ACP Konsensus Hämorrhoiden

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ACP Konsensus Hämorrhoiden
Consensus Statement Haemorrhoidal Disease
Konsensusbericht Hämorrhoidalleiden
Felix Aigner1, Friedrich Conrad1, Ingrid Haunold2, Johann Pfeifer3, Andreas Salat4,
Max Wunderlich2
und Konsensusgruppe der Arbeitsgemeinschaft für Coloproktologie (ACP) der
Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie
Rene Fortelny5, Helga Fritsch6, Markus Glöckler7, Hubert Hauser3, Andreas Heuberger8,
Judith Karner-Hanusch4, Christoph Kopf9, Peter Lechner10, Stefan Riss4, Sebastian Roka4,
Matthias Scheyer11
1
Univ.-Klinik f. Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie, Medizinische Universität Innsbruck
2
Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien
3
Univ.-Klinik für Chirurgie, Klinische Abteilung für Allgemeinchirurgie, Medizinische Universität Graz
4
Univ.-Klinik für Chirurgie, Klinische Abteilung für Allgemeinchirurgie, Medizinische Universität Wien
5
Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie, Wilhelminenspital Wien
6
Department für Anatomie, Histologie und Embryologie, Sektion für Klinisch-Funktionelle Anatomie,
Medizinische Universität Innsbruck
7
Krankenhaus St. Elisabeth, Wien
8
Abteilung für Allgemein- und Unfallchirurgie, a. ö. Krankenhaus Oberndorf bei Salzburg
9
Chirurgische Abteilung, Krankenhaus Schärding
10
Chirurgische Abteilung, Landesklinikum Donauregion Tulln
11
Abteilung für Allgemeinchirurgie, Landeskrankenhaus Bludenz
Korrespondenz: ao. Univ.-Prof. Dr. Felix Aigner, Univ.-Klinik f. Visceral-,
Transplantations- und Thoraxchirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstraße
35, 6020 Innsbruck, Tel.: 0043-(0)512-504-80759, Fax: 0043-(0)512-504-22605, E-mail:
[email protected]
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Abstract
Haemorrhoidal disease belongs to the most common benign disorders in the lower gastrointestinal tract.
Treatment options comprise conservative as well as surgical therapy still being applied arbitrarily in accordance
with the surgeon´s expertise. The aim of this consensus statement was therefore to assess a stage-dependent
approach for treatment of haemorrhoidal disease to derive evidence based recommendations for clinical routine.
The most common methods are discussed with respect of haemorrhoidal disease in extraordinary conditions like
pregnancy or inflammatory bowel disease and recurrent haemorrhoids. Tailored haemorrhoidectomy is
preferable for individualized treatment with regard to the shortcomings of the traditional Goligher classification
in solitary or circular haemorrhoidal prolapses.
Zusammenfassung
Das Hämorrhoidalleiden zählt zu den häufigsten gutartigen Erkrankungen des unteren Verdauungstraktes und
tritt oft als Begleiterscheinung anderer auch bösartiger Erkrankungen auf. Die Therapie reicht von konservativen
bis hin zu chirurgischen Eingriffen, die nach wie vor willkürlich und abhängig von der Präferenz und der
Expertise des jeweiligen Chirurgen angewandt werden. Das Ziel dieses Konsensusberichtes war es daher,
anhand der Literatur eine stadiengerechte Therapie des Hämorrhoidalleidens zu definieren und evidenz-basierte
Empfehlungen der Fachgesellschaft für die klinische Routine abzuleiten. Die gängigsten Methoden werden unter
Berücksichtigung des Hämorrhoidalleidens in speziellen Situationen wie der Schwangerschaft oder chronisch
entzündlicher
Darmerkrankungen
sowie
dem
rezidivierenden
Hämorrhoidalleiden
diskutiert.
Die
maßgeschneiderte Hämorrhoidenbehandlung ist für den individuellen Fall wünschenswert gerade in Hinblick auf
die Unzulänglichkeiten der traditionellen Goligher Klassifikation bei der Unterscheidung zwischen solitärem
oder zirkulärem Hämorrhoidalprolaps.
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Einleitung
Epidemiologie, Definition und Anatomie
Das Hämorrhoidalleiden gehört zu den häufigsten gutartigen Erkrankungen des Enddarmbereiches und
wahrscheinlich des gesamten Gastrointestinaltraktes überhaupt. Die Inzidenz des Hämorrhoidalleidens liegt bei
etwa 4% der Gesamtbevölkerung [1, 2]. Daraus folgen pro Jahr 1% Arztbesuche und 0,05%
Hämorrhoidektomien [3, 4].
Unter Hämorrhoiden versteht man pathologisch vergrößerte Gefäßkissen in der anorektalen Übergangszone
(Transitionszone) über der Linea dentata (Abb. 1). Diese bestehen aus dilatierten Gefäßen, dem glatten M.
canalis ani (Treitz’ Muskel) [5] und elastischen Bindegewebsfasern. Nach Stelzner handelt es sich um einen
funktionell wichtige Komponente des Enddarmes (Corpus cavernosum recti=CCR) [6], „arterio-venöse
Anastomosen“, die als Schwellkörper den Analkanal für Gas abdichten. Das CCR wird vorwiegend aus Endästen
der Arteria rectalis superior gespeist (Abb. 1). Ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten der
Endäste der A. rectalis sperior bei 3, 7 und 11 Uhr in Steinschnittlage und der Lokalisation vergrösserter
Hämorrhoidalknoten konnte mittlerweile mehrfach widerlegt werden [7, 8].
Pathophysiologie und Symptomatik
Von Hämorrhoidalleiden wird individuell verschieden erst bei Auftreten von Beschwerden durch Vergrößerung
und Prolaps der Hämorrhoidalzone gesprochen.
Die Ursachen des Hämorrhoidalleidens sind multifaktoriell und großteils nicht evidenzbasiert (Tabelle 1). Drei
Theorien werden in der Literatur kontroversiell diskutiert [8, 9]:
1. Die Hyperplasie des CCR beruht auf einer venösen Abflussbehinderung aufgrund des initial pathologisch
erhöhten Sphinkterruhetonus, einerseits, und aufgrund des Prolaps der Hämorrhoidalzone in den Analkanal,
andererseits. Morphologische Studien belegten ein subepithelial gelegenes dichtes Netzwerk an dilatierten
Gefässen, welche den Zu- und Abfluss des CCR über glattmuskuläre Sphinktereinrichtungen regulieren [10-12].
2. Die Varizentheorie wird heute in Frage gestellt, da Patienten mit portaler Hypertension keine erhöhte Inzidenz
des Hämorrhoidalleiden haben [8].
3. Die Analprolapstheorie ergänzt erstere, da es bei erhöhtem intraabdominellen Druck, z.B. während der
Schwangerschaft oder beim zu festen Pressen beim Stuhlgang (z.B. bei Obstipation) zur Dehnung und
Schädigung der submukösen glatten Muskelfasern und zu einem Prolaps der Hämorrhoidalzone mit dadurch
eingeschränkter Drainage des CCR kommt.
Die klassischen Symptome des Hämorrhoidalleidens sind:
Blutung, Prolaps, Juckreiz, Brennen, Nässen, Stuhlschmieren und seltener Schmerzen. Zur Beurteilung der
Symptome muss in jedem Fall beim Anamnesegespräch auf den individuellen Leidensdruck des Betroffenen
Rücksicht genommen werden.
Stadieneinteilung
Die Stadieneinteilung ist oft modifiziert und damit insgesamt nicht evidenzbasiert. Besonders Lagerung bzw.
