52 chartertörn
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52 CHARTERTÖRN Skipper 5/2012 CHARTERTÖRN 53 Flandern-Törn POMP & PRALINEN Belgiens Wasserstraßen sind mit 1600 Kilometern fast so lang wie seine Autobahnen. Während es auf dem Asphalt allerdings schon mal recht hektisch wird, begeistern die Flüsse und Kanäle des Landes mit geschichtsreichen Städten und romantischen Landschaften Eine Grachtenfahrt gehört in Gent zu den touristischen Pflichtübungen und gewährt interessante Einblicke 5/2012 Skipper 54 CHARTERTÖRN Der streitbare Jacob van Artevelde beherrscht den Genter Vrijdagsmarkts Die Festung Gravensteen erlebte blutige Kämpfe und Schlachten Von Gerald Penzl S ie kennen doch Günther Jauch’s grandiose Quizshow. Mal angenommen, Sie säßen auf seinem Ratestuhl und würden zu Belgien befragt. Brüssel, antworten Sie wie aus der Pistole geschossen, ist Hauptstadt, Sitz der Nato und der EU-Bürokratie, hat ein putziges Pinkelmännchen als Wahrzeichen und ein 102 m hohes Atomium. Gut, und was wissen Sie noch über Belgien? Sie zucken mit den Schultern? Tja … so geht es wohl den meisten von uns. Während unsere Eltern schon als Dreikäsehoch in der Adria planschten, ist Belgien bis heute eine Art Terra Incognita, ein weißer Fleck auf der Landkarte. Woran das liegt? Vermutlich am Homo Belgicus selbst! Als Nachkomme der Gallier, Paul Rubens und Till Eulenspiegel ist er eher ein introvertiertes Wesen, das wenig Trubel um sich und seine Werte macht. Ordentlich Trubel dagegen macht Jacob van Artevelde. In voller Rüstung steht der bronzene Recke auf dem Genter Vrijdagsmarkt und hält eine flammende Rede gegen die Grafen von Flandern. Ein paar Meter vor seinem Denkmal sitzen wir Nur wenige Kilometer hinter Gent präsentiert sich die Leie von ihrer beschaulichsten Seite im Biergarten eines Bistros, schauen dem bunten Markttreiben zu, werfen einen Blick auf die historischen Giebelhäuser rund um den großen Platz und genießen die warme Frühlingssonne. Auf dem Tisch liegt ein Reiseführer. Vor 700 Jahren, schreibt der Autor, war Gent nach Paris die zweitmächtigste Stadt nördlich der Alpen. Der Handel blühte, die Tuchindustrie boomte. Mit welchen Baupretiosen sich die Kaufmannsaristokratie damals ihre Erfolge versüßte, sahen wir heute morgen bei einer Grachtenfahrt auf der Leie. Von der Parade der baDrache statt Wetterhahn auf dem Belfried in Gent Panzerglas und Elektronik sichert den Genter Altar Skipper 5/2012 CHARTERTÖRN 55 rock-, renaissance- und gotiküberbordeten Zunfthäuser am alten Hafen aus tuckerten wir durch verwunschene Seitenarme, entlang alter Backsteinbauten mit hübschen Treppengiebeln, an der Festung Gravensteen – einer der mächtigsten Wasserburgen Europas – vorbei Richtung Sint-Bavo-Kathedrale. „Noch ein Rochefort?“ Der Kellner schaut uns fragend an. Wir schütteln den Kopf. Dieses dunkle Trappistenbier ist zwar köstlich, hat aber auch – und das ist das Problem – 11,3 % Alkohol. Don’t drive drunken … das gilt nicht nur für den StraDer Grundstein von Sint-Bavo wurde 1228 gelegt, 1538 wurde die Kirche geweiht 5/2012 Skipper ßenverkehr sondern auch für die christliche Seefahrt und ihre Binnenableger. Im Klartext: In einer halben Stunde ist unser Hausboot klar, wir zahlen und machen uns auf den Weg vorbei an der Sint-Bavo-Kathedrale zur Stadtmarina Portus Ganda. „Goeden dag!