I-VW Management-Information
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Fokusthema 5 Trendmonitor 2 . 2011 Garantieprodukte: Lösung für die Herausforderungen der Schweizer Lebensversicherer? Daniel Berger Björn Peters Anbieter herkömmlicher Lösungen zur privaten Altersvorsorge stehen unter zunehmendem Handlungsdruck: Im historischen Vergleich niedrige Zinsen, erhöhte Kapitalkosten infolge neuer Solvenzregeln und die verstärkte Nachfrage nach individuellen Lösungen führen zur faktischen Ablösung der traditionellen kapitalbildenden Lebensversicherung hin zu einer neuen Produktgeneration mit externer Absicherung durch Deckungsgeschäfte, dem sogenannten Hedging. Dieser Artikel beleuchtet kurz die Treiber des Umbruchs und fokussiert auf neue Produktlösungen sowie die Herausforderungen bei deren Implementierung. Dabei zeigt sich, dass die neue Produktgeneration ein Umdenken im Risikomanagement erforderlich macht. Die Anforderungen bezüglich Beobachtung und Reaktion auf laufende Marktentwicklungen steigen signifikant und verlangen neue Prozesse und verbesserte technische Voraussetzungen. Aktuelle Entwicklungen Der Lebensversicherungsmarkt ist im Umbruch. Die Versicherer müssen sich grossen Herausforderungen stellen. Eine detaillierte Analyse der Marktentwicklung ist notwendig und eine darauf aufbauende Veränderung existierender Geschäftsmodelle erscheint aus heutiger Sicht unumgänglich. Nachfolgend werden die wichtigsten Markttreiber in diesem Zusammenhang betrachtet. Die Autoren Daniel Berger ist Senior Manager und stellvertretender Leiter des Bereichs Versicherungen bei BearingPoint Switzerland AG. Björn Peters ist Manager bei BearingPoint Switzerland AG im Bereich Versicherungen. Kunde Für Kunden war die Vernetzung untereinander noch nie so einfach wie heute. In Foren und in sozialen Netzwerken werden Erfahrungen über Erlebnisse ausgetauscht und so potenziell millionenfach verstärkt. Die Beobachtung und Nutzung solcher Bewegungen wird für Versicherer immer wichtiger (Abbildung 1). Während die Einflussmöglichkeiten des Versicherers bei einer Marketingkampagne im herkömmlichen Sinne hoch sind, ist der von den Kunden beigemessene Wert eher gering. Demgegenüber liegt die Wertschätzung der wenig vom Unternehmen beeinflussbaren Kommentare der vernetzten Kunden (connected customers) ungleich höher. Eine kontinuierliche Kundenbetreuung im Einzellebengeschäft erweist sich als schwierig, da der Berater wenig Ansatzpunkte hat, den Versicherten zu kontaktieren. Während der Laufzeit des Versicherungsvertrags gibt es im Normalfall kaum mehr Kontakt zwischen der Gesellschaft respektive dem Makler und dem Versicherten. Deshalb müssen mit Hilfe laufender Datenauswertung Veränderungen der Lebenssituation der Versicherten erfasst werden. Die Vertriebsorganisation sollte diese Anknüpfungspunkte für das Cross- und Up-Selling konsequent nutzen. Strategisch stellt sich die Frage, ob Gesellschaften, die ausschliesslich Lebensversicherungsprodukte anbieten, langfristig nachhaltig wirtschaften können. Verglichen zu einem Kranken- oder Sachversicherer bleibt die Anzahl möglicher Berührungspunkte auf jeden Fall geringer. Denkbare Ansätze zum Schliessen dieser Lücke sind die Nutzung eines externen Vertriebs, der auch Sachund Krankenversicherungslösungen anbietet, oder die Kooperation mit einem Sach- oder Krankenversicherer, um die Frequenz der Kundeninteraktionen zu erhöhen. Das Reinvermögen pro Kopf ist in der Schweiz seit 2005 von ca. CHF 305 000 auf ca. CHF 333 000 in 2009 angestiegen.1 Der steigende Anlagebedarf bietet die Chance für das Wachstum beim Vertrieb von Lebensversicherungsprodukten. Allerdings hat sich dieser Trend bis jetzt nicht im Wachstum der Lebensversicherer niedergeschlagen. Die Vermutung 29 30 Trendmonitor 2 . 