alle_glossen_2007
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Liebe Glossenleser ... alle HB's Wochenendglossen von Januar bis Dezember 2007 Mit meinen Glossen mache ich in unregelmäßigen Abständen auf das Wunderliche in der Welt aufmerksam, obwohl ich natürlich genauso gut wie meine geschätzten Leser weiß, daß es trotz größtmöglichen Einsatzes bisher niemandem in Politik, Wirtschaft oder Klerus gelungen ist, die menschlichen Lebensumstände grundlegend zu verbessern. Trotzdem, oder gerade deshalb, lasse jedenfalls ich die Hoffnung nicht fahren und spieße satirisch alles gnadenlos auf, was mir zur Freude, zu Klagen oder auch zum Nachdenken Anlaß gibt - sofern mich die Lust dazu anficht oder Kalliope, meine persönliche Muse, mich anstachelt. Diese Sammlung und alle meine anderen Glossen sind auf meiner persönlichen Webseite www.heinz-boente.de zu finden. © 2007 by Heinz Boente Inhalt Aus dem täglichen Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Weihnachtsethymolographie (20. Dezember 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Starker Punkt (17. September 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Nine/Eleven (12. September 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Die Parade der Liebe (26. August 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Wie ich dir, so du mir (2. Juni 2007)Eine Lanze für die Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Große Zahlen (18. Mai 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Unsere Besten - Komiker & Co. (29. April 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Fernsehwerbepausen (16. April 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Fahrradhasser (16. März 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Politik und Zeitgeschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Berliner (Ge-) Rede (8. Oktober 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Der bayerische Zerstoiber (28. September 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Die Antiterrorflugzeugabschußlösung (18. September 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Die physikalische Lösung des Radikalenproblems (29. August 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Der Stillstand des geflügelten Rades (20. Juli 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Wir doofen Alten (19. Juli 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Atomkraft? Todsicher! (11. Juli 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Neues vom Terrorminister (9. Juli 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Wir dicken Deutschen (23. April 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Sein und haben (23. April 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Computer-Zugriff (12. April 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Frauenkarrieren und Karrierefrauen (14. März 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Heil Europa (22. Januar 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Killer-Spiele (17. Januar 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Frei zum Abschuß (5. Januar 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Wissenschaft und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Emily (17. Oktober 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Demente Hühner (14. September 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Monsieur Winzhirn (24. Juli 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Die Klimawette (11. Mai 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Grillen ist tödlich (30. April 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Einfach mal abschalten (27. Februar 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Hilfe, mein Bügeleisen wird zum Radio (26. Januar 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Religion und anderes Obskures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Das zweite Gebot (17. Juli 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Wunder gibt es immer wieder (18. April 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Märchen und Mythen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Das Märchen vom Ozeandampfer (22. Mai 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Sport und Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Das Zeitalter des Doping - Teil 2 (1. Juni 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Wort und Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Numismatiker (28. November 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Seite 2 von 63 © 2007 by Heinz Boente Aus dem täglichen Leben Weihnachtsethymolographie (20. Dezember 2007) Nachdem, liebe Glossenleser, ich aus unerfindlichen Gründen in gewissen Kreisen als sprachliche Autorität gelte, möchte ich heute diesem hehren Titel Rechnung tragen und Ihnen anläßlich des in Kürze wieder einmal über große Teile der Welt hereinbrechenden Weihnachtsfestes die Schreibweise allseits bekannter und beliebter Begriffe erläutern. Daß ich mich dabei einer streng wissenschaftlichen Betrachtungsart bedienen und die frommen Aspekte weitgehend unberücksichtigt lassen werde, ist eigentlich mehr zufällig und höchstens meiner grundsätzlich neutralen Einstellung kirchlichen Feiertagen gegenüber zuzuschreiben. Da der festliche Wortbereich generell ein wenig unübersichtlich ist, möchte ich mich auf den Einsatz und die Verwendung der Buchstaben S, T und Z beschränken, weil gerade diese drei auffallend oft in weihnachtlichen Begriffen vorkommen. Außerdem empfehle ich Ihnen, sich ein philolographisches Diktionaristikum bereitzulegen, weil ich aus Gründen der Präzisistizität auf gewisse terminatorische Fachbegriffe aus der linguasmatischen Sprachforschungsmethodologik leider nicht verzichten kann. Zunächst einmal muß ich die Tatsache feststellen, daß bis kurz vor einer der letzten indogermanischen Lauthinundherschiebungen das S, das T und das Z fast ungefähr dieselben Buchstaben waren und so gar oft gemeinsam verwendet wurden. In der Fachsprache wird das auch Quantilisation genannt, wobei die Herkunft dieses Wortes selbst nach wie vor noch im Dunklen liegt. Beginnen wir nun mit der sogenannten TZ-Quantilisation. Einige derzeit besonders aktuelle Beispiele sind selbstverständlich der allseitz bekannte Atzventzkrantz sowie die dazugehörigen, ebenfalls allseitz bekannten Kertzen. Man beachte hierbei die enge Konduktizität der beiden Buchstaben, wodurch die Hypotrometrik der dekontravierten Sophothermikation besonders interparalystisch symproloviert wird. Ähnliches ist auch in den Wörtern Chritzkind, Chritzbaumspitze und Weihnachtzmann zu beobachten. Bei den Wörtern Indultsijubilo, Lichterglants und insbesondere bei Plätschen (sprich: Pläts-chen) wird hingegen in der TZ-Quantilisation das Z auffallend oft durch ein S ersetzt, was man einerseits als TSQuantilisation bezeichnet, andererseits aber natürlich auch auf den Befehl zur reichlichen Nahrungsaufnahme während der Feiertage hindeutet, obwohl es in einigen hochdeutschen Dialekten ja nicht S!, sondern bekanntlich Iß! heißt. Eine invertisierte, also umgekehrte TS-Quantilisation (gelegentlich auch vereinfachend ST-Quantilisation genannt) erkennt man beispielsweise recht deutlich unmittelbar vor dem 'ein' im Wort Dominostein, aber natürlich auch ganz besonders am Anfang des Wortes Stern. Deshalb kommt die invertisierte TS-Quantilisation im letzteren Fall gerne auch an anderen Feiertagen, wie O-stern und Pfing-stern zur Anwendung und beinhaltet dadurch eine nicht zu unterschät zende manoprolytische Diffikationsprokturation nahezu sämtlicher Festtage. Eine TT-Quantilisation, die bisher hier noch nicht besprochen wurde, findet man u. a. in den Wörtern Fettegans, Lichtterkette, Bettlehem und Renttierschlitten, die aber andererseits auch schon ohne das TT durch ihre nytrisorate Holomatropertie das eindeutig Metabrumorphe in der prolaktotischen Synphrasopertatik ihrer Einzelbedeutungen besonders hervorheben. Die ebenfalls bis hierher noch unerwähnte ZZ-Quantilisation tritt seit der Reformation bei rein katholischen Begriffen eher selten auf, obwohl sie in den einigermaßen interkonfessionellen Wörtern Tannenzzapfen, Mizztelzzweig, Zzimtztern und Marzzipankartoffel immer noch deutlich spürbar ist und somit eine fast übernatürliche perpatorische Symalität aufweist, welche mittlerweile zu einer der tragenden Säulen der Ökumene geworden ist. Die Wörter Lebkuchen, Schokolade, Engel, Vomhimmelhochdakommichher und Hallelujah entziehen sich jedoch dummerweise einer STZ-Quantilisation sowie jeglicher Sympralogozitierung und könnten deshalb durchaus und vollkommen zu Recht einer gewissen Polyphaloktatik bezichtigt werden, die sich bis hin zu einem fast schon lagokolabisch zu nennenden Antisylbrafraktifizismus erstreckt (was seinerzeit nicht nur die Hirten, sondern sogar Öchslein und Eselein ziemlich verwirrt hat, wie die Überlieferung in sämtlichen Weihnachtsoratorien überdeutlich zeigt). Ja, und das war's auch schon wieder für diesmal, liebe Glossenleser. Alles in allem hoffe ich, daß ich auch dieses Jahr nicht nur zu Ihrer hoffentlich schon gelockerten Vorfeststimmung, sondern auch ein Seite 3 von 63 © 2007 by Heinz Boente wenig zur Hebung des allgemeinen Volksbildungsniveaus beitragen konnte. Nehmen Sie's ruhig persönlich. Oder etwas ausführlicher ausgedrückt: nehmen Sie's persönlich als kleines Dankeschön dafür, daß Sie im vergangenen Jahr alle meine Glossen so tapfer ertragen haben. Frohes Fetzt! Starker Punkt (17. September 2007) Jetzt mal ganz ernst gefragt, liebe Glossenleser, muß das wirklich sein? Ich meine diese neuerliche Unsitte des unkontrollierten Herumsendens von PowerPoint-Dateien im internationalen elektronischen Postverkehr. Da versuchen wohl ständig irgendwelche Hänsel und Gretel, die mal gerade mühsam eine Tastatur von einer Computer-Maus unterscheiden können, ihr fundiertes Computer-Wissen unters Volk zu bringen. Das ist nicht nur grauenvoll, sondern veranlaßt mich hier auch zu dem sponta nen Ausruf: Was soll der Blödsinn? Bis heute bewegte sich mein Unmut ja noch unterhalb derjenigen Reizschwelle, die mich bei Überschreitung normalerweise immer automatisch zum Glossenschreiben veranlaßt, aber nun ist das Maß voll und ich frage mich, ob es wirklich dringend nötig ist, jeden, aber auch wirklich jeden noch so müden Witz in eine aufwendige PowerPoint-Präsentation zu packen? Nein, das kann Bill Gates und sein Team bei der Entwicklung dieses an sich gar nicht mal so furchtbar unsinnvollen Programms nicht wirklich gewollt haben. Gut, selbst er konnte natürlich nicht voraussehen, daß irgendwann einmal jeder verbale Schwachsinn verpowerpointet werden würde. Und das unter konsequenter Nichtbeachtung jeglicher Rechtschreibung und selbst der einfachsten Interpunktionsregeln, versteht sich. Ok, damit hat er als Amerikaner ja eh nichts zu tun, sondern das ist eine rein europäische Angelegenheit, die meines Wissens irgendwo in Pisa ihren Ursprung hat. Von der vorherigen Bildbearbeitung der, zugeben qualitativ durchaus hochwertigen, weil mit hunderttausend Megapixeln von einer digitalen Spiegelreflexkamera aufgenommenen Fotos jetzt mal völlig abgesehen. Was dann allerdings schlußendlich die arme PowerPoint-Datei überflüssigerweise jedesmal bis kurz vor Platzen der Festplatte aufplustert. Dabei hätten es auf ein Hundertstel der ursprünglichen Größe verkleinerte Fotos auch locker getan. Da denkt außer mir mal wieder keiner an die unterprivilegierten Menschen, deren Rechner noch immer an Analogleitungen oder selbst ans ISDN-Netz (ja, die gibt es tatsächlich noch zu Hauf) angeschlossen sind. Die werden ja bekloppt, wenn Ihnen da so ein drei, vier, fünf Megabytes dicker Prä sentationskoloß in ihren elektronischen Postkorb rumpelt. Soviel Kaffee können die ja zur Warte zeitüberbrückung gar nicht trinken, sonst kriegen die glatt eine Koffeinvergiftung und müssen mit dem Notarztwagen ins nächste Krankenhaus gefahren werden (gut, ok, schon klar, wenn die da nach ein paar Tagen wieder rauskommen, ist wenigstens der Download abgeschlossen, das sollte man natürlich nicht vergessen). Aber das ist ja noch nicht alles. Schließlich gibt es ja bekanntlich auch Leben außerhalb der Microsoft-Galaxis. So müssen zum Beispiel Mac-Benutzer ihre Rechner mit teurer Zusatz-Software ausstatten, falls sie tatsächlich mal eine PowerPoint-Präsentation anschauen wollen. Und das nur, damit diese unverbesserlichen Nonkonformisten hinterher, wenn sie dann schließlich sehen, was sie dafür bekommen haben, feststellen können, daß diese horrende Ausgabe in den meisten Fällen in allerkeinster Weise gerechtfertigt war und es sich fast immer nur um ein Schäflein im Wolfspelz gehandelt hat. Toll ist auch, wenn man selber mal eine kleine bescheidene Textdatei herumgeschickt hat, daß dieselbe mit ein paar Tagen Verzögerung unweigerlich als dick aufgeblähte PowerPoint-Präsentation wieder zu einem zurückkehrt. Das ist der sogenannte Bumerang-Effekt, der sich aber wohl im Kommunikationszeitalter leider gar nicht vermeiden läßt. Und außerdem vermute ich stark, daß ein schlichter Text wie der meine, also so ganz ohne Farbe, Sound und Animation von den Computer-Kids der FunGeneration schon gar nicht mehr wahrgenommen, geschweige denn verstanden wird. Im Grunde ist diese grassierende PowerPoint- (abgekürzt: PoPo-) -Manie dennoch bzw. deshalb eine reine Frechheit. Ich meine, bei einer Serie von liebevoll zusammengestellten schönen, erbaulichen oder nachdenklichmachenden Bildern - wohlgemerkt, fachmännisch auf eine angemessene Größe geschrumpft - lasse ich mir das ja noch gefallen, aber bitte doch nicht bei absolut jedem Trivialschwachsinn. Der ist nicht nur der geistigen Volksgesundheit abträglich, sondern wegen des meist doch recht großen Erstellungsaufwandes auch volkswirtschaftlich nicht mehr zu verantworten. Nein, ich habe nichts gegen Witze, ganz im Gegenteil. Und ich bin lebenserfahren genug (und außerdem mit allen damit zusammenhängenden Begrifflichkeiten ausreichend vertraut), daß die Lacher von Seite 4 von 63 © 2007 by Heinz Boente mir aus auch gerne unterhalb der Gürtellinie stattfinden dürfen, wenn's der Witz erfordert, aber Text soll Text bleiben, wie ich finde. Und ein schwacher Text oder ein schlechter Witz wird nicht dadurch besser, daß man ihn gewaltsam auf dreißig Einzelseiten auseinanderzieht und mit einem Dutzend animierter Bilddateien garniert, die dazu meist noch irgendwo aus dem Internet geklaut wurden und allen längerjährigen Computer-Nutzern mit entsprechenden Internet-Kenntnissen seit Jahrzehnten bestens bekannt sind. Aber bestimmt sehe ich das alles wieder einmal viel zu negativ. Vielleicht ist PowerPoint ja sogar die Endlösung des Arbeitslosenproblems in meinem geliebten Vaterland? Schicken wir also alle HartzIV-Empfänger hurtig auf einen PowerPoint-Lehrgang. Dann sitzen unsere dreikommawasweißich Millionen Arbeitslosen demnächst einigermaßen gut ausgebildet vor ihren Computern, schustern Milliarden Präsentationen zusammen und verstreuen sie ins Netz bis die Telefonleitungen glühen, die Kommunikationssatelliten ins Trudeln geraten und die Glasfaserkabel schmilzen. Das kriegen wir bestimmt auch ganz ohne die Computer-Inder hin. Und in diesem Fall werde sogar ich mich natürlich als guter Staatsbürger gerne fügen und mein Gemecker sofort einstellen. Es müssen ja auch nicht immer nur die besonders flachen Witzchen sein, nein, auch einigermaßen Ernsthaftes kann man mit etwas Aufwand ganz hervorragend in bunte Präsentationen packen: vom standardisierten Bewerbungsschreiben bis zum Einkommensteuererklärungsformular. Vom einfachen Falschparkknöllchen bis zur Einweisung in die Justizvollzugsanstalt. Von der Geburtsurkunde bis zum Totenschein. Den zuständigen Ministerien, Behörden und Amtsstubeneinsitzern wird ganz bestimmt noch mehr einfallen. Kleine Anregung meinerseits: auch die Ankündigung der nächsten Mehrwertsteuererhöhung, der Einsatzbefehl für unsere Jungs im unruhigen Süden Afghanistans, die geplanten Kürzungen der diversen Bildungsetats, die Zugverspätungsübersichtstabellen der Deutschen Bahn, die nächste Silvesteransprache unseres derzeitigen Bundespräsidenten (wie heißt der noch gleich? der Dings... der... ach ja, Köhler) und Schäubles neue grandiose Anti-Terror-Vorschläge machen im schweranimierten Zustand einer buntflackernden Präsentation gleich viel mehr her und schauen darüber hinaus teilweise nicht mehr gar so bedrohlich aus. Und - das fällt mir gerade auch noch ein - eigentlich könnten doch auch die Kontoauszugsmaschinen der Banken und Sparkassen statt bloß immer nur schnöde Zettel mit negativen Zahlen auszudrucken, bei deren Betrachtung depressive Anfälle gar nicht zu vermeiden sind, lieber eine lustige PowerPointPräsentation auf ihren Displays anzeigen (mit Dagobert Duck als Logo und der Hintergrundmusik "Money makes the world go round"). Da wird das dicke Minus auf dem Konto doch gleich viel er träglicher. Sie sehen schon, liebe Glossenleser, das Betätigungsfeld ist riesengroß und nachdem ich mich gerade eben selber zur Ordnung gerufen und zum Nachdenken gezwungen habe, gehen wir vermutlich herrlich buntbewegten Zeiten entgegen. Ich persönlich jedenfalls finde, daß dies ein ganz schön starker Punkt ist, den ich hier vorbringe. Ein richtiger Power Point sozusagen. Ich werde gleich nachher mal mit unserer hochverehrten Kanzlerin telefonieren und... nein, halt, stopp! Ich werde ihr meinen Vorschlag lieber in Form einer multimedialen Präsentation zuschicken. Mit vielen lustigen Bildchen. Und Musik natürlich. Und mindestens acht Megabytes groß. Ist zwar nicht so einfach, aber das schaffe ich schon. Nine/Eleven (12. September 2007) Ja, liebe Glossenleser, da haben wir ihn wieder einmal hinter uns, den berühmten 11. September, der seit nicht allzu langer Zeit bekanntermaßen im angloamerikanischen Sprachraum auch gerne unter dem inzwischen auch in meinem geliebten Vaterland wohlbekannten Namen Nine/Eleven geführt wird. Ein Tag, der die Welt gründlich veränderte. Ein Tag, nach dem tatsächlich nichts mehr so war wie zuvor. Gut, zugegeben, der 11. September ist ein Tag, der längst nicht jedem meiner Mitbürger so nahe geht wie mir und vielen noch lebenden Angehörigen meiner Generation, aber immerhin. Und obwohl viele Menschen nicht einmal wissen, was an jenem denkwürdigen Tag überhaupt geschah, erinnere ich mich persönlich noch gut daran. Fast so, als wäre es erst gestern gewesen. Zwar dachte ich damals noch mit einer gewissen Überheblichkeit: "Nein", dachte ich, "diesen Rummel machst du nicht mit! Das ist weit unter deinem sprichwörtlich hohen Niveau." Aber dann, gar nicht mal so sehr viel später, entdeckte ich, welch ungeheure Tragweite das Ereignis dieses Tages tatsächlich auch für mich hatte, der ich bis dato an ganz anderen Dingen interessiert war. Seite 5 von 63 © 2007 by Heinz Boente Vor allem was danach kam, hat ja bekanntlich einen Rieseneinfluß auf das tägliche Leben der gesamten westlichen Hemisphäre ausgeübt. Nun ja, den damals Älteren ging das alles schon ziemlich auf den Keks und sie fürchteten den kompletten Kulturzusammenbruch des christlichen Abendlandes, aber wir seinerzeit etwas Jüngeren waren doch ziemlich enthusiasmiert. Sicher, weinende, ja, hilflos kreischende Menschen, die von Krankenwagen abtransportiert werden müssen, sind kein schöner Anblick, aber damit muß man rechnen, wenn so ein Jahrhundertereignis stattfindet. Deshalb kann man es Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen auch nicht verdenken, daß allüberall darüber berichtet wurde und dieses Thema sogar gelegentlich noch heute Bestandteil der Nachrichten ist. Außerdem war es letztlich auch gar nicht so schlimm, denn unsere Kultur gibt es noch immer. Sie ist nicht nur nicht untergegangen, nein, sie wurde - im Nachhinein betrachtet - durch diesen 11. September sogar noch bereichert. Ein wenig traurig macht es mich allerdings doch, daß fünfzig Prozent der vier Protagonisten nicht überlebt haben, denn immerhin haben sie als Gruppe Geschichte geschrieben und wurden dafür aus sympathisierenden Kreisen mit hohem und höchstem Lob überschüttet. Nicht genug damit, sie sind seinerzeit ja sogar geadelt worden. Und das völlig zu recht, wie ich meine. Jedenfalls bin ich stolz darauf, Zeitzeuge des Nine/Eleven gewesen sein zu dürfen, Zeitzeuge eines Tages, dessen Ereignis allen Fans für immer unauslöschlich im Gedächtnis bleiben wird. Am 11. September 1962 stellten nämlich die Beatles ihre erste Single Love Me Do vor, die sie sofort ganz oben in die Charts katapultierte. Von da an war ihr Siegeszug bekanntlich nicht mehr aufzuhalten und sie haben die internationale Musik-Szene um viele unsterbliche Melodien bereichert, die auch heute, nach dreißig oder vierzig Jahren, nichts von ihrer melodiösen Schönheit und Frische eingebüßt haben. Ja, liebe Glossenleser, dieser Jahrestag war Yesterday. An was hatten Sie denn gedacht? Die Parade der Liebe (26. August 2007) Aus der Presse: Essen (25.08.07) - Mehr als eine Million Techno-Fans haben bei der ersten Love Parade im Ruhrgebiet eine gigantische Party in der Essener Innenstadt gefeiert. Bei strahlendem Sonnenschein tanzten die Raver zu wummernden Techno-Klängen und jubelten den 27 Paradewagen zu, die auf einem 2,5 Kilometer langen Rundweg durch die Stadt fuhren. Insgesamt lag die Zahl der Feiernden über den gesamten Tag bei rund 1,2 Millionen, wie der Essener Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger erklärte. Der Politiker zeigte sich begeistert von der Besucherzahl und der Stimmung: "Es ist großartig", meinte er angesichts der ausgelassen Tanzenden, "wir sind begeistert." Ja, wer sagt's denn, liebe Glossenleser, daß Marmelade zum Frühstück keine Kraft gibt und daß man die Volksmassen nicht mobilisieren kann. Natürlich trifft beides zu, wie die obige Meldung beweist zumindest für den zweiten Teil meines Einleitungssatzes. Als alter Ruhrpottler bin ich jedenfalls total aus dem Häuschen, daß meine frühere Heimatstadt einen solchen Mega-Event erleben durfte. Sonst hat das Ruhrgebiet ja nicht allzu viel zu bieten, wenn man von den zahlreichen, weit über die Grenzen des Reviers hinaus bekannten Kulturstätten einmal absieht. Und auch wenn man die andernorts völlig unbekannte Freundlichkeit und Zugänglichkeit der meisten dort lebenden Menschen außer Betracht läßt. Ja, kaum liefert man dem Volke ein bisserl Karnevals-Wahnsinn oder Techno-Lärm, schon strömen die Massen herbei und bei allen Beteiligten stellt sich umgehend das richtige Feeling ein. Ob Jeckenoder Love-, das spielt eigentlich keine allzu große Rolle. Gut, bei mir persönlich jetzt eher weniger, erstens, weil ich überhaupt nicht dort war, und zweitens gestehe ich hier in aller Öffentlichkeit, daß mir die Namen der allseits bekannten Techno-Künstler (ja, ich glaube, es gibt einige Leute, die sagen tatsächlich Künstler dazu), wie beispielsweise ATB, Moguai, Phil Fuldner und Westbam jetzt nicht allzu viel sagen. Aber das will ja nichts heißen, denn vermutlich liegt es einerseits daran, daß ich mich mehr für Musik interessiere, und andererseits vermisse ich schon seit längerer Zeit meine Ohrenstöpsel (sicher hat meine Frau die aus Versehen beim letzten Frühjahrsputz weggeschmissen, ich werde sie bei Gelegenheit mal darauf ansprechen). Einskommazwei Millionen Teilnehmer an einer sogenannten Love Parade, das klingt zwar viel, ist es aber gar nicht, denn immerhin finden sich zu friedlichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auch jedesmal so 150 bis 200 Personen zusammen. Und gegen Bildungsnotstand, Korruption, Atomenergie, Werbeschwachsinn, soziale Ungerechtigkeit, Kriege und - nicht zu vergessen - gegen das Rauchverbot in deutschen Eckkneipen wird ja auch dauernd mit mega-viel Seite 6 von 63 © 2007 by Heinz Boente Alkohol und mega-viel Lärm demonstriert, oder habe ich das letzthin nur geträumt? Eins verstehe ich allerdings nicht so richtig: Wieso heißt die Love Parade eigentlich Love Parade? Wenn Liebe etwas mit Krach, Dreck, Scherben und Urinieren in öffentlichen Parkanlagen zu tun hat, dann habe ich das bisher wohl irgendwie falsch verstanden (noch ein Thema, über das ich mich mit meiner Frau demnächst dringend mal unterhalten muß). Vielleicht hängt das jedoch irgendwie mit den meist leicht bis sehr leicht bekleideten Mädels und Jungs zusammen, die sich ausgelassen, ja, man kann fast sagen: orgiastisch ihre Zwerchfelle zerhämmern lassen, wer weiß. A propos, die Techno-Fans nennen sich bekanntlich selber 'Raver', was zunächst mal soviel wie "ausgelassen Feiernde" bedeutet. Andererseits hängt es sicher sprachlich auch mit 'ravage' zusammen und das bedeutet 'Verwüstung, Verheerung'. Alles klar? Ob das im weiteren Sinne auch was mit 'raven' (= Rabe) zu tun hat, darüber will ich jetzt nicht spekulieren. Profitiert von dem ganzen Spektakel haben aber auf jeden Fall zahlreiche Penner, die sozusagen als Begleit-Troß aus der näheren und ferneren Umgebung herbeigeeilt waren, um den von den einskommazwei Millionen Liebenden hinterlassenen Unrat in Form von Hunderttausenden Plastik- oder Glaspfandflaschen einzusammeln und gewinnbringend zurückzugeben. Wer sagt's denn, daß die den braven Bürgern nur die Parkbänke blockieren und sonst zu nichts Nutze seien! Wie dem auch sei, da es in Essen kaum Tote und Schwerverletzte gegeben hat, wird das Techno-Fest in den nächsten Jahren in Dortmund, Bochum, Duisburg und Gelsenkirchen stattfinden. Ein echtes internes "Metropole Ruhr" Derby, sozusagen. Hurra! Da wird Berlin aber ganz schön neidisch sein, denn nun hat die Stadtreinigung dort kaum noch was zu tun und die preußischen Penner kein Zubrot. Wie gesagt, liebe Glossenleser, schöner als der Essener Oberbürgermeister kann man es gar nicht ausdrücken: wir Ruhris sind begeistert - besonders ich. Wie ich dir, so du mir (2. Juni 2007) Eine Lanze für die Organspende Ja, liebe Glossenleser, der jeweils erste Samstag im Juni ist seit 1982 der Tag der Organspende. Jetzt mal Hand auf Ihr Organ, präziser: aufs Herz, haben Sie gespendet? Nein, Quatsch, natürlich nicht, ist schon klar, ich meine ja auch, sind Sie grundsätzlich einer? Ein Organspender bzw. eine Organspenderin? Und wenn nein, warum eigentlich nicht? Ach so, Sie selber sind ja einigermaßen gesund und brauchen keine fremden Ersatzteile. Jedenfalls im Augenblick noch nicht. Verstehe. Aber was wäre, wenn? Organempfänger oder Organempfängerin wären Sie dann im Zweifelsfalle doch schon gerne, oder? Um das mal gleich zu Beginn klar zu stellen, diese merkwürdige Fernsehaktion unserer holländischen Freunde am Abend zuvor (falls Sie jetzt nicht wissen, wovon ich spreche, macht nix) halte auch ich für unnötig und sogar für ein bißchen geschmacklos, aber trotzdem finde ich es gut, daß das Thema dadurch endlich mal wieder in die Diskussion gerät. Deswegen habe ich ja auch relativ spontan diese Glosse, die diesmal eigentlich gar keine ist, geschrieben. Immerhin warten bekanntlich derzeit allein in Deutschland rund 12.000 Menschen verzweifelt auf ein Spendeorgan, und für täglich drei von ih nen ist die Wartezeit eh zu Ende, weil sie gar keins mehr brauchen. Andererseits ist es ja nicht so, daß es nicht genügend Herzen, Nieren, Lebern, Lungenflügel, Netzhäute, Gallenblasen oder Bauchspeicheldrüsen gäbe, die nicht mehr gebraucht würden, beileibe nicht. Diese wertvollen Teile werden lediglich traditionsgemäß aus einer falsch verstandenen Pietät zusammen mit ihren bisherigen Besitzern sinnlos vergraben oder verbrannt. Die typische Verhaltensweise einer modernen Wegwerfgesellschaft eben - man schmeißt etwas weg, obwohl es eigentlich noch völlig intakt ist und an anderer Stelle von großem, ja, lebenserhaltendem Nutzen sein könnte. Überall spricht man heutzutage doch von wiederverwendbaren Wertstoffen, Second-Hand-Artikeln und von Mehrfachnutzung, und die wunderschönen gelben Tonnen gehören ja auch mittlerweile zum modernen Straßenbild wie Verbotsschilder und Überwachungskameras. Nur beim Human-Recycling gibt's auf einmal allerschwerste Bedenken. Warum bloß? Ja klar, ich weiß schon, die Auferstehung des Fleisches. Wie stehe ich denn da, wenn fremde Leute mit meinem Fleisch (überhaupt, eigentlich sind's ja meist nur Innereien) auferstehen und ich selber muß als armseliger Hohlkörper vor das Jüngste Gericht treten. Das ist natürlich ein echtes Problem. Genauso wie die Frage, wie denn ein armer Moslem, der dummerweise und zufällig eine gut trainierte Säuferleber transplantiert bekommen hat, das seinem Allah erklären wird. In der Tat, peinlich, peinSeite 7 von 63 © 2007 by Heinz Boente lich. Ich meine, ein Stück Darm oder einen Magen, der sein Leben lang Schweinefleisch verdaut hat, kann man ja vor der Transplantation in einen jüdischen oder islamistischen Körper gründlich auswaschen und sogar desinfizieren, aber bei einer Leber ist das halt nicht ganz so einfach. Das stimmt natürlich. Ich persönlich bin im übrigen trotz des jahrealten Organspendeausweises in meinem Portemonnaie auch nicht ganz so sorgenfrei, wie ich hier tue, denn ob ich mein Herz, das ich ja seinerzeit meiner geliebten Frau geschenkt habe, später einfach so an einen Fremden weggeben kann... da werde ich sie bei Gelegenheit wohl mal fragen müssen und dann soll sie nach meinem Ableben gefälligst selber entscheiden, ob sie damit ein Menschenleben rettet oder es sich zur Erinnerung in einem Spiritusglas auf ihr Nachtkonsölchen stellt. Oder das klassische Thema Hirntod. Wann ist man eigentlich hirntot, bzw. wer? Soll ich diese Frage hier und jetzt tatsächlich beantworten? Nein, wohl nicht, das bewahre ich mir lieber für eine spätere Glosse auf. Jedenfalls, Bedenken über Bedenken. Bei genauerem Hinschauen allerdings allesamt nutzlose und vorgeschobene. Ok, zugegeben, man kann natürlich darüber diskutieren, ob man die derzeitige deutsche Rechtslage nicht einfach umdrehen und damit eine Situation herstellen sollte, wie sie in vielen anderen europäischen Ländern und sogar in Österreich schon lange üblich ist, also daß jeder Verbli chene automatisch Organspender ist, es sei denn, er widerspricht dem ausdrücklich. Aber es gibt natürlich noch eine andere, ganz einfache Lösung: ich finde nämlich, daß ein Spendeorgan nur bekommen sollte, wer selber eins zu geben bereit ist. Zack, fertig, aus. Der Rest der Zauderer soll gefälligst spendeorganfrei auf den sicheren vorzeitigen Tod warten. Aber hier in meinem geliebten Vaterland steht wie immer alles unter einem scheinheiligen Deckmäntelchen, in diesem Fall das des sogenannten "menschlichen Selbstbestimmungsrechts". Was für ein Blödsinn! Mal ganz davon abgesehen, daß die meisten meiner lebendigen Landsleute sowieso gar nicht wissen, was Selbstbestimmung überhaupt bedeutet, haben Sie schon mal einen Toten sich selbst bestimmen sehen? Na also. Da werden doch wieder einmal mehr nur Urängste geweckt und bestehende Ängste geschürt von Kirchen, Ethikkomissionen, Moralaposteln, Politikern und all den übrigen Dummschwätzern im Lande, die Sie glauben machen wollen, sie wüßten als einzige Bescheid über Sie und Ihre Organe. Offen gesagt, mir zeigt das nur wieder einmal mehr, wie unreif und fremdbestimmt der Mensch als solcher im Grunde noch immer ist. Trotz Dialyse-Gerät und Insulin-Injektionspen. Wohlan denn, liebe Glossenleser, hier nun mein eindringlicher Appell an Sie, ja, genau, an Sie persönlich: solange sich da nichts ändert in unseren deutschen Gesetzen (und das kann dauern in einem solchen Fall, glauben Sie mir), lassen wenigstens Sie sich nicht irre machen und bestimmen Sie doch einfach mal über sich selber! Geben Sie sich einen kleinen Ruck und klicken Sie hier: www.organspende-kampagne.de Dort werden Sie nicht nur umfassend und emotionsfrei über das Thema Organspende informiert, sondern Sie können sich bedarfsweise sofort am Bildschirm selber einen Organspendeausweis ausstellen, ausdrucken und ihn anschließend in Ihre Brief- oder Handtasche stecken. Ich wünsche es Ihnen natür lich nicht, aber vielleicht kommen ja auch Sie mal in die Situation, daß Sie ganz dringend ein überlebenswichtiges Ersatzteil brauchen. Und dann, wie gesagt, denken Sie daran: wie ich dir, so du mir. Oder sehen Sie das doch im Hinblick auf einen uralten Menschheitstraum einfach mal so: wenn man selber schon nicht unsterblich ist, kann man doch wenigstens auf diese Weise einigen seiner Einzelteile das Leben ein bißchen verlängern. Große Zahlen (18. Mai 2007) Ach, es ist schon ein rechtes Kreuz mit uns Menschen, liebe Glossenleser! Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Evolution uns total vergessen hat. Zwar bringt sie ständig Men gen von neuen Individuen hervor, gut, hier in Deutschland zwar zu wenige, das wissen wir ja mittler weile, aber so weltweit gesehen kommt da schon einiges zusammen. Und trotzdem geht's mit der Entwicklung irgendwie nicht recht vorwärts. Alle neugeborenen Menschen sehen ja seit Äonen ungefähr gleich aus, also jedenfalls sind die meisten unschwer als Menschen zu erkennen, auch wenn die Hautfarben und Augenformen nicht immer gleich sind. Und auch was die Gehirnkapazität angeht, gibt's keine allzu großen Unterschiede, wenn wir von Einzelfällen mal absehen. Also, von zahlreichen EinSeite 8 von 63 © 2007 by Heinz Boente zelfällen, oder noch genauer: von sehr zahlreichen Einzelfällen, versteht sich. Sie wissen, was ich meine. Man muß das ja auch statistisch-durchschnittlich sehen, dann nivelliert sich das alles sowieso. Zwischen dem größten Idioten, zum Beispiel ein islamistischer Selbstmordattentäter mit einem IQ von, sagen wir mal so 15 bis 25 (nur zum Vergleich: Kartoffelsalat hat 13 bis 17, je nach Rezept) und einem - ja, was nehmen wir da jetzt? Also beispielsweise einem Glossenschreiber mit einem IQ von... weiß ich jetzt auch nicht so genau... egal. Fest steht: im Durchschnitt sind alle Menschen ungefähr gleich intelligent. Punkt. Auch Frauen. Und die nicht nur untereinander, sondern auch im Vergleich mit Männern. Sogar mit ziemlich vielen Männern, obwohl ein weibliches Gehirn ja bekanntlich ein bißchen kleiner ist... also komm, Stop, jetzt verrenne ich mich da in irgendwas. Das ist auch gar nicht mein Thema heute. Was ich sagen will, ist folgendes: die Evolution hat seinerzeit ein Gehirn entwickelt, um seinem Besitzer (oder seiner Besitzerin, ganz klar) das Überleben zu ermöglichen oder gar zu erleichtern. Also zum Beispiel zu erkennen, wo das leckerste Essen zu finden ist oder ein Partner, mit dem man möglichst viele und gesunde Nachkommen erzeugen kann, oder wo es was Schönes zum Angucken zwecks Erbauung und Entspannung gibt. Daß man mit einem Gehirn auch denken und rechnen kann, war ursprünglich gar nicht die Absicht der Evolution. Das kam erst später automatisch und mehr zufällig dazu, nachdem es im Laufe von Jahrhunderttausenden immer ausgefeilter wurde. Das ist beim Gehirn so ähnlich wie beim Computer. Der wurde ja ursprünglich auch mal nur als reines Hilfsmittel zum Rechnen erfunden und heute sagt der einem sogar, wo's lang geht, also jedenfalls der Navigationscomputer im Auto. Ja, und bei diesen wenigen Grundfunktionen ist es beim menschlichen Gehirn im Gegensatz zum Computer - seit ein paar hunderttausend Jahren bis heute leider geblieben. Immer noch geht es dem Gehirn eigentlich nur ums Sattwerden, um die Kleinchenproduktion und ums dusselig in der Gegend Rumgucken, kurz gesagt, um die drei wohlbekannten menschlichen F-Bereiche: Fressen, F<Zensur>n, Fernsehen. Und deswegen haben viele, ach was, Quatsch, alle Menschen Probleme mit Zahlen. Selbst die Mathematiker. Ich meine, bis Drei zählen, das klappt bei den meisten ja noch halbwegs, aber in dem Moment, wo ein paar Nullen hinzukommen, geht's garantiert schief. Das ist beim Gehirn nicht anders, wie im richtigen Leben: sobald Nullen dabei sind, klappt gar nix mehr. Doch grau ist alle Theorie und grün des Lebens goldener Baum, wie schon unser Goethe es seinerzeit zwar etwas verwirrend, aber dennoch schön ausgedrückt hat. Deshalb schauen wir uns doch mal gemeinsam ein paar Zahlen an. Nehmen wir beispielsweise die Schulden der Bundesrepublik Deutschland, die sich derzeit auf rund 730.300.000.000 Euro belaufen. Ja, da stutzt man unwillkürlich und muß erstmal genauer hinschauen, nicht wahr? In einem Wort: Siebenhundertdreißigmilliardendreihundertmillionen Euro! Hört sich ganz schön viel an, oder? Ist es auch. Aber wieviel das wirklich ist, das kann sich kein menschliches Gehirn plastisch vorstellen. Versuchen Sie's spaßeshalber doch mal, Sie haben ja eins, ein Gehirn, meine ich. Klar, man kann diese Wahnsinnszahl zur Kenntnis nehmen, man kann auch damit rechnen und sie in den Tagesthemen präsentieren, aber mehr ist nicht drin. Damit diese Siebenhundertdreißigmilliarden überhaupt faßbar werden, muß man seinem Gehirn etwas anbieten, mit dem es etwas anfangen kann, also irgendwas aus einem der drei F-Bereiche. Versuchen wir's. Für soviel Knete könnten Sie beispielsweise Ihre Fernsehgebühren für die nächsten 3,5 Milliarden Jahre im Voraus bezahlen oder sich 292.120.000.000 BigMäcs kaufen, oder - bei einem Einzelbesuchspreis von... ich hab' keine Ahnung, sagen wir mal 50 Euro - 14.606.000.000 mal ins Bordell ge hen. Und selbst wenn Sie in den beiden letzten Fällen noch spezielle Zusatzwünsche haben sollten, kein Problem. Sogar Pommes und Peitsche dazu könnten Sie sich jedesmal locker leisten. Hallo? Jetzt sagen Sie bloß, Sie können sich zweihundertzweiundneunzigmilliarden BigMäcs mit einem Gesamtgewicht von fast 62 Millionen Tonnen vorstellen (das ist das Gewicht von 43 Millionen VW Golf oder 650 modernen Flugzeugträgern einschließlich der Flugzeuge). Nee, nicht so richtig, oder? Also müssen wir noch weiter runter und nehmen etwas kleinere Zahlen, so im Millionenbereich. Und da wir grad bei Gewichten sind: 878.000.000 Tonnen CO 2 blasen die deutschen Autos jährlich in die Luft und 400.000.000 Tonnen Müll produzieren die Bundesbürger jedes Jahr. In BigMäcs umgerech net sind das insgesamt etwas über 6 Billionen (nur falls Sie's ganz genau wissen möchten, es sind exakt 6.028.301.886.792 Stück), damit könnte man - theoretisch - zwar problemlos die halbe Galaxis füttern, aber plastisch vorstellen kann man sich 878 Millionen Tonnen Gas und 400 Millionen Tonnen Dreck immer noch nicht, geschweige denn 6 Billionen BigMäcs. Also gut, nehmen wir ein noch kleineres Beispiel: 92 Millionen Euro bzw. 36.800.000 BigMäcs kostet uns der bevorstehende G8-Gipfel in Heiligendamm... ja, Donnerknispel, da sind ja immer noch viel zu viele Nullen, irgendwie klappt Seite 9 von 63 © 2007 by Heinz Boente das nicht (obwohl G8-Gipfeltreffen als solche ja doch schon auch über die reinen Kosten hinaus ir gendwie mit Nullen zusammenhängen), deswegen betrachten wir lieber noch mal den uns inzwischen vertrauten deutschen Schuldenberg von 730 Milliarden Euro. Zwar könnte sich unsere Regierung von soviel Geld (wenn sie es denn hätte) etwa 1,2 Millionen der teuersten Ferraris mit einem Stückpreis von 645.000 Euro) kaufen, es ist aber andererseits auch wieder nicht sooo viel, denn eigentlich hat jeder Bundesbürger damit nur rund 9.000 Euro Staatsschulden. Na, das ist doch endlich mal eine Zahl, die ein bißchen näher am Vorstellungsbereich des menschlichen Gehirns liegt, nicht wahr? Gut, ok, schon klar, 9.000 Euro hat nicht jeder einfach so zu Hause rumliegen, schon gar nicht jeder Langzeitarbeitslose aus der Unterschicht, aber wenn nur 18.257.500 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ein Jahr lang auf ihr Gehalt verzichteten, wäre mein geliebtes Vaterland mit einem Schlag schuldenfrei und könnte wieder von vorne anfangen. Man müßte die einfach mal fragen, die 18 Millionen Vollzeitbeschäftigten. Ich meine, im Interesse des Gemeinwohls kann man dieses kleine Opfer doch wohl von denen verlangen, oder? Ich fürchte nur, die werden nicht mit machen, aber jetzt weiß ich wenigstens, warum die von der Leyen immer mehr und mehr Kleinchen im Lande haben will: ganz einfach, weil, je mehr Deutsche, desto niedriger wird die Staatsschuldenbelastung für den Einzelnen. Im Idealfall, also wenn das Endziel von 730 Milliarden Bundesbürgern erreicht ist, braucht dann jeder Einzelne nur noch einen einzigen Euro ins Staatssäckel einzuzahlen. Und einen schäbigen Euro kann sich ja wohl jeder leisten, dann ißt man halt mal einen halben BigMäc weniger. Nein, Scherz beiseite und zurück zum Eigentlichen. So ist das dummerweise nun mal mit unserem Gehirn. Alles, was wesentlich über 20 (also 10 Finger plus 10 Zehen) hinausgeht, ist soweit jenseits von Gut und Böse, daß es selbst dann nicht mehr faßbar ist, wenn's um die drei F-Bereiche geht. Da läßt uns das Hirn einfach im Stich. Und das Schlimme dabei ist, daß es trotzdem - oder gerade deshalb - ein paar Menschen gibt, die uns mit ihren großen Zahlen wunderbar verarschen können. Auch dazu schnell noch Beispiel: Wenn ein Arbeitskollege für haargenau dieselbe Tätigkeit in der Firma hundert Euro mehr verdient im Monat (100 sind fünf Sätze Finger und Zehen, das kriegt man also gehirnmäßig noch geregelt), wird jeder gleich gelb im Gesicht vor Mißgunst und Neid (genau deswegen spricht man ja auch nicht so gerne über sein Gehalt), aber wenn ein benzinvergeudender Autorennfahrer 68 Millionen Euro jährlich absahnt, ein Pop-Sänger Jahr für Jahr 61 Millionen Euro auf sein Privatkonto einzahlt, ein Bankmanager über zehn Millionen Euro und selbst ein deutscher Nationaltorwart etwas über 9 Millionen kassieren, dann stört sich kein menschliches Wesen daran. Warum? Weil sich niemand im Volke mit dem derzeitigen Durchschnittseinkommen von 41.000 brutto oder mit einer Spitzenrente von, sagen wir 25.000 Euro im Jahr, so richtig vorstellen kann, wieviel das wirklich ist. Das können nicht einmal die genannten Spitzenverdiener selber, sie geben's zwar nicht zu, aber die wissen im Grunde auch nur, daß sie Kohle ohne Ende haben und daß es sie nicht weiter zu bekümmern braucht, wenn sie das nächste mal ihr Auto so richtig volltanken lassen. Tja, hier unten diskutieren wir über die Finanzierung von Krippenplätzen und Mindestlöh nen, hier müssen wir für den baren Erhalt von minimal dotierten Arbeitsplätzen streiken, hier empören wir uns vielleicht sogar über Gehaltsforderungen unterbezahlter Assistenzärzte, Erzieherinnen und Lehrer, hier müssen Pflegeheime und Sozialeinrichtungen aus Geldmangel schließen, hier werden Kultur- und Bildungsetats zusammengestrichen, und oben kommen einige Leute nach dem Betrachten ihrer Kontoauszüge vor lauter Lachen nicht mehr in den Schlaf - ok, zugegeben, auch eine Art von traurigem Schicksal. Mit den 68 Millionen Euro eines einzelnen Topverdieners könnte man in Deutschland lo kker 1.658 Hartz IV Empfängern jeweils das durchschnittliche Jahresgehalt bezahlen, und sogar ohne daß sie dafür überhaupt arbeiten müßten (Mann, würden die jubeln, könnte ich mir vorstellen). Oder selbst mit "nur" 9 Millionen könnte man die Patenschaften für 30.000 Kindern der Dritten Welt über nehmen, um ihnen ein einigermaßen menschenwürdiges Heranwachsen zu ermöglichen. Bei solchen Vergleichen wird die ganze Obszönität solch großer Zahlen erstmal so richtig deutlich, finde ich. Und da lethargisieren wir hier unten im Sumpf unserer Kleinrenten und unteren Lohngruppen schweigend so vor uns hin, während einige unserer Politiker sich doch tatsächlich immer noch trauen, in aller Öffentlichkeit frech von 'Chancengleichheit' oder gar 'Gerechtigkeit' zu reden. Und alles nur wegen eines kleinen Versäumnisses der Evolution! Warum ich Sie diesmal mit all dem trockenen Zahlenzeugs gelangweilt habe, liebe Glossenleser, weiß ich jetzt vor lauter Herumrechnerei auch nicht mehr so genau. Sicher sind Sie im Grunde ihres Herzens genauso neidfrei wie ich und gönnen jedem seine goldenen Wasserhähne (ich unterstelle jetzt, daß niemand von Ihnen zu hungern braucht), aber vielleicht werden Sie in Zukunft ein wenig nach denklicher, wenn man Ihnen wieder einmal ein paar gigantische Zahlen um die Ohren haut. Die EvoSeite 10 von 63 © 2007 by Heinz Boente lution - da muß ich sie jetzt doch einfach mal in Schutz nehmen - konnte damals bei der Erschaffung unseres Gehirns ja wirklich noch nicht voraussehen, daß auch große und sehr große Zahlen durchaus eines Tages mal wichtig oder sogar überlebenswichtig für die Gattung Homo sapiens werden würden, sonst hätte sie in der Zwischenzeit bestimmt schon längst einen kleinen mathematischen Zusatzprozessor in unserem Hirn entstehen lassen. Platz dazu wäre in den meisten Köpfen ja vorhanden. Aber, wie eingangs schon gesagt, in dieser Hinsicht hat die Evolution uns wohl offensichtlich verges sen. Schade eigentlich. Unsere Besten - Komiker & Co. (29. April 2007) "Ja, hallo erstmal", liebe Glossenleser. Was ist das schön, daß ich mich endlich mal nicht aufzuregen brauche! Nein, überhaupt nicht, denn es geht hier diesmal nicht um diese Dings, diese Erfinderin des nationalen Krippenspiels, die mit der neugestylten Blondfrisur... na, wie heißt die noch, die von der Dings, Sie wissen schon. Und auch nicht um diesen innenministeriellen Paranoiker, den Herrn... ja, zum Donnerwetter, jetzt fällt mir dessen Name auch nicht ein... also ich meine den, bei dem im Gehirn das eine oder andere Schäuble bzw. Schräuble locker ist, aber Sie erinnern sich vielleicht, das ist der mit den Rollstuhlmautdaten beim Bundeskriminalamt... ach, ist im Grunde ja auch egal. Oder was ich diesmal hier auch nicht besonders erwähnen muß, ist dieses Bushloch, dieses fundamentalistischscheinheilige Dabbeljuh-Dingsbums aus Amerika. Welch eine Erleichterung! Klasse, ich kann also heute mal ganz befreit über den letztfreitaglichen Fernsehabend plaudern, den sicher auch Sie zwei Stunden und vierzig Minuten lang genossen haben, oder etwa nicht? Da stellte nämlich das ZDF mal wieder eine erlesene Auswahl unserer Besten vor, derer wir ja bekanntlich viele in meinem geliebten Vaterlande hatten und haben. Und ein bißchen Stärkung des nationalen Selbstbewußtseins tut ja immer gut. Selbst wenn's diesmal nicht um irgendeine Fußballweltmeisterschaft, sondern nur darum ging zu beweisen, daß wir Deutschen in Wirklichkeit doch gar nicht so ernst, arbeitsam, gewissenhaft und fleißig sind, wie im Ausland immer wieder gerne von uns behauptet wird. Nein, das sind wir beileibe nicht. Ganz im Gegenteil. Wir haben nicht nur einen ausgeprägten Sinn für Humor, nein, wir haben auch die passenden Kabarettisten, oder wie man heute gerne anglodynamisch sagt: die passenden Comedians dazu. Und fünfzig davon wurden am Freitag von dem wie immer, aber an diesem denkwürdigen Abend sogar besonders gutgelaunten Johannes B. Lafer prämiert bzw. präsentiert... Moment mal, da stimmt doch was nicht! Also wirklich, was ist denn heute bloß mit meinem Namensgedächtnis los? Also Lafer war's jedenfalls nicht und der Jauch auch nicht, ich meine natürlich den anderen, den Beckmann. Oder noch genauer: den Kerner. Und so tummelten und räkelten sich dann auch die im Laufe des Abends nach und nach eintrudelnden neun Spaßmachergäste locker auf der halbrunden Bühnen-Couch: Barbara Schöneberger, großäugig sexy wie immer, fungierte (auch wenn selber nicht unter den fünfzig Besten plaziert) als appetitlicher weiblicher Blickfang zwischen Otto Waalkes (der ewig Junggebliebene), Hugo Egon Balder (als der ebenfalls nicht plazierte, aber dennoch bedächtige Alleswisser), Dieter Nuhr (der Hintersinnige mit dem intellektuellen Tatsch), Loriot (von dem gleich noch die Rede sein wird), Oliver Pocher (der einzige ZDF-seitige Mißgriff des Abends, der selber wohl nicht so recht wußte, wie ihm geschah unter den anderen traditionsreichen Größen des deutschen Humors und der sich bei seinem kurzen LiveAuftritt dann auch konsequenterweise prompt verhaspelte), Emil Steinberger (als immer noch recht frische Referenz an das deutschsprachige Ausland), Dieter Hallervorden (palim-palim... das intelligente Slapstick-Urgestein) und der mit dem Markenzeichen seiner westfälischen Bedächtigkeit agierende Rüdiger Hoffmann, von dem ich das Zitat am Anfang entlehnt habe (ein bisserl dicker ist er nach seinem letzten Kind geworden, unser Paderborner). Unter teils durchaus scharfzüngigem, aber stets moderatem Geplauder seitens der genannten HumorProtagonisten - ein Spaßvogel hackt dem anderen schließlich kein Auge und schon mal erst recht keine Pointe aus - und dem mittendrinnigen Johannes B. Kerner (na bitte, geht doch) zogen unsere Besten dann alle in kurzen Szenen an uns vorbei: vom dicken Otti Fischer, der es so gerade eben noch auf Platz 50 geschafft hat, über Harald Schmidt, den ich persönlich nicht so weit unten auf Platz 47, sondern durchaus gerne etwas weiter vorne gesehen hätte, die Missfits, Jürgen Dohrenkamp (das ist der von der Lippe, obwohl er ursprünglich aus Aachen stammt), Matthias Richling und Urban Priol, bis hin zu den beiden Altmeistern, den humoristischen Gegenpolen Dieter Hildebrandt und Harald Juhnke... also wirklich, alle komischen Spitzenkräfte kann ich hier beim besten Willen nun nicht aufzählen, sorry! Bei Rudi Carell (auf Platz 6) wurde hie und da im Saale sogar stumm ein Tränchen vergossen, er ist Seite 11 von 63 © 2007 by Heinz Boente uns allen ja auch noch in gar zu frischer Erinnerung, und ein bißchen humoristisch gedämpfte Weh mut kam mit Fug und Recht auch bei Diether Krebs, Helga Feddersen und Heinz Schubert auf. Sowohl bei den Saalzuschauern als auch bei mir. Neben all den Größen deutschen Lachtums habe ich persönlich mich besonders über Heinz Erhardt (Platz 2), Karl Valentin (Platz 7), Jürgen von Manger (Platz 24) und Peter Frankenfeld (Platz 40) ge freut, aber daß ich die überhaupt kenne und immer noch sehr schätze, hat sicherlich mit meinem Geburtsdatum zu tun und natürlich auch mit dem des typischen ZDF-Zuschauers, dessen Durchschnittsalter zwar bekanntlich irgendwo zwischen 55 und 95 liegt, welches aber andererseits auch seine Position auf der sowieso nur bis 100 reichenden deutschen Intelligenzskala ist. So gesehen fand ich es dann schon bemerkenswert, daß sich die junge, mittlerweile aber durchaus im Bewußtsein des Volkes etabliert habende Kabarettistengeneration und Stand-Up-Comedians (Stefan Raab, Mario Barth usw. bis hin zu dem schon erwähnt werden gemußten Pocher) überhaupt unter den Kandidaten befinden durften, aber nun gut, unsere Jugend braucht halt auch gelegentlich was zum Lachen, selbst wenn deren Intelligenzskalaposition sich meist weit unterhalb von 55 bewegt. Das hat in diesem Fall allerdings nicht unbedingt mit dem Alter zu tun, sondern hängt wohl eher mit der engen Verbindung zwi schen dem deutschen Schulsystem und dem Privatfernsehen zusammen. Ein wenig schmerzlich vermißt unter diesen unseren Besten habe ich allerdings doch schon den großen Werner Finck (1902 - 1978), den Erfinder des genial gestotterten Halbsatzes und Lehrmeister aller heutigen Politkabarettisten von Niveau, aber, na ja, schon in Ordnung, den kennt außer mir nun wirklich keiner mehr. Alles in allem strotzte mein freitaglicher Fernsehabend vor Launigkeit und Frohsinn, was mir persönlich natürlich sehr entgegenkam, denn als Glossenschreiber hat man ja doch auch irgendwie im weiteren Sinne mit Humor zu tun, obwohl es derzeit außer über vereinzelte Eskapaden unserer Politiker sonst in diesem Leben nun nicht gerade besonders viel zu lachen gibt. Aber davon mal abgesehen, ich bin sowieso ein recht komischer Typ, obschon diese Tatsache vermutlich nur den allerwenigsten Menschen im Lande bekannt ist. Und wenn schon das erwähnte persönliche Erscheinen von Emil Steinberger (Platz 22) die Zuschauer im Saal veranlaßte, sich vor Ehrfurcht und Begeisterung von ihren Sitzen zu erheben, war es ganz klar zu erwarten, daß der Gesamtsieger der Wahl-Party, Vicco von Bülow, alias Loriot, nach Bekanntgabe seiner Goldmedaille ebenfalls würdig mit einem allgemeinen Zuschauerständer... Stopp! Jetzt muß ich mich aber wirklich zur Ordnung rufen, denn sexuelle Anspielungen sind in meinen Glossen nicht nur verpönt, sondern - ganz speziell bei ZDF-Veranstaltungen - auch fehl am Platze. Also besser: Loriot wurde zu Recht mit lang anhaltenden stehenden Ovulationen gefeiert. So ähnlich kann man das doch aber sagen, oder? Ich selber wäre natürlich in diesem bewegenden Augenblick auch gerne von meinem bequemen Wohnzimmersofa aufgestanden, um dem Größten aller großen deutschen Humoristen meine gebührende Referenz zu erweisen, wenn ich nicht dummerweise ausgerechnet an diesem Abend unter meinen regelmäßigen leichten wöchentlichen Rückenschmerzen gelitten hätte. So bin ich, und nicht nur in wehmütiger Erinnerung an die großartigen Leistungen von Frankenfeld, Erhardt und Co., sondern auch in Reminiszenz an meine damalige Schulzeit, einfach mal sitzengeblieben. Jedenfalls war es für mich ein höchst vergnüglicher und äußerst unterhaltsamer ZDF-Abend, und deshalb gratuliere ich an dieser Stelle von ganzem Herzen sowohl dem Sender als auch allen fünfzig Siegern! Und Sie, liebe Glossenleser, wissen jetzt (auch wenn Sie des Spektakels persönlich nicht teilhaftig waren), daß die besten unserer Landsleute wirklich nicht immer nur Sportler oder Dichter und Denker oder sonstige zwielichtige Promi-Nasen auf zweifelhaftem Niveau sein müssen. Nein, wirklich nicht. Das würde dem sprichwörtlichen deutschen Humor wahrhaftig nicht gerecht. Und deshalb ist es seit letzten Freitag wenigstens amtlich bzw. öffentlich-rechtlich: auch und ganz besonders bei Komik, Klamauk und Klamotte können wir Deutschen durchaus ganz vorne mitmischen. Hach, tut das gut! Fernsehwerbepausen (16. April 2007) Stellen Sie sich vor, liebe Glossenleser, Sie sitzen in einem guten Restaurant. Der berühmte Gruß aus der Küche ist durch, und Sie machen sich gerade über Ihr zartrosagebratenes Angus-Rinderfilet an Rosmarin-Jus und dem beiliegenden Kartoffelgratin her, da kommt der Kellner an Ihren Tisch, hält Ihnen die Hand mit der Gabel fünf Zentimeter vor Ihrem schon erwartungsfreudig geöffneten Mund fest und brüllt Sie an: "He, kennst du schon unseren neuen Riesling? Spritzig, fruchtig, trinkig! Die Seite 12 von 63 © 2007 by Heinz Boente Flasche für nur sieben Euro neunzig. Los, kauf' die jetzt!" Und während Sie noch verzweifelt versuchen, Ihre Gabelhand dem eisernen Griff des Kellners zu entwinden, schreit dieser munter und ungerührt weiter: "Mit der neuen Sauf-Flat-Rate für nur 150 Euro pro Monat kannst du an unserer Theke jeden Tag soviel Fusel in dich hineinschütten, bis dir deine Muttersprache abhanden kommt! Wechsel jetzt mal sofort deinen Alkohol-Provider!" Ein solches Vorkommnis würden Sie doch ziemlich befremdlich finden, oder? Zumal Sie fest damit rechnen können, daß sich dieses Spielchen knapp zwanzig Minuten später ganz genau so wiederholt, während Sie doch eigentlich nur ganz in Ruhe Ihr Dessert in Form einer mit edlem Cognac flambierten Mousse au Chocolat und Ihren Espresso genießen möchten. Oder nehmen wir folgende Situation: Sie sitzen mit Ihrer geliebten Lebenspartnerin (oder Lebenspartner, ganz klar, Sie wissen schon) des abends gemütlich auf der Couch. Einige strategisch günstig plazierte Kerzen verbreiten heimeliges Licht, im Hintergrund säuselt leise und deshalb sogar einigermaßen unaufdringlich Phil Collins und der Rotkäppchen-Sekt perlt im Glase. Die pure Kuschelromantik allüberall. Sie nähern sich gerade in höchst eindeutiger Absicht Ihrer Partnerin (oder Partner, ganz klar, Sie wissen schon)... da! Die Tür springt auf, eine Gruppe heppi-peppiger Jungmenschen hüpft ins Zimmer, tanzt um Sie und Ihre Partnerin (oder Partner, ganz klar, Sie wissen schon) herum und plärrt Sie an, daß Ihnen eine Coke auf der Stelle ein ganz neues Lebensgefühl vermitteln würde. Noch haben Sie sich nicht ganz von Ihrem Schrecken erholt, da verschwinden die Jungmenschen und stattdessen rollt Ihnen und Ihrer Partnerin (oder Partner, ganz klar, Sie wissen schon) der blitzneue ben zinsparende Toyota, dem bekanntlich nichts unmöglich ist, über die Zehen, dicht gefolgt von den bei den dämlichen Sprüchen des Kellners, der Ihnen noch allzu gut von Ihrem letzten Restaurantbesuch in schrecklicher Erinnerung ist. Tja, weg ist in einem Hui die ganze Romantik. Weg und futsch. Genauso futsch wie das Blut, das sich aufgrund dieser seltsamen Vorgänge ziemlich plötzlich und auf ein vorläufiges Nimmerwiedersehen aus sämtlichen Schwellkörpern aller Beteiligten zurückgezogen hat. Schade eigentlich. Jetzt ehrlich mal, auch und besonders in diesem letztgeschilderten Fall würden Sie doch sicher mehrmals stutzen und dadurch locker bis an oder gar über die Grenze zur äußerst heftigen Empörung gebracht werden, nicht wahr? Und das mit Recht, wie ich meine, denn sinnliche Augenblicke vertragen nunmal keine abrupten Unterbrechungen durch gequirlten Reklameschwachsinn, der nur den einen einzigen Zweck hat, nämlich Ihnen im Grunde völlig überflüssige Produkte und meist noch viel unnötigere Dienstleistungen aufzuschwätzen und damit andere Leute noch reicher zu machen als sie es eh schon sind. Ja, und jetzt frage ich Sie und mich, warum es in meinem geliebten Vaterland wohl Menschen gibt, die sich genau dieses Abend für Abend beim Fernsehen antun, genauer: antun lassen. Ich persönlich weiß es nämlich nicht, sondern finde - ob Sie das nun für altmodisch und rückständig halten oder nicht -, daß nicht nur ein gepflegtes Essen oder ein romantisches Beisammensein, sondern auch das Anschauen eines Fernsehfilms durchaus zu den sinnlichen Augenblicken im menschlichen Lebenslauf gerechnet werden kann. Wäre dem nicht so, bräuchte man den Empfängnisapparat ja gar nicht erst einzuschalten, sondern könnte die Zeit weit sinnvoller nutzen und sich stattdessen lieber die Zehnägel knipsen, seine längst überfällige Steuererklärung ausfüllen, einen Kessel Buntes waschen oder endlich mal wieder ein gutes Buch oder zumindest eine grandios formulierte Glosse lesen. Ein Film - von den leider überaus zahlreichen Ausnahmen mal abgesehen - ist ja gewissermaßen genauso wie ein perfekt gebratenes Rinderfilet ebenfalls ein kleines Kunstwerk. Normalerweise geschrieben von einem fähigen Drehbuchautor, fachmännisch in Szene gesetzt von einem mehrfach preisgekrönten Regisseur und gespielt von gelernten oder zumindest einigermaßen talentierten Schauspielern und Schauspielerinnen. Das Ganze hat den Sinn, einen Zuschauer (oder eine Zuschauerin, ganz klar, Sie wissen schon) an einer Handlung teilhaben zu lassen, die große Gefühle weckt, Spannung, Unterhaltung, Humor und Erbauung verbreitet und im günstigsten Fall sogar Wissen und Bil dung vermittelt, welchletztere dann wiederum der Erweiterung der eigenen Weltsicht und der Entwicklung der Persönlichkeit dienlich sind. Was ich mit diesen meinen wohlgesetzten Worten sagen will, ist, daß das Unterschichtenfernsehen unsere cineastischen Kunstwerke zu reinen Lockvögeln degradiert, deren einziger Zweck es ist, Menschen allabendlich in die deutsche Volksverblödungsfernsehwerbesenderfalle tappen zu lassen, bei der diese Kunstwerke an den spannendsten Stellen in kleine Stücke zerhackt sind, ihre normalerweise neunzig Minuten auf zweieinhalb Stunden auseinandergezogen und die so entstandenen Lücken mit übelstem Werbeschwachsinn auf unterstem Hauptschulniveau geschlossen werden. Und, wie gesagt, Seite 13 von 63 © 2007 by Heinz Boente ich spreche hier nur von richtigen Spielfilmen, den sonstigen medialen Sondermüll, der meinem Volk von diesen televisonellen Zentralorganen der Werbeindustrie sonst noch präsentiert wird, lasse ich hier vollkommen unerwähnt, weil die vielen häßlichen Begriffe, die ich dann verwenden müßte, nicht mit meiner guten Kinderstube zu vereinbaren sind. Wissen Sie, wie ich dieses grausliche Filmezerhacken nenne? Das nenne ich nicht nur eine Frechheit und ein Ärgernis, sondern eine gezielte Volksverdummerei allererster Güte, denn zuviel Werbung macht blöde im Kopf, das ist erwiesen, man braucht sich ja bloß heutigentags mal umzuschauen in meinem geliebten Vaterland! Warum wohl nannte man uns früher das Volk der Dichter und Denker? Ganz einfach: weil es damals, als wir alle noch dichteten und dachten, keine Fernsehwerbung, ja, nicht einmal Privatsender gab. Aber wissen Sie auch, was mich dabei am allermeisten wundert? Daß darauf angesprochen - viele meiner Mitmenschen zwar bei meinen beiden eingangs aufgeführten Beispielen entrüstet zusammenzucken, sie aber komischerweise genau dasselbe beim Anschauen eines Fernsehfilms Abend für Abend klaglos hinnehmen. Schlimmer noch, meist verteidigen sie diese Vergewaltigung durch den haarsträubenden Werbequatsch gar und finden mannigfache Entschuldigun gen, ja sogar Erklärungen dafür: "Das stört mich nicht, ich guck' da gar nicht hin..." Ach, wirklich? "Die sind doch ganz praktisch, diese Werbepausen..." Ja, tatsächlich, sie sagen 'Pause' dazu, herrlich! "...dann kann ich mir ein frisches Bier aus dem Kühlschrank holen ohne was Wichtiges zu verpassen..." Ah ja! "...dann kann ich zwischendurch mal in Ruhe pinkeln gehen und auf dem Rückweg gleich neue Salzstangen mitbringen..." Aha, so ist das! "...dann kann ich schnell noch zweihundert weitere Kommastellen der Kreiszahl Pi ausrechnen..." Hört, hört, diese Dumpfbacken, die intellektuellen! Übrigens nennt man diesen Filmunterbrechungsmist ja auch gerne Werbespots. Spot ist englisch und heißt bekanntlich Fleck. Was ich also in unserer privaten Medienlandschaft sehr schmerzlich vermisse, ist ein wirksamer Fleckentferner, aber darauf werde ich dank unserer extrem freien Marktwirtschaft wohl noch lange warten können, fürchte ich. Und ich versteh's auch nicht. Wirklich nicht. We der beim Essen noch beim Schmusen läßt sich das Volk gerne durch aufdringliche Kellner oder lebensgefühlvermittelnwollende Jungmenschen unterbrechen, aber beim Anschauen eines Fernsehfilms hält das Volk das mittlerweile für ganz normal. Was soll ich bloß davon halten? Am besten wohl nix, denn ich lasse mir das jedenfalls nicht gefallen. Und Sie wissen jetzt, warum ich als in jeder Beziehung sinnlich veranlagter Mensch die deutschen Dummsender mit totaler Nichtbeachtung durch konsequente Überzappung strafe und nie, nochmal ganz deutlich, damit Sie's mir auch wirklich glauben: nie-nie-niemals Filme bei denen gucke, sondern, seit ich in grauer Vorzeit das Fernsehen gelernt habe, meine öffentlich-rechtlichen GEZ-Gebühren mit Freuden zahle, weil ich das für ausnahmsweise mal wirklich sinnvoll ausgegebenes Geld ansehe. Möglicherweise wundern Sie sich jetzt am Schluß der Glosse ein wenig und fragen sich deshalb durchaus berechtigt: "Woher weiß der das denn eigentlich, das mit den Werbeunterbrechungen bei Spielfilmen und das mit dem medialen Sondermüll in den Privatsendern, wenn er vorgibt, die nie-nieniemals zu gucken?" Eine sehr gute Frage! Aber das verrate ich Ihnen natürlich nicht, denn eins ist ja wohl klar, ich werde doch meine Informanten nicht durch die öffentliche Preisgabe ihrer Namen bloßstellen. Soweit kommt es noch! Und die Werbespots aus meinen beiden Beispielen entspringen natürlich nur meiner blühenden Phantasie. Und überhaupt, eigentlich hätte ich dies alles gar nicht zu schreiben brauchen, denn ich vermute zwar stark, daß Sie, liebe Glossenleser, genau wie ich nicht zu denjenigen gehören, die sich täglich aufs Neue von der allgegenwärtigen Werbewirtschaft und deren willige Übermittlungs- und Vollstrekkungsbeauftragten, unsere privaten Verblödungsreklamefernsehsender, in die Filmzerhackmaschinerie locken lassen, aber ich kann mir nunmal mein elitäres Denken gepaart mit meinem angeborenen Sendungsbewußtsein nicht mehr abgewöhnen, dazu ist es in meinem Alter leider zu spät. Fahrradhasser (16. März 2007) Wissen Sie eigentlich, was mich schon seit Jahren aufregt, liebe Glossenleser? Die verdammten Radfahrer, und zwar bis zur Weißglut! Denn gerade jetzt im Frühjahr geht es wieder los. Noch hält es sich ja glücklicherweise in Grenzen, aber demnächst sind sie wieder zu Dutzenden, ja, man