Schwäbische Küche
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Schwäbische Küche
ESSEN UND TRINKEN 9 ZÜRICHSEE-ZEITUNG DIENSTAG, 4. SEPTEMBER 2012 Genuss im Schwabenländle GASTRO VON GABRIELLE BOLLER SCHWÄBISCHE KÜCHE. Maul taschen, Zwiebelrostbraten und Spätzle, dafür ist die südwestdeutsche Küche bekannt. Aus einfachen Zutaten werden bodenständige Gerichte zubereitet. Denn das Ländle gibt viel Schmackhaftes her. GABRIELE SPILLER Als es am Morgen noch nicht «to go» hiess, steckten in einem Vesperkorb viele feine Sachen: Knöchle (Schweine haxe), Tellersulz, angemachter Backstoikäs, Seelen (Brotstangen) und Laugenbrezeln. Getrunken wurde dazu saurer Most oder Bier. So ausgerüstet, liess sich ein Arbeitstag in der Werkstatt oder auf dem Bau gut überstehen. Handwerksmeister gingen gegen 10 Uhr ins Wirtshaus und bestellten sich einen Schoppen Wein, saure Nierle oder Ripp le. Man nahm sich Zeit für ein währschaftes Morgenessen oder eine gemütliche Brotzeit am Nachmittag. Umso mehr jemand arbeiten musste, desto karger fiel seine Pause aus, sagte man. Aber Die schwäbische Küche Dieses Kochbuch macht Lust darauf, gleich einzukaufen und anzufangen. Es ist besonders schön inszeniert und mit Lokalkolorit fotografiert. Neben übersichtlichen Anleitungen bestechen die Abbildungen einzelner Arbeitsschritte unter dem Motto «Das ist wirklich wichtig». Auf Themenseiten kommen regionale Erzeuger zu Wort, und der Lesende erfährt etwas über alte Gemüsesorten und historische Anbau methoden. (gsp) Die schwäbische Küche Matthias Mangold, mit 119 Farbfotos von Michael Schinharl. ISBN 978-3-440-12587-8, Franckh-Kosmos-Verlags GmbH & Co. KG. 27.90 Franken. Ein Wiedersehen M ein Onkel, der während seiner Studienzeit im Enge-Quartier in Zürich gewohnt hatte, erzählte neulich, wie er abends gerne noch in den «Bederhof» auf ein Bier ging, «sonst gab es hier keine Beiz». Das war so ungefähr vor fünfzig Jahren – seit einiger Zeit ist die alte Quartierbeiz nun wieder zum sehr beliebten Aufenthaltsort nicht nur der Quartierbewohner geworden. Woran das liegt? Das konnte ich unlängst anlässlich eines kleinen Lokalbesuchs mit Verwandtschaft testen. Bekannt ist die schwäbische Küche für bodenständige Kost wie beispielsweise Schweinehaxe. Bild: key auch: «Guat g’vesperet isch scho halb g’schafft.» Mit den Erzeugnissen aus der eigenen Erde liegt die schwäbische Küche im Trend. Ein Ochsenmaulsalat oder «saure Rädle» (marinierte Kartoffeln) haben exotische Experimente verdrängt. Renommierte Köche setzen wieder auf regionale Klassiker, die auch daheim ohne grossen Aufwand nachzukochen sind. Zum Beispiel Linsengemüse mit Saiten und Speck, bei dem die Hülsenfrüchte mit mildem Essig abgeschmeckt und mit Brühwürsten vom Rind oder Schwein serviert werden. Maulbronner Maultaschen Die kulinarischen Grenzen sind fliessend und machen vor den politischen nicht halt. Die Region Schwaben zieht sich vom Schwarzwald bis zum Bodensee und über das Allgäu bis nach Bayern. Rund acht Millionen Menschen sind dort zuhause. So kommen einem die Gerichte bekannt vor: Zwiebelkuchen oder Schäufele (gepökelte und geräucherte Schweineschulter) findet man auch jenseits des Rheins. Flädlesuppe und Fleischküchle beherrscht wohl jede gute Hausfrau im deutschsprachigen Raum. Auch wenn Teigtaschen in Varianten international weit verbreitet sind, so darf doch den Mönchen des Klosters Maulbronn die schwäbische Maultasche zugeschrieben werden. Sie diente als unscheinbares Versteck