52 chartertörn

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Flandern-Törn
POMP & PRALINEN
Belgiens Wasserstraßen sind mit 1600 Kilometern fast so lang wie seine
Autobahnen. Während es auf dem Asphalt allerdings schon mal recht hektisch wird, begeistern die Flüsse und Kanäle des Landes mit geschichtsreichen Städten und romantischen Landschaften
Eine Grachtenfahrt gehört in Gent zu
den touristischen Pflichtübungen und
gewährt interessante Einblicke
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Der streitbare Jacob van Artevelde beherrscht den Genter Vrijdagsmarkts
Die Festung Gravensteen erlebte blutige
Kämpfe und Schlachten
Von Gerald Penzl
S
ie kennen doch Günther Jauch’s grandiose Quizshow.
Mal angenommen, Sie säßen auf seinem Ratestuhl und
würden zu Belgien befragt. Brüssel, antworten Sie wie
aus der Pistole geschossen, ist Hauptstadt, Sitz der Nato und
der EU-Bürokratie, hat ein putziges Pinkelmännchen als Wahrzeichen und ein 102 m hohes Atomium. Gut, und was wissen
Sie noch über Belgien? Sie zucken mit den Schultern? Tja … so
geht es wohl den meisten von uns. Während unsere Eltern
schon als Dreikäsehoch in der Adria planschten, ist Belgien bis
heute eine Art Terra Incognita, ein weißer Fleck auf der Landkarte. Woran das liegt? Vermutlich am Homo Belgicus selbst!
Als Nachkomme der Gallier, Paul Rubens und Till Eulenspiegel ist er eher ein introvertiertes Wesen, das wenig Trubel um
sich und seine Werte macht.
Ordentlich Trubel dagegen macht Jacob van Artevelde. In
voller Rüstung steht der bronzene Recke auf dem Genter
Vrijdagsmarkt und hält eine flammende Rede gegen die Grafen
von Flandern. Ein paar Meter vor seinem Denkmal sitzen wir
Nur wenige Kilometer hinter
Gent präsentiert sich die Leie von
ihrer beschaulichsten Seite
im Biergarten eines Bistros, schauen dem bunten Markttreiben
zu, werfen einen Blick auf die historischen Giebelhäuser rund
um den großen Platz und genießen die warme Frühlingssonne.
Auf dem Tisch liegt ein Reiseführer. Vor 700 Jahren, schreibt
der Autor, war Gent nach Paris die zweitmächtigste Stadt
nördlich der Alpen. Der Handel blühte, die Tuchindustrie
boomte. Mit welchen Baupretiosen sich die Kaufmannsaristokratie damals ihre Erfolge versüßte, sahen wir heute morgen
bei einer Grachtenfahrt auf der Leie. Von der Parade der baDrache statt Wetterhahn auf
dem Belfried in Gent
Panzerglas und Elektronik sichert den Genter Altar
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rock-, renaissance- und gotiküberbordeten Zunfthäuser am alten Hafen aus tuckerten wir durch verwunschene Seitenarme,
entlang alter Backsteinbauten mit hübschen Treppengiebeln,
an der Festung Gravensteen – einer der mächtigsten Wasserburgen Europas – vorbei Richtung Sint-Bavo-Kathedrale.
„Noch ein Rochefort?“ Der Kellner schaut uns fragend an.
Wir schütteln den Kopf. Dieses dunkle Trappistenbier ist zwar
köstlich, hat aber auch – und das ist das Problem – 11,3 % Alkohol. Don’t drive drunken … das gilt nicht nur für den StraDer Grundstein von Sint-Bavo wurde 1228
gelegt, 1538 wurde die Kirche geweiht
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ßenverkehr sondern auch für die christliche Seefahrt und ihre
Binnenableger. Im Klartext: In einer halben Stunde ist unser
Hausboot klar, wir zahlen und machen uns auf den Weg vorbei
an der Sint-Bavo-Kathedrale zur Stadtmarina Portus Ganda.