“, begrüßt uns dort Gwen Steeman. „Das ist euer Schiff“, deutet er auf eine Countess am Anleger gleich neben dem hübschen Art-Déco Hallenbad Van Eyck. „Rund 10 m lang, mit Flybridge, 4 Kojen, zwei Bädern und kompletter Küche.“ Im Handumdrehen sind die Formalitäten erledigt, die Sa- Spezialitäten: Bei Van Hoorebeke in Gent werden Top-Pralinen produziert Die Marina in Deinze verfügt über allen denkbaren Komfort und ein gepflegtes Ambiente 56 CHARTERTÖRN chen verstaut und der Selbstzünder zum Leben erweckt. „Ihr fahrt“, deutet er auf die Wasserkarte, „bis zur Schelde, dort durch die Brusselsepoort-Schleuse, weiter über die Innenstadtkanäle zum Yachthaven Snepdijk und dann die alte Leie talwärts nach Deinze. Veel plezir, viel Spaß!“ Gent ist ein Kind des Wassers. Die heute drittgrößte Stadt Belgiens entstand aus einer Ansammlung kleiner Streusiedlungen am Zusammenfluss von Schelde und Leie, wird von unzähligen Kanälen, Wasserstraßen und Flussläufen durchzogen und zählt – man höre und staune – mehr als 200 (!) Brücken. Die ersten Kilometer tuckert unsere schwimmende Ferienwohnung an einer Schöner-Wohnen-Parade aus modernen Lofts und historischen Backsteinpalais vorbei. Am Kai sitzen Angler, flanieren Pärchen oder liegen alte, mit viel Geld und Sachverstand zu cool gestylten Fluvial-Residenzen aufgepeppte Frachtkähne. Mit dem Belfried, dem 91 m hohen, von der UNESCO zum Weltkulturerbe gekürten Glockenturm, setzt sich die Sint-Bavo-Kathedrale in Szene. Absolutes Muss dieser gotischen Prachtkirche ist der Genter Altar. Zum Niederknien schön, zählen seine 26 Bildtafeln zu den großartigsten Kunstschätzen des christlichen Abendlandes. Nicht selten wurden sie gestohlen, frei gepresst, vor Feuer und Krieg gerettet oder vor Bilderstürmern in Sicherheit gebracht. Die Tafel mit dem Bildnis der „Gerechten Richter“ verschwand in der Nacht vom 10. April 1934. Seitdem fahnden Wissenschaftler, Wünschelrutengänger und Amateurdetektive nach der gemalten Frömmigkeit, wurden Häuser auf den Kopf gestellt, ein Denkmal zerlegt und eine Brücke demontiert, alles bis heute ohne Erfolg. Deshalb schützen heute Panzerglas und Elektronik den Altar. Brügge war im Mittelalter eine boomende Weltstadt. Das historisches Zentrum der UNESCOPerle lässt sich stilvoll mit der Pferdekutsche entdecken Ländliches Idyll 20 Minuten später verabschiedet sich die stolze Stadt; Wiesen, Fleckvieh, verwunschene Flussaue und luxuriöse Landhausvillen bestimmen das Bild. Schleife um Schleife gräbt sich die handtuchschmale alte Leie durch die beschauliche Natur. Das wohl augenfälligste Bauwerk ist das Kasteel Ooiddonk, ein wasserumspültes Zuckerbäckerschlösschen mit bauchigen Backsteintürmchen und Treppengiebel-Zierrat. Vor der Schleuse von Astene heißt es dann „Maschine Stopp“. Zwar sind die Schleusentore bis zum Anschlag offen – wir könnten also einfach durchfahren – doch