Massenproteste bei Airbus

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Massenproteste bei Airbus
WIRTSCHAFT
Samstag/Sonntag, 3./4. Februar 2007
1MG
Süddeutsche Zeitung Nr. 28 / Seite 25
Kommentare
GROSSB R I TA N N I E N
Rauf mit der Erbschaftsteuer
Broughton
Von Claus Hulverscheidt
Filton
Wenn es darauf ankommt im politischen Berlin, dann funktionieren die alten Reflexe noch. Union und SPD vergessen alle großkoalitionäre Zurückhaltung, und die Frontlinien vergangener
Tage werden wieder sichtbar. Freunde,
die sich verkracht hatten, finden wieder
zusammen, alte Feindbilder erwachen zu
neuem Leben. Der Mittwoch dieser Woche war ein solcher Tag. Das Bundesverfassungsgericht erklärte Teile des Erbschaftsteuergesetzes für grundgesetzwidrig, doch nicht der Beschluss selbst war
es, der Politiker und Verbandsfunktionäre elektrisierte, sondern die Gelegenheit:
Umgehend forderten BDI- und CDU-Vertreter Steuersenkungen für die Wirtschaft, während Gewerkschafter und Sozialdemokraten die „Reichen“ stärker
zur Kasse bitten wollen.
Eine verpasste Chance. Denn eigentlich wäre der Richterspruch eine gute Gelegenheit gewesen, innezuhalten und
nachzudenken über ein Steuersystem,
das als leistungsfeindlich, intransparent
und ungerecht gilt, das wahlweise auf einen Bierdeckel passen (so der CDU-Steuerexperte Friedrich Merz) oder in den
Garten der Freiheit (so der Heidelberger
Professor Paul Kirchhof) führen soll. Warum eigentlich, so könnte man fragen,
langt der Fiskus ausgerechnet bei denen
am stärksten zu, die in Sonntagsreden
gern als die „Leistungsträger“ der Gesellschaft bezeichnet werden: Facharbeiter,
Angestellte, Selbständige, Handwerker,
Unternehmer?
Ein kleiner, fieser Knick
Weshalb gibt es im angeblich linearen
(also gleichmäßig steigenden) Steuertarif den sogenannten „Mittelstandsbauch“, jenen fiesen, kleinen, gern verschwiegenen Knick, der dafür sorgt, dass
die Steuerlast auf mittlere Einkommen
mit jedem zusätzlich verdienten Euro
deutlich schneller steigt als im oberen
Einkommensbereich? Wie könnte ein
Steuersystem aussehen, das wirklich die
Leistungsfähigkeit des Einzelnen berücksichtigt, das verständlich ist, Bürgern
und Firmen wieder mehr Luft zum Atmen lässt und das dennoch dem Staat die
erforderlichen Einnahmen sichert?
Um ein Reizwort zu verwenden: Wäre
eine Vermögensbesteuerung nicht gerechter? Natürlich, eine regelrechte Vermögensteuer kommt nicht in Betracht, denn
sie ist ebenfalls ungerecht. Wer reich geworden ist, weil er fleißiger, kreativer
oder risikofreudiger war als andere, darf
dafür nicht bestraft werden. Zudem wird
bei der Steuer jedes Jahr das immer gleiche Vermögen belastet – im Extremfall
so lange, bis es nicht mehr da ist. Das ist
keine Besteuerung, sondern Enteignung.
Bleibt die Erbschaftsteuer, die im Vergleich zur Vermögensteuer gleich mehrere Vorteile hat. Zunächst wird nicht derjenige besteuert, der das Vermögen aufgebaut hat, sondern der Erbe. Ihm fällt das
Vermögen ohne eigenes Zutun in den
Schoß. Solange es nur um ein Einfamilienhäuschen oder ein paar Sparbücher
geht, darf das den Fiskus nicht interessieren. Die entsprechenden Freibeträge sollten sogar erhöht werden – Karlsruhe hat
dies ausdrücklich zugelassen. Auch bei
Betrieben muss sichergestellt sein, dass
man sie vererben kann, ohne dass sie in
der Substanz gefährdet werden. Wer
aber statt des Elternhauses eine 500-Quadratmeter-Villa, zehn Mietshäuser und
zwei Ferraris oder eine dicke Beteiligung
an einem Großkonzern erbt, der kann davon ruhig einen größeren Teil als bisher
an die Allgemeinheit abtreten. Es reichen auch acht Mietshäuser und ein Ferrari. Das ist kein Neid, sondern Solidarität. Also rauf mit der Erbschaftsteuer!