2011 Fokusthema 5 werden und inwieweit sich die Kapitalanforderungen verändern. Potenziell könnte die Branche dadurch für Anleger weniger attraktiv werden. Branchenführer vermuten, dass der SST die Schweizer Versicherer benachteiligt, da in der EU mit Solvency II geringere Anforderungen gestellt werden. Hoch Vernetzter Kunde Wertschätzung des Kunden Offizieller Kommunikator Niedrig Die jährliche Untersuchung des Rückversicherers Swiss Re zeigt, dass in vielen Ländern Europas eine Vorsorgelücke für einige Bevölkerungsschichten besteht.2 Das heisst, dass ein hoher Bevölkerungsanteil in diesen Ländern den Lebensstandard der Ansparphase (Arbeit) in der Zeit des Entsparens (Rente) nicht erhalten kann. Gemäss dieser Studie ist die Bevölkerung der Schweiz davon kaum betroffen. Die betriebliche Vorsorge funktioniert gut und somit entfällt der Anreiz, eine umfangreiche individuelle Vorsorgelösung zu erwerben. Somit ist der Schweizer Markt für Vorsorgeprodukte im Bereich Einzelleben kein Wachstumsmarkt. Im Gegenteil, die Langlebigkeit und somit die Verschiebung der Alterspyramide führt dazu, dass künftig die Anzahl der Sparer sinkt und die Anzahl der Entsparer ansteigt. Somit reduzieren sich die Neuabschlüsse und das verwaltete Gesamtvermögen. Marketing Kampagne Einflusspotenzial der Unternehmen Hoch Abb.1: Kunden sind stärker vernetzt (Quelle: BearingPoint, Point of View, Connected Customer, 2010) liegt nahe, dass die Gelder kurzfristig angelegt wurden. Anbieter Der Fokus der Anleger liegt aktuell vor allem auf der kurzfristigen Werterhaltung ihres Vermögens. Dies hat zwei Gründe: Einerseits sind die Zinsen der tradi tionellen Kapitallebensprodukte wenig verlockend, um sich langfristig zu binden. Andererseits ist die Wirtschaftslage für die Anleger alles andere als sicher, weshalb bevorzugt in sichtnahe Produkte investiert wird. Somit werden in vielen Fällen Bankprodukte bevorzugt. Regulierung und Makroökonomie Der Schweizer Solvenztest (SST) dient zur Messung von Risiken und versucht, diese mit dem notwendigen Niveau an Eigenmittel zu quantifizieren. Die heutige Ausgestaltung scheint wenig kompatibel zum langfristigen Charakter des Vorsorgegeschäfts zu sein. Die nächsten Monate werden zeigen, welche effektiven Auslegungen vom Regulator durchgesetzt Die auf einem im historischen Vergleich niedrigen Niveau liegenden Zinsen scheinen sich in absehbarer Zeit kaum erholen zu können (Abbildung 2). Somit 7 6 Prozent 5 Am Ende der Laufzeit eines Lebensversicherungsprodukts wird das Kapital entweder in eine Rente umgewandelt oder als Gesamtsumme bezogen. Insbesondere bei der zweiten Alternative stellt sich die Frage der Wiederanlage. Es gelten die gleichen Überlegungen wie bei einer Neuanlage: Die Anleger wählen kurzfristige, sichtnahe und werterhaltende Instrumente, die vor allem durch Banken angeboten werden. 4 3 2 1 US Euro UK 0 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 Abb. 2: Zinssatz für 5-Jahres-Staatsanleihen (Quelle: Swiss Re) 08 20 09 20 10 20 Fokusthema 5 sind auch die Lebensversicherer gezwungen, tiefe und damit für Anleger wenig attraktive Garantiezinsen in ihren traditionellen Produkten anzubieten. Zusätzlich geraten die Versicherer bei der Wiederanlage unter Zugzwang, da die historisch gegebenen Garantien im heutigen Umfeld nur mit höherem Risiko – wenn überhaupt – noch zu erwirtschaften sind. Folge davon sind