kann fast sagen zu Hunderten, wenn nicht gar zu Millionen in den Innenstädten und auf den Landstraßen mei nes geliebten Vaterlandes unterwegs, diese zweirädrigen Straßenplager, diese Armada aus buntgescheckten Stramplern in stromlinierten Designer-Wurstpellen, über und über mit Reklamelogos vollgepappt, für die diese Deppen nicht mal Geld kriegen, diese... diese... ach, ich weiß auch nicht. Seite 14 von 63 © 2007 by Heinz Boente Halt, halt, bevor Sie mir jetzt in Gedanken voller Empörung Ihre Luftpumpe auf die Schädeldecke schmettern, sogar ich weiß es: ein Fahrrad ist das allerumweltfreundlichste Verkehrsmittel, das sich überhaupt denken läßt (jedenfalls im Hinblick auf die Menge der Treibhausgasausstoßung), und Karl Freiherr von Drais (1785 - 1851) hat schon sehr recht daran getan, es anno 1817 erfunden zu haben. Aber was daraus knapp 200 Jahre später mal werden würde, nein, das kann der Freiherr nicht wirklich ernsthaft gewollt haben. Ich ärgere mich ja auch nicht über die braven umweltbewußten Familienväter oder -mütter mit dem überdachten Anhänger für das Kleinchen hinter ihrem soliden, kohlendioxidfreien Dreigangrad, die ordentlich im Schritttempo auf dem Radweg zum Brötchenholen fahren, Gott bewahre, nein. Ich meine diese strammwadigen Rennvelozipedisten mit ihren bunt-metallic-glänzenden Kopfschützern, deren beknacktes Aussehen nicht mal von den Stahlhelmen der ehemaligen nationalen Volksarmee überboten werden kann. Ich meine diese verkappten Sechstagerenner, denen allesamt ein ganz entscheidendes Hirnteil fehlt: nämlich das, welches die Evolution extra zum Speichern, Abrufen und Befolgen von Verkehrsregeln vorgesehen hat. So brettern diese dämlichen Strampelheinis munter gegen sämtliche Fahrtrichtungen aller Einbahnstraßen, wenn sie nicht gerade abartig langsam, verkehrsflußhemmend, stauerzeugend und womöglich in Zweiergrüppchen nebeneinander auf der Straße entlangschleichen, obwohl direkt daneben für teu res Geld ein Radweg angelegt wurde. Nicht genug damit, sie ignorieren geflissentlich die extra für sie aufgestellten Ampeln, wuseln sich stattdessen in städtischen Parkanlagen, auf den Gehwegen und in den Fußgängerzonen rücksichtslos durch total verschreckte Passantengruppen, reißen dabei unschul dige Kinder zu Boden und befördern gebrechliche alte Menschen in den vorzeitigen Tod, fahren harmlose Hunde platt, machen hoffnungsvolle Jugendliche zu lebenslangen Krüppeln und rempeln brave Hausfrauen an, die daraufhin vor Schreck ihre Einkaufstüte mit den Bio-Eiern fallen lassen müssen und dadurch erhebliche finanzielle Einbußen haben. Flegelhaft, einfach flegelhaft! Und was tun die eigentlich verantwortlichen Stadtverwaltungen dagegen? Nix! Gar nix! Statt diesem ruch-, ja, gottlosen Treiben endlich Einhalt zu gebieten, sowie einen diesmal wirklich vernünftigen Bürgerschutz zu etablieren und damit so ganz nebenbei die lukrativste aller innerstädtischen Geldquellen gehörig anzuzapfen, hetzen sie ihre Politessen auf harmlose, lediglich die Parkzeit geringfügig überschreitende Autofahrer, die ja sowieso nur deswegen in die City gekommen sind, um den lokalen Einzelhandel nach besten Kräften zu unterstützen bzw. ins Kino oder in die Eisdiele zu gehen. Kein Wunder, daß die deutsche Binnenwirtschaft immer noch nicht so recht in Schwung kommen will. Es liegt nur an diesen völlig straffrei ausgehenden Rennradterroristen mit ihren titanverschraubten, natürlich bei Dunkelheit auch noch vollkommen beleuchtungsfreien Ultraleichträdern, für die sie im Einzelfall mehr Geld ausgegeben haben, als ein halbes Dutzend Hartz-IV-Empfänger selbst bei gutem Willen im Monat verbrauchen kann. Wenn sie sich schon nicht selber darum kümmern, so könnten die Stadtverwaltungsignoranten oder das Innenministerium doch wenigstens mir die nötige Vollmacht erteilen, bei jedem einzelnen dieser Möchtegern-Tour-de-Franzeln für jedes ihrer üblen Vergehen ein Ordnungsgeld von, sagen wir, je nach Schwere zwischen fünf und zehn Euro zu kassieren. Ich hab' ja Zeit und würd's auch machen. Im Nu hätte ich bei einer sehr geringen Gewinnbeteiligung von schlappen fünf Prozent die Haushaltsdefi zite sämtlicher deutscher Großstädte ausgeglichen und könnte sogar die nächstjährigen Nettokreditaufnahmen der Kommunen um Milliardenbeträge vermindern. Jawohl. Aber leider hat man mir trotz mehrfacher Anfragen diese Vollmacht behördlicherseits bisher verweigert. Deswegen mußte ich mir natürlich was anderes einfallen lassen, um dieser alljährlichen Rennradpest Herr zu werden, und das, clever wie ich bin, habe ich auch. Meine jüngste Erfindung bringt zwar den Stadtkämmerern nicht die allergeringste Bußgeldeinnahme - Pech für sie, Chance verpaßt -, aber dafür jedem Bürger, der ähnlich tiefe Haßgefühle gegenüber diesen Zweiradrüpeln hegt wie ich, einen Heidenspaß. Und mir persönlich hoffentlich einen ergiebigen Nebenverdienst. Bisher habe ich zwar nur einen Prototyp für den persönlichen Bedarf und zu Testzwecken produziert, aber auch Bill Gates hat ja bekanntlich damals ganz klein in seiner Garage begonnen, bevor er an die Börse ging. Vielleicht darf also auch ich demnächst noch mehr für mein geliebtes Vaterland tun und muß bei entsprechender Nachfrage sogar noch einige sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen. Mal sehen, wie das Geschäft so anläuft. Probieren Sie meine Erfindung doch auch mal aus, liebe Glossenleser, und bestellen Sie jetzt schon unter der Artikelnummer AFZV-2007 meine praktische "Absteigehilfe für zweirädrige Verkehrsrowdys", bestehend aus einer zirka 85 Zentimeter langen, hochglanzverchromten robusten MetallstanSeite 15 von 63 © 2007 by Heinz Boente ge mit nur 18 Millimetern Durchmesser und angstschweißabsorbierendem Kunststoffhandgriff (wahlweise erhältlich in dunkelanthrazit, blutrot und lenzgrün). Dank einer ausgeklügelten stahlfedergesteuerten Teleskopkonstruktion kann sie beim Einkaufsbummel ganz bequem in der Hosen- oder Handtasche mitgeführt und kurz vor Einsatz mit einem leichten Knopfdruck in Sekundenbruchteilen von ihren nur 11,5 Zentimetern Ruhezustand auf ihre volle Be triebslänge ausgefahren werden. Sie wird dann bedarfsweise einem eventuellen vorschriftswidrig vorbeipöbelnden Radfahrer mit einer schnellen Stoßbewegung zwischen die Speichen des Vorderrades geschoben und veranlaßt dadurch das augenblickliche ruckartige Stoppen seines Gefährts, woraufhin die dem Fahrer noch innewohnende kinetische Energie denselben nach kurzem ballistischen Flug über den Lenker derartig herzhaft auf den Boden klatschen läßt, daß er sich nicht nur für einige schmerzhafte Augenblicke wünscht, niemals radfahren gelernt zu haben, sondern zusätzlich seine dämliche Designer-Wurstpelle an einigen entscheidenden Stellen irreparabel zerfetzt. Mit etwas Übung wird es Ihnen, liebe Glossenleser und Fahrradhasser, sicher sogar alsbald gelingen, das teure Rad selber durch geschicktes Hinfallenlassen in einen gepflegten Totalschaden umzuwandeln, der hoffentlich finanziell nicht ganz so schnell kompensiert werden kann. Bis der immer noch verdutzt am Boden liegende Rennraddepp überhaupt gemerkt hat, was ihm da Seltsames widerfahren ist, haben Sie Ihre kleine praktische Absteigehilfe dann längst wieder zusammengeschoben und in Ihrer Hosen- oder Handtasche verschwinden lassen. Der überaus dämliche Gesichtsausdruck des solchermaßen absteigengelassenen Lümmels sowie der tosende Beifalljubel der Sie umgebenden Mitbürger wird Sie im Laufe der bevorstehenden Fahrradsaison über die kleine Investition von 69,95 Euro (inkl. ges. MwSt.) mehr als hinwegtrösten. Das verspreche ich Ihnen. Seite 16 von 63 © 2007 by Heinz Boente Politik und Zeitgeschehen Berliner (Ge-) Rede (8. Oktober 2007) Au weia, au weia! Da hat er sich aber mal wieder was zusammengeschwatzt unser Bundespräsident Dings... wie heißt er noch? ...nicht Kohl, das ist klar, der ist ja mittlerweile glücklicherweise einigermaßen weg vom Fenster. Nein, ich meine den Komparativ, genau, Köhler. Seine letzte sogenannte Berliner Rede hat er jedenfalls am 1. Oktober 2007 mutig unter's Volk salbadert, und ich weiß jetzt gar nicht, liebe Glossenleser, ob Sie sie gehört haben, diese Rede. Falls nicht, haben Sie nichts verpaßt, und falls doch, eigentlich auch nicht. Ich meine, es wird ja grundsätzlich gern und viel und vor allem öffentlich gelabert in der Politik, über dieses und jenes, und es gehört bekanntlich zum Wesen der politischen Rede als solche, daß sie a) für den Normalmenschen nicht verständlich ist, b) dieses auch gar nicht sein darf und c) es auch überhaupt nicht will. Die hehre Kunst des nichtssagenden, aber bedeutend klingenden Geschwafels wird wohl seit Äonen - von uns Sterblichen meist unbemerkt - um Mitternacht bei Vollmond auf einer einsamen Waldlichtung von Vorgängerpolitikermund zu Nachfolgerpolitikerohr weitergegeben, genau weiß ich das zwar nicht, aber die meisten rhetorischen Ergebnisse unserer unbegnadeten Redner lassen es mich stark vermuten. Eigentlich hätte ich es mir also leicht machen und den ganzen Text der Dings... der Köhlerschen Rede einfach, klick, hier einfügen können und fertig wäre die Glosse gewesen, aber nein, das wollte ich dann doch nicht. Manchmal kann ich mich nämlich des Eindrucks nicht ganz erwehren, daß besonders ihm, dem Dings... dem Köhler der Besuch eines Konkretisierungslehrgangs ganz gut tun würde. Mal davon abgesehen, daß für seine Zuhörer erschwerend hinzukommt, daß unser Dings... Köhler nicht gerade zu den mitreißendsten Sprechern meines geliebten Vaterlandes gehört (da hat es früher mal ganz andere gegeben). Doch genug der einleitenden Worte. Worum ging's diesmal in seiner Berliner Rede? Nachdem der Dings... der Köhler vor einem Jahr das deutsche Bildungsdefizit bejammerte und damit auch nichts Nennenswertes bewirkt hat, hat er sich heuer die Globalisierung vorgenommen. Wahrlich ein heißes Thema, das uns ja alle irgendwie angeht, denn wie sagt er selber, der Dings... der Köhler? Wir Deutsche brauchen in Sachen Globalisierung mehr Klarheit, um selbstbestimmt leben zu können. Genau, eine glasklare Klarheit in Sachen Globalisierung brauchen wir Deutsche endlich. Ohne Klarheit kein selbstbestimmtes Leben, das ist klar, und deshalb fährt er ja auch klarheitschaffend fort. Wir alle erfahren und erleben täglich, wie sich weltweit die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebensbereiche immer tiefer berühren und durchdringen. Doch was genau die Ursachen und die Folgen der Globalisierung sind und wie sie zu bewerten ist, darüber gehen bei uns die Ansichten weit auseinander. Stimmt, da kann man ja bei uns auch durchaus unterschiedliche Ansichten haben. Die Folge für die einen ist ein dickes Bankkonto und bei den anderen heißt's halt Hartz IV, je nachdem. Der Dings... der Köhler hat's jedenfalls kapiert. Zumindest weiß er schon mal, was die Globalisierung nicht ist. Die Globalisierung ist weder Naturereignis noch allein Folge des technischen Fortschritts. Ah ja, aber was sonst? Bzw. was wurde denn eigentlich vorhergesagt? Es wurde vorhergesagt, die Globalisierung würde die Entwicklungsländer immer mehr verarmen lassen. Die Not dort würde immer größer werden, die Arbeitsbedingungen immer schlechter, die Ausbeutung immer brutaler. Was? Und sowas glaubt er tatsächlich, der Dings... der Köhler? Das kann doch überhaupt nicht sein, solch eine Brutalität. Wie sieht denn die Bilanz aus? Die Bilanz sieht anders aus. Sag' ich's doch! Und wie sieht sie denn nun wirklich aus? Die Kindersterblichkeit ist in den meisten Entwicklungsländern deutlich zurückgegangen, und die Lebenserwartung dort hat sich um Jahre erhöht. Niemals zuvor hat ein so großer Teil der Weltbevölkerung so große Zuwächse an Lebensstandard genossen wie in den vergangenen zwanzig, dreiSeite 17 von 63 © 2007 by Heinz Boente ßig Jahren. Siehste, so ist das nämlich! Großer Teil, großer Lebensstandard. Und überhaupt, den Plural von Zu wachs gibt es nur in der Wirtschaftsfachsprache, welche der Dings... der Köhler ja aufgrund seines präbundespräsidentiellen Daseins bekanntlich perfekt beherrscht. Quod erat demonstrandum, wie mein alter Lateinlehrer gesagt hätte. Aber, à propos Weltbevölkerung, an dieser Stelle sei dennoch die Frage erlaubt, wie es denn zum Beispiel in China ausschaut? Allein in China haben sich seit 1980 fast eine halbe Milliarde Menschen aus krasser Armut herausgearbeitet. Die Kinderarbeit geht zurück. Der Anteil der Menschen an der Weltbevölkerung, die nicht lesen und schreiben können, ist deutlich gesunken, und Frauen haben einen spürbar besseren Zugang zu Bildung. Na wunderbar! Dann ist ja in China jetzt soweit alles geregelt, wobei ich andererseits nicht recht verstehe, warum die erst 1980 angefangen haben, sich aus ihrer krassen Armut herauszuarbeiten und nicht schon 1979. Aber ich muß ja auch nicht alles verstehen. Hauptsache die Kinderarbeit geht zurück, damit die Kleinchen ein wenig mehr Zeit haben, MacFrühlingsrollen zu essen und vor Computer und Glotze rumzuhängen. Und wenn jetzt sogar Chinesinnen und Frauen einen besseren Zugang zur Bildung haben, einen spürbaren sogar, was will man mehr? Obwohl mit dem Lesen- und Schreibenkönnen steht's ja auch im eigenen Lande nicht zum allerbesten. Doch ich fürchte, da kommt er wohl gleich noch drauf zu sprechen, der Dings... Köhler. Hören wir zunächst, was er zu den Menschenrechten feststellt. Kein Staat kann mehr die Menschenrechte ignorieren, auch wenn sie leider längst nicht überall verwirklicht sind. Schwerste Menschenrechtsverletzungen werden zunehmend von internationalen Gerichten geahndet. Ach, wirklich? Na gut, glauben wir's mal. Aber wie sieht's denn mit dem Gelde aus? Zum Beispiel mit den Einkommen in Afrika? Ganz Afrika mit seinen rund eine Milliarde Menschen zum Beispiel steht nicht mehr Einkommen zur Verfügung als den etwa 20 Millionen Einwohnern von Bayern und Niedersachsen. Also komm, so schlimm kann das doch gar nicht sein. Ich bin ziemlich sicher, daß auch in Bayern und Niedersachsen ein paar Afrikaner leben, somit relativiert sich das mit den Millionen und Milliarden schon mal ein bißchen. Und außerdem sind die Lebenshaltungskosten in Afrika bestimmt viel niedriger als in den beiden genannten Bundesländern. Ich würde beispielsweise keine neunhundertfünfzig Euro Kaltmiete für eine schlichte Lehmhütte ohne Doppelfenster zahlen. Und wer sowieso kein elektrisches Licht hat, dem können auch die Strompreiserhöhungen egal sein. Und der Anstieg der Milchpreise interessiert die Afrikaner doch auch nicht, weil die da alle diese Allergie haben, ich weiß jetzt zwar auch nicht so genau, was das für eine Allergie ist, aber jedenfalls haben die die (wenigstens die in Allergerien - kleiner Scherz, muß ja auch mal sein). Aber woher kommt das bloß? Diese Armut und Schwäche hat vor allem zwei Ursachen: unzureichende Teilhabe an der Globalisierung - meist mangels Wirtschaftskraft und mangels guter Regierungsführung - und Benachteiligung durch Staaten und private Akteure, die ihre eigenen Interessen ohne jede Rücksicht verfolgen. Aha, aber ich weiß auch nicht, irgendwie kommt mir das schon auch recht bekannt vor, sogar hier bei uns im zivilisierten Westen. Also fordere ich hiermit die totale Globalisierung für alle. Weg mit der Beteiligung! Weg mit der Regierungsführung! Weg mit der Rücksicht! Oder, halt, nein, umgekehrt! Das ist die hässliche Seite der Globalisierung, die Rücksichtslosigkeit des Stärkeren, und leider ist daran auch Europa beteiligt. Auch das noch! Europa, wer hätte das gedacht? So stark und doch so rücksichtslos. Pfui! Aber selbst die allerschönste Globalisierung hat halt immer auch eine häßliche Seite. Mindestens eine! Die Entwicklungsaufgabe für unseren Planeten potenziert sich noch durch das Wachstum der Weltbevölkerung von derzeit sechseinhalb Milliarden Menschen auf wahrscheinlich mehr als neun Milliarden im Jahr 2050. Alle diese Menschen haben Anspruch auf Nahrung, sauberes Wasser, Bildung und menschenwürdige Lebensperspektiven. Tja, so ist das nun mal mit der unkontrollierten Humanvermehrung. Ob das auch unsere deutsche Gebärmutter, Dr. Ursula von der Leyen, weiß, die nach immer noch mehr Kindern brüllt? Doch Globalisierung hin, Globalisierung her. Da gibt's doch noch ganz andere Probleme auf unserem schönen blauSeite 18 von 63 © 2007 by Heinz Boente en Planeten. Was ist beispielsweise mit jemandem, der das Klima belastet? Wer das Klima belastet, schädigt die Lebensgrundlagen der Menschheit... Genau. ...und wird erleben, dass die Mehrheit sich das auf Dauer nicht gefallen lässt. Ha, wetten, daß doch? Der Mehrheit ist das Klima sowas von egal. Ok, wenn der Sommer verregnet ist, dann schon. Aber doch nicht, wenn's beispielsweise um Geschwindigkeitsbegrenzungen auf deutschen Autobahnen zwecks die Verminderung des Kohlendioxidausstoßes geht, da versteht die Mehrheit keinen Spaß mehr. Und auf Minderheiten hat bekanntlich noch nie jemand so richtig gehört, es sei denn, diese Minderheiten verfügten über die besseren Waffen, aber das gehört jetzt nicht hier her. Oder doch? Hören wir einfach weiter zu. Wer die Menschenrechte mit Füßen tritt, andere Staaten angreift... Na bitte! Sag' ich's doch. Fußtritte gehören sich ja auch nicht. Außer beim Fußball. ...verliert Macht und Ansehen. Wer innerstaatlich Minderheiten drangsaliert, wird international unglaubwürdig und wer andere ausbeutet, in die Enge treibt oder betrügt, bringt alle gegen sich auf. Ja, das stimmt natürlich. Nehmen wir beispielsweise... ja, was wäre da jetzt ein gutes Beispiel? Nein, nein, auf gar keinen Fall die USA. Auf die trifft das ja alles überhaupt nicht zu. Wen kann der Dings... der Köhler da bloß gemeint haben? Es ist wirklich viel vernünftiger, freundlich zu sein. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: "Die kürzeste Entfernung zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln." Alles klar, ein treffliches Sprichwort hatten wir ja bisher noch nicht. Da haben wir's. Lächeln wir die Neger also ab sofort nur noch an, das spart eine Menge monolaterales Entwicklungshilfegeld und bilaterale Reisekosten. Seien wir also vernünftig und freundlich! Natürlich werden nicht alle Menschen Brüder... Das fehlte auch gerade noch, ein paar Schwestern wären doch auch nicht so schlecht, finde ich. ...aber die Nationen der Welt sind mehr als nur eine Wirtschaftsgemeinschaft: Sie sind zur Schicksalsgemeinschaft geworden und müssen darum endlich auch zur Verantwortungsgemeinschaft und zur Lerngemeinschaft werden. Nur dann bleibt die Erde ein wohnlicher Stern. Mal davon abgesehen, daß die Erde astronomisch gesehen ein Planet ist und kein Stern, doch schon ok, ich will mal nicht so kleinlich sein, es kann sich ja nicht jeder im Universum auskennen und das steht sicher auch nicht in der Arbeitsplatzbeschreibung eines Bundespräsidenten. Aber damit hat er diesmal wirklich recht, der Dings... der Köhler. 'Veranwortungsgemeinschaft' und 'Lerngemeinschaft' sind Wörter, die sogar mir einigermaßen gut gefallen. Jetzt geht's nur noch um die winzige Kleinigkeit, diese zwar schönen, aber bisher noch äußerst leeren Begriffe auch mit Leben zu erfüllen. Selbst im besten Falle wird nicht der Ewige Friede anbrechen. Ja, nee, ist klar. Dem stehen ja auch die internationale Waffenlobby und die starren Dogmen der großen Weltreligionen entgegen, und wer will sich's schon mit denen verderben. Die gegenseitige Erziehung zur Freundlichkeit braucht Zeit, und den Widerstreit legitimer Interessen gibt es immer. Aha, ja dann. Aber nun habe ich wohl irgendwie den Faden verloren. Ich meine, daß gegenseitige Er ziehung ihre Zeit braucht, ist ja klar, das weiß jeder, der verheiratet ist. Was allerdings Freundlichkeit mit dem Widerstreit legitimer Interessen zu tun hat, verstehe ich nicht, aber ich bin ja auch kein Bundespräsident. Wie sehr die Menschheit Zusammenarbeit braucht, das zeigt auch der Klimawandel. Er bedroht alle, und selbst wer von Wüstenbildungen, Sturmfluten und Wirbelstürmen auf seinem Fleckchen Erde verschont bliebe, würde den Ansturm der Opfer erleben. Ach ja, der leidige Klimawandel. Den hatten wir zwar andeutungsweise schon, aber in der üblichen abgeschwächten Form. Jetzt holt der Dings... der Köhler endlich die richtig dicken Hämmer aus dem Ärmel, Wüsten, Sturmfluten, Wirbel- und Opferanstürme. Da wird doch jeder Zuhörer im Auditorium Seite 19 von 63 © 2007 by Heinz Boente vor Schrecken gleich ruckartig wieder hellwach. Deswegen ist jetzt auch ein guter Zeitpunkt, mal kurz die Einkommensverteilung anzusprechen. Die Ungleichheit der Einkommensverteilung in Deutschland hat zugenommen - nicht zuletzt, weil die Einkünfte aus Kapitalerträgen viel stärker gestiegen sind als die Arbeitslöhne. Die Erwerbsbiographien sind unsicherer geworden und verlaufen weniger stetig. Also jetzt mal ganz ehrlich, das Wort 'Erwerbsbiographie' finde ich gut. Trotz aller Unsicherheit und verminderter Stetigkeit. Besagt es doch... ja, was besagt es eigentlich? Ist aber auch egal, Hauptsache ist ja die Zunahme der Ungleichheit durch stärkeren Anstieg der Kapitaleinkunftserträge als... ups, jetzt verstehe ich das selber nicht mehr. Ich glaube, was der Dings... der Köhler uns sagen will, ist, daß er es ein bißchen Scheiße findet, wenn die Bonzen die ganze dicke Kohle absahnen und die Lokomotivführer bzw. alle anderen Menschen, die die eigentliche Maloche machen, traurig in die Röhre gucken müssen. Oder so ähnlich. Stimmt. Für diese grandiose Erkenntnis dürfte er sich meinetwegen sogar selber das Bundesverdienstkreuz umhängen, der Dings... der Köhler. Aber was ist denn nun die wichtigste Voraussetzung, um das zu ändern? Bildung ist die wichtigste Voraussetzung für gesellschaftliche Gerechtigkeit und soziale Mobilität. Endlich sagt's mal einer, soziale Mobilität durch Bildung und Voraussetzung für eine gerechte Gesellschaftlichkeit, bzw. mobile Gerechtigkeit durch gesellschaftliche Bildung als Voraussetzung, oder aber umgekehrt. Gebildete werden halt gerechter behandelt als die Doofen. Ach, ich weiß es doch auch nicht! Hauptsache der Dings... der Köhler sagt es endlich mal in dieser seiner deutlichen Substantivität. Ich bin der Ansicht: Vollbeschäftigung in Deutschland ist möglich. Arbeiten wir mit aller Kraft daran, dieses Ziel zu erreichen. Klar ist die möglich, die Vollbeschäftigung. Diese seine eigene Ansicht sollten wir dem Dings... Köhler schon zugestehen. Ich weiß allerdings auch nicht, warum alle Regierungen bisher noch nicht mit aller Kraft daran gearbeitet, sondern immer nur mit aller Kraft darüber gejammert haben. Dabei gibt es Arbeit genug im Lande, beispielsweise als bundespräsidentieller Redenschreiber. Auf diesem vermutlich gar nicht mal so schlecht dotierten Posten fehlen offensichtlich immer ein paar gute Leute (schade eigentlich, daß ich selber so verdammt wenig Zeit habe). Hinzu kommt ja noch, daß - wie ich irgendwann schon mal sagte - in dieser Hinsicht einfach nicht genug getan wird. Wie? Das klingt zu einfach? Na gut, was konstatieren denn die Wissenschaftler in diesem Zusammenhang? Wissenschaftler konstatieren: "Was geschieht, bleibt meist hinter dem zurück, was zukunftspolitisch dringlich wäre. Erforderlich wären verstärkte Anstrengungen zur Koordination, Erarbeitung und Durchsetzung von Prioritäten, die produktivere Lösungen ermöglichen. Erforderlich wäre eine entschiedenere Verschiebung der Prioritäten von der Gegenwart in die Zukunft". Das leuchtet ein. Wissenschaftler wirken immer. Wer anders sollte auch darauf kommen, daß noch produktivere Lösungen nur durch Koordination, Erarbeitung und Prioritätsdurchsetzung erreicht wer den können? Vor allen Dingen durch verstärkte Anstrengungen. Und natürlich dadurch, daß die Prio ritäten noch entschiedener von der Gegenwart in die Zukunft verschoben werden müssen. Anders kann's ja auch gar nicht funktionieren. Wem an Deutschland etwas liegt, dem kann dieser Befund nicht gleichgültig sein. Und er zeigt, nicht die Welt ist schuld an unseren Schwächen - wir stehen uns oft selber im Weg! Hört, hört! Da haben wir's, die eigentlich Schuldigen sind mal wieder wir, weil wir uns oft selber im Weg rumstehen. Nicht immer, aber doch oft. Überhaupt, lernen und wissen, denn wer nichts weiß, muss alles glauben. Sodann, neugierig sein, Chancen erkunden, sich etwas zutrauen, sich tummeln auf dem wachsenden Markt der Möglichkeiten, auf dem es ja doch viel Gutes zu entdecken gibt. Sich mit unserer globalisierten Welt, dem Leben und den Ideen der Menschen in anderen Ländern auseinandersetzen. Sagte ich's doch, er kommt noch auf Lernen und Wissen zu sprechen. In der Tat, immer nur glauben bringt's wirklich nicht! Ein bißchen tummeln auf dem Markt muß schon auch mit dabei sein. Ogottogottogott, jetzt gleitet er aber arg ins Pastorale ab, unser Dings... unser Köhler. Kommt's noch dicker? Das Unbezahlbare pflegen, Familie, Freundschaften und gute Nachbarschaft. Die eigenen Grenzen erkunden und erweitern - durch Sport, geistige Anstrengung, persönliche Weiterbildung... Seite 20 von 63 © 2007 by Heinz Boente Jau. Wirklich, schöner hätte selbst ich es nicht ausdrücken können. Familie, Nachbarschaft - wunderbar! Und der Sport fehlte ja bisher noch, die geistige Anstrengung auch (was man jetzt durchaus dop pelsinnig verstehen kann). Und das Unbezahlbare sollten wir wirklich pflegen, wie wahr, wie wahr. Das Bezahlbare ist ja meist ungepflegt genug und soll es meinetwegen auch ruhig bleiben. ...Haltepunkte und Ankerplätze suchen... Haltepunkte, Ankerplätze, Wahnsinn! Da muß man erstmal drauf kommen. Dank, Dank und nochmals Dank! Fehlt eigentlich nur noch die Startrampe in eine bessere Zukunft des Universums. Aber was sollen wir armen verwirrten Volksgenossen denn nun wirklich? Lernen und arbeiten? Oder halten und ankern? Und wenn ja, wo denn zum Beispiel? ...zum Beispiel im Erleben von Natur oder in der Beschäftigung mit Kunst, Musik und Literatur. Ich sag's ja immer, ein bißchen mehr künsteln, ein bißchen mehr musizieren und gelegentlich auch lesen, das ist es doch überhaupt! Damit lassen sich die meisten Probleme der Globalisierung locker lösen. Deshalb ruht meine persönliche Hoffnung ja auch fest auf der Jugend dieser Welt, die mit ihren Spraydosen unsere häßlichen Hauswände höchst künstlerisch schmückt, einmal im Jahr an zwerchfellerschütternden, sehr entfernt an Musik erinnernden Love-Paraden teilnimmt und jeden Tag aufmerksam Bild und Bravo liest, sofern sie überhaupt noch lesen kann, versteht sich. Und immer aufs Neue: zuversichtlich handeln, um die Dinge jeden Tag ein wenig zu verbessern. Denn die Globalisierung, das ist einfach das Leben, das gestaltet sein will, durch nüchternes Tagwerk und schöpferische Phantasie, durch fortwährende Anstrengung und fröhliche Begeisterung. Jawohl, Globalisierung ist einfach das Leben! Endlich, jetzt ist's heraus. Herrgottnochmal, das hätte uns der Dings... der Köhler aber auch schon etwas früher sagen können. Dann hätte er sich das ganze Geblubber eines Bundespräsidenten sparen können, der seine Landsleute glauben machen will, daß er einigermaßen durchblickt. Ich glaube allerdings, daß er tatsächlich selber glaubt, was er da verbal verzapft hat. Und ich glaube auch, daß er selber glaubt, etwas Konkretes gesagt zu haben, denn jetzt kommt noch der Schlußhammer, die Dings... die Köhlersche Klimax, sozusagen. Lauschen wir ihr mit fröhlicher Begeisterung. Das alles macht uns aus, und es kann die Welt zum Besseren verwandeln. Nehmen wir die Aufgabe an! Ja, das alles macht uns aus - wenn auch nicht besonders an, dieses... wie war das eben noch? Dieses nüchterne Tagwerk, richtig. Die schöpferische Phantasie allerdings schon. Nehmen wir sie also an, die Aufgabe, denn diese Art 'Aufgabe' hat mit 'aufgeben' nichts zu tun, auch wenn's auf den ersten Blick so scheint. Schließlich versteckt sich ja nicht nur in dem Dings... dem Köhler, sondern in jedem einzelnen von uns ein kleiner Weltverbesserer. Locken wir ihn endlich heraus und fragen uns zum Schluß nur noch, wieviel Klarheit der Dings... der Köhler in Sachen Globalisierung wohl im Volke geschaffen hat mit seiner Rede. Unterm Strich vermutlich nicht besonders viel, obwohl sie uns alle doch eigentlich gründlich aufgeklärt haben sollte. Ich meine, sie wäre schon eine ganz herausragende geworden, wenn sie inhaltlich das gebracht hätte, was man rhetorisch und teilweise auch stilistisch so schmerzlich vermissen mußte. Somit hätte der Dings... der Köhler doch gleich seinen Mund halten können. Denn wo bleibt er nur, der vielzitierte Roman Herzog'sche Ruck, der eigentlich schon vor längerer Zeit durch mein geliebtes Vaterland hätte gehen sollen? Offenbar ist er dem Dings... dem Köhler auch diesmal wieder im Halse steckengeblieben. Oder irgendwo anders. Aber dummerweise weiß niemand genau wo. Unbequem wollte er sein, unser Bundespräsident Dings... Köhler. Ja das ist er wahrlich, irgendwie unbequem. Bewiesen hat er's gerade wieder mit dieser seiner glorreichen Berliner Rede, denn jeden, der ihr aufmerksam gelauscht hat, hat bestimmt das unbequeme Gefühl beschlichen, das sich bei denkenden Menschen immer dann einstellt, wenn jemand mit gewaltigem Brimborium größere Mengen lauwarme Luft um die Ecke schaufelt. Mir erging's jedenfalls so. Aber egal, liebe Glossenleser, so lasset uns denn, als Folge von und in Anlehnung an die Berliner Re de des Herrn Dings... Köhler endlich damit beginnen, aus der Lethargie zu erwachen, die Paradigmen zu wechseln, den Optimismus zu verbreiten, das Vertrauen zu haben, die Chancen zu erkunden und den Aufschwung zu wagen. Und wenn das getan ist, brauchen wir dann nur noch die Prioritäten zu setzen, die Voraussetzungen zu schaffen, die Ressourcen zu erschließen, die Risiken zu minimieren, die Möglichkeiten zu nutzen, die Maßnahmen zu ergreifen und die Ziele zu verfolgen. Und schon sollte auch die Globalisierung alsbald ihren Schrecken verloren haben. Für uns alle und für eine bes Seite 21 von 63 © 2007 by Heinz Boente sere Zukunft. Dem Berliner Gerede des Herrn Dings... Herrn Köhler, sei Dank! Wofür hätten wir ihn auch sonst, unseren Bundespräsidenten, gell? Der bayerische Zerstoiber (28. September 2007) Ein Nachruf (einem scheidenden Ministerpräsidenten hinterhergerufen) Ja, liebe Glossenleser, nun ist es ja wohl amtlich: ein großer Staatsmann tritt ab von der Bühne des bayerischen Weltgeschehens. Ein Mann, um nicht zu sagen: Mannsbild, dessen Wirken und Walten zwar meist innerhalb, aber doch auch gelegentlich weit über die Grenzen seines bajuwarischen Landes hinaus waltete und wirkte. Genau, ich meine Edmund Stoiber, der dessenungeachtet leider niemals meinen AmO-Preis (Arsch mit Ohren) erhalten hat, den ich bekanntermaßen in unregelmäßigen Abständen ohne Ansehen von Rasse, Geschlecht, Parteizugehörigkeit, Nationalität und Religion an Politiker verleihe, die sich durch extrem kurzdenkerischen oder ganz besonders allgemeingefährlichen Schwachsinn hervorgetan haben. Das kann zweierlei bedeuten: entweder hat der Herr Ministerpräsident nichts verlautbart, womit er sich als Preisempfänger im Sinne meiner Kriterien als wirklich würdig erwiesen hätte, oder aber - was viel wahrscheinlicher ist - ich, der mir die Gnade zuteil wurde, als Nichtbayer geboren werden zu dürfen, habe seine wahre Bedeutung sträflicherweise völlig unterschätzt und ihn während seiner ganzen vierzehnjährigen Amtszeit lediglich als einigermaßen harmlosen bajuwarischen Stammler eingestuft. Oder, drittens, beides zusammen. Andererseits - das muß hier auch mal gesagt werden - hätte mein AmO-Preis doch schon auch sehr gut in die erlesene Reihe seiner zahlreichen Auszeichnungen gepaßt, denn hinter dem Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, dem ungarischen Mittelkreuz mit dem Stern des Verdienstordens, dem österreichischen Großen Goldenen Ehrenzeichen am Bande, dem Orden eines Kommandeurs der französischen Ehrenlegion, dem Karl-Valentin-Orden (!) und - nicht zu vergessen - dem Orden wider den tierischen Ernst (!!) braucht mein AmOPreis keineswegs zurückzustehen. Einem anderen, ebenfalls ganz, ganz, ganz großen Staatsmann wie Franz-Josef Strauß, der die lateinische Sprache fast noch besser beherrschte als Ovid und gegen dessen Intrigen Brutus ein rechter Waisenknabe war, hat sich der Stoiber jedenfalls als durchaus würdiger ministerpräsidentieller Nachfolger erwiesen. Was hat er aber auch nicht alles geschafft im Südosten unserer Republik, nachdem er sich als christlich-sozialer Generalsekretär damals zusammen mit Heiner Geißler aus dem Hinterteil von FJS befreit hatte! Nur nebenbei bemerkt: aus dem Geißler ist ja erstaunlicherweise sogar noch ein halbwegs normaler Mensch geworden - fast erschreckend... was wollte ich sagen? Ja richtig, genau, nachdem unser Stoiber von Angela Christiansen... oder war es Sabine Merkel? genau weiß ich das jetzt leider nicht mehr... aus Berlin vertrieben und kurzerhand in die bayerische Landeshauptstadt zurückgeschickt wurde, hat er dort zwar hauptsächlich christlich, gelegentlich aber auch sozial vor sich hin gebrasselt, dabei so ziemlich alle konservativen Werte bewahrt, und - so ganz nebenbei und im Rest der Republik fast unbemerkt - Bayern damit zum sichersten Land in Deutschland gemacht. Jedenfalls laut Kriminalstatistik. Außerdem ist das stoibersche Bildungssystem bekanntlich das beste der ganzen Welt (Bayern liegt ja auch ein bisserl näher an Pisa), das Weißbier ist zum nationalen Volksgetränk geworden, Semmel-n-knödeln werden mittlerweile auch in Hamburg gerne gegessen, und überhaupt. Kurz gesagt: der Freistaat Bayern befindet sich international in der Spitzengruppe. Sowieso. Dank Edmund Stoiber, dem unerschrockenen Problembärentöter und Transrapid-Bauer. Und beinahe hätte ich's vergessen - den FC Bayern München hat er als Verwaltungsbeiratsvorsitzender zu einem gar nicht mal so unerfolgreichen Fußballverein gemacht. Und erst seine sprachlichen Fähigkeiten! Was ist darüber nicht schon alles lobend gesagt worden, so daß ich mich hier auf das Wesentliche beschränken kann. Ich meine, mit bayerischem Dialekt ist man ja eigentlich schon gestraft genug, aber Edmund Stoiber hat bewiesen, daß das sogar noch erheblich steigerungsfähig ist. So ist es ihm immer wieder gelungen, mit der Eloquenz seiner durchaus nachahmlichen Rhetorik stets höchstes Vergnügen zu verbreiten und für allgemeine Erheiterung im Volke zu sorgen. Ein richtiger Sprach-Zerstoiber eben, der locker und flockig auch den einfachsten Satz bis zur vollkommen totalen Unverständlichkeit verähen konnte und kann. Generationen von Kabarettisten war er dadurch stets ein unerschöpflicher Quell köstlicher Parodien und damit ihr sicherer Garant publikumsseitiger Brüller und Schenkelklopfer. Und ich finde, diese Leistung, die noch lange nicht von jedem hergelaufenen Politpromi erbracht worden ist, kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden. So hoffe ich, daß er auch als Nichtministerpräsident fürderhin zur Verähung und Zerstoiberung der Seite 22 von 63 © 2007 by Heinz Boente deutschen Sprache beitragen wird, ganz im Sinne echten Bayerntums und gegen diese gräßliche Anglizismisierung, wenn ich das mal so sagen darf, über die sich ja allenthalben beklagt wird. Und wenn er über die medienwirksame Präsentation seines stets makellosen und properen, ja, man kann fast sagen: smarten Erscheinungsbildes hinaus auch sonst nichts Nennenswertes für uns nichtbayerische Volksgenossen getan und meistens nur in seinem eigenen Freistaat herumregiert hat, so hat er andererseits ja auch nix kaputtgemacht und sich glücklicherweise in relativ wenige Angelegenheiten meines geliebten Vaterlandes einzumischen brauchen. Also gemeingefährlich wie beispielsweise Wolfgang Schäuble, Franz Josef Jung, Karin Wolff oder Ursula von der Leyen war und ist er wahr haftig nicht. Wäre er nicht gerade ein eingeborener Bayer, man könnte ihn beinahe ein bißchen lieb haben, denn wer außer ihm kann schon von sich sagen, fast sein ganzes öffentliches Leben lang seine eigene Karikatur gewesen zu sein? Ok, ok, schon gut, ich weiß, dazu fallen mir jetzt plötzlich auch eine Menge Namen ein, aber die gehören im Moment alle nicht hierher. Und Mohammed schon mal überhaupt nicht! Nicht daß mir das jetzt unterstellt wird. Ja, und sintemalen es ihm ja trotz höchster Anstrengung nicht gelungen ist, seine politische Karriere als deutscher Kanzler oder gar als Bundespräsident zu beschließen, so kann er sich doch zumindest rühmen, als einziger Ministerpräsident jemals die Zweidrittelmehrheit seiner Partei in seinem Landtag erreicht zu haben und durch seine zahlreichen Reisen zu den internationalen Parketten dieser Welt ein offizieller Putin-Duzer und sogar ein Papst-Privataudienzler geworden zu sein. Schon toll, wie ich meine. Nichtsdestotrotz hat der Entstoiberisierungsprozeß in Bayern unter kräftiger Mitwirkung von Horst Seehofer, Gabriele Pauli, Erwin Huber und Günther Beckstein schon vor längerer Zeit begonnen. Wo bei der letztgenannte ja wohl die Favoritenrolle innehat. Ob allerdings dieser Beckstein, der Verschlagene mit den Schweinsäuglein, wie ich ihn gedanklich und auch sonst gerne nenne und dessen Nach name (für den er natürlich nichts kann, schon klar, aber trotzdem) mich immer an diese rosa- oder grünlichfarbenen Duftdinger in den Urinalen deutscher Eckkneipen erinnert, uns ebenfalls so viel Vergnügen bereiten wird wie unser aller Edmund, bleibt zunächst noch fraglich. Aber, wer weiß, unter neuer Leitung könnte sich die CSU (Chef Stoiber Union, vorm. Chef Strauß Union) in Zukunft durchaus zum DGB (Dachverband Günther Beckstein) mausern. Wir werden sehen. Was steht noch gleich auf Edmund Stoibers persönlicher Webseite? "Handeln statt reden" steht dort. Genau, Selbsterkenntnis ist bekanntlich auch ein Weg. Wohin dieser Weg führt, muß sich allerdings erst noch zeigen. Bei seiner Muschi, genauer: im Schoße seiner Karin wird Edmund sich nach seinem Abtritt ja wohl nicht ausruhen, denn schließlich fühlt er sich nun nach dem Ende seiner Ministerpräsi dentschaft auch noch zum Entbürokratisierungsbeauftragten der EU berufen. Wow! Ob er diesen grandiosen Amtstitel wohl selber einigermaßen stotterfrei und ählos aussprechen kann? Oder ob er sich in diesem Zusammenhang nicht doch lieber der in Brüssel geläufigen englischen Sprache bedient und sich selber fortan als Debureaucratization Representative bezeichnen wird, darüber möchte ich hier und jetzt nicht weiter spekulieren. Aber nach drei, vier Maß belgischen Bieres und etwas Übung gleitet ihm auch dieses vermutlich demnächst recht zügig von der Zunge. Und vielleicht gelingt es ihm in diesem Amt ja sogar, künftig ein wenig mehr internationalen Blödsinn zu verzapfen als bisher, so daß ihm die Ehre meines vollwertigen AmO-Preises schlußendlich doch irgendwann einmal noch zuteil werden wird. Für die eine oder andere kleine Überraschung ist er ja allemal gut. Er wird's oich Doitschen schon zeigen, der Stoiber, und oich Oiropäern auch. Bis dahin, liebe Glossenleser, verleihe ich ihm aber doch jetzt zum Schluß in Würdigung seiner bisherigen Verdienste wenigstens den Titel eines 'AmO h. c.' und wünsche unserem Äh-Äh-Ähdmund nicht nur ein herzhaftes 'Pfüat di' (heißt das eigentlich auf deutsch 'Fürchte dich', oder was?), sondern auch ein erfolgreiches Entbürokratisieren, auf daß Europa demnächst genauso wie Bayern....ach nee, laß mal, das muß wirklich nicht sein! Die Antiterrorflugzeugabschußlösung (18. September 2007) oder: Es saugt und bläst der Heinzelmann... Heute, liebe Glossenleser, muß ich Ihnen unbedingt meine allerneueste Erfindung vorstellen, eine Erfindung, die das gesamte globale Terrorwesen, oder genauer: die Bekämpfung desselben, revolutionieren wird. Ich meine, diese Idee unseres glorreichen Verteidigungsministers Franz Josef Jung, zivile Flugzeuge im Bedarfsfall abschießen zu lassen, ist zwar einerseits ganz toll, aber andererseits auch wieder nicht gar so neu, wie er uns Volksgenossen glauben machen will. Im Gegenteil, der Jung plapSeite 23 von 63 © 2007 by Heinz Boente pert doch eigentlich nur das nach, was unser schlauer Oberterroristenjäger und paranoider Wirrkopf Schäuble ihm vor einiger Zeit bereits ausgiebig vorgekaut hat. In der Tat, das hatten wir schon mal, denn keine noch so idiotische Antiterror-Idee, auf die unser Schäuble noch nicht gekommen wäre. Gut, ok, jetzt muß halt der Jung ran, denn Schäuble hat ja im Moment gar keine Zeit mehr für solche Kleinigkeiten wie sich um von Terroristen gekaperte Verkehrsflugzeuge zu kümmern. Der bewegt sich nämlich mittlerweile jenseits aller Realität in höheren Sphären und beschäftigt sich deshalb neuerdings sehr gerne mit atomaren Terrorangriffen. Ja, genau, atomar oder nuklear oder noch wirkungsvoller. Er denkt halt weiter als wir Normalsterblichen und dafür wird er ja auch aus unseren Steuergeldern angemessen entlohnt. Ich bin mir ziemlich sicher, der Schäuble ist gedanklich schon weit über jeden 11. September hinaus, der ist mindesten schon beim... weiß ich jetzt auch nicht so genau, aber der 12. Oktober oder sogar der 4. November wird's schon sein. Und wer sich mit apokalyptischen Armageddons beschäftigt, der hat an so profanen Dingen wie die gezielte Tötung unschuldiger Flug zeugpassagiere natürlich kein Interesse mehr. Ganz klar. Ja, und Jungs Franzlsepp, aufmerksam, wie seine Position als Verteidigungsminister ihm zu sein vorschreibt, weiß natürlich auch sehr genau, daß seinerzeit unser Bundesverfassungsgericht unmißverständlich erklärt hat, daß man sowas nicht tun darf. Also Menschenleben gegen Menschenleben aufrechnen. Das geht ja gegen jedes gesunde Volksempfinden und kann in der Praxis auch irgendwie nicht funktionieren. Wie soll er beispielsweise in folgenden Fällen entscheiden: ein einzelner Papst gegen hundert Kinderschänder? Oder zwei sauerländische Islam-Konvertiten gegen einen amerikanischen Präsidenten? Oder fünfzig männliche Senioren gegen fünfzig arbeitslose Frauen? Oder dreißig Millionen Raucher gegen eine einzige Gesundheitsministerin? Kann ja theoretisch alles vorkommen, ist aber nicht ganz so einfach, wenn man es rein numerisch sieht. Wahrlich, in der Haut unseres Verteidigungsministers möchte ich nicht stecken. Aber es ist letztlich alles halb so schlimm, denn dafür gibt es ja den sogenannten übergesetzlichen Notstand, der dem Jungfranzlsepp gerade noch rechtzeitig eingefallen ist, damit er sich nicht vollends lächerlich macht. Übergesetzlicher Notstand, na, ist das nicht mal ein klasse Begriff? Super! Damit läßt sich doch locker alles und jedes rechtfertigen. Andererseits halte ich persönlich das Irrsinnsgeschwafel ministerieller Paranoiker auch für einen übergesetzlichen Notstand. Und der ist mittlerweile nicht nur schwer übergesetzlich und peinlich, sondern sogar höchst gefährlich. Herrimhimmelnochmal, das sind unsere Volksvertreter! Was soll bloß das Ausland von uns denken, wenn die gewahr werden, was hier bei uns so abgeht? Die können doch nur einen einzigen Schluß zie hen: entweder ist das deutsche Regierungskabinett so bescheuert wie das Volk, oder das deutsche Volk ist genauso bescheuert wie seine Minister. Vermutlich trifft beides zu, denn wäre es anders, dann müßte das Volk doch bei derartigen Äußerungen seiner gewählten Vertreter sofort auf sämtliche Barrikaden klettern oder wenigstens mal ein kleines Protesttransparentchen entrollen. Es kann doch nicht immer alles nur an relativ unbekannten Glossenschreibern und einer Handvoll bisher noch unangepaßten Journalisten hängenbleiben! Egal, ich brauche mir jedenfalls nichts vorzuwerfen. Schließlich bin ich nicht untätig gewesen, sondern wollte deshalb hier ja auch meine neueste Erfindung vorstellen. Ich habe mir nämlich zunächst folgendes gedacht: erstens ist mein geliebtes Vaterland nicht die Wüste von New Mexico (zumindest rein äußerlich nicht), sondern eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt. Zweitens löst sich ein abgeschossenes Verkehrsflugzeug nicht einfach so auf Nimmerwiedersehen in Luft auf, sondern zerspringt unmittelbar nach dem Treffer einer Luft/Luft-Rakete in tausend Stücke (vielleicht sind's auch ein paar mehr, ich weiß es nicht genau, aber es tut auch nichts zur Sache), die nach dem Gesetz der Schwerkraft alsbald unkontrolliert und brennend in von zahlreichen, teilweise sogar völlig un schuldigen Menschen und Kindern bevölkerte Gebiete herunterfallen. So würde beim Abschuß eines terroristischen Verkehrsflugzeugs zwar das... ja, was nehme ich da jetzt? Also gut, es würde zum Beispiel das schöne Hochhaus der Deutschen Bank samt Herrn Ackermann, samt einem Dutzend gutbezahlter Börsenanalysten sowie ein paar hundert mindestlohnempfangende Angestellte gerettet, aber alles, was drumrum steht, liegt und lebt, würde von den runterkrachenden Flugzeug-, Gepäck- und Menschenteilen höchst übel zugerichtet. Damit wäre nicht nur nichts gewonnen, nein, es würde im Gegenteil ja alles sogar noch viel schlimmer. Und diese Gefahr besteht exakt so lange, bis Franz Josef Jung und Konsorten endlich das tun, was sie schon lange hätten tun sollen, nämlich spezielle Gegenden in Deutschland einzurichten, die der Wüste von New Mexico (oder von mir aus auch der in Arizona oder Nevada, das spielt wirklich keine Rolle) ähneln. Sogenannte Terrorflugzeugabsturztrümmersammelplätze, wo nach einem Abschuß allenfalls Seite 24 von 63 © 2007 by Heinz Boente ein paar Klapperschlangen oder Blindschleichen draufgehen. Auf der großen brachliegenden Fläche vor dem Kanzleramt in Berlin wäre beispielsweise ein guter Platz dafür - aber das nur als Anregung. Nein, so kann das im Moment also auf gar keinen Fall funktionieren, das mit dem Abschießen von Passagierflugzeugen. Das war mir im Gegensatz zu den Herren Jung und Schäuble natürlich von Anfang an klar und ich sann nach einer praktikablen Lösung. Und schon hatte ich sie: wir haben derzeit doch den wunderbaren Auslieferungsrückstau bei unserem tollen neuen Airbus A380 (die Fluggesellschaften bzw. Airlines, wie man heute sagt, bestellen ja unverständlicherweise neuerdings lieber wieder bei Boeing), und das heißt, es stehen sicher ein paar von den Airbus-Riesenvögeln ungenutzt in Toulouse oder in Hamburg oder sonstwo rum. Deshalb - Achtung, jetzt kommt's - ist mir eingefallen, daß man doch mit wenig Aufwand diese im Augenblick noch nicht gebrauchten A380er zu fliegenden Staubsaugern umbauen könnte. Fliegende Antiterrorsauger, gewissermaßen, die ein gekapertes, von den Selbstmordterroristen eigentlich als Bombe gedachtes Passagierflugzeug einfach restlos vom Himmel wegsaugen und fertig. Vorläufig zumindest, bis demnächst die Terrorgefahr weltweit endgültig gebannt ist. Geräumig genug sind sie ja, diese häßlichen Großraumflugzeuge, und für ein hochka rätiges europäisches Technikerteam ist das sicher auch keine unlösbare Aufgabe. Ja, da muß man erstmal drauf kommen! Da braucht's keine Kampf-Jets und keine gewissensgeplagten Luftwaffenpiloten. So einen Antiterrorsauger-Airbus kann jeder fliegen, der fliegen kann. Er (oder ge gebenenfalls auch sie, ganz klar, es gibt ja nicht nur fliegende Männer, fliegende Fische und fliegende Holländer) braucht seinen A380-Antiterrorsauger dann im Terrorfall nur direkt hinter das Terroristenflugzeug zu positionieren, die Antiterrorfrontklappe zu öffnen, auf den Antiterrorsaugereinschalt knopf zu drücken und - schlürf - saugt der Antiterrorsauger-Airbus dann die Terroristen samt Flug zeug und allem, was noch so da ist, einfach in sich hinein. Ohne daß brennende Trümmer und Menschenteile draußen in der Gegend rumfliegen. Drinnen im Antiterrorsaugerbeutel warten natürlich schon die Spezialisten der GSG 9, stürmen ruckzuck die eingesaugte Flugmaschine, töten flugs die Terroristen (finale Rettungsschüsse sind ja nach unserem Grundgesetz ausdrücklich gestattet) und erlösen die unschuldigen Passagiere. Das bißchen Landen auf dem nächstgelegenen Flughafen ist dann nur noch ein reines Kinderspiel. Daraufhin verlassen die überglücklichen Passagiere nun den Antiterrorsauger-Airbus durch die ganz normale Antiterrorsauger-Airbustür - wohlgemerkt: jeder einzelne quicklebendig und am Stück - und sinken erleichtert in die Arme der bereits wartenden Angehörigen. Und während im Hintergrund das Gepäckband anläuft, glutrot die Sonne untergeht und das Reh auf die Lichtung tritt, singen Franz Josef Jung, Wolfgang Schäuble und die schnell herbeigeeilte Angela Merkel gemeinsam unter der Leitung des geigenden André Rieu noch den Schlußakkord bevor sie sich wohlgelaunt und sorgenfrei wieder an ihre Regierungsgeschäfte begeben. THE END Wie? Was? Sie meinen, liebe Glossenleser, das sei alles kalter Kaffee? Sowas ähnliches hätten Sie vor Jahren schon mal im James-Bond-Film Moon Raker mit Roger Moore in der Titelrolle gesehen? Und das mit dem Riesensauger auch bei Space Balls von und mit Mel Brooks? Au weia, stimmt, jetzt haben Sie mich aber ganz schön bei einem Plagiat ertappt. Aber, sagen Sie selbst, den Versuch war's doch wert, oder? Die physikalische Lösung des Radikalenproblems (29. August 2007) Sicherlich, liebe Glossenleser, haben Sie das des öfteren schon mal in den Fernsehnachrichten gesehen. Ich meine diese immer wieder gern gezeigten und effektvollen Bilder von demonstrierenden Palästinensern im Nahen Osten, die ihre Waffen in die Luft abfeuern. Und das sind ja nicht die einzigen total beknackten Idioten, die sowas machen. Man kennt solcherlei seltsames Gebaren auch aus südamerikanischen Bananenrepubliken, aus Südostasien und natürlich aus anderen obskuren Gegenden auf unserem Planeten, wo diese schöne Sitte oft und gern praktiziert wird. Was diese strohdummen Radikalinskis letztlich damit bezwecken, ist mir allerdings schleierhaft. Was wollen die mir damit sagen? Oder wollen die mir vielleicht gar nichts sagen? Und im Übrigen, selbst wenn die mir etwas sagen wollen, mich interessiert's nicht wirklich, dieses grenzdebile Imponiergehabe. Aber sowas von nicht, das können sich diese Schleiereulen gar nicht vorstellen (falls die sich überhaupt irgend etwas vorstellen können, was ich stark bezweifle). Oberflächlich betrachtet ist das ganze Schießtheater sowieso eine rechte Verschwendung teurer Munition, die diese Schwachköpfe doch wesentlich sinnvoller zum Vernichten ihrer Erzfeinde verwenden Seite 25 von 63 © 2007 by Heinz Boente sollten, gegen die sie mit ihrer Ballerei so lautstark wettern bzw. über die sie sich aus anderen Gründen enthusiasmieren. Aber andererseits, was soll's, das kann den Radikalen eigentlich schnuppe sein, denn für stetigen Nachschub ist ja gesorgt. Die nächste Munitionslieferung aus den USA, aus Rußland, China oder Europa ist bereits containerweise unterwegs in die bekannten Krisenherde dieser Welt. Trotz patrouillierender Kreuzer der deutschen Bundesmarine im Mittelmeer. Und auf diese Weise - ein sehr hübscher Nebeneffekt, wie ich finde - fließen die Gelder, welche die Regierungen als Entwicklungshilfe rausgepulvert haben, auch höchst sinnreich wieder zurück in die schwarzen Kassen der Munitionsfabriken und auf die privaten Schweizer Nummernkonten der jeweiligen Manager. Über die Verschwendung brauche ich mir also schon mal keine Gedanken mehr zu machen. Aber da ich mir das Gedankenmachen nun mal nicht abgewöhnen kann, quält mich natürlich die Frage, wo das ganze Munitionszeug, das da so sinnlos in die Luft geballert wird, eigentlich bleibt? Das heißt, eigent lich quält mich auch diese Frage überhaupt nicht, denn ich bin nach extrem kurzem Nachdenken ganz von selbst draufgekommen: im Himmel droben bleibt's jedenfalls nicht, es fällt nach den Gesetzen der Physik irgendwann unweigerlich wieder runter. Schauen wir uns das Ganze wissenschaftlich mal etwas genauer an: Eine Gewehrkugel hat beim Verlassen des Laufes eine Geschwindigkeit von etwa 3000 Kilometern pro Stunde und fliegt somit bei einem senkrechten Schuß nach oben etwa drei Kilometer in die Höhe. Danach wird sie von der Luftreibung gebremst (vermute ich jedenfalls) und dann, von der Schwerkraft der Erde angezogen, ändert sie ihre Richtung und saust im freien Fall mit Tempo 500 km/h wieder nach unten. Das reicht dicke, denn bereits ab einer Geschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde kann solch eine Kugel locker eine menschliche Schädeldecke durchschlagen und tief ins Gehirn eindringen - sofern eins da ist, versteht sich. Aber selbst im Falle des Nichtvorhandenseins eines Hirns ist das der Gesundheit des getroffenen Körpers nicht besonders zuträglich. Ja, man kann fast sagen: tödlich. Soweit die bisher schon recht beeindruckende Physik. Aber jetzt zu den ungeheuren gesellschaftli chen Möglichkeiten: Wenn es der Politik gelingt - und warum sollte ihr zwischendurch nicht auch mal was gelingen -, Palästinenser, fundamentalistische Moslems, südamerikanischen Revoluzzer und noch einige andere, die ich hier sicher nicht alle aufzählen muß, zu animieren, möglichst oft und möglichst lange mit einem Schnellfeuergewehr senkrecht in die Luft zu schießen, dann, ja, dann ist Wahrscheinlichkeit recht groß, daß sie allesamt von ihren eigenen Gewehrkugeln... nicht, wahr, Sie wissen, was ich meine, liebe Glossenleser. Auf diese Weise könnte sich das eine oder andere Radikalenproblem unserer Zeit elegant und ohne großen Aufwand ganz von selber zwar nicht in Luft, aber doch aus der Luft auflösen. Und da soll noch mal einer sagen, daß Naturwissenschaft keinen Einfluß auf das gesellschaftliche Leben hat. Also, Ihr Politiker dieser Welt, nicht rumjammern und lamentieren. Diplomatische Lösungen sind out (die funktionieren ja eh nicht). Rüstet lieber hurtig alle Radikalen dieser Welt mit noch mehr Maschinenpistolen, Schnellfeuergewehren und jede Menge Gratismunition aus. Und da wir grad von hirnlosen Idioten reden, das kann man natürlich auch in meinem eigenen geliebten Vaterland ganz hervorragend anwenden, beispielsweise bei neonazistischen Wehrsportgruppen. Lassen wir also die Propagandamaschinerie anlaufen und erklären das enthusiastische in-die-Luft-Ballern zur verdammten Bürgerpflicht und -schuldigkeit. Jedenfalls für alle braungetönten, imbezilen Jäger von unschuldigen Ossi-Indern, damit es nicht immer nur heißen muß: "Prügeln in Mügeln", sondern eventuell demnächst auch mal: "Schießen in Gießen". Vorausgesetzt man schießt immer hübsch senkrecht nach oben und wartet ein kleines Weilchen. Aber das kann man ja üben. Weidmanns Heil! Der Stillstand des geflügelten Rades (20. Juli 2007) Aus der Presse: 19.07.07 - Mitten in der Ferienzeit droht durch unbefristete Streiks der Lokführer ein Bahn-Chaos. Die Deutsche Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL erzielten in entscheidenden Tarifgesprächen am Donnerstag keine Einigung. Die GDL kündigte Urabstimmungen an, die bis zum 3. oder 6. August dauern sollen. Danach beginne der Arbeitskampf. Es gibt, liebe Glossenleser, doch hin und wieder mal wirklich erfreuliche Meldungen! So wie diese zum Beispiel. Jetzt kommt möglicherweise große Verwunderung auf bei jedem von Ihnen, der weiß, daß ich im täglichen Leben ein überzeugter Bahnfahrer bin (daß ich natürlich auch eine BahnCard 50 - sogar mit bahn.comfort Status für Vielreiser - besitze, erwähne ich hier jetzt gar nicht mal extra). Ich hab's zwar noch nie genau ausgerechnet, aber ich schätze mal, daß ich jährlich im Durchschnitt etwa 20.000 Meilen unter den Meeren... nein, Unsinn, sollte ein Scherz sein, ich meine natürlich 20.000 Kilometer bequem in einem Zugabteil sitzend zurücklege. Zwar nicht als Berufspendler, sondern einSeite 26 von 63 © 2007 by Heinz Boente fach so, weil ich es hasse, Stunden über Stunden am Steuer eines Autos zu sitzen und, statt kluge Bücher zu lesen, diese meine wertvolle Zeit damit zu vergeuden, auf die Fehler der anderen Idioten im Straßenverkehr aufzupassen. Und genau aus diesem Grunde gehört meine tiefste Sympathie und mein vollstes Verständnis allen streikenden Lokführern und Zugbegleitern. Ich hoffe inständig auf einen Streik, bei dem es den Her ren Mehdorn und Tiefensee schwarz vor Augen wird. Ich hoffe, daß die Flügelräder aller Personenund Güterzüge stillstehen, bis sich gar nix mehr dreht. Und ich hoffe, daß sich die wackeren Kämpen in Lokführermontur bloß nicht unterkriegen lassen. Ja, natürlich betrifft ein solcher Streik auch mich. Ganz klar. Auch ich werde dadurch erhebliche Einschränkungen meiner persönlichen Freiheit und meiner liebgewordenen Mobilität hinnehmen müssen. Doch das tue ich gerne, weil ich meine Fahrkarte viel lieber von einem Zugbegleiter abknipsen lasse, der das mit einem zufriedenen Lächeln macht, als von einem frustrierten Knurrhahn. Weil ich mich wohler fühle, in einem Zug zu sitzen, dessen Lokführer seiner Verantwortung gemäß angemessen entlohnt wird, als in einem, bei dem vorne ein mürrischer, unterbezahlter Mensch seinen Dienst tut, der mit seinen Gedanken nicht auf der Schiene, sondern zuhause bei den noch unbezahlten Rechnungen ist. Bei jemandem, der sich im Führerstand seiner Lok oder seines Triebwagens ununterbrochen still wundert, daß zwar nicht seins, aber die Vorstandsgehälter bei der Deutschen Bahn AG innerhalb der letzten elf Jahre um lustige 300 Prozent (nochmal in Worten: dreihundert!) angestiegen sind. Ein Streik bei der Bahn, dem Inbegriff für deutsche Zuverlässigkeit und Pünkt... na ja, schon gut, ok, ich meine ja bloß. Und das mitten in der dicksten Ferienzeit, darf das sein? Da sage ich nur: natürlich, wann sonst? Wann ist denn die beste Zeit für einen Streik? Während der Weihnachtsfeiertage etwa? Oder zu Ostern? Zu Pfingsten? Ist doch völlig egal. Nein, natürlich ist das nicht völlig egal. Donners tag nachts, zwischen halb drei und vier Uhr, das würde ja kein Mensch merken. Am allerwenigsten Herr Mehdorn. Also jetzt oder nie! Und außerdem, irgendwann hat bestimmt auch schon mal der eine oder andere Reisende vorsichtig und bescheiden gestreikt, und davon war dann natürlich auch der ei ne oder andere Lokführer betroffen. So ist eben alles ein Geben und Nehmen. Landläufig nennt man das auch Solidarität. Ich weiß schon, ich hab' gut lachen, ich kann Bahn fahren, wann ich will, und muß nicht jeden Mor gen und jeden Abend in einen Pendelzug steigen, der dann auch noch unbeweglich am Bahnsteig steht. Wenn ich nicht verreisen will, dann bleibe ich halt zu Hause. Aber - und diese Frage ist natürlich berechtigt - was machen die armen Millionen Pendler, die täglich zur Arbeit müssen? Na, ist doch klar, sie steigen in ihr Auto, verstopfen die Straßen bis sich zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen gar nichts mehr bewegt, stoßen ungeheuerliche Massen CO 2 aus und fluchen lautstark vor sich hin. Sicher ist das ärgerlich. Der Zeitaufwand für den Einzelnen erhöht sich, Termine platzen, wichtige Verträge werden nicht unterschrieben, Waren können nicht ausgeliefert werden, die gesamte Logistik bricht völlig zusammen, alle Fließbänder stehen still und die Politiker sind machtlos und gucken noch viel dümmer aus der Wäsche als sonst. Alles in allem nicht nur ein Milliardenschaden für's Bruttoinlandsprodukt, nein, die Republik ist bis in ihre Grundfesten erschüttert, Hunger, Durst und Pestilenz breiten sich aus und vielleicht muß sogar das Unterschichtenfernsehen in Deutschland seinen Sendebetrieb einstellen. Echt Super! Und wer ist schuld? Logisch, die paar hundert Lokführer natürlich, wer denn sonst? Unser feudalkapitalistisches Wirtschaftssystem etwa? Nein, das doch nun auf gar keinen Fall! Das hat doch bisher immer so prima funktioniert. Dabei geht es doch letztlich gar nicht darum, ob ein Lokführer statt 2.500 Euro 3.250 Euro bekommt. Wen, außer die Lokführer selber, ganz klar, interessiert das denn schon wirklich? Es geht doch um ganz etwas anderes, nämlich darum, denen da oben (und auch den vielen Ignoranten hier unten) mal zu zeigen, wie krank ein Wirtschaftssystem ist, in dem es wichtiger ist, daß die obszönen Einkommenshöhen von Vorstandsmitgliedern einem internationalen Vergleich standhalten (Gehälter, bei deren Nennung einem normalen Menschen sowieso flau im Magen wird) oder daß die Börsenkurse der Unternehmen auch ordentlich steil in die Höhe klettern, als daß bestehende himmelschreiende Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Wobei ich mir den Hinweis auf Klima, Umwelt, Fairness usw. an dieser Stelle lieber ganz verkneife, allerdings nicht, ohne doch noch mal dezent den allgemeinen Mangel an Bildung, Wissen und Kultur angesprochen zu haben. Deshalb freue ich mich nicht nur über den Lokführerstreik, sondern über jeden Streik in meinem geliebten Vaterland, sogar wenn ich höchstselbst betroffen bin, weil es mir ganz einfach eine diebische Freude bereitet, die Obrigkeit nervös werden zu sehen. Und das wird sie, wenn die Untertanen nicht so spuren, wie man es von ihnen erwartet. Auch wenn ich das dämliche Gequatsche, das die GroßkopSeite 27 von 63 © 2007 by Heinz Boente ferten dann jedesmal in Presse, Funk und Fernsehen verbreiten, nicht unbedingt brauche, aber da kann ich ja weglesen und -hören. Darüber hinaus wird nur bei einem Streik deutlich, wie empfindlich ein komplexes System reagiert, wenn ein einziges winzigkleines Zahnrädchen im Getriebe nicht mehr funktioniert. Ab und zu sollte man das der Industrie und der Politik mal zeigen, damit die Damen und Herren da oben in Parlament und Vorstandsetagen nicht vergessen, für wen sie eigentlich wirklich da sind. Aber leider ist es mittlerweile so: das System wurschtelt weiter vor sich hin, verstrickt sich immer tiefer in Abhängigkeiten, die heute schon niemand, wirklich niemand mehr durchschauen kann. Am allerwenigsten die, die dafür verantwortlich sind und immer nur an einzelnen Symptomen herumdoktorn, während das System, das freimarktwirschaftliche, ganz langsam aber stetig einem totalen Zusammenbruch entgegenstolpert. Da kann im Endeffekt ein spürbarer Streik sogar ganz heilsam sein, denn wenn man nicht gelegentlich zu drastischen Maßnahmen greift, ändert sich überhaupt nichts. Am allerliebsten wäre mir deshalb sogar ein handfester Generalstreik, bei dem gar nix mehr läuft in unserer Republik, aber das darf ich als guter Staatsbürger natürlich nicht laut sagen, geschweige denn irgendwo hinschreiben. Ja, ich bin voll auf der Seite unserer Lokführer und Zugbegleiter. Ganz genauso, wie ich neulich auf der Seite der streikenden Assistenzärzte war und wie ich morgen oder übermorgen auf der Seite der Kinokartenabreißer oder Altenpfleger oder Fleischfachverkäuferinnen oder Callcenter-Sklaven, kurz: bei allen sein werde, die hoffentlich auch mal den Mut finden, ihre Arbeit ebenfalls einfach niederzulegen. Wie gesagt, am besten alle zusammen und gleichzeitig, denn irgendwie sitzen wir hier unten doch alle im selben Boot, oder soll ich lieber sagen: im selben Zug? Ich finde, es wird Zeit, daß endlich mal jemand die Pandora-Büchse öffnet und die Obrigkeit an einer Stelle trifft, an der es wirklich weh tut. Wenn der öffentliche Verkehr im Zeitalter der angeblichen Mobilität zusammenbricht, ja, das spürt jeder. Jedenfalls viel schmerzlicher, als wenn zum Beispiel die Bienenzüchter oder die Glockengießer streiken. Das würde außer den Honigschleckern und den Quasimodos in unserem Lande ja kaum jemandem auffallen. Heißt es nicht irgendwo sinngemäß, liebe Glossenleser, daß alle Macht vom Volke ausgeht? Wenn das tatsächlich so ist, dann sollte das Volk, sprich in diesem konkreten Fall: die Lokführer und die Zugbegleiter, diese Macht auch endlich mal zeigen dürfen, nein, müssen, finde ich. Allerdings kann es sein, daß ich da wie gewöhnlich wieder was falsch verstanden habe (sowas passiert mir merkwürdigerweise neuerdings immer öfter). Wenn ich mich nämlich so umschaue in meinem geliebten Vaterland, und die allgemeine Trägheit betrachte, müßte es im Originaltext "alle Macht geht dem Volke aus" heißen. Ich sehe schon, ich muß bei Gelegenheit mal wieder ein wenig im Grundgesetz blättern. Neulich habe ich übrigens den folgenden trefflichen Satz gehört, aber leider vergessen, wer ihn gesagt hat: "Ziviler Ungehorsam und Bürgercourage sind der Dünger, womit Demokratie wachsen kann." Wie wahr, wie wahr! Wir doofen Alten (19. Juli 2007) Aus der Presse: 17.07.07 - 2035 wird Deutschland die älteste Bevölkerung der Welt haben. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen appellierte daher an hiesige Firmen, mehr seniorengerechte Produkte zu entwickeln und zu vertreiben. Ältere Menschen würden künftig ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, sagte sie. Das Familienministerium startete eine entsprechende Initiative, die Unternehmen und Verbraucher ins Gespräch bringen soll. Die alternde Gesellschaft sei grundsätzlich keine Bedrohung, sondern eine Chance, meinte die Ministerin. "Ältere Menschen sind aktiv und konsumfreudig." Das Wachstumspotenzial in dieser Zielgruppe sei groß. Ogottogottogott, liebe Glossenleser, was ist denn jetzt das? Unsere Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat wieder einmal fürchterlich zugeschlagen. Schon bemerkenswert, wofür die auch alles zuständig ist! Aber offenbar ist sie als Blondine - was ich persönlich schon lange vermutet habe - mit vier Verantwortungsbereichen tatsächlich ein wenig überfordert und weiß deshalb selber gar nicht mehr recht, wo's lang geht. Eben noch hat sie mir das Kindermachen befohlen, weil mein geliebtes Vaterland angeblich sonst völlig ausstirbt, und jetzt entdeckt sie plötzlich, daß ich zwar ein äl terer Mensch, aber dennoch aktiv und konsumfreudig bin. Wahnsinn! Und darüber hinaus stelle ich wenn man meine schäubleunterstellten Terrorambitionen jetzt mal außer acht läßt - nicht nur keine Bedrohung für mein geliebtes Vaterland dar (was mich dann doch irgendwie beruhigt), sondern ich bin neuerdings sogar ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Genau. Und, das darf man natürlich nicht vergessen, dazu noch einer mit großem Wachstumspotenzial. Seite 28 von 63 © 2007 by Heinz Boente Für mich braucht die von der Leyen also schon mal keinen Krippenplatz mehr, sondern schon eher eine Luxuskabine auf einem Kreuzfahrtschiff. Meint sie jedenfalls, die blonde Ministerin. Aber weit gefehlt. Hält die mich eigentlich für blöde, oder was? Als ob ich rüstiger Alter seit dem Eintritt in meinen hochverdienten Ruhestand nichts anderes im Kopf und zu tun hätte als mich in kreuz- und quer fahrenden Luxuskabinen herumzutreiben oder wie wild drauflos zu konsumieren. Ja, zum Donnerwetternochmal, was denn auch? Ich habe doch schon alles, was ich zu meinem hoffentlich noch recht langen Lebensabend brauche. Stereoanlage, Fön, Fernseher, Handy, Computer und Toaster, alles da. Auto, Motorrad, Digitalkamera, Kühlschrank und Radiowecker auch. Alles in vielfacher Ausführung. Und ich besitze sogar noch ein paar Sachen mehr, von denen Ursula von der Leyen vermutlich nicht einmal weiß, daß es sie überhaupt gibt. Und das allerbeste: das ganze Zeugs kann ich natürlich auch ordentlich und vorschriftsmäßig bedienen. Wenn ich also etwas gar nicht brauche, dann ist das dieser dämliche Seniorenkrempel, in dem unsere Blonde den bedeutenden Wirtschaftsfaktor zu erkennen glaubt. Handys und Autoarmaturen mit besonders großem Display zum Beispiel. He, ich bin zwar knapp über 60, aber deswegen doch nicht kurzsichtiger als ich mit 30 schon war! Und altengerechte Computer benötige ich schon mal überhaupt nicht. Zugegeben, da bin ich vielleicht die Ausnahme, denn mit Computern habe ich schon gearbeitet, als gewisse Ministerinnen sowie die Hersteller solcher Dinger noch mit den Fingern gezählt haben. Was, beim heiligen Alzheimer, soll ich also - von meinem täglichen Bedarf an Antifaltencrèmes, Hummerkrabbenschwanzsalat, Antihaarausfalltinkturen, Rinderfiletspitzen, Normalbenzin, Zahnpasta, Biogemüse, Pfeifentabak, Champagner und Kaffee mit unraffiniertem Rohrzucker und Sahne mal abgesehen - denn noch alles konsumieren? Was will diese blonde Tussi eigentlich? Wahrscheinlich ärgert es sie bloß, daß ich und meine ähnlichaltrigen Mitbürger dem allgemeinen Konsumterror nicht mehr unterliegen wie die heutige Jugend. Daß, nicht zuletzt aufgrund der inzwischen eingesetzt habenden Altersweisheit, der sogenannte Wirtschaftsfaktor bei mir nicht zieht, sondern mir herzlich egal ist... aber sowas von egal... und daß ich genau deshalb nicht mehr auf jeden Werbeschwachsinn reinfalle. Ich muß meinen Mitsenioren nun mal nicht mehr beweisen, daß ich mir - theoretisch - eine Edeljeans und sonstige Markenklamotten leisten kann. Und soll ich mich etwa von meinen geliebten antiken Möbeln trennen und mich stattdessen bei einem bekannten schwedischen Einrichtungshaus komplett neu eindecken? Nee, nicht wirklich, oder? Ich meine, nicht daß ich in meinem Alter Angst vor dem Zusammenbau eines Billy-Regals hätte, aber mir gefallen meine Antiquitäten halt und sie passen in dieser Eigenschaft auch besser zu mir. Vermutlich liegt dieser so lautstark beklagte Mangel an meiner Konsumbereitwilligkeit also gar nicht am fehlenden Produktangebot unserer heimischen und internationalen Hersteller, sondern schlicht an der Tatsache, daß ich und meine Ähnlichaltrigen erstens schon alles haben, und zweitens solide Qualität statt billigen Wegwerframsch bevorzugen. Eine Qualität, die dann allerdings die paar Jährchen, die uns noch verbleiben, locker überdauern und möglicherweise sogar noch unserer Enkelgeneration Freude bereitet. Ältere sollten es beim Einkaufen leichter haben. Aha, klingt doch zunächst mal ganz positiv. Aber wie meint sie denn das eigentlich, unsere Blonde? Rolltreppen und Lifte sind doch heute schon in allen besseren Kaufhäusern vorhanden und Supermärkte liegen in aller Regel in einer einzigen Ebene. Vielleicht glaubt sie, daß die Regale zu hoch sind, so daß ich nicht mehr drankomme? Oder ich mich nicht mehr nach den günstigen Angeboten bücken kann? Die schielen alle doch bloß nach meinem Geld. Als ob es denen wirklich darauf ankommt, daß es ein älterer Mensch leichter hat im Leben. Ha, da darf ich doch bitte mal kurz auflachen! Wenn dem so wäre, dann wären spezielle Seniorenparkplätze für meinen großvolumigen und PS-starken Geländewagen direkt vor den Feinkostläden, teuren Boutiquen und Edelrestaurants in den Innenstädten bei spielsweise eine echte Maßnahme. Und? Wo sind die? Sowieso, bis wann bin ich denn eigentlich die attraktive Konsumentenzielgruppe, um die es sich zu kümmern lohnt? Doch nur solange, wie ich überhaupt noch aktiv konsumieren kann. Und bis dahin, wie gesagt, reichen mir die Konsumgüter, die es bereits gibt und von denen ich dummerweise nur einen Bruchteil benötige, allemal. Klar, wenn bei mir dermaleinst die Dementia senilis und die Inkontinenz zuschlagen oder ich den Reißverschluß meiner Motorradkombi nur noch mit Unterstützung einer diplomierten Altenpflegerin schließen kann, ja, dann sieht die Situation natürlich vollkommen anders aus. Aber dann brauche ich auch keine Designer-Schnabeltasse und kein Navigationssystem für meinen Rollstuhl mehr, sondern einen Treppenlift und eine solide Gehhilfe - eventuell noch Kukident mit Mango-Aroma, aber mehr auch nicht. Genau das sollte sich die von der Leyensche mal hinter die Ohren schreiben (jetzt, nachdem sie beim Friseur war, kommt sie da auch besser dran), damit sie mir und Seite 29 von 63 © 2007 by Heinz Boente meinen Ähnlichaltrigen künftig vom Leibe bleibt mit ihrem hirnrissigen Seniorengequatsche und sich lieber um die wirklich wichtigen Dinge kümmern kann. Ich komme trotz meines Seniorenstatus schon noch ganz gut alleine zurecht, aktiv und konsumunfreudig wie ich bin. Und wenn sie wirklich ernst gemeint sein sollte, diese neuerliche Seniorenkümmerei, warum gibt es eigentlich kein Bundesministerium für regelmäßige ARD- und ZDF-Zuschauer? Also für Menschen wie Sie und ich, liebe Glossenleser, deren Kinder bereits vor Jahren das Haus verlassen haben und längst auf eigenen Füßen stehen. Ein Ministerium für Menschen, die zwar einerseits nicht mehr ganz so jung sind, sich andererseits aber weder als Senioren betrachten, noch sich als solche fühlen oder aufführen. Das wäre doch mal was. Ein Ministerium, das streng darauf achtet, daß man seine Enkelkinder ordentlich verwöhnt, daß man sich nicht von wirrköpfigen Politikerinnen in geburtsda tumsabhängige Schubladen stecken läßt, daß man nach einem langen Arbeitsleben in der freien Wirtschaft oder im Haushalt eine menschenwürdige Rente bekommt, daß nicht ständig geldgeile Manager versuchen, einen mit ihrer fragwürdigen Werbung über den Tisch zu ziehen, und vor allem, daß man von politischen Schwachköpfen und -köpfinnen nicht für dumm verkauft wird. Und deshalb darf dieses Ministerium auch auf gar keinen Fall im Zuständigkeitsbereich einer blonden Gebärmutter liegen. Sollte man eventuell gar mir dieses Ministeramt anbieten, würde ich es jedenfalls sofort annehmen und auch gerne bis ins hohe Alter bekleiden, denn dazu brauche ich nicht mal eine besondere körper liche und geistige Fitness (obwohl ich glaube, daß ich beides habe, und hoffe, daß ich sie noch eine Weile behalten werde). Es geht auch ohne. Beispiele gibt's in unserem großkollisonistischen Bundeskabinett ja genug. Atomkraft? Todsicher! (11. Juli 2007) Wissen Sie, worauf man sich felsenfest verlassen kann, liebe Glossenleser? Nein, ich meine diesmal nicht die Ignoranz meiner Mitmenschen (obwohl das natürlich auch stimmt). Ich meine das Gedächtnis des Volkes. Also nicht das gute, sondern das schlechte. Wäre es nicht so, dann würde sich doch sicher jedermann noch an ein kleines und - im wahrsten Sinne des Wortes - gottverlassenes Dörfchen in der Ukraine namens Tschernobyl erinnern. Dämmert's? Genau, da war doch mal was... irgendwas ist da vor 21 Jahren ziemlich schief gelaufen. Mit einem Kraftwerk, einem Atomkraftwerk, genauer gesagt, das sich damals selbständig, vollautomatisch, ziemlich abrupt und endgültig vom ukrainischen Stromnetz abgehängt hat. Die Presse, die, sensationslüstern wie sie nunmal ist, ja bekanntlich auch gerne mal übertreibt, hat das damals als eine Art Katastrophe hingestellt, die aber andererseits bis auf ein paar Schlagzeilen in der Presse und ein paar Köpfe ungenießbaren Salates niemanden von uns zivilisierten Westeuropäern ernstlich inkommodiert hat. Deshalb, wie gesagt, haben die meisten meiner Volksgenossen diesen Vorfall auch längst vergessen oder - im günstigsten Fall - in die Gehirnschublade mit der Aufschrift "Mich persönlich nicht betroffen habende historische Ereignisse" abgelegt. Ist ja auch sinnvoll, war um soll man sich mit alten Erinnerungen belasten, denn sowas kann bei uns natürlich nicht passieren. Unsere Atomkraftwerke sind ja bekanntermaßen sicher. Mindestens so sicher (sischer) wie unsere Renten. Ja, fast ist man geneigt, von bombensicher oder noch besser: von todsicher zu sprechen. Außerdem stehen deutsche Atomkraftwerke ja gewöhnlich nicht in den Fußgängerzonen unserer schönen Innenstädte, sondern - genau wie in der Ukraine - immer an besonders unzugänglichen Orten, deren Namen man nicht einmal kennt und eigentlich auch gar nicht kennen möchte. Nehmen wir beispielsweise... ja, was nehmen wir da jetzt? Wie wär's mit Brunsbüttel oder Krümmel? Die fallen mir grad zufällig ein, ich weiß auch nicht wieso. Vielleicht deshalb, weil speziell diese beiden Kraftwerke ja sowas von sicher sind, man kann das gar nicht in Worten ausdrücken. Da muß man schon Zahlen zu Hilfe nehmen. Da ist nämlich höchstens alle 100.000 Jahre mal ein kleineres Vorkommnis zu erwarten. Deshalb nennen es die Pressesprecher der Kraftwerksbetreiber und der deutschen Atom-Lobby ja auch nicht Panne oder gar Störfall, son dern bezeichnen die kleinen Unregelmäßigkeiten, die immer mal wieder gerne passieren und die sich auch gar nicht vermeiden lassen, lediglich als "meldepflichtige Ereignisse". Gut, ok, als Energieunternehmer kann man bei der Unbedeutsamkeit solcher Ereignisse zwar schon mal vergessen, dieselben auch wirklich der Aufsichtsbehörde zu melden, aber warum soll man auch wegen jedes durchgebrannten Trafos oder eines unbedeutenden Lecks im Kühlsystem sämtliche Esel, Quatsch, ich meine natürlich die Pferde scheu machen? Am Ende öffnen dann gar die Bürger noch die o. a. Gedächtnisschublade und geraten ein wenig in Panik. Sowas wollen wir doch unter allen Umständen verhindern, nicht wahr? Seite 30 von 63 © 2007 by Heinz Boente Sonst könnte vereinzelten Mitgliedern des Volkes nämlich einfallen, sich mal ein wenig genauer mit der Materie zu befassen. Dann könnten Fragen aufkommen, zum Beispiel, wann genau der genannte Hunderttausendjahrezähler eigentlich anfängt zu ticken. "Alle 100.000 Jahre" heißt ja nicht, daß eine Apokalypse erst in genau 100.000 Jahren stattfindet, wenn uns Heutigen längst kein Zahn mehr weh tut, sondern das kann nämlich theoretisch auch heißen, daß es schon morgen vormittag knallt - irgendwo in Brunsbüttel, Krümmel, Biblis, Würgassen, Niederaichbach, Jülich, Brokdorf, Gundremmingen, Obrigheim, Hamm-Uentrop oder wie diese Käffer alle heißen. Aber, nun gut, ok, mit den großen Zahlen ist das bekannterweise eh so eine Sache. Die Leute spielen ja auch Lotto bei einer Gewinnchance von eins zu rund 13 Millionen. Daß da eine Chance von eins zu 100.000 ungleich größer ist, hat scheinbar noch niemand so richtig begriffen. Und daß diese Chance alles andere als einen Gewinn darstellt, schon mal erst recht nicht. Und meldepflichtige Ereignisse kommen in einer so komplexen Anlage, wie ein Atomkraftwerk eine ist, ständig vor. Das kann ja gar nicht anders sein. Gut, meist erfährt die Öffentlichkeit davon gar nix, wenn gelegentlich ein kleiner Transformator brennt, der verantwortliche Reaktormitarbeiter mal wieder leicht angetrunken zur Schicht kommt, ein kurzfristiger Computerabsturz stattfindet, der Schlüssel zum Schaltkasten mal wieder nicht zu finden ist, es aus einem Kühlschlauch tröpfelt und, und, und. Das ist ja auch gar nicht weiter schlimm. Gefährlich wird es erst, wenn zwei oder mehr solcher Ereignisse zusammentreffen. Aber dummerweise wird das ganz bestimmt innerhalb der nächsten 100.000 Jahre mal passieren. Wofür sonst hätte Edward A. Murphy damals sein nach ihm benanntes Gesetz erlassen? Aber so ist es halt. Da kann man wohl nix machen. Ähnlich wie seinerzeit Goethes Zauberlehrling, werden wir die gerufenen Atomgeister nun nicht mehr los. Da kann eine Regierung ruhig den endgültigen Atomausstieg beschließen, die nächste macht diese Entscheidung dann kurzerhand wieder rückgängig. Argumente für oder wider lassen sich immer locker finden. Das stärkste Für-Argument unserer sich selber als "christlich" bezeichnenden Partei ist ja bezeichnenderweise derzeit ausnahmsweise mal nicht wirtschaftlicher Art (obwohl vermutlich genau das letztlich dahintersteht), sondern der übermäßige CO2-Ausstoß unserer Kohle- und Ölkraftwerke. Für die christlichen Demokraten (plus einige andere Wirrköpfe) unserer Republik ist deshalb die kohlendioxidfreie Atomkraft die einzige Lösung und vielleicht haben die ja sogar recht, denn auch ein Kohlekraftwerk kann trotz eingebautem CO 2Filter mal explodieren, ein Windrad kann umfallen und möglicherweise dabei sogar den einen oder anderen einsamen Spaziergänger erschlagen, der Gülletank einer Biogasanlage kann ein Leck bekommen und was der apokalyptischen Katastrophen bei diesen teilweise sogar noch völlig unausgereiften Technologien mehr sind. Das stimmt natürlich, und deshalb sage ich nur: Beifall, Unfall, Vattenfall! Aber bei einem leckgewordenen Gülletank stinkt's halt nur ein paar Tage im Dorf und strahlt nicht die nächsten 50.000 Jahre unkontrolliert in der Gegend rum. Man sollte mal darüber nachdenken. A propos nachdenken, seit Tschernobyl steht übrigens eine Frage immer noch unbeantwortet bei mir im Arbeitszimmer. Sie lautet: Wenn der verdammte Atomstrom wirklich so unbedingt notwendig ist, dann müßten bei Wartungsarbeiten an einem deshalb vom Netz genommenen diesbezüglichen Kraftwerk doch irgendwo in unserer Republik sämtliche Lichter ausgehen, oder? Zwar nicht alle, ganz klar, aber doch ein paar. Tun sie aber nicht. Aha! Ach, ich weiß es doch auch nicht! Und überhaupt, damit Sie's nur wissen, liebe Glossenleser, in Wirklichkeit ist alles halb so schlimm. Lediglich 12,6 Prozent der Energie in Deutschland kommt aus Kernkraftwerken. Wenn Sie also gegen Atomkraft sind, schalten Sie doch einfach 12,6 Prozent Ihrer Lampen aus und schon kommt bei Ihnen zu Hause kein Fitzelchen Atomstrom mehr aus der Steckdose. Problem gelöst. Oder umgekehrt: wenn Sie lieber die Erdatmosphäre schützen und CO 2 sparen wollen und deshalb für Atomstrom und gegen Energie aus fossilen Brennstoffen sind, knipsen sie daheim halt nur jede zwölfkommasechste Lampe an. Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Die da oben werden's dann irgendwann schon merken. Ich persönlich tendiere allerdings in eine ganz andere Richtung. Ich habe mich nämlich inzwischen total vom Stromnetz abgehängt und verbrauche sowieso nur noch meine körpereigene Energie, die ich mir zu den Essenszeiten in Form von unverstrahltem Salat, Butterbroten und kaltem Kaffee zuführe. Seit vielen Jahren schon verlasse ich die Wohnung gar nicht mehr, und wenn, dann gehe ich zu Fuß oder benutze öffentliche Verkehrsmittel mit Rußpartikelfilter. Meinen Computer habe ich seit neulich an einen fußbetriebenen Dynamo angeschlossen und wenn ich des abends vor dem ausgeschalteten Fernseher sitze und wieder mal keinen Tatort gucke, sondern stattdessen ein gutes Buch lese, zünde ich mir dazu eine Kerze an. Das ist sowieso viel romantischer. Jedenfalls so lange noch, bis wegen der Seite 31 von 63 © 2007 by Heinz Boente durch diese Glosse veranlaßten vielen Nachahmer das Wachs, das Stearin und die Dochte im Lande knapp werden. Oder die Kerze umfällt und zuerst die Gardine, dann das Wohnzimmer, dann das Haus, Stadecken-Elsheim, Rheinland-Pfalz und schließlich mein ganzes geliebtes Vaterland in Flammen aufgeht. Aber dann ist sowieso alles andere egal. Neues vom Terrorminister (9. Juli 2007) Aus der Presse: 9. Juli 2007 - Schäuble will die staatlichen Befugnisse gegen Terror-Sympathisanten deutlich ausweiten. "Man könnte beispielsweise einen Straftatbestand der Verschwörung einführen wie in Amerika", sagte er. Für Gefährder brachte er ein Kommunikationsverbot im Internet oder mit dem Handy ins Spiel. Schäuble erinnerte zudem daran, daß es in Extremfällen wie der gezielten Tö tung von Terroristen eine ungeklärte Rechtslage in Deutschland gebe. Jetzt dreht er wohl vollends durch, unser sogenannter Innenminister Schäuble. Ich fasse es nicht! Sagen Sie doch selber, liebe Glossenleser, tickt der noch ganz richtig? Wohl kaum. So ein paranoides A...loch - tut mir leid, aber ein passenderer Ausdruck ist mir spontan und auf die der Aktualität des Themas angemessenen Schnelle nicht eingefallen - gehört doch nicht in die Politik, sondern in die geschlossene Abteilung einer Klapsmühle! Wenn es seine Chefin, unsere hochverehrte Frau Bundeskanzlerin, die - wie man allenthalben hören und lesen darf - "ihre Sache doch eigentlich recht gut macht", schon nicht tut, wer haut diesem Paranoiker endlich mal herzhaft eins aufs Maul, auf daß er selbiges künftig nicht mehr in aller Öffentlichkeit so weit aufreißen kann? Denn leider muß man ihn wohl tatsächlich ernst nehmen, unseren Terrorminister. Auch wenn er sich manchmal so aufführt, in Wirklichkeit ist er nämlich gar kein Kabarettist und noch viel weniger ein Satiriker. Er meint es in der Tat so, wenn er sagt (Originalzitat): "...die Bilder von London und Glasgow haben uns erneut vor Augen geführt, wie real die Terrorgefahr ist. Als Innenminister werde ich im Rahmen unserer Verfassung alles Menschenmögliche tun, um Anschläge zu verhindern. Hinter Terrorplänen steckt immer Kommunikation, und an die müssen wir ran. Daher kämpfe ich dafür, dass unter strenger richterlicher Kontrolle auch im Internet Strafverfolgung stattfindet. Das trifft keine unschuldigen Bürger, sondern richtet sich gegen die Helfershelfer des Terrors. Verbrecher nutzen heute in enormem Umfang die Computertechnik - hier dürfen die Sicherheitsbehörden nicht hilflos sein. Es darf und wird den Terroristen nicht gelingen, unser Leben zu beeinflus sen." Ja, so spricht er tatsächlich. Die beiden beschwichtigenden Euphemismen "...im Rahmen unserer Verfassung..." und "...unter strenger richterlicher Kontrolle..." natürlich nicht vergessend. Ja, das sind doch mal Worte. Wunderbar! Damit ist sein verbaler Unfug ja bestens abgesichert und wir braven, unschuldigen Normalbürger ohne größere terroristische Veranlagung brauchen uns überhaupt keine Sor gen zu machen. Jedenfalls so lange nicht, bis der Schäuble demnächst flugs die Verfassung ändert oder unseren Richtern hurtig die passenden Gesetze an die Hand gibt, was ich ihm allerdings durchaus zutraue. Und wie sagt er auch noch? "Es darf und wird den Terroristen nicht gelingen, unser Leben zu beeinflussen." Nein, natürlich darf es das nicht, aber da mache ich mir, ehrlich gesagt, die allerwenigsten Sorgen, denn das haben die Terroristen demnächst sowieso nicht mehr nötig. Zur intensiven Beeinflussung unseres Privatlebens halten wir uns in Deutschland ja extra einen Schäuble. Da ist für andere terroristische Einflüsse und deren Sympathisanten überhaupt gar kein Platz mehr. Und als ob das alles immer noch nicht ausreicht, bringt Terror-Schäuble auch noch die gezielte Tötung zur Sprache. Ja, hallo? Ist es denn schon wieder soweit? Kann es sein, daß ich irgendwas wieder mal nicht mitgekriegt habe? Auf diesem Gebiet haben wir eine unsichere Rechtslage? Aha, das wußte ich noch gar nicht. Ich dachte in meiner Naivität bisher tatsächlich, daß so etwas verboten sei. Aber na ja, wenn Schäuble es doch sagt. Andererseits leiste ich mir die Meinung, daß man sowas allenfalls mal vorsichtig am Proleten-Stammtisch diskutieren kann, aber doch nicht ungestraft in aller Öffentlichkeit von einem Minister verlautbaren lassen darf. Doch leider ist meine Glosse kein Stammtisch, sonst würde mir zum Thema "gezielte Tötung" vielleicht am Ende gar noch was ganz Spezielles einfallen. Vielleicht hat der Terrorminister es auch noch gar nicht gewußt, aber Terroristen benutzen übrigens nicht nur ununterbrochen ihre Handys und das Internet zur Planung ihrer Übeltaten, sondern gelegent lich zur Ausführung auch Koffer und Autos, wie ich kürzlich gelesen habe. Vermutlich wird Schäuble deshalb demnächst auch ein allgemeines Koffertrage- und -abstellverbot verhängen, jawoll! VerSeite 32 von 63 © 2007 by Heinz Boente schärft noch um ein ausdrückliches Fahr- und Parkverbot in den deutschen Innenstädten vor öffentli chen Gebäuden und insbesondere vor dem Innenministerium. Doch weiter im Originalton Schäuble: "Nehmen wir uns ein Beispiel an den Briten, die mit bewundernswerter Gelassenheit reagieren. Und deswegen besuche ich in diesem Sommer besonders viele Konzerte und Sportereignisse, fliege mit dem Flugzeug und mache Urlaub. Weiterleben wie immer, all die Dinge tun, die uns Freude machen - das ist die beste Antwort. Und ob wir auf Mallorca oder im Elbsandsteingebirge Urlaub machen, entscheiden immer noch wir selbst." Ja, wer sagt's denn, da ist doch tatsächlich noch etwas, was wir Bürger immer noch selber entscheiden dürfen: Mallorca oder Elbsandsteingebirge. Klasse! Obwohl, eigentlich fahre ich persönlich lieber ins Weserbergland, aber egal, dann dieses Jahr halt mal ins Elbsandsteingebirge. Warum nicht? Und gut ist auch, daß Schäuble in diesem Sommer besonders viele Konzerte und Sportereignisse besucht, dann brauche ich wenigstens dort nicht hinzugehen. Schade nur andererseits, daß es ihm dabei offensichtlich an der bewundernswerten Gelassenheit unserer britischen Inselfreunde mangelt, aber man kann halt selbst bei seinem Innenminister nicht alles haben. Schließlich ist er auch nur ein... Dings... ein... ach, ich weiß auch nicht. Statt unqualifiziert in der Gegend rumzublubbern und damit sogar den leisen Unmut seiner Oppositionsfreunde und seiner großen Kollisionskollegen auf sich zu ziehen, sollte er lieber mal eine echte Kampagne starten. So eine mit allem Pipapo. Neuerdings, also seitdem nicht nur Schäubles Stuhl, sondern auch der wirtschaftliche Aufschwung wieder so richtig ins Rollen gekommen ist, hätte die Regierung ja sogar Geld genug dafür in der Staatskasse. Schließlich weiß es mittlerweile fast jeder: Aufklärung tut not! Deshalb muß man allen Terroristen in aller Deutlichkeit sagen, daß sich sowas nicht gehört. Das macht man als offiziell deklarierter Gefährder oder Sympathisant einfach nicht, zur Planung von Straftaten ein Handy benutzen. Oder sich im Internet verschwören. Pfui! Ja, wenn nicht mal mehr die Einwanderer und Asylbewerber mit islamischem Migrationshintergrund und all die anderen Terroristen die internationalen Benimmregeln kennen und beherzigen, wer denn dann? Die Stammtischproleten etwa? Oder der Innenminister? Na also. Ich schlage deshalb Anti-Terror-Werbespots zur Prime Time in allen Privatsendern vor. Das reicht schon, denn meiner Erfahrung nach gucken Terroristen keine öffentlich-rechtlichen Programme, oder wenn doch, dann höchstens nur mal ganz selten. Und an Litfaßsäulen mit ausgewählten Standorten in sozialen Brennpunkten oder mittelständischen Wohngebieten könnte man zur Verstärkung auch noch ein paar zündende Anti-Terror-Poster ankleben. Was da draufstehen muß, weiß ich jetzt natürlich auch nicht so genau. Ich kann mich ja nicht um alles kümmern. Aber ich bin fest überzeugt, der Schäuble wird schon die passenden Ideen haben. Er ist ja schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Oder doch? Terror ist laut Brockhaus u. a. auch, ich zitiere: "in der Politik ein Mittel zur Unterdrückung der Op position oder von Widerstandsbewegungen", und das Deutsche Wörterbuch von Knaur definiert Ter ror als "Schrecken infolge von ausgeübter oder angedrohter Gewalt" sowie "Schreckensherrschaft". Offenbar hat Schäuble jedoch weder jemals im Brockhaus geblättert, noch in einem deutschen Wörterbuch. Also, liebe Glossenleser, wir sind doch das Volk, oder nicht? Verschwören wir uns deshalb möglichst schnell gegen unseren Innenminister, den Oberhelfershelfer des Polit-Terrors, und erlassen wir endlich ein Kommunikationsverbot für unseren innenministeriellen Wirrkopf. Bevor der Schäubleterror noch mehr um sich greift, die ganze allseits oft und gerne praktizierte Volksverschwörerei zum Straftatbestand und mein geliebtes Vaterland offiziell in Guantánamo umbenannt wird. Wir dicken Deutschen (23. April 2007) Jawoll! So ist es richtig! Immer feste druff! Erst die Raucher, dann die Säufer, jetzt die Dicken, demnächst die Brillenträger! Unsere Regierung macht ihrem Namen wirklich alle Ehre, das finden Sie doch auch, liebe Glossenleser, oder etwa nicht? Denn sie regiert nicht nur einigermaßen konzeptlos und inkonsequent in der Weltgeschichte rum, sondern neuerdings gerne auch immer tiefer in unsere Privatsphäre, ach, was sag' ich denn da, in unsere Intimbereiche hinein. Was soll die auch anderes machen, unsere Regierung? Außerhalb des Intimen läuft ja sonst alles scheinbar ganz prima, weil andere Regierungen halt ähnlich veranlagt sind und da fällt sowas kaum auf. Jetzt sind wir also neuerdings alle zu fett, wunderbar! Jedenfalls die vielen Millionen meiner Landsleute, die nicht unbedingt Topmodell werden wollen. Die sich für die Volksgesundheit zuständig füh lende uns' Ulla Schmidt, und der Oberverbraucherschützer Horst Seehofer haben tatsächlich auch Seite 33 von 63 © 2007 by Heinz Boente schon gemerkt, wieviele Tonnen Humanfett sich da täglich so durch die deutschen Fußgängerzonen und über die Schulhöfe wälzen. Und eins ist ja wohl ganz klar, wenn die erst einmal etwas gemerkt haben, dann muß natürlich sofort auch eine bundesweite Aktion folgen. Sofort, damit nicht hinterher jemand aus der Wählerschaft oder gar aus der Opposition rummeckern kann: "Ey, ihr habt's gemerkt und nix getan!" Nein, soweit darf''s natürlich nicht kommen. Andererseits, was soll's? Die Deutschen sind die fettesten Europäer. Ja, und? Ist doch Klasse! Da sind wir endlich mal auf einem Gebiet führend in Europa, und dann ist das auch wieder verkehrt. Ja, kann man denen da oben denn überhaupt nichts mehr recht machen? Anscheinend nicht. Fit statt fett, lautet demzufolge die neue Devise von Ulla und Horst. Als ob fette Menschen nicht auch durchaus fit sein könnten. Wie wär's also mit fit und fett oder fit trotz fett oder von mir aus sogar fit weil fett, der Möglichkeiten gäb's gar viele. Aber nein, auf sowas Naheliegendes kommen unsere Politiker ja nicht. Die denken immer nur so furchtbar negativ an Pandemien, Volkskrankheiten, Diabetes, Adipositas, Verdauungsstörungen, und Folgekosten. Und sowieso, immer wird mit Geld argumentiert und uns Bürger durch den Hinweis auf dräuende Kostenexplosionen das Fürchten gelehrt. 