200 Milliarden Euro jährlich
Fragt man fünf Politiker, was man mit
den Mehreinnahmen tun könnte, erhält
man in Sekunden zehn verschiedene Verwendungsmöglichkeiten, darunter auch
sinnvolle wie Bildung, Forschung oder
Kinderbetreuung. Tatsächlich aber sollte das Geld für eine Begradigung und
Senkung des Einkommensteuertarifs genutzt werden. Es geht schließlich bei der
Operation nicht darum, den „Reichen“
einfach etwas wegzunehmen – das wäre
Oskar-Lafontaine-Politik. Es geht um
mehr Stringenz und Gerechtigkeit.
Konkret gesagt: Im Gegenzug zu einer
Erhöhung der Erbschaftsteuersätze wäre ein Einkommensteuertarif von 9 bis 42
(derzeit 15 bis 45) Prozent denkbar. Davon würden alle profitieren: Gering- und
Mittelverdiener überdurchschnittlich,
Großverdiener ein wenig. Kleine und
mittlere Unternehmen könnten wieder
mehr investieren, die Bürger mehr ausgeben. In der Summe würden das Wachstum erhöht und neue Arbeitsplätze geschaffen – mit den bekannt positiven Auswirkungen auf Staatseinnahmen, Unternehmensgewinne und Sozialsysteme.
Dennoch würde die Operation den
Staat zusätzlich einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten – und hier käme die
Erbschaftsteuer zum Zuge. Derzeit werden in Deutschland pro Jahr durchschnittlich 200 Milliarden Euro vererbt.
Dieser Summe stehen Erbschaftsteuereinnahmen von jährlich vier Milliarden
Euro gegenüber: ein Witz.
Höhere Sätze hätten einen weiteren positiven Effekt: Um die Erbschaftsteuer
zumindest teilweise zu umgehen, könnten Vermögende auf die Idee kommen, gemeinnützige – nach ihnen benannte – Stiftungen zu gründen. Wenn diese Stiftungen dann die Integration ausländischer
Kinder in Problemviertel finanzieren,
wäre auch das ein willkommener Beitrag
zu mehr Gemeinwohl.
Viele werden dennoch „Sozialismus“
schreien. Wenn das aber sozialistisch ist,
dann sind die USA die Kathedrale des Sozialismus: Ausgerechnet in Amerika trugen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung zuletzt rund 95 Prozent der Erbschaftsteuerlast, während sie „nur“ 60
Prozent der Einkommensteuerschuld aufgebürdet bekamen. Richtig arm ist darüber keiner geworden.
Schädliches Pokerspiel
Von Alexander Hagelüken
So nahe war Wulf Bernotat dem Ziel
noch nie. Nachdem der Mitbewerber Gas
Natural sein Angebot zurückgezogen
hat, könnte der Eon-Chef bald den spanischen Stromerzeuger Endesa übernehmen. Und damit seinen Plan erfüllen,
Eon zum größten Energiekonzern der
Welt zu machen. Endlich.
Bernotat wartet darauf schon fast ein
Jahr, seit er das erste Angebot für Endesa abgab. Die vergangenen zwölf Monate
sind ein Lehrstück dafür, warum der europäische Binnenmarkt noch nicht richtig funktioniert. Die Regierung in Madrid hat Eon massiv behindert, weil sie
den größten einheimischen Stromversorger in spanischer Hand sehen wollte. Das
ist nichts anderes als überkommenes
Denken. Europas Nationen und ihre
Volkswirtschaften wachsen immer mehr
zusammen. Es sollte keinen Politiker
mehr stören, ob ein Unternehmen in deutscher oder spanischer Hand ist. Protektionismus á la Madrid ist ein Problem,
weil er grenzüberschreitende Fusionen
erschwert, die ganz Europa nutzen können.