„Goeden dag!“, begrüßt uns dort Gwen Steeman. „Das ist euer Schiff“, deutet er auf eine Countess am Anleger gleich neben
dem hübschen Art-Déco Hallenbad Van Eyck. „Rund 10 m
lang, mit Flybridge, 4 Kojen, zwei Bädern und kompletter Küche.“ Im Handumdrehen sind die Formalitäten erledigt, die Sa-
Spezialitäten: Bei Van Hoorebeke in
Gent werden Top-Pralinen produziert
Die Marina in Deinze verfügt über allen denkbaren Komfort und ein gepflegtes Ambiente
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chen verstaut und der Selbstzünder zum Leben erweckt. „Ihr
fahrt“, deutet er auf die Wasserkarte, „bis zur Schelde, dort
durch die Brusselsepoort-Schleuse, weiter über die Innenstadtkanäle zum Yachthaven Snepdijk und dann die alte Leie talwärts nach Deinze. Veel plezir, viel Spaß!“
Gent ist ein Kind des Wassers. Die heute drittgrößte Stadt
Belgiens entstand aus einer Ansammlung kleiner Streusiedlungen am Zusammenfluss von Schelde und Leie, wird von unzähligen Kanälen, Wasserstraßen und Flussläufen durchzogen und
zählt – man höre und staune – mehr als 200 (!) Brücken. Die
ersten Kilometer tuckert unsere schwimmende Ferienwohnung
an einer Schöner-Wohnen-Parade aus modernen Lofts und historischen Backsteinpalais vorbei. Am Kai sitzen Angler, flanieren Pärchen oder liegen alte, mit viel Geld und Sachverstand zu
cool gestylten Fluvial-Residenzen aufgepeppte Frachtkähne.
Mit dem Belfried, dem 91 m hohen, von der UNESCO zum
Weltkulturerbe gekürten Glockenturm, setzt sich die Sint-Bavo-Kathedrale in Szene. Absolutes Muss dieser gotischen
Prachtkirche ist der Genter Altar. Zum Niederknien schön,
zählen seine 26 Bildtafeln zu den großartigsten Kunstschätzen
des christlichen Abendlandes. Nicht selten wurden sie gestohlen, frei gepresst, vor Feuer und Krieg gerettet oder vor Bilderstürmern in Sicherheit gebracht. Die Tafel mit dem Bildnis der
„Gerechten Richter“ verschwand in der Nacht vom 10. April
1934. Seitdem fahnden Wissenschaftler, Wünschelrutengänger
und Amateurdetektive nach der gemalten Frömmigkeit, wurden Häuser auf den Kopf gestellt, ein Denkmal zerlegt und eine Brücke demontiert, alles bis heute ohne Erfolg. Deshalb
schützen heute Panzerglas und Elektronik den Altar.
Brügge war im Mittelalter eine
boomende Weltstadt. Das historisches Zentrum der UNESCOPerle lässt sich stilvoll mit der
Pferdekutsche entdecken
Ländliches Idyll
20 Minuten später verabschiedet sich die stolze Stadt; Wiesen, Fleckvieh, verwunschene Flussaue und luxuriöse Landhausvillen bestimmen das Bild. Schleife um Schleife gräbt sich
die handtuchschmale alte Leie durch die beschauliche Natur.
Das wohl augenfälligste Bauwerk ist das Kasteel Ooiddonk,
ein wasserumspültes Zuckerbäckerschlösschen mit bauchigen
Backsteintürmchen und Treppengiebel-Zierrat. Vor der
Schleuse von Astene heißt es dann „Maschine Stopp“. Zwar
sind die Schleusentore bis zum Anschlag offen – wir könnten
also einfach durchfahren – doch leider, leider ist das Brückchen
über dem Schleusenbecken für unsere Countess zu niedrig. Also einmal kräftig auf’s Schiffshorn gedrückt … und schon öffnet sich die Tür des alten Schleusenwärterhäuschens. Ein
Vom Kai der Coupure Stadtmarina erreicht man bequem in nur
wenigen Fußminuten alle Sehenswürdigkeiten Brügges
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Mann kommt heraus, geht auf uns zu, murmelt etwas in seinen imaginären
Bart, spuckt in die Hände und kurbelt die betagte Eisenbrücke hoch. „Das
kostet euch ein Bier“, grinst er und deutet auf die Kneipenreklame am Haus.