höhere Rückstellungen. Produkte und Vertrieb Wird die Produktlandschaft der Schweiz mit einigen anderen Märkten verglichen, fällt auf, dass hierzulande diverse Produkte kaum oder nur mit mässigem Erfolg angeboten werden. Es stellt sich die Frage, ob sich die Erfolgsaussichten im heutigen Marktumfeld positiv verändert haben. Mögliche Produkte sind Critical Illness (die Versicherung von terminalen Krankheiten), Longterm Care (Pflegeversicherung), Arbeitslosenversicherung sowie Restschuldversicherung (Credit Life), insbesondere für Hypotheken. Lebensversicherer in allen grossen Märkten fokussieren sich vermehrt auf Fondsprodukte, um die Risiken aus den Mindestzinsgarantien in den traditionellen Produkten zu begrenzen und somit den Kapitalaufwand zu senken. Auch Fondsprodukte mit Garantien gehören heute zur Standardproduktpalette vieler Versicherungsunternehmen. Im Gegensatz zu den traditionellen Garantieprodukten werden hier die Garantiekosten direkt auf den Kunden übertragen und Garantien von Dritten (Fondsgesellschaften) erbracht. Bei einer Umschichtung des Portfolios zu Fondsprodukten ist zu beachten, dass die Volatilität des Ergebnisses beim Versicherer tendenziell zunimmt, da die Erlöse einem Prozentsatz des verwalteten Fondsvermögens entsprechen und somit mit den Entwicklungen an den Wertpapiermärkten korrelieren. Zu beobachtende Entwicklungen im Vertrieb weisen klar in Richtung von MultiAccess-Lösungen. Neben Direktgeschäft über Onlineplattformen werden auch Kooperationen mit Banken im Bereich der neuen Produktkategorien verstärkt in Betracht gezogen. In diesem Zusammenhang wird auch der White-Labelling-Ansatz diskutiert. Hierbei vertreibt eine Gesellschaft Deckungen, bei der eine andere Gesellschaft als Risikoträger fungiert. Die Marke des Risikoträgers bleibt jedoch im Hintergrund. Zusätzlich gewinnen Aggregatoren wie comparis.ch oder unabhängige Finanzberater wie AWD zusätzlich an Bedeutung. Handlungsoptionen Übersicht der Handlungsoptionen Aufgrund der aktuellen Entwicklungen gibt es verschiedene Handlungsoptionen für die Lebensversicherer. Einerseits können Investitionen oder Desinvestitionen getätigt werden, anderseits bieten sich verschiedene Handlungsfelder im Bereich der Geschäftsmodelloptimierung, Kundenorientierung und der Optimierung des Produktportfolios. Aus strategischen und Solvenzüberlegungen können Kauf oder Verkauf eines Portfolios Sinn haben. Wir vermuten, dass aufgrund der neuen Solvenzvorschriften Portfolios in Zukunft eher den Besitzer wechseln als zuvor. Dabei kann das Portfolio sowohl für etwaiges Neugeschäft geschlossen werden (Run-off ) als auch weiterhin geöffnet bleiben. Die Geschäftsmodelle werden sich in absehbarer Zukunft weiterhin unterschiedlich gestalten. Herkunft, Kultur, aber auch Systemlandschaften erzeugen unterschiedliche Organisationsformen. Wir sind allerdings überzeugt, dass erfolgreiche Lebensversicherer sowohl die IT-Architektur als auch die Prozesse in starkem Masse standardisieren werden, um am Markt flexibel auf die Kunden bedürfnisse reagieren zu können. Dazu gehören adäquate und konsistente Servicedienstleistungen für den sogenannten «hybriden Kunden», der sich je nach Bedürfnis über unterschiedliche Kanäle an die Gesellschaft wendet. Trendmonitor 2 . 