Der Eon-Konzern hat es nur der EUKommission zu verdanken, dass er sich
überhaupt noch im Rennen um Endesa
befindet. Hätte Brüssel nicht eingegriffen, hätten sich die Blockierer in Madrid
durchgesetzt. Dieser Einsatz der Kommission ist nur eine Notlösung. Brüssel
hat die Hindernisse aus dem Weg geräumt. Doch die Verzögerung hat die
Übernahme unnötig verteuert. Weil Endesas Börsenkurs in den vergangenen Monaten stark gestiegen war, erschien
selbst Bernotats zweites Angebot als zu
niedrig. Eon musste es noch einmal erhöhen.
Außerdem hat die Verzögerung dem
spanischen Baukonzern Acciona ermöglicht, sich bei Endesa einzukaufen – und
damit entweder die Übernahme noch zu
verhindern oder durch den gestiegenen
Kurs an ihr zu verdienen. Beides wäre
zum Nachteil von Eon. Wenn die spanische Regierung sich von Anfang an herausgehalten hätte, wäre dies das beste
gewesen. Auch für Spanien. Es schadet
dem Land, wenn Eon zu viel bezahlen
muss und darunter das neue Unternehmen leidet.
Und es schadet dem Land auch, wenn
Endesa wegen der Blockade nicht von
Eon übernommen wird. Überall in
Europa fusionieren die Energiekonzerne. Wer alleine bleibt, geht im Konzert
der Großen unter. Die spanische Regierung hat sich gegen den Binnenmarkt gestellt – und auf der ganzen Linie verloren. (Seite 28)
Kurse des Tages
Eon
110
Sainsbury
Xetra-Schlusskurse, in Euro, seit 1.2.06
100
90
80
SZ-Grafik
smallCharts
Quelle:
T.F.Datastream
F M A M J
2006
J
A S O N D J
07
Die Eon-Aktie legte am Freitag um mehr
als vier Prozent zu. Der Grund: Der Düsseldorfer Energiekonzern kommt der geplanten Übernahme des spanischen Konkurrenten Endesa näher. Der Konkurrent Gas Natural hat seine Gegenofferte
zurückgezogen. Damit ist der Weg für
Eon-Chef Wulf Bernotat nun so gut wie
frei. Allerdings muss er das Angebot
nochmal erhöhen. (Seite 28)
510 Schlusskurse London, in Pence, seit 1.2.06
480
450
420
390
360
330
300
SZ-Grafik
F M A M J J A S O N D J
smallCharts
Quelle:
T.F.Datastream 2006
07
Eine Gruppe von Beteiligungsfirmen
peilt eine Milliardenübernahme der britischen Supermarktkette Sainsbury an.
Die Planungen befänden sich in einem
frühen Stadium, erklärten die Investmentgesellschaften CVC, Kohlberg Kravis Roberts und Blackstone am Freitag.
Das Interesse trieb Sainsbury-Aktien in
London zeitweise um 18 Prozent hoch
und stützte weitere Handelstitel.Reuters
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Méaulte
Saint Nazaire
Angst vor
Kahlschlag
Nordenham Stade
Hamburg
Varel
Bremen Buxtehude
Produktionsstätten
und Mitarbeiter
von Airbus in Europa
DEUTSCHLAND
Nantes
Laupheim
FRANKREICH
Toulouse
S PA N I E N
Illescas
Getafe
Puerto Real
Toulouse
11 500
HamburgFinkenwerder 11 400
Puerto Real 500
Illescas 500
Getafe 2100
Spanien 3100
Filton 4600
Broughton 5100
Großbritannien 9700
SZ-Grafik: Michael Mainka / Quelle: Unternehmensangaben / Foto: dpa, SZ-Archiv
Buxtehude 400
Laupheim 1100
Varel 1300
Stade 1600
Nordenham 2200
Bremen 3300
Saint Nazaire 2200
Nantes 2000
Méaulte 1200
Frankreich 16900
Deutschland 21 300
Vor Bekanntgabe des Sparprogramms
Massenproteste bei Airbus
24 000 Menschen demonstrieren für deutsche Arbeitsplätze / Politiker beklagen Missmanagement
Frankfurt – Rund 24 000 Menschen haben am Freitag für den Erhalt der 21 000
Airbus-Arbeitsplätze in den deutschen
Werken demonstriert. Darunter waren zahlreiche Politiker. Bei Kundgebungen an
den Standorten in Laupheim, Varel, Bremen und Hamburg warfen sie dem Management des Flugzeugbauers schwere
Versäumnisse vor.
