Entdeckt: Modefotografien von Landshoff Ausgewählt: Filter für die
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Entdeckt: Modefotografien von Landshoff Ausgewählt: Filter für die
II.2014 D 9,80 EUR A 10,90 EUR L 10,90 EUR CH 18,90 CHF Hermann Landshoff, June Ross und Plush in Point Lookout 1957 © Münchner Stadtmuseum, Archiv Hermann Landshoff www.photoklassik.de Das Magazin für aktuelle analoge Fotografie Entdeckt: Modefotografien von Landshoff Ausgewählt: Filter für die Fotopraxis Getestet: Zwei neue Multigrade-Papiere Erklärt: Grundlagen der Farbentwicklung 1 Zuverlässige Kamera Die G2 begleitete mich über ein Jahr lang in den Straßen Vancouvers und in Tbilisi (Georgien) bis nach Kirgistan ins Tian-Shan-Gebirge. Die Kamera hat sich dabei als äußerst robust erwiesen. Die Verarbeitung ist sehr solide, wie es ich es auch von der T3 und TVS III kenne. Nur in der Kälte streikte die Kamera manchmal – ein Grund, warum ich erst zur Zeiss Ikon und dann zur Leica M6 wechselte. Heute benutze ich aber wieder die etwas kleinere und leichtere G1, zusammen mit dem Zeiss Biogon 2,8/21 mm. An ihr schätze ich die Robustheit und intuitive Handhabung, sowie die enorme Bildqualität, die das Biogon ermöglicht. Die Kamera hat viel mehr elektronische Elemente als eine M6 und so könnte man eine geringe Lebensdauer erwarten. Doch komplette Kamera-Ausfälle während meiner Fotoprojekte verursachten in der Vergangenheit immer nur mechanische Teile. Eine Contax war nie dabei. Eine gepflegte G1 oder G2 wird viele Jahre lang gute Dienste leisten. Die Kameras sind so gut, dass ich mir gerade wieder eine G1 mit dem Biogon geholt habe, als kompakte Weitwinkel-Lösung für dynamische Fotografie oder Landschaftsaufnahmen im Weitwinkelbereich. Die G1 ist leichter als die G2 und mit dem 21-mmObjektiv ist auch der langsamere und etwas zickigere Autofokus weniger ein Thema. Bei Einsatz des Planar 45 mm und vor allem des Sonnar 90 mm aber ist die G2 überlegen. Manche haben anfangs Probleme mit dem Autofokus, der auf vertikale Linien angewiesen ist – letztlich nicht anders als ein manueller Messsucher. Wer also mit Messsuchern gearbeitet hat, wird kaum Probleme haben, wer von einer Spiegelreflex kommt, schon eher. Am problematischsten ist das 90-mm-Objektiv, vor allem an der G1. Aber das ist relativ zu sehen: ein 90-mm-Objektiv mit dem regulären 0,72-Sucher der Leica M exakt zu fokussieren, das ist auch nicht einfach. Kirgistan Kodak Ektar 100 Solide Sucherkameras Contax G1 & G2 Titanlegierung, Autofokus, Zeitautomatik, motorischer Filmtransport und hervorragende Objektive – als die Contax G1 1994 auf den Markt kam, war sie eine kleine Revolution im Segment der Sucherkameras. Auch heute noch sind die G1 und das Nachfolgemodell G2, die sich beide als robust und zuverlässig erwiesen haben, eine Überlegung wert. Fotografie und Praxis: Peter Schön Geschichte und Technik: Christoph Jehle 10 Gegenüber einer Leica M oder Zeiss Ikon ist der Sucher wesentlich kleiner und dunkler. Da die Kamera aber Autofokus hat, ist das in der Praxis weniger relevant. Die Kamera ist auch etwas lauter als eine M – wobei eine M6 oder Zeiss Ikon auch nicht gerade besonders leise Kameras sind. (Wenn es richtig leise sein soll, greife ich zur GF670 / Bessa III.) Auch wenn die Preise für die G-Kameras und Objektive sehr angestiegen sind, vor allem für die schwarzen Varianten, so ist das G-System nach wie vor ein vergleichsweise