für Fleischfüllungen, die in der Fastenzeit verboten waren. Dann packten sparsame Hausfrauen Wurst- und Speckreste sowie klein gehacktes Gemüse in die Hülle – eine Resteverwertung der leckeren Art. Inzwischen machen sich professio nelle Köche einen Wettbewerb daraus, Maultaschen kreativ zu füllen: Wachtelbrüstchen mit Serranoschinken, Lachs und Mangold, Entenleber und Kalbsbries sind schon im Inneren einer Maultasche gesichtet worden. «In einem unliebenswürdigen Gewand verbirgt sich ein delikater Kern», sagte der Volksdichter Thaddäus Troll, der bei den Maul taschen und dem Schwaben schlechthin eine Wesensverwandtschaft entdeckte. Klassiker Käsespätzle Ähnlich unscheinbar und doch variabel zeigen sich die Spätzle. Zunächst muss jedoch die Zubereitungsweise geklärt werden. Sollen sie aufwändig von Hand auf dem Brett geschabt werden, oder tut es auch der Spätzlehobel (eine Reibe), ein Spätzle-Schwob (eine Presse) oder die Spätzle-Hex (eine Walze, die gekurbelt wird)? Wenn die Grundzutaten Weizenmehl, Eier, Salz und Wasser verschlagen worden sind, dürfen Kräuter, Spinat, Rindsleberstücke oder gekochter Kürbis beigegeben werden. Noch experimentierfreudigere Zeitgenossen und Zeitgenossinnen greifen zu Ingwer, Chili, Nüssen oder Mohn. Der Klassiker bleiben Käsespätzle, die mit Emmentaler, Bergkäse oder Greyerzer in eine feuerfeste Form geschichtet und im Ofen gebacken werden. Sie kommen mit abgeschmolzenen Zwiebelringen auf den Tisch. Auch die schwäbischen Desserts sind teiglastig, zum Beispiel Dampfnudeln und fettgebackene Krapfen wie «Nonnenfürzle». Oft findet sich eine Fruchtfüllung im Gebäck. Denn an Obst mangelt es der Region nicht, und der Schwabe klaubt auch noch den letzten Apfel vom Feld, um ihn einer köstlichen Verwertung zuzuführen. «Für Regionalität braucht man sich nicht zu schämen» SCHWÄBISCHE KÜCHE. Der Sternekoch Christian Henze kennt sich mit schwäbischer Küche bestens aus, führt er doch an seinem Wohnort Kempten im Allgäu eine der beliebtesten Kochschulen im deutsch sprachigen Raum. INTERVIEW: GABRIELE SPILLER In seinen rund 20 Kochbüchern und seiner Kochsendung «Iss was» (freitags auf MDR) stellt Christian Henze gerne einfache, «ehrliche», regionale Gerichte vor. Seine Kochschule ist übrigens mit dem Cooking Together Award 2009 ausgezeichnet worden. Sind Sie mit schwäbischer Küche aufge wachsen? Christian Henze: Ja, ich bin in Füssen gross geworden, und die gute regionale Küche hat meine Berufswahl beeinflusst. Kochen war schon immer mein Ding, also habe ich eine Koch lehre gemacht und bereits nach wenigen Monaten gemerkt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt und viel Lebenskraft ins Kochen gesteckt. 1990 wurde ich zweiter Küchenchef im Restaurant Agnes Amberg in Zürich, einem der besten Restaurants der Schweiz. Direkt danach arbeitete ich bei Eckart Witzigmann in der «Aubergine» in München. werte Küche; keine Physalis, kein Panga sius, keine Crevetten mit Curryschaum. Der Sonntagsbraten ist wieder in – für Familien oder auch für Einzelne. Früher Welches ist Ihr schwäbisches Lieblings gericht? Am liebsten habe ich den Zwiebelrostbraten. Ich brate die Lende im Ganzen als grosses Fleischstück an. Dann lasse ich sie zwei Stunden im Backofen bei 80 Grad nachgaren, bis sie zart und rosa ist. Bei den Zwiebeln gebe ich scharfen groben Senf dazu, brate sie an und lösche sie mit Bieressig ab. Natürlich gehört Butter dazu. Auch die ist wieder salonfähig geworden, zum Glück. Dort haben Sie