Von Jens Flottau
Die Demonstranten warnten die Führung des Mutterkonzerns EADS davor,
Jobs zu verlagern und Werke zu schließen. Indirekt drohten sie mit Streiks. „Es
darf nicht sein, dass Arbeitnehmer das
ausbaden müssen“, sagte der Bremer
Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) bei
einer Demonstration vor dem Werkstor
von Airbus Bremen. „Deutschland
braucht endlich eine starke Industriepolitik.“ Der Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) forderte:
„Airbus muss ein nationales Projekt werden, so wie die Franzosen Airbus zu einem nationalen Projekt gemacht haben.“ Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) warf
der Konzernführung Fehler vor.
Der europäische Flugzeugbauer steckt
nach Fehlentscheidungen, Pannen und
wegen kostspieliger politischer Zugeständnisse an die diversen Standorte in
einer schweren Finanzkrise. Diese will
der Konzern mit tiefen Einschnitten bewältigen, die demnächst bekannt werden sollen. Nach Einschätzung von Betriebsräten sind davon rund 10 000 Ar-
beitsplätze in Deutschland betroffen.
Auch in Frankreich geht die Angst vor
dem Sparprogramm um.
Airbus-Deutschland-Chef
Gerhard
Puttfarcken räumte am Freitag Versäumnisse ein. „Schwere Managementfehler“
hätten in Teilbereichen „eine maßgebliche Rolle gespielt“, sagte Puttfarcken
vor 12 000 Demonstranten in Hamburg.
Er forderte eine „grundsätzliche Neuausrichtung unserer Industrie“, versprach
aber, sich für die sieben deutschen Airbus-Werke einzusetzen.
Der Betriebsratschef des Hamburger
Airbus-Werkes, Rüdiger Lütjen, machte
deutlich, dass die Mitarbeiter weitere
Proteste planen. „Wenn wir erkennen,
dass wir hier nicht zum Zuge kommen,
wird das Unternehmen seine Lieferaussagen für 2007 revidieren müssen“, so Lütjen. Der Betriebsrat glaubt, dass zwischen 5000 und 8000 der 21 300 AirbusArbeitsplätze in Deutschland gefährdet
sind. Hinzu kämen mehrere tausend bei
Lieferanten. „Wir haben die Sorge, dass
Airbus große Pakete nach außen vergibt
und auch die deutschen Zulieferer durch
die Ritzen fallen.“
„Schmerzhafte Jobverluste“
Airbus entgehen bis 2010 nach aktuellen Prognosen rund fünf Milliarden Euro
operativer Gewinn, weil das Großflugzeug A380 mit zweijähriger Verspätung
auf den Markt kommt. Das erste Flugzeug soll im Oktober 2007 an Singapore
Airlines ausgeliefert werden. Probleme
mit der Verkabelung waren der Auslöser, allerdings deckte das aufwendige
Programm auch tiefgreifende Schwächen in der Konzernstruktur auf. Einflussreiche Kunden glauben, dass Airbus
wegen der politisch beeinflussten Struktur um rund 30 Prozent zu teuer produziert. Dem Unternehmen macht zudem
der schwache Dollar zu schaffen.
EADS will mit dem Sanierungsprojekt „Power 8“ gegensteuern, dessen Details der für Airbus verantwortliche Konzernchef Louis Gallois nach derzeitigem
Stand am 20. Februar vorstellt. Das Programm sieht vor, die Kosten ab 2010 um
mindestens 2,1 Milliarden Euro zu senken und so die Produktivität um 20 Prozent zu verbessern. Gallois hat bereits
von „schmerzhaften Jobverlusten“ gesprochen, aber betont, dies solle fair
über den Konzern verteilt werden. Genau daran äußerten die Mitarbeiter am
Freitag ernste Zweifel. „Wir haben begründete Befürchtungen, dass die Restrukturierung bei Airbus zu massiven
Arbeitsplatzverlusten und Benachteiligungen von deutschen Standorten und
ihren Beschäftigten führen wird“, sagte
Betriebsratschef Lütjen.
