Untertitel

Transcription

Untertitel
Theorie und Praxis der Untertitelung
Mit Beispielen zum Deutschen und anderen
Sprachen
Elmar Schafroth, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Inhalt
• Problem der Untertitelung von Filmen, in denen Dialekt
oder regionale Umgangssprache gesprochen wird
• Einleitung: Problemstellung
• Bedeutung der Untertitelung in der heutigen Medienlandschaft und ihrer Grundprobleme
• Theoretische Prämissen für eine linguistische Betrachtung
der Untertitelung
• Verhältnis zwischen (Standard-)Sprache und Dialekt im
Allgemeinen und
o Bairisch vs. Hochdeutsch im Besonderen
o Analog: Süditalienischer Dialekt vs. Italienisch, Pikardischer Dialekt vs. (Standard-)Französisch
• Funktionen von Dialekten in Film und Literatur
• Übersetzung bei der Untertitelung
• Fallbeispiele:
o Wer früher stirbt, ist länger tot
o Benvenuti al Sud
o Bienvenue chez les Ch’tis
Quellen:
Schafroth, Elmar (2016): „Lost in (too little) space? Dialektale
Mündlichkeit im Film und ihr Verhältnis zu Untertiteln“.
In: Marina Brambilla/Valeria Crestani/Fabio Mollica
(Hg.), Untertitelung: interlinguale, intralinguale und intersemiotische Aspekte. Deutschland und Italien treffen
sich. Frankfurt a.M.: Peter Lang.
Wirtz, Nora (in Vorbereitung): Die Problematik der Übersetzung und Kulturvermittlung bei der Untertitelung von
Filmen. Dissertation, Universität Düsseldorf.
Workshop Filmuntertitelung Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (2016): https://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/index.php?id=8471
Einleitung
• Sprache in ein anderes Medium übertragen
• Reduktion und Veränderung
• räumlich und zeitlich begrenztes Medium:
o maximal zwei Zeilen à 40 Zeichen und höchstens 12
Zeichen pro Sekunde
• konzeptionelle Konsequenzen:
o Mediale Umkodierung vom phonischen in den graphischen Code
o konzeptionelle Neuausrichtung des (fingiert) gesprochenen (Drehbuch-)Textes
• Dialektalität und Regionalität in Untertiteln
• Wer früher stirbt, ist länger tot (Marcus Rosenmüller,
2006)
• Benvenuti al Sud (2010) und Bienvenue chez les Chti’s
(2008)
• Elemente von Mündlichkeit und dialektale Sequenzen
• interpretatorisch-reproduzierend (textkürzend) /
übersetzend
•
Translation, transferieren
Untertitel – eine hochgeschätzte Quadratur des Kreises
• Stellenwert der Untertitelung
• „Workshop Untertitelung“ (Institut für Romanistik, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; s. Flyer)
• „Untertitelforum“
Das Untertitelforum ist eine Initiative von Untertitlerinnen
und Untertitlern, die in Deutschland, Österreich, der Schweiz
und anderen Ländern sowie mit vielen verschiedenen Sprachen arbeiten. Gegründet wurde es im Mai 2011. Seitdem ist
es stetig gewachsen. Im Mai 2012 hatte es bereits 74, im November 2014 140 Mitglieder. Seit Oktober 2014 ist das Untertitelforum Mitglied beim Verband der audiovisuellen
Übersetzer Europas AVTE (<www.untertitelforum.de>).
• Grundprobleme des Untertitelns:
o Herausforderung, „das Gesagte in einen Untertitel,
der nur für kurze Zeit eingeblendet werden darf und
nur so viel Text enthalten darf, wie das menschliche
Auge in dieser Zeit zu lesen und das Gehirn zu verarbeiten imstande ist“ unterzubringen
o die Untertitelung eines Spielfilms „selbst mit der
zeitsparenden Software […] je nach Filmlänge und
Komplexität der Dialoge“ innerhalb von nur „vier
bis zehn Tagen[n] “ abgeschlossen zu haben
o Raum- und Zeitprobleme, Synchronizität, Filmschnitte und Filmrhythmus
o zwei Zeilen à 40 Zeichen
o sprachliche und parasprachliche Merkmale:
o phonetische und phonologische Besonderheiten
(Akzentsetzungen, Dehnungen, Intonation, fremdländische oder regionale Merkmale)
o markierte Syntax (z. B. Topikalisierungen und
Dislozierungen, simulierte Mündlichkeit wie z. B.
