Aufstand in Ägypten - Grundschulmaterial online

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Aufstand in Ägypten - Grundschulmaterial online
Aufstand in Ägypten
Einige 100 Jahre sind vergangen, seitdem die Cheopspyramide gebaut wurde. Seitdem ist
viel neues Leid über die arbeitsamen Bauern am Nil hereingebrochen: Die Tempelpriester
und königlichen Würdenträger haben die fruchtbarsten Äcker an sich gerissen.
Zwangsarbeit für die Tempel und den Pharao sowie hohe Steuern bedrücken die Bauern.
Noch schlimmer ist das Los der Sklaven. „Der Steuerschreiber kommt!“ Die Männer, Frauen und Kinder halten
mit der Arbeit inne. Sie säubern jetzt, nach der Erntezeit, die Bewässerungsgräben vom
Schlamm. Wo das Wasser die Böschungen zerstört hat, setzen sie diese instand. Die
Ruferin steht am Rande der Siedlung „Bei den drei Palmen“. Es ist Imu, die Tochter des
Bauern Baam. Wieder ruft das Mädchen: „Der Steuerschreiber aus dem Sonnentempel!“
Da packen alle ihre
Hacken und Grabhölzer und
eilen zu den Hütten. Sie
wissen: Jetzt wird es ernst;
denn ihre Siedlung schuldet
die Kornsteuer, und der
Steuerschreiber kennt keine
Nachsicht!
Doch
womit
zahlen,
wenn
die
Heuschrecken die Felder
kahl gefressen haben? Die
magere Ernte wird kaum
reichen, um den ärgsten
Hunger zu stillen.
In
den
vergangenen
Tagen haben die Bauern oft
über
die
Kornsteuer
gesprochen.
Schließlich
haben alle dem Bauern
Baam recht gegeben, der erklärt hatte: „Geben wir unser weniges Korn als Steuer ab, so ist
uns der Hungertod sicher. Weigern wir uns, können wir vielleicht das Leben retten.“ Aber
nun, wo der Steuerschreiber gekommen ist, bangen doch viele um einen guten Ausgang. Der Steuerschreiber hat vier Bewaffnete mitgebracht. Er herrscht die Bauern an: „Heraus
mit der Kornsteuer!“
Keiner der Bauern befolgt den Befehl. Da lässt der Steuerschreiber den Bauern Baam
packen und mit Stöcken schlagen. Baam beißt sich vor Schmerzen die Lippen blutig, aber
er zahlt nicht. Mit bösen Blicken mustert der Steuerschreiber die Bauern. Dann zeigt er auf
vier Kinder: „Bindet sie und taucht sie in den Nil, bis die Bauern zahlen!“
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Die Bewaffneten des Steuerschreibers ergreifen die Kinder. Da schreit Imu angstvoll:
„Krokodile!“
Im Fluss zeigen sich die hässlichen Rücken der gefürchteten Raubtiere.
Die Bewaffneten zögern. Doch der Schreiber brüllt sie an: „Los! Die Kinder in den Fluss!“
„Auf sie!“ ruft Bauer Baam entschlossen, und schon sausen Bauernfäuste auf die
verdutzten Bewaffneten hernieder. Im Handumdrehen haben die empörten Bauern den
Schreiber und seine Bewaffneten gepackt und in den Nil geworfen. In vielen Siedlungen geschieht ähnliches. Bestürzt vernimmt es der Obersteuerschreiber
im Sonnentempel. Er schickt einen Brief an den Pharao.
„Erhabener Pharao!“ lautet der Brief. „Möge es Dir gut gehen. Deinem Hause, Deinen
Frauen, Deinen Söhnen und Deinen Würdenträgern möge es gut gehen, auch Deinen
Pferden, Deinen Streitwagen und Deinen Ländereien und Schätzen möge es gut gehen!
Die Botschaft, die ich Dir zukommen lasse, ist keine gute. Ein rebellischer Geist ist in die
Köpfe der Bauern meines Steuerbezirkes eingezogen. Sie weigern sich zu zahlen, was sie
Dir, den Göttern und unserm Tempel schulden. Sie misshandeln die Schreiber. Im Tempel
des Sonnengottes herrscht darüber tiefe Sorge.
Ich bitte Dich, erhabener Pharao, schicke uns 100 Speerträger und 50 Bogenschützen.