leider, leider ist das Brückchen über dem Schleusenbecken für unsere Countess zu niedrig. Also einmal kräftig auf’s Schiffshorn gedrückt … und schon öffnet sich die Tür des alten Schleusenwärterhäuschens. Ein Vom Kai der Coupure Stadtmarina erreicht man bequem in nur wenigen Fußminuten alle Sehenswürdigkeiten Brügges Skipper 5/2012 Mann kommt heraus, geht auf uns zu, murmelt etwas in seinen imaginären Bart, spuckt in die Hände und kurbelt die betagte Eisenbrücke hoch. „Das kostet euch ein Bier“, grinst er und deutet auf die Kneipenreklame am Haus. „Tut mir leid“, antworte ich mit Blick auf die Uhr, „aber wir müssen weiter.“ Wir verabschieden uns und nehmen Kurs auf die kleine Marina des Yacht Clubs in Deinze. Für 15 € gibt es einen komfortablen Liegeplatz mit Strom, schicken Sanitäranlagen und eine Großfamilie schnatternder Enten. Der nächste Tag steht im Zeichen des Gent-Oostende-Kanals. Wir hatten mit starkem Berufsverkehr gerechnet … und werden – angenehm – enttäuscht. Der ach so verrufene Brückenschlag zur Nordsee zeigt sich von seiner beschaulichsten Seite, sprich: es kommen uns gerade mal eine Handvoll Frachtschiffe entgegen. In Steenbrugge ändert sich das Bild. Der historische Fleck mit seinem mittelalterlichen Kloster ist ein neuralgischer Straßenverkehrsknoten. Vor der Hebebrücke der N50 wird die Geduld zur Mutter aller Tugenden; wir warten … 10 Minuten, 20 Minuten, eine halbe Stunde … irgendwann hat der Brückenwärter Erbarmen, die Straßenschranken senken sich, die Brücke geht hoch und gibt uns die Fahrt ins Zentrum von Brügge frei. Weltkulturerbe Brügge Es war wohl ein Wunder, damals, 1134, als eine gewaltige Sturmflut durch das Wattenmeer fegte, der Stadt einen schiffbaren Zugang zur Nordsee bescherte und damit die Weichen für ihren kometenhaften Wirtschaftsaufstieg stellte. Rund 200 Jahre später zählte Brügge zu den reichsten Städten der damals bekannten Welt. Ende des 15. Jhs. versandete ihr Zugang zur Nordsee, die stolze Dame verlor an Bedeutung und verkam zum Armenhaus Flanderns. 1892 hüllte der Schriftsteller Georges Rodenbach die Stadt mit seinem Roman „Bruges la Morte“ in literarische Leichentücher. Damit läutete er – gewollt oder nicht – aber auch ihr glanzvolles Comeback ein. Rund eine Million Besucher jährlich flanieren heute durch das bilderbuchschöne, von der UNESCO zum Weltkulturerbe gekürte Baujuwel. „Sucht ihr einen Liegeplatz?“ Wir nicken. „Okay“, sagt Jaques, „ich hab noch was frei.“ Sagt`s, stellt sich als Hafenmeister der Coupure Stadtmarina vor, kassiert 10 € und drückt uns eine Plastiktüte in die Hand. „Die ist für den Müll. Strom und Wasser gibt’s umsonst.“ Zehn Minuten später sitzen wir in einer offenen Pferdekutsche und nehmen das architektonische Erbe des Romanciers – ganz stilecht – von den bequemen Ledersitzen des Fiakers aus in Augenschein. Höhepunkt ist – nein, nein, nicht was Sie denken, keine Grachtentour, kein Welt abgeschiedenen Beginenhof und auch kein Blick vom 83 m hohen Belfried auf das historische Bau-Spektakel, nein, getreu Goethe – demnach Bier klüger macht und herrlichen Genuss verschafft – kehren wir in der altehrwürdigen Brauerei De Halve Maan ein und lassen uns vom Braumeister Xavier Vanneste höchstpersönlich das goldgelbe Hirn-Tuning des Hauses servieren. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das gilt – nicht nur aber auch – für die WarMondänes Seebad und quirlige Hafenstadt: Zwischen dem imposanten Seebahnhof und dem Dreimaster Mercator tummeln sich in Oostende große und kleine Yachten 5/2012 Skipper 58 CHARTERTÖRN Die beschauliche Ijzer war im I. Weltkrieg Schauplatz mörderischer Stellungskämpfe Die 132 m lange Tuchhalle in Ieper wurde im I. WK völlig zerstört tezeiten der Hobbyskipper vor den Schleusen der Stadt. Wir folgen Jaques Ratschlag, schauen uns das Dörfchen Damme – im Mittelalter der Hafen von Brügge und der Legende nach die Wiege von Thyl Ulenspiegel, Till Eulenspiegel – per Drahtesel an und heften uns anderntags an das Heck eines großen Frachtschiffs. Jaques Tipp war Spitze! Während die meisten Hausbootkapitäne eine halbe Ewigkeit für die Brügger Schleusen brauchen, flutschen wir im Windschatten des Berufsschiffers nur so durch. Drei Stunden später gurgelt bereits der Plassendale-Nieuwpoort Kanal unter unserem Kiel. Freundliche Schleusenwärter „Wo wollt ihr hin“, fragt uns der Schleusenwärter der SintJoris Schleuse, „nach Nieuwpoort? Oder Diksmuide.“ „Diksmuide“, antworten wir. „Okay“, sagt er, „es ist zwar schon spät. Aber ich ruf meinen Kollegen an der Tervatebrücke an. Der soll warten und euch die Brücke öffnen.“ Wir bedanken uns, schleusen durch den 124 m langen und 20 m breiten Schiffslift und sind ein paar Zündtakte später auf der Ijzer. Was für ein Unterschied zu dem Plassendale-Nieuwpoort Kanal! Während das artifizielle, wie mit dem Lineal gezogene Wassersträßchen ziemlich unspektakulär an der N 358 entlang plätschert, wartet die Ijzer mit hübschen, wind- und wettergeföhnten Polderlandschaften auf. Doch so still und erhaben sich das Das Kriegsmuseum im 84 m hohe Ijzerturm ist ein mächtiges Mahnmahl des Friedens 78 km lange Gewässer durch die Weite Flanderns schlängelt, so mörderisch wütete der I. Weltkrieg an seinen Ufern. Hunderttausende Soldaten aus über 30 Nationen fielen, starben und krepierten in der Hölle der Stellungskriege, einen Sieger gab es nicht, nur verbrannte Erde, Giftgas und Tod. Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Diksmuide. Der Anleger des 16 000 Einwohnerstädtchen ist neu, die Handynummer des Hafenmeisters prangt in großen Ziffern an der Mole. Wir rufen an und fragen nach einem Liegeplatz. „Ich bin gleich da“, antwortete eine Stimme … und tatsächlich, wenige Minuten später sitzt Herr Gooris bei uns an Bord. „Ich war“, erzählt er, „ früher einmal Kapitän auf’m Frachtschiff.“ Wo er denn überall gefahren sei, fragen wir. „35 Jahre lang zwischen Rotterdam und Basel. Vier Tage hin, zwei Tage zurück. Insgesamt mehr als 1000 mal.“ Nach einer kleinen Kunstpause holt er ein paar Broschüren aus der Tasche und legt sie auf den Tisch. „Morgen“, sagt er, „müsst ihr euch unbedingt den Ijzerturm, den Soldatenfriedhof Vladslo und natürlich das mittelalterliche Zentrum unseres Städtchen ansehen.