Einem Pressebericht zufolge will die
französische Airbus-Seite die Krise dazu
nutzen, „die bisher gleichberechtigten
deutschen Partner in eine untergeordnete Stellung zu verweisen“. Airbus wies
diese Darstellung zurück. EADS-CoChef Thomas Enders hatte am Dienstag
offenbar bei einer Veranstaltung betont,
am Ende würden „alle gleich unglücklich sein“.
In Frankreich gab es am Freitag nur
vereinzelte kleine Kundgebungen, unter
US-Justiz ermittelt gegen Siemens
Konzern drohen im Korruptionsskandal Millionenstrafen / Kritik an Informationspolitik
anderem vor der Airbus-Zentrale in Toulouse. Die französischen Gewerkschaften wollen erst Großdemonstrationen organisieren, wenn die Details des Sanierungsplanes vorliegen. Die Protestierenden übergaben aber der Präfektur von
Toulouse einen Brief, in dem der französische Staatspräsident Jacques Chirac aufgefordert wird, die Arbeitsplätze bei Airbus zu sichern. In Frankreich verdichten
sich die Anzeichen, dass die Werke in Méaulte und Saint Nazaire verkauft werden
könnten, in denen insgesamt 3400 Menschen beschäftigt sind. Hinzu kommen
angeblich weitere 2500 Stellen, die in
den übrigen Werken eingespart werden
sollen. Außerdem wären Tausende von
Arbeitsplätzen in der französischen Zulieferindustrie gefährdet. (Seiten 3, 26)
INHALT
PERSONALIEN
Die Seitenwechsler
Warum drei Manager sich für den fairen
Handel einsetzen.
Seite 26
POLITIK UND MARKT
Hoffnung auf neuen Gipfel
RAG-Börsengang soll auf Herbst verschoben werden.
Seite 27
UNTERNEHMEN
British Airways unter Druck
Fluggesellschaft senkt erneut ihre Prognose für das Jahr.
Seite 28
BÖRSE UND FINANZEN
Vor wichtigen Schwellen
Dax nähert sich 7000 Punkten, MDax
peilt 10 000 Zähler an.
Seite 30
REPORT
Nach Konzernangaben erfuhr Siemens bereits während der brisanten
Hauptversammlung am vergangenen
Donnerstag aus den USA vom Verfahren
des Justizministeriums. Es soll seit November laufen. Eine entsprechende
E-Mail sei am Nachmittag eingegangen,
sagte ein Sprecher. Aus dem Aufsichtsrat wurde deshalb Kritik laut. Die Nachricht sei weder bei der Hauptversammlung an die Investoren noch bei einem
Treffen des Gremiums danach an die Aufsichtsräte weitergeben worden, hieß es.
Der Sprecher wies die erneute Kritik an
der Informationspolitik des Konzerns
am Freitag zurück. Siemens habe entsprechend seiner Informationspflichten
gehandelt, sagte er. Der Aufsichtsrat hatte auf der Hauptversammlung angekündigt, die Kontrolle des Unternehmens intensivieren zu wollen.
Von Markus Balser
München – Dem Siemens-Konzern drohen wegen der Schmiergeld-Affäre Millionenstrafen in den USA. Wie das Unternehmen selbst bekanntgab, beschäftigt
der Fall inzwischen auch das amerikanische Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC. Das Ministerium führe
„ein Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen US-Strafvorschriften“, heißt es
im Siemens-Quartalsbericht. Zudem gebe es eine informelle Untersuchung der
SEC, geht aus dem Papier hervor. Erneut
wird zudem Kritik an der Informationspolitik des Unternehmens laut: Bekannt
war dem Konzern das Verfahren nach eigenen Angaben schon seit der vergangenen Woche.
Mit dem Verfahren des US-Justizministeriums in Washington sind für Siemens erhebliche Risiken verbunden. Der
Korruptionsfall wird zu einer immer größeren Belastung für den Konzern und
sein Management. Denn die US-Behörden verfügen über weitreichende Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten. Im
Fall von Bestechung, Schmiergeldzahlungen und schwarzen Kassen können sie sogar die Zulassung an der Börse entziehen. Für Siemens ist das brisant, denn
seit dem Frühjahr 2001 sind die Papiere
des Konzerns auch an der New Yorker
Wall Street notiert.
