MADRID

Transcription

MADRID
Baedeker WISSEN
PRADO Hort der Kunst
STIERKAMPF Blutiges Relikt
STADTENTWICKLUNG Von maurisch bis modern
REAL MADRID – FC BARCELONA Spaniens Fußballrivalen
MADRID
Baedeker Wissen
Baedeker Wissen
i
Ende 2011 war das groß angelegte
Stadtbegrünungsprojekt vollendet: An
den Ufern des Manzanares erstreckt
sich heute eine 120 ha große Grünanlage, wo früher die berüchtigte
Stadtautobahn M-30 verlief. Den Fluss
überqueren interessante Brücken von
historisch bis modern.
Seite 138
Baedeker Wissen …
… zeigt, was man über Madrid wissen sollte. Unterhaltung – Aus­
gehen, traditionelle Spektakel, Fußball – ist dabei genauso wichtig
wie Geschichte, Architektur und Kunst.
e
t
e ¡Viva la noche!
Vielleicht ist das Madrider Nacht­
leben nicht mehr so legendär
wie in den 1980er-Jahren, als die
Marcha ­Madrileña internationalen
Ruf genoss. Trotzdem lässt es keine
­Wünsche offen – für
jeden Geschmack ist
etwas dabei.
r
Seite 82
o
o Real Madrid vs. FC Barcelona
Höhepunkte der spanischen Fußballiga
Primera División sind die Clásicos, die
direkten Duelle der beiden Fußball­
giganten.
Seite 108
p Spaniens Royals
r Die Zarzuela
Die Zarzuela ist ein
urwüchsiges Madrider
Genre, eine Bühnengattung, bei der sich
Gesang (Solo und
Chor) mit gesprochenem Dialog munter
abwechseln.
Seite 276
t Blutiges Relikt
Nach wie vor ist für viele Spanier der
Stierkampf ein fester Bestandteil ihrer
kulturellen Identität. Doch immer
mehr lehnen das blutige Spektakel
heute ab.
Seite 312
Affären, peinliche Auftritte – sie kommen in Spaniens Königshaus kaum vor.
Oder nur nicht ans Licht? Traditionsgemäß behandelt die spanische Presse
ihre Royals mit Samthandschuhen.
Seite 42
a Alcázar von Segovia
Auf der Spitze eines Felsvorsprungs
zwischen den beiden Flüssen Río
Ersema und Río Clamores thront der
Alcázar von Segovia, Paradebeispiel
eines kastilischen Castillo.
Seite 292
u El Escorial
u
i Die Rückkehr des Manzanares
Es war Kloster für Hieronymiten­
mönche, Grablege für Kaiser Karl V.
und seinen Sohn Phi­lipp II., Symbol
für Philipps Sieg über Heinrich II. von
Frankreich und für die Macht der
Habsburger.
Seite 188
a
p
MADRID
www.baedeker.com
Verlag Karl Baedeker
2
INHALT Top-Sehenswertes
Top-Sehenswertes
Kunst in atemberaubender Dichte im »Kunstviereck« aus Prado,
Thyssen-Bornemisza, Caixa Forum und Reina Sofia. Bühne der
Genuss- und Lebensfreude mit Tresen, Theken und Terrazzas,
eine wilde Mischung aus dröhnendem Verkehr, grünen Oasen,
Prachtboulevards, volkstümlichen Barrios und Altstadtplätzen.
e
o
u
t M M Ermita de San Antonio
de la Florida
In nur 120 Tagen malte Francisco
de Goya die Kuppel der kleinen Ka‑
pelle aus; hier ist er auch begraben.
Seite 182
u M M El Escorial
Das Klosterschloss Phillips II. in den
Ausläufern der Sierra de Guadar‑
rama ist UNESCO-Welterbe.
Seite 183
e M M Aranjuez
Im nahen Städtchen findet man die
einstige königliche Sommer‑
residenz und zauberhafte
Gärten. Seite 169
i M M Monasterio de las
Descalzas Reales
Eine der prächtigsten Kunst‑
sammlungen Spaniens hinter
Klostermauern
Seite 201
r M M Centro de Arte Reina
Sofia
Im Tempel der spanischen Gegen‑
wartskunst hängt Picassos
»Guernica« Seite 175
o M M Museo Arqueológico
Spanische Kulturgeschichte von der
Altsteinzeit bis ins 19. Jahrhundert
Seite 206
Top-Sehenswertes INHALT
p M M Museo del Prado
Eine überwältigende Fülle an
­Meisterwerken vom 12. bis
19. Jahrhundert
Seite 211
s
a M M Museo ThyssenBornemisza
Ein Spaziergang durch 800 Jahre
Geschichte der Kunst
Seite 242
s M M Palacio Real
Das Schloss der spanischen Könige
ist bis unter die Decke angefüllt
mit den erlesensten Kunstgegenständen.
Seite 245
g
d M M Parque del Retiro
Im 17. Jh. als königlicher Park
angelegt, ist er längst einer der
beliebtesten Treffpunkte der
Hauptstadtbewohner.
Seite 253
:
f M M Plaza Mayor
Ein Salon unter freiem Himmel und
einer der schönsten Plätze Spaniens
Seite 269
g M M El Rastro
Sonntagvormittag ist Rastro-Tag.
Seite 275
p
: M M Segovia
In dem kastilischen Städtchen sind
vor allem der römische Aquädukt
und der Alcázar einen Besuch wert.
Seite 287
; M M Toledo
Einzigartiges »Freilichtmuseum«
kastilisch-spanischer Geschichte
Seite 297
3
4
INHALT Lust auf ...