günstiges System, vor allem, was die Objektive angeht, die oft erheblich günstiger zu bekommen sind als ihre M-Bajonett-Gegenstücke von Zeiss und Leica. Zwei Objektive sind dabei hervorzuheben: Biogon 2,8/21 mm Das Biogon 2,8/21 mm ist äußerst hochauflösend und verzeichnungsfrei, dabei aber kompakt, relativ leicht und recht lichtstark. Das G-System ist meiner Meinung nach (neben der Bessa R4 mit eingebautem 21er Leuchtrahmensucher) das perfekte 21-mmSystem: Zwar verlangen die 21 mm einen externen Sucher, mit dem man das Bild komponieren kann, dank des Autofokus lässt sich aber gleichzeitig fokussieren. Produktabbildungen aus: H.-J. Kuc, Auf den Spuren der Contax, Band 2, Wittig Fachbuchverlag Man kann natürlich auch hyperfokal arbeiten, was bei größeren Entfernungen und kleinen Blenden auch gut geht, bei geringen Distanzen aber (die G fokussiert bis 0,5 m!) und Blende 2,8 ist die Schärfentiefe dann doch etwas gering, gerade bei einem solch scharfen Objektiv, mit dem sich bei Offenblende ein schöner Effekt durch ganz feine Schärfe-Unschärfe-Abstufungen erzielen lässt. Aus dem Grund ziehe ich auch das lichtstärkere G-Biogon dem ebenfalls exzellenten C-Biogon 4,5/35 mm mit ZM-Bajonett für Leica und Zeiss Ikon vor. Planar 2/45 mm Das Planar – Zeiss‘ geniale aber relativ einfache Doppel-GaussKonstruktion (entworfen von Paul Rudolph) – ist ein Objektiv, das enorme Schärfe auch ohne asphärische Elemente schafft. Eines der schärfsten Objektive überhaupt. Dennoch kann das G-Planar Scharf-Unscharf-Übergänge angenehm weich zeichnen und ist nicht nur dort stark, wo Schärfe zählt (Landschaft), sondern kann auch ein hervorragendes Portraitobjektiv sein, vor allem mit entsprechenden Film-Entwicklerkombinationen. Das Planar 2/45 mm ist scharf über alle Blenden und ist, so der subjektive Eindruck, weniger kontrastreich und weniger »hart« als das ZM-Planar 2/50 mm. Summa summarum ein tolles System, dessen große Stärke die Objektive sind. Das Contax-G-System Lange Jahre war Leica der einzige Anbieter von Messsucherkameras mit Wechselobjektiven und setzte erst auf das M39Schraubgewinde, später auf das Leica-M-Bajonett. Auch die ab den 1980er Jahren auf den Markt gekommenen neueren Messsucherkameras mit Wechselobjektiven wie die Minolta CLE, die Konica Hexar RF oder die von Cosina gefertigten Modelle Voigtländer Bessa (erst M39) , Rollei 35 RF und Zeiss Ikon haben sich am M-Bajonett orientiert. 11 Das Porträtobjektiv Heliar 1,8/75 mm Kaum ein Objektiv ist so prädestiniert für ein bestimmtes Aufnahmegebiet wie das leichte Tele, das für die Porträtfotografie wie geschaffen ist. thoMas Foto: Stefan Jonsson, Therese am Flughafen Newark Aufnahme mit Bessa R3A und Heliar 1,8/75 mm (wahrscheinlich mit Gelbfilter) bei Offenblende auf Ilford HP5 Plus (belichtet wie ISO 800/30°), entwickelt in D76 1+1 Foto: Johnny Martyr, 2012; www.JohnnyMartyr.com Aufnahme mit Leica M6 TTL 0,85 und Heliar 2,5/75 mm auf abgelaufenem Fujifilm Pro 400H I befreiend sein. Nicht vergessen werden sollte eben auch die höhere Lichtstärke: mit einem 1,8/75 mm eröffnen sich nun einmal größere Freiheitsgrade, was das Spiel mit der Schärfentiefe angeht, als das bei den lichtschwächeren Zooms der Fall ist. n Zeiten, da die Objektive sogenannter Bridgekameras kleinbildäquivalente Brennweitenbereiche von 24 bis 1200 mm überstreichen und ein Zoomobjektiv so im Bereich 3,5-4,5/2485 mm der Systemkamera oft schon im Kit als Standardobjektiv