Dorint Hotel stützt lokale Kreislaufwirtschaft - H2

Transcription

Dorint Hotel stützt lokale Kreislaufwirtschaft - H2
2
Planen
Klimafreundliche Energieversorgung für arrivierten Bestandsbau
Dorint Hotel stützt lokale
Kreislaufwirtschaft
In der Eifel haben zwei unterschiedliche Partner im Zuge der Energiewende zueinander gefunden:
Hotellerie und Landwirtschaft. Ein landwirtschaftliches Konsortium hat die Versorgung eines Hotelkomplexes mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) übernommen. Dabei wurde die alte Ölzentralheizung durch ein mit Biogas betriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW) substituiert. Die zukunftsweisende
Lösung zeigt Möglichkeiten der dezentralen Energieversorgung im ländlichen Raum auf und eröffnet
dem primären Sektor neue Perspektiven.
Text: Marc Wilhelm Lennartz
Fotos, Grafiken: Marc Wilhelm Lennartz, Bioenergie Niederweiler, Dorint Seehotel & Resort Bitburg,
Ingenieurbüro H. Berg & Partner GmbH
1
Claudia Arens, die Direktorin des Dorint Hotel & Resort am Bitburger Stausee, ist zufrieden: „Als einer der größten Arbeitgeber
der Region möchten wir mit dieser Initiative den Weg zu einem
verantwortlichen und klimafreundlichen Umgang mit unseren
begrenzten Ressourcen aufzeigen. Die neue Energieversorgung ist
wegweisend, nicht nur für den Hotelbereich. Zudem vermeiden
wir pro Jahr einen Kohlendioxid-Ausstoß von rund 2.500 Tonnen
und sparen signifikant bei unseren Betriebskosten.“
Die rheinland-pfälzische Südeifel ist ein strukturschwacher Raum.
Das dünn besiedelte Randgebiet, das im Westen an Luxemburg
grenzt, wird seit Generationen von der Land- und Forstwirtschaft
geprägt. Daneben ist die prächtige und in weiten Teilen intakte
Natur dieser typischen Mittelgebirgsregion die wichtigste Konstante, mit der die Region im Tourismus seit geraumer Zeit ökologisch und ökonomisch punkten kann. Das seit über 40 Jahren bestehende Dorint Hotel & Resort am Bitburger Stausee zählt zu den
01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de
Planen
arrivierten und am besten gebuchten Häusern der Hotelkette. Die
unmittelbare Alleinlage am Wasser, eingebettet in das von Wiesen
und Wäldern umsäumte Prümtal, bietet auf 10 Hektar Fläche Ruhe
und Erholung. Das breitgefächerte Angebot spricht sowohl Wellness-, Sport- und Wanderurlauber, Paare und Familien wie auch
Geschäftskunden und Unternehmen an, die den Standort als Konferenz- und Seminarplatz nutzen. Die Vier-Sterne-Anlage bietet
auf einer Gesamtnutzfläche von über 7.000 Quadratmetern ohne
Sport- und Freizeitbereich neben den 100 Zimmern im Haupthaus
zusätzlich 59 Appartement-Studios in einem separaten Gebäude
sowie 13 Tagungsräume. Jährlich generiert man mit 660 Betten
mehr als 100.000 Übernachtungen. Weitere 42 Land- und Wochenendhäuser sind zwar dem Areal zugeordnet, befinden sich jedoch
in Privatbesitz. Das Resort weist die typischen Kennzeichen einer
gewachsenen Anlage aus, deren einzelne Abschnitte die gesellschaftlichen und touristischen Entwicklungen von vier Dekaden
sichtbar machen: Neben dem Haupthaus und den Appartements
sind hier exemplarisch Tennishallen und -plätze, Hallenbad, Squashcourts, Bowlingbahnen oder der Klettergarten zu nennen.
3
2
Puristische 1970er-Jahre Architektur
prägt das Hotel-Hauptgebäude
01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de
3
Grafik: Ingenieurbüro H. Berg & Partner GmbH
Das kompakte Hauptgebäude des Dorint Hotels, dessen große
Fensterflächen sofort ins Auge fallen, wurde 1971 fertig gestellt.