Relaxierung des Patienten bei der Untersuchung (Steinschnitt-, Knie-Ellenbogen-, Seitenlagerung) ebenso wie
Beschwerden werden in der gängigen Klassifikation nach Goligher nicht berücksichtigt [21]. Diese unterscheidet
vier Grade:
I° Hämorrhoiden prolabieren nicht, sind nur proktoskopisch sichtbar.
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II° Hämorrhoiden prolabieren beim Pressen, ziehen sich jedoch nach der Defäkation spontan zurück.
III° Hämorrhoiden prolabieren ebenfalls, müssen jedoch digital reponiert werden.
IV° Hämorrhoiden sind irreponibel.
Die Klassifikation nach Müller-Lobeck berücksichtigt zusätzlich oben genannte Symptome sowie im vierten
Stadium akut thrombosierte (IVa) oder chronisch fibrosierte (IVb) Hämorrhoiden [3]
Diagnostik
Auch beim Hämorrhoidalleiden sollte die Diagnostik standardisiert ablaufen und bedarf einer entsprechenden
proktologischen Erfahrung. Daher kann die Diagnostik durch andere Fachgebiete von der Konsensusgruppe
nicht als akzeptabel angesehen werden. Inhalt der Diagnostik sollten ein strukturiertes Anamnesegespräch und
nachfolgend die klinische und instrumentelle Untersuchung sein. Es hat sich aus Dokumentationsgründen als
vorteilhaft erwiesen, für die erhobene Anamnese bzw. die klinische und instrumentelle Untersuchung ein
vorgefertigtes Formblatt zu verwenden.
Am Beginn des Anamnesegespräches sollte zunächst der Grund der Konsultation abgefragt werden, wobei vor
allem unbeeinflusst auf das subjektive Beschwerdebild des Patienten geachtet werden sollte. Danach werden
vom Untersucher auch die noch nicht erwähnten Symptome abgefragt wie Schmerzen, ein Dyskomfort im
Rahmen des Stuhlganges, der Juckreiz, das Auftreten bzw. die Art und das Ausmaß von Blutungen, das Nässen
im Sinne diskreter Schleimabgänge sowie das Auftreten und Ausmaß eines Prolapses (bei Hämorrhoiden
entsprechend der Einteilung nach Goligher).
Jedenfalls
sollte
die
Anamnese
auch
nach
Hinweisen
auf
Inkontinenzepisoden
(Stuhlschmieren,
Dranginkontinenz) fahnden und die Dauer, Compliance und Effektivität eventueller Vorbehandlungen abfragen.
Die klinische Untersuchung ist in Linksseiten-, Knie-Ellbogen- oder Steinschnittlage möglich. Sie umfasst
zunächst die Inspektion des Anus, die eventuell auch bereits kombiniert mit der Palpation pralle Schwellungen
(DD: perianale Thrombose), ödematöse Schwellungen (akut entzündeter Hämorrhoidalknoten), blande oder
entzündete Marisken, oder ein perianales Ekzem (durch Nässen) feststellen lässt. Nach Eincremen des Anus mit
einem Gleitgel oder Vaseline wird die rektal-digitale Untersuchung angeschlossen und zunächst die perianale
Region palpiert, um eventuelle Nebenbefunde wie Fisteln oder Abszesse zu ertasten. Danach werden mit dem
Zeigefinger der Analkanal und die unmittelbar suprasphinktäre Region untersucht und auf tastbare
Veränderungen geachtet. Diese können teigig sein (Hämorrhoidalpölster), kugelig oder strangförmig
(Thrombosen) bzw. prall (Prostatahyperplasie). Auf mögliche Nebenbefunde (benigne und maligne polypöse
Tumoren, Rektocelen, Fistelöffnungen) sollte geachtet werden. Durch Pressen können prolabierende
Hämorrhoiden sichtbar gemacht und eine vorliegende Rectocele in ihrem Ausmaß beurteilt werden. Die
Beurteilung des Sphinkterruhe- bzw. -kneifdruckes lässt ein anzusprechendes Inkontinenzproblem vermuten.
Weiters sollte auf Druckschmerzhaftigkeiten geachtet werden. Nach Entfernen des Untersuchungsfingers sollte
auch der Handschuh beurteilt werden bezüglich Blut-, Eiter- oder Stuhlauflagerungen und ev. ein Test auf
okkultes Blut aus den Stuhlverunreinigungen angeschlossen werden.
Die obligate instrumentelle Untersuchung im Rahmen des Hämorrhoidalleidens stellt die Prokto/Rektoskopie
dar, die nach einer Enddarmvorbereitung (Suppositorien oder Einlauf) eine ausgezeichnete makroskopische
Beurteilung des suprasphinktären Bereiches erlaubt. Hierfür stehen sowohl offene Geräte als auch geschlossene
Systeme mit Blasebalg zur Luftinsufflation zur Verfügung.
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Die Koloskopie kommt nur fakultativ im Rahmen der Abklärung von Blutungen, nämlich zum Ausschluß
anderer Blutungsursachen zum Einsatz, ebenso wie die Sphinktermanometrie inkl. Reflextestung im Rahmen der
Abklärung einer Inkontinenz. Andere radiologische Zusatzbefunde (z.B. Irrigoskopie, Defäkografie, MRT) sind
zur Diagnose- und Indikationsstellung beim Hämorrhoidalleiden nicht zielführend und daher entbehrlich.
Konservative Therapie
Präventive Massnahmen gegen Symptome bei bereits bestehenden Hämorrhoiden sollten - unabhängig vom
Grad der Hämorrhoiden - begleitend eingesetzt werden (z.B Stuhlregulierung durch Medikamente,
Nahrungsergänzungsmittel, ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und sportliche
Betätigung, Vermeiden von langem Pressen bei der Defäkation)
Medikamentöse Massnahmen (Suppositorien, Salben, Cremen, Diosmin per os) können die Symptome des
Hämorrhoidalleidens lindern. Bei fehlendem Effekt einer konsequenten, konservativen Therapie und/oder
Leidensdruck ist die Indikation zur Intervention zu stellen.
Je nach Präparat ist die Wirkung adstringierend, antiinflammatorisch, analgetisch oder lokalanästhesierend.
Topische Glucocorticoide sollten, wenn, dann nur kurzfristig gegeben werden, da es bei Daueranwendung zur
Atrophie der Perianalhaut führen kann.
Die Wirkungsweise von Diosmin wird in einer Reduktion von kapillarer Hyperpermeabilität, Entzündung, Ödem
und Schmerz durch Schutz vor den Entzündungsmediatoren gesehen. Dies geht einher mit einer Erhöhung des
venösen Tonus, des Lymphabflusses und des Kapillarwiderstandes [23, 24]. Eine Reihe von prospektivrandomisierten Studien haben einen positiven Effekt für Diosmin hinsichtlich der Studienendpunkte Schmerz,
Blutung und Pruritus ergeben [25-30].
Kommentar: Ein konservativer Therapieversuch ist prinzipiell empfehlenswert, härtere Daten existieren nur für
Diosmin.
Interventionelle Therapie
Viele nichtresezierende minimal-invasive Therapiemodalitäten zur Behandlung des Hämorrhoidalleidens werden
ambulant mit geringer Morbidität durchgeführt. Das Ziel dieser interventionellen Therapien stellt ein Setzen
eines Entzündungsreizes dar, der durch den Heilungsprozess und Narbenbildung zu einer Schrumpfung der
Hämorrhoidalpolster und Fixation der prolabierenden Schleimhaut führt.
