Deutscher Wohnimmobilienmarkt: Risiko einer Preisblase bis 2020?

Transcription

Deutscher Wohnimmobilienmarkt: Risiko einer Preisblase bis 2020?
Ausblick Deutschland
Deutscher Wohnimmobilienmarkt:
Risiko einer Preisblase bis 2020?
— Am deutschen Immobilienmarkt gibt es aktuell keine Preisblase, auch für
die Zukunft ist die Gefahr einer Blasenbildung gering.
— Die aktuellen Preisaufschläge sind nicht kreditfinanziert, sondern durch
Portfolioumschichtungen ausgelöst und eher als Normalisierung denn als
Übertreibung anzusehen.
— Gesetzgeber und Regulierer haben zahlreiche Möglichkeiten steuernd in
Angebot und Nachfrage einzugreifen und einer Blasenbildung, falls notwendig, entgegenzuwirken. Zudem ist die heutige Investorengeneration durch
das Platzen der zahlreichen Blasen vorsichtig geworden.
— Den deutschen Wohnimmobilienmarkt sehen wir daher als ideales Investitionsumfeld an.
Wohnimmobilienpreise
1
Index, 1995=100
130
115
100
85
Die Ungleichgewichte in der Eurozone bestehen fort und die EZB dämpft den
Anpassungsprozess in Südeuropa mit ultraexpansiver Geldpolitik ab. Auch an
den Immobilienmärkten steht ein Abbau der Ungleichgewichte noch aus. Den
größten Anpassungsbedarf hat vermutlich der spanische Immobilienmarkt. Dabei könnte die Anpassung nicht nur zu einem deutlichen Rückgang des spanischen Immobilienpreisniveaus führen, sondern auch über Arbitrageprozesse zu
steigenden Preisen in Deutschland führen.
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Der deutsche Wohnimmobilienmarkt galt lange als unattraktiv und überreguliert
und die Preise wurden oft als wenig sensitiv bezüglich der makroökonomischen
Situation betrachtet. Nach dem Platzen der Subprime-Blase in den Vereinigten
Staaten sowie der Immobilienblasen in Irland und Spanien wird aktuell diskutiert, ob auch auf dem deutschen Immobilienmarkt eine Preisblase existiert beziehungsweise sich entwickeln könnte. Wie viele Fachleute erachten wir derartige Befürchtungen als unbegründet. Auf kurze Sicht scheint sich der deutsche
Wohnimmobilienmarkt eher zu normalisieren und es bestehen derzeit keine
Preisübertreibungen.
11
125 Städte (nominal)
125 Städte (real)
7 Großstädte (nominal)
Quellen: Berechnung der Deutschen Bundesbank nach
Angaben der BulwienGesa AG, DB Research
Viele Indikatoren zeigen eine Fortsetzung der jüngsten Preisentwicklung an. Im
Folgenden wagen wir einen Ausblick, wohin die Reise bis ans Ende des Jahrzehnts am deutschen Wohnimmobilienmarkt gehen wird und wie groß die Blasengefahr im Laufe dieses Jahrzehnts ist. Zunächst starten wir aber mit einem
Rückblick.
Entwicklungen der letzten Jahre
Baugenehmigungen
2
EUR Mio., Quartalsdaten
20.000
15.000
10.000
5.000
95
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03
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Baugenehmigungen (sb.)
Quellen: Deutsche Bundesbank, DB Research
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In den letzten beiden Jahren zogen die Preise am deutschen Wohnimmobilienmarkt merklich an. Die Preissteigerungen lagen über der Inflationsrate. Gerade
der Anstieg im zweiten Quartal 2012 von nominal über 12% gegenüber dem
Vorjahresquartal in den Großstädten gibt der Diskussion über die Entstehung
einer Blase neuen Schwung. Betrachtet man aber die Preisentwicklung seit
1995, bietet sich ein anderes Bild. Die Preise lagen im letzten Jahr erstmals
über dem Niveau von 1995. Zuvor waren sie bis 2005 beinahe durchgängig
gefallen. Inflationsbereinigt liegen die Preise sogar ein knappes Fünftel unterhalb des alten Niveaus und nahmen 2010 zum ersten Mal überhaupt im Betrachtungszeitraum zu.