Lust auf …
… Erholung vom turbulenten Stadtleben in Madrids grünen Oasen
oder in atmosphärischen Wellnes-Tempeln, auf Einblicke in die moderne Architektur, auf den ultimativen Ausblick, die völlige Entspannung oder darauf, mit eigenen Augen zu sehen, warum spanische Fußballer so erfolgreich sind? In Madrid sind Sie richtig.
Parks
• Jardin del Príncipe de Anglona
Lauschige Oase mitten im quirligen
Zentrum Madrids (an der Nordseite
der Plaza de la Paja)
Seite 283
• Parque del Retiro
▶
Weitläufige Grünanlage zum Ausspannen. Auf dem künstlichen See
zu Füßen des Monuments zu Ehren
von Alfonso XII. gibt es einen
­Ruderbootverleih.
Seite 253
• Casa de Campo
Wo einst die spanischen Könige
ihrer Jagdleidenschaft nachgingen,
erstreckt sich heute der größte Park
Madrids.
Seite 172
Moderne Architektur
• Puente de Arganzuela
Die Brücke über den Manzanares
wurde im Zuge des Begrünungsprojekts Madrid Río gebaut. Sie
sieht aus wie ein Korkenzieher.
Seite 50
• Estación de Atocha
Der Jugendstilbahnhof wurde aus
grauem Marmor, Glas und Hightech zu einem Symbol moderner
Architektur umgestaltet.
Seite 193
◀◀ Caixa Forum
Siebenstöckiges Kulturzentrum,
das unter Einbeziehung eines alten
Elektrizitätswerks entstand
Seite 48
Lust auf... INHALT
tolle Ausblicke
• Mirador del Puente
Die neue Grünanlage Madrid Río
bietet einen Aussichtspunkt, von
dem man die Stadt überblickt.
Seite 139
• Hotel Room Mate Oscar
▶
Große Terrasse mit Pool und weißen Liegeflächen (Plaza Vázquez de
Mella 12, Metro: Gran Vía)
• CentroCentro
Zu dem neuen Kulturzentrum gehört ein 70 m hoher Aussichtsturm
über der Plaza de Cibeles.
Seite 260
Wellness
SpitzenfuSSball
• Real Madrid, Stadion Santiago
Bernabéu
▶
Karten bekommt man nur schwer,
aber Stadion und Ciudad Real
Madrid lohnen auch so einen Blick.
Seite 106
• Atlético de Madrid, Stadion
Vicente Calderón
Manchmal Heimspielrestkarten
Seite 106
• CF Getafe, Coliseum Alfonso
Pérez
Erstklassiger Fußball auch im Süden Madrids (www.getafecf.com)
Seite 106
• Hotel Hospes
Kleines, aber feines Spa mit allen
erdenklichen Massagen und
Schönheitsbehandlungen
Seite 145
• Hammam Al Andalus
Arabisches Bad mitten im Centro
Seite 140
◀◀ Auditorium Spa
Moderne Spa-Anlage, in der man
den Körper pflegen und die Seele
baumeln lassen kann.
Seite 141
5
66
INHALT Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
12 Bühne der
Lebenslust
14 Fakten
15 Bevölkerung · Politik ·
Wirtschaft
20
Willkommen im Alltag!
24
Madrid auf einen Blick
28 Stadtgeschichte
38
Infografik: Madrids
Stadtentwicklung
42
Special: Spaniens Royals
46 Kunst und Kultur
47 Erlebbare Kulturgeschichte
52 Berühmte
Persönlichkeiten
Spanische Spezialität: Schinken
Erleben und
genieSSen
66 Am Abend
67 Spanische Nächte
82
Special: ¡Viva la noche!
84 Essen und Trinken
85 Genussreiches Madrid
88
Special: Die kastilische
Küche
90
Special: Madrid tischt auf
92
Special: Schinken – In der
Eichel steckt das Geheimnis
102 Feiertage · Feste ·
Events
103 Immer ein Grund zu feiern
104
Special: Suma Flamenca
106
Special: König Fußball
108
Infografik: El Clásico –
Real Madrid vs.