Die funktional-unaufgeregte Formensprache der Architektur fügt
sich nach wie vor behutsam in die hügeligen Konturen der Landschaft der Südeifel ein. Die weißen Fassaden der Gebäudekörper
durchbrechen das satte Grün von Wald und Flur und erscheinen
in diesen Tagen wieder zeitgemäß. In unmittelbarer Ausrichtung
zum Stausee warten die Gästezimmer mit loggienähnlichen, in
den Korpus eingezogenen Balkonen auf, die einen ganzjährigen
und witterungsunabhängigen Aufenthalt im Freien ermöglichen.
Der viergeschossige Flachdachbau wurde in der für die Zeit typischen Stahlbeton-Skelettbauweise in leichter Hanglage errichtet.
Die Bauform mit vorproduzierten Betonelementen war damals
modern. Sie garantierte eine vergleichsweise kurze Bauzeit, galt
als feuerbeständig und erforderte keine aufwändige, laufende
Unterhaltung. Die Schaltechniken ermöglichten bereits Anfang
der Siebziger eine wirtschaftliche, kurze und kostengünstige
Herstellung der Stahlbetonfertigteile in sämtlichen benötigten
Abmessungen. Dabei hielt man die einschaligen Betonelemente
bewusst sichtbar – als Zeichen der Zeit und um sie nuanciert mit
allen erdenklichen Farbtönen versehen zu können. Die Architektur dieser Epoche beruhte auf der Maxime des Fortschritts durch
Technik. Das bedeutete sachliche Lösungen zu entwerfen, die von
planerischem und stofflichem Purismus getragen wurden, weit
entfernt von Opulenz und Gigantismus. Als Resultate entstanden, wie beim Eifler Dorint Hotel, die typischen Rasterfassaden
mit horizontal und vertikal symmetrischer Struktur. Die Proportionen waren ausgewogen und sparsam, die Konzeption der
Wohnanlagen kompakt. Ebenso teures wie kostbares Bauland
wurde geschont, um ausreichend Platz für Grünanlagen und
Naherholung zu bewahren: Leitbilder, die auch heute nichts an
Gültigkeit verloren haben.
4
1 Dorint Hotel & Resort am Bitburger Stausee
2 Gemeinde Niederweiler von oben – unten die Biogasanlage
mit ihren 3 Gärbehältern
3 Turbinenraum der Biogasanlage Niederweiler
4 Die Biogasanlage in Niederweiler versorgt ein Nahwärmenetz vor Ort (oben in blau und rot) sowie über eine Mikrogasleitung (gelb) das Dorint Seehotel & Resort Bitburg/ Südeifel
in Biersdorf am See (unten), wo ebenfalls ein Nahwärmenetz
aufgebaut wurde.
Planen
4
Vom Bauernhof zur bäuerlichen Betreibergesellschaft für Biogas
5
6
5 S-BHKW am Dorint Hotel
6 Energieverteilsysteme für das Hotel
Rahmendaten Anlagenbetrieb Biogasanlage /
Blockheizkraftwerke
Inbetriebnahmen
2006, 2009, 2012
Fermenter
2 x 1.130 m³
Nachgärbehälter
1.556 m³
Gasproduktion
2,9 Mio. Nm³/h
Gasspeicher BGA
2.000 m3
Länge Rohgasleitung
1.900 m
Installierte Gesamtleistung 900 kWel / 1.035 kWth
2 BHKW Niederweiler
350/410 kWel/th,
150/180 kWel/th
1 BHKW Dorint
400/445 kWel/th
Jahreserzeugung 2012
5,3 Mio. kWhel Elektrik /
5,8 Mio. kWhth Thermik
Kontakt Bioenergie Niederweiler: [email protected]
Unweit des Resorts beschritten im Eifeldorf Niederweiler drei bäuerliche Familienbetriebe neue betriebswirtschaftliche Wege. Ende
der 1990er Jahre begannen auf den alteingesessenen Bauernhöfen der Familien Dimmer, Hahn und Hauer die ersten Alarmglocken zu schrillen. Die Preise und Erlöse für die Ackerbau-, Milchvieh- und Zuchtbetriebe gerieten mehr und mehr unter Druck und
öffentlichkeitswirksam präsentierte Butter- und Milchberge ließen
für die Zukunft nichts Gutes erahnen. Doch die Landwirte realisierten, dass im Bereich erneuerbarer Energien und nachwachsender
Rohstoffe eine Zukunft liegen könnte. Nach intensiver Vorplanungsphase gründeten die Familien im Jahr 2005 gemeinsam die
Bioenergie Niederweiler GmbH & Co.KG. Im selben Jahr wurde
mit dem Bau einer Biogasanlage begonnen und 2006 mit einem
BHKW von 400 kWth (= thermische Leistung in Kilowatt) und 350
kWel (= elektrische Leistung in Kilowatt) fertiggestellt. 2009 wurde
die Anlage um ein zweites Gas-BHKW mit einer Leistung von 190
kWth und 150 kWel erweitert. Aus den jährlich ca. 20.000 Tonnen
Inputmaterial produziert man 2,9 Mio. Nm³/h (= Normkubikmeter)
Biogas. Die Gesamtinvestitionskosten betrugen samt Eigenleistung 2,2 Mio. Euro, die gemeinsam mit der Volksbank Bitburg als
Hausbank und zinsgünstigen Krediten der KfW (Kreditanstalt für
Wiederaufbau) finanziert wurden.
