Massenproteste bei Airbus
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Massenproteste bei Airbus
WIRTSCHAFT Samstag/Sonntag, 3./4. Februar 2007 1MG Süddeutsche Zeitung Nr. 28 / Seite 25 Kommentare GROSSB R I TA N N I E N Rauf mit der Erbschaftsteuer Broughton Von Claus Hulverscheidt Filton Wenn es darauf ankommt im politischen Berlin, dann funktionieren die alten Reflexe noch. Union und SPD vergessen alle großkoalitionäre Zurückhaltung, und die Frontlinien vergangener Tage werden wieder sichtbar. Freunde, die sich verkracht hatten, finden wieder zusammen, alte Feindbilder erwachen zu neuem Leben. Der Mittwoch dieser Woche war ein solcher Tag. Das Bundesverfassungsgericht erklärte Teile des Erbschaftsteuergesetzes für grundgesetzwidrig, doch nicht der Beschluss selbst war es, der Politiker und Verbandsfunktionäre elektrisierte, sondern die Gelegenheit: Umgehend forderten BDI- und CDU-Vertreter Steuersenkungen für die Wirtschaft, während Gewerkschafter und Sozialdemokraten die „Reichen“ stärker zur Kasse bitten wollen. Eine verpasste Chance. Denn eigentlich wäre der Richterspruch eine gute Gelegenheit gewesen, innezuhalten und nachzudenken über ein Steuersystem, das als leistungsfeindlich, intransparent und ungerecht gilt, das wahlweise auf einen Bierdeckel passen (so der CDU-Steuerexperte Friedrich Merz) oder in den Garten der Freiheit (so der Heidelberger Professor Paul Kirchhof) führen soll. Warum eigentlich, so könnte man fragen, langt der Fiskus ausgerechnet bei denen am stärksten zu, die in Sonntagsreden gern als die „Leistungsträger“ der Gesellschaft bezeichnet werden: Facharbeiter, Angestellte, Selbständige, Handwerker, Unternehmer? Ein kleiner, fieser Knick Weshalb gibt es im angeblich linearen (also gleichmäßig steigenden) Steuertarif den sogenannten „Mittelstandsbauch“, jenen fiesen, kleinen, gern verschwiegenen Knick, der dafür sorgt, dass die Steuerlast auf mittlere Einkommen mit jedem zusätzlich verdienten Euro deutlich schneller steigt als im oberen Einkommensbereich? Wie könnte ein Steuersystem aussehen, das wirklich die Leistungsfähigkeit des Einzelnen berücksichtigt, das verständlich ist, Bürgern und Firmen wieder mehr Luft zum Atmen lässt und das dennoch dem Staat die erforderlichen Einnahmen sichert? Um ein Reizwort zu verwenden: Wäre eine Vermögensbesteuerung nicht gerechter? Natürlich, eine regelrechte Vermögensteuer kommt nicht in Betracht, denn sie ist ebenfalls ungerecht. Wer reich geworden ist, weil er fleißiger, kreativer oder risikofreudiger war als andere, darf dafür nicht bestraft werden. Zudem wird bei der Steuer jedes Jahr das immer gleiche Vermögen belastet – im Extremfall so lange, bis es nicht mehr da ist. Das ist keine Besteuerung, sondern Enteignung. Bleibt die Erbschaftsteuer, die im Vergleich zur Vermögensteuer gleich mehrere Vorteile hat. Zunächst wird nicht derjenige besteuert, der das Vermögen aufgebaut hat, sondern der Erbe. Ihm fällt das Vermögen ohne eigenes Zutun in den Schoß. Solange es nur um ein Einfamilienhäuschen oder ein paar Sparbücher geht, darf das den Fiskus nicht interessieren. Die entsprechenden Freibeträge sollten sogar erhöht werden – Karlsruhe hat dies ausdrücklich zugelassen. Auch bei Betrieben muss sichergestellt sein, dass man sie vererben kann, ohne dass sie in der Substanz gefährdet werden. Wer aber statt des Elternhauses eine 500-Quadratmeter-Villa, zehn Mietshäuser und zwei Ferraris oder eine dicke Beteiligung an einem Großkonzern erbt, der kann davon ruhig einen größeren Teil als bisher an die Allgemeinheit abtreten. Es reichen auch acht Mietshäuser und ein Ferrari. Das ist kein Neid, sondern Solidarität. Also rauf mit der Erbschaftsteuer! 