SZ-Archiv: A54260033
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SZ-Landkreisausgaben Samstag, 23. März 2013 DAH,ED,FFB,München Nord,München West Seite R11EBE,FS,STA,Wolfrhsn. Seite R12München City,München Süd Seite R10 Stark im Arm, stark im Kopf In Unterföhring tummeln sich 375 Spieler aus 35 Ländern beim höchstdotierten Bowling-Turnier Europas. Gegen die Profis aus Übersee sind die deutschen Amateure nur krasse Außenseiter VON MATTHIAS SCHMID Unterföhring – Überall diese Taschen. Es sind so viele, dass man sie kaum zu zählen vermag. Wild verstreut liegen sie schon wenige Meter hinter der Eingangstür, sie versperren den Weg zu den Bahnen. Prachtvolle Exemplare gibt es. In allen Formen obendrein. Mal schlicht, mal als Rucksack oder Trolley, ein anderes Mal ganz schick: doppelstöckig. Auffallend ist immer der freie Blick auf die Bälle durch eine Klarsichthülle. Was für Golfer und Tennisspieler die Schläger sind, sind für die Bowler die Bälle. Das wichtigste Arbeitsutensil. Sie behüten sie, als wären es ihre Kinder, sie pflegen, sie tätscheln sie, manche lieben sie sogar. „Ich habe zwischen dreißig und vierzig davon zu Hause“, sagt Sean Rash. Zum Euro Challenge nach Unterföhring hat der Amerikaner allerdings nur acht mitgebracht. Das Turnier der Europäischen Bowling Tour im Dream Bowl Palace ist zwar mit 106 000 Euro das höchst dotierte des Kontinents. Aber für einen Profibowler wie Rash nichts Besonderes mehr. Außerdem kennt er die Bahn, er ist bereits zum dritten Mal in München, wo im Sommer noch ein Wettbewerb mit weniger Preisgeld ausgespielt wird. Da sind dann auch mal acht Bälle ausreichend, die drei Löcher, Bohrungen genannt, werden dabei alle individuell angepasst. „Es ist wie beim Golf“, erklärt der 30-Jährige, „für jeden Wurf, für jede Beschaffenheit der Bahn nehme ich einen anderen Ball. Du kannst ja im Sandbunker auch kein Holz nehmen.“ Der Untergrund in Unterföhring ist mit einem extralangen Ölfilm bearbeitet worden. Normalerweise ist dieser 40 Fuß lang, 12,19 Meter. Diesmal ist er sogar sechs Fuß länger. Die Bälle nehmen also die Reibung später an und schlagen erst kurz vor den zehn Kegeln, den Pins, einen durch Rotation erzeugten Bogen ein. Dass Martin Knöbl ziemlich stolz ist, merkt man ihm an. Der wichtigste europäische Wettbewerb zaubert dem Turnierdirektor, der gleichzeitig auch der Centermanager ist, ein stetes Lächeln ins Gesicht. Das Turnier feiert in Deutschland Premiere. In den vergangenen vier Jahren wurde es in Paris ausgetragen. „Dort ist es aber zu eng geworden“, sagt der Schwabe, der seit 20 Prozent fehlen zur Weltspitze: Amateurbowler Kai Günther, einer der besten Deutschen – und Außenseiter. FOTO: SCHUNK 2009 das Haus in Unterföhring betreibt. Hier ist genug Platz für die rund 375 Sportler aus 35 Ländern. Es sind 52 Bahnen vorhanden. Die besten des Fachs tummeln sich aber nicht in der europäischen Serie, sondern auf der US-Tour, der Professional Bowling Association (PBA). In Unterföhring gibt es Punkte für beide Serien, daher ist die Weltspitze vertreten. In der PBA gibt es nur vier Europäer, die dort dabei sein dürfen. Zwei Finnen und zwei Engländer, einen Deutschen sucht man vergeblich. Ansonsten kommen die Spieler vorwiegend aus den Vereinigten Staaten oder aus Asien. „Ich habe ja nebenbei noch einen regulären 40-Stunden-Job an der Backe“, sagt Kai Günther. 800 000 Dollar Preisgeld hat Sean Rash bisher eingespielt. Jetzt sollen ein paar dazukommen Der gebürtige Berliner lebt sei drei Jahren in München und gehört zu den besten deutschen Bowlern. „20 Prozent“, so rechnet er vor, fehlen ihm zur Weltspitze. Vor allem in mentaler Hinsicht heben sich die Spitzenspieler von der Masse ab. „Du musst im Kopf sehr stark sein, damit du Konstanz in dein Spiel bekommst“, sagt Sean Rash. Aber auch die konditionelle Seite ist nicht zu vernachlässigen. Ein Ball kann bis zu 7,25 Kilogramm wiegen und ist damit so schwer wie das Arbeitsgerät eines Kugelstoßers. Bis zur vierten Finalrunde kommen etwa 300 Würfe zusammen. Dass Günther die besten Bowler trotzdem ab und an ärgern kann, hatte er bei den Weltmeisterschaften vor fünf Jahren eindrucksvoll bewiesen, er beendete sie auf dem zweiten Platz. „Ich habe mich vier Monate intensiv darauf vorbereitet“, sagt der 35-Jährige. Sein Arbeitgeber hatte Verständnis, dass vorübergehend der Sport und nicht sein Beruf im Vordergrund stand. Sean Rash ringt das Dasein eines besseren Freizeitsportlers nur ein müdes Lächeln ab. Er ist ein Star der Szene, ein Großverdiener, ein Fernsehheld in den USA, der in Talkshows ein beliebter Gast ist. Im vergangenen Jahr wurde der Mann aus Montgomery/Illinois als bester PBA-Bowler ausgezeichnet. „Eine große Ehre“, wie er findet. Mit dem netten Nebeneffekt, dass sich sein Konto noch einmal vergrößern dürfte. Allein an Preisgeld hat Rash in seiner Karriere bisher 800 000 US-Dollar eingespielt. In den USA ist Bowling die viertbeliebteste Fernsehsportart hinter Football, Baseball und Basketball. „Die Amerikaner sind verrückt danach“, sagt Rash, der am Montag aus Kuwait eingetroffen ist. Mit dem sechsten Titel der PBA-Tour im Gepäck. „Ich bin nach München gekommen“, sagt Rash, „um zu gewinnen.“ Am Sonntag gehen die vier Finalrunden der besten 64 Starter über die Bühne. Auch Rash musste sich über eine Vorrunde mit sechs Spielen erst einmal dafür qualifizieren. Der Sieger erhält am Ende einen Scheck über 15 000 Euro. Dass dieser auf Kai Günther ausgestellt wird, glaubt dieser selbst nicht. Aber sein Traum ist es, „einmal ein Turnier dieser Kategorie zu gewinnen“. Vor drei Jahren war er schon einmal nah dran, als er eine Konkurrenz in Turin als Dritter abschloss. Sean Rash plagt derweil ein irdisches Problem. Er hat Hunger. „Kannst du irgendetwas empfehlen?“, fragt er Knöbl. Alles sei ausgezeichnet. Rash nickt. Kurz nach der Landung, erzählt der Turnierdirektor noch, habe der Profi-Bowler erst einmal ein Fastfood-Restaurant aufgesucht. SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung Gmbh, München Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de A54260033 rtoegel