2011 In diesem Artikel werden vor allem die Optimierung oder auch die Neuausrichtung des Produktportfolios vertieft. Dabei spielen Kapitalbedarf und Marktnachfrage eine zentrale Rolle. Ein zu beobachtender Trend ist die Verbindung von fondsgebundenen Lebensversicherungen mit Garantien bezogen auf die Leistung im Todesfall oder in der Auszahlungsphase. Verschiedene Versicherungsunternehmen, die bereits derartige Produkte anbieten, erhoffen sich eine verbesserte Position gegenüber anderen Finanzintermediären, insbesondere bei der Wiederanlage von frei werdenden Mitteln aus traditionellen Altersvorsorgeprodukten. Zusätzlich bieten diese Produkte bei richtiger Risikoabsicherung eine geringere Belastung für die Bilanz. Der teilweise Transfer des Kapitalmarktrisikos an den Versicherungsnehmer ist für Versicherungsunternehmen ebenfalls attraktiv. Fondsgebundene Vorsorgeprodukte Fondsgebundene Kapital- und Rentenversicherungen sind am Markt etabliert. Im Rahmen eines solchen Produktes gibt die Versicherungsgesellschaft das Asset Management und die daraus resultierende geringere Volatilität bei der traditionellen kapitalbildenden Lebensversicherung auf und propagiert stattdessen eine direkte Partizipation an Kapitalmarktentwicklungen. Somit können erhebliche Kapitalkosten gespart werden, was auch im Hinblick auf die Anforderungen des Swiss Solvency Tests eine grosse Rolle spielen kann. Im engeren Sinne tritt der Lebensversicherer nur noch als Vermittler auf und erhält Gebühren für die Abwicklung des Geschäfts. Das Einkommen ist damit von der Entwicklung an den Finanzmärkten abhängig und wird somit volatiler. Eine Herausforderung besteht in der schwierigen Differenzierung von anderen Fondsanbietern, üblicherweise Banken. Diese haben einen langjährigen Erfahrungsvorsprung auf diesem Gebiet und bieten vielfach eine grössere Palette an verschiedenen Produkten an. 31 32 Trendmonitor 2 . 2011 Variable Annuititäten Um sich vom reinen Fondsanlagegeschäft der Banken zu differenzieren, bieten Lebensversicherungsunternehmen sogenannte Variable Annuitäten an. Im Rahmen derer kann der Kunde – ähnlich wie bei klassischen Sparprodukten – aus verschiedenen Garantien wählen. In Europa sind Variable Annuitäten seit 2006 auf dem Markt präsent. Etabliert haben sich die Produkte zuerst auf dem britischen Markt. Mittlerweile werden sie in fast allen europäischen Ländern vertrieben. In Deutschland werden Variable Annuitäten bedingt durch die Vorgaben der Anlageverordnung und der Deckungsrückstellungsverordnung nicht über deutsche Risikoträger angeboten, allerdings ist der Vertrieb der Produkte in Deutschland nicht eingeschränkt. Im Rahmen der Variablen Annuitäten werden die Garantien für Mindestleistungen üblicherweise von der Kapitalanlage getrennt und als Kosten separat ausgewiesen. Neben erhöhter Transparenz ermöglicht diese Produktkategorie – je nach Gestaltung – hohe Flexibilität, zum Beispiel Fondswechsel, Teilentnahmen, variabler Abrufzeitpunkt für die Anleger. Die Investition in Fonds erfolgt sowohl in der Anspar- und Aufschubphase als auch während der Bezugsphase, um die Chancen auf eine Erhöhung der Bezüge zu wahren. Der Kunde kann seine Investmentstrategie wählen und im Laufe des Vertrags anpassen. Der modulare Aufbau des Pro- Fokusthema 5 duktes ermöglicht ein individuell gestaltbares Angebot im Massengeschäft. Dabei müssen die Anbieter darauf achten, trotz hohen Individualisierungsgrades die Flexibilität in kontrollierbaren Grenzen zu halten. Während hierdurch auf der Kundenseite die Transparenz und Verständlichkeit dieses komplexen Produktes verbessert werden kann, geht es intern um die möglichst standardisierte und automatisierte Administration der Geschäftsvorfälle. Versicherer haben Garantien eingeführt, um dem Kundenbedürfnis nach Sicherheit Rechnung zu tragen. Diese Garantien sind als Produktoptionen ausgestaltet und können unabhängig von