FC Barcelona
114 Mit Kindern
unterwegs
115 Vergnügen für die Kleinen
118 Museen
119 Große Kunst und kleine
Schätze
120
Special: Galerienszene –
Zwischen provinziell und
international
126 Shopping
127 Spanischer Chic
128
Special: Madrids Mercados – Sich neu erfinden
oder sterben
136 Stadtbesichtigung
137 Madrid entdecken
138
Special: Die Rückkehr
des Manzanares
Inhaltsverzeichnis INHALT
Typisch spanisch: Flamencomusik mit Gitarre, Gesang und Rhythmus
142 Übernachten
143 Hotels für jeden
Geschmack
Touren
152
154
155
157
158
Touren durch Madrid
Unterwegs in Madrid
Im historischen Zentrum
Museen und Monumente
Zwischen Atocha und
Retiro – das grüne Madrid
160 Salamanca-Viertel –
Shoppingfreuden
161Ausflüge
Sehenswertes
von A bis Z
166 Alcalá de Henares
169Aranjuez
172 Ateneo Artístico, Científico
y Literario
172 Casa de Campo
174 Casa de Lope de Vega
174 Catedral de la Almudena
175 Centro de Arte
Reina Sofía
177 Círculo de Bellas Artes
177 Ciudad Universitaria
178 Congreso de los
Diputados
179 Convento de la
Encarnación
Preiskategorien
Restaurants
(Preis für ein Hauptgericht)
A A A A = über 40 €
A A A = 25 – 40 €
A A = 12 – 25 €
A = unter 12 €
Hotels (Preis für ein DZ)
A A A A = über 170 €
A A A = 100 – 170 €
A A = 60 – 100 €
A = unter 60 €
Hinweis
Gebührenpflichtige Service­
nummern sind mit einem Stern
gekennzeichnet: *0180 …
7
8
INHALT Inhaltsverzeichnis
Rüstungen in der Real Armería
180 Convento de las Trinitarias
181 Cuartel del Conde-Duque
182 Ermita de San Antonio
de la Florida ∙ Panteón de
Goya
183 El Escorial
188
3D: El Escorial – Symbolträchtiges Monument
193 Estación de Atocha
194 La Granja de San Ildefonso
196 Gran Vía
199 Inmaculada Concepción
de Mercedarias Descalzas
200 Jardín Botánico
200 Mercado de San Miguel
201 Monasterio de las
Descalzas Reales
204 Montaña del Príncipe Pío
205 Museo de América
206 Museo Arqueológico
Nacional
208 Museo Arte Público de
Madrid
209 Museo Cerralbo
210 Museo de Historia
210 Museo Lázaro Galdiano
211 Museo del Prado
214
Infografik: Museo del
Prado – Hort der Kunst
240 Museo Romántico
242Museo
Thyssen-Bornemisza
244 Oratorio del Caballero de
Gracia
244 Palacio de Liria
245 Palacio Real
250 Panteón de Hombres
Ilustres
250 El Pardo
252 Parque del Oeste
253 Parque del Retiro
254Parque-Jardín
El Campo del Moro
255 Paseo de la Castellana
257 Paseo del Prado
259 Plaza de la Cibeles
261 Plaza de Colón
263 Plaza de España
264 Plaza de la Villa
266 Plaza de Oriente
268 Plaza del Dos de Mayo
269 Plaza Mayor
270 Puente de Segovia
271 Puente de Toledo
272 Puerta de Alcalá
272 Puerta de Toledo
273 Puerta del Sol
275 El Rastro
276
Special: Die Zarzuela
277 Real Academia de Bellas
Artes de San Fernando
278 Real Fábrica de Tapices
279
Special: Königliche Teppichmanufaktur – Malen
mit farbigen Fäden
280Riofrío
281 Las Salesas Reales
Inhaltsverzeichnis INHALT
281 San Andrés
283 San Antonio de los
Alemanes
284 San Francisco el Grande
285 San Ginés
286 San Isidro
287Segovia
292
3D: Alcázar von Segovia
– Mächtiges Castillo
295 Teatro Español
297Toledo
310 Las Ventas
311Viaducto
312
Infografik: Stierkampf –
Blutiges Relikt
Praktische
Informationen
316 Anreise ∙
Reiseplanung
319Auskunft
321Elektrizität
321Etikette
322Geld
323Gesundheit
323Literaturempfehlungen
324Medien
325Notrufe
325Öffnungszeiten
326 Post und
Telekommunikation
328 Preise und
Vergünstigungen
328Reisezeit
329Sprache
339Verkehr
343Zeit
344Glossar
346Register
353atmosfair
354Verzeichnis
der Karten und Grafiken
355Bildnachweis
356Impressum
360
Kurioses Madrid
Abendliche Stimmung auf der Plaza San de Andrés
9
Hintergrund
Hier erfährt man kurz und knapp Wissenswertes über Spaniens
Landeshauptstadt, über ihre Bewohner, Wirtschaft, Politik und
Geschichte.
12
PORTRÄT Bühne der Lebenslust
Bühne der Lebenslust
Kaum zu glauben, dass sich im Mittelalter in dieser Gegend
einsame Landstriche erstreckten. In Wäldern tummelte sich
reichlich Wild, in den Flüssen gab es Fische im Überfluss. Dann
erhob Spaniens König Philipp II. den verschlafenen Marktflecken 1561 aus politischen Gründen zur Hauptstadt – und Madrid wurde allmählich zu dem, was es heute ist.
Die Madrilenen von heute sind zu jeder Tages- und Nachtzeit hellwach. Stets bereit für ein Häppchen, einen angeregten Plausch und
einen süffigen Wein – Madrid ist eine Stadt der Kneipen und Kinos,
der Straßencafés und Discos, der Oper und der Theater. Musicalproduktionen brennen auf den Bühnen Feuerwerke ab, Studententheater
scheuen sich längst nicht mehr vor dem literarischen Griff unter die
Gürtellinie, in Szenetreffs und Discos gibt die neueste Mode den Ton
an. Andererseits geben sich Madrileños ebenso traditionsverhaftet.
Ob als Zaungäste bei einer Zarzuela-Aufführung, dem typischen spanischen Singspiel, oder während der Karwoche, der Semana Santa,
wenn sich die Mitglieder der Laienbruderschaften in Bußgewänder
hüllen und zu ergreifenden Prozessionen formieren. In den RestauDer Retiro-Park: beliebte Freilichtbühne vor schöner Kulisse
Bühne der Lebenslust PORTRÄT
rants wetteifern baskische Spezialitäten mit mediterraner Leichtigkeit und katalanischer Raffinesse.
Die Madrileños lieben das! Genuss- und Lebensfreude überall,
die Preise sind im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen
erschwinglich. Plätze und Prachtboulevards sind eine große Bühne
der Lebenslust, der selbst der
dröhnende Verkehr nichts anhaben kann. Man lebt nur einmal,
hier und heute. Wen interessieren
noch die puritanischen Zeiten unter Franco? Man gibt nicht viel auf
verstaubte Geschichte. Stattdessen
saugt man gierig alles Neue auf. Fächer sind mehr als folkloristische
Gerade das macht Madrid so mo- Überbleibsel ... (hier vorgeführt von
der Tänzerin Sandra Logga).
dern, so weltgewandt.