„Tut mir leid“, antworte ich mit Blick auf die Uhr, „aber wir müssen weiter.“
Wir verabschieden uns und nehmen Kurs auf die kleine Marina des Yacht
Clubs in Deinze. Für 15 € gibt es einen komfortablen Liegeplatz mit Strom,
schicken Sanitäranlagen und eine Großfamilie schnatternder Enten. Der
nächste Tag steht im Zeichen des Gent-Oostende-Kanals. Wir hatten mit starkem Berufsverkehr gerechnet … und werden – angenehm – enttäuscht. Der
ach so verrufene Brückenschlag zur Nordsee zeigt sich von seiner beschaulichsten Seite, sprich: es kommen uns gerade mal eine Handvoll Frachtschiffe entgegen. In Steenbrugge ändert sich das Bild. Der historische Fleck mit seinem
mittelalterlichen Kloster ist ein neuralgischer Straßenverkehrsknoten. Vor der
Hebebrücke der N50 wird die Geduld zur Mutter aller Tugenden; wir warten
… 10 Minuten, 20 Minuten, eine halbe Stunde … irgendwann hat der Brückenwärter Erbarmen, die Straßenschranken senken sich, die Brücke geht
hoch und gibt uns die Fahrt ins Zentrum von Brügge frei.
Weltkulturerbe Brügge
Es war wohl ein Wunder, damals, 1134, als eine gewaltige Sturmflut durch
das Wattenmeer fegte, der Stadt einen schiffbaren Zugang zur Nordsee bescherte und damit die Weichen für ihren kometenhaften Wirtschaftsaufstieg
stellte. Rund 200 Jahre später zählte Brügge zu den reichsten Städten der damals bekannten Welt. Ende des 15. Jhs. versandete ihr Zugang zur Nordsee,
die stolze Dame verlor an Bedeutung und verkam zum Armenhaus Flanderns.
1892 hüllte der Schriftsteller Georges Rodenbach die Stadt mit seinem Roman
„Bruges la Morte“ in literarische Leichentücher. Damit läutete er – gewollt
oder nicht – aber auch ihr glanzvolles Comeback ein. Rund eine Million Besucher jährlich flanieren heute durch das bilderbuchschöne, von der UNESCO
zum Weltkulturerbe gekürte Baujuwel.
„Sucht ihr einen Liegeplatz?“ Wir nicken. „Okay“, sagt Jaques, „ich hab
noch was frei.“ Sagt`s, stellt sich als Hafenmeister der Coupure Stadtmarina
vor, kassiert 10 € und drückt uns eine Plastiktüte in die Hand. „Die ist für den
Müll. Strom und Wasser gibt’s umsonst.“ Zehn Minuten später sitzen wir in
einer offenen Pferdekutsche und nehmen das architektonische Erbe des Romanciers – ganz stilecht – von den bequemen Ledersitzen des Fiakers aus in Augenschein. Höhepunkt ist – nein, nein, nicht was Sie denken, keine Grachtentour,
kein Welt abgeschiedenen Beginenhof und auch kein Blick vom 83 m hohen
Belfried auf das historische Bau-Spektakel, nein, getreu Goethe – demnach
Bier klüger macht und herrlichen Genuss verschafft – kehren wir in der altehrwürdigen Brauerei De Halve Maan ein und lassen uns vom Braumeister Xavier
Vanneste höchstpersönlich das goldgelbe Hirn-Tuning des Hauses servieren.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das gilt – nicht nur aber auch – für die WarMondänes Seebad und quirlige Hafenstadt: Zwischen dem imposanten Seebahnhof
und dem Dreimaster Mercator tummeln sich in Oostende große und kleine Yachten
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Die beschauliche Ijzer
war im I. Weltkrieg
Schauplatz mörderischer
Stellungskämpfe
Die 132 m lange
Tuchhalle in Ieper
wurde im I. WK
völlig zerstört
tezeiten der Hobbyskipper vor den Schleusen der Stadt. Wir
folgen Jaques Ratschlag, schauen uns das Dörfchen Damme –
im Mittelalter der Hafen von Brügge und der Legende nach die
Wiege von Thyl Ulenspiegel, Till Eulenspiegel – per Drahtesel
an und heften uns anderntags an das Heck eines großen
Frachtschiffs. Jaques Tipp war Spitze! Während die meisten
Hausbootkapitäne eine halbe Ewigkeit für die Brügger Schleusen brauchen, flutschen wir im Windschatten des Berufsschiffers nur so durch. Drei Stunden später gurgelt bereits der Plassendale-Nieuwpoort Kanal unter unserem Kiel.