der Produktstrategie gewählt werden. Für den Versicherungsnehmer liegt die Attraktivität des Produkts darin, sich für einen festgelegten Preis – bis zu 70 Basispunkten – gegen sinkende Märkte abzusichern. Am Markt existieren verschiedene Garantietypen, die je nach Anbieter mit zusätzlichen Elementen ausgestattet werden, die diese Garantiewerte bei günstigem Verlauf erhöhen und für die verbleibende Vertragslaufzeit festschreiben (Abbildung 3). Die wohl umfangreichste Garantie schreibt die im Vertragsverlauf zu erwartenden Auszahlungen fest, garantiert also die Entnahme. Dieser sogenannte Guaranteed Minimum Withdrawal Benefit (GMWB) kann als eine garantierte lebenslange Mindestrente interpretiert werden. Hingegen schreibt der Type of Guarantee Additional Options Cost in Basis Points GMWB Return of premium via annual withdrawal Ratchet 30 - 75 GMIB Guatanteed income at annuitisation Rollup, Reset, Ratchet 30 - 70 Lump sum at the end of specific periods (5 - 10 years) Rollup, Reset, Ratchet 30 - 70 Lump sum on death Rollup, Reset, Ratchet 10 - 40 GMAB GMDB Abb. 3: Absicherungskosten bei Variable-Annuity-Produkten in Abhängigkeit vom Garantietyp (Quelle: Versicherungswirtschaft und Research BearingPoint) Guaranteed Minimum Income Benefit (GMIB) die Mindestrente zum Zeitpunkt des Übergangs in die Bezugsphase fest. Implizit sind damit das Mindestkapital zum Ende der Aufschubzeit und der Rentenfaktor in der Bezugsphase garantiert. Gegen schlechte Performance der Kapitalanlage schützt die als Kapitalaufstockung zu bezeichnende Garantieform, der sogenannte Guaranteed Minimum Accumulation Benefit (GMAB). Die (erweiterte) Beitragsrückgewähr im Todesfall wird als Guaranteed Minimum Death Benefit (GMDB) bezeichnet. Für die bereits erwähnten zusätzlichen Elemente bei der Ausgestaltung von Variable-Annuity-Produkten möchten wir drei Beispiele näher betrachten: Als Ratchet wird die Höchststandsicherung bezeichnet. Dabei werden bei guter Performance der gewählten Fonds die Höchststände der Rentenberechnungsgrundlage eingefroren, die auch Bestand hat, wenn die Fondsentwicklung im Nachhinein negativ ist. Die Rentenberechnungsgrundlage kalkuliert sich aus der Addition der Anlagebeiträge. Rollups stellen eine vertraglich vereinbarte Prämienverzinsung der Anlagebeiträge bis zur Rentenphase oder sogar darüber hinaus dar. Bei Resets wird die garantierte Todesfallleistung an jedem Jahrestag der Police auf das aktuelle Fondsvermögen angepasst. Dabei kann der Wert im Gegensatz zur Höchststandgarantie (Ratchets) auch fallen. Die verschiedenen Garantien werden mit Derivaten abgesichert. Diesen komplexen Hedging-Prozess adäquat abzuwickeln, ist eine erhebliche Herausforderung für einen traditionellen Versicherer. Je höher die Flexibilität des Produktes, desto komplizierter werden die Verwaltung des Risikos und die Anpassungen im Asset-Liability-Management, welche bei Variablen Annuitäten um ein Vielfaches schneller abgewickelt werden müssen als bei traditionellen Produkten. Die Erfahrungen vieler Versicherungsunternehmen mit der Preisbewertung für Optionen, dem ständigen Umgang mit komplexen Simulationen und hochfrequentem Hedging sind eher begrenzt. Fokusthema 5 Dagegen ist das Langlebigkeitsrisiko, das beim Versicherer verbleibt und insbesondere unter GMWB-Bedingungen erheblich ist, für die Versicherer nicht neu. Auch wenn das Kapitalmarktrisiko für die laufenden Verträge durch den Erwerb von Optionen auf Dritte übertragen wird, ist die Kostenbasis für das Versicherungsunternehmen keineswegs langfristig gesichert. Die Kosten für die Optionen und