DEGAS-Katalog Leseprobe - Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

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DEGAS-Katalog Leseprobe - Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Degas
Klassik und Experiment
STAATLICHE KUNSTHALLE KARLSRUHE
MOBILITÄTSPARTNER
PARTNER
HAUPTSPONSOR
K ATALOGSPONSOREN
DEGAS
KLASSIK UND EXPERIMENT
Herausgegeben von Alexander Eiling für die
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
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DEGAS. KLASSIK UND EXPERIMENT
TEXT
5
Inhalt
8Leihgeber
Katalog
11Degas in Karlsruhe
Pia Müller-Tamm
77 Selbstbildnisse und
Familienporträts
105 Porträts von Freunden
und Bekannten
Aufsätze
16 Klassik und Experiment
im Werk von Edgar Degas
Alexander Eiling
30 K
opieren und erfahren.
Kennen und sammeln
Margret Stuffmann
42
Degas – Manet.
Eine facettenreiche
und vitale Beziehung
MaryAnne Stevens
54
Degas und der Japonismus
Anett Göthe
66 Degas und Deutschland
Bettina Kaufmann 135 Das moderne Individuum.
Zwischen Porträt und Genre
157 Von Sparta nach Paris.
Historie und Bühne
201 Vom Parthenon-Fries auf
die Rennbahn
227 Sehen und erinnern.
Die Landschaften
245 Aktdarstellungen
Anhang
275 Biographie
281 Literaturverzeichnis
8
Leihgeber
Amsterdam, Rijksmuseum
Taco Dibbits
Jane Turner
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin,
Alte Nationalgalerie
Prof. Dr. Michael Eissenhauer
Udo Kittelmann
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin,
Kupferstichkabinett
Prof. Dr. Hein.-Th. Schulze Altcappenberg
Dr. Holm Bevers
Bern, Kunstmuseum Bern
Dr. Matthias Frehner
Bern, Sammlung E. W. Kornfeld
Birmingham,
The Barber Institute of Fine Arts
Nicola Kalinsky
Robert Wenley
Boston, Museum of Fine Arts
Malcolm Rogers
Ronni Baer
Bremen, Kunsthalle Bremen
Dr. Christoph Grunenberg
Dr. Anne Buschhoff
Dr. Christin Melzer
Cambridge (GB),
The Fitzwilliam Museum
Tim Knox
Dr. David Scrase
Dr. Jane Munro
Chicago, The Art Institute of Chicago
Dr. Douglas Druick
Dr. Sylvain Bellanger
Dr. Suzanne Folds McCullagh
Dr. Gloria Groom
Columbus, Columbus Museum of Art
Nannette V. Maciejunes
Dominique H. Vasseur
Detroit, Detroit Institute of Arts
Graham W. J. Beal
Edinburgh, Scottish National Gallery
Michael Clarke CBE
Dr. Francis Fowle
Frankfurt am Main
Graf und Gräfin Christoph Douglas
Frankfurt am Main, Städel Museum
Max Hollein
Dr. Felix Krämer
Dr. Jutta Schütt
Dr. Martin Sonnabend
Städelscher Museums-Verein e. V.
Sylvia von Metzler
Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe
Prof. Dr. Sabine Schulze
Köln, Museum Ludwig
Dr. Yilmaz Dziewior
Katia Baudin
Dr. Julia Friedrich
Köln, Wallraf-Richartz-Museum &
Fondation Corboud
Dr. Marcus Dekiert
Lausanne, Musée cantonal des Beaux-Arts
Bernard Fibicher
Le Havre, Musée d’art moderne André Malraux
Annette Haudiquet
Virginie Delcourt
Lissabon, Calouste Gulbenkian Foundation
João Castel-Branco Pereira
Luísa Sampaio
London, Jean-Luc Baroni Ltd
Jean-Luc Baroni
London, Royal Academy of Arts
Kathleen Soriano
Nick Savage
Genf, Sammlung Jean Bonna
Jean Bonna
Nathalie Strasser
London, Stephen Ongpin Fine Art
Stephen Ongpin
Genf, Sammlung Marie-Anne
Krugier-Poniatowski
Evelyne Ferlay (Krugier & Cie)
London, The Courtauld Gallery
Dr. Ernst Vegelin
Dr. Karen Serres
Hamburg, Hamburger Kunsthalle
Prof. Dr. Hubertus Gaßner
Dr. Andreas Stolzenburg
London, The National Gallery
Dr. Nicolas Penny
Christopher Riopelle
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DEGAS. KLASSIK UND EXPERIMENT
Los Angeles, Los Angeles County
Museum of Art
Michael Govan
Jean Patrice Marandel
Madrid, Sammlung Carmen
Thyssen-Bornemisza
Baronin Carmen Thyssen-Bornemisza
Guillermo Solana
Juan Ángel Lopez-Manzanares
München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek
Prof. Dr. Klaus Schrenk
Dr. Joachim Kaak
New York, Acquavella Galleries Inc.
