- Gundolf S. Freyermuth

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- Gundolf S. Freyermuth
1998
Reprint
Computer machen Leute
Desktop-Computer sind die Saurier der digitalen Epoche. Ein Paradigmenwechsel steht an – von klobigen Büromaschinen zu unauffälligen
Begleitern, vom PC zur Cyborg-Technik. Wearables, wie Waffen am
Körper zu tragen, mixen in der Arbeitswelt bereits Wirklichkeit und
Datenraum. Die nächste Stufe: Softwear, Kleidungs-Computer.
Von Gundolf S. Freyermuth
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ede genügend entwickelte Technologie
lässt sich von Magie nicht mehr unterscheiden”, lautet Arthur C. Clarkes drittes
Gesetz, niedergelegt in seinem Buch über
die Grenzen des Möglichen. Bedenkt man,
diesen Satz im Hinterkopf, einen Augenblick die Verrenkungen, Unbequemlichkeiten und Anpassungsleistungen, zu denen
uns Computer täglich zwingen, so wird zur
Gewissheit, was die meisten wohl ohnehin
ahnen: Wir leben in der Steinzeit der digitalen Epoche, kurz vor der Entdeckung
des Feuers.
Heutige PCs verhalten sich zu Clarkes
„genügend entwickelter Technologie“ wie
die Fensterchen eines Weihnachtskalenders zu den Fenstern graphischer Benut-
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zeroberflächen. Oder wie mittelalterliche Mysterienspiele zu Myst. Den Namen Personal
Computer jedenfalls verdienen sie nicht, denn kaum etwas an ihnen ist persönlich. Um
unsere Bedürfnisse und Interessen scheren sie sich keinen Deut – was sich schon daran
zeigt, dass sie uns just da allein lassen, wo wir sie am nötigsten bräuchten: im Alltag,
unterwegs, vor Ort.
Stattdessen thronen die meisten Computer auf Schreibtischen und verlangen, dass wir
uns anbetungsvoll vor ihnen positionieren und jene speziellen Gebete erlernen, die zu
erhören sie gerade mal imstande sind. Und selbst im besten Falle, in ihrer Inkarnation
als Laptop, bleiben PCs eher backsteinschwere Schlepptops – nicht Personal, sondern
Portable Computers, so sehr Teil unserer Person wie volle Einkaufstüten. Und genauso
angenehm und elegant zu tragen.
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ie befreit wirkte dagegen der erste Cyborg, dem ich vor Jahresfrist begegnete! Er
war eine Sie, eine T-Shirt-Turnschuh-Schönheit Mitte Zwanzig mit langen, blonden Haaren, einem Pentium-Prozessor, Funkmodem, Handscanner und Thermo-Drucker. Auf dem
Kopf trug sie eine Baseballkappe verkehrt herum, und um ihre Lippen schwebte ein Mi-
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krophon, kaum größer als ein Leberfleck. Die goldene Haut ihrer muskulösen Oberarme
wie auch der harte mitteleuropäische Akzent, mit dem sie sprach, mal zu mir, mal zu
der unsichtbaren Zentrale, gemahnten von Ferne an Schwarzeneggers Terminator.
Wir standen auf einer drückend heißen Betonfläche bei LAX, dem internationalen
Flughafen von Los Angeles. Über uns donnerten die Jets zum Greifen nahe, und hoch
darüber brannte die Sommersonne Löcher durch die gelben Smogwolken. Die Seriennummer des Mietwagens, den ich zurückgeben wollte, hatte meine vollautomatisierte
Kundendienstlerin bereits gescannt, nun tippte sie Meilen- und Benzinstand in ihren
Gürtelcomputer ein. Das Funkmodem übermittelte die Daten dem Zentralrechner.
„Bald werden die Wagen hoffentlich intelligentere Bordcomputer haben, in die wir uns
direkt einstöpseln können”, meinte Katja, während wir darauf warteten, dass die Endabrechnung aus dem Drucker an ihrer Hüfte quoll. Das Cyborg-Mädchen stammte aus Ungarn. An den Pazifik hatte sie das Surfen gelockt, der Teilzeitjob als Mietwagen-Hostess
finanzierte den sonnigen Lebensstil.
Was aber, fragte ich, wenn die Autos so intelligent werden, dass sie per Funkmodem
alle notwendigen Daten selbst übermitteln können? Technisch sei das schon heute kein
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Problem, meinte Katja ohne Illusionen, lediglich eine Kostenfrage: „Noch bin ich billiger.”