damit die Garantien schwanken mit der Wertentwicklung auf den Börsen. Die Aufwendungen für verschiedene Hedging-Verfahren werden auf den Kunden – üblicherweise ohne signifikante Marge – übertragen. Abbildung 3 stellt einen Überblick über deren ungefähre Höhe dar. Zu beachten ist, dass sich diese Kosten mit zunehmender Volatilität tendenziell erhöhen. Versicherungsunternehmen tragen dabei das meiste Risiko, da sie die Aufwendungen bei Versicherungsbeginn für den Kunden fixieren. Die Kosten des Hedging sind so hoch, dass es quasi eine Null-FehlerToleranz im Absicherungsprozess gibt, da ansonsten von der geringen Marge nichts mehr übrig bleibt. Während diese Produkte die Möglichkeit für mehr Kundeninteraktionen und damit «Cross- und Up-Selling-Potenzial» bieten, ist zu erörtern, inwieweit das existierende Vertriebsmodell für Variable Annuitäten geeignet ist. Neben dem Vertrieb über die eigene Aussendienstorganisation existieren am Markt auch Initiativen zu Kooperationen mit Banken oder unabhängigen Finanzberatungsunternehmen und Maklerorganisationen. Constant Proportion Portfolio Insur ance Bei Constant Proportion Portfolio Insur ance (CPPI) handelt es sich um eine spezielle Absicherungsstrategie. Vereinfacht ausgedrückt basiert diese auf einer kontinuierlichen Portfolio-Umschichtung zwischen risikoreichen und -armen Anlagen. Grundsätzlich sieht der CPPI-Mechanismus zwei Instrumente vor. Die Wertsicherungsgarantie des Produkts impliziert, dass der Wert jederzeit grösser gleich dem Barwert der Garantie (Floor) bleiben muss. Zunächst wird der Floor in risikolose Anlagen mit Fokus auf Kapitalerhalt, beispielsweise in Zerobonds und / oder Rentenfonds, investiert. Die Differenz zwischen dem Wert des Produkts und dem Floor wird als Cushion oder auch Puffer bezeichnet. Der entsprechende Wert wird in riskantere Anlagen wie Aktienfonds investiert, um eine Chance auf Wertsteigerungen beizubehalten. Im Rahmen einer CPPI-Strategie findet eine kontinuierliche Umschichtung zwischen dem Floor und dem Cushion in Abhängigkeit von der bereits erzielten Wertentwicklung der Anlagen statt. Wird als maximal erwarteter Verlust der Wertsteigerungskomponente weniger als der Totalverlust angenommen, so kann ein Vielfaches (Multiplikator) des Puffers in diese Komponente investiert werden. Falls beispielsweise von einem maximal erwarteten Verlust der Anlage mit Fokus Wertsteigerung bis zur nächsten Reaktionsmöglichkeit, z. B. ein Tag, von 33,3 Prozent ausgegangen wird, ergibt sich ein Multiplikator von 3. Damit kann der dreifache Wert des Puffers in die Wertsteigerungskomponente investiert werden. Gegen grössere Verluste kann das Vermögen mit Derivaten, z. B. Crash Puts, abgesichert werden. Sie gleichen nach einem Crash den – über der Annahme liegenden – Verlust aus der Wertsteigerungskomponente aus, sodass in Summe das Vermögen wieder ausreicht, um die Wertsicherungsgarantie zu gewährleisten. Um den Kunden die geforderte massgeschneiderte Lösung anbieten zu können, kann eine Individualisierung der Garantie erfolgen. Hierfür können beispielsweise Aspekte wie der Zeithorizont, die Höhe oder der Typ der Garantie herangezogen werden. So entsteht jedoch in Kombination mit den herkömmlichen Gestaltungselementen eine beachtliche Komplexität aufgrund der Vielzahl der Varianten. Eine erhebliche Herausforderung bei CPPI-Produkten liegt in der Unterschätzung des Crash-Potenzials. In solchen Fällen unterschreitet der Wert der Gesamtanlage den Barwert der Garantie. Der Mechanismus führt in diesem Fall zur vollständigen Umschichtung in die risiko- Trendmonitor 2 . 