Freundliche Schleusenwärter
„Wo wollt ihr hin“, fragt uns der Schleusenwärter der SintJoris Schleuse, „nach Nieuwpoort? Oder Diksmuide.“ „Diksmuide“, antworten wir. „Okay“, sagt er, „es ist zwar schon
spät. Aber ich ruf meinen Kollegen an der Tervatebrücke an.
Der soll warten und euch die Brücke öffnen.“ Wir bedanken
uns, schleusen durch den 124 m langen und 20 m breiten
Schiffslift und sind ein paar Zündtakte später auf der Ijzer. Was
für ein Unterschied zu dem Plassendale-Nieuwpoort Kanal!
Während das artifizielle, wie mit dem Lineal gezogene Wassersträßchen ziemlich unspektakulär an der N 358 entlang plätschert, wartet die Ijzer mit hübschen, wind- und wettergeföhnten Polderlandschaften auf. Doch so still und erhaben sich das
Das Kriegsmuseum im 84 m hohe Ijzerturm ist
ein mächtiges Mahnmahl des Friedens
78 km lange Gewässer durch die Weite Flanderns schlängelt,
so mörderisch wütete der I. Weltkrieg an seinen Ufern. Hunderttausende Soldaten aus über 30 Nationen fielen, starben
und krepierten in der Hölle der Stellungskriege, einen Sieger
gab es nicht, nur verbrannte Erde, Giftgas und Tod.
Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Diksmuide. Der
Anleger des 16 000 Einwohnerstädtchen ist neu, die Handynummer des Hafenmeisters prangt in großen Ziffern an der
Mole. Wir rufen an und fragen nach einem Liegeplatz. „Ich bin
gleich da“, antwortete eine Stimme … und tatsächlich, wenige
Minuten später sitzt Herr Gooris bei uns an Bord. „Ich war“,
erzählt er, „ früher einmal Kapitän auf’m Frachtschiff.“ Wo er
denn überall gefahren sei, fragen wir. „35 Jahre lang zwischen
Rotterdam und Basel. Vier Tage hin, zwei Tage zurück. Insgesamt mehr als 1000 mal.“ Nach einer kleinen Kunstpause
holt er ein paar Broschüren aus der Tasche und legt sie auf den
Tisch. „Morgen“, sagt er, „müsst ihr euch unbedingt den Ijzerturm, den Soldatenfriedhof Vladslo und natürlich das mittelalterliche Zentrum unseres Städtchen ansehen.“
Gut, dass wir gefrühstückt haben! Mit leeren Magen wäre
das Kriegsmuseum im Ijzerturm wohl kaum zu ertragen gewesen. Auf 22 Etagen regiert der Tod multimedial in Wort und
Bild, heulen Granaten, schreien Verwundete. Wir sind froh,
wieder draußen zu sein. Doch auch Vladslo, die letzte Ruhestätte von 25 644 deutschen Soldaten, ist kein Hort, der Freu-
Käthe Kollwitz Skulptur „Trauernde Eltern“ steht vor dem Grab ihres Sohnes
Die Fluss-Marina von Diksmuide liegt unmittelbar gegenüber des Ijzerturmes
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Wie gemalt präsentiert
sich die Flusslandschaft der
Ijzer zwischen Veurne und
dem Seebad Nieuwpoort
de. Ergriffen stehen wir vor Käthe Kollwitz’s berühmten
Trauerskulpturen. Zu Füßen des lebensgroßen Kunstwerks ruht Peter Kollwitz, der Sohn der Künstlerin. Er
hatte sich als 18jähriger gleich zu Kriegsbeginn freiwillig gemeldet und war wenige Wochen später bei einem
Angriff auf Diksmuide ums Leben gekommen.