200 Milliarden Euro jährlich Fragt man fünf Politiker, was man mit den Mehreinnahmen tun könnte, erhält man in Sekunden zehn verschiedene Verwendungsmöglichkeiten, darunter auch sinnvolle wie Bildung, Forschung oder Kinderbetreuung. Tatsächlich aber sollte das Geld für eine Begradigung und Senkung des Einkommensteuertarifs genutzt werden. Es geht schließlich bei der Operation nicht darum, den „Reichen“ einfach etwas wegzunehmen – das wäre Oskar-Lafontaine-Politik. Es geht um mehr Stringenz und Gerechtigkeit. Konkret gesagt: Im Gegenzug zu einer Erhöhung der Erbschaftsteuersätze wäre ein Einkommensteuertarif von 9 bis 42 (derzeit 15 bis 45) Prozent denkbar. Davon würden alle profitieren: Gering- und Mittelverdiener überdurchschnittlich, Großverdiener ein wenig. Kleine und mittlere Unternehmen könnten wieder mehr investieren, die Bürger mehr ausgeben. In der Summe würden das Wachstum erhöht und neue Arbeitsplätze geschaffen – mit den bekannt positiven Auswirkungen auf Staatseinnahmen, Unternehmensgewinne und Sozialsysteme. Dennoch würde die Operation den Staat zusätzlich einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten – und hier käme die Erbschaftsteuer zum Zuge. Derzeit werden in Deutschland pro Jahr durchschnittlich 200 Milliarden Euro vererbt. Dieser Summe stehen Erbschaftsteuereinnahmen von jährlich vier Milliarden Euro gegenüber: ein Witz. Höhere Sätze hätten einen weiteren positiven Effekt: Um die Erbschaftsteuer zumindest teilweise zu umgehen, könnten Vermögende auf die Idee kommen, gemeinnützige – nach ihnen benannte – Stiftungen zu gründen. Wenn diese Stiftungen dann die Integration ausländischer Kinder in Problemviertel finanzieren, wäre auch das ein willkommener Beitrag zu mehr Gemeinwohl. Viele werden dennoch „Sozialismus“ schreien. Wenn das aber sozialistisch ist, dann sind die USA die Kathedrale des Sozialismus: Ausgerechnet in Amerika trugen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung zuletzt rund 95 Prozent der Erbschaftsteuerlast, während sie „nur“ 60 Prozent der Einkommensteuerschuld aufgebürdet bekamen. Richtig arm ist darüber keiner geworden. Schädliches Pokerspiel Von Alexander Hagelüken So nahe war Wulf Bernotat dem Ziel noch nie. Nachdem der Mitbewerber Gas Natural sein Angebot zurückgezogen hat, könnte der Eon-Chef bald den spanischen Stromerzeuger Endesa übernehmen. Und damit seinen Plan erfüllen, Eon zum größten Energiekonzern der Welt zu machen. Endlich. Bernotat wartet darauf schon fast ein Jahr, seit er das erste Angebot für Endesa abgab. Die vergangenen zwölf Monate sind ein Lehrstück dafür, warum der europäische Binnenmarkt noch nicht richtig funktioniert. Die Regierung in Madrid hat Eon massiv behindert, weil sie den größten einheimischen Stromversorger in spanischer Hand sehen wollte. Das ist nichts anderes als überkommenes Denken. Europas Nationen und ihre Volkswirtschaften wachsen immer mehr zusammen. Es sollte keinen Politiker mehr stören, ob ein Unternehmen in deutscher oder spanischer Hand ist. Protektionismus á la Madrid ist ein Problem, weil er grenzüberschreitende Fusionen erschwert, die ganz Europa nutzen können. Der Eon-Konzern hat es nur der EUKommission zu verdanken, dass er sich überhaupt noch im Rennen um Endesa befindet. Hätte Brüssel nicht eingegriffen, hätten sich die Blockierer in Madrid