2011 lose Anlage. Somit sind zukünftige Wertsteigerungen nicht mehr möglich, da sämtliches Vermögen für die Wertsteigerung aufgebraucht ist. Der sogenannte Cashlock ist eingetreten. Die neueste Entwicklung im Rahmen der dynamischen Hybridprodukte fokussiert auf die vertragsindividuell abgebildeten Garantien. Hierbei sieht CPPI die Nutzung von drei statt vormals zwei «Töpfen» vor, zwischen denen je nach Performance automatisch umgeschichtet wird: Deckungsstock, Garantiefonds und Fondsuniversum. Eine Anlage in risikoreiche Fonds erfolgt nur, wenn der Barwert der Garantien mit risikoarmen Anlagen abgesichert ist. Die Wahrscheinlichkeit eines drohenden Cashlocks – zuvor bei Erwerb von Fonds mit hohem Garantieniveau und fallenden Kursen möglich – wird hier stark gesenkt. Eine Monetarisierung der Fonds kann aber bis zum Ende der laufenden Sicherungsperiode eintreten. Ein Vergleich der Mechanismen von Zweitopf- und Dreitopfvariante ist in Abbildung 4 dargestellt. Implementierungsherausforderungen Während Fondsprodukte ohne Garantien relativ einfach im Hinblick auf den Vertrieb und die Kapitalanlage zu implementieren sind, stellen sich bei Variablen Annuitäten mit Garantien wesentlich neue Herausforderungen. Im Folgenden sollen einige davon näher beleuchtet werden. Vertrieb Ähnlich wie bei den Fondsprodukten ohne Garantien müssen die Mitarbeiter im Bereich Vertrieb sowohl im Hinblick auf die diversen Investitionsmöglichkeiten als auch die verschiedenen Garantietypen geschult werden. Die Gefahr, dass der Kunde eine Lösung kauft, die nicht bedarfsgerecht ist, erhöht sich mit der Komplexität des Produkts. Variable Annuitäten müssen deshalb sorgfältig und begleitet von umfassenden Schulungsaktivitäten eingeführt werden. Insbesondere muss der Kunde über deren Risiken aufgeklärt werden. 33 34 Trendmonitor 2 . 2011 Fokusthema 5 Garantiewert zu Beginn Puffer Barwert der Garantie «Multiplikator» hier x3 Sinkende Märkte Anlage Fokus Wertsteigerung Anlage Fokus Wertsteigerung Anlage Fokus Wertsteigerung Totalverlust Cashlock Wertsteigerung Wertsteigerung Wertsteigerung Anlage Fokus Kapitalerhalt Steigende Märkte Anlage Fokus Kapitalerhalt Anlage Fokus Kapitalerhalt Anlage Fokus Kapitalerhalt Puffer Anlage Fondsuniversum Fondsuniversum Anlage Garantiefonds Anlage Garantiefonds Anlage Garantiefonds Anlage Garantiefonds Anlage Deckungsstock Anlage Deckungsstock Anlage Deckungsstock Anlage Deckungsstock Barwert der Garantie Abb. 4: Typische Risiken bei Variable-Annuity-Produkten Hedging Bei der Einführung der Hedging-Funktionalität sind folgende vier Fragen von zentraler Bedeutung: •• Wie sieht der Hedging-Prozess aus? •• Was ist zu hedgen? •• Welche Hedging-Fehler ist die Versicherungsgesellschaft bereit selbst zu tragen? •• Sollen eine eigene Hedging-Plattform und eigene Algorithmen verwendet werden oder verschiedene Arten des Outsourcings geprüft werden? Die Einbettung des Hedging-Prozesses in die Abläufe der Versicherungsunternehmen bildet die Grundlage einer vertieften und notwendigen Analyse, mit der diese vier Fragen beantwortet werden können. Es ist zu beachten, dass an verschiedenen Punkten Marktdaten verwendet werden müssen. Es ist deshalb unerlässlich, dass die Versicherungsgesellschaft diese Daten konsistent verwendet und immer von der gleichen Quelle bezieht. Verschiedene Versicherer haben durch die inkonsistente Verwendung dieser Marktdaten sehr viel Geld in Form von erfolgswirksamen Bewertungsdifferenzen verloren. Diverse Spezialisten bie- ten unterschiedliche Konzepte sowohl im Hinblick auf einzelne Teile als auch