Das Befüllen mit unterschiedlichen Gärsubstraten, neben Mais
auch Ganzpflanzensilage und Rindergülle, ist den Niederweiler
Landwirten wichtig. Sie wollten auf ihren angestammten Feldern
rund um die Anlage keine großflächigen Mais-Monokulturen aufziehen. Die reine Vergärung von Mais, wie anderorts oft üblich,
hat zwar einen beschleunigten Vergasungsprozess zur Folge. Jedoch wird dadurch auch die Bodenerosion gefördert und somit
die Fruchtbarkeit der Böden beeinträchtigt. Die vergorenen Restmengen werden als Düngesubstrat wieder auf dieselben Flächen
aufgebracht, von denen das Rohmaterial stammt – ein lokaler
Kreislauf, der ausschließlich Gewinner ausweist. Der Großteil des
Ausgangsmaterials, ca. 85 Prozent, stammt von den 3 beteiligten
Höfen aus 2,5 km Entfernung, der restliche Anteil wird von vertraglich eingebundenen Betrieben aus der Nachbarschaft angeliefert.
Etwa 40 Prozent der produzierten Biogasmenge können mittels
KWK in Strom verwandelt werden, der Rest fällt als Wärmeenergie
an, die es ebenfalls zu nutzen gilt. Davon wird ca. ein Drittel für
den Eigenbetrieb der Anlage zur Erwärmung des Gärsubstrates
genutzt. Ein weiterer Teil dient der ganzjährigen Versorgung von
7 Privatgebäuden sowie der Dorfkapelle über ein lokales Nahwärmenetz, dass die Landwirte in Eigenregie in ihrem Heimatdorf Niederweiler verlegten.
Partnerschaft ermöglicht Wärmeproduktion
und -verbrauch an einem Ort
Um die Biogasanlage weiter zu optimieren, bedurfte es eines verlässlichen und dauerhaften Abnehmers der zusätzlich erzeugten
Wärme, wofür das nahegelegene Dorint Resort geradezu prädes-
01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de
5
Grafik: Ingenieurbüro H. Berg & Partner GmbH
Planen
7
7 S-BHKW Regelbild zur Überwachung des Wärmeverbrauchs im Hotel
8 Der Wärmebedarf der Hotelanlage am See ist in den Wintermonaten am
größten. Im Sommer wird stattdessen die Produktion der Blockheizkraftwerke an der Biogasanlage hochgefahren, um die Abnahme zu verstetigen.