beigegeben wird, erscheint eine Festbrennweite ein wenig wie ein Anachronismus, wie ein Ding aus einer anderen Zeit. Scheinbar bietet ein Zoom mehr Möglichkeiten, mehr Brennweite, mehr Gestaltungsraum. Scheinbar. Ich für mich stelle allerdings immer wieder fest, dass so eine Brennweitenspanne 24-1200 – oder vergleichbare – mich offensichtlich überfordern: die ferne Kirchturmuhr und die große grüne Wiese; mehr Motive erschließen sich mir damit kaum. Auch mit einem moderaten Zoom wie dem 24-85 mm und vergleichbaren stelle ich immer wieder fest, dass das zwar bequem ist, dass sich mir aber – in meiner Vorstellungswelt, bei meinen Bildgestaltungsmöglichkeiten – mit drei moderaten Festbrennweiten Weitwinkel, Normal, Tele erstaunlicherweise eher mehr Möglichkeiten eröffnen, mehr Motive erschließen. Hinzu kommt, dass ich ein Schärfentiefe-Gestalter dergestalt bin, als sie mir gar nicht gering genug sein kann: Abblenden für mehr Schärfe, das geht immer, aber Aufblenden, das geht eben nur bis zur Offenblende – und die definiert, zusammen mit der Brennweite, die maximal mögliche geringe Schärfentiefe. Alles unter Lichtstärke 2,8 (Fach-, Repro- und Vergrößerungsobjektive mal ausgenommen) nehme ich nicht wirklich ernst. Das Heliar 1,8/75 mm ist, wie alle Voigtländer-Objektive, sehr gut verarbeitet. Es beeindruckt alleine schon durch seine haptischen Qualitäten: Metallfassung , sauberes Oberflächenfinish und ein satter, spielfreier Lauf der Entfernungseinstellung – es liegt gut und vertrauenerweckend in der Hand. Eine etwas lichtschwächere, kompaktere und auch preiswertere Variante bot Voigtländer mit dem Heliar 2,5/75 mm für damals 469 € an; das Objektiv ist aber nicht mehr im aktuellen Lieferprogramm. Dank des M-Bajonettanschlusses können beide Objektive an den Bessa-Modellen von Voigtländer und auch an allen anderen Kameras benutzt werden, die ein M-Bajonett haben (Leica und Zeiss Ikon) oder für die es einen M-Bajonett-Adapter gibt. Nun gehöre ich diesbezüglich offensichtlich einer Minderheit an; schon seit vielen Jahren haben die Zooms den Festbrennweiten den Rang abgelaufen und sehr viele können offensichtlich sehr gut damit umgehen. Dennoch soll dies hier auch ein Plädoyer für Festbrennweiten werden: Auf einige wenige Bildwinkel festgelegt, und mit der Notwendigkeit, jeweils vor der Aufnahme zu entscheiden, welches Objektiv denn nun zu benutzen sei – das muss nicht einschränkend, sondern kann durchaus Foto: Isaac Mushinsky Aufnahme mit Heliar 1,8/75 mm auf Fujifilm Neopan 1600 16 17 SOFORTBILDFOTOGRAFIE Ganz unberechenbar sind sie, und ihre Ergebnisse verwundern und beeindrucken immer wieder aufs Neue: Sofortbilder. TIPPS UND TRICKS Derzeit eröffnen sich dem Sofortbildfotografen drei Möglichkeiten, Sofortbildfotografie zu betreiben: • Sofortbildmaterialien und -kameras von Fujifilm. Es gibt Schwarzweiß- und Farbmaterialien höchster Qualität in verschiedenen Formaten (instax, Packfilm). • Sofortbildmaterialien von Impossible. Die Schwarzweiß- und Farbmaterialien sind als Pack- und Planfilme erhältlich, die Eigenschaften der Materialien, was Konstanz und Wiederholbarkeit angeht, sind als »experimentell« einzustufen. • Sofortbildmaterialien und –kameras, namentlich von Polaroid, vom Gebrauchtmarkt. Die Kameravielfalt ist groß, die Polaroid-Sofortbildmaterialien (Pack- und Planfilme verschiedenster Formate) sind hochinteressant, aber abgelaufen. 