP 12 Hypothekenmarktindex 10 8 Sozialwohnungen CMBS (Refinanzierung) 6 4 2 0 Mietenregulierung Zins variabel Transaktionskosten Abzugsfähigkeit Kreditzinsen LTV-Quote Gewinnsteuer Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung nach Daten von Abiad et al. (2008), IMF (2008), ECB (2003), EMF (2004a, 2005, 2006a, 2007), Andrews et al. (2011), Housing Statistics 2010, Eurostat, Government of Ireland. Das Bild für die NonBoom‐NonBust‐Länder unterscheidet sich deutlich von den Netzen der Boom‐Bust‐Länder. Die Finanzmarktliberalisierung war 1995 noch relativ wenig weit fortgeschritten, die Hypothekenmärkte „unterentwickelt“, der Anteil von Kapitalmarktinstrumenten zur Refinanzierung der Wohnbaukredite gering (etwas höher in Italien), der Anteil variabel verzinster Kredite moderat und die LTV‐Quoten waren die 118 geringsten unter allen Ländern. Alle drei Länder hatten im Berechnungsbeispiel mit 3‐ jähriger Behaltefrist der Immobilie sehr hohe Gewinnsteuern und in allen drei Ländern ist die Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen von der Steuer relativ restriktiv geregelt. Uneinheitlichkeit herrscht bei der Höhe der Transaktionskosten, bei der Mietenregulierung und beim Anteil an Sozialwohnungen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die größten Unterschiede zu den Boom‐Bust‐ Ländern im Finanzierungs‐ und im Steuerbereich liegen. A BBILDUNG 81 S TAATSEINFLUSS UND I NSTITUTIONEN – N ON B OOM ‐N ON B UST ‐L ÄNDER Österreich Deutschland Italien Index Finanzreform 1995 14 Subventionen/BIP 12 Hypothekenmarktindex 10 8 Sozialwohnungen CMBS (Refinanzierung) 6 4 2 0 Mietenregulierung Zins variabel Transaktionskosten Abzugsfähigkeit Kreditzinsen LTV-Quote Gewinnsteuer Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung nach Daten von Abiad et al. (2008), IMF (2008), ECB (2003), EMF (2004a, 2005, 2006a, 2007), Andrews et al. (2011), Housing Statistics 2010, Eurostat. Zur Vervollständigung der Sicht auf die Indikatoren und zur Relativierung werden hier noch die Netze für drei Länder gezeigt, die im Zeitraum seit 1995 einen Hauspreisboom erlebt haben, ohne dass die Häuserpreise seit 2007 nennenswert eingebrochen sind. Auch die Finanzmärkte dieser Länder waren 1995 bereits weitgehend liberalisiert. Die Hypothekenmärkte zeigten dagegen im Jahr 2008 noch einen sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand auf. Vor allem Frankreich hat durch sein besonderes System der Wohnungsfinanzierung noch weitgehend „unvollständige“ Hypothekenmärkte. Die Refinanzierung mittels Kapitalmarktinstrumenten war nur in den Niederlanden einigermaßen ausgeprägt. Variable Zinskredite spielten nur in Schweden eine nennenswerte Rolle. Die Belehnungsquoten waren in Schweden und den Niederlanden relativ hoch, in Frankreich sehr niedrig. Umgekehrt werden Veräußerungsgewinne in Frankreich nicht besteuert während Kreditzinsen aber von der Steuer abzugsfähig sind. Schweden hatte bis vor kurzem eine relativ starke Gewinnbesteuerung und die Niederlande sind absoluter Spitzenreiter in der steuerlichen Förderung des Wohneigentums durch Abzug von Kreditzinsen. Die Transaktionskosten sind in Frankreich hoch, in Schweden und den Niederlanden gering. Die Regulierung der Privatmieten ist in Schweden am stärksten, in Frankreich und den Niederlanden liberal. Alle drei Länder haben jedoch hohe Anteile an Sozialwohnungen und relativ hohe Anteile an öffentlichen Förderungen. 119 Zusammenfassend kann man sagen, dass nur zwei Merkmale diese drei Länder als Gruppe von der Gruppe der Boom‐Bust‐Länder relativ eindeutig unterscheiden: Erstens, der geringe Anteil variabel verzinster Kredite und zweitens, der hohe Anteil von Sozialwohnungen. In allen drei Ländern nimmt allerdings der Mietensektor insgesamt einen weitaus höheren Anteil am gesamten Wohnungsbestand ein als in den drei Boom‐ Bust‐Ländern. Die Anteile des Mietensektors betrugen im Jahr 2008 in Schweden 44%, in den Niederlanden 42% und in Frankreich 39%. In Spanien dagegen nur 13%, in Irland 21% und in Großbritannien 