Mit ihnen will ich die rebellischen Bauern züchtigen. Die Aufwiegler werde ich töten, ihren
Namen auslöschen, ihre Nächsten vernichten und alle Erinnerungen an sie im Volke tilgen.“
Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Der Wesir teilt den Abmarsch der Krieger
mit und rät den Priestern des Sonnentempels:
„Tötet nicht - das ist nicht von Nutzen für die Steuer. Straft die Rebellen durch Schläge
und Kerker. Nur die Aufwiegler,
die Ihr ergreift, lasst ihre
Verbrechen an Gott und dem
Pharao mit ihrem Blute büßen!“ Einen halben Tagesmarsch
vom Sonnentempel entfernt liegt
am Nilufer die Tempelziegelei.
Von zehn Bewaffneten bewacht,
arbeiten hier 200 Sklaven und
Sklavinnen. Der Pharao hat sie
während
eines
Kriegszuges
geraubt und dem Sonnentempel
geschenkt. Nun formen sie Ziegel
aus Nilschlamm und stapeln sie
zum Trocknen auf. Der Schlamm
ist zäh, die Sonne brennt.
Mücken und Fliegen peinigen die
Sklaven. Aber viel schlimmer als das Ungeziefer und die schwere Arbeit ist der Priester
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Amasis, der Vorsteher der Ziegelei. Heute zum Beispiel hat er zehn Männer einsperren
lassen. Morgen früh will er sie den Krokodilen zum Fraß vorwerfen lassen. „Die Sklaven
müssen eingeschüchtert werden“, sagt Amasis seinen Bewaffneten.
Doch die Ziegeleisklaven haben erfahren, dass sich am Nil die Bauern erheben. Da
wagen auch sie einen Aufstand gegen den grausamen Priester Amasis. Sie überwältigen
seine Bewaffneten und erschlagen sie mitsamt dem Priester. Dann schicken die Sklaven
Boten in die nächsten Siedlungen und sagen den Bauern: „Wir haben uns befreit und
wollen nun mir euch gemeinsam kämpfen.“ Die 100 Speerträger und 50 Bogenschützen des Pharaos sind am unteren Nil
eingetroffen. Die erste Siedlung, in die sie eindringen, ist leer. Die Bauern halten sich
verborgen. „Zerstört die Hütten!“ befiehlt der Anführer der Soldaten. Widerwillig befolgen
die Speerträger den Befehl; denn sie sind selbst Bauernsöhne und wissen um das schwere
Leben in den Siedlungen. Anders die Bogenschützen. Das sind ausländische Krieger,
Söldner, die bedenkenlos die Hütten zerstören.
Eines Abends, als die Krieger wieder in einer zerstörten Siedlung rasten, taucht Imu, die
Tochter des Bauern Baam, bei den Speerträgern auf. „Warum helft ihr den Reichen gegen
uns Arme?“ fragt sie. Die Speerträger schweigen. Da spricht Imu weiter: „Heute schickt
man euch gegen uns, aber morgen müsst ihr vielleicht schon die Siedlungen eurer Väter
zerstören!“
Stumm vor Scham schauen die Speerträger zu Boden. „Das Mädchen hat recht“, sagt
der Speerträger Hapi schließlich, „die Bauern sind unsere Brüder!“
Einige seiner Kameraden fürchten sich jedoch vor den ausländischen Bogenschützen.
Aber Imu ruft: „Seid ihr nicht doppelt so viele wie sie? Muss euch erst ein Mädchen sagen,
was ihr tun müsst?“
In diesem Augenblick kommt der Anführer mit einigen Bogenschützen vorbei. Er macht
einen Rundgang. Als er Imu entdeckt, fragt er argwöhnisch: „Was geht hier vor? - Ergreift
das Mädchen!“
Die Bogenschützen packen Imu. Doch im gleichen Augenblick wirft Speerträger Hapi
dem Anführer eine Matte über den Kopf und reißt ihn zu Boden. Seinen Begleitern ergebt
es ebenso. Im Nu sind sie gefesselt.
„Dank euch, Brüder!“ atmet Imu auf. „Nun rasch, die anderen Bogenschützen
überwältigen!“ So geschieht es. In derselben Nacht vereinigen sich die Speerträger mit den
Bauern und Sklaven. Im Sonnentempel sitzen der Obersteuerschreiber und andere hohe Priester beim
Schmause. Sie haben sich auf dem flachen Tempeldach auf weichen Polstern gelagert.
Eine aufgespannte Leinwand spendet ihnen Schatten. Sklaven mit Palmenwedeln stehen
bereit, um Fliegen und Mücken zu verscheuchen.