Stadt für jede Jahreszeit
Was tun in Madrid? Kunstliebhaber tauchen in grandiose Museen
ein. Die »großen Vier«, Prado, Reina Sofía, Thyssen-Bornemisza und
La Caixa Forum, stehen mit Velázquez’ »Las Meñinas«, den »Schwarzen Malereien« von Goya und Picassos »Guernica« an der Spitze.
Verstecktere Schätze hebt man bei Besuchen der König­lichen Kunstakademie San Fernando und der im Herzen der Stadt gelegenen
Klöster Descalzas Reales und Encarnación. Im Königspalast wandelt
man durch prachtvolle Säle, die Plaza Mayor ist der Inbegriff eines
spanischen Altstadtplatzes und rund um die Plaza de Santa Ana
schmecken die Drinks besonders gut. In der Kapelle San Antonio de
la Florida spürt man der Fährte des Hofmalers Francisco de Goya
nach, im Literatenviertel nimmt man die Spur des Dichters Lope de
Vega auf. Wem all das zu kulturlastig ist, der findet im Botanischen
Garten, im Parque del Retiro oder ein wenig außerhalb in der Casa
de Campo Zerstreuung. Auf den Wegen halten sich Jogger und Spaziergänger fit, künstliche Seen animieren zu Bootspartien – unter
dem oftmals strahlend blauen Himmel der Meseta. Bunter Alltag
herrscht auf den Märkten. Für beste Shoppingadressen bürgen Straßen wie die Calle de Serrano, im alten Gerberviertel um die Ribera
de Curtidores steht sonntags der bunte Rastro-Markt an. Und eine
Zug- oder Autostunde entfernt locken Toledo, Alcalá de Henares, der
Escorial oder Aranjuez und Segovia. Es gibt viele gute Gründe für
eine Reise in Spaniens Herz.
13
14
HINTERGRUND Bühne der Lebenslust
Fakten
Bevölkerung · Politik · Wirtschaft HINTERGRUND
15
Bevölkerung · Politik · Wirtschaft
An Madrid kommt niemand vorbei: Spaniens größte Metropole in der geografischen Mitte der Iberischen Halbinsel ist
Landeshauptstadt und Sitz des Königshauses, Polit- und Handelszentrum, Kunst- und Kulturpol, Verkehrsdrehscheibe und
Heimat von 3,16 Mio. Menschen aus aller Herren Länder.
Madrid ist auch der Name der umliegenden autonomen Region Co- Verlockende
munidad de Madrid mit 8028 km² und über 6 Mio. Einwohnern. Hauptstadt
Die Stadt lockt mit magnetischer Kraft, ist zum Schmelztiegel der
Nationen geworden und zur Essenz des gesamten Landes. Das macht
die Definition eines typischen Madrileño fast unmöglich. Überall
spiegelt sich die Vielfalt des Landes samt den Eigenheiten seiner zugewanderten Bewohner wider: Andalusier und Galicier wohnen hier,
Menschen aus Kastilien und der Extremadura, natürlich auch Ausländer. Größter Antrieb, sich hier niederzulassen: die Suche nach
Arbeit. Davon gibt es allerdings infolge der Wirtschaftskrise längst
nicht mehr so reichlich wie noch vor wenigen Jahren.
Hauptstadt auf der Hochebene
Madrid liegt im Zentrum der Iberischen Halbinsel auf einer karstigen Hochfläche, etwas über dem Río de Manzanares. Im Norden
wird die Stadt durch die Sierra de Guadarrama begrenzt, deren
höchste Gipfel bis zu 2400 m emporragen, nach Süden und Osten hin
erstreckt sich die weite Fläche der Mancha. Erst der Habsburger
Philipp II. hatte 1561 die Stadt zur Única Corte erklärt und seinen
Hof nach Madrid verlegt. Mit seiner Entscheidung, die jüngste der
spanischen Städte zur Reichshauptstadt zu machen, hatte er sich gegen das aragonische Zaragoza, das kastilische Burgos und León und
das westgotische Toledo und auch gegen das maurische Córdoba und
Sevilla entschieden. Heute ist Madrid die größte Stadt der Iberischen
Halbinsel und der politische und kulturelle Finanz-, Handels- und
Verkehrsmittelpunkt des Landes.
Zentrum der
Macht
Auch auf den Gebieten Foschung, Wissenschaft und Bildung ist die
Landeshauptstadt führend. Madrid ist nicht nur der Sitz des Obersten Wissenschaftlichen Forschungsrates, der Königlichen Spanischen
Akademie, der Akademien der Schönen Künste, der Geschichte, der
Universitäten
Blick aus der Seilbahn in der Casa de Campo auf das Schloss und die
Almudena-Kathedrale
16
HINTERGRUND Bevölkerung · Politik · Wirtschaft
Sprachen, der Naturwissenschaften, der Juris­prudenz, der Philosophie und Politik. Die Stadt hat darüber hinaus vier Universitäten.