31%. Es ist daher naheliegend, die hohen Eigentumsanteile und den schwachen Mietensektor in Irland, Großbritannien und Spanien in Kombination mit den dort vorherrschenden Finanzmarktinstitutionen und der Art der Wohnungsfinanzierung als Hauptursachen des Niedergangs der Häuserpreise seit 2007 zu nennen. Vor diesem Hintergrund ist auch die starke steuerliche Eigentumsförderung, wie sie derzeit vor allem in den Niederlanden und seit kurzem auch in Schweden vorliegt, kritisch zu sehen. Wenn man davon ausgeht, dass die Finanzmarktintegration in Europa weiter fortschreitet und wenn man unterstellt, dass die derzeit diskutierten strengen Regulierungen, sollten sie kommen, bald wieder zurückgenommen werden, dann wird sich bald in mehreren Ländern das explosive Gemisch aus hoher Eigentumsquote und spekulativer Investition und Finanzierung am Wohnungsmarkt zeigen. In Schweden wird jetzt schon beklagt, dass der Anteil variabel verzinster Kredite bei insgesamt hohem Verschuldungsgrad der Haushalte ansteigt (Schwedische Reichsbank 2011). A BBILDUNG 82 S TAATSEINFLUSS UND I NSTITUTIONEN – B OOM ‐N ON B UST ‐L ÄNDER Schweden Frankreich Niederlande Index Finanzreform 1995 14 Subventionen/BIP 12 Hypothekenmarktindex 10 8 Sozialwohnungen CMBS (Refinanzierung) 6 4 2 0 Zins variabel Mietenregulierung LTV-Quote Transaktionskosten Abzugsfähigkeit Kreditzinsen Gewinnsteuer Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung nach Daten von Abiad et al. (2008), IMF (2008), ECB (2003), EMF (2004a, 2005, 2006a, 2007), Andrews et al. (2011), Housing Statistics 2010, Eurostat. 120 S CHLUSSFOLGERUNGEN Gegenstand dieser Untersuchung war die Identifikation stabilisierender und destabilisierender Faktoren auf den Wohnungsmärkten der EU‐14. Untersucht wurden die Entwicklungen in den Ländern Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden und Großbritannien im Zeitraum 1995 bis 2010. Dargestellt wurden die Entwicklungen bei den Häuser‐ bzw. Wohnungseigentumspreisen und deren Haupteinflussfaktoren Einkommen, Zinsen, Kreditvolumen, Bevölkerung und Wohnbauinvestitionen. Ein Schwerpunkt lag in der Darstellung der Veränderungen auf den Finanzmärkten. Darüber hinaus wurden die steuerlichen Rahmenbedingungen und Förderungen für Wohnungsinvestitionen, die Transaktionskosten auf Wohnungsmärkten und die Veränderungen in der Zusammensetzung des Wohnungsbestandes der Länder untersucht. Für sechs der vierzehn Länder wurden Länderprofile erstellt, die Auskunft über die gegenwärtige Wohnsitutation, die Veränderungen in den Wohnungspolitiken seit etwa 1980 und die Eckdaten der Wohnungsproduktion seit Mitte der 1990er Jahre wiedergeben. Kern der Arbeit ist der Versuch, stabilisierende und destabilisiernde Faktoren in einem Ländervergleich zu identifizieren. Zum einen geschieht dies durch eine Analyse der fundamentalen Fehlbewertungen auf den Märkten zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Finanzkrise im Jahr 2007 und danach, und zum anderen durch eine Analyse der institutionellen Merkmale der Länder. Die Analyse führt zu folgenden Schlussfolgerungen: Erstens, die Liberalisierung der Finanzmärkte stellt keine hinreichende Bedingung für eine Krise auf den Wohnungsmärkten dar, wohl aber eine notwendige. Alle hier untersuchten Länder mit Boom‐Bust‐Zyklus der Häuserpreise hatten schon Mitte der 1990er Jahre weitgehend liberalisierte Finanzmärkte. Andererseits gab es Länder mit fortgeschrittener Liberalisierung, in denen die Häuserpreise seit Ausbruch der Krise nicht oder nur geringfügig gefallen sind. Es kommt daher nicht primär auf die formale Liberalisierung der Finanzmärkte an, sondern auf deren institutionelle Umsetzung, auf die sonstigen Rahmenbedingungen und auf das Verhalten der Akteure. Zweitens, eine wichtige Rolle spielt die generelle Ausrichtung des Wohnbaufinanzierungssystems und die vorherrschende Form der Refinanzierung der Wohnbaukredite durch die Kreditgeber. Märkte mit traditionell langfristiger Finanzierung, in denen Fixzinskredite die Regel sind, entwickeln sich