Esperanza Sobrino
Jean Edmonson
New York,
The Metropolitan Museum of Art
Thomas P. Campbell
Ottawa, National Gallery of Canada
Marc Mayer
Dr. Paul Lang
Dr. Annabelle Kienle-Poňka
Paris, Bibliothéque nationale de France
Bruno Racine
Marie-Hélène Petitfour
Paris, Musée du Louvre
Jean-Luc Martinez
Vincent Pomarède
Sébastien Allard
Paris, Musée d’Orsay
Guy Cogeval
Xavier Rey
Pau, Musée des Beaux-Arts de Pau
Jean-Pierre Melot
Dominique Vazquez
Riehen/Basel, Fondation Beyeler
Sam Keller
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen
Sjarel Ex
Saarbrücken, Stiftung
Saarländischer Kulturbesitz
Dr. Roland Mönig
Dr. Roland Augustin
Solothurn, Kunstmuseum Solothurn
Dr. Christoph Vögele
Stuttgart, Staatsgalerie
Prof. Dr. Christiane Lange
Dr. Christopher Conrad
Tours, Musée des Beaux-Arts
Sophie Join-Lambert
Ulm, Ulmer Museum
Dr. Gabriele Holthuis
Vulaines-sur-Seine,
Musée départemental Stéphane Mallarmé
Hervé Joubeaux
Hélène Oblin
Washington D. C., Dumbarton Oaks
Research Library and Collection
Dr. Jan Ziolkowski
Dr. Gudrun Buehl
James N. Carder
Washington D. C., National Gallery of Art
Earl A. Powell III.
Dr. Mary Morton
Dr. Andrew Robison
Dr. Kimberly A. Jones
Wien, Albertina
Dr. Klaus Albrecht Schröder
Dr. Christine Ekelhart
Wien, Österreichische Galerie Belvedere
Dr. Agnes Husslein-Arco
Dr. Stephan Koja
Winterthur, Kunstmuseum Winterthur
Dr. Dieter Schwarz
Wuppertal, Von der Heydt-Museum
Dr. Gerhard Finckh
Zürich, Sammlung Walter Feilchenfeldt
Zürich, Kunsthaus Zürich
Dr. Christoph Becker
Philippe Büttner
Den genannten Leihgebern sowie allen,
die ungenannt bleiben möchten, danken
wir für ihre großzügige Unterstützung.
10
DEGAS. KLASSIK UND EXPERIMENT
11
VORWORT UND DANK
Degas
in Karlsruhe
PI A MÜLLER-TA MM
W
arum Degas in Karlsruhe? Weshalb einen Künstler
zeigen, der im weltweiten Ausstellungsgeschehen
dauerhaft präsent ist? Wie sich einem Maler nähern, dessen Bilder sich wie Markenzeichen in den Köpfen der
Kunstliebhaber festgesetzt haben? Ein Blick auf die jüngere Ausstellungsgeschichte zeigt, dass auch hierzulande
kein Mangel an Manifestationen für den »Maler des modernen Lebens« besteht. In Baden-Württemberg beginnt
Degas’ Ausstellungsgeschichte mit der legendären Schau
Degas. Pastelle Ölskizzen Zeichnungen, die Götz Adriani
1984 für die Kunsthalle Tübingen eingerichtet hat. In die
europäische Ausstellungsgeschichte ist die Degas-Retrospektive des Grand Palais in Paris von 1988 (in Kooperation mit der National Gallery of Canada in Ottawa und
dem Metropolitan Museum of Art in New York) als
»landmark show« eingegangen. Danach haben zahlreiche
monographische Ausstellungen das Œuvre des Künstlers
unter thematischen Gesichtspunkten betrachtet: 1994 / 95
standen die Porträts im Kunsthaus Zürich und der Kunsthalle Tübingen im Mittelpunkt; die Ausstellung der
Hamburger Kunsthalle in Kooperation mit der Fundación
Mapfre in Madrid 2009 widmete sich dem posierenden
weiblichen Körper zwischen Bordell, Bühne und Boudoir.
2011 zeigte die Royal Academy of Arts in London Degas
and the Ballet, und 2012 präsentierte das Musée d’Orsay
in Paris (in Kooperation mit dem Museum of Fine Arts in
Boston) mit Degas et le nu eine umfassende Schau zu den
Aktdarstellungen; im selben Jahr profilierte die Fondation
Beyeler in Riehen Degas in seinem Spätwerk als »kühnen
Wegbereiter der Moderne«. Die Ny Carlsberg Glyptotek
in Kopenhagen näherte sich Degas 2013 mit Blick auf
sein methodisches Vorgehen und die innovativen Verfahren seines künstlerischen Werkprozesses. Die nächste große außereuropäische Schau kündigen die National Gallery of Victoria in Melbourne und das Museum of Fine
Arts in Houston für 2016 / 17 unter dem Titel Degas: A
New Vision an. Warum also 2014 Degas in Karlsruhe?