Bei den resezierenden Verfahren sind trotz schonender Dissektion, Verzicht auf Sphinkterotomie und möglichst
anatomiegerechter Rekonstruktion des Analkanals bei keiner Methode Probleme wie Komplikationen, fehlende
Effektivität und Rezidiv ausgeschlossen. Maßgeblich für die seriöse Indikation ist daher nicht nur das
Hämorrhoidenstadium sondern vielmehr der Leidensdruck durch die Symptome. Immer nachdrücklich
aufzuklären ist über die unberechenbare Eventualität postoperativer Inkontinenz, die auch permanent sein kann,
insbesondere in der Risikogruppe Frau.
Sklerosierung, Gummibandligatur, Infrarottherapie, Kryotherapie, Lord’s Procedure
Sklerosierungstherapie
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Die Sklerotherapie stellt heute neben der Gummibandligatur nach wie vor die am weitesten verbreitete
Behandlungsmethode des Hämorrhoidalleidens dar. Das Prinzip besteht in einer submukösen Injektion einer
gewebsirritierenden Substanz, die zu einer Fibrosierung und Fixation der Hämorrhoidalzone führen soll. Es gibt
2 Techniken:
Bei der Methode nach Blanchard [31] wird oberhalb der Hämorrhoidalknoten submukös, bei der nach Blond
direkt in diese injiziert, und dies in mehreren Sitzungen. Das Phenolmandelöl sollte wegen bekannter Toxizität,
chinin- und jodhältige Substanzen wegen Allergiegefahr nicht mehr appliziert werden. Als Sklerosierungsmittel
wird Polydocanol (Oberflächenanästhetikum) verwendet. Als Nebenwirkungen der Sklerotherapie wären
Schleimhautulzerationen, Nekrosen und Blutungen zu nennen, die meist durch zu oberflächliche Injektionen,
aber auch durch Injektion von zu viel Sklerosierungsmittel verursacht werden. Zu tief gesetzte Injektionen in die
Muskularis können ebenfalls zu Schmerzen führen. Schwerwiegendere Nachblutungen gelten insgesamt als sehr
selten (insgesamt bis zu 2%), in bis zu 8% kommt es nach der Behandlung zum Auftreten von leichten
Schmerzen sowie in 2-3 % auch zu Analthrombosen. Die in der Literatur insgesamt angegebenen
Komplikationsraten schwanken zwischen 0,7-6,5% [32]. Beide Sklerosierungsmethoden vergleichend, sollte
aufgrund der geringeren Rezidiv- und auch Komplikationsrate der von Blond angegebenen Technik der Vorzug
gegeben werden.
Kommentar: Die Sklerosierung kann bei I-IIº Hämorrhoiden als Therapiemethode empfohlen werden, wobei die
anfängliche hohe Erfolgsrate zwischen 70-80% einer relativ hohen Rezidivrate nach 3 Jahren von etwa 70%
gegenübersteht. Kontraindiziert ist diese Methode bei hämorrhagischen Diathesen, Morbus Crohn und schweren
entzündlichen Prozessen im Analbereich. Beim HIV-positiven Patienten sollte die Indikation sehr eng gestellt
werden.
Gummibandligatur
1954 von Blaisdell [33] erstmals beschrieben und von Barron weiterentwickelt [34] gilt die Gummibandligatur
heute weltweit als die häufigste angewandte Technik zur Behandlung von I-II° Hämorrhoiden. Durch ein
Proktoskop wird die Schleimhaut oberhalb der Hämorrhoidalpolster gefasst oder angesaugt und ein oder zwei
Gummibänder platziert. Der abgebundene Knoten fällt nach 5-8 Tagen ab und hinterlässt ein „therapeutisches“
Ulcus, dessen Narbe die Mukosa fixiert. Die Injektion von Polydokanol in den ligierten Schleimhautknoten kann
ein frühzeitiges Abrutschen des Gummiringes verhindern. Wir empfehlen, in ein und derselben Sitzung nicht
mehr als 3 Gummibänder (in gebührendem Abstand voneinander) zu setzen, da mit steigender Anzahl von
Ligaturen pro Behandlung Schmerz- und Komplikationsrate zunehmen [35]. Die zeitlichen Intervalle zwischen
den einzelnen Gummibandligatursitzungen sollten etwa 3-4 Wochen betragen, um das Abheilen des
zurückbleibenden Schleimhautulcus zu ermöglichen.
Die perioperativen Komplikationen betreffen hauptsächlich Blutungen und Schmerzen. In der Literatur werden
dazu Raten von 0,6%-12,5% (Blutungen) und 0,6% bis 50% (Schmerzen) angegeben, wobei über Tenesmen in
11%-18,8% der Fälle berichtet wird [36]. Wie bei anderen proktologischen Eingriffen wird der Harnverhalt mit
0,54%-4,3% angegeben, die Kombination Harnverhalt mit Fieber als Konsequenz einer Infektion mit 0,54%0,6%. Blutungen, die jedoch meist nur geringgradig ausfallen und nur selten (unter 1%) nach Abstoßung der
Nekroseschicht im Bereich des Schleimhautulcus auch zu schwerwiegenderen interventionspflichtigen
Blutungen führen, können bis vier Wochen nach der Behandlung auftreten. Allergische Reaktionen auf
latexhältige Gummiringe können auftreten.
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Todesfälle sind nur in Form von Fallberichten beschrieben und betreffen eine Blutung und 6 Fälle von Sepsis.
Leichtere Verläufe von lokalen Infektionen (Abszesse) werden mit 0,2%-1,4% angegeben.
Die
Erfolgsraten
liegen
nach
5
Jahren
zwischen
70-80%
[36-39].
Symptomfreiheit
im
kurzen
Beobachtungseitraum wird mit 72,4%-97% angegeben, die Langzeiteffektivität bei einer Nachbeobachtung von
12-60 Monaten mit 31%-98%.
Eine Metaanalyse randomisierter Studien [32] beschäftigt sich mit dem Vergleich der Gummibandligatur mit
Sklerotherpie und Hämorrhoidektomie, die zwar weniger Komplikationen und geringere Schmerzen bei
Gummibandligatur
und
Sklerotherapie
ergab,
allerdings
bessere
funktionelle
Ergebnisse
nach
Hämorrhoidektomie.
Kommentar: Die Gummibandligatur stellt eine sichere und schmerzarme Technik mit guten Erfolgen dar, die vor
allem bei I-IIº Hämorrhoiden nach Versagen einer konservativen Therapie angewendet werden sollte. Bei
immungeschwächten Patienten ist die Indikation aufgrund der Infektgefahr strenger zu stellen. Als
Kontraindikation gelten Morbus Crohn wegen des Risikos der Fistelentstehung und hämorrhagische Diathesen.
Kryotherapie und Infrarotkoagulation
Durch die lokale Applikation von Hitze mittels Infrarotstrahlen bzw. durch die lokale Kälteanwendung mit
flüssigem Stickstoff kommt es zur lokalen submukösen Koagulation und Nekrose mit entsprechender
Entzündungsreaktion und konsekutiver Fixierung der Schleimhaut am Untergrund. Im Rahmen der Kryotherapie
zeigten sich jedoch vor allem aufgrund der schwer steuerbaren Dosierung der Energie häufig tiefergehende
Schleimhautnekrosen, so dass heute von einer Kryotherapie eher Abstand zu nehmen ist. Auch die 1978 von
Kiefhaber und Moritz eingesetzte Infrarotkoagulation hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung
verloren und wird heute nur mehr von wenigen Proktologen in der Behandlung von blutendem
Hämorrhoidalleiden eingesetzt. Durch die Applikation der Infrarotstrahlen wird eine Temperatur von ca. 100°C
an der Oberfläche erreicht, die in etwa 3 mm Tiefe auf 60°C abkühlt. Während einer Therapiesitzung werden
zumeist an 4 Stellen oberhalb der Hämorrhoidalzone kleine Nekrosen gesetzt. Auch für die Infrarotkoagulation
gelten höhere Rezidivraten im Vergleich zur Gummibandligatur, wobei Langzeitergebnisse fehlen. Ein Vorteil
der Infrarotkoagulation besteht in einer fast vollständigen Schmerzfreiheit postinterventionell [39].
