SZ-Archiv: A50205172

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SZ-Archiv: A50205172
SZ-Landkreisausgaben
Dienstag, 27. September 2011
DAH, EBE, ED, FS, FFB, STA, Wolfrhsn. Seite R8
Perlen der Illusion
Ein Abend im Mini-Amphitheater von Alexander Krist und Christian Münch verzaubert die Zuschauer mit Tricks im Kleinen
Von Andreas Spengler
berten auf Kreuzfahrtschiffen oder erklärten die Kunst des Hütchenspiels.
München – Wunder gibt es nicht, das wis„Doch irgendwann spürten wir, es
sen sie: die Damen und Herren im Publi- muss etwas geschehen“, erzählt Christikum, die ihre Lebenserfahrung mit ver- an Münch. Sie entschieden sich, sesshaft
schränkten Armen zusammenhalten. An zu werden. Zunächst in einem Theater
Wunder glauben auch die jungen Zu- im Münchner Asamhof, bis dann im Deschauer nicht mehr. Sie kennen die zember 2009 ihr Traum in Erfüllung
Tricks von Copperfield, Geller und Co. ging: ein eigenes Theater, mit 66 Plätzen,
aus dem Internet und dem Fernsehen.
mitten in der Münchner Innenstadt am
Wunder gibt es nicht, das denken sie al- Unteren Anger. Wenn Krist und Münch
le, doch plötzlich ist sich das Publikum heute aus ihrem Leben erzählen, dann
nicht mehr so sicher. Klavierklänge fällt oft das Wort „träumen“. Es wirkt,
schweben in die Stille. Das Scheinwerfer- als sei die Zauberei für sie wie ein Elixier
licht zeichnet ein grellblaues Quadrat zum Glücklichsein. Und dieses Elixier
auf den Tisch, Staub tanzt im Licht- wollen sie auch an diesem Abend an ihre
strahl. Langsam hebt Alexander Krist Zuschauer weitergeben.
die Hände, blickt verschwörerisch ins PuMit einer schwungvollen Handbeweblikum, dann streicht er mit den Fingern gung blättert Alexander Krist einen Karüber vier Spielkarten. Unter jeder er- tensatz vor sich auf den Tisch. „Das sind
scheint eine Münze. Doch im nächsten 52 Karten. Wie viele Möglichkeiten gibt
Augenblick sind die Münzen verschwun- es, um diese Karten in eine Reihenfolge
den; unter den Karten verblüffende Lee- zu bringen?“, fragt er das Publikum. Die
re. Längst haben die Damen und Herren Scheinwerfer konzentrieren sich auf sein
die Arme geöffnet, den Kopf weit nach Gesicht. „Es sind mehr Möglichkeiten als
vorne gebeugt, ihre Augen geheftet an die Sekunden, seit denen unser Univerdie Finger von Alexander Krist, um kei- sum existiert“, sagt er und schwelgt für
ne Sekunde des Zaubers zu verpassen.
einen Augenblick in den Klängen der MuWie in einem Mini-Amphitheater sit- sik. Wie ein roter Faden ziehen sich die
zen die Zuschauer im Halbrund um den Geschichten und Denkanstöße durch die
Zaubertisch. Die hintersten Plätze sind Perlen der Illusionen: Zitronen, die unter
nur vier Meter vom Geschehen entfernt. einem Becher auftauchen, zerschnittene
„Close-Up“ heißt diese Form der Zaube- Seile, die sich wieder zusammenfügen,
rei, und Alexander Krist und Christian Geldscheine, die plötzlich verschwinden.
Die meisten Tricks sind nicht neu. Und
Münch sind die ersten Magier in Deutschland, die sich dafür ein eigenes Theater wer auf Knalleffekte, zersägte Jungfraugebaut haben. 1996 lernten sie sich als en und weiße Tiger wartet, wird dies verZuschauer bei einer Zaubershow ken- geblich tun. Doch Alexander Krist und
nen. „Wir haben gemerkt, dass wir gleich Christian Münch zeigen die Faszination
ticken“, erzählt Münch heute. Bald war des Kleinen. Alles konzentriert sich auf
die Idee geboren, in Zukunft gemeinsam das Wesentliche. Eine Zauber-Philosozu zaubern. Christ und Münch gründeten phie, die früh im Leben von Alexander
eine GmbH. Die ersten Jahre tourten sie Krist begründet ist. „Es gibt nur einen
durch die Welt: vom Autosalon in Genf Grund, warum dieses Theater überhaupt
bis zu Firmenevents in Dubai. Sie bewar- besteht: Lothar Vogt, mein früherer Beben Produkte durch ihre Zauberei, zau- rufsschullehrer und Hobbyzauberer“, erSZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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66 Plätze umfasst das Theater mitten in der Münchner Innenstadt am Unteren Anger. Obwohl die Zuschauer sehr dicht an Alexander Krist und Christian Münch
sitzen, kommen sie nicht hinter die Tricks der beiden. Foto: privat/Krist & Münch
zählt Krist. Er ermahnte ihn zur Schlichtheit, war die Inspiration für den jungen
Alexander.
Der Höhepunkt der Show heute ist ein
Spiel mit den Gedanken: Krist bittet einen Zuschauer, eine europäische Großstadt auf einen Zettel zu notieren. Eine
Zuschauerin zieht eine Farbkarte, und
ein anderer Zuschauer soll sich einen Euro-Betrag zwischen 1 und 999 überlegen.
Dann erzählt Krist die Geschichte eines
Mannes, der als Straßenkünstler begann,
später auf einem Schiff zauberte und
schließlich seine Traumfrau kennenlernte. Nach einem gemeinsam Urlaub erhält
er einen Brief von ihr. Langsam faltet
Krist den Brief auf und beginnt zu lesen:
„Lieber Alexander, ich möchte mich bedanken für unser romantisches Wochenende in Brüssel und das smaragdgrüne
Halstuch für 293,14 Euro.“ Stadt, Farbe
und Euro-Betrag stehen in dem Brief, korrekt vorhergesagt.
Zwei Jahre lang hat Krist an diesem
Trick gearbeitet. Gedanken gesponnen,
Gedanken verworfen. „Man fragt sich,
wie kann man eine Idee umsetzen, die eigentlich unmöglich ist“, sagt er. Fast täglich trainieren die beiden Magier, sechs
Tage in der Woche zeigen sie ihre Show.
„Früher fragte ich mich, was der Sinn des
Lebens ist“, sagt Krist. Heute frage er
sich: „Welchen Sinn kann ich selbst meinem Leben geben?“ Alexander Krist und
Christian Münch haben ihre Antwort gefunden: „Unser Leben ist die Magie. Sie
ist wie eine Liebe, wie das Träumen mit offenen Augen.“
Manchmal öffnet ihr Zauber auch anderen Menschen die Augen: Zwanzig Jahre
lang erzählte ein Herr seiner Frau, er wolle mit ihr die Welt umsegeln. Zunächst
nur ein Hirngespinst, fehlte doch immer
Zeit und Mut. Zwei Monate, nachdem er
die Zaubershow besucht hatte, bekamen
Krist und Münch eine Postkarte: „Ich mache meinen Traum wahr: Morgen legen
wir ab. Ihre Show hat mich ermutigt.“
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SpenglerA