70 Milliar den Euro soll unsere Volkswirtschaft angeblich für die Folgen des großen Fressens ausgeben müssen. Allerdings bis zum Jahre 2020. Hallo? Das sind pro Jahr mal gerade schlappe fünf Milliarden. Da verbraten der Minister Jung allein für unsere Verteidigung im Lande und am Hindukush und der Schäub le für seine Wahnideen zum vorgeblichen Bevölkerungsschutz jeweils locker das Sechsfache, so daß sich die nur 40 Milliarden für die Versorgung der erkrankten Aktiv- und Passivraucher dagegen direkt bescheiden ausnehmen. Von den lächerlichen 20 Milliarden für die Beseitigung der Flat-Rate-Saufund ähnlichen Alkoholgebrauchsschäden will ich gar nicht reden, die können locker aus der parla mentarischen Portokasse bezahlt werden. Und überhaupt, was heißt hier eigentlich ausgeben? Da haben uns' Ulla und der Horst doch gar nichts mit zu tun. Die ganze Kohle wurde ja lange vorher in Form von Krankenkassenbeiträgen und teuren Privat- und Zusatzversicherungen eingezahlt. Und zwar von uns Betroffenen selber. Also bitte! Allmählich kommt mir allerdings der fürchterliche Verdacht, daß etwas mit einer derartigen Inbrunst Vorgetragenes irgendwie doch wohl nicht gar so falsch sein kann. Fit statt fett, das muß einfach funktionieren! Jawohl, es muß! Glauben jedenfalls uns' Ulla und der Horst. Gut, schon richtig, die Tausende, ach was, Hunderttausende, nein, Millionen von Diäten, Ernährungsvorschriften, Abnehmempfehlungen, Fernsehkochsendungen, Kalorientabellen, und Schlankheitsprogramme haben andererseits der überfetteten Menschheit nicht geholfen. Seit sie damals von den Bäumen runtergeklettert ist, wurden ihre Bäuche und Hintern und Hüften im Gegenteil immer barocker. Da hat nix, aber auch rein gar nix genützt. Kein diet und fat free stuff aus Amerika und keine Appelle an die Vernunft, kein Fitness-Studio und keine ausgeklügelten Turn- und Foltergeräte. Aber Schmidt und Seehofer, ja, die werden's mit ihrem zündenden Slogan diesmal vielleicht packen. Könnte sein. Oder aber auch nicht, denn ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll, wenn man uns jetzt nach den vielen anderen schönen Dingen des Lebens auch noch regierungsseitig den Appetit verderben will. An die Millionen und Abermillionen Arbeitsplätze in den Brauereien und Schnapsdestillerien, in der Zigaretten- und Tabakindustrie, in der sowieso schon durch die Klimaerwärmung schwer gebeutelten Agrarwirtschaft, in den Lebensmittelkonzernen und der Süßwarenindustrie, bei den multinationalen Fast-Food-Ketten und den ebenso überregionalen Abfüllern sanft gezuckerter Softdrinks, bei den Döner- und anderen Ethnofreßbuden, bei den Herstellern textiler Übergrößen und nicht zuletzt bei den Produzenten von Schlankheitspillen denkt nämlich außer mir mal wieder keiner. Typisch! Rauchfreie Kneipen, Antialkopops und lauter fitte statt fette Arbeitslose, ja, so sieht's wohl bald aus hier bei uns in Seehoferschmidtland. Spitzenmäßig! Hier glaubt wirklich jeder Regierungshänsel und jede Politgretel, irgendwie öffentlich mitmischen zu dürfen und zu können. Bestimmt macht sich demnächst auch unsere bisher noch recht stille Entwicklungshilfeministerin Heidemarie WieczorekZeul wichtig... vergessen Sie den Satzanfang nicht, aber ich muß hier einfach einschieben, daß ich mich bei diesem Namen immer unwillkürlich frage, wie wohl der Negerhäuptling Wumbaba ihn ausspricht, wenn er bei ihr mal wieder um ein paar Millionen Euro Entwicklungshilfe für den Aufbau seiner Privatarmee bettelt - jetzt geht es weiter mit dem unterbrochenen Satz ...indem sie kühn behauptet, wir armen Bürger seien ebenfalls total unterentwickelt. Und unsere Bildungsministerin Anette Schavan stellt öffentlich fest, daß wir allesamt sowieso zu doof... ach so, halt mal, das wissen wir ja seit der letzten Klassenfahrt nach Pisa schon längst selber. In der Tat schon etwas verwirrend, das Ganze. Seit einigen Minuten wundere ich mich deshalb, wer von meinen Landsleuten da überhaupt wohl noch durchblickt. Von einigen Glossenschreibern abgesehen, sicher die allerwenigsten. Daß die MerSeite 34 von 63 © 2007 by Heinz Boente kelsche schon lange vor ihrem Amtseid nicht wußte, was, wie, wo und warum es irgendwelche Zusammenhänge gibt, ist ja offensichtlich. Obwohl ich persönlich andererseits von einer richtigen Regierungschefin schon irgendwie ein gewisses Organisationstalent erwarte und verlange. Also, mal ganz konjunktiv gesprochen: ich würde verlangen, falls ich eine hätte, eine richtige Regierungschefin, meine ich. Aber so wurschtelt halt jedes ihrer Kabinettsmitglieder unkontrolliert, unkoordiniert, ungebremst und ungestraft vor sich hin, so daß dem bartstoppeligen pfälzischen Parteivorsitzenden samt sämtlichen Splitterparteiführern im Parlament jedesmal die Spucke wegbleibt, was dann wiederum im Laufe der Zeit die völlige Austrocknung der Politikergehirne zur Folge hat und gar nix mehr geht. Oder halt nur Kinder sind Zukunft, Du bist Deutschland, fit statt fett und ähnlicher Schwachsinn dabei rauskommt. Jedenfalls frage ich mich, was die Regierer da oben glauben, daß wir Bürger hier unten eigentlich sind. Schon klar, kinderfeindliche, terrorverdächtige, unintegrierte, versoffene, verfressene, nikotinsüchtige, unterentwickelte, depperte, kohlendioxidausstoßende, faule und unflexible Sozialschmarot zer sind wir. Ja, herzlichen Dank, da kann ich unsere Angela sogar fast verstehen, solch ein Volk möchte ich auch nicht regieren müssen! Nicht wirklich, jedenfalls. Ok, in durchaus zahlreichen Einzelfällen mögen die da oben sogar recht haben, aber doch nicht bei uns allen. Und wegen dieser paar Einzelfälle muß der Rest von uns unter den grandiosen ministeriellen Soloaktionen leiden. Also dann, nicht mehr rauchen, nicht mehr trinken, nicht mehr essen. Nur noch Turnen bis in die Urnen, Fit statt fett, Ohne Bauch und Rauch und Trinkste keinen mit, bleibste länger fit. Finden wir uns bis zur nächsten Bundestagswahl damit ab. Mann, was werden wir bis dahin gemäß der Schmidt/Seehofer-Aktion rank und schlank! Vielleicht. Alt zwar, aber dünn. Genauer: dermaßen fit, daß wir alle immer noch älter werden. Aber nun brüllt uns ja sofort der Dings, also der für die Renten zuständig ist, ich komm' im Moment nicht auf den Namen, dazwischen: "Wer soll das denn bezahlen, wenn alle Bürger demnächst immer älter werden und sich statt mit Ende 60 ordnungsgemäß auf den Friedhof zu betten, bis weit in die 90 hinein durch den Stadtpark rennen?" Und unsere bundesblonde Gebärmutter stimmt gleich in den Jammerchor ein: "Stimmt, jetzt haben wir zwar die vielen Krippenplätze, aber immer noch viel zu wenig Kleinchen. Los jetzt, Kinder machen, Leute!" Tja, so blödelt halt jeder auf seinem Gebiet vor sich hin so gut oder schlecht er eben kann. Das kommt davon, wenn unserer Kanzlerin der Gesamtüberblick und die Koordinationsfähigkeit fehlen und deshalb in ihrer großen Kollision die CDU nicht weiß, was die SPD will und die CSU tut, und keiner da ist, der laut "Halt!" schreit. Ich meine, sich bemühen schlank zu werden geht ja noch, aber das Kindermachen wird bei den vielen widersprüchlichen Politaktionen bald schon doch ein wenig schwierig für's Volk, denn selbst das allseits sonst so beliebte Bumsen macht im Grunde gar keinen richtigen Spaß mehr. Erstens ist man vor lauter Fitness abends total müde, zweitens soll man bekanntlich nicht hungrig und durstig ins Bett gehen und drittens, wenn man nicht mal mehr die Zigarette danach rauchen darf, was ist das dann noch für ein Leben? Wie eingangs schon gesagt, nach den Rauchern, den Trinkern und den Essern sind demnächst wohl die deutschen Brillenträger dran. Wegen der hohen Krankenkassenzuzahlungsunterstützungsbeträge oder wie das heißt, welche aufgrund der bis kurz vor den absoluten Nullpunkt abgesenkten Unterneh menssteuern und der horrend gestiegenen Spritkosten für den Einsatz der Bundeswehr-Tornados in Afghanistan von der Gesundheitsreform (oder wer immer dafür zuständig ist) nicht mehr finanziert werden können. Also weg mit den Brillenträgern! Außerdem gibt es in meinem geliebten Vaterland seit einiger Zeit sowieso nicht mehr allzu viel, was sich zu betrachten lohnt. Und die Überschriften bestimmter Boulevardblätter kann man bekanntlich auch ohne Brille entziffern. Wenn Sie, liebe Glossenleser, also zu dieser gefährdeten Spezies mit der Glasprothese vor den Pupillen gehören, sollten Sie sich jetzt schon mal langsam geistig-seelisch darauf vorbereiten, daß die nächste große Volksgesundheitsaktion bundeskabinettseitig sicher schon in Vorbereitung ist. Vermutlich heißt es dann: Schnuppern statt Gucken. Und à propos schnuppern, mir jedenfalls stinkt diese Wichtigtuerei und das ewige Einmischen unserer Regierung in meine Privatangelegenheiten sowieso schon lange. Und die Höhe meines Übergewichts in Form meines, wie heißt das neuerdings so fachmännisch-international, ja, richtig, Body Mass Index geht die schon mal überhaupt nix an! Sein und haben (23. April 2007) Ja, liebe Glossenleser, wir haben's tatsächlich geschafft. Dem Himmel und sämtlichen Intendanten sei Dank! Die ARD-Themenwoche Kinder sind Zukunft ist vorbei und ich habe vielleicht nicht mal beSeite 35 von 63 © 2007 by Heinz Boente sonders großen Schaden an Leib und Seele genommen, aber wer vermag das jetzt, so kurz danach, schon genau zu sagen? Schließlich war das dazugehörige Logo rechts oder links oben auf dem Fernsehschirm ja nicht nur im Ersten, sondern auch in allen dritten Programmen selbst beim besten Willen leider nicht zu übersehen. Und vermutlich hat es sich deshalb auch fest in die Netzhäute der Zuschauer eingebrannt. Wer weiß? Bei den Unterschichtenfernsehglotzern natürlich nicht, ist klar, die haben das vermutlich nicht einmal bemerkt, das mit den Kindern und der Zukunft, und denen ist's vermutlich auch egal, weil deren Zukunft ja fest auf den Schultern von noch nicht gefundenen Superstars und dringend benötigten Topmodels ruht. Also gut, Kinder sind Zukunft, warum auch nicht? Schließlich sind wir ja auch Papst und ich bin Deutschland. Oder bin ich in meinem Alter gar schon Vergangenheit? Nein, soweit ist es ja zum Glück noch nicht. Aber Gegenwart bin ich, daß weiß ich ziemlich genau, auch ohne mich ins Ohrläppchen zwicken zu müssen. Mein Großvater allerdings, ja, der ist wirklich Vergangenheit, deswegen hat er ja auch keine Zukunft mehr. Obwohl er die noch hatte, als er damals Gegenwart oder sogar Kind war, ganz klar. Womit uns mal wieder die Vergänglichkeit allen Seins deutlich bewußt geworden ist. Alles nur eine Frage der Zeit (das weiß ich von der Leyen). Und natürlich eine Frage der Rea lität, deren Bewußtsein allerdings wohl bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehmachern und ihren heimlichen Auftraggebern, unseren Politikern, mittlerweile vor lauter EU-Ratspräsidentschaft ziemlich geschwunden sein muß. Ja, und was ist denn nun die Realität? Ich meine, die Realität für unsere Kinder? Noch genauer: für die Kinder, die irgendwann mal die Zukunft sein sollen? Sieht wohl gar nicht so gut aus, oder? Die Klimakatastrophe wird sich verschlimmern, die Bedrohung durch die Kim Jong Ils, die Bushs, die Schäubles und die Achmadinejads dieser Welt wird immer größer und das Studium an deutschen Universitäten immer teurer. Aber, ok, dafür werden auch die Rentenansprüche immer kleiner und die Lebensarbeitszeiten immer länger (die braucht man dann allerdings auch, weil man sonst mit dem Schreiben von Bewerbungen um einen Arbeitsplatz gar nicht mehr fertig wird). Und - nicht zu vergessen - die heute schon zu wenigen Parkplätze werden von immer mehr Autos beansprucht, weil es mit der Industrie ja seit neulich ununterbrochen steil bergauf geht. Aber komischerweise verhungern andererseits trotz schwindender Regenwälder täglich Tausende von Menschen (unter ihnen sogar - wie ich kürzlich zufällig gehört habe - ein paar der woanders so dringend benötigten Kinder) und anstän dige Glühbirnen gibt's demnächst auch nicht mehr. Für Katzenfutter wird man auch weiterhin den niedrigen und für Windeln und Kinderwagen den vollen Mehrwertsteuersatz zahlen dürfen. Könnte es also sein, daß ich selber, wenn ich heute noch Kinder in die Welt zu setzen gezwungen würde, angesichts dieser Zukunft gar kein Kind mehr sein bzw. zeugen wollte? Genau, das könnte durchaus sein. Selbst wenn man mir eine Million Krippenplätze anböte oder diese andere blonde Zivilisationsbedrohung, diese eben schon mal kurz erwähnte Leyen, mir eins ihrer zahlreichen Kinderzimmer samt Amme kostenlos zur Verfügung stellte. Ja, und damit sind wir dann wohl endlich bei dem gravierenden Unterschied zwischen den beiden Hilfszeitwörtern 'sein' und 'haben' angelangt. Es kommt halt immer drauf an, wie man sie einsetzt. Kinder sind Zukunft, aber sie haben keine. Umgekehrt geht's natürlich auch: wir haben zwar eine Regierung, sie ist aber keine. Oder noch eine sprachliche Feinheit, zweimal dasselbe am Beispiel 'sein': ich bin Deutschland, aber trotzdem bin ich in den Augen eines paranoiden Innenministers eine potentielle Bedrohung für mein geliebtes Vaterland. Und zum Schluß dasselbe auch noch mit 'haben': wer sich diese dämliche ARD-Kampagne ausgedacht hat, hat einen an der Waffel und hat auch keinen blassen Schimmer von der Realität. Ja, Sprache macht Spaß! Zwar habe ich dank meines vielen letztwöchigen Fernsehens und des dadurch verursachten Eingebranntseins des schönen ARD-Logos auf meiner Netzhaut diese Idiotenaktion immer noch permanent vor Augen, aber das wird sicher mit der Zukunft schwinden. Hoffe ich jedenfalls. Computer-Zugriff (12. April 2007) Das Kooperationsangebot eines aufrechten Patrioten an seine Sicherheitsorgane Mein Schreiben an den Verfassungsschutz, an den Bundesnachrichtendienst (BND) und an das Bundeskriminalamt (BKA) --- dem militärischen Abschirmdienst (MAD) zur Kenntnis. Sehr geehrte Damen und Herren unserer deutschen Sicherheitsdienste, wie Ihnen sicherlich aus zahlreichen Veröffentlichungen in Presse, Rundfunk und Fernsehen bekannt ist, hat das Bundesinnenministerium endlich eine im Hinblick auf die höchst unsichere Lage meines Seite 36 von 63 © 2007 by Heinz Boente geliebten Vaterlandes dringend notwendige und längst überfällige Grundgesetzänderung geplant, nach der es Ihnen demnächst ganz legal u. a. möglich sein wird, private Computer auf Dateien zweifelhaften, genauer gesagt: unzweifelhaft terroristischen oder gar staatsfeindlichen Inhaltes zu überprüfen. Und zwar heimlich, ohne das Wissen oder gar die Einwilligung des jeweiligen Computerbesitzers. Das finde ich persönlich im Dienste der Volkssicherheit nicht nur Klasse, sondern dürfte bei den heutigen technischen Möglichkeiten, über die Sie ja hoffentlich mittlerweile auch schon verfügen, sicherlich kein allzu großes Problem für Sie und Ihre Spezialisten darstellen. Sofern, versteht sich, diese privaten Computer nicht über irgendwelche, bisher noch halbwegs legale Schutzmechanismen wie beispielsweise Feuerwände oder doppelte Böden oder abschließbare biometrische Fingerabdrücke oder sowas ähnliches verfügen, die einen externen Zugriff - wie ich gehört habe - vollständig blockieren oder mindestens irgendwie erschweren sollen bzw. können. Bitte erwarten Sie in diesem Zusammenhang keine präzisen technischen Details von mir, in puncto Sicherheit kenne ich mich leider nicht ganz so gut aus wie Sie und Ihre Institutionen. Ich kann mir aber andererseits gut vorstellen, daß diese künftige, Ihnen von Ihrem Chef, unserem nicht hoch genug zu verehrenden Herrn Innenminister, aufoktroyierte geheime, zu allem Überfluß vermutlich auch noch nächtlich durchzuführende Überprüfung von rund 40 Millionen deutschen Pri vatcomputern gewiß Ihre derzeit bekanntermaßen sowieso schon knappen Ressourcen ziemlich belasten wird, wenn sie nicht gar vereinzelt sogar zu Überstunden Ihrer Mitarbeiter führt, die Ihnen dann für andere, noch wichtigere Staats- und Bevölkerungsschutzaufgaben und -maßnahmen fehlen und darüber hinaus auch noch den Staatshaushalt unserer Bundesrepublik unnötig belasten. Um Ihnen und Ihren Mitarbeitern in meinem Fall also diese zusätzliche Arbeit zu ersparen und somit eine Kostenexplosion genauso wie andere zu erwartende Explosionen auf Bahnhöfen, Flughäfen und sonstigen öffentlichen Plätzen geflissentlich zu vermeiden, halte ich es für meine staatsbürgerliche Pflicht, Ihnen in diesem Schreiben mitzuteilen, was sich so alles auf meinem eigenen Computer befindet. Damit haben Sie dann nämlich schon mal eine erste Übersicht und können es bei einem kurzen Kontroll-Hacking bewenden lassen, gewissermaßen nur um festzustellen, daß ich Ihnen hier auch wirklich alles korrekt gemeldet habe. Ich habe ja schließlich nichts zu verbergen und Ihnen deswegen erst gestern nachmittag meine sämtlichen Computerfeuertüren aufgesperrt. Bitte behalten Sie dies jedoch für sich. Danke! Also, auf der C-Platte meines Rechners habe ich das Betriebssystem Windows 2000 installiert, sowie die meisten System- oder systemnahen Programme, Sie wissen schon. Dabei kann ich Ihnen leider allerdings nicht hundertprozentig genau sagen, was sich beispielsweise hinter den Dateien reglocs.old oder msmqprop.log verbirgt, aber das ist Ihnen sicher bekannt. Und meine gesamte eMail-Korrespondenz finden Sie auf genau derselben Platte ganz in der Nähe des Ordners Outlook Express (oder vielleicht auch da drin, genau weiß ich's nicht, denn, ehrlich gesagt, ich habe noch nie nachgeschaut, weil's mich auch nicht so sehr interessiert, mein Computer macht das nämlich immer irgendwie automatisch). Meine D-Platte enthält ein paar mp3-Musikdateien, aber alles super korrekt, ganz klar, nix illegal aus dem Internet runtergeladen oder raubkopiert und so, sondern die habe ich in mühsamer stundenlanger Kleinarbeit von meinen eigenen Schallplatten für meinen ausschließlich persönlichen Gebrauch erzeugt. Dort sind auch einige private Fotos gespeichert - ok, ok, zugegeben, ein paar nackte weibliche Busen sind zwar auch dabei, aber - und das möchte ich ausdrücklich betonen - das sind eigentlich überhaupt nicht meine eigenen, sondern die habe ich in Form von PowerPoint-Dateien oder als sonstige Mail-Anhänge von anderen Leuten zugeschickt bekommen, und das ist ja auch, soweit ich weiß, nicht ungesetzlich, solange ich sie vor minderjährigen Kleinchen und vor unseren eingebürgerten isla mistischen Sittenwächtern sorgfältig verborgen halte, was ich natürlich immer mache. Außerdem finden Sie dort auch noch ein bißchen anderen Software-Kram wie z. B. unschuldige, kinderfreundliche virtuelle Brettspiele (nur Mahjongg und Solitär, nix mit Ballerei, Blutspritzen, Totmachen und so). Meine überaus freundlichen und teilweise sogar humoristischen Glossen sowie die zur Schreibung derselben erforderlichen Textbearbeitungsprogramme sind allesamt auf der E-Platte im gleichnamigen Ordner Glossen, aber die hätten Sie natürlich alle genauso gut auch schon im Internet auf meiner privaten Webseite lesen können, wenn Sie's nicht sogar schon getan und sich somit von der öffentlichen Harm- und Wirkungslosigkeit überzeugt haben. Ganz hinten auf dieser Platte finden Sie übrigens auch eine unglücklicherweise schon etwas ältliche Originalversion des deutschen Grundgesetzes im PDF-Format, in die ich gelegentlich aus nostalgischen Gründen hineinschaue. Die dürfen Sie sich im Bedarfsfall natürlich gerne kopieren und von mir aus auch an Ihren Chef im Innenministerium weitergeben. Seite 37 von 63 © 2007 by Heinz Boente Im übrigen sollten Sie zusätzlich zu den o. a. Computerinformationen über meine Person noch wissen, daß ich nicht vorbestraft bin und - das erwähne ich nur der Vollständigkeit halber - vor knapp zwei Jahren die 20 Euro wegen einer geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Auto meiner Frau in einer 70er-Zone korrekt und fristgemäß bezahlt habe. Außerdem bin ich seit meiner Pubertät heterosexuell, aber dabei völlig un- ja, ich möchte fast sagen sogar antipädophil. Ich trenne ordnungs gemäß meinen Müll und parke beim Einkaufen niemals auf den Behindertenplätzen (bis auf dieses eine Mal, kurz vor Ladenschluß, also zu einer Zeit, wo alle anderen Behinderten sowieso ihr Haus nicht mehr verlassen, und das ist auch schon über acht Wochen her, wie Sie sicher wissen). Ich trage meinen Bart recht kurz geschnitten, spreche nicht arabisch und gehöre demzufolge keiner fundamentalistischen Vereinigung, ja nicht mal einem Schützenverein an. Die Namen Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar und Murat Kurnaz kenne ich nur vom Hörensagen und für die Stasi habe ich auch nie gearbei tet. Ehrlich! Falls Sie also nichts weiter Verfängliches über mich in Ihren Unterlagen oder Akten stehen haben sollten (wovon ich naturgemäß und natürlicherweise nichts wissen kann und darf), erkläre ich mich hiermit offiziell für einigermaßen unbescholten. Ja, das ist schon alles, verehrte Damen und Herren vom BND, BKA, Verfassungsschutz und MAD. Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen über mich und den Inhalt meiner Festplatten geholfen und dadurch meinem geliebten Vaterland einen zwar wertvollen, aber gleichzeitig auch kostensparenden Dienst erwiesen zu haben. Deshalb wünsche ich mir zum Schluß nur noch, daß möglichst viele loyale Mitbürger meinem guten Beispiel folgen und verbleibe mit deutschem Gruß (das darf man als deutscher Staatsbürger doch ruhig so sagen, oder?) ergebenst Ihr HB PS: Gerade fällt mir beim Korrekturlesen dieses Schreibens noch auf, daß ich ja vollkommen vergessen habe, Ihnen die notwendigen Kennwörter mitzuteilen, die ich normalerweise beim Absichern meiner Computerdateien gegen unbefugten Zugriff verwende. Die brauchen Sie als nunmehr Befugte natürlich, sonst kommen Sie ja gar nicht dran an meine Daten. Meine Kennwörter sind im Prinzip ganz simpel und Sie können sie sich deshalb auch ohne Hauptschulabschluß leicht merken. Ich benutze nämlich der Einfachheit halber immer dieselben beiden 9-stelligen Begriffe. Sie lauten entweder SCHAEUBLE oder BLOEDMANN, je nachdem. Wobei ich jetzt dummerweise gar nicht mehr so genau weiß, wann ich warum welches Kennwort welcher Datei zugeordnet habe (ich kann mir halt auch nicht immer alles merken). Probieren Sie's beim nächsten grundgesetzabgesicherten Zugriff auf meinen Rechner also einfach mal aus. Mit der Kombination SCHAEUBLE und BLOEDMANN kommen Sie bei mir auf jeden Fall weiter - sogar bis an die nackten PowerPoint-Busen, wenn Sie unbedingt wollen. Frauenkarrieren und Karrierefrauen (14. März 2007) Männliche Überlegungen am Frauentag, oder: 750.000 Krippenplätze, wozu? Ich persönlich, liebe Glossenleser, weiß jetzt gar nicht, ob Sie sich noch genauso gut daran erinnern können wie ich, aber früher starben die Menschen früher. Und nicht nur die Menschen, sondern auch die Frauen - Moment, also nicht, daß Sie mich da jetzt mißverstehen, was ich sagen will, ist, daß auch die Frauen früher durch ihr früheres Ableben viel weniger Zeit hatten, Kinder zu kriegen. Heutzutage ist das natürlich total anders. Man wird einfach neuerdings gerne älter als früher. Auch die Frauen, ganz klar. Gut, ok, Frauen zwar weniger älter als wir Männer - halt, nein, das ist ja schon wieder mißverständlich, was schreibe ich mir da bloß für ein Zeugs zusammen? Also, Frauen werden zwar ab einem gewissen Zeitpunkt offiziell nicht mehr wesentlich älter (dieser Zeitpunkt liegt irgendwo bei Erreichung des dreißigsten Lebensjahres, wenn ich mich nicht irre), aber sie leben trotzdem länger. Länger als früher auf jeden Fall. Und statistisch durchschnittlich länger als wir Männer sowieso - so, jetzt hab' ich's. Ergänzend kommt hinzu, daß die meisten Frauen das Wort 'Karriere' früher gar nicht kannten. Nicht mal vom Hörensagen, weil, das war ja erstens traditionsgegeben reine Männersache, und zweitens stand das früher leider nicht im "Goldenen Blatt für die moderne Frau" oder in der "Cosmopolitan". Und überhaupt, wer früher als Frau ausschließlich mit der Aufzucht von Kleinchen zu tun hatte, brauchte ja nicht einmal unbedingt lesen zu können. Ich kann da auch nix für, aber, wie gesagt, früher war das nunmal so. Auch das hat sich natürlich inzwischen geändert, theoretisch hätten Frauen heutigentags zwar viel mehr Lebenszeit, um Kinder kriegen zu können, aber nee, geht nicht, weil ihnen jetzt plötzlich das Karriereverlangen dazwischenkommt, denn eine lesenkönnende Frau ohne anständige Karriere, das ist Seite 38 von 63 © 2007 by Heinz Boente ja gesellschaftsmäßig fast so lächerlich wie ein Mann, der, statt in karierten Knickerbockers, mit umgebundener Küchenschürze und Wischfeudel in der Hand in seinen Golfclub kommt. Und Kinder und Karriere gleichzeitig, tja, das funktioniert als Frau nunmal nicht richtig. Das hat was mit Biologie, mit Soziologie und irgendwie wohl auch mit Theologie zu tun. Aber da geht es uns Männern ja nicht an ders, denn entweder schaffen wir uns einen Schäferhund an, strolchen mit ihm Tag für Tag stundenlang durch Wiesen und Felder und lassen uns fortgeschleuderte Stöckchen zurückbringen oder wir steigen in die Führungsspitze eines multinationalen Konzerns auf. Entweder - oder. Beides zusammen geht beim besten Willen nicht. Außer man hat zufällig eine nichtkarrierendierende Frau, die dreimal am Tag den Hund zum Pinkeln, Herumstrolchen und Stöckchenwiederbringen führt, aber welcher Mann hat das schon. Ja, liebe Glossenleser, und genau daher kommt das Elend, in dem wir heute stecken. Nix klappt mehr richtig mit der guten alten Leitkultur in meinem geliebten Vaterland. Unsere Frauen sind frustriert wegen ihrer verpaßten Karrierechancen, wir Männer sind frustriert wegen unserer frustrierten Frauen, die Alpengletscher schmilzen dahin, Deutschland hat das Topmodel immer noch nicht gefunden und das mit den Kindern und den Renten funktioniert schon mal überhaupt nicht. Da helfen auch 750.000 neu zu schaffende Krippenplätze nix, denn was nützt der schönste Krippenplatz, wenn kein Kindlein da ist, daß man anbeten... nein, Blödsinn, das ist ja eine ganz andere Geschichte... ich meine natürlich, wenn die Kindlein fehlen, um sie, die Krippenplätze, überhaupt artgerecht füllen zu können. Und wo her kommt das wohl? Na, ist doch klar, denn selbst wenn wir Biologie, Soziologie und Theologie mal außen vor lassen, kann man als Frau einfach keine vernünftige Karriere machen, wenn einem ständig quengelnde Kleinchen am dunkelgrauen Business-Kostümrock herumzupfen, den Geschäfts-Laptop für Ballerspiele mißbrauchen oder auf Muttis Diensthandy unbedingt fernsehen wollen. Es steht wirklich schlimm um uns. Aber dennoch braucht niemand zu verzagen, denn es gibt ja mich. Die Zeiten sind zwar vorbei, liebe Glossenleser, daß ich offiziell für's Denken bezahlt wurde, aber ich kann's nunmal nicht lassen, auch wenn es - wie gesagt - völlig umsonst ist, weil ich Biologie, Soziologie und Theologie sowieso nicht ändern kann. Aber trotzdem habe ich, obwohl selber männlichen Geschlechtes, den kürzlich verflossenen internationalen Frauentag (zur Erinnerung: der war am 8. März) sinnvoll genutzt und mal wieder ein wenig nachgedacht. Und nicht nur das, sondern ich habe auch ei nen gangbaren Lösungsweg aus dem genannten Frauenkarrieredilemma gefunden, auf den unsere gesamtes Bundeskasperletheaterkabinett überhaupt noch gar nicht gekommen ist. Selbstverständlich kann man sogar in Deutschland als Frau Kinder kriegen und auch Karriere machen! Das ist überhaupt kein Problem. Besonders jetzt nicht mehr, nachdem der Müntefering oder der andere, ist ja auch völlig egal, gerade das Renteneintrittsalter um zwei Jahre heraufgesetzt hat. Auch wenn er dabei ganz sicher nicht an mich gedacht hat, und auch wenn es durchaus ohne diese Heraufsetzung funktioniert hätte, paßt das nämlich ganz prima in mein Konzept. Im Grunde ist nämlich alles ganz einfach, liebe Glossenleser, man muß nur mal ein wenig rechnen und eventuell hier und dort noch ein ganz klein wenig herumreformieren - und schon klappt's. So zum Beispiel: eine halbwegs intelligente deutsche Frau macht mit 18 Abitur. Dann läßt sie sich gleich nach der Abschlußfeier (oder von mir aus auch schon während) hurtig, sagen wir, zweimal schwängern und ist demzufolge nach der Geburt des zweiten Kindes erst 20 Jahre jung. Nun widmet sie sich in den nächsten Jahren ausschließlich der Kindererziehung (dazu braucht's dann sogar überhaupt gar keine Krippenplätze, weil dieselbe ja am heimischen Herd stattfindet), bis die Kleinchen mit 18 selber erwachsen sind und ihre staatsbürgerlichen Zeugungs- und Gebärpflichten erfüllen können. Die Frau ist nun gerade mal erst 38 Jahre alt, schreibt sich stracks an der nächsten Uni ein, studiert acht Semester irgendwas und tritt im besten Alter von 42 ihren Traumjob an. Bis zur Rente mit 67 hat sie nun ein ganzes Vierteljahrhundert Zeit, in dem sie sich absolut kinderverantwortungsfrei voll und ganz auf Machterwerb, Mitarbeiter, Meetings, Mobilität, Marketing, Massenentlassung, Mobbing, und was karrieremäßig sonst noch wichtig ist, konzentrieren kann. Zum Schluß bekommt Frau sogar noch eine goldene Uhr für ihre 25-jährige Betriebszugehörigkeit, kann froh und glücklich nach einem ausgefüllten Karriereleben ins wohlverdiente Rentnerinnendasein hineintreten, ganz in Ruhe ihre "Cosmopolitan" lesen oder gegebenenfalls mit dem Schäferhund des mittlerweile völlig ausgepowerten Ehegatten Gassi gehen. Etwas weniger intelligente Frauen ohne großartige Karriereambitionen (solche soll es ja auch geben, wie mir kürzlich aus berufenem Munde berichtet wurde) oder sonstige Unterschichtlerinnen mit und ohne Migrationshintergrund kriegen ihre beiden Kinder halt schon mit 14 oder 15, erziehen diese dann logischerweise und sozialschichtgemäß auch nur 14 oder 15 Jahre lang und können danach lo kker und kinderbefreit ihren 400-Euro-Job in der inzwischen rauchfreien Gastronomie antreten, den sie Seite 39 von 63 © 2007 by Heinz Boente nach extrem kurzer Ausbildungszeit ("kucks du hier, Alde: konkret Messer rechts, Gabel links") durchaus mehr als 35 Jahre ausüben können, weil gesundheitliche Schäden ja nun nicht mehr zu befürchten sind. Ja, liebe Glossenleser, damit ist wieder einmal bewiesen, daß gelegentliches Nachdenken sich tatsächlich lohnt. So verblüffend einfach ist das nämlich alles. Mit nur ein bißchen Mathematik kann man auch ohne endlose Bundestagsdebatten, ohne komplizierte Gesetzesvorlagen und sogar völlig ohne teure zusätzliche Krippenplätze zu einer säkularen, ja, ich möchte fast sagen: epochalen Problemlösung kommen. Hiermit sei sie allen Berliner Berufsreformern großzügig mitgeteilt. Mich wundert bloß wieder einmal mehr, daß das unserer blonden, besonders von mir hochverehrten Bundesfamilienministerin Ursula von der Dings... wie heißt die doch noch gleich... Leyen, richtig, nicht sofort einge fallen ist. Soviel Durchblick hätte man eigentlich von einer angeblichen Karrierefrau mit Doktortitel doch verlangen können, oder? Aber sieben Zwerge am Rockzipfel sind auch wirklich ein bißchen zu viel für eine anständige Frauenkarriere. Da muß man bzw. Mann einfach ein wenig Verständnis haben, daß dabei hauptsächlich Mist rauskommt. Finde ich jedenfalls. Heil Europa (22. Januar 2007) oder: Plauderei über ein höchst unerfreuliches Thema Aus der Presse: 15.01.2007 - Erstmals seit 13 Jahren gibt es im EU-Parlament in Straßburg wieder eine Fraktion der Rechtsextremen. Ihr gehören 20 Abgeordnete aus Frankreich, Italien, Belgien, Großbritannien, Österreich sowie den neuen EU-Staaten Bulgarien und Rumänien an. Ermöglicht wurde der Zusammenschluss der neuen Gruppierung namens "Identität, Tradition und Souveräni tät" (ITS) durch die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens, die zusammen sechs Abgeordnete vom äußer sten rechten Rand ins Europaparlament entsenden. Hatte ich nicht, liebe Glossenleser, kürzlich erst noch meiner Befürchtung Ausdruck verliehen, daß unsere beiden neuen EU-Partner Rumänien und Bulgarien möglicherweise noch die eine oder andere Überraschung für uns im Ärmel haben? Und? Wieder einmal habe ich als Ihr KvD (Klugscheißer vom Dienst) recht behalten. Was die Franzosen, Belgier, Italiener, Briten und Ösis alleine nicht geschafft haben, zusammen mit unseren neuen Transsilvanern geht's auf einmal. Ab sofort herrscht also ganz offiziell Identität, Tradition und natürlich Souveränität im Elsaß und auch anderswo in Europa. Jetzt haben wir sie endlich wieder, die drei grandiosen Tugenden, die wir dreizehn Jahre lang so schmerzlich vermissen mußten. Einfach schön, wie man goebbelsartig mit den richtigen Worten seine wahre Gesinnung verschleiern kann. Identität, Tradition und Souveränität spricht sich zwar ein bißchen holperig, ist aber, so vermute ich, inhaltlich mindestens fast ungefähr beinahe ähnlich nachhaltig wirksam wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Ich bin richtig ein wenig begeistert! Jedenfalls haben die neuen alten Rechten ab sofort sogar Sitz und Stimme im Europaparlament und nicht mehr nur in einigen wenigen, von unseren heimischen Jungwählern sorgfältig selektierten Länderparlamenten meines geliebten Vaterlands. Heil, heil und vorsichtshalber nochmals heil, obwohl letztlich dann doch eigentlich keine so ganz richtigen Nazis fortan die Geschicke Europas mitlenken, sondern bloß ein paar hirnamputierte ITS-ler (klingt zwar nicht ganz so gefällig wie Nazis, aber da werden wir uns schon dran gewöhnen). Unter ihnen der oberbekloppte Jean-Marie Le Pen und, nicht zu vergessen, die noch beklopptere Alessandra Mussolini, ihres Zeichens gleichnamige Enkelin. Aber wenigstens ist diesmal kein Deutschnationaler dabei. Puh, da haben wir ja noch mal richtig Glück gehabt! Genau genommen sind die eingefleischten Rechtsidioten ja sowieso eigentlich nie und nirgendwo so richtig verschwunden. Ganz im Gegenteil. Sie erinnern sich, liebe Glossenleser: der Führer und größter Feldherr aller Zeiten wollte bekanntlich seinerzeit ein Tausendjähriges Reich errichten. Und in der Tat, wenn ich mich heute, fast ein dreiviertel Jahrhundert nach der Machtergreifung, so umschaue und -höre in meinem geliebten Europa, hat er das wohl auch geschafft. Irgendwie jedenfalls. Zumindest in vereinzelten verschwurbelten Gehirnen, denn wie sagt man, im Führerbunker brennt noch Licht, und rechte Schweridioten sind zäh und sterben nunmal leider nicht nur nicht aus, sondern ihre Vermehrungsrate steigt im Gegensatz zu allen anderen sogar noch langsam aber stetig an. Und während wir braven schuldbeladenen deutschen Bürger seit 1945 ununterbrochen bis heute immer noch heftig und unverzagt mit der Aufarbeitung unserer braunen Vergangenheit beschäftigt sind, was bekanntermaßen aufgrund der schweren Last unserer Erbsünde bzw. Kollektivschuld leider bis heute nur sehr schleppend vorankommt, verdienen sich inzwischen die heimischen Hersteller von Springerstiefeln, die Verkäufer von Bomberjacken und die Produzenten von Kopfkahlschermaschinen und hakenkreuzähnliSeite 40 von 63 © 2007 by Heinz Boente chen Fanartikeln eine goldene Nase. Und der souveräne Export dieser überaus traditionsreichen rechten Identitätsaccessoires ins