Kommentar: Die Kryotherapie ist obsolet, die Infrarotkoagulation vertretbar.
Hemorrhoidal Laser Procedure (HeLP)
Bei dieser Methode handelt es sich um eine durch Laser verursachte Hämorrhoidenzerstörung. Die Datenlage
hierzu ist bisher zu knapp, um eine Therapieempfehlung abgeben zu können [40, 41].
Lord’s procedure
Die manuelle anale Dilatation nach Lord ist heute aufgrund der im Verlauf auftretenden hohen Kurzzeit (8-15%)
und Langzeitinkontinenzraten (52%) in Relation zu den nur mäßigen Erfolgsaussichten (70-76%) und hohen
Rezidivraten (39-43%) als obsolet anzusehen [42-45].
Ligaturbasierte Verfahren
Erstmals wurde 1995 von Morinaga [46] eine ultraschallgezielte Ligatur der Hämorrhoidalarterien beschrieben.
Die beim Prolaps zusätzlich durchgeführte Schleimhautraffung des Anorektums ist in Ansätzen bereits 1978 [47]
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von Farag unter „Pile sutures“ und detailliert 2001 von Hussein [48] als „Ligation-anopexy“ sowie von
Pachmayr [persönliche Mitteilung] beschrieben. Mittlerweile sind geringe Modifikationen der Technik bzw.
Daten mit Ultraschall-Geräten verschiedener Anbieter publiziert, jedoch handelt es sich prinzipiell um idente
Verfahren. Um Firmennamen zu vermeiden, werden hier die neutralen Begriffe der „operativen
Hämorrhoidalarterienunterbindung mit oder ohne Schleimhautraffung“ verwendet.
Im Rahmen der Hämorrhoidalarterienunterbindung wird mittels einer an der Spitze eines teilweise offenen
Anoskops platzierten Ultraschallsonde das Flusssignal eines Hämorrhoidalarterienastes detektiert. Mit einer
resorbierbaren Achterschlingennaht wird die in das Anoskop prolabierende Mukosa und auch submukös
liegende Arterien umstochen. Es sind dabei bis zu neun Umstechungen notwendig [49]. Im Rahmen der
Schleimhautraffung wird durch eben dieses fenestrierte Anoskop eine spiralig ausgeführte, longitudinale Naht
des prolabierenden Hämorrhoidalkörpers angelegt, der durch das Knüpfen dann nach oral repositioniert wird. Je
nach Produkt kann das Fenster durch Drehen des Handgriffs oder Längsverschieben des Fenstereinsatzes
vergrößert werden. Erfahrungsgemäß sind meist 3-4 Schleimhautraffungen notwendig.
Wie in den ersten größeren klinischen Publikationen von Scheyer 2006 [50] oder Dal Monte [51] beschrieben,
kann sowohl die Hämorrhoidalarterienunterbindung als auch deren Kombination mit Schleimhautraffung als
sichere und komplikationsarme Methode angesehen werden. Mittlerweile wurden diese Daten in kleineren
Anwendungsbeobachtungen mehrfach bestätigt. Der Vorteil des minimal invasiven Ansatzes mit ambulantem
oder kurzem stationärem Aufenthalt, geringer Schmerzbelastung und sporadischen Komplikationen wird
ausschließlich in einer einzigen randomisierten Studie signifikant nachgewiesen [52]. Komplikationen in den
publizierten Studien waren Blutungen, sowohl intra- als auch postoperativ (0-4,8%), perianale Thrombosen
(1,5%-8,2%), Harnverhalt (0-1,3%) und Fissuren (0,6-1,3%). Über schwere Komplikationen oder Todesfälle gibt
es in der Literatur bisher keine Berichte. Betreffend Schmerzbelastung kann aufgrund der kaum vergleichbaren
Schmerzbeurteilung bzw. –therapie in den verschiedenen Studien keine eindeutige Aussage getroffen werden.
Der stationäre Aufenthalt bewegte sich in allen Studien im Bereich von 1-2 Tagen.
Die Kurzzeitergebnisse (bis 3 Monate) für die alleinige Hämorrhoidalarterienunterbindung zeigen eine hohe
Patientenzufriedenheit bei IIº und IIIº Hämorrhoiden. Langzeitergebnisse (12-48 Monate), betreffend Symptomund Prolapsfreiheit, sind in knapp 90% zufriedenstellend, wenngleich doch bei etwa 20% der Patienten
zusätzliche Therapiemaßnahmen (konservativ oder minimal-chirurgisch) angewendet werden mussten. Die
Notwendigkeit einer nachfolgenden konventionellen Hämorrhoidektomie dürfte aber gering sein.
Die zusätzliche Schleimhautraffung dürfte - ersten Berichten zufolge [49, 51, 53-55] – eine Verbesserung der
Ergebnisse bei höhergradigen Hämorrhoiden erzielen.
Kommentar: Die ultraschallgezielte Hämorrhoidalarterienunterbindung gilt als minimal invasive Technik bei IIº
und IIIº Hämorrhoiden. Das Problem der alleinigen Hämorrhoidalarterienunterbindung scheint jedoch der
Residual-Prolaps zu sein, der ohne Schleimhautraffung nicht suffizient behandelt ist [50]. Der Stellenwert dieser
zusätzlichen Schleimhautraffung ist trotz erster vielversprechender Ergebnisse mit der derzeitigen Datenlage
noch nicht ausreichend überprüft.
Staplerhämorrhoidopexie (SH)
Die Verwendung eines Zirkularstaplers zur Hämorrhoidektomie wurde erstmals 1981 von Koblandin
beschrieben [56]. 1991 hat Kusobenko über die Ergebnisse mit dieser Methode an 62 Patienten in einer Arbeit
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berichtet [57]. Longo hat ab 1993 die Methode modifiziert und erstmals 1998 Erfahrungen an 144 Patienten auf
dem 6. Weltkongreß für Endoscopic Surgery in Rom berichtet [58].
Die Hauptwirkung des Verfahrens liegt in einer Reposition und Fixierung der Hämorrhoiden mit Verbesserung
des venösen Abflusses und Abschwellen der CCR.
Eine Indikation für die SH ist bei reponierbaren Hämorrhoiden gegeben [59-62]. Als Kontraindikation sind IVº
Hämorrhoiden mit fixiertem, nicht reponiblem Prolaps [62], chronisch entzündliche Darmerkrankungen und
anale Inkontinenz zu werten. Marisken und Analpapillen werden durch das Verfahren nicht beseitigt.
Die Operation wird nach Vorbereitung durch Enddarmentleerung in Allgemein- oder Regionalanästhesie in
Steinschnittlage oder Jackknife–Position durchgeführt [58, 61, 63]. Ein Blasenkatheter während der Operation
kann postoperative Harnentleerungsstörungen reduzieren, eine Antibiotikaprophylaxe ist optional. Die
Tabaksbeutelnaht mit 2/0 Prolene wird 3,5-4 cm oberhalb der Linea dentata zirkulär ohne Brücken unter
Mitfassung der Submukosa gesetzt, sodass die Klammernahtreihe mindestens 1,5 cm über der Linea dentata zu
liegen kommt. Eine Vollwandresektion durch zu tiefes Stechen und Resektion des Anoderms ist zu vermeiden.