Insgesamt werden etwa 25 % aller spanischen Studenten an den
hauptstädtischen Universitäten ausgebildet, zu denen die Universidad Complutense de Madrid gehört. Sie ist die Nachfolgerin der berühmten, 1508 in Alcalá de Henares gegründeten Universität, die
1836 nach Madrid geholt wurde. Ursprünglich befand sie sich in der
Calle San Bernardo, bis sie 1927 in die nordwestlich gelegene Universitätsstadt (Ciudad Universitaria) verlegt wurde. Zweite Universität
ist die Universidad Autónoma de Madrid; sie wurde 1968 im Vorort
Canto Blanco zur Entlastung der überfüllten Universidad Complutense eröffnet; weiterhin gehören die päpstliche Universidad Comillas sowie die Fernuniversität UNED, die 1972 gegründet wurde, hinzu. Zehntausende Studenten bereichern in jederlei Hinsicht das
kulturelle Geschehen, viele Stipendiaten geben dem Ganzen ein internationales Flair. Die spanische Hauptstadt ist auch Sitz der Nationalbibliothek sowie einer Reihe weiterer Bibliotheken.
Boomtown der Zuwanderer
De Madrid
al cielo …
Madrid ist seit jeher eine Stadt der Zuwanderer. Im 16. und noch
mehr im 17. Jh. war sie als Verwaltungszentrum eines blühenden
Kolonialreichs, Sitz des Hofs und Umschlagplatz für Waren und
­Ideen der Mittelpunkt einer beweglichen, zum Teil auch entwurzelten Bevölkerung, die zum festen Bestandteil der Villa y Corte (Stadt
und Hof) gehörte. Einen Höhepunkt erlebte ihre Anziehungskraft
mit der industriellen Revolution. Während der Industrialisierungswelle der 1950er- und 1960er-Jahre entwickelte sich Madrid dann
zum industriellen Ballungsraum. Die Einwohnerzahl stieg unablässig, gespeist von Zuwanderern aus
Andalusien, Asturien, der Extremadura oder aus Galicien. Stets trieb
sie die Suche nach besseren Lebensbedingungen in die Hauptstadt,
gemäß dem Sprichwort »de Madrid al cielo«, »von Madrid direkt in
den Himmel«. Durch die Wirtschaftskrise ist die Einwohnerzahl seit
2012 zurückgegangen. Heute hat die Stadt 3,16 Mio. Einwohner und
steht landesweit unangefochten an der Spitze.
Vielvölkerstadt und
religiöse
Vielfalt
Ob Senegal, Russland oder Chile – in Madrid sind Menschen aus aller Herren Länder beheimatet. Über viele Jahre hat der Ausländeranteil neue Rekordzuwächse verzeichnet. 2011 ist er erstmals wieder
rückläufig gewesen. Heute leben über 400 000 Ausländer in Madrid,
mehrheitlich aus Rumänien, lateinamerikanischen Ländern wie Ecuador und Kolumbien und Marokko. 6200 Deutsche sind gemeldet.
Jedoch sind in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit selbst Niedriglohnjobs
für Emigranten kaum noch zu ergattern. Die ethnische Vielfalt wird
Bevölkerung · Politik · Wirtschaft HINTERGRUND
Trotz Dominanz des Katholizismus ist die Religiosität auf dem Rückzug.
ergänzt durch die religiöse. Bereits im mittelalterlichen Spanien lebten Christen, Juden und Muslime beieinander, doch dieses Zusammenleben wurde nach der Eroberung des letzten maurischen Reiches, Granada, durch die Katholischen Könige (1492) beendet. Die
Ausweisung der Mauren und Juden (1492 – 1494 und 1614) besiegelte die religiöse Einheit, die durch die Inquisitions­tribunale durchgesetzt wurde. Die europäische Reformation stieß im Spanien Karls V. und Philipps II. auf großen Widerstand. Die Gegenreformation hielt das Land
in den Bahnen des orthodoxen Katholizismus. Dieser blieb Staatsreligion auch unter den aus Frankreich stammenden Bourbonen (ab
1713). Die Erste Republik (1873 – 1874) unternahm einen kurzlebigen Versuch zur Liberalisierung der Religionsausübung, die jedoch
in der spanischen Restauration unter A
­ lfons XII. wieder rückgängig
gemacht wurde. Die antikirchliche Gesetzgebung und die Enteignung des Kirchenbesitzes 1931 – 1935 zu Beginn der Zweiten Republik durch die linksrepublikanische Koalition fand ihre Gegenbewegung im Wahlsieg der Rechtskoalition CEDA von 1933, die
wiederum von der republikanischen Volksfront bei den letzten demokratischen Wahlen vor dem Bürgerkrieg verdrängt wurde. Unter
der Diktatur Francos erlangte die Kirche erneut großen Einfluss auf
Politik und Bildung. Erst mit der demokratischen Verfassung wird
die Freiheit des Glaubens und der Reli­gionsausübung ebenso verankert wie die Trennung zwischen Staat und Kirche. Der katholische
17
18
HINTERGRUND Bevölkerung · Politik · Wirtschaft
Glaube herrscht weiterhin in Spanien vor, doch gibt es immer weni-
ger praktizierende Christen. Landesweit sind auch Andersgläubige
vertreten, nicht zuletzt in Madrid, was sich u. a. an dem großen Centro Cultural Islámico ablesen lässt. Auch jüdische Gemeinden haben
das Land ihrer sephardischen Vorfahren wieder entdeckt. Das im
Bemühen um gegenseitige Toleranz wieder erstarkte spanisch-islamische Verhältnis wurde 2004 gerade in Madrid auf eine schwere
Belastungsprobe gestellt. Als Vergeltung für den von Regierungschef
José María Aznar (Partido Popular) gutgeheißenen Krieg gegen den
Irak sprengten am 11. März jenes Jahres islamische Extremisten
mehrere Vorortzüge in die Luft und rissen knapp 200 Menschen in
den Tod. Wenige Tage später verlor Aznars konservative Volkspartei
die Parlamentswahlen.