Der Gedanke, überflüssig zu werden, schrecke sie aber nicht. „Die wearables”, sagte
sie und fuhr mit einer stolzen Geste über ihre Ausstattung, als stünde sie mit einem
neuen Abendkleid vorm Spiegel, „machen aus jedem einen Experten für alles.“
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ie amerikanische Luftwaffe nennt das „on-the-job”-Training. Wie Armee und Marine
hat sie Wartungspersonal und Soldaten mit Körper-Computern ausgestattet. Die beste-
hen meist aus einer RAM-starken Pentium-CPU, die zusammen mit den Batterien am
Gürtel, im Schulterhalfter oder am Bein getragen wird, sowie einem Helm samt Mikrophon, eingebauten Lautsprechern, durchsichtigem Datenvisier oder einem einäugigen
Active-Matrix-Display von ein bis vier Zentimetern Größe. Die wearables dienen teils als
Kommunikations-, teils als Informationsmaschinen. Dazu gehören deshalb Lesegeräte
für CD-Roms oder Speicherkarten, ein Sender für den Sprechfunk sowie ein Funkmodem
für die Datenverbindung. Gesteuert werden die Körper-Computer über winzige ArmTastaturen oder schlichte Sprachbefehle.
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Für den Wartungsdienst am wichtigsten ist die Erzeugung von augmented reality, einer
aufgebesserten Realität, in der Wirklichkeit mit dem virtuellen Reich der Daten verschmilzt. Das erlaubt den Mechanikern, Maschinen zu reparieren, die sie im Leben nicht
gesehen haben: indem sie sich deren Anleitungen im Wortsinne vor Augen rufen, auf
den Schirm ihres Datenhelms. Der Computer führt sie dann Schritt für Schritt durch den
Reparaturprozess, dabei den Anblick der realen Maschinen mit den Projektionen hilfreicher Daten und Diagramme überlagernd.
Effizienztests ergaben verblüffende Werte. Einmal etwa ließ die Armee einen ungelernten Hausmeister auf den defekten Turbo-Motor eines M1A1-Abrams-Panzers los, dessen
Reparatur durch einen ausgebildeten Mechaniker in der Regel mit sechs Stunden veranschlagt wird. Der unerfahrene Hausmeister diagnostizierte und beseitigte den Defekt,
dank der virtuellen Hilfestellung, in sechs Minuten. Was einer Zeitersparnis von 98 Prozent gleichkam – und in der Zukunft ungelernten Arbeitskräften wie Katja tatsächlich
einige Vorteile einräumen könnte.
Ein angenehmes Abfallprodukt der Virtualisierung war zudem die bei mobilen Einheiten
beziehungsweise bei allen Serviceleistungen, die vor Ort erbracht werden müssen,
wichtige Transporterleichterung: Allein im Falle des M-1-Panzers konnten ganze Kisten
mit jeweils 147 verschiedenen Print-Handbüchern durch ein paar CDs ersetzt werden.
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Doch nicht nur in der Etappe kommen die
ein halbes bis drei Kilo schweren KörperComputer zum Einsatz. In Bosnien etwa
dient eine leichte 900-Gramm-Version mit
einem 75 Megahertz 486 DX4 Prozessor,
24 MB RAM, vier PCMCIA-Slots und einer
16-Bit-Tonkarte den US-Soldaten zur Kommunikation mit den Einheimischen: Was
die GIs auf Englisch sagen, übersetzen ihre
wearables mit Hilfe eines Stimmenerkennungsprogramms live ins Serbokroatische
und verkünden es der verblüfften Landbevölkerung per akzentfreier Robotstimme
aus Lautsprechern, die in die Kampfanzüge
eingearbeitet sind.
Die Cyborg-Soldaten nämlich benutzen ihre
Bord-Computer auch im Ernstfall. 750 Millionen Dollar hat die US-Armee bereits für
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die Aufstellung einer Hightech-Eingreiftruppe ausgegeben, eine weitere Milliarde wurde
gerade für „Army 21”, die Armee des 21. Jahrhunderts bewilligt.
Wearables sollen dabei vor allem Kommunikation und Aufklärung erleichtern: CyborgKrieger stehen in ständigem Kontakt mit ihren Mitkämpfern und fernen Kommandeuren,
und sie sind auch mit den Zentralcomputern der Armee vernetzt. So können sie sich
nötige Informationen selbständig auf die Schirme ihrer Datenhelme holen, von Spionage- und Wetterberichten über interaktive Orientierungshilfen des Global Positioning
Systems (GPS) bis zu Echtzeitbildern, die Aufklärungshubschrauber oder Satelliten von
unübersichtlichem Gelände oder Feindbewegungen liefern.
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as Militär war, dank seiner gewaltigen Forschungsetats, lange Zeit einsamer Vorrei-
ter im Trend zu wearables. In den vergangenen zwei, drei Jahren allerdings sind Hun-
derttausende solcher Umschnall-Computer mit und ohne Datenhelm auch zum zivilen
Einsatz gelangt: in Produktion und Service, bei Polizei und anderen Notdiensten.
Unzählige Firmen, Arzneimittelhersteller wie die Betreiber von Hühnerfarmen, haben
ihre Arbeiter mit Körper-Computern samt Handscannern ausgestattet und damit den
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aufwendigen Prozess von Lagerhaltung, Auslieferung, Nachbestellung und Abrechnung
vom Papierkrieg befreit.