Vor Approximierung des Staplers ist die Position der Schleimhaut, des Anoderms und des Sphinkter internus
digital zu überprüfen. Bei Frauen ist die vaginale Austastung zur Vermeidung einer Einbeziehung der
Vaginalhinterwand in die Staplernaht vor Abfeuern des Gerätes obligatorisch.
Die minutiöse Blutstillung an der Staplernaht ist essentiell ebenso wie die Früherkennung von Blutungen z.B.
mittels
in
den
Analkanal eingelegten
Tupfern. Zur
Qualitätskontrolle
dient die
Inspektion
des
Schleimhautresektates und die Beurteilung der Vollständigkeit der Resektion. Die histologische Untersuchung
ist obligatorisch.
Zwei Metaanalysen haben 25 bzw. 29 publizierte randomisierte und kontrollierte Studien beurteilt, welche die
SH mit konventioneller Hämorhoidektomie verglichen haben (1918 bzw. 2056 Operationen; follow-up 1- 62
Monate) [59-60].
Beide Metaanalysen ergaben für die SH kürzere Operationszeit, frühere Wiederherstellung der Darmfunktion,
kürzeren Krankenhausaufenthalt, weniger postoperative Schmerzen in Ruhe und bei Defäkation, geringerer
Schmerzmittelverbrauch, eine schnellere Rekonvaleszenz und signifikant höhere Zufriedenheit mit der
Operation als bei konventioneller Hämorrhoidektomie. Obwohl die Rezidivrate nach SH nach einem Jahr und
mehr grösser war, ist die Gesamtinzidenz von Rezidivhämorrhoidalbeschwerden ähnlich wie bei den
resezierenden Verfahren. Die Gesamtkomplikationsrate unterschied sich nicht,
die SH hatte weniger
postoperative Blutungen, Wundkomplikationen, Obstipation und Juckreiz. Die Gesamtnotwendigkeit von
chirurgischen oder nichtchiurgischen Interventionen war nach beiden Verfahren gleich.
Die Autoren kommen daher zum Schluß, daß die SH eine sichere Methode mit vielen frühpostoperativen
Vorteilen ist und die Langzeitergebnisse vergleichbar zu konventionellen Verfahren sind [59, 60].
Die in den ersten Jahren nach SH aufgetretenen, teils schweren Komplikationen (Verbluten, retroperitoneale
Sepsis, fatale Fistelbildungen und Anastomosendehiszenzen) [64-67] sind wohl auf Anwendungsfehler
zurückzuführen.
Die Metaanalysen listen eine große Anzahl von berichteten Komplikationen auf [59, 60]. Im Vergleich zu den
Resektionsverfahren sind die Komplikationen nach SH gleich häufig. Das Management der Komplikationen
erfordert teilweise konservative, teils jedoch operative Massnahmen, die bei Rektumperforationen,
Rektovaginalfisteln u.ä. bis zur Anlage eines Deviationsstomas führen können [67].
Ein Vorteil der Technik besteht ausserdem in der Behandlung eines zirkulären Rektummukosaprolapses.
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In der vorliegenden Cochrane-Analyse [68] sind die Ergebnisse nach SH im Vergleich zur Hämorrhoidektomie
nach Milligan-Morgan auf Evidenz-Level 1 bestätigt: Vorteile zugunsten der SH liegen im früh-postoperativen
Verlauf. Im Langzeitverlauf zeigten sich bezüglich Symptomfreiheit, Rezidivprolaps und Reoperation
signifikant bessere Ergebnisse für konventionelle Operationsverfahren [62]. Die Methode hat Vorteile in der
Frühphase durch geringere postoperative Schmerzen, raschere Wundheilung und kürzere Rekonvaleszenz mit
tendenziell schlechteren Ergebnissen bezüglich imperativem Stuhldrang und Rezidivrate [59, 60, 68] im
Langzeitverlauf gegenüber den konventionellen Operationsverfahren.
Kommentar: Die SH kann als Therapie des Hämorrhoidalleidens bei reponierbaren Hämorrhoiden und
zirkulärem Mukosaprolaps empfohlen werden. Einer der möglichen Komplikationen, der postoperativ
auftretenden Veränderung des Stuhlverhaltens wie dem imperativen Stuhldrang wird in der Literatur zu wenig
Bedeutung zugeschrieben [66].
Resektionsverfahren (Milligan Morgan, Parks, Ferguson, Fansler-Arnold, MISSH)
Mit diesen Verfahren wird das überschüssige Hämorrhoidalgewebe reseziert, in der Regel mit Ligatur der
zuführenden Gefäße. Sie sind ausschließlich für IIIº und IVº Hämorrhoiden geeignet.
Die gründlichste Operation wäre die zirkumferentielle Entfernung aller Hämorrhoiden nach Whitehead.
Wiewohl in den Händen von Whitehead selbst anscheinend erfolgreich, ist die Methode aufgrund der häufigen
postoperativen Analstenose und der Zerstörung der Sensibilität obsolet [69].
Weniger komplikationsbehaftet sind alle in der Folge entwickelten resezierenden Verfahren, die unter Belassung
von Schleimhautbrücken die prolabierten Sektoren des Haemorrhoidalplexus entfernen.
Die Operation nach Langenbeck wurde aufgrund der fehlenden gezielten Ligatur von Gefäßstielen und somit
dem Risiko von unmittelbar postoperativen Blutungen und von hoher Rezidivneigung verlassen.
Für
den
fixierten
zirkulären
Haemorrhoidalprolaps
wurde
von
Fansler-Arnold
die
rekonstruktive
Hämorrhoidektomie entwickelt [62], bei der drei bis vier Schleimhautlappen von innen nach außen abpräpariert
werden. Nach Entfernung des Haemorrhoidalplexus wird die Schleimhaut semizirkulär oder zirkulär wieder mit
Nähten fixiert. Diese vollständige plastische Rekonstruktion des Analkanals resultiert in einer Komplikationsrate
von 20% [62]. Die vielzitierte Methode von Fansler-Arnold lässt paradoxerweise kein Literaturzitat einer
Publikation der Protagonisten selbst finden. Nach Herold ist die Komplikationsrate mit 20% sehr hoch [62].
Auch scheint die Mucosadissektion von innen nach außen in dem beengten Operationsgebiet unverhältnismäßig
kompliziert.
Technische Gemeinsamkeiten
Es kann in Steinschnitt- oder Jack-Knife-Lage operiert werden. Die Verwendung von Specula (nach Parks,
Ferguson, Vaginalspatel, breite Langenbeckhaken, o.ä.) für Präparation und Rekonstruktion oder Raffung der
Schleimhaut vermittelt ein übersichtlicheres Operationsgebiet. Das Prinzip der Excision von Mariske, Anoderm
und Haemorrhoidalplexus von außen nach innen (Ausnahme: Fansler-Arnold) mit gleichzeitiger Gefäßligatur ist
bei den gegenwärtig gebräuchlichen konventionellen Operationen, benannt nach ihren Protagonisten, mehr oder
minder identisch. Die wesentlichen Unterschiede finden sich in der Beendigung der Operation, wobei
Rekonstruktionen oder Raffungen immer mit resorbierbarem Material (Einzelknopf oder fortlaufend)
durchgeführt werden. Nähte im Anodermbereich können für postoperative Schmerzen verantwortlich sein. Die
Versorgung des Gefäßstiels erfolgt mit Umstechung oder Versiegelung [70].