Fehlstarts, Wiederholungen, Anakoluthe)
o diasystematisch markierte Lexik oder pragmatisch
Relevantes (z. B. Ironie)
• Praxis:
o Syntax und Grammatik unangetastet, d. h. intakt
(normativ korrekt) zu lassen
o markierten Wortschatz zu vermeiden oder zu glätten
o Verlust kultureller Spezifika (Diskurstraditionen,
kulturgebundener Symbolwörter und -namen, Bezeichnungen für Realia)
Theoretische Prämissen für eine linguistische Betrachtung
der Untertitelung
• Untertitelung als hybride Textgattung betrachtet:
o durch die mediale Vielfalt mehr, durch Textveränderung und Textkürzung weniger als eine Übersetzung
• Untertitelung als bearbeitende Übersetzung: „Informationsverlust durch Kürzung und Textresümierung“
• Gottlieb (1994): „eine besondere Art des Übersetzens“ – Elemente des Dolmetschens und des Übersetzens
o Subtitling is an overt type of translation retaining the
original version, thus laying itself bare to criticism
form everybody with the slightest knowledge of the
source language (Gottlieb 1994: 102).
• Translationsrichtungen: intralinguale und interlinguale
Translation
• lediglich phonisch realisierter Drehbuchtext
• nicht authentische, sondern „fingierte Mündlichkeit“
(Goetsch 1985)
• schriftliche Originalfassung der Kult-Fernsehsendung Monaco Franze aus den 1980er Jahren:
KOPFECK. Zeit werds, Franze !
MONACO. Weißt, Manni, des schlimmste wär ja nicht einmal
die Oper selber, des schlimmste ist des, was hinterher kommt,
Weinstube, verstehst … die ganzen Dampfplauderer … der
Schönferber, der Dr. Braun, die Olga … die san doch alle
schon ganz glücklich, daß sie heut so einen Deppen wie mich
dabeihaben.
Kopfeck. Jetzt tu dich nicht neisteigern, Franze ! Soll dir nix
Schlimmers passieren im Leben (Dietl/Süskind 1983: 33).
• graphisch fixierter Text
• stilisierte gesprochene Sprache
• keineswegs einen „gesprochene[n] Dialog“ (Schröpf
2009: 245)
• Gesprochene-Sprache-Forschung
o Begriffe ‚gesprochen‘ und ‚geschrieben‘ (Söll
1974) gemäß der beiden Faktoren ‚Medium‘ und
‚Konzeption‘ aufgespalten in ‚medial phonisch/graphisch‘ und ‚konzeptionell gesprochen/geschrieben‘
o Hunnius (2013): Mündlichkeit untrennbar an die
Lautsprache geknüpft
Interessant werden Dialekt und Fremdsprache immer dann,
wenn sie im geschriebenen Text Mündlichkeit suggerieren
sollen. Dialekt und Fremdsprache sind in diesem Fall Teil der
im literarischen Werk fingierten Mündlichkeit und müssen
deshalb als Schreibstrategie gewürdigt werden, die durch die
partielle Nachahmung der gesprochenen Sprache […] die Illusion der Mündlichkeit hervorruft (Goetsch 1987: 8).
SCHRITT
AUSGANGSSPRACHE
ZIELSPRACHE
(1)
Medium
graphisch
Konzeption
fingierte Mündlichkeit
Konzeption
–
(2)
phonisch
fingierte Mündlichkeit
–
graphisch
(a) Adaptation
(b) Adaptation und Übersetzung
bei intralingualen Untertiteln
bei interlingualen Untertiteln
(3)
(4)
Abb. 1: Medialer und konzeptioneller Wechsel bei intra- und interlingualer Untertitelung
Begriff ‚interlinguale Untertitelung‘ – definitorische Merkmale:
Übertragung in eine andere Sprache (1) von verbalen Aussagen (2) in filmischen Medien (3) in Form von ein- oder zweizeiligen Texten (4), repräsentiert auf Leinwand oder Bildschirm (5) und synchron zur Originalaussage (6).
• Untertitelung: ‚dreifache Adaptation‘
o 1. von einer Sprache in eine andere gewechselt,
o 2. Dialoge fingierter Mündlichkeit vom phonischen
Medium ins graphische übertragen
o 3. ein Originaltext zu einer gekürzten Fassung verändert wird.