Mit den Obstwiesen und Weizenfeldern entlang des
friedlichen dahin gluckernden Lokanals steigt wieder
die Stimmung. Unsere letzte Hommage an die flämische
Renaissance ist Veurne, ein 12 000-Einwohnerstädtchen, sechs Kilometer vor der französischen Grenze.
Am späten Nachmittag machen wir dort im kleinen
Stadthafen am Kaaiplaats fest, schauen uns die Giebelhäuser am Grote Markt an – für den französische
Schriftsteller Victor Hugo übrigens einer der schönsten
Plätze auf Erden – und lassen den Tag mit einer XXLPortion goldgelben Fritten und schokoladenbraunem
Trappistenbier in der nahen Nordsee versinken.
Saluut Kapitein, tschüss Countess … Punkt 10 Uhr
am nächsten Tag geben wir das Schiff in der Charterbasis von Le Boat in Nieuwpoort ab, setzen uns ins Taxi, drehen eine Ehrenrunde um den Yachthafen – mit
2000 Liegeplätzen der größte der Nordsee – und fahren nach Nieuwpoort-aan-Zee, dem Badespaß-Ableger der alten Fischereistadt Nieuwpoort. Der Rest der
Reise ist pure Faulenzerei. Wir quartieren uns in einem
Hotel direkt am Meer ein, flanieren den kilometerlangen Strand entlang, füttern die Möwen und schauen
den Seglern bei der Umsetzung der Newton’schen Kraftgesetze zu… ob ich mit ihnen tauschen möchte? Nein!
Heute nicht! Schließlich hat das Leben als (temporäre!)
Landratte ja auch seine kommoden Seiten. Darauf –
nein , kein Trappistenbier – sondern eine Bewerbungsmail an Günther Jauch. Vielleicht hab ich ja Glück …
und seine 1-Mio-€-Frage dreht sich um Belgien.
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Reise-Informationen
Anreise:
Mit der DB nach Gent oder Oostende und von dort weiter mit der
Straßenbahn an der Nordseeküste entlang nach Nieuwpoort
(www.bahn.de). Alternativ mit dem eigenen Fahrzeug von Süden
oder Osten aus über die Niederlande und Brüssel, von Norden aus
über Antwerpen nach Gent bzw. Nieuwpoort. Die Charterbasis
von Le Boat in Nieuwpoort verfügt über eigene Parkmöglichkeiten, in Gent stehen neben teuren Parkhäusern unbewachte Sammelparkplätze zur Verfügung. Wer fliegen will, reist über Brüssels
Flughafen Zaventem ein (www.brusselsairport.be).