ACP Konsensusbericht
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Eine Unterspritzung des Anoderm und Rektummucosa mit physiologischer Kochsalzlösung mit oder ohne
Zusatz (Vasokonstringentien, Lokalanästhetika) vor der Exzisionsphase ist fakultativ, hilfreich zur
Schichtfindung und gewebsschonend.
Der innere Schliessmuskel wird vollständig geschont, eine zusätzliche innere Sphinkterotomie und exzessive
Sphinkterdehnung sollte wegen des Inkontinenzrisikos unterbleiben.
Alle Exzisate müssen zur histologischen Untersuchung eingesendet werden und zwar immer in getrennten
Gefäßen unter genauer Angabe der Entnahmestelle im proktologischen Ziffernblatt. Denn selten kann in einem
makroskopisch unverdächtigen Präparat eine Neoplasie als Zufallsbefund entdeckt werden (z.B. AIN,
Melanom), welche der korrekten topographischen Zuordnung bedarf - für Nachexzisionen, falls unvollständig
entfernt, wie auch für die minutiöse Inspektion in der Nachsorge.
Operation nach Milligan-Morgan, MM [71]
Die Knoten werden in der Originalmethode bei geschlossenem Analkanal an den Marisken angeklemmt, radiär
nach außen gezogen (daher: "Dreizipfelmethode"), umschnitten, abpräpariert und nach Versorgung des
Gefäßstiels reseziert. Die Excisionswunden bleiben offen und heilen während der folgenden Wochen in der
Regel mit zarten Narben.
Vorteil ist die geringe Rezidivrate im Langzeitverlauf [60, 68]. Nachteile sind postoperative Schmerzen (häufig)
und narbige Stenosen, möglicherweise nach zu großzügiger Excision (selten). Folglich war es in der weiteren
chirurgischen Entwicklung naheliegend, die Resektion mit einer Rekonstruktion des Analkanals zu kombinieren.
Submuköse Haemorrhoidektomie nach Sir Alan G. Parks [72]
Der Analkanal wird mit dem Parks-Spekulum oder anderen Spateln und Spreizern schonend offen gehalten.
Dadurch ist Übersichtlichkeit bis in das untere Rektum gegeben und der untere Rand des inneren
Schliessmuskels durch Palpation excellent zu identifizieren. Im Original wird eine rautenförmige Excision von
Mariske und Anoderm mit einer Y-förmigen Incision nach cranial bis in die untere Rektumschleimhaut
verbunden. Nach Excision der Haemorrhoide und Gefäßligatur werden Schleimhaut und Anoderm im oberen
Teil der Wunde Y-förmig vernäht. Der untere Teil der Wunde bleibt offen und heilt wie nach MM
(angloamerikanisch: „semiclosed" hemorrhoidectomy).
Vorteil der Methode ist die anatomisch exakte Rekonstruktion des anorektalen Übergangs.
Nachteile sind die technisch aufwendige Rekonstruktion und der Schmerz bei den ersten Defäkationen wie bei
MM.
Submuköse Haemorrhoidektomie nach Ferguson [73]
Ähnlich wie bei der submucösen Hämorrhoidektomie nach Parks erfolgen Excision und Naht unter Verwendung
des halbzylindrischen Speculums nach Ferguson. Die Excisionswunde wird vollständig geschlossen
(angloamerikanisch: „closed" hemorrhoidectomy).
Vorteile sind die Rekonstruktion des Analkanals und die fehlende postoperative Sekretion.
Nachteile sind das, wenn auch geringe Risiko einer Abszessbildung in der geschlossenen Wunde [74] und
eventuell Schmerzen von den Nähten im Hautbereich.
Minimal Invasive Subanodermale Submuköse Hämorrhoidoplastie mit supraanalem Lifting (MISSH) [75]
ACP Konsensusbericht
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Bei der „minimal invasiven subanodermalen submukösen Haemorrhoidektomie“ wird nach präliminärer
Gefäßligatur der Haemorrhoidalplexus durch eine kleine Incision am Analrand zunächst mit der Schere von den
umgebenden Strukturen disseziert. In der Folge wird das Hämorrhoidalgewebe mit einem Synovialshaver
subtotal reseziert, d.h. abgesaugt. Zuletzt wird die erhaltene Mucosa im Excisionsbereich mit vertikal
gestochenen Nähten nach cranial gerafft – all dies unter Verwendung eines Speculums. In den vom
Protagonisten operierten 614 Fällen [75] waren postoperative Schmerzen kurzfristig und gering,
Kontinenzstörungen minimal (2%) und passager. Es gab keine schweren Komplikationen, 99% der Patienten
waren zufrieden.
Vorteile sind die geringen Schmerzen und das Fehlen von dauerhaften Kontinenzstörungen.
Nachteile sind die Langzeitrezidivrate von 4.9% und Kosten für den Shaver.
Zusammenfassung zu Resektionsverfahren: Weder vorhersehbar noch vermeidbar sind die mit 1-3% als
sporadisch zu erachtenden Komplikationen Nachblutung, Stenose, Fissur, Abszess und Fistel [74] sowie die
häufigere Harnretention in bis zu 21% der Fälle [68].
Die Rezidivrate der konventionellen Haemorrhoidektomien beträgt maximal 1.5% [74], für die MISSH wird sie
nach 0.5 bis 8 Jahren mit 4.9% angegeben [75]. Kontinenzstörungen sind nach MM, Parks, Ferguson etwa gleich
häufig in maximal 5% [74]. Nach MISSH sind sie minimal (2%) und immer passager, nach Fansler-Arnold
unbekannt. Die fäkale Inkontinenz mit 5% ohnehin niedrig! Die größte Bandbreite hat das Kriterium „Schmerz“:
Dieser wird als stark empfunden in 5% nach einer durch fakultative Nähte modifizierten Operation nach MM bis
zu 41% nach submucöser Hämorrhoidektomie [74]. Gemessen am Analgetikaverbrauch sind Schmerzen in bis
zu 75% der Fälle nach konventioneller Hämorrhoidektomie vorhanden [74]. Nach MISSH sind sie deutlich
geringer und von höchstens zwei Tagen Dauer [75].
Perioperatives Management:
Perioperativ obligat ist nur die Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin. Fakultativ sind
Enddarmreinigung (präoperativ), Harnkatheter, Antibiotika, Analgetika, Stuhlregulierung, Analtamponade oder
topische Anwendungen (Salben, Sitzbäder).
Entlassungsmanagement und postoperative Kontrollen sind individuell anzupassen.
Kommentar: Die derzeit gebräuchlichen Formen der konventionellen Haemorrhoidektomie scheinen angesichts
der Datenlage weitgehend äquivalente Ergebnisse zu haben.
Von diesen Operationen sind die Hämorrhoidektomie nach MM, Parks und Ferguson eher zu favorisieren als die
MISSH; die Methode nach Fansler-Arnold ist zu komplikationsbehaftet.
Eine „maßgeschneiderte Hämorrhoidektomie“ (tailored haemorrhoidectomy) ist in Fällen anzustreben, wo
gerade die klassische Einteilung nach Goligher das Zustandsbild nicht exakt widerspiegelt (z.B. beim solitären
drittgradigen Hämorrhoidalprolaps). Wann immer vertretbar, sollte die solitäre Hämorrhoidektomie zur
Anwendung kommen, die sich ausgezeichnet mit den ligaturbasierten Verfahren kombinieren lässt. Die faekale
Inkontinenz nach Hämorrhoidektomie ist eine in vielen Fällen vermeidbare Komplikation, wenn alleine die
Indikation bei Patientinnen mit praeexistentem Sphinkterschaden nach Geburten besonders zurückhaltend
gestellt wird.