Wie so oft ist uns die Sammlung der Kunsthalle Impulsgeber. Insgesamt sieben Degas-Werke umfasst der Bestand; sieben Werke, die gleichsam sieben verschiedene
Blickschneisen in das kolossale Œuvre des Künstlers öffnen. Zwischen 1961 und 1981 konnten diese Werke in relativ schneller Folge erworben werden. In dem sechsteiligen
Konvolut des Kupferstichkabinetts zeigen sich die hohe
schöpferische Potenz des Künstlers und der mediale
Facettenreichtum von Degas’ Kunst auf Papier. Es umspannt die Zeit von den fünfziger bis in die neunziger
Jahre des 19. Jahrhunderts, vom Frühwerk – die älteste
Arbeit im Bestand ist die radierte Darstellung des Kupferstechers Joseph Tourny von 1857 (erworben 1964, Kat. 22)
– bis zum Spätwerk des Jahres 1892, in dem die Landschaftsmonotypie Cap Ferrat (erworben 1981, Kat. 107)
entstand. Die frühe Rembrandt-Rezeption Degas’, der experimentelle Umgang mit der Drucktechnik und die Tendenz zur Autonomie des Einzelabzugs kennzeichnen die
Tourny-Darstellung als kreative Schöpfung und Weiterentwicklung aus der Tradition des graphischen Metiers.
In der Radierung Mary Cassatt im Louvre (Gemäldegalerie),
einer aufwändigen Mischtechnik des Jahres 1879 / 80 (1961
erworben, Kat. 47), ist das Pariser Weltmuseum als Lernort der Künstler / innen präsent. In seinem steilen Hochformat und der Überführung von Raum in ein Gefüge
12
DEGAS. KLASSIK UND EXPERIMENT
von Flächen bezeugt das Blatt auch eine neuartige, von
der japanischen Ästhetik geprägte Bildauffassung. Junge
Tänzerin im Gegenlicht, eine Kreidezeichnung auf grauem
Papier aus der Zeit um 1878 (erworben 1980, Kat. 67),
steht im Banne von Degas’ Obsession für das Ballett, die
sich nach 1870 in allen Medien des Künstlers einschließlich der Fotografie manifestiert. Bewegung und Stillstand,
das Transitorische und die prekäre Balance der Figur sind
hier ebenso thematisch geworden wie das Ephemere einer
Pose, das sich im Aussparen und Weglassen von zeichnerischen Markierungen zeigt. Bei der Sängerin in einem
Pariser Gartencafé von 1880 (erworben 1976, Kat. 65),
einem Exemplar aus Degas’ 25-teiliger Gruppe von Darstellungen im Fächerformat, hat das Ineinanderfließen
der Aquarellfarbe auf Seide die Motive um die einzige
deutliche Setzung, den vertikalen Balken, malerisch weitgehend aufgelöst. Das Fluide und das Trockene – beide
Möglichkeiten finden sich zeitgleich in Degas’ künstlerischem Repertoire: Madame Henri Rouart im Sessel vor
einem Tischchen mit Tanagra-Statuette von 1884 (erworben
1979, Kat. 27) ist in Pastellkreide über Bleistift abgefasst –
in einer Technik, die bei den Porträtisten des Dixhuitième
beliebt war und die durch Degas wiederbelebt und eigensinnig neu interpretiert wurde. Anders als in der kunsthistorischen Tradition setzt er hier die einzelnen Farbstriche
isoliert nebeneinander, spielt mit Leerflächen und Formandeutungen und vereitelt dadurch genau jene Illusion von
Stofflichkeit und gegenständlicher Präsenz, für die das
Pastell geschätzt wurde. Im Wettstreit zwischen Erscheinen und Verschwinden der Motive im Bild markiert die
späte Landschaftsmonotypie Cap Ferrat (Kat. 107) zweifellos einen Extrempunkt: Hier zeigt sich die gesteigerte
Experimentierfreude bei der Arbeit im Atelier in einem
intensiven physisch-taktilen Austauschvorgang zwischen
dem Künstler und den künstlerischen Mitteln, der sich in
Verbindung mit Zufallsmomenten der differenzierten
Oberflächentextur des Bildes sichtbar einschreibt. Während hier, in der Atelierschöpfung einer Landschaft, das
Postulat der Nachahmung von Gesehenem weitgehend
annulliert ist, so muss dies als Anspruch des Künstlers bei
den gemalten Porträts noch vorausgesetzt werden. Bildnis
Madame Jeantaud aus der Zeit um 1877 (erworben 1981,
Kat. 30) zählt zu den herausragenden Werken dieses Genres in Degas’ Kunst: eine repräsentative und doch höchst
ambivalente Darstellung, inspiriert sowohl von klassischen Porträtformeln aus Renaissance und Manierismus
als auch von den Findungen des französischen Klassizismus, die sich in dem innerbildlichen Gegensatz zwischen
der ausformulierten Gesichtsdarstellung und der im skizzenhaften Ebauche-Zustand belassenen Umgebung zeigen. Der Körper der Dargestellten bleibt eigentümlich
amorph; er scheint ebenso wie die beiden Hunde, das
Mobiliar und der Raum entmaterialisiert. So heterogen
das Degas-Konvolut der Kunsthalle in Erscheinung tritt:
Sehen, Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten lassen
sich darin auf unterschiedlichen Stufen im Werkprozess
des Künstlers verfolgen. Das reflektierte Aneignen, das
bewusste Abstandnehmen und das skeptische Suchen
sind Quellen seiner künstlerischen Energie. Bei Degas
gibt es keine Gestaltung ex nihilo, sondern eine komplizierte Praxis, die die überkommenen künstlerischen
Mittel und Verfahrenswege neu interpretiert und die aus
Traditionsbeständen ungeahnten Mehrwert für die Gegenwart des 19. Jahrhunderts gewinnen konnte.