Hightech-Hersteller, darunter Boeing, produzieren die Anleitungen für Reparatur und
Wartung ihrer Produkte nicht mehr auf Papier, sondern in Hyper-Formaten auf CD-Roms
und Speicherkarten für wearables. Deren Träger können so während der Servicearbeiten, gewissermaßen unter dem Motor liegend, auf ihrem Helmschirm Texte und Graphiken und zu kritischen Reparaturen gar kurze Videos betrachten, die jeden Handgriff
zur Imitation vorführen. Finanziert von der Defense Advanced Research Group (DARPA)
des Pentagon, die einst das Internet aufbauen ließ, hat Boeing nun auch ein eigenes
wearable-System namens MARSS entwickelt. Es kombiniert einen Datenhelm mit einem
sprachgesteuerten Pentium-Westentaschencomputer.
Die Fahrer privater Expressdienste scannen Sendungen nach Erhalt ein und funken die
Daten zum Zentralcomputer, so dass zum Beispiel die US-Kunden von UPS und Federal
Express bereits Minuten nach Abholung den weiteren Weg ihrer Sendungen via Internet
verfolgen können.
Wachpersonal leitet sich beim nächtlichen Rundgang oder im Alarmfall Aufnahmen stationärer Videokameras direkt auf die Schirme der wearables um.
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Ärzte greifen während der Visite auf Patientendaten im Klinikcomputer zurück und können sie mittels Arm-Tastatur oder Handschrifterkennungs-Programm gleich aktualisieren. In Pilotversuchen statten US-Großkliniken inzwischen auch Patienten mit ArmbandComputern aus, die von den wearables der behandelnden Ärzte gelesen und ergänzt
werden. Die Zahl von Verwechslungen, Falsch-Medikationen und anderen Kunstfehlern
hat sich so drastisch reduzieren lassen.
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as alles scheint auf den ersten Blick praktisch, es spart Zeit und Geld, erhöht die
Sicherheit. Doch wearables sind, nicht zuletzt in den Augen ihrer Erfinder, mehr als ein
beliebiges Mittel zur Steigerung von Effizienz. Sie stellen einen kulturgeschichtlichen
Meilenstein dar, einen entscheidenden Entwicklungssprung zur Integration von Mensch
und Maschine, zur entwickelten Cyborg-Zivilisation, wie sie von den Hightech-Pionieren
angestrebt wird.
Das Wort selbst prägte 1960 der Luftfahrtingenieur Manfred Clynes. Mit „Cyborg“ – der
Kurzform von „cybernetic organism“, kybernetischer Organismus – wollte er das „Einswerden” von Pilot und Fluggerät beschreiben; natürlich nicht in physischer, sondern in
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funktionaler Hinsicht. Genauso eben, wie Menschen und wearables eine Arbeits-Einheit
bilden.
Marshall McLuhan nahm den Begriff auf und prophezeite, dass die Potenzierung der
körperlichen und intellektuellen Möglichkeiten durch moderne Technologie nicht nur
Einzelne beeinflussen, sondern Stück für Stück die Gesellschaft cyborgisieren werde.
Die eskalierende Verschmelzung des Homo sapiens mit seinen – digitalen – Werkzeugen
gab ihm Recht.
Denn längst sind wir von unseren Computern so abhängig wie unsere agrarischen Vorfahren einst von ihren Nutz- und Haustieren. Die Cyborgisierung ist in den Augen vieler
Wissenschaftler daher das Schlüsselereignis der Epoche. „Wir sind alle Chimären,
theoretisierte und fabrizierte Hybriden aus Maschinen und Organismen; kurz, wir sind
Cyborgs“, schreibt Donna Haraway, Begründerin der Cyborg-Anthropologie.
Der Wissenschaftshistoriker David Hess nennt die Gegenwart ein „Proto-Cyborg-Zeitalter.“ Sherry Turkle, Soziologin am Massachusetts Institute of Technology (MIT), behauptet: „Wir lernen, uns selbst als eingestöpselte Techno-Körper zu erkennen ... Wir
träumen alle Cyborg-Träume.“ Und Nicholas Negroponte, Leiter des MIT-Media Lab und
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Autor der Cyber-Bibel „Being Digital“, stellte gar 1995 lapidar fest: „Die Cyborgs sind
schon hier!“
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as Negroponte keineswegs metaphorisch meinte – der Professor sprach von eini-
gen seiner Studenten, berühmt-berüchtigten Pionieren des wearable computer. Dessen
wissenschaftliche Geschichte begann erst Anfang der neunziger Jahre, als die elektronischen Komponenten klein, billig und leistungsfähig genug wurden. Den Trend erkannte
natürlich nicht das MIT allein.
Ein weiteres wesentliches Zentrum der Forschung ist die Carnegie Mellon Universität in
Pittsburgh, die seit 1991 mehrere Generationen des „VuMan” entwickelte, dem Prototypen eines Kraftwagen-Wartungs-wearable, der bei Praxisversuchen Inspektionszeiten
um die Hälfte verringerte.