Auch die Baugenehmigungen stiegen zuletzt an, seit 2009 um mehr als 60%.
Grund zur Beunruhigung bietet diese Entwicklung dennoch nicht. 1995 lag der
Wert der Baugenehmigungen noch beinahe doppelt so hoch. Deshalb interpretieren wir den aktuellen Anstieg eher als Erholung denn als akutes Warnzeichen. Außerdem dürfte eine expansive Reaktion des Angebots in der mittleren
Frist dämpfend auf die Preisentwicklung wirken.
Aktuelle Themen
Ausblick Deutschland
Wohneigentum erschwinglich
3
%
14
12
10
Angesichts dieser Entwicklungen ist es bemerkenswert, dass sowohl Bundes1
bank , Analysten als auch die Presse jüngst die Frage diskutieren, ob es bereits
eine Blase gibt. Nach Jahren der Stagnation oder gar fallender Preise wirken
die Preiszuschläge 2 bis 3%-Punkte über der Inflationsrate scheinbar schon
beunruhigend. Doch zur Bewertung, wohin die Reise geht, diskutieren wir zunächst die wichtigsten Wirkungskanäle auf die Preise.
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Preisanstieg verursacht durch niedrige Zinsen und
Kreditwachstum?
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4
2
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Hypothekenzinsen
Anteil Kreditzahlung an verfügbarem
Einkommen
Quellen: Bundesbank, DB Research
Verschuldung privater Haushalte
4
% BIP
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Seit den 1980er Jahren fielen nicht nur die Hypothekenzinsen, sondern auch
der Anteil für Zins und Tilgung relativ zum verfügbaren Einkommen. So liegt die
Zinsbelastung aller privaten Haushalte aus Wohnbaukrediten in Deutschland
aktuell bei unter 3%. Dabei kam den Kreditnehmern nicht nur das sinkende
Zinsniveau entgegen, sondern auch das verfügbare Einkommen, das schneller
wuchs als die Preise für Wohnimmobilien. Diese hohe Erschwinglichkeit von
Immobilien sollte sich tendenziell in Preissteigerungen niederschlagen.
Mit niedrigen bzw. sinkenden Zinsen existiert der Nährboden für kreditgetriebene Preisblasen. Von einer Blasenbildung ist man jedoch angesichts historisch
niedriger Verhältnisse von Preis-zu-Einkommen und Preis-zu-Mieten weit entfernt. Eine Bastion gegen Preisübertreibungen sollte aber wie in den vergangenen Jahrzehnten grundsätzlich auch die konservative Kreditvergabe für den
Wohnungsbau der Finanzinstitute sein.
Zudem sind nicht nur die Anbieter, sondern auch die deutschen Kreditnachfrager risikoavers. Über Jahrzehnte lag die Verschuldung der privaten Haushalte
nahezu konstant bei 60% des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: In Spanien
stieg die Verschuldung privater Haushalte von 25% 1980 auf 90% des spanischen Bruttoinlandproduktes im Jahr 2010.
1980
1990
2000
ES
Auch in den letzten Jahren verlief das Wachstum der Wohnungsbaukredite der
privaten Haushalte verhalten. Mit dem Wegfall der Eigenheimzulage Ende 2005
ging es sogar deutlich zurück. Wuchs das Kreditvolumen privater Haushalte vor
2006 meist über der Inflationsrate hat sich dies in den letzten Jahren umgekehrt, so dass das Kreditvolumen real sogar sank. Das Anziehen der Preise auf
dem Wohnimmobilienmarkt ist also bisher nicht auf die Kreditentwicklung zurückzuführen.
2010
DE
Quelle: BIZ
Preistreibe Portfolioumschichtungen?