durchgesetzt. Dieser Einsatz der Kommission ist nur eine Notlösung. Brüssel hat die Hindernisse aus dem Weg geräumt. Doch die Verzögerung hat die Übernahme unnötig verteuert. Weil Endesas Börsenkurs in den vergangenen Monaten stark gestiegen war, erschien selbst Bernotats zweites Angebot als zu niedrig. Eon musste es noch einmal erhöhen. Außerdem hat die Verzögerung dem spanischen Baukonzern Acciona ermöglicht, sich bei Endesa einzukaufen – und damit entweder die Übernahme noch zu verhindern oder durch den gestiegenen Kurs an ihr zu verdienen. Beides wäre zum Nachteil von Eon. Wenn die spanische Regierung sich von Anfang an herausgehalten hätte, wäre dies das beste gewesen. Auch für Spanien. Es schadet dem Land, wenn Eon zu viel bezahlen muss und darunter das neue Unternehmen leidet. Und es schadet dem Land auch, wenn Endesa wegen der Blockade nicht von Eon übernommen wird. Überall in Europa fusionieren die Energiekonzerne. Wer alleine bleibt, geht im Konzert der Großen unter. Die spanische Regierung hat sich gegen den Binnenmarkt gestellt – und auf der ganzen Linie verloren. (Seite 28) Kurse des Tages Eon 110 Sainsbury Xetra-Schlusskurse, in Euro, seit 1.2.06 100 90 80 SZ-Grafik smallCharts Quelle: T.F.Datastream F M A M J 2006 J A S O N D J 07 Die Eon-Aktie legte am Freitag um mehr als vier Prozent zu. Der Grund: Der Düsseldorfer Energiekonzern kommt der geplanten Übernahme des spanischen Konkurrenten Endesa näher. Der Konkurrent Gas Natural hat seine Gegenofferte zurückgezogen. Damit ist der Weg für Eon-Chef Wulf Bernotat nun so gut wie frei. Allerdings muss er das Angebot nochmal erhöhen. (Seite 28) 510 Schlusskurse London, in Pence, seit 1.2.06 480 450 420 390 360 330 300 SZ-Grafik F M A M J J A S O N D J smallCharts Quelle: T.F.Datastream 2006 07 Eine Gruppe von Beteiligungsfirmen peilt eine Milliardenübernahme der britischen Supermarktkette Sainsbury an. Die Planungen befänden sich in einem frühen Stadium, erklärten die Investmentgesellschaften CVC, Kohlberg Kravis Roberts und Blackstone am Freitag. Das Interesse trieb Sainsbury-Aktien in London zeitweise um 18 Prozent hoch und stützte weitere Handelstitel.Reuters SZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten--Süddeutsche SüddeutscheZeitung ZeitungGmbH, GmbH,München München SZdigital: Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de Eine Dienstleistung des SZ-Archivs Méaulte Saint Nazaire Angst vor Kahlschlag Nordenham Stade Hamburg Varel Bremen Buxtehude Produktionsstätten und Mitarbeiter von Airbus in Europa DEUTSCHLAND Nantes Laupheim FRANKREICH Toulouse S PA N I E N Illescas Getafe Puerto Real Toulouse 11 500 HamburgFinkenwerder 11 400 Puerto Real 500 Illescas 500 Getafe 2100 Spanien 3100 Filton 4600 Broughton 5100 Großbritannien 9700 SZ-Grafik: Michael Mainka / Quelle: Unternehmensangaben / Foto: dpa, SZ-Archiv Buxtehude 400 Laupheim 1100 Varel 1300 Stade 1600 Nordenham 2200 Bremen 3300 Saint Nazaire 2200 Nantes 2000 Méaulte 1200 Frankreich 16900 Deutschland 21 300 Vor Bekanntgabe des Sparprogramms Massenproteste bei Airbus 24 000 Menschen demonstrieren für deutsche Arbeitsplätze / Politiker beklagen Missmanagement Frankfurt – Rund 24 000 Menschen haben am Freitag für den Erhalt der 21 000 Airbus-Arbeitsplätze in den deutschen Werken demonstriert. Darunter waren zahlreiche Politiker. Bei Kundgebungen an den Standorten in Laupheim, Varel, Bremen und Hamburg warfen sie dem Management des Flugzeugbauers schwere Versäumnisse vor. Von Jens Flottau Die Demonstranten warnten die Führung des Mutterkonzerns EADS davor, Jobs zu verlagern und Werke zu schließen. Indirekt drohten sie mit Streiks. „Es darf nicht sein, dass Arbeitnehmer das ausbaden müssen“, sagte der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) bei einer Demonstration vor dem Werkstor von Airbus Bremen. „Deutschland braucht endlich eine starke Industriepolitik.