Madrid ist Residenz des spanischen Königs Felipe VI., Sitz von Regierung und Parlament sowie eine der 17 spanischen Comuni­dades Autónomas (Autonome Regionen), deren Status mit dem der deutschen
Bundesländer vergleichbar ist.
Die bedeutendsten Parteien des Landes waren vier Jahrzehnte lang die
sozialdemokratisch orientierte PSOE (Partido Socialista Obrero
Español) und die konservative PP (Partido Popular). Zwei Aufsteigerparteien haben das Zweiparteiensystem jedoch aufgebrochen: die
linke PODEMOS (= Wir können) und die bürgerliche Ciudadanos
(Bürger). Beide Bewegungen gibt es
landesweit erst seit 2014.
Ein Bär, der Erdbeeren nascht
Im Moncloa-Palast regieren seit November 2011 die Konservativen
Im Mittelalter wurde das Land in
und das mit absoluter Mehrheit. Reund um Madrid zwischen dem
gierungschef ist Mariano Rajoy
Klerus (Erdbeerbaum) und dem
(Volkspartei PP). Die mit Spannung
Adel (Bär) aufgeteilt. Madrids
erwarteten nächsten Wahlen zum
Stadtwappen, ein Bär, der an
gesamtspanischen Parlament finden
­einem Erdbeerbaum nascht, stand
im Herbst 2015 statt.
symbolisch für die Einigkeit und
Im
Mai 2015 fanden in dreizehn der
für die tragende Bedeutung von
siebzehn »Autonomen Regionen«
Klerus und Adel.
und in allen Städten und Gemeinden
Wahlen statt. Die Krise und vor allem Korruptionsskandale haben der PP einen Schlag versetzt, auch die
PSOE wurde emfindlich abgestraft. Sowohl in der Stadt Madrid als
auch in der Autonomen Region verlor die PP ihre absolute Mehrheit
und wird in Zukunft maßgeblich auf die Unterstützung der Ciudadanos angewiesen sein. Auch in der Stadt Madrid, die 24 Jahre konservativ regiert wurde, kam es zu einem Wechsel. Die frisch gekürte
Bürgermeisterin heißt Manuela Carmena. Die pensionierte Richterin
wurde von einem breiten Linksbündniss, angeführt von PODEMOS,
unterstützt.
WISSEN
Stadt und
autonome
Gemeinschaft
Bevölkerung · Politik · Wirtschaft HINTERGRUND
Madrid und seine Viertel
Im Bezirk »Centro« liegt rund um die Plaza Mayor und die Plaza de
la Villa jener Teil Madrids, der weitgehend von der Herrschaft der
habsburgischen Könige geprägt ist. Er reicht vom Palacio Real im
Westen, der freilich erst im 18. Jh. unter den Bourbonen seine heutige Form erhielt, über die Calle Segovia zur Puerta del Sol im Osten
und weiter von der Plaza de Callao zurück bis zu den Gärten des
­Königspalasts. Spätmittelalter und Renaissance prägen das Viertel
von der Plaza Mayor entlang der Calle del Sacramento, Barock und
Klassizismus das Palast-Viertel mit der Oper. Zwischen Puerta del
Sol, der Oper und Gran Vía vermischen sich spätmittelalterliche
Stadtstrukturen mit der modernen Einkaufswelt.
Madrid der
Habsburger
19
20
HINTERGRUND Alltagsbegegnungen
Willkommen im Alltag!
Madrid einmal abseits der Touristenpfade erleben und »ganz
normale« Leute treffen – dazu einige Tipps von der BaedekerRedaktion.
Spanisches Marktleben
Weinkenner
Spanische Weine stehen weltweit hoch im Kurs. Wer schon
immer mal wissen wollte, was
die Begriffe »Crianza«, »Gran
Reserva« oder »Tempranillo«
bedeuten, dem sei ein Einführungskurs in die Weinlehre
empfohlen. Natürlich handelt es
sich dabei nicht um schlichte
Trockenübungen. Jeder Tropfen
darf – und soll! – probiert
­werden.
Restaurante Brix
Calle de Antonio Acuña 7
nach telefonischer Anmeldung (Tel.
91 5 77 88 07) Sa. ab 12.00 Uhr
Ein Kurs dauert etwa zwei
Stunden, getestet werden vier
Weine.
Kosten: 35 €
Madrid besitzt knapp 50 Stadtteilmärkte, da ist für jeden Geschmack
etwas dabei. Touristenmagnet Nummer eins ist zweifelsohne der Mercado San Miguel neben der Plaza Mayor. Viel über die Stadt verrät dieser
Markt nach dem Umbau aber nicht
mehr. Deutlich ursprünglicher und
authentischer ist da schon der Mercado La Cebada. Ein Besuch lohnt
sich schon deshalb, weil seine Dimension tatsächlich beeindruckend
ist. Mit Leben füllt sich der Markt
­besonders an den Samstagen, wenn
vor allem die jungen Leute aus dem
gefragten Viertel La Latina auf Shoppingstour gehen.
Plaza Cebada s/n, Tel. 91 3 66 69 66,
www.mercadodelacebada.com
Metro: La Latina
Mo. – Fr. 9.00 – 14.00, 17.30 – 20.30,
Sa. 9.00 – 15.00 Uhr
Alltagsbegegnungen HINTERGRUND
Stadtführung
einmal anders
Dass Stadtführungen richtig spannend und auch sehr persönlich sein
können, beweisen Madrilenen, die
Besuchern ihre Heimat vorstellen. Vor
der Kulisse der Oper wird dann nicht
nur über den ­Architekturstil des Gebäudes referiert, sondern vielleicht
auch das Liebesleben von Königin
Isabel II. (die den Bau in Auftrag gab)
erwähnt. Bei einigen Anbietern sind
die Touren gratis – in diesen Fällen leben die Guides von den Trinkgeldern.