Kreditwachstum privater Haushalte im
Wohnungsbau vs. Inflation
5
% gg. Vj.
Wegfall der
Eigenheimzulage
4,0
3,0
2,0
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0,0
-1,0
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Kreditwachstum im Wohnungsbau
Inflation
Quellen: Bundesbank, DB Research
Über negative Realzinsen die Wirtschaft anzukurbeln, scheint weiterhin ein
wichtiger Bestandteil der Rezeptur der Zentralbanken zu sein, um die Eurokrise
in den Griff zu bekommen. Sehr erfolgreich hat man nicht nur das Zinsniveau
am kurzen Ende auf Rekordtiefstände gedrückt, sondern auch die langfristigen
Zinsen. Die inflationsbereinigte Zinskurve für deutsche Staatsanleihen ist mittlerweile sogar vollständig negativ. Ersparnisse über Sparguthaben und Anleihen
im Vergleich zu den Vorkrisenjahren sind also deutlich unattraktiver geworden.
Dadurch rücken Investitionen in Immobilien stärker in den Blickpunkt. In den
Vorkrisenjahren lagen die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen auf oder über
den Mietrenditen. Dieses Verhältnis hat sich im Jahr 2008 zu Gunsten der Immobilien umgekehrt. Selbst in Städten mit sehr niedrigen Mietrenditen übertreffen diese die Renditen von Bundesanleihen deutlich.
Damit haben Portfolioumschichtungen aus den Finanz- in die Immobilienmärkte
an Attraktivität gewonnen. Aufgrund der hohen Vermögensbestände deutscher
Haushalte von EUR 10.900 Mrd. können diese Portfolioumschichtungen auch
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Deutsche Bundesbank. Monatsbericht Februar 2012.
Aktuelle Themen
Ausblick Deutschland
ohne Kreditwachstum zum Preistreiber werden. Die größten Vermögenspositionen sind allerdings bereits Immobilienvermögen, d.h. Wohnimmobilien plus Bauland, in Höhe von EUR 5.600 Mrd. während das Finanzvermögen EUR 4.700
Mrd. beträgt.
Seit Ausbruch der Finanzkrise 2007 haben die Immobilienvermögen im Vergleich zu den Finanzvermögen in den Portfolios deutscher Haushalte stark zugenommen. Zunächst vor allem durch die starken Preisrückgänge der Finanzprodukte in 2008, dann aber auch durch die starken Preisanstiege der Immobilien. Aufgrund weiterhin negativer Realzinsen und der hohen Unsicherheit in
den Finanzmärkten sollte diese Entwicklung fortbestehen.
Die Rolle ausländischer Investoren?
Hinweise aus der Industrie zeigen, dass auch außerhalb Deutschlands ein erhöhtes Interesse am deutschen Wohnimmobilienmarkt besteht. Für dieses Interesse gibt es gute Gründe. Der deutsche Wohnimmobilienmarkt ist im internationalen Vergleich weiterhin als äußerst günstig einzustufen. Viele Länder weisen
heute deutlich höhere Preise und Erschwinglichkeitsindizes auf als Deutschland.
Deutschland: Realzinsen von Staatsanleihen
6
%
5,0
2,5
0,0
-2,5
1M
3M
6M
1Y
2Y
Aug 2012
3Y
4Y
5Y
6Y
Aug 2007
7Y
8Y
9Y
10Y
20Y
30Y
Aug 2002
Quellen: Bloomberg, Statistisches Bundesamt
Durchschnittliche Mietrenditen
7
%
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4
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00
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Mietrendite Bestand
Mietrendite Neu
Renditen auf 10jährige Bunds
Quellen: BulwienGesa, DB Research
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Wie groß die in den Wohnimmobilienmarkt investierten ausländischen Investitionen sind, ist nicht direkt messbar. Ein Krisenbarometer, welches aber die Kapitalströme innerhalb der Eurozone erfasst, sind die Target2-Salden der Bundesbank, die in den letzten Jahren stark zulegten. Zu einem gewissen Teil erklären
sich die Target2-Forderungen der Bundesbank auch über die Nettoexporte
Deutschlands gegenüber den europäischen Nachbarn, aber gerade der steile
Anstieg in den letzten 24 Monaten beruht zu einem großen Anteil auf Kapitalzuflüssen nach Deutschland. Die jüngsten Ankündigungen der EZB, Banken und
Staaten ohne vollen Marktzugang mit noch größerer Liquidität zu versorgen,
könnte letztlich auch zu weiteren Liquiditätsströmen nach Deutschland führen
und den Boom am deutschen Wohnimmobilienmarkt aufrechterhalten oder gar
beschleunigen.