Bahnbrechende Fortschritte gelangen auch an der Universität von Oregon. Der jüngste
Oregon Wearable Computer wiegt nur mehr 1,5 Kilogramm, inklusive Batterien, 1-Gigabyte-Wechsel platte, Videokamera und einer virtuellen Brille. „Ich bin mir sicher“, sagt
Zary Segall, Dekan des Fachbereichs Informatik, „dass bald jeder von uns eine solche
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Informationsmaschine tragen wird, so wie heute Pager oder Funktelefone. Wir werden
dann überall und jederzeit Zugang zu unseren Informationen haben.“
Zu den privaten Forschungsinstituten, die intensiv an „tragbarer Technologie” arbeiten,
gehören der von Microsoft-Milliardär Paul Allen mit 100 Millionen Dollar finanzierte
Think-Tank Interval Research, geleitet von dem legendären Xerox Parc-Programmierer
David Liddle, sowie das IBM Almaden Research Center, wo etwa Ted Selker, der Erfinder
des Trackpoints, „tragbare“ Computer herbeibastelt.
Am radikalsten und innovativsten jedoch betreibt man seit Jahr und Tag die Integration
von Mensch und Computer am Media Lab – nicht zuletzt mit dem Spenden-Etat von
jährlich fünf Millionen Dollar, den Negroponte einer Hundertschaft multinationaler Konzerne für das Forschungsprojekt „Things That Think“ abgeluchst hat, darunter Disney,
Nike und Microsoft. Zu diesen denkenden Dingen zählt natürlich „wearable technology“; Computer, die sich wie Kleidung und Schmuck am Körper tragen lassen.
„Kann man Audio-Kommunikation besser empfangen als durch einen Ohrring oder
fernmündliche Mitteilungen besser senden als durch ein Revers?“ fragt Negroponte:
„Schmuck, der blind, taub und dumm ist, ist sein Geld nicht wert.“
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Geht es nach ihm, wird in Zukunft jede Brille oder Kontaktlinse Daten empfangen –
Satelliten-TV oder E-Mail aus dem Internet. Strom für die anziehbaren Minicomputer,
Modems und Funktelefone sollen Stoffe auf Polymerbasis liefern, die wie Solarzellen
Licht in Energie umwandeln können. Und als unauffälliger Stauraum für die zentrale
Prozessoreinheit, meint er, komme vor allem unsere Fußbekleidung in Betracht.
„Schuhe haben viel ungenutzten Platz, produzieren Energie beim Laufen, die bislang
nicht genutzt wird, und sie sind ideal, um zwischen dem Körper und dem Boden eine
Kommunikationsverbindung herzustellen”, sagt Negroponte: „Wenn man nach Hause
kommt, können sie, noch bevor man seinen Mantel auszieht, mit dem Teppich reden
und die Lieferung personalisierter Tagesnachrichten direkt an die Brille vorbereiten.”
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en ersten Prototypen der smarten Sneakers hat man am MIT in Zusammenarbeit mit
dem Sponsor Nike bereits gebaut: In einer Aluminiumbox, die rund 12 mal 9 Zentimeter
groß und 4 cm dick ist, stecken eine CPU und zwei kleine Sender. Das flache Behältnis
wird wie eine gewaltige Einlagesohle in den Schuh geschoben.
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So verrückt das in den noch nicht vernetzten Ohren des Normalbürgers klingen mag, die
meisten Kommunikationsfachleute hegen ähnliche Hoffnungen. Nobelpreisträger Arno
Penzias, Vizepräsident des Forschungslabors von AT&T, etwa hält es wie Negroponte für
sicher, dass sich bald winzige Funktelefone in Anstecknadeln, Schmuck oder in den Ohren selbst verbergen werden. Und Dan Harden, Vizepräsident von Frogdesign in Menlo
Park, der Firma, die den Apple Macintosh-Würfel und Steve Jobs’ Next-Kubus entwarf,
hoffte schon 1991: „Das komplette Konzept eines Computers wird sich ändern. Wir werden ihn vollständig in unsere Lebensweise integrieren.”
Derweil zweifelt kaum jemand in der Hightech-Industrie noch daran, dass ein solcher
Paradigmenwechsel bevorsteht. Wann und wie allerdings, meinen nur wenige mit Sicherheit zu wissen – die Fans der Cyborg-Technologie. Sie schwören auf eine radikale
funktionale Verschmelzung von Mensch und Maschine.
„Wir haben einen sehr engen Begriff vom Computer als einem Kasten mit einem Monitor, einer Festplatte und einem Prozessor“, sagt Neil Gershenfield vom Media Lab des
MIT. „Die Definition eines Computers ist jedoch nicht wichtig, sondern welche Funktionen er in unserem Leben erfüllen soll.“ In Professor Gershenfields Augen: eins mit uns
zu werden.
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Wie aber soll eine engere Symbiose zwischen Homo sapiens und seinen Maschinen
gelingen, solange beide physisch voneinander getrennt sind? Computer müssen daher, meint Gershenfield, wearables werden; nach dem Vorbild der Uhr etwa. Vom
Mainframe-Kirchturm kamen die Rechner ja schon herunter, nun steht der Schritt von
der Stand- zur Taschen- und Armbanduhr an, zu einer Art Prothese, die uns wie Brillen,
Kontaktlinsen oder eben Uhren mit den Informationen versorgt, die unsere Physis allein
nicht gewinnen kann.
