Dorint Hotel stützt lokale Kreislaufwirtschaft - H2
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Dorint Hotel stützt lokale Kreislaufwirtschaft - H2
2 Planen Klimafreundliche Energieversorgung für arrivierten Bestandsbau Dorint Hotel stützt lokale Kreislaufwirtschaft In der Eifel haben zwei unterschiedliche Partner im Zuge der Energiewende zueinander gefunden: Hotellerie und Landwirtschaft. Ein landwirtschaftliches Konsortium hat die Versorgung eines Hotelkomplexes mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) übernommen. Dabei wurde die alte Ölzentralheizung durch ein mit Biogas betriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW) substituiert. Die zukunftsweisende Lösung zeigt Möglichkeiten der dezentralen Energieversorgung im ländlichen Raum auf und eröffnet dem primären Sektor neue Perspektiven. Text: Marc Wilhelm Lennartz Fotos, Grafiken: Marc Wilhelm Lennartz, Bioenergie Niederweiler, Dorint Seehotel & Resort Bitburg, Ingenieurbüro H. Berg & Partner GmbH 1 Claudia Arens, die Direktorin des Dorint Hotel & Resort am Bitburger Stausee, ist zufrieden: „Als einer der größten Arbeitgeber der Region möchten wir mit dieser Initiative den Weg zu einem verantwortlichen und klimafreundlichen Umgang mit unseren begrenzten Ressourcen aufzeigen. Die neue Energieversorgung ist wegweisend, nicht nur für den Hotelbereich. Zudem vermeiden wir pro Jahr einen Kohlendioxid-Ausstoß von rund 2.500 Tonnen und sparen signifikant bei unseren Betriebskosten.“ Die rheinland-pfälzische Südeifel ist ein strukturschwacher Raum. Das dünn besiedelte Randgebiet, das im Westen an Luxemburg grenzt, wird seit Generationen von der Land- und Forstwirtschaft geprägt. Daneben ist die prächtige und in weiten Teilen intakte Natur dieser typischen Mittelgebirgsregion die wichtigste Konstante, mit der die Region im Tourismus seit geraumer Zeit ökologisch und ökonomisch punkten kann. Das seit über 40 Jahren bestehende Dorint Hotel & Resort am Bitburger Stausee zählt zu den 01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de Planen arrivierten und am besten gebuchten Häusern der Hotelkette. Die unmittelbare Alleinlage am Wasser, eingebettet in das von Wiesen und Wäldern umsäumte Prümtal, bietet auf 10 Hektar Fläche Ruhe und Erholung. Das breitgefächerte Angebot spricht sowohl Wellness-, Sport- und Wanderurlauber, Paare und Familien wie auch Geschäftskunden und Unternehmen an, die den Standort als Konferenz- und Seminarplatz nutzen. Die Vier-Sterne-Anlage bietet auf einer Gesamtnutzfläche von über 7.000 Quadratmetern ohne Sport- und Freizeitbereich neben den 100 Zimmern im Haupthaus zusätzlich 59 Appartement-Studios in einem separaten Gebäude sowie 13 Tagungsräume. Jährlich generiert man mit 660 Betten mehr als 100.000 Übernachtungen. Weitere 42 Land- und Wochenendhäuser sind zwar dem Areal zugeordnet, befinden sich jedoch in Privatbesitz. Das Resort weist die typischen Kennzeichen einer gewachsenen Anlage aus, deren einzelne Abschnitte die gesellschaftlichen und touristischen Entwicklungen von vier Dekaden sichtbar machen: Neben dem Haupthaus und den Appartements sind hier exemplarisch Tennishallen und -plätze, Hallenbad, Squashcourts, Bowlingbahnen oder der Klettergarten zu nennen. 