Die Target2-Verbindlichkeiten liegen fast durchweg bei den stark verschuldeten
Ländern der Eurozone. Gerade aus Spanien und Italien fließen große Kapitalströme nach Deutschland. Dabei ist zu bedenken, dass trotz sinkenden ProKopf-Einkommens italienische Haushalte im Durchschnitt reicher sind als deutsche. Aufgrund des anvisierten Abbaus der Leistungs- und Haushaltsdefizite in
Südeuropa steigt das Besteuerungsrisiko, wodurch ausländische Vermögensanlagen an Attraktivität gewinnen. Der deutsche Immobilienmarkt insbesondere in
Aktuelle Themen
Ausblick Deutschland
Minimale Mietrenditen
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den Ballungszentren wie München, Frankfurt, Berlin und Hamburg ist dabei eine
interessante Anlagealternative.
%
Ohne staatliche Markteingriffe: Wie groß ist das Blasenrisiko auf
mittlere Sicht?
8
6
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2
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Minimum: Mietrendite Bestand
Minimum: Mietrendite Neu
Die Preistreiber am deutschen Wohnimmobilienmarkt sind also
Portfolioumschichtungen von sowohl In- als auch Ausländern. Wir erwarten,
dass die Preise auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt weiterhin schneller
steigen als die Inflation. Vermutlich wird diese Entwicklung solange andauern,
wie die Eurokrise die Unsicherheit an den Finanzmärkten hoch hält. Dabei ist zu
bedenken, dass die Beseitigung der ökonomischen Ungleichgewichte in der
Eurozone mehrere Jahre erfordern sollte und es stellt sich die Frage, ob am
deutschen Wohnimmobilienmarkt, perspektivisch bis 2020, eine Blase entstehen könnte?
Renditen auf 10jährige Bunds
Quellen: BulwienGesa, DB Research
Bruttovermögen privater Haushalte
9
EUR Mrd.
6.000
Zur Beantwortung dieser Frage muss man definieren, wann eine Überbewertung vorliegt. Wir empfehlen, eine einfache Definition zu wählen. Zum Beispiel:
Eine Überbewertung liegt vor, wenn der Erschwinglichkeitsindex, definiert als
Preise zu verfügbarem Einkommen, über dem langfristigen Durchschnitt des
Indexes ansteigt. Gemessen an diesem Maß ist der deutsche Immobilienmarkt,
laut OECD, aktuell 20% unterbewertet. Um bis 2020 den langfristigen Durchschnittswert der Erschwinglichkeit zu erreichen, müssten die Preise jährlich 3%Punkte stärker steigen als das verfügbare Einkommen. In den Jahren 2010 und
2011 sind die verfügbaren Einkommen fast so stark gewachsen wie die Immobilienpreise, so dass der Erschwinglichkeitsindex bisher nur leicht zulegte.
Natürlich lässt diese Definition viele Aspekte außer Acht. Beispielsweise ist der
langfristige Erschwinglichkeitsindex womöglich nicht der optimale Bewertungspunkt, da mit dem Wegfall der Eigenheimzulage 2005 die Preise heute nicht
mehr subventioniert sind. Darüber hinaus könnte man die Preise auch ins Verhältnis zu Mieten setzen oder aber die Komplexität erhöhen und aufwendige
ökonometrische Modelle als Bewertungsgrundlage heranziehen.