stabiler, aufgrund besserer Planbarkeit, besserer Kontrolle und stabileren Kunden‐Banken‐Beziehungen. Kurzfristige Finanzierung langlebiger Güter ist ökonomisch nicht vernünftig. Mehr Flexibilität auf Seiten der Kreditnehmer erfordert im Gegenzug ein Mehr an Flexibilität auf Seiten der Kreditgeber. Das führt unweigerlich zu gleichsam kurzfristigen Planungshorizonten bei den Kreditgebern, d. h. kurzfristiger Refinanzierung und entsprechend höheren Risiken. Kapitalmarktinstrumente wie Mortgage Backed Securities (MBS) ermöglichen zwar ein besseres Management der Exposure der Banken gegenüber Laufzeitinkongruenz, Zins‐ und Liquiditätsrisiko. Solche Instrumente haben aber nicht nur Versicherungsfunktion, sie bergen auch hohe Risiken. Covered Bonds (Pfandschuldverschreibungen) haben sich in der Krise aufgrund der doppelten Absicherung durch Emittent und Deckungsstock, der hochwertigen Sicherheiten, der im Allgemeinen hohen Liquidität, der langfristigen, vorwiegend fest verzinsten Emissionen, der Standardisierung und der Tatsache, dass Kredite nicht aus der Bilanz der Emittenten herausgenommen werden, als im Vergleich stabileres Instrument erwiesen. 121 Drittens, der Verschuldungsgrad der privaten Haushalte muss im Auge behalten werden. Ein hoher Verschuldungsgrad war und ist ein wesentlicher Faktor in der gegenwärtigen Krise. Mit Ausnahme von Schweden haben alle Länder mit hoher Verschuldung der Privathaushalte zum Teil massive Einbrüche der Häuserpreise erlebt. Aber auch Schweden muss befürchten, dass weitere Schocks im europäischen Finanzsystem auch Turbulenzen auf seinen Wohnungs‐ und Finanzmärkten auslösen können, da derzeit ein Großteil der Refinanzierung der Wohnungskredite (Wohnbauanleihen) in ausländischen Händen liegt. Viertens, die verbreitete starke Förderung des Wohnungseigentums muss angesichts der Erfahrungen in der Krise sehr kritisch gesehen werden. Für eine stabile Entwicklung der Wohnungsmärkte braucht es eine kritische Masse an Mietwohnungen. Ein ausreichend großer Mietensektor wirkt stabilisierend auf die Wohnungspreise und wirkt damit auch gesamtwirtschaftlich stabilisierend. Zudem erhöht ein funktionierender Mietensektor die Mobilität der Haushalte, was sich positiv auf die Allokation am Arbeitsmarkt und auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. In dem Zusammenhang spielt der soziale Mietensektor durch seine in der Regel stabile Mietenentwicklung eine extrem wichtige Rolle. Fünftens, globale Einflussfaktoren und landesspezifische Faktoren sollten gedanklich getrennt werden. Global haben im Untersuchungszeitraum vor allem die Veränderungen auf den Finanzmärkten gewirkt. Davon waren alle Wohnungsmärkte betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Die Untersuchung zeigt überraschend, dass sich die Entwicklung bei den Häuserpreisen in Irland und Spanien besser mit den Veränderungen bei den fundamentalen Einflussfaktoren Bevölkerung, Einkommen, Zinsen, Kredite und Wohnbauinvestitionen erklären lassen als in einigen anderen Ländern. Es gab in diesen beiden Ländern sicherlich auch Fehlentwicklungen, der Wohnbausektor war insgesamt überdimensioniert. Die dramatischen Einbrüche in der Krise können aber mit den länderspezifischen Faktoren allein nicht ausreichend erklärt werden. Hier muss es auch exogene Wirkungen über den Finanzsektor gegeben haben, die dramatischer gewirkt haben als anderswo. Sechstens, in manchen Ländern zeigen sich massive Schwächen auf der Angebotsseite des Marktes. Zu nennen sind hier Großbritannien, die Niederlande, Finnland, Frankreich und Schweden. Die Ursachen dafür sind teilweise bekannt. So etwa wird der starke Natur‐ und Grünlandschutz in Großbritannien und in den Niederlanden erwähnt. In Frankreich und Schweden konzentrieren sich die Angebotsschwächen auf die Großstadtregionen, während in den ländlichen Gebieten zunehmend Überangebot herrscht. Zum Teil war dies verursacht durch Fördersysteme mit falschen Anreizen. In Frankreich werden zudem komplizierte Bewilligungsverfahren, NIMBY‐Politik der