“ Gut, dass wir gefrühstückt haben! Mit leeren Magen wäre das Kriegsmuseum im Ijzerturm wohl kaum zu ertragen gewesen. Auf 22 Etagen regiert der Tod multimedial in Wort und Bild, heulen Granaten, schreien Verwundete. Wir sind froh, wieder draußen zu sein. Doch auch Vladslo, die letzte Ruhestätte von 25 644 deutschen Soldaten, ist kein Hort, der Freu- Käthe Kollwitz Skulptur „Trauernde Eltern“ steht vor dem Grab ihres Sohnes Die Fluss-Marina von Diksmuide liegt unmittelbar gegenüber des Ijzerturmes Skipper 5/2012 Wie gemalt präsentiert sich die Flusslandschaft der Ijzer zwischen Veurne und dem Seebad Nieuwpoort de. Ergriffen stehen wir vor Käthe Kollwitz’s berühmten Trauerskulpturen. Zu Füßen des lebensgroßen Kunstwerks ruht Peter Kollwitz, der Sohn der Künstlerin. Er hatte sich als 18jähriger gleich zu Kriegsbeginn freiwillig gemeldet und war wenige Wochen später bei einem Angriff auf Diksmuide ums Leben gekommen. Mit den Obstwiesen und Weizenfeldern entlang des friedlichen dahin gluckernden Lokanals steigt wieder die Stimmung. Unsere letzte Hommage an die flämische Renaissance ist Veurne, ein 12 000-Einwohnerstädtchen, sechs Kilometer vor der französischen Grenze. Am späten Nachmittag machen wir dort im kleinen Stadthafen am Kaaiplaats fest, schauen uns die Giebelhäuser am Grote Markt an – für den französische Schriftsteller Victor Hugo übrigens einer der schönsten Plätze auf Erden – und lassen den Tag mit einer XXLPortion goldgelben Fritten und schokoladenbraunem Trappistenbier in der nahen Nordsee versinken. Saluut Kapitein, tschüss Countess … Punkt 10 Uhr am nächsten Tag geben wir das Schiff in der Charterbasis von Le Boat in Nieuwpoort ab, setzen uns ins Taxi, drehen eine Ehrenrunde um den Yachthafen – mit 2000 Liegeplätzen der größte der Nordsee – und fahren nach Nieuwpoort-aan-Zee, dem Badespaß-Ableger der alten Fischereistadt Nieuwpoort. Der Rest der Reise ist pure Faulenzerei. Wir quartieren uns in einem Hotel direkt am Meer ein, flanieren den kilometerlangen Strand entlang, füttern die Möwen und schauen den Seglern bei der Umsetzung der Newton’schen Kraftgesetze zu… ob ich mit ihnen tauschen möchte? Nein! Heute nicht! Schließlich hat das Leben als (temporäre!) Landratte ja auch seine kommoden Seiten. Darauf – nein , kein Trappistenbier – sondern eine Bewerbungsmail an Günther Jauch. Vielleicht hab ich ja Glück … und seine 1-Mio-€-Frage dreht sich um Belgien. 5/2012 Skipper 60 CHARTERTÖRN Reise-Informationen Anreise: Mit der DB nach Gent oder Oostende und von dort weiter mit der Straßenbahn an der Nordseeküste entlang nach Nieuwpoort (www.bahn.de). Alternativ mit dem eigenen Fahrzeug von Süden oder Osten aus über die Niederlande und Brüssel, von Norden aus über Antwerpen nach Gent bzw. Nieuwpoort. Die Charterbasis von Le Boat in Nieuwpoort verfügt über eigene Parkmöglichkeiten, in Gent stehen neben teuren Parkhäusern unbewachte Sammelparkplätze zur Verfügung. Wer fliegen will, reist über Brüssels Flughafen Zaventem ein (www.brusselsairport.be). Land und Leute Belgien ging 1830 aus dem Königreich der Vereinigten Niederlande hervor. Im