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
91 93 95 97 99 01 03 05 07 09 11
Wohnbauten plus Bauland
Sollten die Preise aber über unsere Erwartung hinaus anziehen und begonnen
werden über Gegenmaßnahmen nachzudenken, empfehlen wir dem Gesetzgeber und Regulierer für die Beantwortung dieser Frage, eine einfache Definition
zu wählen und diese auch deutlich zu kommunizieren. Damit hätten die Investoren Klarheit darüber, wann mit Markteingriffen zu rechnen ist. Warum ist eine
solche Kommunikationsstrategie aktuell besonders erfolgversprechend?
Geldvermögen
Quelle: Bundesbank
Differenz: Immobilien- vs.
Finanzvermögen
10
EUR Mrd.
1.000
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0
91 93 95 97 99 01 03 05 07 09 11
Quelle: Bundesbank
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Nichtinvasive Blasenbekämpfung über Erwartungsbildung
Die negativen Erfahrungen durch die IT-Blase, US-Subprimekrise und die Eurokrise sind prägend für die aktuelle Investorengeneration und dürften einer Blasenbildung entgegenwirken. Denn eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen von Preisblasen ist das Nichterkennen von Fehlbewertungen. Zwar gab es
auch vor 2007 warnende Worte von einzelnen Experten, aber die Mehrheit der
Investoren ignorierte diese, hielt die Wohnimmobilienpreise in den USA, Spanien und Irland für angemessen und versuchte weiterhin von steigenden Preisen
zu profitieren. Die heutige Investorengeneration hat aber dann schmerzlich gelernt, erstens es gibt Preisblasen, zweitens sie können platzen, drittens es gibt
keine schnelle Erholung und viertens das Investitionsumfeld kann nachhaltig
geschädigt werden.
Aufgrund dieser Erfahrungen ist die Bekämpfung von Preisblasen einfacher
geworden, Investoren haben heute einen großen Anreiz bei sich aufbauenden
Überbewertungen frühzeitig Gewinne mitzunehmen. Gerade deshalb können
Regulierer und Gesetzgeber in einem ersten Schritt eine effektive KommunikatiAktuelle Themen
Ausblick Deutschland
Erschwinglichkeit
11
Verhältnis von Häuserpreisen zu Einkommen
Langfristige Durchschnitte = 100
160
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onsstrategie einsetzen. Die Steuerung von Erwartungen bei Investoren wirkt im
aktuellen Investitionsumfeld womöglich Wunder, vor diesem Hintergrund sollte
auch der Monatsbericht im Februar der Bundesbank und die Aussage „Wohnimmobilien haben sich im Jahr 2011 in Deutschland kräftig verteuert.” verstanden werden. Gerade eine Bundesbank, die dank ihrer jahrzehntelangen Stabilitätsorientierung ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit besitzt, kann hier mit wenigen Worten viel erreichen.
120
100
Bei Blasengefahr: Frühzeitige staatliche Markteingriffe
wahrscheinlich
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60
2000
2002
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US
ES
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2008
DE
IT
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FR
UK
Quelle: OECD
Angesichts der zahlreichen Verwerfungen an den globalen Kapital- und Immobilienmärkten sind Gesetzgeber und Regulierer in Deutschland besonders wachsam. So äußerste sich nicht nur die Bundesbank besorgt über die Preisentwicklung am Wohnimmobilienmarkt. Ebenso haben im Bundestag Parlamentarier ein
Auge auf die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise geworfen. Bisher haben
Gesetzgeber und Regulierer jedoch, abgesehen von der Kommunikationsstrategie, nur einen Beobachtungsstatus. Doch den öffentlichen Institutionen steht
grundsätzlich ein relativ umfangreiches Arsenal im Kampf gegen Preisübertreibungen zur Verfügung.
