PDF: IPTV soll TriplePlay forcieren

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PDF: IPTV soll TriplePlay forcieren
KONVERGENZ
WETTBEWERB DER NETZE
IPTV SOLL
TRIPLE PLAY FORCIEREN
Internetfernsehen (IPTV), so verheißen die Betreiber von Telekommunikations- und TV-Kabelnetzen,
wird zum zentralen Medium der Zukunft. Mit ihm sollen Kunden gewonnen werden, die künftig Fernsehprogramme, Internet- und Telefonanschluss („Triple Play“) gebündelt aus einer Hand beziehen.
Eigentlich, so rechnet der Berater Eric
Karstens in seinem neuen Buch („Fernsehen digital“) vor, ist die Übertragung von
TV-Programmen via Internet völlig unwirtschaftlich. Der Listenpreis für ein Gigabyte
Datenvolumen liege bei etwa 40 Cent, sodass allein der Transport einer einzelnen
Serienepisode (45 Minuten, MPEG-4) etwa
33 Cent Übertragungskosten pro Haushalt
verursache. Die rundfunkähnliche Übermittlung von 45 Programmminuten an nur
eine Million Zuschauer würde deshalb bereits Kosten von 330.000 Euro verursachen. Zum Vergleich: Die klassische Rundfunkdistribution für die Verbreitungswege
Terrestrik, Kabel und Satellit kostet für eine
bundesweite Abdeckung im Durchschnitt
für denselben Zeitraum nur etwa 850 Euro.
Warum also setzen dennoch zahlreiche
Unternehmen zurzeit auf die Zukunft von
per Internet-Protokoll verbreiteten TV-Programmen (IPTV)? Darauf gibt es vier Antworten: Erstens, so prognostizieren Experten, werden sich die zu übertragenden
Daten dank moderner Technik in Zukunft
weiter reduzieren. Zweitens werden Wettbewerb und größere Bandbreiten die Transportpreise reduzieren. Drittens suchen
Internet-Provider und Telekommunikationsunternehmen nach einer „Killer-Applikation“
für ihre breitbandigen Triple-Play-Angebote
(TV plus Telefonie und Online-Zugang über
einen Anschluss). Viertens wird künftig ein
großer Teil der TV-Inhalte nicht mehr klassisch als Rundfunk synchron an alle Haushalte ausgestrahlt, sondern gezielt von den
Nutzern einzeln abgerufen (on demand).
Auf diese Weise ließen sich beim IPTV die
Distributionskosten reduzieren.
DSL-MARKTANTEILE
IN DEUTSCHLAND
Juni 2006/in %
Sonstige
18,5%
Hansenet
5,4%
Freenet
6,0%
AOL
8,0%
Arcor
10,9%
T-Online
37,0%
United Internet
14,2%
Quelle: Financial Times/Portel.de
DSL-Anbieter forcieren IPTV
Dennoch macht die Modellrechnung
eines klar: Zurzeit sind vor allem solche
Unternehmen in der Lage, IPTV zu forcieren, die über breitbandige DSL-Leitungen
verfügen und sich so die enormen Durchleitungsgebühren sparen können. Zu diesen
Anbietern, die aktuell etwa 14 Millionen
Haushalte in Deutschland versorgen, zählen
außer der Telekom vor allem Arcor und Telefonica sowie City-Carrier wie NetCologne,
aber auch einige Resale-Anbieter wie die
Provider United Internet oder Freenet. Die
Telekom verlor im ersten Halbjahr 2006
etwa eine Million Festnetzkunden und damit
etwa 760 Mio. Euro Umsatz und hofft, diese
Verluste langfristig mit dem IPTV-Geschäft
ausgleichen zu können. Seit Anfang August
haben deshalb mehr als drei Millionen
Haushalte in zehn deutschen Großstädten
Zugang zum neuen superschnellen VDSLNetz (Very High Speed Digital Subscriber
Line) der Telekom, das zurzeit eine Bandbreite von 25 Mbit/s bietet, die später noch
verdoppelt werden soll.
T-Home soll Ende des Jahres starten
Auch wenn beim VDSL-Start pünktlich
zum Beginn der Fußball-Bundesliga nur
wenige Haushalte – nach Recherchen der
Süddeutschen Zeitung weniger als zehn –
dabei waren: Die Telekom AG will noch in
diesem Jahr damit beginnen, die Leitungen
als Vermittlungspunkte für Telefonie, interaktive Fernseh-Angebote und Internetzugang
aktiv unter dem Namen T-Home zu vermarkten. Schließlich sollen Kunden dank VDSL,
so verspricht Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke,
demnächst Filme in HDTV-Qualität empfangen, parallel dazu Musik oder Computerspiele individuell abrufen oder auch ein Videotelefonat führen können.
Die digitale Kombination aus Telefon, Online-Anschluss und Internetfernsehen kostet
für VDSL-Kunden der Telekom zurzeit monatlich 90,79 Euro. Für diesen Preis erhalten
die Haushalte den VDSL-Basisanschluss
(34,99 Euro), einen Telefon-Anschluss
(15,95 Euro), einen Online-Zugang (19,95
Euro), eine Flatrate für Internet-Telefonie
(9,95 Euro) sowie das TV-Bundesliga-Paket
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(9,95 Euro). Zum IPTV-Angebot gehören
außer den von Premiere produzierten
Bundesliga-Übertragungen etwa 70 Programme auf bis zu 100 Kanälen. Zu sehen
sind mehr als 20 öffentlich-rechtliche Programme sowie die der ProSiebenSat.1
Media AG, außerdem der News-Kanal CNN
und das Trickfilmangebot von Boomerang.