3 2 Puristische 1970er-Jahre Architektur prägt das Hotel-Hauptgebäude 01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de 3 Grafik: Ingenieurbüro H. Berg & Partner GmbH Das kompakte Hauptgebäude des Dorint Hotels, dessen große Fensterflächen sofort ins Auge fallen, wurde 1971 fertig gestellt. Die funktional-unaufgeregte Formensprache der Architektur fügt sich nach wie vor behutsam in die hügeligen Konturen der Landschaft der Südeifel ein. Die weißen Fassaden der Gebäudekörper durchbrechen das satte Grün von Wald und Flur und erscheinen in diesen Tagen wieder zeitgemäß. In unmittelbarer Ausrichtung zum Stausee warten die Gästezimmer mit loggienähnlichen, in den Korpus eingezogenen Balkonen auf, die einen ganzjährigen und witterungsunabhängigen Aufenthalt im Freien ermöglichen. Der viergeschossige Flachdachbau wurde in der für die Zeit typischen Stahlbeton-Skelettbauweise in leichter Hanglage errichtet. Die Bauform mit vorproduzierten Betonelementen war damals modern. Sie garantierte eine vergleichsweise kurze Bauzeit, galt als feuerbeständig und erforderte keine aufwändige, laufende Unterhaltung. Die Schaltechniken ermöglichten bereits Anfang der Siebziger eine wirtschaftliche, kurze und kostengünstige Herstellung der Stahlbetonfertigteile in sämtlichen benötigten Abmessungen. Dabei hielt man die einschaligen Betonelemente bewusst sichtbar – als Zeichen der Zeit und um sie nuanciert mit allen erdenklichen Farbtönen versehen zu können. Die Architektur dieser Epoche beruhte auf der Maxime des Fortschritts durch Technik. Das bedeutete sachliche Lösungen zu entwerfen, die von planerischem und stofflichem Purismus getragen wurden, weit entfernt von Opulenz und Gigantismus. Als Resultate entstanden, wie beim Eifler Dorint Hotel, die typischen Rasterfassaden mit horizontal und vertikal symmetrischer Struktur. Die Proportionen waren ausgewogen und sparsam, die Konzeption der Wohnanlagen kompakt. Ebenso teures wie kostbares Bauland wurde geschont, um ausreichend Platz für Grünanlagen und Naherholung zu bewahren: Leitbilder, die auch heute nichts an Gültigkeit verloren haben. 4 1 Dorint Hotel & Resort am Bitburger Stausee 2 Gemeinde Niederweiler von oben – unten die Biogasanlage mit ihren 3 Gärbehältern 3 Turbinenraum der Biogasanlage Niederweiler 4 Die Biogasanlage in Niederweiler versorgt ein Nahwärmenetz vor Ort (oben in blau und rot) sowie über eine Mikrogasleitung (gelb) das Dorint Seehotel & Resort Bitburg/ Südeifel in Biersdorf am See (unten), wo ebenfalls ein Nahwärmenetz aufgebaut wurde. Planen 4 Vom Bauernhof zur bäuerlichen Betreibergesellschaft für Biogas 5 6 5 S-BHKW am Dorint Hotel 6 Energieverteilsysteme für das Hotel Rahmendaten Anlagenbetrieb Biogasanlage / Blockheizkraftwerke Inbetriebnahmen 2006, 2009, 2012 Fermenter 2 x 1.130 m³ Nachgärbehälter 1.556 m³ Gasproduktion 2,9 Mio. Nm³/h Gasspeicher BGA 2.000 m3 Länge Rohgasleitung 1.900 m Installierte Gesamtleistung 900 kWel / 1.035 kWth 2 BHKW Niederweiler 350/410 kWel/th, 150/180 kWel/th 1 BHKW Dorint 400/445 kWel/th Jahreserzeugung 2012 5,3 Mio. kWhel Elektrik / 5,8 Mio. kWhth Thermik Kontakt Bioenergie Niederweiler: [email protected] Unweit des Resorts beschritten im Eifeldorf Niederweiler drei bäuerliche Familienbetriebe neue betriebswirtschaftliche Wege. Ende der 1990er Jahre begannen auf den alteingesessenen Bauernhöfen der Familien Dimmer, Hahn und Hauer die ersten Alarmglocken zu schrillen. Die Preise und Erlöse für die Ackerbau-, Milchvieh- und Zuchtbetriebe gerieten mehr und mehr unter Druck und öffentlichkeitswirksam präsentierte Butter- und Milchberge ließen für die Zukunft nichts Gutes erahnen. Doch die Landwirte realisierten, dass im Bereich erneuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe eine Zukunft liegen könnte. Nach intensiver Vorplanungsphase gründeten die Familien im Jahr 2005 gemeinsam die Bioenergie Niederweiler GmbH & Co.KG. Im selben Jahr wurde mit dem Bau einer Biogasanlage begonnen und 2006 mit einem BHKW von 400 kWth (= thermische Leistung in Kilowatt) und 350 kWel (= elektrische Leistung in Kilowatt) fertiggestellt. 