Tabelle 12 zeigt eine Übersicht von möglichen Markteingriffen seitens der Regulierungsbehörden und des Gesetzgebers. Diese Maßnahmen könnten potenziell
dazu dienen, Wohnimmobilienpreise zu reduzieren. Die meisten Instrumente der
Gesetzgeber, insbesondere von Bund und Ländern, wirken nachfrageseitig. Auf
Gemeindeebene könnten jedoch auch angebotsseitige Markteingriffe ins Auge
gefasst werden.
Mögliche Markteingriffe von Regulierer und Gesetzgeber
Institution
Ziel
Maßnahmen
Bundesbank Kreditangebot verringern
1) Anhebung der Risikogewichte bei der Eigenkapitalgewichtung
Bafin
2)Rückstellung für künftige Marktkorrekturen
Kreditnachfrage reduzieren
Bund
12
1) Größere Eigenkapitalbasis durch den Kreditnehmer – damit niedrigere Beleihungswerte
Transaktionskosten erhöhen 1) Notargebühren anheben
2) Maklergebühren anheben
Mietrenditen senken
1) Mietspiegel seltener anpassen (§ 558c BGB „im Abstand von zwei Jahren“)
2) Einschränkung/Verbot der Indexmiete (§557b BGB)
3) Mietpreiserhöhungsverlangen nur alle x Jahre möglich - bisher frühestens nach einem Jahr möglich (§ 558 BGB).
Subventionen abbauen
Subventionen für bestimmte Bautätigkeiten auch im Gewerbebereich abbauen und Reduktion der Kreditförderprogramme.
Bundesländer Transaktionskosten erhöhen Grunderwerbssteuer anheben, derzeit je nach Bundesland zwischen 3,5 und 5% auf den Kaufpreis
Gemeinden
Nachfrage drosseln
1) Über höheren Hebesatz auf Grundsteuer Transaktionskosten erhöhen
2) Über geringe Qualität des Angebots. Beispielsweise über niedrigere Infrastrukturausgaben
Angebot ausweiten
1) Mehr Bauland ausweisen
Quelle: DB Research
Gemeinden könnten durch verschiedene Maßnahmen die Nachfrage beeinflussen. Beispielsweise können indirekt Kosten des Wohnens und Bauens über die
Gebührenordnungen erhöht werden. Folglich könnten Nachfrager die Gebühren
in ihr Kostenkalkül einbeziehen und eher günstigere Gemeinden als Wohnort
bevorzugen. Alternativ könnten Gemeinden auch über die Ausweisung weniger
attraktiven Baulands als geplant, über geringe Ausgaben zur Erschließung des
Baulandes, über eine Reduktion öffentlicher Dienstleistungen oder geringe Infrastrukturausgaben die Nachfrage nach Wohnraum reduzieren oder in andere
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Aktuelle Themen
Ausblick Deutschland
Target2-Forderungen der Bundesbank
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EUR Mrd.
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Regionen umlenken. Darüber hinaus ist es auch angebotsseitig über die Ausweisung von zusätzlichem Bauland über die Nachfrage nach Bauland hinaus
auf Gemeindeebene möglich, Preise zu dämpfen.
Trotz der vorhandenen Eingriffsmöglichkeiten auf lokaler Ebene, könnten auf
dieser Entscheidungsebene die Anreize einen Immobilienboom zu unterbinden
letztlich gering sein. Die Ausweitung von Bauland zur Befriedigung der vorhandenen Nachfrage entlastet die Gemeindefinanzen und die Kosten von ggf. später wieder sinkenden Preisen fallen auf privater Seite an. Gleichzeitig sind die
Anpassungsprozesse aufgrund einer lokalen Blase und deren Platzen weniger
schmerzlich als bei nationalen Preisblasen, da Löhne und Wettbewerbsfähigkeit
großen Teils auf regionaler oder nationaler Ebene bestimmt werden.