ACP Konsensusbericht
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Komplikationsmanagement
Komplikationen nach einer Hämorrhoidentherapie werden abhängig von Definition und Verfahren in sehr
unterschiedlicher
Häufigkeit
beobachtet
[68,
77-79].
Während
die
einzelnen
therapiespezifischen
Komplikationen in den jeweiligen Kapiteln abgehandelt werden, ist es das Ziel dieses Kapitels mögliche
Behandlungsvorschläge bei eingetretener Komplikation zu beschreiben.
Schmerz
Schmerz (bei mehreren Verfahren eine bekannte kurzfristige Folge) gilt als Komplikation, wenn er
außergewöhnlich heftig oder langdauernd ist oder nach einem schmerzfreien Intervall auftritt. Resezierende
Verfahren, die das sensible Anoderm tangieren, sind signifikant häufiger verbunden mit Schmerzen als nichtresezierende Therapieverfahren [68].
Starke Schmerzen unmittelbar nach Gummibandligatur weisen auf eine Miteinbeziehung des Anoderms hin und
müssen durch eine sofortige Entfernung des Gummibandes therapiert werden [76]. Bei ungewöhnlich intensiven,
therapierefraktären Schmerzen nach nicht-resezierenden Verfahren ist so früh wie möglich eine
Narkoseuntersuchung zum Ausschluss einer analen Sepsis indiziert.
Langdauernde Schmerzen nach Hämorrhoidenoperationen sind selten, nach Staplerhämorrhoidopexie kann eine
Entfernung der Klammern („Agraffektomie“) zu einer Heilung oder Besserung führen [76].
Möglichkeiten der Prophylaxe und Behandlung der Schmerzen sind
•
Warme Sitzbäder: Obwohl von vielen empfohlen, gibt es keine gesicherten Daten.
•
Antibiotika: Eine orale oder topische Verabreichung von Metronidazol lindert den Schmerz nach
offener Hämorrhoidektomie signifikant [79-81], nicht jedoch nach geschlossener Hämorrhoidektomie
[82-83].
•
Lokalanästhetika: Die intraoperative Anwendung von Lokalanästhetika kann als Infiltration,
Pudendusblock oder in topischer Anwendung den Schmerz reduzieren [84-86].
•
Opiate: Bei schwersten Schmerzen können Opiate in den verschiedenen Darreichungsformen gegeben
werden.
•
NSAR: Die Gabe nichtsteroidaler Antirheumatika zur Schmerzbehandlung ist weit verbreitet. Gute
evidenzbasierte Studien fehlen jedoch.
•
Muskelrelaxantien: Deren lokale Anwendung als Creme zur Drucksenkung des Sphinkterapparates oder
Injektion (wie z.B. von Botulinum-Toxin) ist häufig erfolgreich [87-91].
•
Andere Medikamente: Diosmin [92] und/oder Sucralfat lokal können postoperative Schmerzen lindern
[93].
Akute Nachblutung
Sie definiert sich als postoperative Blutung innerhalb von 48 Stunden nach der Operation und bedarf in 0.8% 1.3% einer frühen operativen Revision [94]. Bei der SH sollten prophylaktisch Blutungen an der Klammernaht
umstochen werden, da es sonst in bis zu 35% der Fälle [95] zu revisionsbedürftigen Nachblutungen kommen
kann.
Späte Nachblutung
Sie tritt meistens zwischen dem 7. und 21. Tag mit einer Häufigkeit von 0.8% - 2.5% auf, besonders gefährdet
sind Patienten, die unter Antikoagulantientherapie stehen [96, 97]. Eine Injektion mit Adrenalin und/oder eine
lokale Kompressionsbehandlung mit Gaze oder Ballonkatheter kann erfolgreich sein. Bei klinisch relevanter
Nachblutung ist einer frühzeitigen chirurgischen Blutstillung der Vorzug zu geben.
ACP Konsensusbericht
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Harnverhalten
Das postoperative Harnverhalten in bis zu 50% [98] kann mit Schmerz, Urethral-Sphinkterspasmus,
Spinalanästhesie,
übermäßigem
intravenösen
Flüssigkeitsangebot
während
der
Operation,
analen
Kompressionsverbänden, Opiattherapie und einer vorbestehenden Prostatahypertrophie zusammenhängen [99].
Ein peroperativer Harnkatheter ist geeignet, die Rate an postoperativem Harnverhalten zu vermindern.
Stuhlimpaktion
Diese ist selten, üblicherweise bedingt durch die Kombination aus „hartem Stuhl“, Schmerz und Angst vor der
Defäkation. Ausreichende Schmerztherapie und milde Laxantien können vorbeugend wirken [100], in schweren
Fällen kann eine manuelle Desimpaktion nötig werden
Anale Sepsis
Lokale entzündliche Prozesse treten nach konventioneller Hämorrhoidektomie in weniger als 3% der Fälle auf
[74], nach der SH Operation in bis zu 16% [101]. Für die Behandlung gelten dieselben chirurgischen Prinzipien
wie für kryptoglanduläre Abszesse und Fisteln. Eine lebensbedrohliche Sepsis ist extrem selten, kann schon nach
kleinsten Interventionen im Analbereich auftreten und in bis zu 26% tödlich verlaufen [102]. Bei Verdacht auf
Fournier’sche Gangrän hilft nur die rasche und weite Exzision mit Nekrektomie unter intensivmedizinischer
Betreuung [103, 104].
Analfissur
Eine verzögerte Wundheilung nach einer Hämorrhoidenexzision kann in einer chronischen Analfissur
resultieren, die auf konservative Maßnahmen meist gut anspricht (Lokalanästhesierende Salben kombiniert mit
Suppositorien oder Analdilatator, Sitzbäder, Muskelrelaxantien); selten ist eine Fisssurektomie nötig.
Analstenose
In weniger als 1% kommt es nach einer Hämorrhoidektomie zu einer Analstenose. Ursache ist in 90% der Fälle
eine zu exzessive Resektion des Anoderms [105]. Milde Formen werden mit lokalen Dehnungen, Laxantien und
Faserstoffen behandelt; schwerere Formen können mittels Narbeninzision oder anoplastischen Techniken
therapiert werden [106].
Stuhlinkontinenz
Je nach Definition und Qualität der Nachsorge kommt es in bis zu 28% zur analen Inkontinenz [107]. Mögliche
Ursachen sind:
•
vorübergehende Störung durch Manipulation am Schließmuskelapparat
•
beeinträchtigte Sensorik durch postoperative Schwellung (vorübergehend) oder bleibend (bei zu
ausgedehnter Anodermresektion)
•
Verletzung des inneren Schließmuskels (durch forcierte Analdilatation, zusätzliche Sphinkterotomie
oder als Folge einer unbeabsichtigten Schädigung während der OP) [45, 108]
Bezüglich Therapie der Stuhlinkontinenz verweisen wir auf die einschlägige Literatur.
Marisken und Schleimhautektropium
Postoperative Marisken sind Restzustände nach inadäquater Perianalhautexzision. Nach resezierenden Verfahren
kann es zu einem Schleimhautektropium kommen.
Pruritus ani, „feuchter Anus“ und/oder ein Perianalekzem können als Symptome auftreten. Prinzipiell bedürfen
sie keiner chirurgischen Therapie, außer wenn der Patient eine Lebensqualitätseinschränkung angibt.
Therapie der Wahl ist die Mariskenabtragung und/oder die Resektion der überschüssigen Mukosa bis zur Linea
dentata.