2009 wurde die Anlage um ein zweites Gas-BHKW mit einer Leistung von 190 kWth und 150 kWel erweitert. Aus den jährlich ca. 20.000 Tonnen Inputmaterial produziert man 2,9 Mio. Nm³/h (= Normkubikmeter) Biogas. Die Gesamtinvestitionskosten betrugen samt Eigenleistung 2,2 Mio. Euro, die gemeinsam mit der Volksbank Bitburg als Hausbank und zinsgünstigen Krediten der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) finanziert wurden. Das Befüllen mit unterschiedlichen Gärsubstraten, neben Mais auch Ganzpflanzensilage und Rindergülle, ist den Niederweiler Landwirten wichtig. Sie wollten auf ihren angestammten Feldern rund um die Anlage keine großflächigen Mais-Monokulturen aufziehen. Die reine Vergärung von Mais, wie anderorts oft üblich, hat zwar einen beschleunigten Vergasungsprozess zur Folge. Jedoch wird dadurch auch die Bodenerosion gefördert und somit die Fruchtbarkeit der Böden beeinträchtigt. Die vergorenen Restmengen werden als Düngesubstrat wieder auf dieselben Flächen aufgebracht, von denen das Rohmaterial stammt – ein lokaler Kreislauf, der ausschließlich Gewinner ausweist. Der Großteil des Ausgangsmaterials, ca. 85 Prozent, stammt von den 3 beteiligten Höfen aus 2,5 km Entfernung, der restliche Anteil wird von vertraglich eingebundenen Betrieben aus der Nachbarschaft angeliefert. Etwa 40 Prozent der produzierten Biogasmenge können mittels KWK in Strom verwandelt werden, der Rest fällt als Wärmeenergie an, die es ebenfalls zu nutzen gilt. Davon wird ca. ein Drittel für den Eigenbetrieb der Anlage zur Erwärmung des Gärsubstrates genutzt. Ein weiterer Teil dient der ganzjährigen Versorgung von 7 Privatgebäuden sowie der Dorfkapelle über ein lokales Nahwärmenetz, dass die Landwirte in Eigenregie in ihrem Heimatdorf Niederweiler verlegten. Partnerschaft ermöglicht Wärmeproduktion und -verbrauch an einem Ort Um die Biogasanlage weiter zu optimieren, bedurfte es eines verlässlichen und dauerhaften Abnehmers der zusätzlich erzeugten Wärme, wofür das nahegelegene Dorint Resort geradezu prädes- 01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de 5 Grafik: Ingenieurbüro H. Berg & Partner GmbH Planen 7 7 S-BHKW Regelbild zur Überwachung des Wärmeverbrauchs im Hotel 8 Der Wärmebedarf der Hotelanlage am See ist in den Wintermonaten am größten. Im Sommer wird stattdessen die Produktion der Blockheizkraftwerke an der Biogasanlage hochgefahren, um die Abnahme zu verstetigen. tiniert war. Die Ausgangslage beschied den Partnern in spe gute Voraussetzungen: Die Distanz für eine 1,9 km lange Zuleitung von der Biogasanlage zum Hotelstandort auf abfallendem Gelände war zu bewältigen, das Wegerecht zur Verrohrung war trotz vielschichtiger Besitzverhältnisse verhandelbar und die für eine technische Realisierung notwendigen Fachpartner mit entsprechender Expertise waren in Reichweite. Die Bioenergie Niederweiler beauftragte das u. a. im Bereich Biogasanlagen erfahrene Ingenieurbüro H. Berg & Partner GmbH aus Aachen mit der Planung, Ausschreibung