“ Der Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) forderte: „Airbus muss ein nationales Projekt werden, so wie die Franzosen Airbus zu einem nationalen Projekt gemacht haben.“ Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) warf der Konzernführung Fehler vor. Der europäische Flugzeugbauer steckt nach Fehlentscheidungen, Pannen und wegen kostspieliger politischer Zugeständnisse an die diversen Standorte in einer schweren Finanzkrise. Diese will der Konzern mit tiefen Einschnitten bewältigen, die demnächst bekannt werden sollen. Nach Einschätzung von Betriebsräten sind davon rund 10 000 Ar- beitsplätze in Deutschland betroffen. Auch in Frankreich geht die Angst vor dem Sparprogramm um. Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken räumte am Freitag Versäumnisse ein. „Schwere Managementfehler“ hätten in Teilbereichen „eine maßgebliche Rolle gespielt“, sagte Puttfarcken vor 12 000 Demonstranten in Hamburg. Er forderte eine „grundsätzliche Neuausrichtung unserer Industrie“, versprach aber, sich für die sieben deutschen Airbus-Werke einzusetzen. Der Betriebsratschef des Hamburger Airbus-Werkes, Rüdiger Lütjen, machte deutlich, dass die Mitarbeiter weitere Proteste planen. „Wenn wir erkennen, dass wir hier nicht zum Zuge kommen, wird das Unternehmen seine Lieferaussagen für 2007 revidieren müssen“, so Lütjen. Der Betriebsrat glaubt, dass zwischen 5000 und 8000 der 21 300 AirbusArbeitsplätze in Deutschland gefährdet sind. Hinzu kämen mehrere tausend bei Lieferanten. „Wir haben die Sorge, dass Airbus große Pakete nach außen vergibt und auch die deutschen Zulieferer durch die Ritzen fallen.“ „Schmerzhafte Jobverluste“ Airbus entgehen bis 2010 nach aktuellen Prognosen rund fünf Milliarden Euro operativer Gewinn, weil das Großflugzeug A380 mit zweijähriger Verspätung auf den Markt kommt. Das erste Flugzeug soll im Oktober 2007 an Singapore Airlines ausgeliefert werden. Probleme mit der Verkabelung waren der Auslöser, allerdings deckte das aufwendige Programm auch tiefgreifende Schwächen in der Konzernstruktur auf. Einflussreiche Kunden glauben, dass Airbus wegen der politisch beeinflussten Struktur um rund 30 Prozent zu teuer produziert. Dem Unternehmen macht zudem der schwache Dollar zu schaffen. EADS will mit dem Sanierungsprojekt „Power 8“ gegensteuern, dessen Details der für Airbus verantwortliche Konzernchef Louis Gallois nach derzeitigem Stand am 20. Februar vorstellt. Das Programm sieht vor, die Kosten ab 2010 um mindestens 2,1 Milliarden Euro zu senken und so die Produktivität um 20 Prozent zu verbessern. Gallois hat bereits von „schmerzhaften Jobverlusten“ gesprochen, aber betont, dies solle fair über den Konzern verteilt werden. Genau daran äußerten die Mitarbeiter am Freitag ernste Zweifel. „Wir haben begründete Befürchtungen, dass die Restrukturierung bei Airbus zu massiven Arbeitsplatzverlusten und Benachteiligungen von deutschen Standorten und ihren Beschäftigten führen wird“, sagte Betriebsratschef Lütjen. Einem Pressebericht zufolge will die französische Airbus-Seite die Krise dazu nutzen, „die bisher gleichberechtigten deutschen Partner in eine untergeordnete