24 25 Eine Entdeckung! Hermann Landshoff Text: Marc Peschke Fotos: © Münchner Stadtmuseum, Archiv Hermann Landshoff I n Zeiten leerer Museumskassen sind Schenkungen die oft einzige Möglichkeit, Sammlungen zu erweitern. Im Frühjahr des vergangenen Jahres hat die Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums einen sehr besonderen Zuwachs bekommen, nämlich den vollständigen Nachlass des 1905 geborenen deutsch-amerikanischen Fotografen Hermann Landshoff – einer der wohl letzten großen Unbekannten der Fotogeschichte des 20. Jahrhunderts. Jetzt zeigt das Münchner Stadtmuseum eine Retrospektive: eine Auswahl aus den etwa 3.600 übergebenen Originalabzügen – Arbeiten, die zwischen 1930 und 1970 entstanden sind. Landshoff zeichnete für den »Simplicissimus«, fotografierte für die Münchner Kammerspiele, seine erste bedeutende Reportage machte er über Albert Einstein in der »Münchner Illustrierten Zeitung«, doch die Machtergreifung der Nationalsozialisten beendete früh seine Karriere in Deutschland. 1933 emigrierte der Münchener Porträt- und Modefotograf nach Paris, wo er schon bald für die französische »Vogue« fotografierte. 1939 ging es weiter nach New York, wo der Fotograf für Zeitschriften wie »Harper’s Bazaar« und »Mademoiselle« arbeitete. Seine Modefotografien sind von enormer Frische und Esprit – Bilder, die seit 1941 in »Harper‘s Bazar« erschienen, wie etwa jene, welche die Models auf Fahrrädern oder Rollschuhen zeigen. Ganz aus dem Leben gegriffene Momentaufnahmen, die vom Anbruch einer neuen Zeit künden. Oft fotografiert Herrmann Landshoff seine Modelle in Alltagssituationen – das war neu in der Modefotografie der Zeit. In dieser Hinsicht war Landshoffs Werk von enormem Einfluss, wie etwa Richard Avedon bekannte, der einmal sagte: »Ich verdanke Landshoff alles.« Wie in der Modefotografie zeigt sich seine Meisterschaft auch in der Architektur und Straßenfotografie, vor allem aber im Bereich des Porträts. Albert Einstein, Karl Valentin, Eva Hesse, Max Ernst, Marcel Duchamp, Richard Lindner, Leonora Carrington, André Breton, Walker Evans, Ansel Adams, Alfred Stieglitz, Weegee, Robert Frank oder Irving Penn – sie alle hat Landshoff fotografiert, der als Kind einer wohlhabenden jüdischen Familie in München-Solln aufgewachsen war, in deren Haus Künstler wie Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Christian Morgenstern oder Joachim Ringelnatz verkehrten. Gerade seine Aufnahmen von Künstlern zeigen ihn als besonders aufmerksamen Beobachter: insgesamt 70 Fotografenporträts entstanden zwischen 1942 und 1960: ein Bild-Olymp der Fotografie. Warum Landshoff ganze Dekaden lang vergessen war, kann man kaum begreifen, denn seine Modefotografien sind stilbildend: Er war einer der ersten, der mit Unschärfen arbeitete, ganz nah am Schnappschuss, seine alles andere als steifen, vergnügten Modelle in der Bewegung einfangend. Auch als Modefotograf ist Landshoff ein Porträtist, sagt Ulrich Pohlmann, der die Sammlung Fotografie im Münchner Stadtmuseum leitet. Stets dem Menschen zugewandt sind diese Bilder. Sie lassen tief blicken, sind von höchster Qualität, was Komposition und Lichtführung angeht. Eine Entdeckung! Modell Beth Wilson an der Rip Van Winkle Bridge am Hudson, New York 1946 30 31 Zwei Teller Borschtsch Jann Wilken fotografiert Transnistrien Fotos: Jann Wilken, Text: Marc Peschke Der gebürtige Ostfriese Jann Wilken bekam zu seinem 18. Geburtstag einen Bildband über die berühmten