Doch was hat unsere Gegenwart über diesen Künstler
zu sagen? Dass er kein Impressionist war, ist mittlerweile
Gemeingut der jüngeren Degas-Forschung. Inwieweit er
jedoch vor allem Realist war, wird von den Interpreten
seines Werkes unterschiedlich beurteilt. Ein weiter Zweig
der Degas-Forschung seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat neue Sichtweisen auf die weiblichen
Protagonisten seiner Bilder und deren sexuell konnotierte
Posen eröffnet. Die für Gender-Verhältnisse sensibilisierte
Kunstwissenschaft weiß um die höchst ambivalente Haltung des Künstlers zu Frauen. Deren Körper werden vor
allem in der anglo-amerikanischen Forschung als Objekte
der Zurschaustellung, Disziplinierung und Vermarktung
gesehen. Gender als Kategorie stößt Deutungen an, die
heute unverzichtbar sind und auch unser Projekt befruchtet haben. Die Ausstellung der Kunsthalle geht aber vor
allem von einer bildgeschichtlichen Betrachtung aus, für
die sich der Sammlungsbestand der Kunsthalle einmal
mehr als Fundus bewährt hat. Die Kontextualisierung von
Degas’ Arbeiten in der Kunsthalle ermöglicht es, seine
Bedeutung als gegenwartsbewusster Traditionalist und
als kunsthistorisch versierter Erneuerer der französischen
Kunst des 19. Jahrhunderts sichtbar zu machen. Nach den
thematischen Degas-Ausstellungen der letzten Jahre ist es
das Anliegen der Karlsruher Schau, vor allem jene Aspekte von Degas’ Kunst, die in der öffentlichen Wahrnehmung bislang weniger Aufmerksamkeit erhalten haben,
ins Blickfeld zu rücken. Zu diesen zählen seine Porträts
und Landschaften sowie, untrennbar damit verbunden,
seine Anfänge als Kopien- und Historienmaler. Die Ausstellung gliedert sich in sieben thematische Gruppen, die
sich Degas zum einen über seine Kopierpraxis, zum anderen über seine experimentellen Techniken nähern. Eine
solche Perspektive kann auf Vorarbeiten in der Degas-Forschung aufbauen; sie erhält jetzt erstmals in Deutschland
die anschauliche Basis in einer Ausstellung.
Degas. Klassik und Experiment ist der Höhepunkt im
Ausstellungsjahr der Kunsthalle 2014. Das ambitionierte
Vorhaben fügt sich aufs Beste in die lange Geschichte zur
Kunst des französischen 18. und 19. Jahrhunderts im
13
VORWORT UND DANK
Programm der Kunsthalle, deren letzte Manifestationen
die Große Landesausstellung Camille Corot. Natur und
Traum (2012) und Fragonard. Poesie und Leidenschaft
(2013) waren. Es schließt partiell auch an das Forschungsund Ausstellungsprojekt der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und der Hochschule für Gestaltung an, das 2012 in
die Ausstellung Déjà-vu? Die Kunst der Wiederholung von
Dürer bis Youtube mündete. Degas. Klassik und Experiment widmet sich einem Œuvre, das zu den komplexesten
des 19. Jahrhunderts zählt und das eine ganz besondere
Herausforderung für die wissenschaftliche Erschließung
darstellt. Wie lässt sich Übersicht herstellen in einem
Werk, das über 1500 Gemälde und Pastelle, mehrere Tausend Zeichnungen und Graphiken sowie Hunderte von
plastischen Arbeiten umfasst? Wie lässt sich Orientierung
gewinnen in einem Bestand, der sowohl technisch als
auch motivisch komplizierter ist als die meisten anderen
Werkkomplexe der Epoche?
