Zeit für Bildung – Zeit für mich
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Zeit für Bildung – Zeit für mich
Dozent und Teilnehmende des Bildungsurlaubs ›Bremen und das Meer‹ – hier geht es um die Entwicklung der bremischen Häfen und die damit verbundene Stadtentwicklung. 08 // wisoak Zeit für Bildung – Zeit für mich Bildungsurlaub in der modernisierten Bildungsstätte Bad Zwischenahn Zeit für Bildung – Zeit für mich Raus aus dem Trott: In der renovierten Bildungsstätte Bad Zwischenahn der Arbeitnehmerkammer Bremen können die Teilnehmer der Seminare bis zu fünf Tage Neues lernen und gleichzeitig vom Alltag abschalten. Das Haus hat viele Stammgäste, die das Konzept schätzen. Ewald Wiesner macht regelmäßig Bildungsurlaub. Der 50-Jährige ist Hafenfacharbeiter, er transportiert im Bremerhavener Überseehafen als Van-Carrier-Fahrer im Schichtdienst Container. Wenn er seinen jährlichen fünftägigen Bildungsurlaub nimmt, gestaltet er ihn als kleine Flucht aus dem Alltagstrott. Deshalb war er schon zehnmal in der Bildungsstätte Bad Zwischenahn der Arbeitnehmerkammer Bremen. ›Man kommt von zu Hause und dem Schichtdienst mal raus‹, sagt er. Meist sucht er sich ein Seminar gemeinsam mit Kollegen aus, mit denen er abends noch zusammensitzen kann. Aber auch den Austausch mit Beschäftigten aus anderen Branchen findet er wichtig. Bis zu 70 Bildungsurlaube zur politischen Bildung bietet die Wirtschafts- und Sozialakademie der Arbeitnehmerkammer Bremen (wisoak) in Bad Zwischenahn an, dazu kommen bis zu 20 Wochenendseminare. ›Pro Jahr haben wir so über 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer‹, sagt Asmus Nitschke von der wisoak. ›Bildungsurlaub ermutigt Menschen, sich politisch zu engagieren und Standpunkt zu beziehen.‹ ›Bremen und das Meer‹ heißt das Seminar, das Ewald Wiesner zusammen mit mehreren seiner Van-Carrier-Kollegen besucht. Es geht um die Geschichte der bremischen Häfen und die damit verbundene Stadtentwicklung – ein Thema, das ihn schon allein von Berufs wegen interessiert. Bei seinem ersten Bildungsurlaub fremdelte er noch ein wenig mit der Unterrichtssituation, die ihn an seine Schulzeit erinnerte. ›Vorne stand wieder ein Lehrer‹, schmunzelt er. Doch seine Befangenheit legte sich schnell – erst recht in den Kursen von Dozent Uwe Kempf, dessen Seminare Wiesner nun schon zum vierten Mal besucht. ›Ich mag seine lockere Art‹, lobt der Hafenarbeiter. Hafen wurde zum Leib- und Magen-Thema Der 67-jährige Historiker Kempf leitet bereits seit 20 Jahren Seminare in Bad Zwischenahn. Seine Leib- und Magen-Themen sind die Stadt- und Hafenentwicklung geworden. 14 Männer und fünf Frauen sitzen in seinem Kurs ›Bremen und das Meer‹. ›Das Thema ist sehr stark männerdominiert, im Hafen arbeiten doch meistens Männer, auch wenn die Zahl der Frauen zunimmt‹, sagt Kempf. Eine der Teilnehmerinnen im Seminar ist Gabriele Halberscheid-Bergmann. ›Mich interessiert die Entwicklung von Städten‹, sagt sie über ihre Motivation für die Wahl des Bildungsurlaubs. Dozent Kempf erzählt auf anschauliche und amüsante Art und Weise, wie der erste Container per Schiff in den Bremer Hafen kam. Es war der 6. Mai 1966 und der erste Seecontainer überhaupt in Deutschland. ›Das war eine Revolution für das weltweite Transportwesen‹, sagt Kempf. Von da an veränderte sich die Hafenlandschaft rasant, Bremerhaven gewann als maritimer Standort immer mehr an Bedeutung – während Bremen diese verlor. 