Dem Konzern drohten zudem Geldbußen, Schadensersatz und der Ausschluss
bei der Vergabe öffentlicher Aufträge,
heißt es im Unternehmen. Die Strafen
könnten in die Millionen gehen. Die Konzernbilanz träfe das unvorbereitet. Rückstellungen für etwaige Sanktionen habe
das Management noch nicht gebildet,
weil es bislang die mögliche Höhe der
Zahlungen nicht abschätzen könne,
heißt es in dem Bericht.
Das Ziel des Konzerns, mit dem Einsatz externer Ermittler eigene Untersuchungen der US-Behörden abzuwenden,
ist damit gefährdet. Im Dezember hatte
der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates die New Yorker Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton sowie den ehemaligen
Medizintechnik im Visier
Während der Hauptversammlung vor
einer Woche erfuhr Siemens von US-Ermittlungen, jetzt erst gab der Konzern
dies bekannt.
Foto: Reuters
Watergate-Ermittler Michael Hershman
engagiert, um illegale Finanzpraktiken
im Konzern aufzudecken. Noch haben
die US-Behörden offenbar keine eigenen
Ermittler in die Konzernzentrale entsandt. Nach Angaben aus Konzernkreisen lassen sich die Behörden über die externen Anwälte informieren.
Die Aktivitäten der US-Behörden gehen auf die Ermittlungen der Münchner
Staatsanwaltschaft zurück, die seit Mitte November gegen teils aktive, teils ehemalige Siemens-Manager vorgeht. „Es
kann gegenwärtig nicht ausgeschlossen
werden, dass Siemens oder einzelne Mitarbeiter wegen Gesetzesverstößen strafoder zivilrechtlich verfolgt werden“, teilte Siemens dazu mit. Der Konzern hatte
im Dezember dubiose Zahlungen von
420 Millionen Euro eingeräumt.
Derweil droht dem Unternehmen neuer Ärger. Wie aus dem Zwischenbericht
zum ersten Quartal ebenfalls hervorgeht,
ist die japanische Medizintechniktochter
von Siemens ins Visier der japanischen
Kartellbehörden geraten. Wegen des Verdachts möglicher Preisabsprachen bei
Ausschreibungen von Krankenhäusern
seien neben Büros von Siemens die Räume von mehr als zehn Herstellern und
Zwischenhändlern medizinischer Geräte
durchsucht worden, hieß es. Erst in der
vergangenen Woche verhängte die EUKommission gegen die Siemens-Sparte
Energieübertragung wegen Preisabsprachen ein Rekordbußgeld von mehr als
400 Millionen Euro.
Die Lebenslüge einer Region
Das Ruhrgebiet hat den Strukturwandel
verschlafen.
Seite 36
Kursteil
Fondsseiten
Seite 32, 34 und 35
Seite 44 und 45
Wöhrl hat genug
von LTU
Düsseldorf – Unternehmer Hans Rudolf
Wöhrl will sich möglicherweise schon im
nächsten Jahr wieder von seinen Anteilen am Ferienflieger LTU trennen. Wöhrl
sagte der Wirtschaftswoche, ein Verkauf
komme von 2008 an in Frage, da die Fluglinie schneller als geplant saniert sei und
die Geschäfte deutlich besser liefen. Der
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Verlust der Airline sei 2006 deutlich unter den geplanten 30 Millionen Euro geblieben. Für 2007 sei sogar mit einem kleinen Gewinn zu rechnen.
Wöhrls Assistentin Sandra Pabst bestätigte entsprechende Pläne auf Anfrage. „Mit Blick auf seinen 60. Geburtstag
im kommenden November hat Herr
Wöhrl angekündigt, dass er sich von der
Fliegerei verabschieden will“, sagte sie.
Wöhrl will nun den Umbau der LTU vom
Ferienflieger hin zu einer Fluglinie für gehobene Ansprüche vorziehen und verstärkt in besseres Essen sowie in einen höheren Komfort an Bord investieren. Außerdem will er ein Langstreckennetz aufbauen.
AP
cd_fendt
SZ20070203S915530