befreundete EU-Ausland scheint ebenfalls zu boomen, daß es nur so kracht. Nun ja, man ist schließlich nicht umsonst Exportweltmeister, nicht wahr? Gewiß, es ist seinerzeit sogar auch schon mal versucht worden, die zweifelhaften braunen Parteien und Organisationen samt ihrer unverbesserlichen hohlköpfigen Mitglieder in Deutschland verfassungsrechtlich einfach verbieten zu lassen, aber das ist bei der deutschen Justiz leider nicht ganz so leicht, wie Sie bestimmt noch wissen, liebe Glossenleser. Da sind unseren Gerichten formale Verfahrensfehler einfach wichtiger als die Sache selbst. Schließlich leben wir ja nach wie vor in einem Rechtsstaat - ups, das Wort sollte man in diesem Fall wohl am besten mal nicht ganz so wörtlich verstehen. Oder etwa doch? Also, heil Europa! Oder ist Europa vielleicht gar nicht mehr zu heilen? Fast könnte man diesen Eindruck gewinnen mit der neuen Rechtsfraktion, die sich unter dem freiheitlich-toleranten Schutzmäntelchen der Demokratie in unserem Europaparlament etabliert hat. Aber andererseits erregte die kürzlich in Deutschland angelaufene Filmgroteske von Dani Levy Mein Führer mit Helge Schneider in der Titelrolle eine sogar noch höhere Medien-Aufmerksamkeit mit anschließenden gehörigen Kontroversen in Presse, Funk und Fernsehen. Huch, darf man denn das? Ein Spaßvogel als Adolf Hitler? Man solle im Rahmen einer anständigen Vergangenheitsbewältigung doch erstmal der Opfer gedenken, bevor man sich über die Täter lustig macht, höre ich allenthalben. Doch genau so erging es seinerzeit auch schon Charlie Chaplin als Der große Diktator und vor kurzem erst Walter Moers und Thomas Piger mit ihrem leider viel zu wenig beachteten Spottlied und Animationsfilmchen Ich hock in meinem Bonker (Adolf, du alte Nazi-Sau). Und auch der von mir hochgeschätzte türkisch-deutsche Kabarettist Serdar Somuncu, der mit seinen lachkrampferzeugenden Lesungen und Interpretationen aus Mein Kampf den äußersten Unmut nicht nur der Neonazis, sondern erstaunlicherweise auch den unserer übereifrigen Vergangenheitsbewältigungswächter erregte, mußte sich dieselbe Kritik gefallen lassen. Erstmal aufarbeiten, bevor man lachen darf, heißt es da also folglich bei unseren berufenen Schlechtgewissenmachern der Nation. Meine Frage dazu: was bitte darf ich denn genau unter 'Aufarbeitung' und 'Vergangenheitsbewältigung' verstehen? Daß ich täglich eine Viertelstunde lang über die Untaten meiner Altvorderen jammere und Asche auf mein Büßerhaupt streue? Daß ich einmal monatlich zum Holocaust-Denkmal in unsere Reichs... pardon... Bundeshauptstadt pilgere und mich dort in Selbstvorwürfen verzehre? Das kann's doch wohl nicht sein! Ich finde nämlich ganz im Gegenteil, daß Humor und Satire genau die richtige Art der Vergangenheitsbewältigung sind. Zumindest für mich und für mittlerweile über 80 Prozent meiner Miteuropäer, denen die immer wieder gern zitierte Gnade der späten Geburt zuteil wurde. Niemand von uns Spätgeborenen will doch ernsthaft sechs Millionen unschuldige Opfer vergessen oder gar verunglimpfen. Beileibe nicht! Andererseits können wir sie durch permanentes Gejammer und krampfhaft aufrechterhaltene Schuldgefühle aber auch nicht wieder ins Leben zurückrufen. Jedoch können wir durch einen etwas unerzwungeneren Umgang mit unserer Vergangenheit möglicherweise und hoffentlich verhindern, daß sich rechtes Gedankengut (besser: Gedankenschlecht) immer wieder in unverbesserlichen Neonazihohlköpfen festsetzt. Denn nichts verunsichert rechtsextreme Armleuchter mehr, als wenn man sie nicht ernst nimmt und sogar über sie und ihre großen Vorbilder lacht. Und darüber hinaus - jetzt soll ruhig mal der Psychologe zu den Zentralrä ten sprechen - läßt sich ein schlechtes Gewissen ganz prima verdrängen, was aber einem Menschen Vergnügen bereitet, bleibt viel besser haften. Doch was mache mich mir hier eigentlich überhaupt Gedanken und tippe dieselben sogar noch in meinen Computer, das ist wahrscheinlich vollkommen vergebliche Liebesmüh. Warum das so ist? Zur Beantwortung dieser Frage lasse ich zum Schluß einfach mal den Führer höchstselbst zu Wort kommen und zitiere aus der Einleitung zu seinem Jahrtausendwerk: "Ich weiß, daß man Menschen weniger durch das geschriebene Wort als vielmehr durch das gesprochene zu gewinnen vermag, daß jede große Bewegung auf dieser Erde ihr Wachsen den großen Rednern und nicht den großen Schreibern verdankt." Ja, da hat er wohl ausnahmsweise mal recht, der Führer. Deshalb, liebe Glossenleser, rufen Sie mich bedarfsweise an, dann erzähle ich Ihnen dasselbe gerne noch mal am Telefon. Damit, wie gesagt, die große Bewegung gegen Rechtsextremismus und Nazitum mir endlich mal ihr Wachsen verdanken kann... oder jedenfalls so ähnlich. Soviel Identität und Souveränität sollten wir linken und mittigen Europademokraten zusätzlich zu unserem sprichwörtlichen Humor doch wohl schon auch in uns erwecken dürfen, denn bei rechtsgerichteten Dumpfbacken kann man traditionell schließlich gar nicht wachsam genug sein! Seite 41 von 63 © 2007 by Heinz Boente Killer-Spiele (17. Januar 2007) Wissen Sie eigentlich, liebe Glossenleser, worüber ich mich freue? Natürlich wissen Sie's nicht, woher sollten Sie's auch wissen, deshalb sag' ich's Ihnen: ich freue mich über das kurz bevorstehende endgültige Verkaufsverbot von Computer-Killer-Spielen. Jawohl. Das heißt, nicht nur das Verbot selber wird mir ein Quell der Freude sein, sondern viel mehr die Konsequenz daraus, an der nicht nur unsere Justizministerin Brigitte Zypris, sondern nachfolgend vor allem unsere besonders von mir persönlich hochverehrte Familienministerin Dr. Ursula von der Leyen beteiligt sein wird. Nun, daß kugelhagelnde und blutspritzende Gewaltspiele nicht unbedingt in die Hände bzw. auf die Bildschirme von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden gehören, ist ja ganz klar. Das ist im Grunde auch völlig unnötig, denn zum Erlernen von Gewalttaten braucht man nicht unbedingt einen Computer. Die Vergangenheit meines Volkes hat's bewiesen. Nein, unsere heutigen Kleinchen sollen schon lieber der meist völlig gewaltfreien und unaggressiven Musik bei MTV und Viva lauschen und natürlich auch gerne immer wieder die neuesten Klingelmelodien für ihre Handys aus dem Internet herunterladen. Damit sind ihre Nachmittage schon genügend ausgefüllt. Außerdem kann man sich auf den Schulhöfen unserer Hauptschulen auch ohne elektronische Anleitungen ganz prima die Nasen blutig boxen, das ist überhaupt kein Problem. Somit findet ein Verkaufsverbot gewaltverherrlichender Software an Minderjährige meine ausdrückliche Zustimmung - was natürlich andererseits nicht heißt, daß die pfiffigen Kids nicht doch irgendwie unter der Hand an diesen Kram kommen (soo blöd sind die ja nun auch wieder nicht). Aber wenigstens ist's dann offiziell verboten und deshalb brauchen un sere Politiker sich dann künftig nicht mehr in Selbstvorwürfen zu verzehren. Gesetz ist schließlich Gesetz, und wer's nicht befolgt, ist selber schuld und kriegt eins auf die Mütze. Fertig. Aber nun fängt's ja überhaupt erst richtig an spannend zu werden. Denn wenn unsere Justizministerin erst einmal die Killer-Spiele verboten haben wird, ja, dann kann es wohl nicht mehr lange dauern, bis unsere besonders von mir persönlich hochverehrte Familienministerin ihrerseits mit einer grandiosen Gesetzesvorlage aufwartet. Diese wird sich allerdings mehr an die Generation 18+ (sprich: Dschenerehschen Ehtihn Plaß) richten und das ist auch ganz in Ordnung so. Künftig sollten nämlich meiner Meinung nach alle gebär- und zeugungsfähigen deutschen Menschen einschließlich der offiziell eingebürgerten Migranten (zwecks Anpassung an unsere Leitkultur) per Gesetz verpflichtet werden, sich zur Anregung ihres Geschlechtstriebes täglich mehrere Stunden lang Pornofilme auf ihren Computern anzuschauen. Paarweise, versteht sich. Ist ja wohl auch ganz logisch: wenn Killer-Spiele unsere Kleinchen zu spontanen Gewalttaten anregen, dann werden Pornos unsere Großchen gleichermaßen zu spontanen Zeugungsakten veranlassen. Ja, und damit ist das Problem des allgemeinen Aussterbens in meinem geliebten Vaterland dann endlich vom Tisch, genauer: vom Teppich, oder von mir aus eventuell auch vom Bett (sofern vor lauter Anregung die Zeit überhaupt noch reicht, vom Computer ins Schlafzimmer zu gelangen). Jetzt weiß ich allerdings gar nicht so richtig, ob ich vielleicht bisher noch der einzige Bürger bin, dem dieser großartige Gesetzesvorschlag eingefallen ist, und unsere besonders von mir persönlich hochverehrte Familienministerin Dr. Ursula von der Leyen möglicherweise überhaupt noch gar nicht auf diese tolle Idee gekommen ist. Sollten Sie also demnächst mal nach Berlin reisen, liebe Glossenleser, dann sagen Sie's ihr doch bitte. Es kann nämlich sein, daß unser Urselchen immer noch ein wenig böse auf mich ist, seit ich ihr im Mai letzten Jahres meinen Arsch mit Ohren Wanderpreis verliehen habe. Was ich natürlich jetzt, situationsgegeben und nach etwas längerem Nachdenken meinerseits, zutiefst bedauere. Frei zum Abschuß (5. Januar 2007) Also ehrlich, Schäuble, wenn ich dir nicht schon letztes Jahr meinen "Arsch mit Ohren" Wanderpreis verliehen hätte, spätestens jetzt wärst du reif dafür! Du erinnerst dich doch sicher noch an meine Glosse vom 11. Februar 2006 anläßlich des seinerzeit bevorstehenden Fußballspektakels, als du die bei uns Freunden zu Gast seiende Welt mit unserer Bundeswehr begrüßen wolltest, oder? Damals wolltest du doch in deinem paranoiden Sicherheitswahn die ehrbaren deutschen Grenadiere auf allen Stadiondächern postieren und vorher kurzerhand und zackzack in "Bundespolizisten" umbenennen, weil in unserem Grundgesetz ein Wehrmachtseinsatz im Landesinneren dummerweise nicht vorgesehen ist. Hat zwar nicht ganz geklappt und war auch gar nicht nötig, aber, wahrlich, wahrlich, du bist schon ein ganz schön Ausgefuchster, Schäuble. Seite 42 von 63 © 2007 by Heinz Boente Ja, und deswegen wundert's mich auch überhaupt nicht, daß du jetzt mit deiner herrlichen Worterfindung "Quasi-Verteidigungsfall" erneut spitz aus dem Gebüsch kommst. Deine köstlichen Spracheskapaden in allen Ehren, Schäuble, aber damit kannst du uns mündige Bürger nun wirklich nicht mehr reinlegen. Außerdem sind wir alle gar nicht so ängstlich wie du glaubst, daß wir sein müßten. Mal nebenbei gefragt, wem verdankst du eigentlich all diese pfiffigen Quasi-Ideen? Da bist du doch nicht ganz alleine drauf gekommen, da hat dir doch bestimmt deine Ingeborg ein bißchen bei geholfen, oder lernt man sowas, wenn man Jura studiert? Ist eigentlich auch nicht so wichtig, aber sag' mal, bist du denn wirklich nicht mehr zu retten? So, so, jetzt willst du also bei Eintritt deines Quasi-Verteidigungsfalls demnächst Flugzeuge abschießen lassen. Natürlich nicht alle, ist klar, sondern nur die, die von Terroristen gekidnappt und gesteuert wer den. Bevor die noch mehr Unheil anrichten und womöglich in irgendeines unserer maroden Kernkraftwerke abstürzen, bzw. abstürzen gelassen werden. Klingt ja auch irgendwie logisch: lieber hundert unschuldige Menschen draufgehen lassen, bevor tausend noch unschuldigere getötet werden. Tausend minus hundert ergibt neunhundert gerettete Leben. Stimmt! Das ist nicht nur unbestechliche Schäuble-Mathematik, nein diese Rechnung könnte dir ja im Eintrittsfalle sogar den Ehrentitel "Lebensretter-Schäuble" einbringen, hurra! Nein, ohne Spaß jetzt mal, das ist schon relativ großartig, Schäuble. Da solltest du dich auch von dei nen empörten Bundestagskollegen, von den Journalistenschmierfinken und von den meisten deiner ebenso unschuldigen wie erstaunten Mitmenschen nicht inkommodieren lassen, und vom Bundesverfassungsgericht schon mal gar nicht. Die nehmen dich alle ja sowieso längst nicht mehr ernst (hoffe ich zumindest). Und die Terroristen erst recht nicht, die lachen sich vermutlich tot über dich, und damit ist das ganze Terrorproblem ja sowieso aus der Welt. Dank Schäubles Quasi-Dingern. Gratuliere! Allerdings frage ich mich trotz der sich inzwischen totgelacht habenden Terroristen, wie dein QuasiVerteidigungsfall wohl in der täglichen Praxis ausschauen mag, Schäuble. Nehmen wir also mal an, daß da so ein Airbus A320 mit hundertfünfzig braungebrannten Urlaubern und ein paar mit Nagel knipsern, Rasierschaum und hochexplosiver Baby-Nahrung bis an die Zähne bewaffneten Terroristen im Anflug auf den Frankfurt International Airport ist (daß die vorher über Stadecken-Elsheim in der Warteschleife waren, können wir bei diesem Beispiel, glaube ich, getrost ignorieren). Das weißt du aber zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht, Schäuble, daß da mit dem Flieger irgendwas nicht stimmt, oder hast du etwa mit den Terroristen dieser Welt vereinbart, dich jedesmal vorher kurz anzurufen, wenn die was im Schilde führen? Wie dem auch sei, Schäuble, kurz hinter Kelsterbach dreht also die Maschine plötzlich ab und hält statt auf die Landebahn West stramm auf das Hochhaus der Deutschen Bank in der Frankfurter Innenstadt zu. Von Kelsterbach bis dorthin sind es ungefähr 15 Kilometer Luftlinie, die selbst ein mit nur 350 km/h fliegender Airbus locker in knapp drei Minuten hinter sich gebracht hat. Watt nu, Schäuble? Nee, sag' mal noch nix, denn du kennst mich ja als positiv denkenden Menschen und deshalb unterstelle ich sogar noch, daß ein fixer Oberleutnant der deutschen Luftwaffe (ich bitte, das Wort 'fixer' in diesem Zusammenhang nicht mißzuverstehen, deshalb habe ich's ja auch klein geschrieben) unmittelbar nach Entgegennahme deines Telefonalarmanrufs - also sofort nachdem du den Quasi-Einsatz zur Quasi-Verteidigung mit unserer Quasi-Kanzlerin abgeklärt hast - mit seinem Kampfjet in zwei Minuten hinter dem Airbus in idealer Schußposition ist und auf den roten Knopf an seinem Steuerknüppel drückt. Zisch, Bumm. Weg ist der Airbus, weg sind die bösen Terroristen und weg sind dummerweise auch die hundertfünfzig braungebrannten Unschuldigen, aber egal, das hast du ja einkalkuliert, Schäuble. Das heißt, so ganz weg ist das ja alles dummerweise nicht, sondern kracht Sekunden später brennend und mit voller Wucht in den Frankfurter Hauptbahnhof, so daß die Special Effects Jungs aus Hollywood denken, es sei schon wieder mal ein September über die zivilisierte Welt hereingebrochen. Nun wärst du in deiner Eigenschaft als Innenminister (vielleicht tue ich dir jetzt sogar ein ganz klein wenig unrecht, Schäuble, aber das lasse ich diesmal drauf ankommen) vielleicht gar nicht mal so furchtbar unfroh wegen der paar Bahnhofsjunkies und Penner, die da gerne immer an den Hinterausgängen herumlungern, aber was ist mit den tausenden von ehrbaren, steuerzahlenden Fernreisenden und Pendlern, die dort kaffeeschlürfend ganz unschuldig auf ihre verspäteten Züge warten? Vom Bahnhofsgebäude selbst, der Ditsch-Brezelbude und den vielen anderen schönen Geschäften da drin mal ganz abgesehen. In diesem Fall geht deine Rechnung leider irgendwie nicht so recht auf, Schäuble, denn jetzt hättest du ja mit einem Schlag schon ein paar tausend Menschen auf dem Gewissen (ich nehme sicherheitshalber mal an, du hättest eins). Seite 43 von 63 © 2007 by Heinz Boente Ach so, du meinst man solle das Terrorflugzeug vor dem finalen Rettungsschuß in jedem Fall vorher sicherheitshalber in den Spessart oder den Taunus ablenken lassen. Ja klar, das wäre natürlich theoretisch denkbar, das war ja auch nur ein ganz einfaches Bahnhofsbeispiel meinerseits mit ganz alltäglichen einfachen Menschen, noch einfacher als du und ich. Aber denk' doch nur mal umgekehrt: wenn jetzt ein Flugzeug voller Theologie-Professoren eines katholischen deutschen Priesterseminars vom Wochenendausflug aus Bangkok kommend von einem Terroristen auf einen einsam am Mainufer spazierengehenden langzeitarbeitslosen Kinderschänder ohne Hauptschulabschluß zugesteuert wird, was dann? Hand auf's Herz, Schäuble, Quasi-Verteidigungsfall oder was? Ich an deiner Stelle wäre jedenfalls von heute an sehr vorsichtig, Schäuble. Ich persönlich halte dich ja schon seit deiner Amtseinführung lediglich für einen armen Irren, der von unserer Quasi-Kanzlerin wohl irgendwie aus Mitleid oder wegen derselben christlichen Parteizugehörigkeit, was weiß denn ich, auf den Innenministerrollstuhl gesetzt wurde und den man deshalb nicht so ganz ernst nehmen darf. Aber vielleicht sieht irgendein Mitmensch in meinem geliebten Vaterland, der nicht so verständnisvoll ist wie ich, dich tatsächlich als ernsthafte Bedrohung an und läßt dich bei nächster Gelegenheit mitsamt deinem Rollstuhl von einer gut trainierten deutschen Eurofighter-Staffel kaltblütig abschießen - nach dem rechnerischen Motto: ein einzelner Schäuble gegen 80 Millionen Bundesbürger... tja, das würde selbst ich dann quasi gar nicht mal so recht zu verhindern wissen. Seite 44 von 63 © 2007 by Heinz Boente Wissenschaft und Technik Emily (17. Oktober 2007) Neues aus der Wissenschaft: 13.04.2007 - Mikrowellen als Sprengstoff-Spürnasen: Das Forschungszentrum Jülich hat ein Gerät entwickelt, das Limo von Lösungsmitteln und Babynahrung von FlüssigSprengstoff unterscheiden kann. Kennen Sie Emily, liebe Glossenleser? Nein, ich meine nicht diese obskure Comic-Figur aus USA (die müssen Sie sowieso nicht kennen), sondern ich meine eine neue kluge Apparatin, die so heißt. Das heißt, genaugenommen heißt sie nicht mal Emily, sie heißt wie eine Abkürzung, was ja bekanntlich bei Apparaten und Apparatinnen oft und gerne der Fall ist. Und diese Abkürzung lautet MLI, welches, wenn man es nur richtig ausspricht, halt wie Emily klingt. Außerdem finde ich Emily sowieso viel netter als Microwave Liquid Identification. Aber das wiederum hört sich natürlich unter Fachleuten und solche, die sich gerne dafür halten lassen, viel seriöser an. Weil englisch und weil abgekürzt. Wobei Emily natürlich im Grunde auch nichts anderes ist als die englische Schreibweise des schönen alten Namens Emilie. Der Vater von Emily ist der Physiker Dr. Norbert Klein vom Institut für Bio- und Nanosysteme am Forschungszentrum Jülich, der zusammen mit seinem Team jahrelang an ihrem Innenleben geforscht und gebastelt hat. Dabei hört es sich so einfach an, was Emily kann: von einem schwachen Sender strahlt sie Mikrowellen in eine Flüssigkeit, die dort von den einzelnen Molekülen zurückgeworfen (wir Fachleute sagen reflektiert) werden. Je nachdem wie die Flüssigkeit zusammengesetzt ist, verändert sich dabei das Magnetfeld dieser Mikrowellen. Diese Veränderungen werden von Emily's Sensoren gemessen, ausgewertet und in harmlos oder verdächtig (grünes oder rotes Lämpchen) eingeteilt in Sekundenbruchteilen. Und das ist prima, denn damit kann Emily ruckzuck feststellen, ob in einer Vittel-Flasche auch wirklich Vittel drin ist. Oder eben was anderes. Wofür das gut sein soll? Na, ist doch wohl klar, denn die Menschheit als solche besteht ja bekanntlich von ihrer Entwicklungsgeschichte her aus nomadisch veranlagten Wesen und hat deshalb, auch wenn der zivilisierte Teil heutzutage in einigermaßen festen Behausungen wohnt, immer noch einen gewissen Hang, wenigstens einmal pro Jahr nach Mallorca oder Antalya fliegen zu müssen. Und schön ist es dann natürlich für die mobile Menschheit, wenn der Hin- oder Rückflug direkt zum Ziel, und nicht durch irgendwelche World Trade Center oder andere Hochhaustürme führt. Auch mag der einzelne Reisende - von fanatischen Selbstmordattentäteridioten jetzt mal abgesehen - es gar nicht gerne, wenn sein Flugzeug mitten im schönsten Flug plötzlich gesprengt wird. Das ist zwar meines Wissens noch niemals vorgekommen, aber das hält natürlich die beiden Katastrophenbeauftragten dieser Welt (keine Sorge, die Namen Bush und Schäuble bleiben hier jetzt unerwähnt) nicht davon ab, sich so etwas theoretisch vorzustellen, es danach mit aller Kraft und Beharrlichkeit der mobilen Menschheit einzureden und schlußendlich sogar einige Maßnahmen zu ergreifen. Die mobile Menschheit wagt ja sowieso nicht, auf eine eventuell vorhandene relative Unverhältnismäßigkeit solcherart ergriffener Maßnahmen zu reagieren und sich beispielsweise zu wundern, warum sie nur hundert Milliliter Mineralwasser mit an Bord nehmen darf und nicht etwa hundertfünfzig. Darauf können sich die beiden Katastrophenbeauftragten schon felsenfest verlassen. Andererseits darf man seine geliebten Dynamitstangen schon auch seit jeher nicht mit in den Urlaub nehmen, zumindest dann nicht, wenn man ein Flugzeug benutzt. Genauso wenig wie Samurai-Schwerter, Handgranaten, Maschinenpistolen und Nagelscherchen, an denen man sich verletzen oder mit deren Hilfe man die Piloten zwingen könnte, nicht in Düsseldorf, sondern in Mogadischu zu landen. Ich meine, selbst mir ist klar, daß auch und besonders Terroristen und ihre Waffenlieferanten nicht schlafen, sondern unablässig bemüht sind, immer schönere Sprengstoffe zu entwickeln. In fester und flüssiger Form. Vielleicht sogar solche, die so ähnlich aussehen wie Hipp's Hühnchen-mit-Reis (ob die dann auch so ähnlich schmecken, vermag ich jetzt gar nicht mal zu sagen). Und deshalb ist es im Sinne der allgemeinen Flugsicherheit nur recht und billig, all sowas an Bord eines Flugzeugs zu verbieten, egal ob Hipp, Vittel, Chanel No. 5, Erdbeerjoghurt oder Cola. Schon korrekt. Allerdings ist die mobile Menschheit ja nicht nur nomadisch veranlagt, sondern viele ihrer Mitglieder sind zu allem Überfluß auch noch strohdumm. Warum auch sollte man sich vor einem Flug über entsprechende Sicherheitsbestimmungen informieren, nicht wahr? Und so kommt es, daß alleine am Düsseldorfer Flughafen Monat für Monat acht Tonnen Blödheit, genauer: acht Tonnen flüssige oder halb Seite 45 von 63 © 2007 by Heinz Boente flüssige Waren im Wert von rund zwei Millionen Euro schnurstracks in die blauen Kübel der Sicherheitsleute wandern. Entschädigungslos, versteht sich. Und das nur in Düsseldorf - ich rechne diese Mengen jetzt lieber mal gar nicht erst auf alle Flughäfen meines geliebten Vaterlandes hoch. Es ist schon toll, da feilscht die mobile Menschheit im Reisebüro stundenlang um zwei Euro, die sie bei ihrer Pauschalreise unbedingt sparen will (ganz im Sinne der Geiz-ist-geil-Mentalität), und dann opfert sie bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen locker und widerspruchslos das Zehnfache in Form einer dicken Tube Antifaltencrème oder eines Familienglases Knoblauchzehen in Chili-Marinade (von der Nutella, auf die man ja während des Fluges und im Urlaub auf gar keinen Fall verzichten kann, mal ganz abgesehen). Gut, die mobile Menschheit könnte ja die Crème auf dem Körper verteilen und auch den Chili-Knoblauch mit Nutella noch schnell verspeisen bevor sie ins Flugzeug steigt, aber selbst auf sowas Naheliegendes kommt ja kaum jemand von den Blödis. Dazu ist die Aufregung vor der großen Reise auch viel zu groß. Also ab in die Tonne mit dem sauer erarbeiteten Bruttosozialprodukt. Tschüß, ihr Millionen! Schade drum. Soweit die bereits ergriffenen Maßnahmen und die bestehenden Gegebenheiten. Doch mit diesem ganzen Theater ist ja bald Schluß. Dank Emily. Schon ziemlich genial, diese Erfindung und ein wah rer Segen für die mobile Menschheit obendrein. Einfach bei der Sicherheitskontrolle die zahlreichen, aus lauter Blödigkeit im Handgepäck mitgebrachten Tiegel, Tuben, und Töpfchen, sowie Flaschen, Näpfchen und Döschen auf den Mikrowellensensor legen und abwarten, was Emily dazu sagt. Grün oder rot... this is the question bzw. the answer. Und ich bin sicher, es wird bei den meisten Türkeiund Spanienurlaubern grün leuchten, denn wahre Selbstmordattentäter haben noch ganz andere Sprengmöglichkeiten als ordinäre Flüssigseife, Möhrensaft oder gar als Asbach Uralt getarntes Nitroglyzerin im Reiserucksack. Ja, so einfach, praktisch und doch wirkungsvoll kann Technik sein, und damit außerdem jede Menge Volksvermögen sparen. Ich sage nur: Spitzenklasse! Und das meine ich diesmal ausnahmsweise nicht ironisch! Hoffen wir bloß, daß die Terroristen jetzt nicht herausfinden, daß ein über den Wolken ge trunkener Liter Zwiebelsaft plus zweihundert Milliliter schnell hinterhergeschlucktes Rizinusöl sich im menschlichen Körper zu einer ziemlich hochexplosiven Mischung verbinden, die jedes noch so stabile Flugzeug locker in hunderttausend oder mehr Stücke reißen kann. Ich bitte Sie daher eindring lichst, liebe Leser, diese Glosse ausnahmsweise vertraulich zu behandeln und keinesfalls in die Hände der Selbstmordattentäter oder anderer Flugzeugentführer in Ihrem Bekanntenkreis gelangen zu lassen. Damit täten Sie der mobilen Menschheit wahrlich keinen Gefallen. Besonders jetzt nicht, wo Emily vermutlich schon ab der nächsten Urlaubssaison zu den allerschönsten Hoffnungen berechtigt. Demente Hühner (14. September 2007) oder: was die Hühneraugenstatistik mit wissenschaftlichem Rauchen zu tun hat Neues aus der Wissenschaft: Rotterdam - Raucher und Raucherinnen leiden im Alter etwa doppelt so häufig an Demenzerkrankungen wie Nichtraucher oder ehemalige Raucher. Das haben Mediziner aus den Niederlanden beobachtet. Der Grund für diesen Zusammenhang ist noch unklar. Das Rauchen könnte das Demenzrisiko über verschiedene Mechanismen beeinflussen, berichten sie in der Fachzeitschrift "Neurology". Och nö, liebe Glossenleser, finden Sie nicht auch, daß mal langsam gut sein sollte mit dieser unheiligen Raucherinquisition? Ist ja schon in Ordnung, alles klar, immer ruhig bleiben, Leute. Wir Raucher wissen auch, daß Teer, Nikotin und Kondensat nicht zu den allergesündesten Substanzen gehören. Und zwar wissen wir das schon seit geraumer Zeit, also so ungefähr seit die Seefahrer des späten 15. Jahrhunderts die ersten Tabakblätter aus der Neuen Welt nach Europa eingeschleppt hatten und der erste kräftige Lungenzug mit anschließendem heftigen Hustenanfall getan war. So gesehen ist dieses permanente Verbreiten von mehr oder weniger zusammenhanglosen Horrormeldungen eigentlich völlig unnötig. Eingefleischte Nichtraucher interessiert es nur insoweit, als daß es ihnen wieder einmal einen angenehmen Siehste-Schauer über ihren Rücken treibt, und unverbesserliche Raucher wird es eh nicht von der Fortsetzung ihres lasterhaften und volksgesundheitsschädigen den Verhaltens abhalten. Ob diese Panikmache allerdings die minderjährigen Rauchnovizen motivieren wird, gar nicht erst mit ernsthafter Qualmerei anzufangen, weiß ich natürlich auch nicht, ich hoffe es zwar, gestatte mir aber trotzdem leichte Zweifel. Aha, sieh' an, unsere Holländer mal wieder! jetzt sterben wir Raucher also nicht nur früher und beinSeite 46 von 63 © 2007 by Heinz Boente los, sondern wir werden vorher auch noch schnell dement. Ist ja echt Spitzenklasse! Dann haben wir's wenigstens sofort vergessen. Das mit den abben Raucherbeinen, meine ich. Andererseits ist die obige Feststellung unserer unermüdlichen niederländischen Wissenschaftler schon ein echter Hammer gegen uns Hexen, genauer: Raucher, obwohl, na ja, was heißt das schon, ...könnte das Demenzrisiko über verschiedene Mechanismen beeinflussen? Hallo? Will mich da wieder jemand mit seinem konjunktivistischen Wörterwischiwaschi verarschen? Das hätte ich doch gerne etwas genauer, denn derartige Allgemeinplätze schrecken mich nicht sonderlich. Im Gegenteil. Das hört sich ja genauso an, als ob unser Panikminister Schäuble vor einer möglichen Terrorgefahr in meinem geliebten Vaterland warnt. Oder Müntefering von seinem festen Willen spricht, jetzt endlich mal was gegen die Massenarbeitslosigkeit zu unternehmen. Bei sowas hört ja mittlerweile jeder weg. Ich zumindest. Denn sonst könnte ich beispielsweise ja auch gleich behaupten, daß diverse Modalitäten, deren genaue Zusammenhänge aber bei Gelegenheit erst noch geklärt werden müssen, zu einem unter Umständen zu erwartenden Risiko eines nicht ganz so nachhaltig positiven Ergebnisses führen, wie es scheint. Und ich fürchte, das wird mir sogar geglaubt. Schließlich gelte ich in gewissen Kreisen als sprachliche Autorität. Und es klingt ja auch irgendwie wichtig. Nein, da verlasse ich mich doch lieber auf eine solide Statistik. Die ist nämlich unumstößlich. Genauso wie die meist darin enthaltenen Zahlen. So steht beispielsweise fest, daß etwa dreißig Prozent aller erwachsenen oder halberwachsenen Deutschen aktive Raucher sind, und demzufolge - jetzt mal medizinisch betrachtet - rauchen auch dreißig Prozent aller deutschen Hühneraugenbesitzer (von den Hühnern selbst zunächst mal noch abgesehen). Na, wenn das nicht zu denken gibt. Das stelle man sich mal vor: dreißig Prozent aller Hühneraugenbesitzer rauchen! Wer da immer noch keinen Zusammenhang sieht, ist selber schuld. Ich meine, dreißig Prozent sind immerhin dreißig Prozent. Die kann man nicht einfach so wegdiskutieren. Doch jetzt erhebt sich natürlich sofort die Frage, ob man vom Rauchen nicht nur Lungenkrebs, Herzinfarkt, Kreislaufkollaps, Schlaflosigkeit, Potenzstörungen und Demenz bekommt, sondern auch Hühneraugen. Könnte schon sein, jedenfalls wenn man die Statistik betrachtet. Vielleicht verhält es sich statistisch gesehen aber auch umgekehrt: wer dreißig Hühneraugen hat, wird zwangsläufig zum Raucher, sofern er's nicht schon ist, ganz klar. Oder andersherum betrachtet: ein Nichtraucher bekommt mit siebzigprozentiger Wahrscheinlichkeit keine Hühneraugen bzw. siebzig von Hundert befragten Hühneraugenbesitzer rauchen derzeit nicht, obwohl daraus nicht unmittelbar hervorgeht, ob dreißig von ihnen nicht früher doch mal siebzig Zigaretten geraucht haben (heimlich auf dem Klo oder hinter dem Massenhühnerstall, wer weiß). Und wenn ja, dann liegt's vielleicht an den dreißig Hühnern, die zwar ebenfalls zusammen ungefähr fast siebzig Augen haben, aber trotz ihres angeborenen ununterbrochenen Nichtrauchens gelegentlich von der Vogelpest dahingerafft werden oder siebzig Prozent von ihnen, von skrupellosen Geschäftemachern als passiv geräucherte Entenbrustfilets getarnt, völlig unschuldig in den nächsten Fleischskandal verwickelt werden oder als unmittelbare Folge hähnlicher Potenzstörungen demnächst sowieso aussterben oder doch - im günstigsten Falle - doppelt so viele letztlich vollkommen ausgenommen als küchenfertige Tiefkühlkost im Supermarkt landen, so wie es die Vorsehung für sie vorgesehen hat. All das wäre laut Statistik zwar möglich, ist aber bis heute wissenschaftlich noch nicht erhärtet. Wobei ich jetzt allerdings plötzlich selbst nicht mehr genau verstehe, was ein Brathuhn mit Demenz zu tun hat. Ist aber im Moment auch egal. Irgendeinen Zusammenhang wird's ganz sicher geben. Wie beim Rauchen. Warten wir also gespannt auf den nächsten Wissenschaftsbericht aus Holland, liebe Raucher bzw. liebe Hühneraugeninhaber bzw. liebe Glossenleser. Falls dreißig bis siebzig Prozent von uns es nicht bis dahin sowieso vergessen haben sollten. Monsieur Winzhirn (24. Juli 2007) Neues aus der Wissenschaft: 20.07.2007 (sda/afp) - Ein französischer Beamter, der mit einem winzigen Gehirn ein nahezu normales Leben führt, hat Ärzte in Erstaunen versetzt. Eine Computertomografie und eine Kernspintomografie bei dem 44-Jährigen hätten äußerst ungewöhnliche Bilder er bracht. Das Gehirn des Mannes sei eigentlich gar nicht vorhanden. Dies sagte der Arzt Lionel Feuillet vom Marseiller Spital La Timone zu einem Bericht in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift "Lancet". Jetzt mal ganz offen, liebe Glossenleser, das haben wir alle doch schon seit langem gewußt, oder? Ich meine, daß die Größe eines Gehirns nicht unbedingt etwas mit der Lebensfähigkeit seiner Besitzerin Seite 47 von 63 © 2007 by Heinz Boente zu tun hat. Oder natürlich auch seines Besitzers, ganz klar. Die Größe - soweit ist die Wissenschaft heute - spielt dabei überhaupt keine Rolle. Hauptsache, man hat überhaupt ein Hirn. Halt, nein, das ist so auch nicht ganz richtig, es geht auch ganz ohne. Bei Seesternen zum Beispiel. Oder bei Neonazis. Der Normalzustand ist allerdings schon das normale Volkshirn von