(Bairischer) Dialekt und (deutsche Standard-)Sprache
Dialekt und Sprache: linguistisches und soziolinguistisches
Verhältnis
• Minderwertigkeit der Dialekte gegenüber einer Hoch- oder
Standardsprache?
• Sprachwissenschaft:
o Haugen (1966): Unterscheidung zwischen der strukturellen und funktionalen Dimension von Idiomen
(Sprachsystemen
o linguistischen Gleichrangigkeit, jedoch soziolinguistischen Gefälle zwischen Sprache und Dialekt
(Diglossie)
o Kontinuum zwischen Dialekt und Standard (code
mixing oder code switching)
• Strukturelles Kriterium: Dialekte und (Standard-)Sprachen
sind Systeme mit Isoglossen, beides sind linguistisch
„plenare“ Systeme, d. h. mit beiden „Diasystemen“ lassen sich alle grammatikalischen Kategorien und Relationen (z. B. Genus, Numerus, Vorzeitigkeit, Nachzeitigkeit, Rekursivität, Modus, Modalität, etc.) ausdrücken
und alle Begriffe der außersprachlichen Wirklichkeit,
Konkreta wie Abstrakta, versprachlichen – und sei es
durch Entlehnung
Bairisch und Standarddeutsch
• Bairisch als Primärdialekt: die „bairischen Mundarten im
sogenannten Altbayern – also in den Regierungsbezirken
Ober- und Niederbayern sowie in der Oberpfalz und angrenzenden Randgebieten“ (König et al. 1991: 15)
• bayerisches Credo und Ausdruck des Selbstverständnisses
(Mia san mia): nur für den altbairischen Raum
• Bairisch aufgrund der relativen Großräumigkeit des Dialektgebiets kein prototypischer Dialekt
• Kommunikative Reichweite eines Dialekts: Akzeptanz eines Dialekts auch außerhalb des Raumes, in der diese
Mundart als Basisidiom gesprochen wird
• Bairisch polarisiert also!
• andere Situation in Italien
• Bairisch neben Norddeutsch ganz oben in der Beliebtheitsskala
Funktionen von Dialekten in Literatur und Film
• Thema ‚Dialekt in der Literatur‘ bzw. ‚Varietäten in der
Literatur‘
• Erscheinungsformen von Dialekt: Distribution und dialektale Dichte
• Film Wer früher stirbt, ist länger tot
o Dialekt als Kommunikationssystem
• dialektale Ausprägung: Graphie?
• kommunikative Funktionen des Dialekts
o Suggestion von Wirklichkeit im Sinne eines regionalen und sozialen Gestaltungsmittels und Vermittlung von Lokalkolorit
o Vermittlung von Glaubwürdigkeit der Akteure und
der fiktiven Ereignisse
o Vermittlung der Illusion von Mündlichkeit
o Semantisch-pragmatisches Potenzial der Dialekte
(Realia, affektiver Bereich, Konnotationen)
o Stilistische Effekte durch Kontrastierung
o Hervorhebung des kulturellen Wertes von Dialekten:
• Allgemeine Strategien beim Übersetzen von Dialekt
o „zielseitige soziolektale Markierung[en]“ wiedergegeben
o ausgelassen
o Übersetzungstechniken
wie
Dialektmischung,
Kunstdialekt, Idiolekt, konzeptionell elaborierte
Schriftlichkeit oder ein fiktiver Kommentator scheiden aus
o einbürgernde und verfremdende Übersetzungen, also Übersetzungen, die „Fremdes“ des Ausgangstextes im Zieltext glätten, so dass der Leser die Fremdheit gar nicht mehr bemerkt, oder solche, die das
„Fremde“ gerade auf die eine oder andere Weise
beibehalten oder es neu kreieren
o Mittelweg zwischen Verfälschung durch Anpassung
einerseits und Verfremdung andererseits
• Konsequenzen für die Translation von filmischen Dialektdialogen in graphische Untertitel:
o Dialektkompetenz
o Verschiebung der Ebenen von dialektalen zu kolloquialen Elementen
o Kein falsch verstandenes normatives Sendungsbewusstsein oder Pflichtgefühl, die Zielsprache zu sehr
(syntaktisch und lexikalisch) glätten
o Annäherungen an die Hochsprache: umformulieren!