Damit PCs all das Persönliche leisten lernen, wovor sie bislang versagen, müssen allerdings erst hinderliche Elemente beseitigt werden, die wir heute noch für selbstverständlich halten.
„Wenn man mit seinem PC reden könnte, bräuchte man kaum noch eine Tastatur“,
meint zum Beispiel Nathan Myhrvold, Forschungschef von Microsoft: „Nichts und niemand sagt, dass zukünftige PCs noch dieselbe Form haben werden wie heute.”
Negroponte ist derselben Ansicht. In den nächsten zehn Jahren, glaubt er, werden Tastaturen, Mäuse, bullige Monitore und komplizierte Benutzeroberflächen den Weg von
Lochkarten- oder Röhrencomputern gehen. Und der Computer endlich zum universellen
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„Lebensmittel“ jenes neuen Web-Lifestyles werden, von dem wearable-Fan Bill Gates
nicht müde wird zu schwärmen.
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ie Anfänge zeichnen sich ab – als Umwege. Denn solange der Prophet nicht zum
Berg kommen kann, muss der Berg zum Propheten eilen. Solange also Softwear, persönliche Computer, so unauffällig „tragbar“ wie Kleidung, technisch nicht realisierbar sind,
sollen wir alle von konventionellen PCs umstellt werden. Compaq-Chef Eckhard Pfeiffer
etwa möchte einen Computer in jeden Raum des zukünftigen „digitalen Heimes“ brin-
gen, den Server dazu ins Keller und ins Auto natürlich auch einen PC. Bei der Realisierung dieser Idee sind ihm allerdings einige zuvor gekommen.
Von Mercedes über ein Konsortium aus IBM, Sun, Netscape und General Motors bis zu
Microsoft und Intel – alle haben sie in den vergangenen Monaten vernetzte Autos vorgestellt. Das Network Vehicle von IBM & Co. etwa klinkt sich via Satellit ins Internet ein.
Der Computer ist mit verbalen Befehlen zu steuern, und die herunter geladenen Daten,
ob E-Mail oder Navigationshinweise, lassen sich direkt auf die Windschutzscheibe projizieren.
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„Wir haben PCs zu Hause und im Büro”, sagt Intel-Ingenieur Jeff Casazza. „Der einzige
andere Platz, in dem wir viel Zeit verbringen, ist das Auto.“ Der „Connected Car PC” –
um 2500 Dollar teuer, lieferbar ab 1999 – sei daher „die logische Ausbreitung des PC“.
Doch das stimmt eben nur, solange Computer unfähig sind, uns zu folgen, wohin wir
gehen. Wenn auch nicht die Technik, das Bedürfnis dafür ist definitiv vorhanden. Der
Markt tragbarer Gadgets explodiert. Es gibt High-Tech-Armbanduhren wie die TimexDatalink-Watch mit 1-Kilobyte-Speicher, die allein im ersten Jahr 100 000 mal verkauft
wurde. Es gibt „intelligente“ Winz-Funktelefone wie Motorolas 90-Gramm-StarTac, ausdrücklich als „wearable“ vermarktet. Es gibt Pager, Walkmen, CD-Player, Taschenübersetzer, chipbestückte Kredit- und Identifikationskarten, etwa für Garagen- oder Büroeingänge. Und es gibt Internet-fähige Kleincomputer, „Digitale Assistenten” wie Psion,
Newton oder PalmPilot, der allein binnen 18 Monaten über eine Million Käufer fand.
Eine Vielzahl digitaler Maschinen rückt uns so immer dichter auf den Leib, und wer die
Geräte liebt oder beruflich auf solche Kommunikations- und Arbeitsmittel angewiesen
ist, führt heute das beladene Dasein eines Hightech-Packesels. „Wir sollten im Sattel
sitzen, nicht unter ihm”, klagt Negroponte und formuliert die Sehnsucht vieler Leidensgenossen nach Kleidungs-Computerei, die endlich all die Elektronik mühelos „tragbar”
macht.
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ass dergleichen Erleichterung heute nicht mehr – wie noch vor einem Jahrzehnt –
als phantastische Utopie erscheint, sondern als vielversprechender Zukunftsmarkt, wie
das Fachblatt CMP jüngst schrieb, ist wesentlich das Verdienst der wohl bekanntesten
Pioniere der wearables, der MIT-Studenten Steve Mann und Thad Starner. Mann ist
inzwischen promoviert und zum Dozenten avanciert, aber noch immer proben beide
tagtäglich mittels ihrer „smarten Kleidung“ die vernetzte Lebensweise der Zukunft:
von der Baseballkappe, deren Antenne ständigen Funkkontakt mit dem Rest der Welt
und vor allem mit dem Internet hält, über die Bildschirmbrille bis zum Hüft- oder
Turnschuh-Computer samt Festplatte und kreditkartengroßem Funkmodem.