Alexander Eiling, der Kurator für Malerei und Skulptur
der Moderne in der Kunsthalle, hat diese Herausforderung angenommen. Degas. Klassik und Experiment trägt
ganz seine Handschrift. Auf der Basis des Degas-Bestands
der Kunsthalle und seiner intensiven Forschungen zu
Original und Kopie im Kontext der Ausstellung Déjà-vu?
hat er den gedanklichen Ansatz der Ausstellung entwickelt und die Gesamtkonzeption ausformuliert. Schnell
hat sich gezeigt, dass der Kurator die Partner des Projektes, insbesondere die Leihgeber, mit seiner spezifischen
Fragestellung überzeugen konnte und viel Anerkennung
für seine Komposition von Werkensembles erhielt. Aber
Degas’ Bilder zählen zu den viel gefragten Werken im internationalen Leihverkehr; zahlreiche seiner Arbeiten sind
aufgrund ihrer besonderen Materialität in fragilem Zustand; nicht alle Leihwünsche konnten von daher in
Erfüllung gehen. Es galt, auf einem langen Verhandlungsweg jene Substanz zu sichern, die unerlässlich für die
plausible Darstellung der Ausstellungsidee zu sein schien.
Dass dies gelungen ist, ist der wissenschaftlichen Expertise und dem klugen und hochengagierten Vorgehen von
Alexander Eiling zu verdanken, der sich über knapp zwei
Jahre der Vorbereitung dieser Ausstellung gewidmet hat.
Als Ergebnis ist ein Konvolut von 120 Degas-Werken aus
nationalen und internationalen Sammlungen zu besichtigen, darunter Hauptwerke des Künstlers ebenso wie seltener gezeigte Trouvaillen. Ergänzt wird das reiche Ensemble durch eine gezielte Auswahl an Bildern von älteren
Künstlern und Zeitgenossen – von Rembrandt, Ingres,
Géricault, Chassériau, Daumier, Manet, Gauguin und
Cézanne –, bei denen der Kurator nicht zuletzt aus den
Eigenbeständen der Kunsthalle schöpfen konnte. Unser
gemeinsamer Dank gilt allen Leihgebern, die sich für dieses überaus lohnende Vorhaben gewinnen ließen und die
der Kunsthalle ihre kostbaren Werke für die Dauer der
Ausstellung anvertraut haben.
Wie bereits bei früheren Projekten zur französischen
Kunst, so war auch bei der Vorbereitung dieser Ausstellung der intensive Gedankenaustausch mit Margret Stuffmann eine wertvolle Hilfe, ohne die das anspruchsvolle
Projekt nicht in dieser Weise hätte gelingen können.
Walter Feilchenfeldt ist der Ausstellung nicht nur als Leihgeber verbunden, sondern hat das Projekt auch durch die
Vermittlung von Kontakten zu wichtigen Degas-Sammlern sehr unterstützt. Ann Dumas, Kuratorin mehrerer
Degas-Ausstellungen in den vergangenen Jahren, sowie
Martin Schwander, der Kurator der Degas-Ausstellung
der Fondation Beyeler, haben sich bei Privatsammlern
sehr für das Projekt eingesetzt. Zahlreiche weitere Kolleginnen und Kollegen in anderen Häusern haben zum Gelingen unserer Ausstellung mit ihrem Wissen und ihren
Kontakten beigetragen. Herzlich danken wir Sébastien
Allard, Gudrun Buehl, Stephanie Buck, James N. Carder,
Michael Clarke, João Castel-Branco Pereira, Line Clausen
Pedersen, Guy Cogeval, Evelyne Ferlay, Gerhard Finckh,
Frances Fowle, Flemming Friborg, Lukas Gloor, Gloria
Groom, Kimberly Jones, Anabelle Kienle, Eberhard W.
Kornfeld, Paul Lang, Henri Loyrette, Suzanne Folds
McCullagh, Mary Morton, Diane Nixon, Stephen Ongpin, Xavier Rey, Christopher Riopelle, Andrew Robison,
Luísa Sampaio, Ev und René Scharf, F. Carlo Schmid,
Jutta Schütt, Karen Serres, Guillermo Solana, Martin
Sonnabend, Werner Spies, Baronin Carmen ThyssenBornemisza, Dominique Vazquez, Margit Weinberg
Staber, Bill Zachs und Annabelle Zettel.
Alexander Eiling war gleichfalls verantwortlich für die
Gesamtkonzeption des Kataloges und der Begleitmedien,
mit denen die Ausstellung vermittelt wird. In seinem
grundlegenden Einführungstext profiliert er Degas als
Protagonisten einer Kunstgeschichte, die sich nicht als
lineare Fortschrittsgeschichte darbietet, sondern sich in
der Verknüpfung gegenläufiger Orientierungen ereignet.
