Du gehst schon wieder arbeiten?
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Du gehst schon wieder arbeiten?
So_WIR_1 Sonntag | Nr. 41 | 12. Oktober 2008 Seite 1 1 STELLEN|SONNTAG www.a-zjobs.ch «Du gehst schon wieder arbeiten?» BILDER: HO Die härteste Kritik müssen berufstätige Mütter von anderen Frauen einstecken In einem neuen Buch* erzählen prominente deutsche Frauen, weshalb sie trotz Kind nicht auf die berufliche Karriere verzichten wollten. VON KARIN KOFLER Es war der Super-GAU: Kaum hatte Rita Süssmuth (heute 71) ihre erste Stelle als Dozentin an einer Hochschule ergattert, wurde sie schwanger. Doch die promovierte Philosophin dachte nicht daran, ihren Job an den Nagel zu hängen. Sechs Wochen nach der Geburt stand sie wieder vor den Studenten – in den Sechzigerjahren keine Selbstverständlichkeit. tung für den Mann findet, wenn er die finanzielle Verantwortung für die Familie allein tragen muss. Nach Eva Hermans Lobgesang auf die Hausfrau liest man gerne wieder einmal etwas über Mütter, die zu ihren beruflichen Ambitionen stehen. «Karrieremütter» ist süffig geschrieben. Die Erzählungen der 15 Frauen aus Deutschlands Politik und Gesellschaft kommen teilweise jedoch etwas gar leicht daher – es entsteht der Eindruck, dass die Doppelbelastung Beruf/Kind ganz locker zu meistern sei. Ausserdem sprechen die meisten Protagonistinnen aus privilegierter Position. ZWEI INTERESSANTE SCHLÜSSE lässt die SPÄTER SCHLUG SÜSSMUTH eine Politlauf- bahn ein, wurde Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit und amtete zehn Jahre lang als Präsidentin des Deutschen Bundestages. Die Arbeit wegen des Kindes aufzugeben, war für die CDU-Politikerin nie ein Thema. Doch sie gibt zu: Ihre Tochter war nicht immer glücklich darüber. «Erst in der Oberstufe konnte sie damit umgehen.» Noch heute sind die Frauen im Dilemma: Was tun, wenn Kinder kommen? Zu Hause bleiben? Teilzeit arbeiten? Vollzeit? Möglich ist theoretisch alles. Für Regine Schneider ist indes klar: Es gibt eine gesellschaftliche Wertvorstellung. «Sobald eine Frau Mutter wird, gehört sie an den Herd», schreibt die Autorin des Buches «Karrieremütter. Vom Glück, Kind und Job zu vereinen». Während sich die Mütter in Frankreich, Schweden oder Dänemark nicht dafür rechtfertigen müssten, weshalb sie ihr Kind in die Krippe gäben, sei die berufstätige Frau in Deutschland noch immer umstritten. DAMITHATSIE sicher recht. In der Schweiz sieht die Situation nicht viel besser aus. «Die ganze Familienpolitik ist auf dem traditionellen Rollenbild aufgebaut», kritisierte die Ökonomin Gudrun Sander Talkmasterin Bärbel Schäfer, EU-Abgeordnete und FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin (rechts). von der Uni St. Gallen unlängst im «Sonntag». Spätestens nach der Geburt des zweiten Kindes gibt eine Mehrheit der Mütter ihren Job auf. Der Anteil Vollzeit arbeitender Frauen mit zwei Kindern beträgt hierzulande nicht einmal 10 Prozent, wie dem letzten Familienbericht des Bundesamtes für Statistik zu entnehmen ist. Genau diese Mütter, die sich trotz Kindern weiter voll im Beruf engagieren, kommen in Regine Schneiders Buch zu Wort. Sie verraten, warum sie sich für dieses Lebensmodell entschieden haben. «Wenn man mich zu einer Hausfrau degradieren würde, wäre ich tief unglücklich. Und wenn ich unglücklich bin, ist mein Kind auch nicht glücklich», sagt etwa die Schauspielerin Mariella Ahrens («Bergdoktor», «Soko»). Und Talkmasterin Bärbel Schäfer arbeitet schon allein deswegen, weil sie es eine zu grosse Belas- Lektüre dennoch zu. Erstens: Frauen, die trotz Kindern weiter an der Karriere feilen, wird auch im 21. Jahrhundert ein schlechtes Gewissen eingejagt. So liest man beispielsweise mit Erstaunen, dass die EU-Abgeordnete und FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin regelmässig gehässige Post bekommt wegen ihres Engagements. Wildfremde Menschen liefern ihr «wissenschaftlich untermauerte» Beweise dafür, dass das, was sie tue, ganz schrecklich sei für ihre Kinder. Ein weiteres Fazit: Die härteste Kritik müssen berufstätige Frauen von ihren Geschlechtsgenossinnen einstecken. Fast alle befragten Promi-Mütter beklagen in ihren Ausführungen, dass es vor allem die Frauen sind, die ihnen so «charmante» Fragen stellen wie «Was, du gehst schon wieder arbeiten?» oder «Erkennen Ihre Kinder Sie überhaupt noch?». Von Solidarität keine Spur. * Karrieremütter. Vom Glück, Kind und Job zu vereinen. MVG-Verlag, Fr. 38.40.