Ihre selbstgebaute Avantgarde-Ausrüstung kostet rund 3000 Dollar. Tharner bietet – unter dem Label Tin Lizzy, eine Anspielung auf das erste billigen Massenautomobil, den
Ford Model T – Anleitungen zum Nachbau an. Elegant natürlich sind die Prototypen
der Selfmade-Cyborgs nicht, ganz im Gegenteil. Aber in ihren Anfängen wirken neue
Technologien oft ästhetisch albern; man denke an die abstrusen frühen Fahrräder oder
die ersten Riesenohr-Grammophone. Die Unbeholfenheit solcher Avantgarde-Technik ist
nicht nur ein Ergebnis noch fehlender Funktionalität und Zuverlässigkeit, sondern we-
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sentlich auch eine Konsequenz des Designs – beziehungsweise seiner Abwesenheit. Die
neuen Dinge haben die Form noch nicht gefunden, in der sie uns faszinieren werden.
Am Anfang dominieren – zu Recht – die Inhalte. Der ungewöhnliche Langzeit-Selbstversuch der beiden wearable-Pioniere dient der Etablierung symbiotischer Arbeitsbeziehungen zwischen Mensch und Maschinen. Mit ein paar Tastaturbefehlen senden sie,
während sie über den Campus schlendern oder im Supermarkt einkaufen, E-Mail um
die ganze Welt oder rufen die Memos von Diskussionen auf, die sie mit ihren jeweiligen
Gesprächspartnern vor Jahren geführt haben. Sie erkunden Adressen und Telefonnummern, informieren sich über Fahrpläne und das politische Geschehen. Infrarot- und
Radarsensoren erweitern zudem ihr Wahrnehmungsspektrum.
„Die Ausrüstung gibt mir eine ungeheures Gefühl von Selbstermächtigung, denn es
scheint, als wäre sie weniger ein getrenntes Werkzeug und mehr ein Teil von mir”, sagt
Steve Mann. „Nach einer Weile vergesse ich, dass ich sie trage, und sie fängt an, wie
eine Erweiterung meines Körpers zu funktionieren.”
Beste Cyborg-Technik also, doch für den normalen Angestellten- oder gar Freizeit-Alltag
vollkommen ungeeignet, weil viel zu klobig und unchic. Was es zur Durchsetzung auf
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dem Massenmarkt bräuchte, ist echte Softwear, modisch-gestylte Computer-Kleidung,
die sich gewissermaßen in der Waschmaschine waschen lässt.
An ihr, an „washables“ oder „skintops“, werkeln im „Magic Fabric Project“ weitere
MIT-Studenten. Was ihre Experimente mit kommerziell erhältlichen Materialien produzierten – leitende oder mit Sensoren bedruckte Stoffe, gewebte oder aus metallischem
Garn aufgenähte Tastaturen -, wurde vergangenen Herbst während des ersten SoftwearSymposiums am MIT in einer vielbeachteten Modenschau vorgestellt.
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ind die Denkmaschinen erst einmal vollständig in unsere Kleidung integriert, pro-
phezeien die MIT-Pioniere, werden wir alle über uns selbst hinauswachsen. „Stell dir
vor – nie mehr etwas vergessen. Ein paar Kameras in der Brille, dazu ein Gesichtserkennungs-Programm, und du wirst nie wieder in die peinliche Situation geraten, von
jemandem den Namen nicht zu wissen”, sagt der ziegenbärtige Starner. „Oder verbinde
dich mit dem Globalen Positionierungssystem und verirre dich nie wieder!“
Das satellitengesteuerte Globale Positionierungssystem, mit dem sich der eigene
Standort jederzeit bis zu 100 Meter genau bestimmen lässt, hängt ja, dem Pentagon
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sei dank, in seiner planetarischen Umlaufbahn, und auch eine rudimentäre Version
des Gesichtserkennungsprogramms existiert. Sie sucht aus einer Datenbank von 8000
Porträtfotos in nur einer Sekunde zuverlässig die 40 heraus, die dem Gegenüber am
ähnlichsten kommen. Ein paar Mausklicks später weiß der Vergessliche dann, mit wem
er es zu tun hat.
Kommerzielle Anwendungen für solche smarte und unauffällige Alltags-Kleidung liegen auf der Hand. Steve Mann zählt sie auf: Börsenmakler könnten unmittelbarer als
ihre unverkabelten Kollegen auf Marktveränderungen reagieren, Notärzte könnten die
Krankengeschichte des Verletzten inklusive aller Allergien, Unverträglichkeiten und Organspendeentscheidungen abrufen. Polizisten könnten jedes Gesicht, das ihnen auf der
Straße begegnet, automatisch mit der Verbrecherkartei abgleichen ...