und Bauleitung. Von Seiten des Dorint begleitete der damalige technische Direktor Christian Mutschler das Projekt. Zu Beginn wurde über mehrere Monate der Wärmeverbrauch der alten Ölzentralheizung des Hotels gemessen. Daraus resultierte die Entscheidung, ein Mikrogasnetz mit einem DN-100-Rohr von der Biogasanlage zum Dorint Hotel zu verlegen. Daran schloss man vor Ort am Hotel ein S-BHKW (Satelliten-Blockheizkraftwerk) von 445 kW thermischer und 400 kW elektrischer Leistung an. 330.000 Liter Heizöl wurden substituiert Das S-BHKW wird von den Landwirten in Eigenregie betrieben und gewartet. Die Mikrogasleitung quert 30 private und öffentliche Grundstücke, so dass etliche Verhandlungen geführt und auch Bauanträge eingereicht werden mussten. Die drei vorigen Heizzentralen des Resorts – das Hotelhauptgebäude, die Appartement-Studios und das Konferenzzentrum – wurden über ein neues Nahwärmenetz direkt an das S-BHKW angeschlossen. In das Nahwärmenetz wurde ein 30 Kubikmeter großer Pufferspeicher integriert, aus dem zu Spitzenlastzeiten – z. B. während der Morgenstunden, wenn viele Gäste parallel duschen – für ca. 2 Stunden zusätzliche Heizenergie zur Verfügung gestellt werden kann. Ende 2011 startete der Probebetrieb und Anfang 2012 konn- 01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de 8 te die gesamte Anlage mit ihrer vollen Leistung in den Dauerbetrieb gehen. Noch 2009 deckte das Dorint Resort seinen Bedarf an Wärme von 3,432 Mio. kWh mit 330.000 Litern Heizöl und 20.000 Litern Propangas ab. Heute hingegen zieht man jährlich ca. 3 Mio. kWh an Wärmeleistung aus dem S-BHKW, was etwa 90 Prozent des Eigenbedarfs ausmacht. Da die Temperaturen im Jahresverlauf großen Schwankungen unterliegen und auch die Gästezahl stark variiert, z. B. an Wochenend- und Feiertagen, bedurfte es einer sowohl vollautomatischen als auch regelbaren Wärmezufuhr. Der kaufmännische Geschäftsführer der Bioenergie Niederweiler, Michael Hauer, erläutert dazu: „Die Anlage wird von uns flexibel gefahren. Wenn das Hotel weniger Gas braucht, fahren wir in Niederweiler an der Biogasanlage die beiden dortigen BHKWs in ihrer Leistung wieder hoch, so dass die Gesamtanlage weiterhin ausgelastet wird.“ Hallenbad wird als Pufferspeicher für Spitzenlastzeiten genutzt Mittels einer frühzeitigen und offensiven Kommunikationspolitik durch die beiden Vertragspartner konnten die betroffenen Kommunen, der Landkreis und das Mainzer Landwirtschaftsministerium sowie wichtige Entscheidungsträger und Multiplikatoren in Politik und Verwaltung für das Projekt gewonnen werden. Das vereinfachte und beschleunigte die zahlreichen Verfahrensschritte beträchtlich. Da auch einer flexiblen BHKW-Anlagentechnik systemimmanente Grenzen gesetzt sind, kommt der kontinuierlichen Wärmeabnahme eine zentrale Bedeutung zu. Denn BHKWs sind immer wärmegeführt, d.h., dass sie erster Linie Wärme produzieren und der Strom sozusagen als Bonus noch oben draufkommt. Deshalb muss vor allen anderen Fragen geklärt sein, wie die produzierte Wärme möglichst ganzjährig sinnvoll genutzt werden kann. Hierbei stehen vor allem die heizfreie Sommerzeit sowie die Übergangszeiten im Fokus, in denen noch nicht bzw. nicht mehr ganztägig geheizt wird. Das Dorint Seehotel wartete hier mit einem Pluspunkt auf, der der Ökonomie des Gesamtsystems in besonderer Weise zuträglich war und den Bau des S-BHKWS vor Ort überhaupt erst ermöglichte: ein Hallenbad mit einem 6 