tiniert war. Die Ausgangslage beschied den Partnern in spe gute
Voraussetzungen: Die Distanz für eine 1,9 km lange Zuleitung von
der Biogasanlage zum Hotelstandort auf abfallendem Gelände
war zu bewältigen, das Wegerecht zur Verrohrung war trotz vielschichtiger Besitzverhältnisse verhandelbar und die für eine technische Realisierung notwendigen Fachpartner mit entsprechender
Expertise waren in Reichweite. Die Bioenergie Niederweiler beauftragte das u. a. im Bereich Biogasanlagen erfahrene Ingenieurbüro H. Berg & Partner GmbH aus Aachen mit der Planung, Ausschreibung und Bauleitung. Von Seiten des Dorint begleitete der
damalige technische Direktor Christian Mutschler das Projekt. Zu
Beginn wurde über mehrere Monate der Wärmeverbrauch der alten Ölzentralheizung des Hotels gemessen. Daraus resultierte die
Entscheidung, ein Mikrogasnetz mit einem DN-100-Rohr von der
Biogasanlage zum Dorint Hotel zu verlegen. Daran schloss man
vor Ort am Hotel ein S-BHKW (Satelliten-Blockheizkraftwerk) von
445 kW thermischer und 400 kW elektrischer Leistung an.
330.000 Liter Heizöl wurden substituiert
Das S-BHKW wird von den Landwirten in Eigenregie betrieben
und gewartet. Die Mikrogasleitung quert 30 private und öffentliche Grundstücke, so dass etliche Verhandlungen geführt und
auch Bauanträge eingereicht werden mussten. Die drei vorigen
Heizzentralen des Resorts – das Hotelhauptgebäude, die Appartement-Studios und das Konferenzzentrum – wurden über ein
neues Nahwärmenetz direkt an das S-BHKW angeschlossen. In
das Nahwärmenetz wurde ein 30 Kubikmeter großer Pufferspeicher integriert, aus dem zu Spitzenlastzeiten – z. B. während der
Morgenstunden, wenn viele Gäste parallel duschen – für ca. 2
Stunden zusätzliche Heizenergie zur Verfügung gestellt werden
kann. Ende 2011 startete der Probebetrieb und Anfang 2012 konn-
01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de
8
te die gesamte Anlage mit ihrer vollen Leistung in den Dauerbetrieb gehen. Noch 2009 deckte das Dorint Resort seinen Bedarf
an Wärme von 3,432 Mio. kWh mit 330.000 Litern Heizöl und
20.000 Litern Propangas ab. Heute hingegen zieht man jährlich
ca. 3 Mio. kWh an Wärmeleistung aus dem S-BHKW, was etwa
90 Prozent des Eigenbedarfs ausmacht. Da die Temperaturen
im Jahresverlauf großen Schwankungen unterliegen und auch
die Gästezahl stark variiert, z. B. an Wochenend- und Feiertagen,
bedurfte es einer sowohl vollautomatischen als auch regelbaren
Wärmezufuhr. Der kaufmännische Geschäftsführer der Bioenergie Niederweiler, Michael Hauer, erläutert dazu: „Die Anlage wird
von uns flexibel gefahren. Wenn das Hotel weniger Gas braucht,
fahren wir in Niederweiler an der Biogasanlage die beiden dortigen BHKWs in ihrer Leistung wieder hoch, so dass die Gesamtanlage weiterhin ausgelastet wird.“
Hallenbad wird als Pufferspeicher für
Spitzenlastzeiten genutzt
Mittels einer frühzeitigen und offensiven Kommunikationspolitik
durch die beiden Vertragspartner konnten die betroffenen Kommunen, der Landkreis und das Mainzer Landwirtschaftsministerium sowie wichtige Entscheidungsträger und Multiplikatoren
in Politik und Verwaltung für das Projekt gewonnen werden. Das
vereinfachte und beschleunigte die zahlreichen Verfahrensschritte
beträchtlich. Da auch einer flexiblen BHKW-Anlagentechnik systemimmanente Grenzen gesetzt sind, kommt der kontinuierlichen
Wärmeabnahme eine zentrale Bedeutung zu. Denn BHKWs sind
immer wärmegeführt, d.h., dass sie erster Linie Wärme produzieren und der Strom sozusagen als Bonus noch oben draufkommt.
Deshalb muss vor allen anderen Fragen geklärt sein, wie die produzierte Wärme möglichst ganzjährig sinnvoll genutzt werden
kann. Hierbei stehen vor allem die heizfreie Sommerzeit sowie
die Übergangszeiten im Fokus, in denen noch nicht bzw. nicht
mehr ganztägig geheizt wird. Das Dorint Seehotel wartete hier
mit einem Pluspunkt auf, der der Ökonomie des Gesamtsystems
in besonderer Weise zuträglich war und den Bau des S-BHKWS
vor Ort überhaupt erst ermöglichte: ein Hallenbad mit einem
6
Planen
9 Das Hallenbad des Hotels
dient als Pufferspeicher.