In diesem Sinne entfalten auch die Beiträge von Margret
Stuffmann, MaryAnn Stevens und Anett Göthe eine differenzierte Sicht auf Degas’ Beitrag zur Moderne, der
durch den Artikel von Bettina Kaufmann zur Erwerbungsgeschichte von Degas in deutschen Museen ergänzt
wird. Unser Dank gilt allen Autorinnen für ihre instruktiven Essays. Ariane Mensger, Maike Hohn, Viola Hildebrand-Schat sowie Alexander Eiling und die Kolleginnen
aus der Kunsthalle, Sonja Maria Krämer, Astrid Reuter,
Dorit Schäfer, Nina Trauth und Katharina Weiler, haben
für jedes Exponat eigens Katalogtexte verfasst und sie mit
dem aktuellen Forschungsstand in den Kontext der Ausstellung integriert; auch hier lag der weitaus größte Teil
der Textarbeit bei Alexander Eiling. Bei der Erarbeitung
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DEGAS. KLASSIK UND EXPERIMENT
von Ausstellung und Katalog wurde der Kurator von Sonja
Maria Krämer als kuratorischer Assistentin tatkräftig unterstützt. Ihre fundierten Kenntnisse über den Künstler
und sein Werk haben das Projekt sehr bereichert. Bei der
Katalogredaktion waren außerdem Nina Trauth und Tessa
Rosebrock hilfreich. Unser herzlicher Dank gilt dem Katalog-Team innerhalb der Kunsthalle ebenso wie der tatkräftigen Lektorin Juliane Betz und dem Hirmer Verlag
mit Jutta Allekotte für die Projektbetreuung, Peter Grassinger für die Herstellung, Sabine Gottswinter-Pätzold
für das Korrektorat sowie Ingrid Hacker-Klier für die
Übersetzungsarbeit. Bei der graphischen Gestaltung hat
sich die Zusammenarbeit mit Fine German Design,
Frankfurt, wieder bewährt; unser Dank gilt Carsten
Wolff, Larissa Pelka, Irina Kistner und Lilly Hummel. Für
die finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung sind
wir der Ernst von Siemens Kunststiftung, ihrem Präsidenten Armin Zweite und ihrem Geschäftsführer Joachim
Fischer sowie der International Music and Art Foundation,
Liechtenstein, sehr zu Dank verpflichtet.
Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen innerhalb der
Kunsthalle haben tatkräftig zum Gelingen des vielschichtigen Projektes beigetragen. Ein besonderer Dank gilt unserer umsichtigen Registrarin Rieke Friese für die vorzügliche Abwicklung des Leihverkehrs. Die Junge Kunsthalle
zeigt die instruktive Begleitausstellung Wie malt Degas?,
die von Sybille Brosi, Petra Erler-Striebel und Elena
Welscher eingerichtet und von Enver Isufi, Christoph
Heimbach und Andres Kilian künstlerisch begleitet wird.
Die Presseabteilung mit Alexandra Hahn und Isabel
Koch, die Marketing-Abteilung mit Rebecca Debatin, die
Fotowerkstatt und die Bibliothek sind hier ebenso zu nennen wie die Restaurierungsabteilung unter der Leitung
von Thomas Heidenreich. Der Aufbau in den Räumen im
Obergeschoss des Durmflügels wurde von der technischen Abteilung unter Michael Kirchgässner betreut. Bei
der Gestaltung der Präsentation kam uns die Beratung
von Nina S. Beitzen, unterstützt von Valeska Höchst, zugute. Allen sei vielmals für die gute Zusammenarbeit
gedankt.
Das Begleitprogramm zur Ausstellung eröffnet thematisch und methodisch differenzierte Perspektiven auf
Künstler und Werk. Dass wir Beat Wyss, Professor an der
Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, für einen Vortrag gewinnen konnten, erfüllt uns mit großer Dankbarkeit. In Fortsetzung unserer bewährten Kooperation mit
der Hochschule für Musik Karlsruhe veranstaltet die
Kunsthalle eine vierteilige Konzertreihe im Begleitprogramm der Ausstellung. Für die immer wieder erfreuliche
Zusammenarbeit danken wir dem Rektor der Hochschule
Hartmut Höll, Markus Stange und Anna Zassimova
sowie Daniel Fueter und den Studierenden.
Hauptsponsor der Ausstellung ist die L-Bank Staatsbank
für Baden-Württemberg, die damit die gewachsenen guten Verbindungen zur Kunsthalle ein weiteres Mal unter
Beweis stellt. Unser herzlicher Dank gilt Christian Brand,
dem ehemaligen Vorstandssprecher, und Cordula Bräuninger, der Leiterin der Abteilung Kommunikation, für
die großzügige Förderung. Dankbar heben wir die Förderung der Ausstellung durch den Dr. Ilse Völter Stiftungsfonds und die Sparkassenstiftung GUTESTUN hervor.
Unser Dank gilt Ilse Völter sowie Michael Huber, dem
Vorstandssprecher der Sparkasse Karlsruhe Ettlingen, und
Gisela von Renteln, der Geschäftsführerin der SparkassenStiftung.