MAGNUM-Fotografen geschenkt, da war es um ihn geschehen: Fotograf wollte er werden, Fotoreporter – und reisen, was das Zeug hält. Der Wunsch ist wahr geworden. Neben Aufträgen für Kunden wie den Norddeutschen Rundfunk oder die Uniklinik Eppendorf fliegt der Hamburger mehrmals im Jahr nach Osteuropa. Mit analogen Kameras, auf eigene Rechnung. Und einem Ziel: intime Bilder von einer Region Europas zu machen, die sonst wenig im Fokus der Öffentlichkeit steht. Die hier vorgestellte Serie führt uns in ein Land, das eigentlich gar keines ist: Transnistrien. Als »MöchtegernLand«wurde es bezeichnet, diese international nicht anerkannte Region im Osten Moldawiens. Völkerrechtlich gehört es zu Moldawien, Amtssprachen sind Russisch, Moldauisch und Ukrainisch. 3.567 km² groß ist der etwa 200 Kilometer lange Streifen. Damit immerhin größer als Luxemburg. Wilken fotografiert in einem Staat, dessen Pass nirgendwo auf der Welt gültig ist, dessen Währung nirgendwo zählt, in einer Region, die sich von Moldawien abtrennen möchte, um auch im 21. Jahrhundert ein Satellitenstaat Russlands zu sein. Er fotografiert in einem Land, das es eigentlich nicht gibt, dessen Name jedes Rechtschreibprogramm als Fehler markiert. Hier macht Jann Wilken seine Bilder. In der »Transnistrischen Moldawischen Republik«, am Ostufer des Flusses Dnjestr, ist der Sozialismus noch allgegenwärtig: Lenin-Statuen in der Hauptstadt Tiraspol, reichlich marode sozialistische Architektur, jede Menge alte Ladas auf den Straßen. An den Wänden preisen Parolen die Wohltaten des Sozialismus. Denkmäler erinnern an den zweiten Weltkrieg. Dazwischen Menschen, deren Gastfreundschaft den Leica-Fotografen beeindruckt hat. Wilkens Serie berührt, weil sie zwar leise Ironie offenbart, doch auch ganz den Protagonisten zugetan ist. Es sind intime Bilder, die er fotografiert, meistens in Farbe, manchmal Schwarzweiß. Gerade die jungen Menschen haben es Jann Wilken angetan, in Transnistrien. Das merkt man. Seine Vorbilder sind die amerikanischen new topographics, doch stärker als diese rückt Wilken den Menschen in den Vordergrund. Jann Wilken liebt das Unvorhersehbare in der Fotografie, die Begegnung mit Menschen. Unvoreingenommen betrachtet er die Verhältnisse, deutet Geschichten an, die keinesfalls zu Ende erzählt werden müssen. In dem Land, das es eigentlich gar nicht gibt. 54 55 my polaworld Die Polaroid-Welt von Andrea Ehrenreich D ie Faszination des Sofortbildverfahrens ist auch im digitalen Zeitalter ungebrochen: Der Unikat-Charakter der Bilder, die Farben und Unschärfen, der besondere »Schmelz« des Materials – und vor allem natürlich der Entstehungsprozess lässt immer neue Künstlergenerationen zu den alten Kameras greifen. Nobuyoshi Araki, Stefanie Schneider, Manuel Álvarez Bravo, Lucien Clergue, Walker Evans, Gisèle Freund, Robert Mapplethorpe, Mark Morrisroe, Helmut Newton, Jan Saudek, Stephen Shore, Minor White – sie alle und noch viele mehr haben mit dem Polaroid-Material gearbeitet. Für viele Künstlerinnen und Künstler blieb Polaroid allerdings nur eine Phase im Werk – nicht so bei der 1966 geborenen, in Wien lebenden Architektin und Fotografin Andrea Ehrenreich. »Polaroid ist für mich nicht nur eine Art der Fotografie, sondern auch eine Lebenseinstellung«, sagt sie. In immer neuen Werkgruppen fächert sie die visuellen Möglichkeiten der Polaroid-Fotografie auf. »Polaroid ermöglicht mir Freiheit und gibt Platz für Kreativität«, so