Ist es möglich, einen Dialektfilm in Standardsprache zu
untertiteln? Eine Analyse von Fallbeispielen aus dem Film
Wer früher stirbt, ist länger tot
• zwar stilisiertes, aber immerhin stimmiges „Mittelbairisch
Münchner Prägung“
• Bairisch:
o hohes Ansehen in Deutschlandsondern
o omnipräsent in den Medien (Müller Milch, Erdinger- oder Paulaner-Bier, TV-Serien wie der
Münchner Tatort, die Rosenheim-Cops oder die
Soap Dahoam is Dahoam, Oktoberfest, Brezen,
Weißwürste, Volksmusik, bayerische Politiker usw.)
o Besucherzahlen des Rosenmüller-Films außerhalb
des bairischen Dialektgebiets
o im übrigen Deutschland (außer Bayern und BadenWürttemberg) nur bis zu 1% Zuschauer
o Untertitelung durchaus gerechtfertigt
• Inhalt des Films (zitiert nach König 2010: 8):
In dem Film geht es um den 11-jahrigen Buben Sebastian, der die/seine Welt wieder in Ordnung bringen
will, nachdem sie nach einem von ihm verschuldeten
Unfall, der den Tod der Hasen seines Bruders zur Folge hatte, aus dem Lot geraten war (v. a. durch die Anschuldigung seines Bruders, er hätte auch den Tod der
Mutter auf dem Gewissen). Um das zu erreichen, muss
er unsterblich werden, was man durch Fortpflanzung
erreiche oder indem man Rockstar wird. Beide Ziele
verfolgt Sebastian wahrend des Films. Dabei stoßen
die Wirklichkeiten der Erwachsenenwelt und die des
naiven Weltverständnisses des Buben, der durchaus
auch ein Schlitzohr sein kann, immer wieder aufeinander. Dadurch entstehen zahlreiche Situationen und
Effekte, die auf den Zuschauer komisch wirken und
die wohl den großen Erfolg des Filmes ausmachen.
• Ineinandergreifen von Adaptation und Übersetzen
• Äquivalenz eine Rolle
o denotative Äquivalenzen
o dialektspezifische „konnotative Werte oder Sprache
in ihrer ästhetischen Funktion“
- Suggestion von Wirklichkeit im Sinne eines regionalen und
sozialen Gestaltungsmittels und Vermittlung von Lokalkolorit
• Der ganze Film ist ländliches Bayern pur
- Vermittlung von Glaubwürdigkeit der Akteure und der fiktiven Ereignisse
DVD Gesprochener Originaltext
a 1:38 Des is doch einfach a wunderbarer Song, oda? Am
liabsten dad i n glei nommal spui'n.
b 1:43 Oder was moant's Ihr? Also, i konn' den auf jeden
Fall imma wieda hea'n
c 1:49 Ah, wisst's wos?
d 1:53 Mia spui'n 'en eifach nommai
Untertitel
Ein wunderbarer Song,
oder? Ich würde ihn am
liebsten noch mal spielen.
Was meint ihr? Ich
könnte ihn immer wieder hören.
Wisst Ihr was?
Wir spielen ihn noch
mal.
Tabelle 1: Transliterierte Sprechsequenzen und Untertitel im Film Wer früher
stirbt, ist länger tot
Humor und Selbstironie:
DVD Gesprochener Originaltext
e 27:53 Sag' eam doch glei, er soi voabeikemma. […]
f 27:46 […] Psst, des is nur der Herr
Schneider. – Ach so, ja, klar,
nur der Herr Schneider. Ja,
wenn des so is, dann passt's ja.
Untertitel
Soll er doch vorbeikommen. […]
[…] Ist nur der
Herr Schneider. –
Ja, klar.
Tabelle 2: Transliterierte Sprechsequenzen und Untertitel im Film Wer früher
stirbt, ist länger tot
- Semantisch-pragmatisches Potenzial der Dialekte
Zwischen Ironie und Sarkasmus:
• Syntax, intensivierendes glei, steigend-fallende Intonation
und Hauptakzent auf glei
• standarddeutsches Soll er doch vorbeikommen
• Selbstironie: Ja, wenn des so is, dann passt's ja
Gesprochener Originaltext
Untertitel
g Des Sterb'm, des is fei was Das Sterben ist etwas
Scheens.
Schönes.
Tabelle 3: Transliterierte Sprechsequenz und Untertitel im Film Wer früher
stirbt, ist länger tot
sog' a moi (wörtlich ‚sag einmal‘)
spinnst du?, host an Schlag?
DVD Gesprochener Originaltext
h 3:24 etz sog' a moi, spinnst du?