Planen 9 Das Hallenbad des Hotels dient als Pufferspeicher. Fassungsvermögen von 340.000 Litern. Es benötigt zum einen ganzjährig Heizenergie und bildet zum anderen für Spitzenlastzeiten einen gigantischen Pufferspeicher, der den effizienten Anlagenbetrieb unterstützt. Zum Wärmebedarfsmosaik gehört noch eine römische Wellnesslandschaft die täglich genutzt wird. In Summe weisen Hallenbad und Wellnessbereich einen jährlichen Wärmebedarf von ca. 1,2 Mio. kWhth aus. Diese beiden Großwärmeabnehmer stellen sicher, dass die jährlich erforderlichen 8.500 Betriebsstunden, die der wirtschaftliche S-BHKW-Betrieb benötigt, auch erreicht werden. Energie-Contracting mit Win-Win-Effekt Da die Liegenschaft des Dorint Resorts vor der Renovierung stand, bot sich bei der Projektumsetzung ein sogenanntes Energie-Contracting an. Dabei tritt die Bioenergie Niederweiler als Contractor, d.h. Wärmelieferant auf, der die Wärmeproduktion ganzjährig bedarfsgerecht gewährleistet, während das Dorint Hotel Bitburg als Contracting-Nehmer die Wärmeenergie zu definierten Konditionen abnimmt. Die Lösung ermöglicht der Dorint-Gruppe, sich weiterhin voll und ganz auf das eigene Kerngeschäft zu fokussieren, ohne größere Summen in die Umstellung der Energieversorgung investieren zu müssen. Letztere verlagerte man ebenso auf das Niederweiler Konsortium wie den Betrieb der neuen Heizungsanlage. Im Gegenzug räumte der Contracting-Nehmer dem Contractor für einen Zeitraum von 15 Jahren exklusive Energieversorgungsrechte in einem Wärmelieferungsvertrag ein. Die Höhe der Vergütung je gelieferter Kilowattstunde Wärme koppelte man an den jeweils gültigen Heizölpreis. Zur Absicherung der Investition von 1 Mio. Euro wurde der Wärmelieferungsvertrag auch als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen, die eine verbindliche Wärmeabnahme über den Vertragszeitraum bezogen auf das Gebäude regelt. Die Landwirte rechnen damit, dass sich ihre Investition in ca. 8 Jahren durch die Wärme- und Stromerträge amortisiert haben wird. Das Dorint Resort konnte durch die moderne Heizungsanlage und deren deutlich verbesserten Wirkungsgrad die jährlichen Heizkosten um 15 Prozent, d.h. um über 50.000 Euro senken. Flexible Stromproduktion, Smart Grid und direkte Vermarktung Im Jahresdurchschnitt produzieren die Niederweiler Energiewirte im Grundlastbetrieb ca. 500 kW/h Strom. Die Biogasanlage kann jedoch bei Bedarf und voller Leistung aller drei BHKWs auf max. 900 kW/h hochgefahren werden. Dieser individuell handhabbare Spielraum kann mit der EEG-Novelle seit 2012 für eine direkte Vermarktung des selbst erzeugten Stroms genutzt werden. Denn Biogasanlagen können bis zu einem gewissen Grad Gas-Speicherkapazitäten vorhalten. Mit flexibler Leistungserbringung sind sie dann in der Lage, Strom exakt dann zu produzieren, wenn dieser benötigt wird. Dadurch können sie schwankende Produktionsund Nachfragespitzen im Stromnetz ausgleichen und zusätzliche Erlöse im Strommarkt generieren. Da einzelne Biogasanlagen zu klein sind, um nennenswerte Verträge an der Leipziger Strombörse EEX abschließen zu können, trat man der GDGE (Genossenschaft Deutscher Grünenergie-Erzeuger) bei, die die Leistungskraft vieler Anlagen im Verbund nutzt. Deren Vermarktungsdienstleistung an sich ist kostenfrei. Erst wenn Mehrerlöse erzielt werden, erhalten die Biogas-Energiewirte 64 Prozent vom Gewinn, 36 Prozent verbleiben bei der GDGE für den Stromverkauf. Ein wichtiges