Gemeinden und hohe technische Standards beklagt, welche die Baukosten im Neubau stark erhöhen. Hohe Baukosten sind auch in Schweden ein latentes Problem. Siebentens, in Österreich, wie auch in Deutschland, Portugal und Italien haben sich Häuser‐ bzw. Wohnungseigentumspreise und Wohnbauinvestitionen bis zur Mitte des letzten Jahrzehnts wenig verändert. In Österreich beobachten wir aber seit einigen Jahren, entgegen dem europäischen Trend, anhaltend über der Inflationsrate steigende Eigentumspreise. Die Ursachen dafür sind vermutlich einerseits eine verstärkte Orientierung der Nachfrage hin zum Eigentumssektor, andererseits und möglicherweise zunehmend eine Verunsicherung der Anleger, die in der Immobilieninvestition einen Schutz vor Eurokrise und Inflationsgefahren sehen. Beruhigend wirkt die Tatsache, dass die Preissteigerungen nicht wie in anderen Ländern vor Ausbruch der Finanzkrise 2007 mit 122 einer entsprechend starken Steigerung der Verschuldung der Privathaushalte verbunden sind. Das Neukreditvolumen ist in den letzten Jahren nicht angewachsen und liegt deutlich unter dem Wert von 2007. Ein großer Teil der Käufe im Eigentumssektor wurde zuletzt mit Eigenkapital durchgeführt, weshalb derzeit trotz kräftiger Preissteigerungen keine Gefahr von Instabilitäten auf den österreichischen Wohnungseigentumsmärkten gegeben ist. Die aktuellen Kürzungen bei der Wohnbauförderung werden aber voraussichtlich in den nächsten Jahren zu relativ schwachen Wohnbauraten, vor allem im Bereich der günstigen Wohnungen, führen. In der Folge könnten angesichts des prognostizierten starken Bevölkerungswachstums vor allem im Osten Österreichs auch die Mieten stark zulegen. Eine solche Entwicklung hätte aber negative Konsequenzen im Hinblick auf Inflation, Wirtschaftswachstum und sozialen Zusammenhalt. 123 L ITERATUR Abiad, A., Detragiache, E. und Tressel, T. (2008), A New Database of Financial Reforms, IMF Working Paper WP/08/266. Abildgren, K. 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Stand um das Jahr 2001 ................................................................................................................ 17 Abbildung 13 Reale Häuserpreise und Entwicklung der Gesamtbevölkerung – durchschnittliche jährliche Veränderungen in % ‐ 1995 bis 2007 .................................................................................................................... 18 Abbildung 14 Reale Häuserpreise und Entwicklung der Bevölkerung im Alter von 25‐44 Jahren – durchschnittliche jährliche Veränderungen in % ‐ 1995 bis 2007 ......................................................................... 18 Abbildung 15 Reale Häuserpreise und Realeinkommen – durchschnittliche jährliche Veränderungen in % ‐ 1995 bis 2007 .................................................................................................................................................. 19 Abbildung 16 Hauspreis‐ zu Einkommensveränderung – 1995 bis 2007 ........................................................ 20 Abbildung 17 Reale Häuserpreise und langfristige Realzinsen – durchschnittliche jährliche Veränderungen in % ‐ 1995 bis 2007 .................................................................................................................................................. 21 Abbildung 18 Verhältnis vom durchschnittlichen jährlichen Häuserpreiswachstum zum durchschnittlichen jährlichen Realzinsrückgang .................................................................................................................................. 22 Abbildung 19 Schritte zur Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte ........................................... 24 Abbildung 20 Häuserpreis‐ und Kreditwachstum – durchschnittliche jährliche Veränderung in % ‐ 1999 bis 2007 .................................................................................................................................................. 26 Abbildung 21 Aushaftende Wohnbaukredite 2007 und Hauspreisveränderungen danach bis Ende 2010 .... 