Fahr doch de Hena net zam!
Untertitel
Spinnst du? Fahr
doch die Hühner
nicht um!
i 3:30 Sog' a moi, host an Schlag,
Hast du einen
oder wos? – des is der kürzes- Schlag? – Das ist der
te Weg – Muasst net auf 'n
kürzeste Weg! –
Beppi aufpass'n?
Was ist mit Beppi?
Tabelle 4: Transliterierte Sprechsequenzen und Untertitel im Film Wer früher
stirbt, ist länger tot
Verb ‚zusammenfahren‘ (h), welches stärker ist als das deutsche umfahren. Auch ist ein Schmarrn konnotativ anders zu
bewerten als Mist (j):
Gesprochener Originaltext
j Lass dir koan Schmarrn verzäh'n,
Sebastian.
k Geh weiter, geh her do.
Untertitel
Lass dir keinen Mist
erzählen.
Na, komm her.
Tabelle 5: Transliterierte Sprechsequenzen und Untertitel im Film Wer früher
stirbt, ist länger tot
Jetzt hab' dich nicht so oder Nun komm schon
Dialektale Morphologie: die bairischen KonjunktivImperfekt-Formen brauchat und miassat
Gesprochener Originaltext Untertitel
l Na miassat i's oschreim Das muss ich anschreiben laslass'n.
sen.
Tabelle 6: Transliterierte Sprechsequenz und Untertitel im Film Wer früher
stirbt, ist länger tot
Die in (l) vorsichtige formulierte Bitte, anschreiben lassen
zu dürfen, kommt im deutschen Untertitel nicht zum Ausdruck.
Sätze mit dem Auxililar tun, im Bairischen in den finiten Formen daad oder daaden:
DVD Gesprochener Originaltext
m 26:37 Daaden Sie eventuell mit
mir vögeln?
n 11:06 Ja, schaamst du di net?
Schaama daad i mi.
Untertitel
Würden Sie eventuell
mit mir vögeln?
Schämst du dich denn
nicht!
Tabelle 7: Transliterierte Sprechsequenzen und Untertitel im Film Wer früher
stirbt, ist länger tot
Schaama daad i mi (n) (wörtlich ‚Schämen täte ich mich‘)
Du solltest Dich was schämen
Verfremdungen: durch Beibehaltung dialektaler Lexeme:
DVD Gesprochener Originaltext
p 16:14 Donn trinkst a Hoibe mit
uns, no geht' scho. Setz di
hea.
q 33:12 Und des ko ma überoi n'
hean? – Jo, freili.
r 33:51 […] Hundsdreeck […]
s 6:13 Scheiße! 'zefix!
t 41:08 Du Saukrüppel!
Untertitel
Trink 'ne Halbe mit
uns, dann geht's. Setz
dich her.
Und das kann man
überall hören? – Freilich.
[…] Hundsdreck […]
Scheiße! 'zefix!
Du Saukrüppel!
Tabelle 9: Transliterierte Sprechsequenzen und Untertitel im Film Wer früher
stirbt, ist länger tot
- Stilistische Effekte durch Kontrastierung
- Hervorhebung des kulturellen Wertes von Dialekten
Maxime müsste hier lauten: ‚Verfremdung durch Invarianz‘
statt ‚Anpassung durch Neutralisierung‘.
Besonders störend sind solche Glättungen im Falle von (x):
DV Gesprochener Originaltext
D
x 27: Grüß Gott, da ist die Frau
01 Dorstreiter, Sebastians Lehrerin.
Untertitel
Hallo, hier ist Frau
Dorstreiter, Sebastians
Lehrerin.
Tabelle 11: Transliterierte Sprechsequenz und Untertitel im Film Wer früher
stirbt, ist länger tot
Fazit, aber noch nicht Schluss
• Kritik am falschen Objekt
• alles „abrasiert“ wird, was von einer unmarkierten (SVO)Syntax abweicht und auch nur das geringste Anzeichen
von (wenngleich simulierter) Mündlichkeit aufweist:
o Diskursmarker, Abtönungspartikeln, Interjektionen,
Routineformeln.
• Pragmatik und Konnotationen bleiben fast völlig auf der
Strecke
• Äußere (technischen und medialen) Zwänge den Prozess
des ‚bearbeitenden Übersetzens‘
• mehr (simulierte) Mündlichkeit in der Graphie wagen!
Jetzt noch ein Blick auf die anderen beiden Filme…