Fassungsvermögen von 340.000 Litern. Es benötigt zum einen
ganzjährig Heizenergie und bildet zum anderen für Spitzenlastzeiten einen gigantischen Pufferspeicher, der den effizienten Anlagenbetrieb unterstützt. Zum Wärmebedarfsmosaik gehört noch
eine römische Wellnesslandschaft die täglich genutzt wird. In
Summe weisen Hallenbad und Wellnessbereich einen jährlichen
Wärmebedarf von ca. 1,2 Mio. kWhth aus. Diese beiden Großwärmeabnehmer stellen sicher, dass die jährlich erforderlichen 8.500
Betriebsstunden, die der wirtschaftliche S-BHKW-Betrieb benötigt,
auch erreicht werden.
Energie-Contracting mit Win-Win-Effekt
Da die Liegenschaft des Dorint Resorts vor der Renovierung stand,
bot sich bei der Projektumsetzung ein sogenanntes Energie-Contracting an. Dabei tritt die Bioenergie Niederweiler als Contractor, d.h. Wärmelieferant auf, der die Wärmeproduktion ganzjährig
bedarfsgerecht gewährleistet, während das Dorint Hotel Bitburg
als Contracting-Nehmer die Wärmeenergie zu definierten Konditionen abnimmt. Die Lösung ermöglicht der Dorint-Gruppe, sich
weiterhin voll und ganz auf das eigene Kerngeschäft zu fokussieren, ohne größere Summen in die Umstellung der Energieversorgung investieren zu müssen. Letztere verlagerte man ebenso auf
das Niederweiler Konsortium wie den Betrieb der neuen Heizungsanlage. Im Gegenzug räumte der Contracting-Nehmer dem
Contractor für einen Zeitraum von 15 Jahren exklusive Energieversorgungsrechte in einem Wärmelieferungsvertrag ein. Die Höhe
der Vergütung je gelieferter Kilowattstunde Wärme koppelte man
an den jeweils gültigen Heizölpreis. Zur Absicherung der Investition von 1 Mio. Euro wurde der Wärmelieferungsvertrag auch als
Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen, die eine verbindliche Wärmeabnahme über den Vertragszeitraum bezogen auf das
Gebäude regelt. Die Landwirte rechnen damit, dass sich ihre Investition in ca. 8 Jahren durch die Wärme- und Stromerträge amortisiert haben wird. Das Dorint Resort konnte durch die moderne
Heizungsanlage und deren deutlich verbesserten Wirkungsgrad
die jährlichen Heizkosten um 15 Prozent, d.h. um über 50.000 Euro
senken.
Flexible Stromproduktion, Smart Grid
und direkte Vermarktung
Im Jahresdurchschnitt produzieren die Niederweiler Energiewirte
im Grundlastbetrieb ca. 500 kW/h Strom. Die Biogasanlage kann
jedoch bei Bedarf und voller Leistung aller drei BHKWs auf max.
900 kW/h hochgefahren werden. Dieser individuell handhabbare Spielraum kann mit der EEG-Novelle seit 2012 für eine direkte
Vermarktung des selbst erzeugten Stroms genutzt werden. Denn
Biogasanlagen können bis zu einem gewissen Grad Gas-Speicherkapazitäten vorhalten. Mit flexibler Leistungserbringung sind sie
dann in der Lage, Strom exakt dann zu produzieren, wenn dieser
benötigt wird. Dadurch können sie schwankende Produktionsund Nachfragespitzen im Stromnetz ausgleichen und zusätzliche
Erlöse im Strommarkt generieren. Da einzelne Biogasanlagen zu
klein sind, um nennenswerte Verträge an der Leipziger Strombörse
EEX abschließen zu können, trat man der GDGE (Genossenschaft
Deutscher Grünenergie-Erzeuger) bei, die die Leistungskraft vieler
Anlagen im Verbund nutzt. Deren Vermarktungsdienstleistung an
sich ist kostenfrei. Erst wenn Mehrerlöse erzielt werden, erhalten
die Biogas-Energiewirte 64 Prozent vom Gewinn, 36 Prozent verbleiben bei der GDGE für den Stromverkauf.