„Es wird laufen, wie es bei Autos, Pagern oder Funktelefonen war“, meint Thad Starner zuversichtlich: „Zuerst werden sich die anziehbaren Computer in kapitalstarken
Nischenmärkten durchsetzen, wo das dringendste Bedürfnis nach unmittelbarem Informationsfluss besteht. Sobald aber die Bevölkerungsmehrheit diese Geräte kennenlernt,
werden die Menschen ganz neue Anwendungen erfinden.“
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Noch allerdings floriert das Geschäft halt nur in den vertikalen Märkten und mit Spezialanwendungen, die meist maßgefertigt werden müssen. Die Anbieter kompletter
wearable-Systeme, zwischen 3000 und 20 000 Dollar teuer, lassen sich fast an den
Fingern abzählen: Xybernaut, Phoenix, Intervision, Rockwell International, ViA Inc.,
CDI, Litton Data Systems, EDRC, Mentis, Neurosystems, Symbol Technologies, Interactive Solutions. Helme und Displays stammen meist von Virtual Vision, MicroOptical,
MicroDisplay, Delft Sensor Systems oder Seattle Sight Systems. Die nötigen Spracherkennungsprogramme von Speech Systems und IBM. Vernetzung der Geräte untereinander
und mit LANs bieten Firmen wie Proxim Inc. und BBN Corp.
Doch immerhin hat so binnen weniger Jahre auf den Markt gefunden, was zu Beginn des
Jahrzehnts nur Pioniere wie Starner und Mann in Heimarbeit bastelten. Und die beleben
die Ideenlandschaft weiter. Die jüngste persönliche Note von Steve Mann ist smarte underwear. Seine vernetzte Unterhose sammelt intime Daten, über den Hautwiderstand
etwa oder die Herzrate, und sorgt so neben der allgemeinen Gesundheitsvorsorge alltäglich für das physische Wohlbefinden ihres Trägers.
„Wenn ich zuhause ankomme, ist mir meist warm, schon allein vom Treppensteigen.
Sobald ich ins Bett gehe, stellt meine Unterwäsche also die Heizung ab,“ sagt Steve
Mann. „Aber nach ein paar Stunden Schlaf, wenn mein Metabolismus runterschaltet,
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spürt meine Unterwäsche die Veränderungen in meiner Körpertemperatur und Körperspannung und dreht die Heizung hoch.“
Mancher, dem er offenbart, was er unter der Hose trägt, neigt zum Lächeln. Dabei handelt es sich beim smarten Slip um eine Idee, die unmittelbaren Anklang bei denen fand,
die noch immer die größten Forschungsetats zu vergeben haben – den Militärs. Eric
Lind, ein Ingenieur der US-Navy, mit der Versorgung Verwundeter befasst, erkannte:
Tragen Kampftruppen vernetzte Sensoren-Unterkleidung, kann die Einsatzleitung sofort
feststellen, wer wo wie schwer verwundet wurde; was eine Art Tele-Triage ermöglichen
und damit im Kriegsgebiet Leben retten würde, sowohl bei Verwundeten wie Sanitätern.
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enn die Evolutionsgeschichte vom PC über wearables zu echter Softwear also
etwas lehrt, dann das: Nichts ist so verrückt, dass nicht jemand daran arbeitete – mit
teilweise verblüffenden Erfolgen. Es gibt derweil weiche und biegsame Mutterplatinen,
dünne Plastikblättchen auf denen leitende Tinte das Metall ersetzt; entwickelt von
Flexible Computers. Es gibt papierdünne LCD-Displays von Sharp. Es gibt lasergesteu-
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erte Displaysysteme von Microvision, die
ihre Bilder mit hohen Refreshraten direkt
auf die Retina des Auges projezieren – 18
Millionen Pixel die Sekunde -, dabei den
Eindruck erzeugend, man schaue aus 30,
40 Zentimetern Entfernung auf einen 640
x 480-Pixel-Schirm. Und es gibt Weiterentwicklungen der „augmented reality“,
Programme, die reale Gegenstände mit
virtuellen Dateien überlagern, ein Telefon
etwa mit einem Nummernverzeichnis oder
ein Lagerregal mit der Bestandsliste.
Es gibt Batterien aus papierdünnem, faltbaren Material. Es gibt vielversprechende
Ansätze, Turnschuh-Computer mit einem
Teil der 57 Watt Energie zu betreiben, die
eine durchschnittliche Person beim Gehen
erzeugt. Und es gibt die wasserdichten
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WetPCs des australischen Institute of Marine Sciences, mit denen man abtauchen kann
und deren graphisches Interface durch eine modifizierte Armtastatur gesteuert wird.
Überhaupt die Phantastik der Eingabemöglichkeiten! Am normalsten scheint noch der
Twiddler der Handkey Corporation, eine winzige, 200 Dollar teure 100-Gramm-TastaturMaus-Kombination: „The Choice of Cyborgs“, wie die Werbung behauptet. Spektakulärer sind Stimmerkennungsverfahren, deren Exaktheit vor zwei, drei Jahren kaum einer
für möglich gehalten hätte. Oder die Steuerung via „finger tracking“, bei dem Fingerzeichen die Maus ersetzen.