Einige Anbieter:
freewalkingtourmadrid.com; Treffpunkt
Puerta del Sol an der Bären-Statue um
11.00 Uhr, die Führer tragen rote T-Shirts
mit Bären-Logo.
Ogotours.es; Treffpunkt Puerta del Sol
um 10.45 Uhr, die Führer tragen grün.
Weitere Touren:
www.newmadrid-tours.com; Anmeldung
nicht unbedingt erforderlich. Zwei Touren
täglich um 11.00 und 14.00 Uhr, Treffpunkt vor dem Touristeninformationsbüro auf der Plaza Mayor
www.viatorcom.de; buntes Angebot
Mitbewohner auf Zeit
Dank Internet öffnen sich auch
in Madrid Privatwohnungen für
Touristen. Diverse Internetseiten
bieten eine reiche Auswahl an
Schlafmöglichkeiten, von der
WG bis zum Loft. Der Kontakt
zu den ständigen Bewohnern ist
sozusagen gratis und garantiert.
www.airbnb.com
www.housetrip.com
Kochen auf spanisch
Wie vielseitig die neue iberische
Küche ist, zeigen Profis seit Jahren in Kochkursen für jedermann. Den Anfang machte das
Einrichtungshaus Alambique.
Von traditioneller bis japanischer
Küche wird dort so ziemlich alles
gelehrt. Inzwischen gibt es aber
eine ganze Reihe von (oft kostenlosen) Anbietern.
Alambique, Plaza de Encarnación 2
Tel. 91 5 47 42 20
www.alambique.com, Metro: Ópera
Tageskurse kosten etwa 50,
mehrtägige Kurse 90 €.
Gracia Mama, Calle de Mayor 32
Tel. 91 3 66 52 74, www.graciasmama.com, Metro: Sol
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HINTERGRUND Bevölkerung · Politik · Wirtschaft
Lavapiés ist eines der authentischen Barrios von Madrid.
Madrid der
Bourbonen
Dem westlichen Teil des Bezirks von der Puerta del Sol bis zum Paseo
del Prado drückten seit dem 18. Jh. die bourbonischen Könige ihren
Stempel auf, auch wenn die hier liegenden Viertel – Sol, Cortes und
Las Huertas – schon im Barock zum Stadtkern gehörten. Während
die Calle de Alcalá und Gran Vía im Norden die großzügige Stadtplanung des 18. und 19. Jh.s erkennen lassen, die jenseits des Paseo
del Prado voll zur Entfaltung kam, ist das Huertas-Viertel um die
Plaza de Santa Ana von kleinen Gassen mit Bürgerhäusern geprägt,
in denen sich ein guter Teil des Madrider Nachtlebens abspielt. Im
Barock waren hier die wichtigsten Theater der Stadt, daher wird das
Viertel auch Las Musas, Viertel der Dichter, genannt.
Lavapiés,
Embajadores,
Latina und
Rastro
Die Viertel Lavapiés und Embajadores, nach Plätzen im Süden des
Bezirks Zentrum benannt, sowie der Bezirk Latina südlich der Calle
de Segovia bilden einen eigenen Abschnitt auf der Landkarte Madrids. Latina ist der volkstümliche Teil des Madrids der Habsburger.
Seine wichtigsten Baudenkmäler entstanden im Mittelalter rund um
die Plaza de la Paja auf den Fundamenten des maurischen Viertels.
Bevölkerung · Politik · Wirtschaft HINTERGRUND
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Die Altstadtsanierung hat das Viertel, in dem Madrids Stadtpatron
San Isidro verehrt wird, wieder aufleben lassen. Östlich schließt sich
mit ebenso viel »solera« das Rastro-Viertel an, das an der Calle de
Embajadores in das Lavapiés-Viertel übergeht, das bis zum Centro
de Arte Reina Sofía reicht. Touristen sollten sich nicht wundern,
wenn zweifelhafte Gestalten ihnen auf offener Straße zu nächtlicher
Stunde Drogen anbieten. Eine reelle Gefahr geht von den Klein­
dealern aber im Regelfall nicht aus.
Bis zum Paseo del Prado reichten die bereits unter Philipp II.
angeleg­ten Reales Sitios del Buen Retiro. Unter Karl III. bekam dieser Abschnitt sein urbanes Gesicht, das mit seiner Weitläufigkeit
mit den Vierteln im Zentrum kontrastiert. Entlang dem Prachtboulevard Paseo del Prado liegen die vier großen Museen der Stadt –
Prado, Reina Sofía, Thyssen-Bornemisza und La Caixa Forum. Der
Retiro-Park wird im Norden und Osten von bürgerlichen Wohnvierteln umschlossen, in denen Kunstgalerien, Modegeschäfte und gepflegte T
­ apa-Bars auf Besucher warten. Im Westen liegen Monumentalbauten wie der Palacio de Comunicaciones und die Börse. Im
Südwesten schließen sich der Botanische Garten und der
­Atocha-Bahnhof an.
Retiro
Die nördliche Fortsetzung des bürgerlichen Retiro-Viertels bilden
das Recoletos- und das Salamanca-Viertel. Hier finden sich im geometrischen Netz von Straßen und Alleen exklusive Modeläden,
Restaurants, bürgerliche Wohnhäuser und Stadtpaläste des 19. Jh.s.
Der Paseo de la Castellana bildet die westliche Grenze dieser Stadtteile.