Ein wichtiges Argument für die Betreiber der Biogasanlage stellt
die von der Genossenschaft garantierte Zahlung auf EEG-Niveau
dar, so dass gegenüber der normalen Einspeisevergütung keine
Verluste entstehen können. Die Niederweiler Energiewirte sind
die ersten Betreiber einer Biogasanlage im Netzbereich der RheinRuhr Verteilnetz GmbH (100-prozentige Tochter der RWE Deutschland AG), die ihre Anlage auf flexible Fahrweise und bedarfsorientierte Produktion umgestellt haben. Auf der Erzeugerebene folgen
01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de
Planen
sie damit dem ‚Smart Grid‘-Ansatz. Die Flexibilität ihrer Stromproduktion hat ein Umweltgutachter bestätigt. Dafür haben die
Landwirte die gesetzlich verankerte Flexibilitätsprämie durch den
Netzbetreiber erhalten. Die Biogasanlage ist online mit dem von
der GDGE beauftragten und an der EEX akkreditierten Energievermarkter Energy2Market verbunden, der die Anlage per DSL-Verbindung in Abhängigkeit zur Nachfrage steuern kann. Über die
Kooperation kann das mögliche Mehr an Strom exakt dann produziert und verkauft werden, wenn der Bedarf hoch ist und zugleich
wenig Wind- oder Sonnenstrom eingespeist wird, wodurch ein
höherer Strompreis erzielt werden kann.
Erfolg auf ganzer Linie
Das Energie-Contracting-Projekt erfüllt auf einen Schlag gleich
mehrere Ziele: Es bringt die Energiewende in der Eifel ein Stück
voran, reduziert klimaschädliche CO2-Emissionen, setzt in einer
strukturschwachen Region ökologische wie ökonomische Impulse,
zeigt die Möglichkeit der energetischen Sanierung größerer und
älterer Bestandsbauten auf und eröffnet der Landwirtschaft und
damit dem ländlichen Raum neue Perspektiven im dezentralen
Gefüge einer zukünftigen Energieversorgung aus erneuerbaren
Energien und nachwachsenden Rohstoffen.
Der laufende Betrieb der Biogasanlage und der drei BHKWs erfordert eine permanente Betreuung und Wartung, die sich die drei
Familien paritätisch in der Geschäftsführung aufteilen: Werner
Dimmer koordiniert den technischen Betrieb, Andreas Hahn zeichnet für die Substrat- und Wärmeversorgung verantwortlich und
Michael Hauer kümmert sich um die kaufmännischen Belange.
Das Beispiel belegt, wie sich die krisengeschüttelte Landwirtschaft
im Kontext von Klimawandel und Energiewende in strukturschwachen, ländlichen Räumen eine neue Identität erarbeiten kann.
Zudem wurden bestehende Arbeitsplätze gesichert und neue
geschaffen: Im Dorint Resort arbeiten die 110 Mitarbeiter nun in
einem klimafreundlichen Hotel, während die Biogasanlage mit
einem Vollzeit- und drei Teilzeitbeschäftigten aufwartet. Und last
but not least dürfen sich Landkreis und Verbandsgemeinde über
stabile Einnahmen aus der Gewerbesteuer von zukunftssicheren
Unternehmen freuen. Mittlerweile berät die Bioenergie Niederweiler weitere Kommunen, Landwirte und Gewerbetriebe, die
Interesse an ebenso nachhaltigen wie wirtschaftlich tragfähigen
Versorgungslösungen haben. Das Projekt am Bitburger Stausee
wird nicht das einzige bleiben.
Marc Wilhelm Lennartz
Jg. 1963; Diplom-Geograph, studierte 1985 bis 1992 Wirtschaftsgeographie, Städtebau, Siedlungswesen, Verkehrspolitik und Bodenkunde an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn. Er lebt als unabhängiger
Fachjournalist, Referent und Buchautor in der Südeifel.
www.mwl-sapere-aude.com
01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de
7
8
Planen
01-02|13 greenbuilding · www.greenbuilding-planning.de