600
400
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0
-200
03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Eine weitere Maßnahme könnte die Anhebung von Grund- und Grunderwerbssteuer sein. Hierfür könnte es eine breite politische Mehrheit im Falle einer vorliegenden Überbewertung geben. Angesichts der hohen Neigung zu Steuererhöhungen und der in der Schuldenbremse und im Fiskalpakt verankerten ambitionierten Ziele ist zu vermuten, dass auf Bundes- und Landesebene leicht
Mehrheiten für Steuererhöhungen zu finden sind. Auf Bundesebene könnte eine
höhere Grundsteuer auch als Substitut für die Nichteinführung einer Vermögenssteuer dienen.
Target 2
Quellen: Deutsche Bundesbank, DB Research
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Deutschland: Erschwinglichkeit
Verhältnis von Hauspreisen zu Einkommen
Langfristiger Durchschnitt = 100
100
90
Laut OECD liegen die Transaktionskosten im deutschen Wohnimmobilienmarkt
bei etwa 6% des Immobilienwertes. Damit liegt Deutschland im europäischen
Vergleich eher im unteren Bereich. Höhere Transaktionskosten über eine Anhebung von Immobiliensteuern, Makler- oder Notargebühren können, neben einer
Erhöhung der Grundsteuer, die Nachfrage drosseln und einer sich anbahnenden Preisblase entgegenwirken.
Auch eine Änderung des Mietrechts könnte weitere Preiserhöhungen erschweren oder hinauszögern, Mietrenditen sänken und Preise stiegen zumindest
langsamer. Gerade aus sozialpolitischer Betrachtung ist zu erwarten, dass Politiker sich hierfür relativ schnell erwärmen können, um einkommensschwache
Haushalte vor den negativen Auswirkungen eines Immobilienbooms zu
schützen.
80
70
00 02 04 06 08 10 12 14 16 18 20
Das Entstehen der jüngsten globalen Immobilienblasen ging stets einher mit
einer starken Kreditausweitung. Daher steht das Kreditvolumen im Mittelpunkt
der Regulierungsbehörden. Dieses kann sowohl angebots- als auch nachfrageseitig beschränkt werden. Das Kreditangebot könnte über höhere Risikogewichte bzw. höhere Eigenkapitalanforderungen reduziert werden. Eine Reduktion
der Kreditnachfrage könnte über strengere Beleihungswerte erfolgen. Jedoch
scheint der Einsatz des bankaufsichtlichen Instrumentariums für den deutschen
Markt ungeeignet, da, wie beschrieben, bisher keine Anzeichen für einen kreditgetriebenen Preisauftrieb erkennbar sind.
Preise +1%, Einkommen +2% p.a.
Preise +3%, Einkommen +2% p.a.
Preise +5%, Einkommen +2% p.a.
Quellen: OECD, BIS, DB Research
Transaktionskosten
15
% des Immobilienwertes
Aktuell besteht am deutschen Wohnimmobilienmarkt keine Preisblase. Die
Preissteigerungen sind bislang nicht kreditfinanziert, sondern durch
Portfolioumschichtungen ausgelöst. Anekdotische Evidenz belegt, dass auch
die Nachfrage von Ausländern nach deutschen Wohnimmobilien hoch ist. In den
nächsten Jahren erwarten wir zwar, dass die Preise anziehen und weiterhin
über Inflationsrate wachsen. Dabei handelt es sich um eine Normalisierung eines bisher unterbewerteten Marktes.
12
10
8
6
4
2
0
FR
IT
ES
Quellen: OECD, DB Research
10 | 1. Oktober 2012
Zusammenfassung
DE
JP
US
UK
Im Rahmen dieses Normalisierungsprozesses besteht perspektivisch das Risiko, dass es angesichts der großen Ungleichgewichte in der Eurozone zu Überbewertungen kommt. Allerdings kann, falls notwendig, rechtzeitig mit Markteingriffen seitens der Regulierer und Gesetzgeber gegengesteuert werden, was
über die Erwartungen das Risiko einer Blase reduzieren sollte. Ein erster Schritt
Aktuelle Themen
Ausblick Deutschland
der Einflussnahme erfolgte bereits über die Adressierung des Risikos in einem
2012er Monatsbericht der Bundesbank. Eine Fortsetzung dieser Vorgehensweise über eine Intensivierung der Kommunikationsstrategie ist wahrscheinlich.