27 Abbildung 22 Annualisierter Nachsteuergewinn bei Veräußerung von Wohnimmobilien nach unterschiedlichen Behaltefristen .......................................................................................................................... 39 Abbildung 23 Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen, 2009 – Spanne zwischen Marktzinssatz und Nach‐Steuer‐ FremdkapitalFinanzierungskosten ........................................................................................................................ 41 Abbildung 24 Transaktionskosten des Wohnungskaufs (2009) ...................................................................... 44 Abbildung 25 Transaktionskosten des Wohnungskaufs (Ohne Maklergebühren und Andere optionale Kosten) – 2008 .................................................................................................................................................. 44 Abbildung 26 Veränderung der Eigentumsquoten in %‐Punkten ................................................................... 46 Abbildung 27 Eigentumsquoten 1980 und 2009 ............................................................................................. 47 Abbildung 28 Anteile Sozialer Mietwohnungen an den bewohnten Wohnungen (Occupied dwelling stock) ‐ 2009 .................................................................................................................................................. 51 Abbildung 29 Veränderungen der Anteile Sozialer Mietwohnungen an den bewohnten Wohnungen (Occupied dwelling stock) ‐ in %‐Punkten ............................................................................................................. 51 Abbildung 30 Veränderungen der Anteile Sonstiger Mietwohnungen an den Gesamtbestand ‐ in %‐Punkten .................................................................................................................................................. 52 Abbildung 31 Anteile Sonstiger Mietwohnungen an den Gesamtbeständen ‐ 2009 ...................................... 53 Abbildung 32 Regulierungsindex Sonstiger Mietensektor ‐ Mietrecht ........................................................... 55 Abbildung 33 Regulierungsindex Sonstiger Mietensektor – Anfangs‐ und Folgemieten ................................ 55 Abbildung 34 Durchschnittliche Steigerungsraten der realen Wohnungsmieten in % ‐ 1996 bis 2010 ......... 56 130 Abbildung 35 Einkommen‐ und Beschäftigungsentwicklung in SPANIEN – Differenz zu EU‐14 Durchschnitt ( jährl. Veränderung in %) .................................................................................................................................. 59 Abbildung 36 Wohnungsmarktindikatoren – Spanien und EU‐14 .................................................................. 60 Abbildung 37 Überbelastungsquoten ‐ 2009 .................................................................................................. 61 Abbildung 38 Entwicklung der Häuserpreise und Wohnbauinvestitionen in Spanien, real ............................ 64 Abbildung 39 Wohnbauleistung SPANIEN – Differenzen zu EU‐14 Durchschnitt ........................................... 64 Abbildung 40 Entwicklung der Wohnbaukosten in Spanien, real ................................................................... 65 Abbildung 41 Entwicklung des Pro‐Kopf‐Wohnungsbestandes in Spanien .................................................... 66 Abbildung 42 Einkommen‐ und Beschäftigungsentwicklung in IRLAND – Differenz zu EU‐14 Durchschnitt ( jährl. Veränderung in %) ....................................................................................................................................... 68 Abbildung 43 Wohnungsmarktindikatoren – Irland und EU‐14 ...................................................................... 69 Abbildung 44 Entwicklung der Häuserpreise und Wohnbauinvestitionen in Irland, real ............................... 71 Abbildung 45 Wohnbauleistung IRLAND – Differenzen zu EU‐14 Durchschnitt ............................................. 