Stellung zu verweisen“. Airbus wies diese Darstellung zurück. EADS-CoChef Thomas Enders hatte am Dienstag offenbar bei einer Veranstaltung betont, am Ende würden „alle gleich unglücklich sein“. In Frankreich gab es am Freitag nur vereinzelte kleine Kundgebungen, unter US-Justiz ermittelt gegen Siemens Konzern drohen im Korruptionsskandal Millionenstrafen / Kritik an Informationspolitik anderem vor der Airbus-Zentrale in Toulouse. Die französischen Gewerkschaften wollen erst Großdemonstrationen organisieren, wenn die Details des Sanierungsplanes vorliegen. Die Protestierenden übergaben aber der Präfektur von Toulouse einen Brief, in dem der französische Staatspräsident Jacques Chirac aufgefordert wird, die Arbeitsplätze bei Airbus zu sichern. In Frankreich verdichten sich die Anzeichen, dass die Werke in Méaulte und Saint Nazaire verkauft werden könnten, in denen insgesamt 3400 Menschen beschäftigt sind. Hinzu kommen angeblich weitere 2500 Stellen, die in den übrigen Werken eingespart werden sollen. Außerdem wären Tausende von Arbeitsplätzen in der französischen Zulieferindustrie gefährdet. (Seiten 3, 26) INHALT PERSONALIEN Die Seitenwechsler Warum drei Manager sich für den fairen Handel einsetzen. Seite 26 POLITIK UND MARKT Hoffnung auf neuen Gipfel RAG-Börsengang soll auf Herbst verschoben werden. Seite 27 UNTERNEHMEN British Airways unter Druck Fluggesellschaft senkt erneut ihre Prognose für das Jahr. Seite 28 BÖRSE UND FINANZEN Vor wichtigen Schwellen Dax nähert sich 7000 Punkten, MDax peilt 10 000 Zähler an. Seite 30 REPORT Nach Konzernangaben erfuhr Siemens bereits während der brisanten Hauptversammlung am vergangenen Donnerstag aus den USA vom Verfahren des Justizministeriums. Es soll seit November laufen. Eine entsprechende E-Mail sei am Nachmittag eingegangen, sagte ein Sprecher. Aus dem Aufsichtsrat wurde deshalb Kritik laut. Die Nachricht sei weder bei der Hauptversammlung an die Investoren noch bei einem Treffen des Gremiums danach an die Aufsichtsräte weitergeben worden, hieß es. Der Sprecher wies die erneute Kritik an der Informationspolitik des Konzerns am Freitag zurück. Siemens habe entsprechend seiner Informationspflichten gehandelt, sagte er. Der Aufsichtsrat hatte auf der Hauptversammlung angekündigt, die Kontrolle des Unternehmens intensivieren zu wollen. Von Markus Balser München – Dem Siemens-Konzern drohen wegen der Schmiergeld-Affäre Millionenstrafen in den USA. Wie das Unternehmen selbst bekanntgab, beschäftigt der Fall inzwischen auch das amerikanische Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC. Das Ministerium führe „ein Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen US-Strafvorschriften“, heißt es im Siemens-Quartalsbericht. Zudem gebe es eine informelle Untersuchung der SEC, geht aus dem Papier hervor. Erneut wird zudem Kritik an der Informationspolitik des Unternehmens laut: Bekannt war dem Konzern das Verfahren nach eigenen Angaben schon seit der vergangenen Woche. Mit dem Verfahren des US-Justizministeriums in Washington sind für Siemens erhebliche Risiken verbunden. Der Korruptionsfall wird zu einer immer größeren Belastung für den Konzern und sein Management. Denn die US-Behörden verfügen über weitreichende Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten. Im Fall von Bestechung, Schmiergeldzahlungen und schwarzen Kassen können sie sogar die Zulassung an der Börse entziehen. Für Siemens ist das brisant, denn seit dem Frühjahr 2001 sind die Papiere des Konzerns auch an der New