Texte lassen sich zudem mit „digital ink“ eingeben, erfunden von Chris Kasabach,
einem Carnegie-Mellon-Forscher. Der Hightech-Füller speichert, was einer auf Papier
schreibt, und erlaubt das Heraufladen auf den PC. Bilder können dazu von digitalen
Chip-Kameras eingespielt werden, nicht größer als ein menschliches Auge. Und dank
Programmen wie jenem, das Mark Lucente von IBM bei der letzten Comdex in Las Vegas
vorstellte, sind sie auch zur Bedienung eines PCs zu benutzen: Der Computer verfolgt
und interpretiert bestimmte Handbewegungen, um sie als Befehlsequenz dann nachzuvollziehen.
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Andere experimentieren mit der Steuerung durch Gehirnströme oder, wie Neil Gershenfield, durch Kraftfelder des menschlichen Körpers. Die Grenze zur Magie, zu vortechnologischen Träumen von smarter Kleidung, zu Zauberringen oder Tarnkappen, ist
damit erreicht.
Erfolgreich überschritten wird sie von Thomas G. Zimmermann, Ex-Student des MIT
und Erfinder des Datenhandschuhs, der in IBMs Almaden Research Center nun PANs entwickelt, Personal Area Networks, die sich die körpereigene Spannung zu nutze machen
– kein Milliardstel Ampere. „PAN-Geräte“, sagt er, „benutzen unseren salzigen, blutgefüllten Körper als feuchten Verbindungsdraht.“
Die körpereigenen Netzwerke sollen die Peripheriegeräte der Softwear verbinden, den
Funktelefon-Ohrring etwa mit der Adressenkartei im Turnschuh-Speicher. Schon heute
lassen sich so per Händedruck digitale Visitenkarten von wearable zu wearable austauschen – 2400 bits pro Sekunde. Das Verfahren ist demonstrierbar, aber noch im frühen
Forschungsstadium. Was Dutzende von Firmen nicht hindert, Zimmermann die Tür einzurennen.
Wohin entwickelte Softwear, Vernetzung mit unseren Maschinen, die keine Sekunde
mehr von uns weicht, die Menschheit am Ende führen wird, darüber streiten sich die
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Experten und mehr noch die, die gar nichts davon verstehen. Die Erfahrung allerdings
lehrt im Zeitalter siegreicher Massenkultur, dass die Realität der populären Phantasie
nacheilt. Hollywood und Umgebung liefern die Magie, die der rückständigen Technik
fehlt – und die strebt danach, die phantastischen Vorgaben einzuholen. Weshalb etwa
das Raumschiff Enterprise zum gleichnamigen Shuttle der NASA führte oder der StarTrek-Tricorder zum StarTac von Motorola oder Newton von Apple.
Die populäre Phantasie liebt nun zwar die Vorstellung vom Cyborg. Sie hat diese Traumgestalt nur nie in der engen funktionalen Bedeutung akzeptiert, die die Theoretiker
stets meinten. Cyborgs gehören heute zum Inventar von Science-Fiction und Cyberpunk
– doch als physische Mischwesen aus Biologie und Technik, vom Terminator bis zu den
Borg. Widerstand gegen diese Umdeutung ist vermutlich zwecklos.
Zumal die Realität im Begriff ist, die wildesten Phantasien einzuholen. Fleisch und
Silikon zu verbinden, ist längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern ein technisches,
das heißt lösbares Problem – vom Hörimplantat über Herzschrittmacher bis zur jüngst
von der US-Aufsichtsbehörde genehmigten „elektronischen Hand“, einem fünf Zentimeter großen, in die Brust implantierten Computer, der bei Querschnittsgelähmten
ausgefallene Gehirnimpulse ersetzt. Und John Goldthwaite vom Georgia Tech Center
for Rehabilitation Technology räumte beim MIT-Wearables-Symposium gar ein, an einem
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Gehirnimplantat zu arbeiten, das es Gelähmten ermöglichen soll, Tastatur und Maus
durch schiere Gedankenkraft zu bedienen.
Getreu dem biblischen Motto, dass die letzten die ersten sein werden, bilden Kranke
und Behinderte so – von Stephen Hawkins bis zum anonymen Motorradunfall-Opfer – die
Vorhut einer auch physischen Cyborgisierung. Auf Dauer aber werden sie kaum die einzigen bleiben. In zehn Jahren, prophezeit Neil Gershenfield, werden wir alle Softwear
tragen. Und in zwanzig werden wir uns die kleinen Helfer unter die Haut implantieren.
Warum er allerdings so lange warten will, ist nicht klar. Denn Andrew Singer von Interval Research ließ sich bereits vergangenen Sommer eine „programmierbare Tätowierung“ patentieren, einen implantierten Mini-Computer, dessen Schirm durch die schützende Haut hindurch zu lesen ist.
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Computer machen Leute. In: C’T - MAGAZIN FÜR COMPUTERTECHNIK, 16. Februar
1998, S. 90-97.
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Gundolf S. Freyermuth ist Professor für Angewandte Medienwissenschaften an der ifs Internationale Filmschule
94105, USA.
Köln (www.filmschule.de). Weitere Angaben finden sich auf www.freyermuth.com.
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