Norden des 30 528 qkm großen Landes liegt das niederländisch sprechende Flandern, im Süden die französisch sprechende Wallonie. Im Osten gibt es einige deutschsprachige Regionen. Während Belgiens Oberschicht bis weit ins 19. Jhd. aus Wallonen bestand und die Wallonie über prosperierende Stahlund Kohlereviere verfügte, war Flandern lange Zeit das agrarische Armenhaus des 11-Mio-Einwohnerlandes. Mit dem Niedergang der Montanindustrie in den 1970ern wendete sich das Blatt. Wallonien hängt heute am Subventionstropf, Flandern dagegen sonnt sich im Glanz seiner Industrie-, Dienstleistungs- und Agrarwirtschaft. Zum Leitwesen der belgischen Touristiker spielt der Fremdenverkehr nur eine untergeordnete Rolle. Dabei hat das Land mit seiner 67 km langen Sandstrand-Nordseeküste, seinen historischen Seebädern wie z. B. Knokke-Heist (www.knokkeheist.be), Nieuwpoort (www.nieuwpoort.be), Oostende (www.oostende.be) und Koksijde (www.koksijde.be), den waldreichen, bis zu knapp 700 m hohen Ardennen sowie den zahlreichen Kunst- und Kulturstädten wie z. B. Antwerpen (www.visit.antwerpen.be), Brügge (www.brugge.de), Brüssel (www.visitbrussels.be) und Gent (www.visitgent.be) viel zu bieten. Aber auch kleinere Städtchen wie Veurne (www.veurne.be) oder das im 1. Weltkrieg völlig zerstörte und nach historischen Vorlagen wieder rekonstruierte Ieper (www.ieper.be) sind einen Besuch wert. Beaufort04 Beuafort04 ist kein Maß für eine neue Windgeschwindigkeit sondern die 4. Triennale für Gegenwartskunst entlang der flämischen Küste. Zwischen dem 31. März und dem 30. September 2012 präsentieren rund 30 Orte zeitgenössische Arbeiten europäischer Künstler (www.beaufort04.be). Essen und Trinken Nicht ohne Grund bezeichnen die Flamen ihr Land als „Lekker Land“. Gut Essen ist für sie so selbstverständlich wie der Belfried in Gent. Allein Flandern zählt über 17 000 Restaurants, hat rund 11 500 Kneipen und braut in über 110 Brauereien mehr als 680 Biersorten. Bezogen auf seine Einwohnerzahl funkeln in Flandern die meisten Michelinsterne Europas. Die Küche ist ein gelungener Mix aus niederländischer Deftigkeit und französischer Raffinesse. An der Küste dominieren Muscheln, Meeresfrüchte und fangfrischer Fisch, gekocht wird nicht selten mit Bier, so z. B. Stoofkarbonaden (Rinderschmorfleischragout) oder Konijntje (Kaninchen mit Pflaumen). Gent ist bekannt für sein Waterzooi (herzhafter Gemüseeintöpfe mit Fisch oder Huhn), in Brüssel kommen zarte Hähnchen oder Witlof (Chicorée mit Schinken und Käsesauce) auf den Tisch, Lüttich ist stolz auf seine Kalbsnieren und gekocht-gebratenen Gänse. Leckere, goldgelbe Fritten gibt es an jeder Straßenecke. Die Saucen dazu werden in separaten Schälchen gereicht. Wer sie einfach nur über die knusprigen Stengel kippt, begeht in den Augen der Belgier ein essenskulturelles Sakrileg. Auch für Schleckermäuler ist Belgien eine Offenbarung. Seine Torten, Schokoladen und Pralinen haben Weltruf, in Gent zählen die Chocolaterie van Hecke (www.chocolaterievanhecke.be) und die Chocolaterie van Hoorebeke (www.chocolatesvanhoorebeke.be) zu den Premiumadressen. Bei