Damit könnte man die Erwartungen der Investoren steuern, zu große Kapitalzuflüsse verhindern und Preise dämpfen. Über die Kommunikationsstrategie hinaus ist der Regulierer vermutlich wenig gefragt, da die Entwicklungen bis dato
nicht kreditgetrieben sind.
Sollten in den kommenden Jahren bundesweit wirklich rasante Preisanstiege
drohen, dann ist eher mit Maßnahmen der Gesetzgeber zu rechnen. Hierbei
sehen wir Änderungen des Mietrechts als auch eine Anhebung von Grund- und
Grunderwerbssteuer als wahrscheinlichste Markteingriffe an. Insbesondere
Steueranhebungen könnten dann auch im Rahmen der Diskussion um eine
Wiedereinführung der Vermögenssteuer auf der politischen Agenda stehen.
Abschließend kann man den deutschen Wohnimmobilienmarkt als ideales Investitionsumfeld bezeichnen. Auch – oder gerade weil – wir keine Übertreibungen erwarten. Erstens, der Markt ist insbesondere relativ zu vielen anderen
Ländern aber auch historisch unterbewertet. Zweitens, die Eurokrise und die
umfangreiche Liquiditätsbereitstellung der EZB erhöht die Nachfrage nach
Sachwerten. Mit den ersten beiden Punkten ist das Fundament für weitere
Preissteigerungen gelegt. Drittens, angesichts der vielen Verwerfungen auf den
globalen Finanz- und Immobilienmärkten ist, gegebenenfalls bei drohenden
Überbewertungen, frühzeitig mit Markteingriffen seitens Regulierer und Gesetzgeber zu rechnen. Das Risiko einer Überbewertung und des anschließenden
Platzens einer Preisblase ist daher unter Berücksichtigung von erwarteten
Markteingriffen auch auf lange Sicht gering.
Jonas Harnau
Jochen Möbert (+49 69 910-31727, [email protected])
11 | 1. Oktober 2012
Aktuelle Themen
Aktuelle Themen
 Deutsche Industrie:
Nur moderate Erholung in 2013 ............................. 28. September 2012
 Amerika vor der Wahl............................................. 27. September 2012
 Ausblick Deutschland:
Zunehmend im Griff der Eurokrise ................................24. August 2012
 Einer für alle, alle für Einen?
Kommunale Finanzagentur – ein Überblick ..................21. August 2012
 Nutzfahrzeuge:
Marktumfeld schwierig –
Energieeffizienz wird wichtiger ........................................3. August 2012
 Ausblick Deutschland:
Weltwirtschaft dämpft –
keine schnelle Rettung durch die Politik ............................ 24. Juli 2012
 Immobilienpreise im Euroraum:
Deutschland gegen den Rest ............................................. 17. Juli 2012
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 Makroprudenzielle Aufsicht: Auf der Suche
nach einem ganzheitlichen Ansatz
zur Vermeidung systemischer Risiken ............................... 16. Juli 2012
 Energiewende fordert Kommunen und Stadtwerke ........... 11. Juli 2012
 Ausblick Deutschland: Nun sag,
wie hast du's mit dem Euro? ............................................. 15. Juni 2012
 Kapitalmarktbasierte Bankenrefinanzierung:
(Nicht so) schöne neue Welt … ........................................ 11. Juni 2012
 Makroprudenzielle Finanzaufsicht in den USA:
Der Financial Stability Oversight Council (FSOC) .............. 4. Juni 2012
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Print: ISSN 1430-7421 / Internet: ISSN 1435-0734 / E-Mail: ISSN 1616-5640