Mit der RTL Group verhandelt die Telekom
nach eigenen Angaben noch.
test im Auftrag des Handelsblatts heraus,
fast jeder zweite Bundesbürger für die
digitalen Bündelangebote aus Internet,
Telefon und interaktivem Fernsehen. Hauptmotiv ist dabei die Hoffnung, Geld sparen
zu können.
Um TV-Bilder, die via Internet auf den
Fernseher übertragen werden, zu empfangen, benötigen VDSL-Kunden einen speziellen Receiver, der bei der Telekom einmalig
99,95 Euro kostet. Das Gerät (T-Home
X300T Media Receiver) verwandelt die
Internetdaten in TV-Signale und muss zwischen Telefonanschluss und Fernsehgerät
geschaltet werden.
Im nächsten Jahr steigen auch die TriplePlay-Chancen von Haushalten in ländlichen
Gebieten, die bislang noch nicht an DSLoder TV-Kabelnetze angeschlossen sind.
Möglich macht das der Satellitenbetreiber
SES Astra. Dessen Präsident Ferdinand
Kayser kündigte während der Internationalen Funkausstellung in Berlin an, mit Hilfe
von speziellen Empfangsstationen, die etwa
300 Euro kosten sollen, ließen sich die
Satelliten inzwischen auch von Privathaushalten so nutzen, dass ein Rückkanal zur
Verfügung stehe.
Interesse an Triple Play steigt
Die Telekom konnte zwar bislang erst
eine Triple-Play-Kundenzahl „im vierstelligen
Bereich“ gewinnen. Inzwischen aber interessiert sich, so fand im Sommer TNS Infra-
Zwar will durchschnittlich jeder dritte
Deutsche noch in diesem Jahr ein neues
Telefon, einen Fernseher oder Computer
kaufen, bei den Triple Play-Angeboten aber
halten sich die Konsumenten noch zurück.
Das spüren auch die TV-Kabelnetzbetreiber,
die mittlerweile etwa sechs von 20 Millionen Haushalten einen Kombinationsanschluss anbieten können, aber erst etwa
200.000 Triple-Play-Kunden melden.
Suche nach dem Mehrwert
Allzu große Euphorie scheint also (noch)
nicht angebracht: Auch in drei Jahren, so
prognostizieren die Marktforscher von
Gartner, wird der IPTV-Bereich erst ein Volumen erreicht haben, das nur etwa 2,5
Prozent des gesamten Festnetzmarktes
entspricht. Markt- und Medienforscher
rechnen mit dem großen IPTV-Durchbruch
erst für die Zeit ab 2010. Dann sollen in
Deutschland zwischen 1,3 und 2,8 Millionen Haushalte auf das Internet-Fernsehen
zurückgreifen. Deshalb trauen es der Telekom nur wenige Analysten zu, wie geplant
bis Ende 2007 eine Million VDSL-Kunden
zu gewinnen. In Deutschland kommt erschwerend das große Free-TV-Angebot hinzu, sodass sich viele Konsumenten fragen,
woraus der Mehrwert des IPTV bestehen
soll.
DER STREIT UM DAS VDSL-NETZ DER TELEKOM
Die Bundesnetzagentur hat Mitte September entschieden, dass die Deutsche
Telekom AG ihr neues VDSL-Netz (Very
High Speed Digital Subscriber Line) für
die Wettbewerber zu Preisen öffnen muss,
die von der Regulierungsbehörde festgelegt werden. Damit folgte die Bundesnetzagentur der Argumentation der EUKommission, die seit Monaten auf diese
regulierte Marktöffnung pocht.
Die Bonner Regulierungsbehörde will
der Telekom für das VDSL-Netz nur dann
sogenannte Pioniergewinne durch eine
Befreiung von der Regulierung einräumen, wenn dadurch Produkte angeboten
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medienforum.nrw
werden, die völlig neu sind und sich damit
qualitativ grundlegend von bislang bestehenden DSL-Angeboten unterscheiden.
Beim zurzeit existierenden Triple-Play-Angebot samt IPTV sei dies allerdings nicht
der Fall.
Trotz dieser Regulierungsverfügung
der Bundesnetzagentur will die Bundesregierung die Telekom weiterhin von einer
VDSL-Regulierung freistellen. Das sieht ein
entsprechender Passus im Entwurf für
das neue Telekommunikationsgesetz vor
(„Lex Telekom“). EU-Medienkommissarin
Viviane Reding drohte, falls der Bundestag die geplante Novelle des Telekom-
munikationsgesetzes unverändert verabschieden sollte, werde die Kommission
vor dem Europäischen Gerichtshof gegen
Deutschland klagen.
Die Deutsche Telekom will bis Ende
2007 mehr als drei Milliarden Euro investieren, um insgesamt 18.000 Kilometer
Glasfaser in den 50 größten deutschen
Städten zu verlegen. Voraussetzung für
den Aufbau des neuen Netzes mit einer
Bandbreite von bis zu 50 Mbit/s sei allerdings ein mehrjähriges Monopol. Andernfalls werde die Verlegung der VDSL-Glasfaserleitungen gestoppt.