Gunter Sachs kennen gelernt, der Sie abwarb. Abwerben ist so ein unschönes Wort, aber in der Tat hat er mich in der «Auber gine» angesprochen und engagiert. Mit seiner Familie und ihren Gästen war ich weltweit unterwegs: St-Tropez, Gstaad, Deauville, Palm Springs ... ich durfte für Gio vanni Agnelli, Roger M oore und Roman Polanski, Claudia Schiffer und Linda Evangelista oder Thomas Gottschalk kochen. Auch schwäbische Spezialitäten? Ja, zum Beispiel Käsespätzle oder Zwie belrostbraten. Gunter liebte die regionale Küche. Auch gefüllte Paprika-Schoten oder Königsberger Klopse. Ich möchte anmerken, dass Saisonalität und Regionalität ein Mega-Trend ist. Der Verbraucher möchte eine authentische und preis- hat man sich eher geschämt für Regionales, aber inzwischen ist man wieder stolz auf die Früchte, das Gemüse, das Fleisch, das Wild. Und die regionale deutsche Küche ist die markanteste der Welt. Sie ist unverwechselbar. Und wie halten Sie Ihre schlanke Figur? Käsespätzle sollte man vielleicht nicht jeden Tag essen, aber wenn, dann richtig und mit Genuss. Ich esse ganz normal, alles mit Mass. Ich habe mir angewöhnt, über den Tag oft, aber keine Riesenportionen zu essen. Dazu treibe ich etwas Sport, aber drei Mal 20 Minuten pro Woche reichen. Sternekoch Christian Henze. Bild: zvg Weitere Infos: www.christianhenze.de D as Interieur mit den traditionellen Holzbänken ist unangestrengt stilvoll – ebensolches könnte man vom Angebot der Karte mit Klassikern ohne Schnickschnack sagen. Unser Tisch wählte denn auch in der Mehrheit eine der Spezialitäten des Hauses, das Wienerschnitzel mit Kartoffelsalat (37.50 Franken), während ich mich für den Tagesfang auf dem Mittagsmenü entschied, ein Lachsforellenfilet (27 Franken). Zum Menü wurde ein kleiner Salat gereicht: gemischter grüner Salat und frische Erbsen an einer köstlich milden, leicht süsslichen Sauce, dazu etwas rahmig angemachter Sellerie. Dann warteten wir bei Bürli, Bier, Primitivo und Wasser aus der hauseigenen Schnappverschluss-Flasche ein Weilchen auf den Hauptgang, der dann einen sehr überzeugenden Auftritt hatte. Meine saftige Lachsforelle kam auf Gemüsereis mit Rübchen, Zwiebelchen und Koriander an einer schaumigen, dezent Akzente setzenden Meerrettichsauce sehr ansprechend daher. Aber erst die Wienerschnitzel – Prachtexemplare mit perfekter Panade, die goldbraun-wellig das zarte, liebevoll flach geklopfte Kalbfleisch locker umhüllt. Vorzüglich, wurde mir versichert. Von der Klasse des dazu servierten Kartoffelsalats konnte ich mich dann bei einer kleinen Kostprobe selbst überzeugen: noch leicht lauwarm, mit Gewürzgurkenstückchen, etwas Schnittlauch und von der feinwürzigen Sauce – selbstredend keine Mayo – bis zur genau richtig schmalzenden Feuchtigkeit durchtränkt. Einer der besten seiner Art, garantiert. Mein Onkel bestellte sich zum Dessert noch zwei Kugeln Sorbet (9 Franken), Himbeere, so tiefrot, wie es meine Oma jeweils aus den Gartenbeeren herstellte, und Birne, und fand es sichtlich lustig, nach all den Jahren wieder einmal hier zu sitzen. Bederhof und Bederbar Brandschenkestrasse 177, 8002 Zürich-Enge, Telefon 044 285 15 00 Essen und Trinken Auf der wöchentlich erscheinenden Seite «Essen und Trinken» stellt die «Zürichsee-Zeitung» aktuelle Gastro-Themen vor. Wer diesbezüglich Vorschläge und Anregungen hat, der sende diese an die «ZürichseeZeitung», Ressort «Gesellschaft», Seestrasse 86, 8712 Stäfa, oder schicke eine E-Mail an [email protected]. (zsz)