die Künstlerin. Die Serie »RB« etwa zeigt reduzierte Stillleben, Gläser, Tassen, Schaufensterpuppen – in der Farbigkeit monochrom, in Rot-, Orange- und Blautönen. Die Bildergruppe »PB« versammelt Blumen, Vasen, Buchstaben und Kugeln. Doch auch Porträts und Akte entstehen, fragmentierte Bilder des Körpers, die sie zu großen Tableaus vereinigt. Ihre Fotografien entwickelt sie zum Teil mit Hilfe aufwändiger Aufbauten: Mal steckt sie ihre Modelle in einen Ganzkörperanzug, wie bei der Serie »homo sapiens«, dann versammelt sie Alltagsgegenstände aus Plastik, wie in der Reihe »plastic planet«. Da gibt es die »silent faces«, phantasievoll geschmückte Perückenköpfe aus Styropor – auch verbindet sie die Polaroid-Technik mit Illustrationen wie bei »my polaworld«. Kunstvoll-knittrige Akte und Blumenbilder, traurige Bäume im Herbst, aber auch viele Architekturbilder, die Bauten bekannter Baumeister auf ganz eigene, reduzierte Art zeigen: Das PolaroidUniversum von Andrea Ehrenreich ist riesig und voller Phantasie. So unterschiedlich die Bilder sind, stets formt sie Ehrenreich zu Gruppen, zu Tableaus. Oftmals sind es nicht mehr als Notizen des Alltags, kleine Dinge aus dem Haushalt, die sie sich in ganz eigener, künstlerischer Handschrift aneignet. Geboren in Bratislava und seit 1992 in Wien lebend, ist Andrea Ehrenreich eine der vielseitigsten Polaroid-Künstlerinnen unserer Tage. Das Medium, das seit einigen Jahren eine Wiedergeburt in der Kunstfotografie erfährt, wird hier auf schönste Weise in ganzer Breite erfasst. Ehrenreichs Bilder sind etwas Besonderes, weil sie nicht nur vom schönen Glanz, vom milchigen Schimmer des Mediums erzählen, sondern vor allem vom Ideenreichtum der Künstlerin selbst. Immer wieder ist es gut, zu wissen: Ein Polaroid gibt es nur ein Mal. Die neue Sehnsucht nach Unikaten, nach Authentizität – gerade in Zeiten, in denen die Digitaltechnik die Ästhetik des Polaroids zu kopieren sucht – kann die Kunst von Andrea Ehrenreich auf mannigfaltige Weise stillen. Polaroid, das ist, immer wieder: Magie. Magie für Sekunden, hier zu Dokumenten bleibender Dauer verdichtet. Marc Peschke 80 silent faces 81 Fundstücke Randnotizen zur Foto-Kunst von Marc Peschke & Andreas Obermann Fotografische Objekte in Schwarzweiß Daguerres große Entdeckung Die Dunkelkammern dieser Welt Nina Klöppers Buch »Fotografische Objekte in Schwarzweiß. Neusachliche Bildtraditionen 1920 bis heute«, das demnächst im Reimer-Verlag erscheint, stellt auf über 300 Seiten den fotografischen Strang der Neuen Sachlichkeit bis in die Gegenwart vor. Die Autorin postuliert hier eine ungebrochene Tradition von Fotografen wie Karl Blossfeldt oder Alfred Erhardt über Bernd und Hilla Becher, Hiroshi Sugimoto bis zu Claudia Fährenkemper. Vor allem auch Fragen der Wirkungsästhetik der Schwarzweißfotografie werden in dem Band behandelt, der all jenen gefallen wird, die tiefe Analyse schätzen – und sich nicht vor einer Extraportion Theorie fürchten. Zahlreiche Bildbeispiele und ein historischer Überblick zur Sachfotografie runden das Buch ab. Louis Jacques Mandé Daguerre, am 18. November 1787 in Cormeilles-en-Parisis geboren, ist bekanntermaßen der Erfinder der »Daguerreotypie« – fotografischer Positive, von denen das älteste 1837 entstanden ist. Sein fotografisches Verfahren ist jetzt Thema eines Buchs mit dem Titel »Daguerres große Entdeckung«, in dem Autor Peter Wutz, Professor an