In diesen Dank schließen wir alle weiteren Partner des
Projektes ein: die Deutsche Bahn, unseren Mobilitätspartner, das Autohaus Graf Hardenberg, die vielen Partner in den Medien, die zur breiten Kommunikation der
Ausstellung beitragen, sowie die hilfreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den städtischen Ämtern und
Tochtergesellschaften. Hierzu zählen die Karlsruher
Messe- und Kongress-GmbH, die Karlsruhe Tourismus
GmbH, die Karlsruhe Event GmbH sowie die Stadtmarketing Karlsruhe GmbH.
Dass S. E. Philippe Étienne, der Botschafter der Französischen Republik, und der Staatssekretär im Ministerium
für Wissenschaft, Forschung und Kunst Jürgen Walter
MdL die gemeinsame Schirmherrschaft für Degas. Klassik
und Experiment übernommen haben und damit ihre Verbundenheit mit der Kunsthalle zum Ausdruck bringen,
heben wir dankbar hervor.
In Degas’ Kunst ist aufgrund ihrer doppelten Orientierung auf Vergangenheit und Zukunft vieles in Bewegung. Auf diese beziehungsreiche Bildwelt hat sich einzulassen, wer Degas nahekommen will. In Bezug auf das
Nachleben seiner Kunst hat er einmal formuliert, er wolle »illustre et inconnu« – berühmt und unbekannt – sein.1
Unsere Ausstellung zeigt einige bisher weniger bekannte
Facetten dieses berühmten Künstlers, von dem zu Recht
gesagt wurde, er habe »sein Jahrhundert gegen den Strich
gebürstet«.2
1 Lemoisne 1946, Bd. 1, S. 1.
2 Hofmann 2007, S. 275.
15
16
DEGAS. KLASSIK UND EXPERIMENT
Klassik und
Experiment im Werk
von Edgar Degas
A LEX A NDER EILING
A
ls sich Degas in seinem letzten Schaffensjahrzehnt
noch einmal Mantegnas Gemälde Minerva vertreibt
die Laster aus dem Garten der Tugend in Form einer außergewöhnlichen, nahezu monochromen Pastellkopie (Abb. 1,
Kat. 79) zuwandte, tat er dies sowohl als Hommage an
einen von ihm zeitlebens bewunderten Künstler als auch
in einer Form von Dialog, um die Vorbildhaftigkeit der
Alten Meister für sein eigenes Schaffen von Neuem auszuloten.
Degas war zu diesem Zeitpunkt längst zum Maler des
modernen Lebens geworden, dessen Darstellungen aus
der Pariser Oper (Abb. 2) und dem Ballett, aus dem bürgerlichen Café-Concert oder von der mondänen Rennbahn ihn bis heute als vermeintlichen Chronisten der
Belle Epoque erscheinen lassen. Seine Bildlösungen vermögen selbst den heutigen Betrachter noch zu überraschen, ihre kompositorische Umsetzung gewagt und kühn
erscheinen, doch wäre eine rein auf seine Modernität abstellende Lesart − a ls mögliche Vaterfigur einer kommenden Avantgarde − überaus verfehlt. Seine vielzitierte Äußerung über den Kern seines Werkes, das frei von jeglicher
Spontaneität sei und aus dem mühsamen Wiederholen
der immergleichen Motive bestehe, wird meist unterschätzt und scheint vom Nimbus seiner fälschlichen Etikettierung als Impressionist überstrahlt zu werden.1
Tatsächlich hat Degas’ Kunst mit dem Impressionismus eines Claude Monet, der auf die flüchtige Wiedergabe des unmittelbaren Augeneindrucks ausgerichtet ist, so
gut wie nichts gemein. Seine Themen waren nicht die
Bootspartien auf der Seine oder die Spaziergänger im
Park, keine Picknicks, Gärten, Seerosenteiche oder Mohn-
felder, die in freier Natur mit pastosem Pinselstrich auf
die Leinwand gebracht wurden. Dagegen setzte er eine
planvolle und hochgradig konstruierte Art des Bildermachens, deren scheinbare Momenthaftigkeit und Zufälligkeit das Ergebnis strenger kompositorischer Berechnung
sind. Trotz seiner Funktion als Organisator der Impressionisten-Ausstellungen ab Mitte der 1870er Jahre erklärt
sich Degas’ Kunst viel eher aus der Differenz zwischen
ihm und dieser Strömung, der er zeitlebens nah und fern
zugleich stand.