72 Abbildung 46 Entwicklung der Wohnbaukosten in Irland, real ....................................................................... 73 Abbildung 47 Entwicklung des Pro‐Kopf‐Wohnungsbestandes in Irland ........................................................ 74 Abbildung 48 Einkommen‐ und Beschäftigungsentwicklung in FRANKREICH– Differenz zu EU‐14 Durchschnitt ( jährl. Veränderung in %) ............................................................................................................ 76 Abbildung 49 Wohnungsmarktindikatoren – Frankreich und EU‐14 .............................................................. 76 Abbildung 50 Entwicklung der Häuserpreise und Wohnbauinvestitionen in Frankreich, real ....................... 80 Abbildung 51 Wohnbauleistung FRANKREICH – Differenzen zu EU‐14 Durchschnitt ..................................... 80 Abbildung 52 Entwicklung der Wohnbaukosten in Frankreich, real ............................................................... 81 Abbildung 53 Entwicklung des Pro‐Kopf‐Wohnungsbestandes in Frankreich ................................................ 81 Abbildung 54 Einkommen‐ und Beschäftigungsentwicklung in den NIEDERLANDEN – Differenz zu EU‐14 Durchschnitt ( jährl. Veränderung in %) ............................................................................................................ 85 Abbildung 55 Wohnungsmarktindikatoren – Niederlande und EU‐14 ........................................................... 86 Abbildung 56 Niederlande – Land mit der stärksten Eigentumsförderung durch Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen, 2009 – Spanne zwischen Marktzinssatz und Nach‐Steuer‐FremdkapitalFinanzierungskosten ...... 88 Abbildung 57 Entwicklung der Häuserpreise und Wohnbauinvestitionen in den Niederlanden, real ........... 90 Abbildung 58 Wohnbauleistung NIEDERLANDE – Differenzen zu EU‐14 Durchschnitt ................................... 90 Abbildung 59 Entwicklung der Wohnbaukosten in den Niederlanden, real ................................................... 91 Abbildung 60 Entwicklung des Pro‐Kopf‐Wohnungsbestandes in den Niederlanden .................................... 91 Abbildung 61 Einkommen‐ und Beschäftigungsentwicklung in SCHWEDEN– Differenz zu EU‐14 Durchschnitt ( jährl. Veränderung in %) .................................................................................................................................. 93 Abbildung 62 Wohnungsmarktindikatoren – Schweden und EU‐14 ............................................................... 94 Abbildung 63 Überbelastungsquoten ‐ 2009 .................................................................................................. 95 Abbildung 64 Schweden – Land mit der strengtsten Mietenregulierung ....................................................... 97 Abbildung 65 Entwicklung der Häuserpreise und Wohnbauinvestitionen in Schweden, real ........................ 98 Abbildung 66 Entwicklung der Wohnbaukosten in Schweden, real ............................................................... 98 Abbildung 67 Wohnbauleistung SCHWEDEN – Differenzen zu EU‐14 Durchschnitt ....................................... 99 Abbildung 68 Entwicklung des Pro‐Kopf‐Wohnungsbestandes in Schweden ............................................... 101 Abbildung 69 Einkommen‐ und Beschäftigungsentwicklung in ÖSTERREICH– Differenz zu EU‐14 Durchschnitt ( jährl. Veränderung in %) ................................................................................................................................ 103 Abbildung 70 Überbelagsquoten ‐ 2009 ....................................................................................................... 103 Abbildung 71 Wohnungsmarktindikatoren – Österreich und EU‐14 ............................................................ 104 Abbildung 72 Entwicklung der Häuserpreise und Wohnbauinvestitionen in Österreich, real ...................... 