1971 entstand der erste Containerliegeplatz in Bremerhaven. ›Der Hafen ging aus der Stadt Bremen‹, betont Kempf. Und das hatte weitreichende Folgen für die Bewohner und auch für das Stadtbild. Exkursionen zur Papenburger Meyer Werft und zum JadeWeserPort in Wilhelmshaven sollen die maritime Entwicklung außerhalb Bremens verdeutlichen. ›Das war der Wunsch der Teilnehmer‹, sagt Uwe Kempf. Die technologische Entwicklung macht auch heute keinen Halt. Das wird besonders klar, als die Hafenfacharbeiter von ihren Befürchtungen erzählen, dass bald schon Van-Carrier auf Schienen und ohne Fahrer in den Häfen eingesetzt werden könnten. ›Was wird dann aus unseren Jobs?‹, lautet die bange Frage. Nicht abgelenkt von alltäglichen Dingen Rund die Hälfte der Seminarteilnehmer sind Hafenarbeiter. Die Sozialpädagogin Gabriele Halberscheid-Bergmann findet es spannend, nicht nur vom Dozenten Wissenswertes über die Häfen zu erfahren. ›Man bekommt authentische Berichte von Leuten, die dort arbeiten‹, sagt die 60-Jährige, die in einer Grundschule arbeitet. Andere Teilnehmer sind bei Mercedes, Airbus, im öffentlichen Dienst und bei der Bremer Straßenbahn AG beschäftigt. Für Halberscheid-Bergmann ist es wichtig, für den Bildungsurlaub von zu Hause weg zu sein. ›Man ist mehr bei der Sache, nicht so abgelenkt durch die alltäglichen Dinge‹, betont sie. Dozent Kempf weiß, dass es auch für die Gruppendynamik gut ist, wenn die Teilnehmer abends noch zusammenbleiben. Auch Siggi Wolfram mag es, im Bildungsurlaub ein paar Tage aus dem Alltag rauszukommen. ›Ich komme immer gestärkt mit anderen Inhalten in die Arbeit zurück‹, sagt der 62-Jährige, der bei der Gewoba beschäftigt ist. Er kann es deshalb auch nicht nachvollziehen, warum nur drei Prozent der Beschäftigten in Bremen den ihnen zustehenden Bildungsurlaub in Anspruch nehmen. Siggi Wolfram ist bereits das 17. Mal in der 1975 eröffneten Bildungsstätte Bad Zwischenahn. ›Das ist hier fast wie im Hotel‹, // 09 schwärmt er. Die 2011 begonnenen Modernisierungsmaßnahmen findet er gelungen. 30 Einzelzimmer wurden saniert. ›Sie sind jetzt hell und freundlich‹, sagt die Leiterin des Hauses, Gudrun Afken. Alle Zimmer sind mit einem Fernseher und WLAN ausgestattet, auch die Bäder wurden neu gemacht. Zudem wurden zwei behindertengerechte Zimmer hergerichtet. Die Flure und öffentlichen Toiletten wurden erneuert und die Kegelbahn und der Bierkeller ›aufgehübscht‹, wie Gudrun Afken sagt. ›Das hatte alles noch den Charme der 1970er-Jahre.‹ Eines hat sich nicht verändert: ›Das Essen war hier schon immer gut‹, sagt Siggi Wolfram und fügt hinzu: ›Und die Freundlichkeit des Personals.‹ Auch die Lage gefällt den Gästen. ›Man ist schnell im Ort oder, wenn man es ruhig mag, in der Natur‹, sagt Gudrun Afken. Viele leihen sich Fahrräder aus, um die Umgebung zu erkunden. ›Hier halten sich Bildung und Urlaub die Waage‹, sagt Teilnehmer Siggi Wolfram. Ewald Wiesner will seinen nächsten Bildungsurlaub wieder in Bad Zwischenahn verbringen. Für ihn stimmt die Mischung: ›Man bekommt Informationen, aber hat auch Spaß dabei. Das ist wichtig.‹ (bin) Bildungsurlaub ist in Bremen gesetzlich verankert: Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer, die oder der fünf Tage pro Woche arbeitet, hat innerhalb von zwei Jahren Anspruch auf einen Bildungsurlaub von zehn Arbeitstagen. Für Teilzeitbeschäftigte reduziert sich der Anspruch entsprechend. Früher musste ein Bildungsurlaub mindestens fünf Tage dauern, seit 2010 können auch ein- oder zweitägige Seminare besucht werden. Bildungsurlaube der wisoak in Bad Zwischenahn ❙ Flucht und Wanderung 7.3. – 11.3.2016 Das Seminar behandelt die Gründe für die aktuellen Flüchtlingsströme und diskutiert die Herausforderungen für die nationalen Integrationspolitiken. ❙ Terror und Gewalt im Namen des Islam? 5.12. – 9.12.2016 Das Seminar beleuchtet Hintergründe und diskutiert politische Lösungsansätze. Weitere Infos zur Bildungsstätte und zum Programm unter www.bildungsstaette-badzwischenahn.de.