Die Ausstellung möchte der pauschalen Einordnung
des Künstlers als Impressionist entgegenwirken, indem sie
immer wieder auf die Bedeutung der klassischen Tradition für sein Werk verweist, Vorbilder und Referenzpunkte
offenlegt, dabei aber zugleich Einblick in das breite Spektrum seiner zum Teil hochexperimentellen Herstellungsverfahren gibt. Degas’ Kunst entwickelte sich in einem
kreativen Spannungsverhältnis aus »Klassik und Experiment«, das die Vorbildhaftigkeit der Alten Meister zum
Leitmotiv macht, ohne sich dabei Neuerungen und Einflüssen wie der Fotografie oder den japanischen Farbholzschnitten zu verschließen, die gewohnte Sehweisen auf
bisher ungeahnte Art und Weise aufbrachen. In dieser
Hinsicht ist er vielleicht nur mit Edouard Manet
(1832 – 1883) zu vergleichen, dem er sich in freundschaftlicher Rivalität verbunden fühlte und deren besonderes – für das Verständnis von Degas’ Werk äußerst erhellende – Verhältnis Gegenstand eines eigenen Essays ist.2
Alle Exponate der Ausstellung werden im zweiten Teil des
Kataloges einzeln besprochen und in Kapiteln zusammengefasst, die die Entwicklung zentraler Motivgruppen
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KLASSIK UND EXPERIMENT IM WERK VON EDGAR DEGAS
1 Minerva vertreibt die Laster aus dem Garten der Tugend
(Kopie nach Andrea Mantegna), 1897, Pastell auf Leinwand,
66 × 81 cm, Paris, Musée d’Orsay
2 Das Ballett »Robert der Teufel«, 1876, Öl auf Leinwand,
76,6 × 81,3 cm, London, Victoria and Albert Museum
vom Früh- bis ins Spätwerk nachzeichnen. Die auf diese
Weise entstehenden Nachbarschaften mögen bisweilen
überraschen, veranschaulichen aber Degas’ gattungsübergreifende Bildkonzeption, die Kopie, Porträt, Historie
und Genre miteinander verbindet. Die vorgegebene Gliederung ist lediglich eine Lesart, ein Angebot an die
Betrachter, um einen Künstler zu verstehen, dessen vielschichtiges Werk nicht allein durch eine verengte Wahrnehmung einzelner Themenkomplexe wie Ballett und
Boudoir greifbar wird. Erst das Wissen um das polyfokale Zusammenspiel und die gegenseitige Abhängigkeit seiner Motive führt Degas’ vernetztes Denken in seiner ganzen Komplexität vor Augen. Erst das Wissen um seine
permanente Suche nach zeitgemäßen Darstellungsformen
des erzählerischen Mehrfigurenbildes verdeutlicht, warum ihn sein Weg vom antiken Griechenland in den Proberaum der Pariser Oper, vom Parthenon-Fries auf die
Rennbahn von Longchamp, von der klassischen Aktdarstellung ins Bordell führte.
verehrten Ingres als auch einige eher untypische Vorbilder
wie Botticelli, Tizian, Rembrandt, Rubens, van Dyck und
vor allem Delacroix, die von der vorurteilsfreien Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeit des jungen Künstlers
zeugen. Wie Margret Stuffmann in ihrem Beitrag ausführlich darlegt, war die Kopie für Degas kein kanonisch
abzuarbeitendes Kurrikulum auf dem Weg zur freien
künstlerischen Arbeit, sondern ist eine conditio sine qua
non für das tiefere Verständnis seines Schaffens.3 Die in
Frankreich um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch außerordentlich hoch angesehene Kopie bildete das Fundament seines Gesamtwerks, war Inspiration und zugleich
Rückversicherung für seine eigenständigen Bilderfindungen, denen, aller Orientierung zum Trotz, nichts Epigonales anhaftet.4
Die Ausstellung fußt in diesem Bereich vor allem auf
den grundlegenden Forschungen von Theodore Reff, der
sich über viele Jahre hinweg wie kein Zweiter systematisch
mit den Kopien im Werk von Degas beschäftigt hat.5 Darüber hinaus wurde sie angeregt durch Projekte wie die
Ausstellung Copier Créer, die die herausragende Bedeutung der Sammlungen des Louvre für das Schaffen zahlreicher französischer Künstler des 19. Jahrhunderts zum
Thema machte.6 Auch sind es die äußerst erhellenden
Querverbindungen zwischen Degas’ Kopien und seinem
Gesamtwerk, die Richard Thomson in The Private Degas
aufgezeigt hat.7 Und nicht zuletzt lieferte das der Kunst
der Wiederholung gewidmete Karlsruher Ausstellungsprojekt Déjà-vu? wesentliche Impulse für die vertiefte Beschäftigung mit der umfangreichen Kopiertätigkeit des
Künstlers.8
Degas und die Alten Meister
Als sektionsübergreifende Elemente erscheinen in Ausstellung und Katalog immer wieder Beispiele für Degas’
umfangreiche Kopiertätigkeit, die sich nicht nur auf zahlreichen Skizzenbuchseiten niederschlug, sondern von der
Druckgraphik über die bildmäßige Zeichnung bis hin zur
großformatigen Leinwand reichte. Das Spektrum seiner
Kopien ist dabei außerordentlich breit und beinhaltet sowohl von der Akademie sanktionierte Meister wie Raffael,
Leonardo, Bronzino, Poussin und den von ihm obsessiv