Argument für die Betreiber der Biogasanlage stellt die von der Genossenschaft garantierte Zahlung auf EEG-Niveau dar, so dass gegenüber der normalen Einspeisevergütung keine Verluste entstehen können. Die Niederweiler Energiewirte sind die ersten Betreiber einer Biogasanlage im Netzbereich der RheinRuhr Verteilnetz GmbH (100-prozentige Tochter der RWE Deutschland AG), die ihre Anlage auf flexible Fahrweise und bedarfsorientierte Produktion umgestellt haben. Auf der Erzeugerebene folgen 01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de Planen sie damit dem ‚Smart Grid‘-Ansatz. Die Flexibilität ihrer Stromproduktion hat ein Umweltgutachter bestätigt. Dafür haben die Landwirte die gesetzlich verankerte Flexibilitätsprämie durch den Netzbetreiber erhalten. Die Biogasanlage ist online mit dem von der GDGE beauftragten und an der EEX akkreditierten Energievermarkter Energy2Market verbunden, der die Anlage per DSL-Verbindung in Abhängigkeit zur Nachfrage steuern kann. Über die Kooperation kann das mögliche Mehr an Strom exakt dann produziert und verkauft werden, wenn der Bedarf hoch ist und zugleich wenig Wind- oder Sonnenstrom eingespeist wird, wodurch ein höherer Strompreis erzielt werden kann. Erfolg auf ganzer Linie Das Energie-Contracting-Projekt erfüllt auf einen Schlag gleich mehrere Ziele: Es bringt die Energiewende in der Eifel ein Stück voran, reduziert klimaschädliche CO2-Emissionen, setzt in einer strukturschwachen Region ökologische wie ökonomische Impulse, zeigt die Möglichkeit der energetischen Sanierung größerer und älterer Bestandsbauten auf und eröffnet der Landwirtschaft und damit dem ländlichen Raum neue Perspektiven im dezentralen Gefüge einer zukünftigen Energieversorgung aus erneuerbaren Energien und nachwachsenden Rohstoffen. Der laufende Betrieb der Biogasanlage und der drei BHKWs erfordert eine permanente Betreuung und Wartung, die sich die drei Familien paritätisch in der Geschäftsführung aufteilen: Werner Dimmer koordiniert den technischen Betrieb, Andreas Hahn zeichnet für die Substrat- und Wärmeversorgung verantwortlich und Michael Hauer kümmert sich um die kaufmännischen Belange. Das Beispiel belegt, wie sich die krisengeschüttelte Landwirtschaft im Kontext von Klimawandel und Energiewende in strukturschwachen, ländlichen Räumen eine neue Identität erarbeiten kann. Zudem wurden bestehende Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen: Im Dorint Resort arbeiten die 110 Mitarbeiter nun in einem klimafreundlichen Hotel, während die Biogasanlage mit einem Vollzeit- und drei Teilzeitbeschäftigten aufwartet. Und last but not least dürfen sich Landkreis und Verbandsgemeinde über stabile Einnahmen aus der Gewerbesteuer von zukunftssicheren Unternehmen freuen. Mittlerweile berät die Bioenergie Niederweiler weitere Kommunen, Landwirte und Gewerbetriebe, die Interesse an ebenso nachhaltigen wie wirtschaftlich tragfähigen Versorgungslösungen haben. Das Projekt am Bitburger Stausee wird nicht das einzige bleiben. Marc Wilhelm Lennartz Jg. 1963; Diplom-Geograph, studierte 1985 bis 1992 Wirtschaftsgeographie, Städtebau, Siedlungswesen, Verkehrspolitik und Bodenkunde an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn. Er lebt als unabhängiger Fachjournalist, Referent und Buchautor in der Südeifel. www.mwl-sapere-aude.com 01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de 7 8 Planen 01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de