Recoletos
und
Salamanca
Im Justicia- und Malasaña-Viertel, die ebenfalls zum Zentrumsbezirk gehören, durchdringen sich auch alle Epochen Madrids. Sie reichen von der Gran Vía im Süden und dem Paseo de Recoletos bis
hinauf zu den »Boulevares«, die die Plaza de Colón mit der Glorieta
de Bilbao verbinden. ­Barocke Konvente und schrille Architektur der
jüngeren Vergangenheit wie die Torres de Colón sorgen hier für Kontraste. Rund um die Calle Almirante ist Spaniens Avantgarde-Modeszene zu Hause, die Plaza Dos de Mayo und Chueca werden vor allem von Szenevolk frequentiert.
Justicia und
Malasaña
Um die Wende zum 20. Jh. entwickelte sich der Bezirk Argüelles zu
Madrids sommerfrischer, bürgerlicher Seite über dem Parque del
Oeste (Westpark) und dem Río de Manzanares (“Baedeker Wissen
S. 138). Rund um die Plaza de España bekam Mitte des 20. Jh.s die
Gran Vía mit Hochhäusern ihren urbanen Abschluss. Der MoncloaBezirk geht im Norden in die Ciudad Universitaria, die Universitätsstadt, über.
Argüelles und
Moncloa
WISSEN
Madrid auf einen Blick
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HINTERGRUND Bevölkerung · Politik · Wirtschaft
Chamberí
und Nuevos
Ministerios
Der Paseo de la Castellana wird bis zur ­Puerta de Europa von Verwaltungs- und Geschäftsbauten gesäumt. Während sich hinter dem
Fußballstadion Santiago Bernabéu vornehmere Wohngegenden verbergen, erstrecken sich in endlosen Straßenzügen hinter den Türmen
des Azca-Viertels und dem Verwaltungskoloss der Nuevos Ministerios mittelständische Wohnviertel. Schließlich haben betuchte
Hauptstadt­bewohner weit außerhalb feudale Bleiben in topmodernen Villenvierteln wie La Moralejo und Las Rozas gefunden.
Spaniens Wirtschafts- und Finanzherz
Entwicklung
Da Madrid nicht an der Küste liegt und keine eigenen Rohstoffvorkommen besitzt, entwickelte es sich erst spät zu dem heutigen Wirtschafts- und Finanzzentrum. Noch bis in die 1960er-Jahre bestimmten eher kleinere und mittlere Betriebe das wirtschaftliche Leben der
Hauptstadt. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Stadt zu einem
Industrie- und Dienstleistungspol erster Güte erwachsen. Forschungsinstitute und führende High-Tech-Hersteller sind ebenso
vertreten wie multinationale Unternehmen. Neben Kongressen und
Messen hat der in- und ausländische Tourismus die Infrastruktur
beflügelt. Die Stadt ist Sitz der Spanischen Zentralbank (Banco de
España) und großer Privatbanken wie Banco Santander und Banco
Popular. Der Palacio de la Bolsa von Madrid ist weit vor Barcelona,
Bilbao und Valencia der wichtigste Börsenplatz Spaniens. Auch auf
industriellem Gebiet ist Madrid durch Vielfalt gekennzeichnet. Die
wichtigsten Arbeitgeber sind Konsumgüterindustrie (Kosmetik,
Kleidung), Verlage, Flugzeugbau, Automobilindustrie sowie Elektrogerätehersteller. Die ständig wachsende Großstadt ist eine der wichtigsten Handelszonen Spaniens, ein Zentrum des Wohnungsbaus
sowie eine Drehscheibe für den Fremdenverkehr. 2014 besuchten
8,3 Mio. Touristen Madrid und seine Region.
Probleme
auf dem
Wohnungsmarkt
Der Aufstieg der spanischen Hauptstadt zu einer internationalen Metropole hat schlimme Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt gehabt. Vor allem im Vorfeld der Euro-Einführung trieb der von
Schwarzgeld beflügelte Kaufrausch die Wohnungspreise massiv in
die Höhe. Nach fast zwei Jahrzehnten ungebremster Bautätigkeit fiel
die weltweite Wirtschaftskrise nun mit dem lang erwarteten Platzen
der Immobilienblase zusammen. Damit einher ging eine radikale
Preiskorrektur für Wohneigentum. Vor allem in den neuen Randgebieten fielen die Preise binnen eines Jahres um bis zu 20 %. Weitere
Korrekturen nach unten schließen Experten für die kommenden
Jahre nicht aus. Viele Madrilenen haben die Hauptstadt verlassen
und nehmen dafür täglich lange Pendlerwege in Kauf. Obwohl reichlich öffentliche Verkehrsmittel im Einsatz sind, wälzen sich tagtäglich
Bevölkerung · Politik · Wirtschaft HINTERGRUND
riesige Fahrzeugarmadas in die Stadt hinein und aus ihr hinaus. Konsequenz: eine riesige Luftbelastung des Madrider Raumes durch Abgase. Besonders die südlichen und östlichen Stadtteile bekommen die
schlechte Luftqualität zu spüren. Die Bezirke im Norden und Westen
hingegen, die von wohlhabenderen Schichten bewohnt werden, profitieren von den meist vorherrschenden West-Nordwest-Winden, die
in Madrid nur selten zu Smog-Wetterlagen führen. Auch Armut ist nicht unbekannt in Madrid. Trotz der Umsetzung
großer Wohnungsbauprogramme leben die Ärmsten noch immer in
so genannten Chabolas: Siedlungen aus provisorischen Hütten sowie
Bretter- und Plastikverschlägen. Außerdem haben die Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit seit 2012 vermehrt zu Zwangsenteignungen geführt.
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HINTERGRUND Stadtgeschichte
Stadtgeschichte