Land und Leute
Belgien ging 1830 aus dem Königreich der Vereinigten Niederlande hervor. Im Norden des 30 528 qkm großen Landes liegt das
niederländisch sprechende Flandern, im Süden die französisch
sprechende Wallonie. Im Osten gibt es einige deutschsprachige
Regionen. Während Belgiens Oberschicht bis weit ins 19. Jhd. aus
Wallonen bestand und die Wallonie über prosperierende Stahlund Kohlereviere verfügte, war Flandern lange Zeit das agrarische
Armenhaus des 11-Mio-Einwohnerlandes. Mit dem Niedergang
der Montanindustrie in den 1970ern wendete sich das Blatt. Wallonien hängt heute am Subventionstropf, Flandern dagegen
sonnt sich im Glanz seiner Industrie-, Dienstleistungs- und Agrarwirtschaft. Zum Leitwesen der belgischen Touristiker spielt der
Fremdenverkehr nur eine untergeordnete Rolle. Dabei hat das
Land mit seiner 67 km langen Sandstrand-Nordseeküste, seinen
historischen Seebädern wie z. B. Knokke-Heist (www.knokkeheist.be), Nieuwpoort (www.nieuwpoort.be), Oostende
(www.oostende.be) und Koksijde (www.koksijde.be), den waldreichen, bis zu knapp 700 m hohen Ardennen sowie den zahlreichen
Kunst- und Kulturstädten wie z. B. Antwerpen (www.visit.antwerpen.be), Brügge (www.brugge.de), Brüssel (www.visitbrussels.be) und Gent (www.visitgent.be) viel zu bieten. Aber auch
kleinere Städtchen wie Veurne (www.veurne.be) oder das im 1.
Weltkrieg völlig zerstörte und nach historischen Vorlagen wieder
rekonstruierte Ieper (www.ieper.be) sind einen Besuch wert.
Beaufort04
Beuafort04 ist kein Maß für eine neue Windgeschwindigkeit sondern die 4. Triennale für Gegenwartskunst entlang der flämischen
Küste. Zwischen dem 31. März und dem 30. September 2012 präsentieren rund 30 Orte zeitgenössische Arbeiten europäischer
Künstler (www.beaufort04.be).
Essen und Trinken
Nicht ohne Grund bezeichnen die Flamen ihr Land als „Lekker
Land“. Gut Essen ist für sie so selbstverständlich wie der Belfried
in Gent. Allein Flandern zählt über 17 000 Restaurants, hat rund
11 500 Kneipen und braut in über 110 Brauereien mehr als 680
Biersorten. Bezogen auf seine Einwohnerzahl funkeln in Flandern
die meisten Michelinsterne Europas. Die Küche ist ein gelungener
Mix aus niederländischer Deftigkeit und französischer Raffinesse.
An der Küste dominieren Muscheln, Meeresfrüchte und fangfrischer Fisch, gekocht wird nicht selten mit Bier, so z. B. Stoofkarbonaden (Rinderschmorfleischragout) oder Konijntje (Kaninchen
mit Pflaumen). Gent ist bekannt für sein Waterzooi (herzhafter
Gemüseeintöpfe mit Fisch oder Huhn), in Brüssel kommen zarte
Hähnchen oder Witlof (Chicorée mit Schinken und Käsesauce) auf
den Tisch, Lüttich ist stolz auf seine Kalbsnieren und gekocht-gebratenen Gänse. Leckere, goldgelbe Fritten gibt es an jeder Straßenecke. Die Saucen dazu werden in separaten Schälchen gereicht. Wer sie einfach nur über die knusprigen Stengel kippt, begeht in den Augen der Belgier ein essenskulturelles Sakrileg. Auch
für Schleckermäuler ist Belgien eine Offenbarung. Seine Torten,
Schokoladen und Pralinen haben Weltruf, in Gent zählen die Chocolaterie van Hecke (www.chocolaterievanhecke.be) und die Chocolaterie van Hoorebeke (www.chocolatesvanhoorebeke.be) zu
den Premiumadressen. Bei van Hoorebeke kann man den Pralinenmachern von einer Empore aus bei der Herstellung der süßen
Sünden auf die Finger schauen.