der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin, detailliert und kenntnisreich die Lebensgeschichte Daguerres beschreibt. Das Buch enthält auch zahlreiche Erstveröffentlichungen von Originaldokumenten und Briefen anderer Daguerreotypisten. Auf einem verdreckten Holztisch stehen ein roter Wäschekorb und drei dunkle Glasflaschen, auf einer davon steckt verkehrt herum ein Plastiktrichter. Dazwischen liegen ein paar verstaubte Kartons und eine alte Metallzange. An einer modrigen Wand hängt eine improvisierte Leuchte, bestehend aus einer mit roter Folie bespannten Kiste, auf der sich einige Kleinbildfilmdosen stapeln. Der Raum wird nur von einer nackten Glühbirne beleuchtet. Was nach einem unordentlichen Gerümpelkeller aussieht, ist eigentlich ein analoges Fotolabor. Es befindet sich in der westafrikanischen Stadt Niamey im Staat Niger. Nina Klöpper: Fotografische Objekte in Schwarzweiß. Neusachliche Bildtraditionen 1920 bis heute. Etwa 320 Seiten. Broschur. Reimer Verlag 2014. ISBN 978-3-496-01491-1. Etwa 49 €. Erscheint Mai 2014 »Daguerres große Entdeckung« ist eine Liebeserklärung an ein wundervolles fotografisches Verfahren – und auch an die wertvolle Sammlung Maria Wallpott, aus deren Fundus die hier untersuchten Unikatfotografien stammen. Der Band erscheint in der Reihe »ECHOLOT. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken«. Die ersten 500 Exemplare der Auflage sind nummeriert, handsigniert und werden nach Bestelleingang versendet. Gleiche Stadt, anderes Labor: Hier lagern die flüssigen Chemikalien in alten Gin-Flaschen unter einem verrosteten Tisch. Auf dem Boden sammeln sich Zentimeter dicke Schichten aus Staub und Schmutz. Dass dort lichtempfindliches Material entwickelt, fixiert, gewässert und getrocknet wird, ist nur schwer vorstellbar. Diese Bilder stammen aus dem Buch »Photographic Darkroom – Photogenic Obsolescence« des kanadischen Fotografen Michel Campeau, der seit 2003 um die Welt reist, um Dunkelkammern zu fotografieren – Toronto, Mexiko Stadt, Havana, Paris, Brüssel, Berlin, Niamey, Ho-Chi-Minh-Stadt und letztlich Tokio waren dabei seine Stationen. Die mit dem technologischen Fortschritt immer obsoleter werdenden Räume erscheinen heute wie ein Überbleibsel einer vergangenen Zeit, die aber dennoch für manche Fotografen eine große Gültigkeit besitzen – vielleicht auch nur, weil sie sich keine digitale Kamera leisten können, oder es vor Ort gar keinen Computer gibt. Digitale Standards der Fotografie sind anscheinend doch weniger universell als man sie in der westlichen Welt wahrnimmt. So überrascht Campeau mit vielen kleinen, witzigen Details, die er in den analogen Handwerkskammern gesehen und fotografisch festgehalten hat. Wie beispielsweise ein Regal voller bunter Filmdosen, die wie ein abstraktes Mosaik wirken, liebevoll von einem Brüsseler Fotografen arrangiert. Michel Campeau: Photographic Darkroom – Photogenic Obsolescence. Mit Texten von Michel Campeau, Olivier Asselin, Serge Tisseron. Englisch / Französisch Kehrer Verlag, 144 Seiten, 108 Farbabb., ISBN 978-386828-432-4, 39,90 € Informationen und Bestellungen über: [email protected] Armutszeugnisse In der Edition Braus erscheint in diesen Tagen der Band »Tief im Westen. Berlin vor der Stadterneuerung in den sechziger Jahren«. Fotografiert von dem kaum bekannten Bildautor Heinrich Kuhn ist das Buch eine Entdeckung, denn es zeigt die bittere Armut, die noch bis in die frühen sechziger Jahre in Berlin herrschte. Die von Willy Brandt 1963 angekündigte große Stadtsanierung gab West-Berlin ein neues Gesicht. Über 50.000 Wohnungen wurden abgerissen, doch zuvor dokumentierte Heinrich Kuhn im Auftrag der Stadt Altbauten in den Sanierungsgebieten. 