ACP Konsensusbericht
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Hämorrhoidektomie in Spezialsituationen
Akute vs. elektive Hämorrhoidektomie
Selten muss eine Hämorrhoidenoperation als Notfall durchgeführt werden. Neben endoskopisch unstillbarer
Blutung, können besonders inkarzerierte Hämorrhoiden Anlass für eine chirurgische Notfallsintervention sein.
Bei zirkulärem irreponiblem Hämorrhoidalprolaps aber ist die primär konservative Therapie (abschwellende,
schmerzstillende Therapie) mit anschließender frühelektiver chirurgischer Behandlung einer notfallsmässigen
Resektion vorzuziehen, da hierbei eine unübersichtliche und zu grosszügige Resektion von Anoderm nicht
ausgeschlossen werden kann [109].
Mb. Crohn
Eine Kontraindikation für die operative Behandlung von Hämorrhoiden bei Mb. Crohn Patienten besteht nicht.
Prinzipiell ist ein abwartender Zugang zu wählen. Wenn eine Operation durchgeführt werden muss, dann
möglichst im Ruhestadium (inaktive Colitis). Perioperative Antibiotikagabe ist angezeigt.
Immunsupprimierte Patienten
Bei immunsupprimierten Patienten mit Hämorrhoidenbeschwerden sollte sehr zurückhaltend in Bezug auf eine
Operation vorgegangen werden [110]. Antibiotikaschutz ist angezeigt, hämatologische Parameter sollten
präoperativ optimiert werden; mit längeren Wundheilungsstörungen ist zu rechnen.
Postpartale Hämorrhoiden
Postpartale Hämorrhoiden sollten primär konservativ behandelt werden. Nur bei erfolgloser konservativer
Therapie, massiven Beschwerden und thrombosierten Knoten ist eine chirurgische Sanierung indiziert [111113].
Therapie des rezidivierenden Hämorrhoidalleidens
Die Ursachen für eine Rezidivierung des Hämorrhoidalleidens (auch durch Residualknoten) können a) in der
Pathogenese dieser Erkrankung, b) in einer neuerlichen, symptomatischen Vergrößerung der verbleibenden
Schwellkörper, und c) in einer insuffizienten Primärbehandlung liegen. In medizinisch wissenschaftlichen
Datenbanken
finden sich keine Studienergebnisse zum Thema. In vielen Publikationen werden zwar die
Rezidivraten der einzelnen Therapieverfahren verglichen, Empfehlungen oder Ergebnisse zu deren Behandlung
fehlen jedoch. Folgende Grundsätze sind zu berücksichtigen:
1) Vor einer operativen Therapie des Rezidivleidens sollten genaue Informationen über die Voroperation, die
gegenwärtige Kontinenz sowie über Begleiterkrankungen eingeholt werden.
2) In der Befunderhebung ist besonderes Augenmerk auf die Klinik (Vernarbungen, Anodermdefizite und
Stadium wie auch Anzahl der Knoten, Sphinktertonus in Ruhe- und bei Willkürkontraktion) zu legen.
3) Bei den weniger invasiven Therapieverfahren (Sklerosierung, Gummibandligaturen, ligaturbasierten
Verfahren) sind Wiederholungen der selben Therapie meist machbar, am wenigsten gefährlich, oft aber nicht
wirksam.
4) Die SH kann prinzipiell als Wiederholungseingriff durchgeführt werden, sollte jedoch wegen möglicher
Nebenwirkungen und knapper Datenlage kritisch beurteilt werden [114- 116]. Zur Therapie bieten sich hier
Resektionsverfahren an.
5) Nach resezierenden Operationsverfahren sollte eher ligaturbasierten Verfahren der Vorzug gegeben werden
oder eine neuerliche Resektion sparsam durchgeführt werden.
ACP Konsensusbericht
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Patientenaufklärung
Aufklärungspflicht und Dokumentationspflicht sind im ärztlichen Behandlungsvertrag geregelt und nehmen
einen immer größeren Stellenwert in unserem Alltag ein, wiewohl Gesetzesgrundlagen kaum Thema unserer
universitären Ausbildung sind.
Die aktuelle Judikatur unterscheidet im Rahmen der Aufklärung folgende Bereiche:
1. In der Diagnoseaufklärung ist der Patient über alle Methoden zur Diagnosestellung, über diese, aber auch
Verdachtsdiagnosen zu informieren.
2. In der Risikoaufklärung ist über alle typischen Risiken des Eingriffs, mögliche Komplikationen,
Erfolgswahrscheinlichkeit und alternative Heilbehandlungen zu informieren. Dies völlig unabhängig von der
prozentmäßigen statistischen Wahrscheinlichkeit. Die Typizität der Risiken ergibt sich daraus, dass sie speziell
dem geplanten Eingriff anhaften. Der Arzt hat über Risiken zu informieren, die selbst bei aller gebotenen
Sorgfalt auftreten können und in weiterer Folge das Leben oder die Funktion wichtiger Organe beeinflussen
können oder eventuell weitere Operationen erforderlich machen.
3. In der Verlaufsaufklärung ist über die Art, den üblichen Verlauf der Operation und Konsequenzen, die bei
Unterlassung der Therapie zu erwarten sind, zu informieren.
4. In der Therapieaufklärung ist über die vorgeschlagene Operation so aufzuklären, dass sich der Patient über
Erfolg und Nebenwirkungen im Klaren ist und konservative, wie operative Behandlungsalternativen
angesprochen werden.
Bezüglich des Zeitpunkts der Aufklärung gibt es im Gesetz keine fixen Regelungen. Er ist von Dringlichkeit und
Schwere der Operation abhängig.
Prinzipiell gilt: je weniger akut die Intervention ist, desto früher und umfangreicher hat die Aufklärung zu
erfolgen.
Zur gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentation jeder ärztlichen Aufklärung haben sich als Grundlage
standardisierte Bögen bewährt, die jedoch nie das Arzt-Patienten-Gespräch ersetzen können. Je mehr persönliche
Skizzen und Vermerke auf einem Bogen zu finden sind, desto vorteilhafter ist es im Falle eines Rechtsanspruchs.
Die
oben
genannten
gesetzlichen
Bestimmungen
sind
allgemeingültig.
In
Hinblick
auf
Hämorrhoidalbeschwerden und deren unterschiedliche Therapieverfahren sollte besonderer Wert auf die
Risikoaufklärung gelegt werden.
ACP Konsensusbericht
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v06/11
Tabellen
Tabelle 1. Ursachen des Hämorrhoidalleidens
Ursache
Ernährung (faser- u. ballaststoffarm
Obstipation und Diarrhoe
Entleerungsstörungen bei
morphologischen Veränderungen (z.B.
bei Rectocele, Intussuszeption)
Erhöhter Sphinktertonus
Genetische Disposition
Angiogenese
Querschnittssyndrom
Alter
Schwangerschaft
Beurteilung
kontroversiell
kontroversiell
denkbar
Studien (Referenz)
9
13-15
-
als Ursache kontroversiell
denkbar
denkbar
denkbar durch Obstipation
denkbar
evidenzbasiert
16, 17
18
19, 20
20
13
Abbildungen
Abb. 1. Schematische Darstellung der Blutversorgung des Corpus cavernosum recti (CCR) durch Äste der A.
rectalis superior (SRA). Die transversale Linie signalisiert die Höhe der Ligatur bei Verfahren wie der HAL
(siehe Text). LA M. levator ani, PR peritoneale Umschlagfalte, MRA A. rectalis media, IRA A. rectalis inferior,
ES M. sphincter ani externus, IS M. sphincter ani internus [22].
ACP Konsensusbericht
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