auf die gesamte Hedging-Wertschöpfung an. Die Prozessanalyse hilft auch hier diejenigen Bereiche zu identifizieren, die sich für das Outsourcing eignen. Hierzu müssen weitere Daten bereitgestellt werden. Insbesondere die angenommene Vertriebsleistung spielt eine Schlüsselrolle. Die Einführung eines Variable-AnnuityProdukts hat darüber hinaus zentrale Auswirkungen auf das Risikomanagement. Ähnlich einer Bank müssen die Versicherungsunternehmen nun täglich gewisse Risiken bewerten und allenfalls Korrekturmassnahmen einleiten. Dies hat nicht zuletzt auch auf der technologischen Seite Anpassungsbedarf zur Folge. Es empfiehlt sich bereits bei der Lancierung des Produkts, eine Hedging-Strategie zu definieren. Bei noch kleinen Volumen können die Hedging-Prozesse auf wenigen Spreadsheets verwaltet werden. Es sollte jedoch ein klarer Plan bestehen, ab welchem Volumen auf eine professionelle Lösung umgeschaltet werden muss. Dieses Vorgehen ermöglicht es, den Markt zunächst zu testen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, dass schnell auf die professionelle Lösung umgeschaltet werden kann, damit die Bilanz nicht mit zu grossen Risiken konfrontiert wird. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Versicherer seine Risikomanagementkultur entsprechend anpassen muss. Dabei wird dem Aktuariat bei der Berechnung von Kapitalmarktsimulationen eine entscheidende Funktion zukommen. Ausblick Die neue Produktgeneration von Lebensversicherungsprodukten bietet die Chance, dass sich die Branche von ihren teuren und wenig konkurrenzfähigen Mindestzinsgarantie-Produkten lösen kann. CPPI oder Variable Annuitäten erfüllen das Bedürfnis des Kunden nach langfristigem Sparen mit individuellen Garantien. Gleichzeitig erfüllen insbesondere die Letzteren die Forderung nach Transparenz bezogen auf die Garantiekosten. Damit entlasten sie die Bilanzen der Versicherungsunternehmen. Diese signifikanten Chancen kommen mit einigen Risiken, die es zu beschränken gilt. Fokusthema 5 Die Einführung und Abwicklung derartiger Produkte setzt einen Kulturwandel in der Branche voraus. War das tägliche Risikomanagement bei traditionellen Produkten relativ überschaubar, verändern sich die neuen Produkte in der gleichen Geschwindigkeit wie die Märkte. Unverzögerte Reaktionen auf Marktentwicklungen sind zur Pflicht geworden. Analog zu den Banken müssen Lebensversicherer nun Risikomanagementprozesse entwickeln, die über Sofortmassnahmen die Risiken beschränken, wenn sich diese nicht über ein Hedging abfangen lassen. Insbesondere Risiken aus Kundenverhalten, Abwicklungsfehlern und das Kreditausfallrisiko der HedgingGesellschaft können kaum abgedeckt werden. Um teure Fehler von Anfang an zu vermeiden, ist ein starker Fokus auf den Einsatz der verfügbaren Expertise in der Strategie- und Planungsphase zu legen. Nur auf Grundlage einer lückenlosen Planung können die beschriebenen Herausforderungen bei der Umsetzung adäquat gemeistert werden. Wenn die Transformation der systemtechnischen Unterstützung und relevanten Prozesse Trendmonitor 2 . 2011 sowie der notwendige Mentalitätswandel entlang der Wertschöpfungskette im Front- und Backoffice gelingt, werden die Garantieprodukte bei der Lösung der Herausforderungen der Schweizer Lebensversicherer eine grosse Rolle spielen. Anmerkungen 1 2 Vgl. Schweizerische Nationalbank (2010): Vermögen der privaten Haushalte 2009, unter http:// www.snb.ch/de/mmr/reference/pre_20101119/ source/pre_20101119.de.pdf. Vgl. Swiss Re (2010): Customer for Life, unter http://media.swissre.com/documents/Customers_for_life.pdf. 35