van Hoorebeke kann man den Pralinenmachern von einer Empore aus bei der Herstellung der süßen Sünden auf die Finger schauen. Charter Le Boat unterhält in Belgien zwei Charterbasen. Die „Hauptbasis“ ist Nieuwpoort, hier stehen 18 Schiffe unterschiedlicher Größe und Ausstattung zur Verfügung, als mögliche Touren werden die 3-Tages-Tour Nieuwpoort-Brügge-Nieuwpoort (39 km, 15 Schleusen, ca. 12 Std. Fahrzeit), die einwöchige Tour Nieuwpoort-IeperBrügge-Nieuwpoort (158 km, 14 Schleusen, 40 Brücken, Fahrtzeit ca. 40 Std. Fahrzeit), die einwöchige Tour Nieuwpoort-BrüggeDeinze-Gent-Nieuwpoort (200 km, 5 Schleusen, 37 Brücken, ca. 42 Std. Fahrzeit), die einwöchige One-Way-Tour Nieuwpoort-Diksmuide-Ieper-Brügge-Deinze-Gent (70 km, 8 Schleusen, 18 Brücken, ca. 25 Std. Fahrzeit) sowie die zweiwöchige Tour Nieuwpoort-Brügge-Gent-Kortrijk-Oudenaarde-Nieuwpoort (350 km, 27 Schleusen, 57 Brücken, ca. 80 Std. Fahrzeit) angeboten. In Gent liegen in der Marina Portus Ganda vier Le Boat-Schiffe; von dort aus ist nur die einwöchige Tour Gent-Nieuwpoort möglich. Die Charterpreise variieren je nach Größe und Saison zwischen 1015 (Polders Star, 4+1) und 4030 (Magnifique 8+2). Hinzu kommen pro Stunde 6 bis 8.50 Betriebskosten, Endreinigung (75 bis 130 ) sowie auf Wunsch der Haftungsausschluss im Schadensfall (115 bis 155 ). Die Boote haben keinen Funk, eine Weiterfahrt von der Plassendalebrücke aus nach Oostende ist somit nicht Von der Le Boat Charterbasis in Nieuwpoort aus lässt sich Flandern prima entdecken Skipper 5/2012 CHARTERTÖRN 61 Im Vleeshuis in Gent isst man preiswert und gut Das Dörfchen Damme war einst der Hafen von Brügge möglich (Le Boat, Tel.: 0 61 01 55 79 175, Fax: 0 61 01 55 79 122, Email: [email protected], www.leboat.de) Viele Kneipen am Kanal bzw. Fluss verfügen über eigene Stege, privat betriebene Marinas haben in der Regel ein paar Gastliegeplätze, die Städte und Städtchen betreiben ihre eigenen Anleger, die Liegegebühren (inkl. Strom und Wasser) betragen zwischen 10 und 15 . Da es in der Hochsaison eng werden kann, empfiehlt sich eine möglichst frühzeitige Ankunft. Literatur: Baedecker Belgien, Das Land im Zentrum Europas auf 438 Seiten in kompakter Ausführlichkeit mit großer Straßenkarte. Baedeker Verlag, 9. Auflage 2010, 22.95 DuMont Belgien, Der Autor Reinhard Tiburzy lebt seit über 20 6520 5/2012 Skipper Jahren in Belgien und kennt das Land wie seine Westentasche, Mairdumont Verlag, 2. Auflage 2011, 288 S., 16.99 . Informationen Tourismus Flandern-Brüssel, Cäcilienstrasse 46, 50667 Köln, Tel.: 02 21–27 09 77 0 (Mo – Fr 9.00 – 13.00 Uhr), Fax: 02 21–27 09 77 7, Email: [email protected], www.flandern.com. Darüber hinaus können über die Homepage von Waterrecreatie (www.waterrecreatie.be) u. a. Routentipps und Verkehrsdaten (u.a. „Magazin Wassersport: 4 Rundfahrten in Flandern“ oder „Bedienungszeiten von Schleusen und Brücken auf befahrbaren Wasserstraßen in Flandern“) kostenlos abgerufen bzw. gegen Gebühr amtliche Wasserstraßenkarten bestellt werden ( so z. B. Karte der belgischen Schifffahrtsstraßen, Edition 2009, 24 inkl. Auslandversand). 6484