Yorker Wall Street notiert. Dem Konzern drohten zudem Geldbußen, Schadensersatz und der Ausschluss bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, heißt es im Unternehmen. Die Strafen könnten in die Millionen gehen. Die Konzernbilanz träfe das unvorbereitet. Rückstellungen für etwaige Sanktionen habe das Management noch nicht gebildet, weil es bislang die mögliche Höhe der Zahlungen nicht abschätzen könne, heißt es in dem Bericht. Das Ziel des Konzerns, mit dem Einsatz externer Ermittler eigene Untersuchungen der US-Behörden abzuwenden, ist damit gefährdet. Im Dezember hatte der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates die New Yorker Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton sowie den ehemaligen Medizintechnik im Visier Während der Hauptversammlung vor einer Woche erfuhr Siemens von US-Ermittlungen, jetzt erst gab der Konzern dies bekannt. Foto: Reuters Watergate-Ermittler Michael Hershman engagiert, um illegale Finanzpraktiken im Konzern aufzudecken. Noch haben die US-Behörden offenbar keine eigenen Ermittler in die Konzernzentrale entsandt. Nach Angaben aus Konzernkreisen lassen sich die Behörden über die externen Anwälte informieren. Die Aktivitäten der US-Behörden gehen auf die Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft zurück, die seit Mitte November gegen teils aktive, teils ehemalige Siemens-Manager vorgeht. „Es kann gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, dass Siemens oder einzelne Mitarbeiter wegen Gesetzesverstößen strafoder zivilrechtlich verfolgt werden“, teilte Siemens dazu mit. Der Konzern hatte im Dezember dubiose Zahlungen von 420 Millionen Euro eingeräumt. Derweil droht dem Unternehmen neuer Ärger. Wie aus dem Zwischenbericht zum ersten Quartal ebenfalls hervorgeht, ist die japanische Medizintechniktochter von Siemens ins Visier der japanischen Kartellbehörden geraten. Wegen des Verdachts möglicher Preisabsprachen bei Ausschreibungen von Krankenhäusern seien neben Büros von Siemens die Räume von mehr als zehn Herstellern und Zwischenhändlern medizinischer Geräte durchsucht worden, hieß es. Erst in der vergangenen Woche verhängte die EUKommission gegen die Siemens-Sparte Energieübertragung wegen Preisabsprachen ein Rekordbußgeld von mehr als 400 Millionen Euro. Die Lebenslüge einer Region Das Ruhrgebiet hat den Strukturwandel verschlafen. Seite 36 Kursteil Fondsseiten Seite 32, 34 und 35 Seite 44 und 45 Wöhrl hat genug von LTU Düsseldorf – Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl will sich möglicherweise schon im nächsten Jahr wieder von seinen Anteilen am Ferienflieger LTU trennen. Wöhrl sagte der Wirtschaftswoche, ein Verkauf komme von 2008 an in Frage, da die Fluglinie schneller als geplant saniert sei und die Geschäfte deutlich besser liefen. Der ANZEIGE Lösungen für die WohnungsWirtschaft www.bo-wohnungswirtschaft.de Verlust der Airline sei 2006 deutlich unter den geplanten 30 Millionen Euro geblieben. Für 2007 sei sogar mit einem kleinen Gewinn zu rechnen. Wöhrls Assistentin Sandra Pabst bestätigte entsprechende Pläne auf Anfrage. „Mit Blick auf seinen 60. Geburtstag im kommenden November hat Herr Wöhrl angekündigt, dass er sich von der Fliegerei verabschieden will“, sagte sie. Wöhrl will nun den Umbau der LTU vom Ferienflieger hin zu einer Fluglinie für gehobene Ansprüche vorziehen und verstärkt in besseres Essen sowie in einen höheren Komfort an Bord investieren. Außerdem will er ein Langstreckennetz aufbauen. AP cd_fendt SZ20070203S915530