50 Jahre danach werden seine Bilder – berührende Armutszeugnisse einer Stadt – nun erstmals veröffentlicht. Sabine Krüger (Hrsg.): Heinrich Kuhn. Tief im Westen. Berlin vor der Stadterneuerung in den sechziger Jahren. Etwa 128 Seiten. Gebunden. Verlag Braus 2014. ISBN 978-3-862-28089-6. 29,95 €. Erscheint April 2014 90 91 Ausgabe III.2014 erscheint am 10. Juni 2014 • Schwarzweißdias • Labortechniken • Ikonen Lichtriesen MFT-Objektive Nokton 17,5 mm / F 0,95 asphärisch Mit der Brennweite von 17,5 mm und einem Bildwinkel von 64,6 ° ermöglicht das asphärische Objektiv selbst bei weit geöffneter Blende extrem scharfe Abbildungen. Die extrem kurze Naheinstellungsmöglichkeit (15 cm) schafft viele Möglichkeiten und interessante Perspektiven für jeden engagierten Fotografen. Nokton F 0,95/17,5 mm Nokton 25 mm / F 0,95 Die beliebteste Brennweite mit einer einzigartigen Lichtstärke ermöglicht Aufnahmen aus kürzester Distanz von 17 cm. Nokton 42,5 mm / F 0,95 Foto: Henning Serger Der F 0,95 Lichtriese in Portraitbrennweite für MicroFourThirds-Kameras. IMPRESSUM Herausgeber Heinen&Maschke PhotoKlassik GbR In den Flachten 10, 53639 Königswinter www.photoklassik.de Anzeigen Dipl.-Ing./Dipl.-Des. Wolfgang Heinen Tel. +49 173-7273580 [email protected] Chefredaktion Thomas Maschke (DGPh), V.i.S.d.P, [email protected] Dipl.-Ing./Dipl.-Des. Wolfgang Heinen, [email protected] Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 6, Januar 2014 Gestaltung Dipl.-Des. Nina Eibelshäuser, [email protected] Druck D+L Printpartner GmbH Umschlag: Bilderdruck holzfrei glänzend gestrichen 250 g/qm Inhalt: Profisilk, silkmatt vollgestrichen holzfrei Bilderdruck 150 g/qm Gesetzt in ITC Weidemann und Myriad Pro Vertrieb IPS Pressevertrieb GmbH, Auflage 10.000 Erscheinungsweise viermal jährlich Nokton F 0,95/25 mm Abonnement [email protected] Alle diese Objektive zeichnen sich durch ein hervorragendes Bokeh aus. Speziell für die Portraitfotografie ist diese Gestaltungsmöglichkeit von besonderem Reiz. Wer einmal mit den Möglichkeiten der offenen Blende gearbeitet hat, wird sie nicht mehr missen wollen. Die dadurch erzielte geringe Tiefenschärfe erlaubt, auch ungewöhnliche Schwerpunkte in einem Motiv zu setzen. Die Möglichkeit der Umschaltung auf eine geräuschund stufenlose Blendeneinstellung bei der 17,5cm und 42,5cm Brennweite wird vor allem die „Filmer“ begeistern. Mit den Lichtriesen von Voigtländer eröffnen sich neue fotografische Welten. Rechte Die Redaktion behält sich die Kürzung und Bearbeitung von Beiträgen vor. Für unverlangt eingesandte Fotos, Manuskripte und Dateien wird keine Haftung übernommen. Das Recht zur Veröffentlichung wird prinzipiell vorausgesetzt. Alle in PhotoKlassik veröffentlichten Beiträge und Fotos sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nur mit vorheriger Absprache mit dem Verlag vervielfältigt werden. PhotoKlassik ist im ausgewählten Groß- und Einzelhandel sowie im Bahnhofs- und Flughafenbuchhandel erhältlich. Als Abonnement außerdem über www.photoklassik.de zu beziehen. Der Titel »PhotoKlassik« wurde in allen Schreibweisen und Darstellungsformen geschützt (§ 5 Abs. 3 MarkenG). Nokton F 0,95/42,5 mm www.voigtlaender.de 98 99