108 Abbildung 73 Wohnbauleistung ÖSTERREICH – Differenzen zu EU‐14 Durchschnitt ................................... 108 Abbildung 74 Entwicklung der Wohnbaukosten in Österreich, real ............................................................. 111 Abbildung 75 Entwicklung des Pro‐Kopf‐Wohnungsbestandes in Österreich .............................................. 111 131 Abbildung 76 Waren die Hauspreisentwicklungen fundamental gerechtfertigt? ‐ Indikatoren der Nachfrage (blau) und Monetäre Faktoren (grün) – 1995 bis 2007 ....................................................................................... 113 Abbildung 77 Waren die Hauspreisentwicklungen fundamental gerechtfertigt? ‐ Indikatoren der Nachfrage (blau) und Monetäre Faktoren (grün) – 1995 bis 2010 ....................................................................................... 114 Abbildung 78 Welche Rolle spielen Probleme auf der Angebotsseite? ‐ Reale Nachfragefaktoren (blau) und Angebotsreaktion (grün) – 1995 bis 2007 ........................................................................................................... 115 Abbildung 79 Welche Rolle spielen Probleme auf der Angebotsseite? ‐ Reale Nachfragefaktoren (blau) und Angebotsreaktion (grün) – 1995 bis 2010 ........................................................................................................... 115 Abbildung 80 Staatseinfluss und Institutionen – Boom‐Bust‐Länder ........................................................... 117 Abbildung 81 Staatseinfluss und Institutionen – NonBoom‐NonBust‐Länder .............................................. 118 Abbildung 82 Staatseinfluss und Institutionen – Boom‐NonBust‐Länder ..................................................... 119 T ABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1 Haushaltsvermögen, Haushaltsverschuldung und Einflussfaktoren ‐ 2007 ................................... 25 Tabelle 2 Merkmale der Kredite für Hauskauf ‐2007 ..................................................................................... 29 Tabelle 3 Weitere Merkmale der Kredite für Hauskauf ................................................................................. 30 Tabelle 4 Steuern und Förderungen von Wohnungseigentum und ‐investitionen ........................................ 37 Tabelle 5 Entwicklung der Grundsteueraufkommen in % der Gesamtsteueraufkommen ............................ 38 Tabelle 6 Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen von der Einkommensteuer ....................................................... 40 Tabelle 7 Ausgaben des Staates für Wohnungswesen und Kommunale Einrichtungen (nach COFOG99) in % des BIP ........................................................................................................................................................ 43 Tabelle 8 Entwicklung der Eigentumsquoten in %‐punkten .......................................................................... 47 Tabelle 9 Entwicklung des Mietensektors ‐ Anteile in Prozent des bewohnten Wohnungsbestandes (Occupied dwelling stock) ..................................................................................................................................... 50 Tabelle 10 Liberalisierungsschritte und Reformen im Mietrecht .................................................................... 57 Tabelle 11 Schlüsselindikatoren (durchschnittliche Jährliche Veränderung in %) ‐ Spanien ........................... 58 Tabelle 12 Schlüsselindikatoren (durchschnittliche Jährliche Veränderung in %) ‐ Irland ............................... 68 Tabelle 13 Schlüsselindikatoren (durchschnittliche Jährliche Veränderung in %) ‐ Frankreich ....................... 75 Tabelle 14 Schlüsselindikatoren (durchschnittliche Jährliche Veränderung in %) ‐ Niederlande .................... 84 Tabelle 15 Schlüsselindikatoren (durchschnittliche Jährliche Veränderung in %) ‐ Schweden ....................... 92 Tabelle 16 Schlüsselindikatoren (durchschnittliche Jährliche Veränderung in %) ‐ Österreich ..................... 102