Charter
Le Boat unterhält in Belgien zwei Charterbasen. Die „Hauptbasis“
ist Nieuwpoort, hier stehen 18 Schiffe unterschiedlicher Größe
und Ausstattung zur Verfügung, als mögliche Touren werden die
3-Tages-Tour Nieuwpoort-Brügge-Nieuwpoort (39 km, 15 Schleusen, ca. 12 Std. Fahrzeit), die einwöchige Tour Nieuwpoort-IeperBrügge-Nieuwpoort (158 km, 14 Schleusen, 40 Brücken, Fahrtzeit
ca. 40 Std. Fahrzeit), die einwöchige Tour Nieuwpoort-BrüggeDeinze-Gent-Nieuwpoort (200 km, 5 Schleusen, 37 Brücken, ca.
42 Std. Fahrzeit), die einwöchige One-Way-Tour Nieuwpoort-Diksmuide-Ieper-Brügge-Deinze-Gent (70 km, 8 Schleusen, 18 Brücken, ca. 25 Std. Fahrzeit) sowie die zweiwöchige Tour Nieuwpoort-Brügge-Gent-Kortrijk-Oudenaarde-Nieuwpoort (350 km,
27 Schleusen, 57 Brücken, ca. 80 Std. Fahrzeit) angeboten. In Gent
liegen in der Marina Portus Ganda vier Le Boat-Schiffe; von dort
aus ist nur die einwöchige Tour Gent-Nieuwpoort möglich. Die
Charterpreise variieren je nach Größe und Saison zwischen 1015
(Polders Star, 4+1) und 4030 (Magnifique 8+2). Hinzu kommen
pro Stunde 6 bis 8.50 Betriebskosten, Endreinigung (75 bis
130 ) sowie auf Wunsch der Haftungsausschluss im Schadensfall
(115 bis 155 ). Die Boote haben keinen Funk, eine Weiterfahrt
von der Plassendalebrücke aus nach Oostende ist somit nicht
Von der Le Boat Charterbasis in Nieuwpoort
aus lässt sich Flandern prima entdecken
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Im Vleeshuis in Gent isst
man preiswert und gut
Das Dörfchen Damme war
einst der Hafen von Brügge
möglich (Le Boat, Tel.: 0 61 01 55 79 175, Fax: 0 61 01 55 79 122,
Email: [email protected], www.leboat.de) Viele Kneipen am Kanal
bzw. Fluss verfügen über eigene Stege, privat betriebene Marinas
haben in der Regel ein paar Gastliegeplätze, die Städte und Städtchen betreiben ihre eigenen Anleger, die Liegegebühren (inkl.
Strom und Wasser) betragen zwischen 10 und 15 . Da es in
der Hochsaison eng werden kann, empfiehlt sich eine möglichst
frühzeitige Ankunft.
Literatur:
Baedecker Belgien, Das Land im Zentrum Europas auf 438 Seiten
in kompakter Ausführlichkeit mit großer Straßenkarte. Baedeker
Verlag, 9. Auflage 2010, 22.95
DuMont Belgien, Der Autor Reinhard Tiburzy lebt seit über 20
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Jahren in Belgien und kennt das Land wie seine Westentasche,
Mairdumont Verlag, 2. Auflage 2011, 288 S., 16.99 .
Informationen
Tourismus Flandern-Brüssel, Cäcilienstrasse 46, 50667 Köln, Tel.:
02 21–27 09 77 0 (Mo – Fr 9.00 – 13.00 Uhr), Fax: 02 21–27 09 77 7,
Email: [email protected], www.flandern.com. Darüber hinaus
können über die Homepage von Waterrecreatie (www.waterrecreatie.be) u. a. Routentipps und Verkehrsdaten (u.a. „Magazin
Wassersport: 4 Rundfahrten in Flandern“ oder „Bedienungszeiten
von Schleusen und Brücken auf befahrbaren Wasserstraßen in
Flandern“) kostenlos abgerufen bzw. gegen Gebühr amtliche Wasserstraßenkarten bestellt werden ( so z. B. Karte der belgischen
Schifffahrtsstraßen, Edition 2009, 24 inkl. Auslandversand).
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