Tischsklaven servieren auf goldenen und silbernen Platten gebackenen Fisch,
Gazellenfleisch mit Linsenbrei, geräucherte Gänsekeulen mit Weizengebäck, dazu Feigen
und Datteln, Zwiebeln und Lauch. Große bauchige Krüge werden herbeigebracht: Sie
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enthalten süßen Wein und Gerstenbier. Flöten- und Harfenspieler musizieren, um die
schmausenden Priester zu unterhalten. Doch diese beachten die Musikanten gar nicht. Sie
denken nur an die Bauernunruhen und an die geflohenen Sklaven. „Den Göttern sei Dank,
dass die Speerträger und Bogenschützen bald ankommen“, frohlockt der
Obersteuerschreiber, „dann wird Ordnung geschaffen!“
Die Priester stimmen ihm zu: „Die ungehorsamen Bauern und Sklaven sollen es büßen!“
Da wird den hohen Priestern gemeldet: „150 Speerträger und Bogenschützen stehen vor
dem Tempel. Ihr Anführer verlangt Einlass, Speise und Trank sowie Nachtlager für seine
Krieger!“
Die Priester atmen erleichtert auf. Nun sind sie vor den Bauern und Sklaven sicher.
„Öffnet das Tor!“ befiehlt der oberste Tempelpriester.
„Den Anführer der Speerträger und Bogenschützen lade ich zum Schmaus!“
Knarrend drehen sich die schweren Torflügel. Die Krieger marschieren in den
Tempelhof. Ein schriller Pfiff ertönt. Blitzschnell stürzen sich die Speerträger und die als
Bogenschützen verkleideten Bauern und Sklaven auf die Tempelkrieger und entwaffnen
sie.
Die Aufständischen dringen in alle Gebäude ein. „Ihr seid frei!“ rufen sie den Sklaven zu.
Die Priester und Aufseher aber werden gefangen genommen; wer Widerstand leistet, wird
erschlagen. Die Bauern zerreißen die Papyrusrollen, auf denen die Steuern aufgeschrieben
sind. „Ins Feuer mir ihnen!“ jubeln die Bauern. „Nie wieder zahlen wir Steuern!“ Auch die
Listen mit den Namen der Tempelsklaven fliegen in die Flammen.
Aus der Schatzkammer und den Vorratshäusern erhält jedermann, was er dringend
braucht: Kleidung, Ackergeräte, Vieh, Töpfe und Krüge, vor allem aber Korn.
Die gefangenen Priester und Aufseher werden zum Tempel hinausgejagt. „Mögen sie
überall im Lande von unserem Sieg erzählen!“ lachen die Aufständischen. Nur wenige
fragen: „Wäre es nicht besser, sie zu erschlagen? Werden sie uns nicht hassen, solange
sie leben?“
Auf den Stufen des Tempelturmes sitzen Baam und Hapi. Auch sie sind glücklich über
den Sieg. Doch was soll nun geschehen?
„Was wird mit dem Tempelland?“ wollen die Bauern wissen. „Das teilen wir auf“, erklärt
Baam, „jeder bekommt seinen Teil.“ Mit lautem Beifall beantworten alle seinen Vorschlag.
„Wenn die Priester aber zurückkehren?“ bangt ein befreiter
Tempelsklave. Imu wirft ihm eine Axt vor die Füße. „Nimm“, ruft sie keck, „und verwehr es
ihnen!“
„Das Mädchen hat recht“, sagen die befreiten Sklaven und bewaffnen
sich.
Leise sagt Hapi zu Baam: „Vielleicht schickt der Pharao ein Heer gegen
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uns, zehnmal oder zwanzigmal stärker als wir. Was dann?“
„So viele Krieger wie Bauern und Sklaven sind, gibt es nicht, Hapi!“ antwortet Baam.
„Überall gärt es. Der Hass gegen die Reichen und Sklavenhalter ist riesengroß. Schicken
wir Boten in alle Bezirke, damit es die Bauern und Sklaven dort ebenso machen wie wir.“ So geschah es auch. Das Heer des Pharaos wurde von den ägyptischen Bauern und
Sklaven besiegt. Viele Tempel wurden erobert. Sogar die Hauptstadt fiel in die Hände des
Volkes. Die Aufständischen überwältigten die Leibwache des Pharaos, nahmen ihn selbst
gefangen und erklärten ihn für abgesetzt. In diesen Kämpfen erschlug das Volk viele
Sklavenhalter oder verjagte sie aus Ägypten.
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