durchschnittlicher Größe und Gewicht, wie beispielsweise ich eins habe (das hat meine Hausärztin bei der letzten Hauptuntersuchung zufällig festgestellt). Wenn ich mich allerdings so umschaue in meinem eigenen geliebten Vaterland, in Europa, in Holland und im Rest der Welt, dann keimt in mir unwillkürlich der Verdacht auf, daß es Millionen und Abermillionen von freilaufenden Individuen gibt, die nicht einmal ein Winz- geschwei ge denn ein Volkshirn ihr eigen nennen, sondern locker ganz ohne Gehirn durchs Leben kommen. Es ist nur noch nicht entdeckt worden, weil, wer geht schon gerne regelmäßig zur Hauptuntersuchung oder unterzieht sich gar freiwillig einer prophylaxen Kernspintomografie? Erstens kann man das als Hirnloser sowieso nicht buchstabieren, zweitens, wer weiß, was dabei noch so alles an fehlenden Körperbestandteilen entdeckt werden könnte, und drittens, wen interessiert das denn schon wirklich? Bei Beamten, Politikern und Pfaffen hingegen ist ein rudimentäres Winzhirn allerdings schon erforderlich. Zumindest muß es groß genug sein, daß sich die genannten Besitzer ordentlich an ihre Vorschriften, Arbeitsanweisungen, Verordnungen und Dogmen halten können. Jede funktionierende Ge sellschaft braucht in ihren Verwalt- und Regierungen also mindestens ein paar Kleinsthirninhaber mit abgebrochener Hauptschulbildung, auf jeden Fall an einigen Schlüsselpositionen. Sonst geht's früher oder später unweigerlich schief und man kann sich als Volkshirnbesitzer nur wundern, warum es im eigenen geliebten Vaterland, in Europa, Holland und im Rest der Welt so aussieht, wie es aussieht. Unter den Blinden ist der Einäugige König, sagt der von mir hochgeschätzte deutsche Volksmund sehr richtig. Und genauso ist das auch mit dem Gehirn. Ein Minihirn ist immer noch besser als gar keins. Damit kann man wenigstens noch als Kleriker oder Beamter (siehe oben) Karriere machen und mit etwas Glück sogar Innenminister oder Papst werden. Dafür gibt es genügend Beispiele. Doch auch die von Hause aus vollkommen Hirnlosen brauchen nicht zu verzagen, für die bleibt ja immer noch die Bild-Zeitung, das Privatfernsehen oder, falls man zufällig Amerikaner ist, das Amt des Präsidenten. Früher hieß es ja mal: Cogito ergo sum, oder sagen wir es der obigen Meldung und dem Urheber des Ausspruchs zu Ehren auf französisch: Je pense, donc je suis. Doch das, wie gesagt, war früher. Mittlerweile weiß man, es geht auch so. Jetzt frage ich mich zum Schluß natürlich: ist der südfranzösische Mann schon so winzhirnig geboren worden oder ist sein Gehirn im Laufe seines Lebens geschrumpft? Auch ein Luftballon verliert ja im Laufe der Zeit seine ursprüngliche Größe. Und jeder Muskel, den man nicht wenigstens hin und wieder benutzt, wird immer kleiner (jawohl, jeder). Oder hat das jetzt was mit der Nationalität zu tun? Oder mit dem Geschlecht? Oder mit dem Beruf? Fragen über Fragen, auf welche leider weder die Wissenschaft noch ich im Augenblick zufriedenstellende Antworten haben. Lassen wir's daher offen, liebe Glossenleser, und staunen einfach still vor uns hin. Die Klimawette (11. Mai 2007) Muß, liebe Glossenleser, eine Glosse eigentlich immer irgendwie humorvoll sein? Ok, der Definition nach schon ja, aber andererseits ist nicht so ganz klar, ob sich der Humor auf die vom Schreiber verwendeten Formulierungen oder auf das glossierte Thema beziehen muß. Oder gar beides zusammen. Man weiß es nicht. Und manchmal ist das Thema als solches auch zwar einerseits notwendig, aber anderenteils wahrlich nicht immer ganz so lustig, wenn auch nicht unbedingt hoffnungslos. Nehmen wir zum Beispiel unser Weltklima. Ganz schön durcheinander ist es. Schauen Sie sich doch bloß mal um auf unserer Erde: die Alpengletscher schmilzen zwar dahin, aber trotzdem führt der Rhein Niedrigwasser. Der Meeresspiegel steigt, aber die menschliche Lebenserwartung sinkt, weil der klassische europäische Schnupfen demnächst durch Malaria und Ebola ersetzt wird und weil die hochgefährlichen schwarzen Mambas mehr und mehr unsere harmlosen heimischen Blindschleichen von den Wiesen und Feldern meines geliebten Vaterlandes verdrängen. Sagen die Wissenschaftler. Und während rechts unten auf dem Globus die Tsunamiwellen wüten, sieht man etwas weiter links die ohnehin schon recht mageren heiligen indischen Kühe inzwischen reihenweise an Wassermangel verhungern. Alles schon ganz schön furchtSeite 48 von 63 © 2007 by Heinz Boente bar. Ich könnte Ihnen noch Tausende solch schrecklicher Beispiele aufzählen, aber leider fallen mir im Augenblick keine mehr ein. Sie sollen wohl auch genügen, denn bereits angesichts dieser wenigen Tatsachen möchte man schier verzweifeln. Andererseits ist natürlich nicht alles nur traurig. Sagen die Wissenschaftler. Es gibt durchaus auch Positives zu vermelden. So steht - wie ich neulich einem Gerücht entnehmen durfte - beispielsweise der Club Med kurz vor der Eröffnung seines ersten Urlaubsressorts in Grönland, und im Schwarzwald werden seit einigen Tagen vom lokalen Forstamt die Tannenwälder hektarweise durch Palmenhaine ersetzt, was den inländischen Tourismus langfristig gesehen natürlich kräftig ankurbeln wird. Die ostwestfälischen Kartoffelbauern - auch dies wurde mir kürzlich von einem gewöhnlich gut unterrichteten Kreis berichtet - pflanzen an den Hängen des Weserberglands bereits die ersten Weinrebstöcke, und die brasilianischen Holzfäller schaffen wie gewohnt durch ausgiebige Brandrodungen Platz für die Rapsfelder, aus denen demnächst der feinstaubarme erneuerbare Treibstoff für die wiedererstarkende weltweite Automobilproduktion gewonnen werden wird. Am nördlichen Südpol beginnen - so schließe ich jedenfalls aus den vielen Fakten, die ich stets aufmerksam in den Medien verfolge - demnächst die ersten Spreewaldgurkensträucher zu erblühen und im Gegenzug dazu werden die Eisbären ab sofort grundsätzlich alle nur noch in Berlin geboren. So hat alles eben zwei Seiten. Aber fest steht jedenfalls, unser Weltklima ist im Augenblick irgendwie wohl ganz schön aus dem Tritt geraten. Sagen die Wissenschaftler. Und doch hören sie andererseits zum Glück auch nicht auf, allenthalben Optimismus zu verbreiten, denn wie Sie sicherlich in den letzten Tagen voll atemloser Spannung an Ihren Radio- und Fernsehgeräten verfolgt haben, hat der UNKlimarat nunmehr den dritten Teil seines Klimareports veröffentlicht. Danach lassen sich Klimawandel und Erderwärmung tatsächlich noch aufhalten und alles kann beim bewährten Alten bleiben, wenn (dieses dämliche 'wenn' stellt immer alles in Frage, man sollte es abschaffen), also wenn es der Menschheit gelingt, die Emissionen in unsere Atmosphäre innerhalb der nächsten acht Jahre nicht mehr weiter steigen zu lassen. Und das, so heißt es im Report weiter, ist überhaupt kein Problem und sogar bei vertretbaren Kosten machbar. Nur winzige 0,12 Prozent des Weltbruttodingsbumsproduktes müssen aufgewendet werden. Sagen die Wissenschaftler. Lächerliche 0,12 Prozent, Himmelkreuzdonnerwetternochmal, das müßte doch zu schaffen sein, oder? Dabei brauchen Sie und ich und wir und die anderen Slum-Bewohner auf unserer Erde nicht einmal auf etwas derartig Liebgewordenes wie beispielsweise unsere bewährte CO 2-Schleuder, im Volksmund gerne auch Auto genannt, endgültig zu verzichten, sondern wir müssen lediglich unseren Lebens- und Fahrstil ein ganz klein wenig an diese 0,12 Prozent anpassen, um das endgültige Ausdörren unseres Planeten zu verhindern. Sagen die Wissenschaftler. Ja, und das ist ja wohl einfach genug. Ich meine, null Komma ein zwei Prozent, das ist doch praktisch gar nix. Rechnen Sie doch nur mal nach: wenn Sie im Durchschnitt, sagen wir 12.000 Kilometer pro Jahr in Ihrem Auto zurücklegen, dann sind 0,12 Prozent davon rund 40 Meter am Tag. Hallo, nur 40 Meter! Diese paar Schritte können Sie und ich doch wirklich künftig mal zu Fuß gehen. Ich finde, das dürfen wir uns im Zusammenhang mit der Rettung eines ganzen Planeten doch nun wirklich zumuten! Ja, und die Supernachricht für den Weltkapitalismus und unsere multinationalen Konzerne ist (auch das steht schwarz auf weiß in besagtem dritten Teil des Klimareports), daß der Einsatz klimafreundlicher Technologien möglicherweise das Wirtschaftswachstum sogar noch leicht beschleunigen könne. Sagen die Wissenschaftler. Und das finde ich besonders toll. Es darf also industrieseitig getrost weiter globalisiert und fusioniert und an die Börse gegangen und gewachsen werden, daß es nur so kracht in der Erdkruste, da ändert sich für unsere Großunternehmer und Wirtschaftsminister praktisch gar nix an den bestehenden Gegebenheiten. Natürlich vorausgesetzt, jeder von uns geht jeden Tag die se besagten 40 Meter zu Fuß. Und dabei können wir uns bei jedem einzelnen Schritt sogar noch über ein reines Gewissen freuen. Ich persönlich finde das jedenfalls Klasse! Alles in allem prinzipiell lauter gute Nachrichten, und mittelfristig überhaupt kein Grund zu ernsthafter Besorgnis, sollte man meinen. Aber trotzdem bleibe ich - als realistischer Optimist mit ganz leicht pessimistischem Einschlag - unter dem Strich doch ein wenig skeptisch, weil alle Pappenheimer, die ich persönlich kenne, ihr Auto nun mal nicht gerne stehenlassen. Nicht einmal für schlappe 40 Meter. Ich biete Ihnen, liebe Glossenleser, daher die folgende Klimawette an: Ich wette einen funkelnagelneuen Sonnenschirm und eine 1000 ml Flasche vom allerfeinsten Sonnenöl mit Lichtschutzfaktor 60 gegen Ihren gebrauchten Wintermantel (vorzugsweise indischer, chinesischer oder amerikanischer Produktion) und behaupte hier und jetzt, daß es der Menschheit trotzdem nicht gelingen wird, die Klimaerwärmung bis zum, na, sagen wir 1. Mai 2015 zu stoppen. Das werde Seite 49 von 63 © 2007 by Heinz Boente ich an diesem Tag unter Thomas Gottschalks Wettexpertenaufsicht von den Wissenschaftlern bestätigen lassen. Oder eben auch nicht, aber dann laufe ich halt rasch die 40 Meter bis zum nächsten Drogeriemarkt und kaufe zumindest schon mal Ihr Sonnenöl. Bis zum Geschäft mit den funkelnagelneuen Sonnenschirmen ist's leider von uns aus ein bißchen weiter, da nehme ich dann doch lieber das Auto. Sollten Sie also einen solchen Wintermantel besitzen (er darf durchaus an den Ärmeln schon etwas abgewetzt sein) und Sie ihn gegen mein ebenso verlockendes wie nützliches Angebot setzen möchten, können Sie sich von heute an bis Mitternacht des 31. Dezember 2014 bei mir melden. In der Zwischenzeit werde ich mir überlegen, was ich nach 2015 mit den vielen gebrauchten Wintermänteln anfange, die ich gewonnen haben werde, aber das ist dann ja mein Problem und kann Ihnen eigentlich egal sein. Grillen ist tödlich (30. April 2007) Neues aus der Wissenschaft: New York (USA) - Auch die Zubereitung der Nahrungsmittel entscheidet über ihren gesundheitlichen Wert. Beim Braten und Grillen können sich aus Eiweißen und Zuckerverbindungen sogenannte "Advanced Glycation End Products" (AGEs) bilden. In größeren Mengen eingenommen, sind solche Substanzen besonders für ältere Menschen gefährlich, deren AGE-Blutwerte generell schon höher sind als bei jüngeren, wie eine amerikanische Studie jetzt bestätigt hat, die im "Journal of Gerontology" veröffentlicht wurde. Da haben wir's, liebe Glossenleser. Ausgerechnet jetzt, wo der Grill schon längst auf der Terrasse qualmt, flackert mir diese angsteinflößende Horrormeldung über den Bildschirm. Advanced Glycation End Products, was ist das denn nun schon wieder für ein Blödsinn? Nicht nur, daß - wie man uns ja schon vor einiger Zeit angedroht hat - die bei besonders ausgiebigem Grillen entstehenden extrem knusprigen und schmackhaften Dunkelstellen auf der Bratwurst nicht gerade sehr gesundheitsförderlich sein sollen, nein, jetzt auch noch dieses! Ja, müssen uns diese Wissenschaftsdeppen denn alles vermiesen? Können die nicht einfach mal ihre dämliche Klappe halten? Langsam wird es für unsereinen, der eine gewisse Altersgrenze schon vor einiger Zeit überschritten hat, echt problematisch. So allmählich kann man all die Hinweise und Warnungen kaum noch ignorieren, mit denen sich auch noch der allerletzte amerikanische Wichtigtuer in Bezug auf unser täglich' Brot bzw. täglich' Steak wichtig zu tun glauben muß. Man sollte denen einfach mal eins mit der Pfanne überbraten, damit sie endlich ihr Maul halten. Mir reicht's jedenfalls. Dies darf man nicht, denn sonst altert unter Umständen die Haut noch schneller als man selber, das soll man nicht, weil möglicherweise gelegentliche mitternächtliche Sehstörungen die direkte Folge sind, jenes ist nicht empfehlenswert wegen der Pickel, die man vermutlich davon kriegt. Der Kreislauf bricht eventuell total zusammen, die Haare fallen aus und zu dick wird man sowieso. Ja, was soll man denn in unserem Alter noch essen? Nee, ist schon klar, ununterbrochen von morgens bis abends nur frisches, selbstverständlich ungespritztes Obst und rohes Bio-Gemüse, ja, schönen Dank auch! Mal ganz davon abgesehen, daß eine moderne Karotte mit den Dritten oder gar Vierten auch nicht immer so einfach zu zerbeißen ist. Sagen Sie selber, es ist doch komisch, oder? Alles, was wirklich lecker schmeckt, ist angeblich irgendwie pfui, und Gegrilltes ist eh das reine Gift. So ein Quatsch! Wozu hat der Prometheus uns Menschen eigentlich denn damals das Feuer erfunden? Das kann doch nur zum Grillen gewesen sein. Zum Heizen bestimmt nicht, denn an seiner damaligen Wirkungsstätte, in Griechenland, war und ist es ja sowieso nie so richtig kalt. Das mit dem Wärmen kam erst Jahrhunderte später. Das haben, sofern ich mich recht erinnere, die Wikinger mehr zufällig entdeckt, nachdem sie sich auf einem ihrer Raubzüge das Feuer zum Grillen von Pinguinen und Robbenbabys in den hohen Norden geholt hatten und erst kurz nach Einbruch des Winters vor Ort feststellten, daß es sich auch zum Heizen eignete. Genauso war das nämlich! AGEs, Zuckerverbindungen, daß ich nicht lache! Wer tut sich schon Zucker aufs Grillkotelett? Das ist doch pervers! Irgendwie jedenfalls. Ketchup ja, aber Zucker? Ich bitte Sie! So bekloppt ist höchstens ein Ami, aber doch kein Nichtamerikaner bzw. Europäer. Schließlich stammt der klassische Gourmet bekanntermaßen aus Frankreich, die Gänse kommen aus Polen, das Schweinefleisch aus Spanien und das Rindfleisch aus Argentinien. Die Bären stammen meines Wissens ursprünglich aus Deutschland, jedenfalls die Gummi- und die kleinen, putzigen Eisbären. Und freilaufende Hühnchen gibt es eigentlich überall in der EU. Seite 50 von 63 © 2007 by Heinz Boente Wie dem auch sei, wissenschaftliche Erkenntnisse sind eben nicht immer unbedingt der reine Segen für die Menschheit. Vor allem, wenn man keine Ahnung von der Materie hat. Demnächst unterstellen uns die übereifrigen Studienverfasser von jenseits des Atlantiks wohl noch, daß wir hier in Europa un seren Kartoffelsalat mit Honig anmachen. Das wüßt' ich aber! Und dann erklären sie uns hinterher womöglich lang und breit in irgendwelchen obskuren Veröffentlichungen, daß man durch zuviel Ho nig im Kartoffelsalat einen schwarz-gelb gestreiften Unterleib kriegt, oder daß sich bei der Vermischung von Honig, Zwiebeln, feingehackten Gürkchen und Majonäse Substanzen bilden, die zum ver mehrten Abbrechen von Fingernägeln führen könnten. Das ist natürlich nur ein Beispiel, ganz klar, aber andererseits, wer vermag denn jetzt schon wirklich genau vorauszusehen, mit welchen sogenannten wissenschaftlichen Erkenntnissen die Ami-Forscher sich in der Zukunft wieder unbedingt wichtig machen müssen, anstatt mal was wirklich Sinnvolles zu erfinden, wie beispielsweise geräuschfreie Kartoffelchips, die man dann auch beim Fernsehen essen kann ohne akustisch was Wesentliches zu verpassen. Aber ok, was rege ich mich eigentlich wieder so auf? Das alles mit dem Zucker und den lebensbedrohenden AGEs betrifft ja der Studie nach unsere, in meinem geliebten Vaterland so dringlich benötigten Nachfahren in Form von Kleinchen oder Jungmenschen überhaupt nicht, sondern nur uns Ältere. Und wir werden bekanntlich ja sowieso immer mehr und mehr und mehr, so daß unser Rentensystem eigentlich im Grunde schon längst zusammengebrochen ist, was aber in der Öffentlichkeit noch niemand so richtig gemerkt hat, weil es durch die geheimen Subventionen der Sterbeversicherungen, sowie wohl auch durch gelegentliche anonyme Privatspenden krampfhaft aufrechterhalten wird. Deshalb will ich bloß mal hoffen, daß das Journal of Gerontology nicht zufällig in die Hände eines unserer für den Fortbestand des Volkes verantwortlichen Politiker gerät, denn das wäre das Ende. Natürlich nicht das Ende aller Deutschen, aber unser Ende, also das der knapp bis stark Übersechzigund Unterachtzigjährigen. Und nicht nur das Ende zahlloser Lebens-, sondern damit auch automatisch das Ende noch zahlloserer gemütlicher Grillabende im Kreise unserer Mitalternden. Ja, das alles klingt vielleicht hart, liebe ähnlichaltrige Glossenleser, aber so ist es. Wir müssen diesen Tatsachen nunmal ins Auge blicken. Wenn, und ich sage ausdrücklich: wenn diese Meldung unserer blonden Seniorenministerin oder unserem Finanz- oder eventuell sogar dem Innenminister bekannt wird, daß aufgrund der Advanced Glycation End Products das sommerabendliche Grillen im Endstadium tödlich für uns Alte ist, dann kommt es bestimmt alsbald in Deutschland zur gesetzesmäßigen Einführung der allgemeinen finalen Grillpflicht für alle Menschen über sechzig. Das mag für unsere Regierung zwar eine durchaus praktikable und saubere demographische Endlösung der Senioren- und Rentenfinanzierungsfrage sein, aber - ehrlich gesagt - ein ganz klein wenig fürchte ich mich schon davor. Einfach mal abschalten (27. Februar 2007) Aus der Presse: 26.02.2007 - Natur genießen statt Tasten drücken, Freunde treffen statt Internet surfen, das fordern die Organisatoren des "Shutdown Day", Denis Bystrov und Michael Taylor. Der Aktionstag findet am Samstag, den 24. März statt. Die Initiatoren rufen Computeranwender auf der gan zen Welt auf, an ihrem Experiment teilzunehmen, einen Tag ohne Computer zu verbringen und sich stattdessen mit Freunden zu treffen oder die Natur zu genießen. Diese Idee finde ich einfach Klasse, liebe Glossenleser. Wirklich, ganz ehrlich, ohne Spaß jetzt mal. Sagen Sie doch selber, wurde es nicht wirklich langsam mal Zeit, diese verflixten Dinger der Gattung Computerus sapiens abzuschalten und ihnen zu zeigen, wer die wahren Herren und Meister (Damen und Meisterinnen natürlich auch, ganz klar!) auf unserem schönen blauen Planeten sind? Jedenfalls, ein ganz, ganz tolles Experiment wird das bestimmt. Jawohl. Hach, ich freu' mich richtig drauf. Aktionstage sind schon was Feines! Da passiert doch mal was, oder - wie in diesem Fall - auch mal nix bzw. ganz was anderes. Denn statt immer nur auf den Bildschirm zu starren, darf ich endlich wieder meiner geliebten Gattin in die Augen blicken. Und statt ständig mit den Fingern auf der Tastatur rumzuklimpern, werde ich nach langer Zeit mal ausgiebig in der Nase bohren können. Und, liebe Glossenleser, was werde ich die Natur genießen! Statt des ständigen Kühlgebläserauschens höre ich den Wind um die Ecken pfeifen bzw. leise in den Baumeswipfeln flüstern. Und ein gesunder Spaziergang durch unsere kranken Wälder wird mir ganz sicher auch recht gut tun. Im übrigen wollte ich mir sowieso schon seit längerem schnell noch mal die Alpengletscher anschauen, bevor sie endSeite 51 von 63 © 2007 by Heinz Boente gültig weggeschmolzen sind. Aber man kommt ja einfach zu nix, solange der verdammte Computer eingeschaltet ist. Alle meine Freunde werde ich selbstverständlich auch treffen. Allerdings - jetzt stutze ich ja doch ein wenig und frage mich besonders bei den etwas weiter entfernt wohnenden: wo denn eigentlich? Und wie komme ich dahin? Schließlich sind alle Computer shutgedownt (oder sagt man downgeshuttet?) und dazu gehören ja wohl auch die, die die Ampelanlagen steuern. Gott, das wird ja ein rechtes Verkehrschaos werden. Und ob ein modernes Fahrzeug überhaupt noch ohne Bordcomputer fahren kann, weiß ich als automobiltechnischer Laie auch nicht so genau. Also werde ich doch wohl lieber wie gewohnt mit der Deutschen Bahn fahren. Sofern die überhaupt fährt, denn die stromerzeugenden Elektrizitätswerke strotzen an diesem Tag ja ebenfalls nur so vor lauter abgeschalteten Computern. Mist! Also schön, das mit den Gletschern und den Freunden wird also leider schon mal nix. Egal, dann bleibe ich einfach zu Hause, lese mal wieder ein gutes Buch, schiebe eine Mozart-CD rein und trinke eine schöne Tasse Kaffee dazu, denn an diesem Tag bleibt mir ja glücklicherweise auch der Lärm unserer vollcomputerisierten Waschmaschine erspart. Genau! Aber halt mal, was ist denn mit dem Kaffeevollautomaten, mit der Stereoanlage, mit der Digitalkamera, dem Fernseher, der Mikrowelle, dem Telefon und dem Herzschrittmacher? Da sind doch auch überall Computer drin, oder? Gut, ok, schon klar, ganz klitzekleine zwar, aber Computer ist schließlich Computer. Und abgeschaltet ist abgeschaltet. Sonst kann man's ja gleich so lassen, wie es ist, nicht wahr? Je länger ich also demzufolge darüber nachdenke, liebe Glossenleser, desto gespannter werde ich auf diesen dämlichen Aktionstag. Und für desto bescheuerter halte ich die Initiatoren Denis und Michael, die bei ihrem sogenannten Experiment offenbar wieder mal nur an die Computer von uns kleinen Leuten, mit denen man es ja bekanntlich machen kann, denken. Nee, Freunde, aber nicht mit mir! Meine Kiste bleibt eingeschaltet, soviel steht jetzt für mich fest, denn schließlich muß ich ja im Internet verfolgen, was an jenem Samstag so alles passieren wird. Vermutlich gar nichts, aber ich lasse mich natürlich gerne überraschen. Hilfe, mein Bügeleisen wird zum Radio (26. Januar 2007) Aus der Presse: Köln (25.01.07) - Nur 5.000 Kunden konnte der Mobilfunkanbieter Debitel bisher von seinem Handy-TV-Angebot "Watcha" überzeugen. Dies erklärte der Marketing- und Vertriebschef des Stuttgarter Mobilfunkanbieters. Ein zweites großes Problem hat Debitel bei dem Mangel an geeigneten Endgeräten ausgemacht. Daß es jedoch ein grundsätzliches Interesse in der Bevölkerung am Handy-TV gibt, davon ist Debitel weiterhin völlig überzeugt. Allerdings, und das gab der Debitel-Marketingchef ohne Umschweife zu, muß das Angebot reibungslos funktionieren und ein genügend großes Senderangebot da sein - können in den Sendegebieten doch bisher nur vier Kanäle empfangen werden. Früher, liebe Glossenleser, in grauer Vorzeit (die etwas älteren unter Ihnen werden sich sicher noch daran erinnern können), gab es mal die eierlegende Wollmilchsau. Heute bescheren uns die Marketingstrategen unserer Handy-Hersteller das fotografierende Stereofernsehtelefon. Mit extrem individuellen Klingelgeräuschen für auch noch den allerschlechtesten Musikgeschmack, ganz klar. Ja, das verstehen einige Knallköppe wohl unter Fortschritt. Wir haben Sorgen! Fernsehen auf dem Telefon, das gab's ja nicht mal bei Perry Rhodan - zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, und wenn es das doch dort gab, dann erschien es mir schon seinerzeit derartig hirnrissig, daß ich es wohl schlichtweg überlesen habe (obwohl mir gerade diese Science Fiction Heftchen damals die ödelige Bundeswehrzeit einigermaßen zu überstehen halfen). Und, ehrlich gesagt, auch heute halte ich ein TV-Handy für fast genauso überflüssig und unsinnig wie eine Waschmaschine mit eingebautem Navigationssystem. Gut, im Augenblick herrscht zwar glücklicherweise noch ein wenig Mangel an den passenden Endgeräten für den Telefonfernsehempfang, aber dieser Engpaß wird sicher, so meine Befürchtung, dummerweise schnell beseitigt werden. Mindestens ein Depp hat sich ja laut obiger Pressemeldung schon gefunden, der es den Herstellern lautstark mitgeteilt hat. Aber nicht, daß mir das bei den MarketingLeuten eventuell falsch verstanden wird: Mangeln gibt es schon genug, es fehlt halt nur an den End geräten, die man da durch drehen kann. Und, wie gesagt, auch die Sendervielfalt läßt zu meinem großen Vergnügen offenbar noch sehr zu wünschen übrig. Vier Kanäle bis jetzt nur. Für unsere modernen Kleinchen ist das doch praktisch garSeite 52 von 63 © 2007 by Heinz Boente nix. Da ist man als geübter Nachwuchs-Zapper ja in fünf Sekunden durch. Nein, keine Frage, das muß anders werden. Jetzt sind also die Privatsender für die Unterschicht gefordert, ihre Programme hurtigst auf den Handy-TV Empfangsstandard umzustellen. Aber bitte komplett. So komplett, daß die endlich ganz und gar aus dem Kabelsenderangebot für's Bildungsbürgertum verschwinden. Das verhindert vielleicht, daß das Volk noch mehr verblödet. Ja, liebe Glossenleser, es verhält sich schon überaus merkwürdig mit unserer modernen Zeit. Zuhause hängen sich die Kids einen fünf Quadratmeter großen Flachbildschirm an die Wand, und dann stellen sie sich abends in die Warteschlange vor der Disco und gucken derweil MTV auf ihrem daumennagelkleinen Handy-Display. Mein Gott, sind die bescheuert! Und überhaupt, Watcha, allein wenn ich die ses Wort schon lese, wird mir ganz elend zumute. Die meisten jugendlichen Doofnasen können bekanntlich heutzutage kaum noch ihren eigenen Namen fehlerfrei schreiben, aber Watcha. Jau, immer weiter so! Watcha! Die Erfinder solcher Wörter haben doch wohl derartig einen an der Klatcha, die zieht niemand mehr aus ihrer mentalen Patcha. Und doch will ich auf gar keinen Fall als fortschrittsfeindlicher Meckerbolzen verschrien werden. Das bin ich nämlich nicht. Ein grundsätzliches Interesse an moderner Hochtechnologie ist in meiner Eigenschaft als Bevölkerungsmitglied meines geliebten Vaterlandes sogar bei mir vorhanden. So bräuchte ich beispielsweise dringend ein Mobiltelefon mit integriertem Espresso-Vollautomat, auf dem ich bei Bedarf auch unter Wasser motorradfahren kann. Aber so lange das offiziell noch nicht angeboten wird, bleibe ich bei meinem altbewährten robusten Vorsintfluthandy in praktischer Telefonzellengröße und seniorengerechter Minimalausstattung. Seite 53 von 63 © 2007 by Heinz Boente Religion und anderes Obskures Das zweite Gebot (17. Juli 2007) Manchmal, liebe Glossenleser, wenn ich grad nichts Wichtigeres zu tun habe, mache ich mir ja doch so meine Gedanken. So zum Beispiel über die Frage, ob Sie eigentlich die zehn Gebote kennen. "Na klar," werden Sie jetzt sicher antworten, "die kennt doch jeder." Wirklich, ist das so? Ok, das mit dem Lügen, Stehlen, Totmachen und Fremdgehen ist in der Tat jedem klar, aber wie lautet beispielsweise das zweite Gebot? Richtig, bei den Evangelen heißt es: Du sollst den Namen des Herrn deines Gottes nicht mißbrauchen. Und bei den Katholen: Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren. Sehr gut, setzen! Auch wenn der Wortlaut nicht hunderprozentig identisch ist, damit kann man als guter Christ doch ei nigermaßen leben, finde ich. Ein evangelischer Mißbrauch und eine katholische Verunehrung sind zwar nicht ganz dasselbe, aber wir wollen da im Sinne einer harmonischen Ökumene mal nicht noch päpstlicher sein als der Präses der Evangelischen Kirche Deutschlands. Und überhaupt, eigentlich stimmt beides nicht. Ich weiß auch nicht, was die Theologen und Katechismusschreiber da seinerzeit geritten hat (vielleicht gar der Leibhaftige persönlich?), denn wenn man sich den Originaltext in der Bibel einmal anschaut, kann man zunächst nur zu einem einzigen Schluß kommen: die spinnen, die Katechismusschreiber. Im 2. Buch Mose, auch unter dem Namen "Exodus" bekannt und den älteren Cineasten unter Ihnen sicher noch aus dem Film "Die zehn Gebote" mit Charlton Heston in der Rolle des Moses bestens vertraut... ja, genau, das ist exakt derselbe Charlton Heston, der heute Präsident der NRA (National Rifle Association) in den USA ist, Sie wissen schon, diese lobby-starke Vereinigung von Totalbekloppten, die ständig und lautstark und mit allem Nachdruck auf das Recht eines jeden freien Amerikaners pocht, Feuerwaffen kaufen, tragen und benutzen zu dürfen. Diese Oberidioten, die Michael Moore in seinem entlarvenden Film "Bowling for Columbine"... Nein, halt, stopp! Jetzt gleite ich aber derartig vom Thema ab, daß ich es selber nicht mehr verantworten kann. Also, zurück, wir waren beim zweiten Gebot. Im 2. Buch Mose lautet das zweite Gebot im Kapitel 20, Vers 3 nämlich wörtlich: Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Was ser unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten. Schon klar, das ist in der Tat ein bißchen viel Text auf einmal. Das kann sich wirklich kein Mensch merken. Nicht mal ein einigermaßen frommer. Und außerdem, wenn Sie mich fragen, ich finde, Bildund Gleichnisse haben mit Mißbrauch und Verunehrung nur ziemlich indirekt was zu tun. Beides wird von religiösen Fundamentalisten zwar immer wieder gerne in Verbindung gebracht, vor allem, wenn irgendwelche Mohammed-Karikaturen im Spiele sind, aber, wie gesagt, eben nur von fanatischen Religionsfundamentalisten oder sonstwie geistig Verblendeten. Deshalb heißt es halt heute im zweiten Gebot kurz und bündig, daß der Name Gottes nicht mißbräuchlich verunehrt werden soll und fertig. Und das macht ja auch keiner, jedenfalls nicht ernsthaft. Gut, ein kleines verhaltenes "Herrgottnochmal" hier oder ein halblaut gemurmeltes "Gottverdammter Mistapparat" dort sind sicher nicht weiter schlimm und entfahren einem ja mehr oder weniger unwillkürlich, besonders dann, wenn man sich beim Bilderaufhängen auf den Daumen gehauen hat oder der Computer wieder mal nicht so will wie man selber. Und diese verkürzte Umformulierung des zweiten Gebotes wird schon seinen Grund gehabt haben, denn ich vermute mal, daß sogar einige Theologen seit der Niederschrift des 2. Buches Mose ein wenig schlauer und gewiefter geworden sind, obwohl sie es sich normalerweise nur sehr selten und höchst ungern anmerken lassen. So ist ihnen nach mehrfachem Lesen des originalen Bibeltextes nebst anschließender Diskussion in der Gruppe sicher aufgefallen, daß sich da der liebe Gott mit seiner Formulierung selber böse von hinten durch die Brust ins Auge oder zumindest ins Knie geschossen hat. Überhaupt keine Bilder? Wie soll das gehen? Nun ja, da er bekanntlich ja wohl unfehlbar ist, kann er selber es eigentlich nicht gewesen sein. Vermutlich ist also dem Moses bei seinem beschwerlichen Abstieg vom Berge Sinai die erste der beiden Seite 54 von 63 © 2007 by Heinz Boente Steintafeln mit den zehn Geboten aus der Hand gerutscht und auf dem felsigen Untergrund in tausend Stücke zersplittert. Und weil er ja nun nicht gut mit nur einer einzigen armseligen Steintafel, also nur mit den Geboten Nummer sechs bis zehn, vor seine ungeduldig wartenden Israeliten treten konnte (das wäre dann doch etwas peinlich gewesen), hat Moses sicher die ersten fünf Gebote rasch aus dem Gedächtnis in eine neue Steintafel gemeißelt. Und da muß ihm halt ein bisserl was durcheinandergeraten sein. Oder er hatte irgendwas sowieso falsch verstanden (kein Wunder, permanentes Donnergrollen und Blitzezucken kann selbst einen frommen Mann schon ein wenig nervös machen und vom Eigentlichen ablenken) oder aber er stand noch unter dem Einfluß des möglicherweise leicht halluzinogenen Mannas (bekanntlich das getrocknete Ausscheidungssekret der gemeinen Schildlaus igitt) oder was weiß ich. Egal, jedenfalls besagt der Originaltext doch unmißverständlich, daß man sich kein Bildnis machen darf und fertig aus. Wenn man es ganz wörtlich nimmt, im Prinzip zwar sogar von gar nix, aber das halte ich jetzt persönlich für ein bißchen übertrieben. Da muß ich den Theologen und Katechismusschreibern einfach mal recht geben. Gemeint hat der liebe Gott daher wahrscheinlich in erster Linie nur sich selber (...was oben im Himmel ist...), denn außer ihm kann es dort ja keinen zweiten Gott oder ähnliches geben bzw. gegeben haben. Er, in seiner Eigenschaft als der katholische Gott, ist ja sowieso der allereinzige und wahre. Unser Benedikt Ratzinger hat's ja kürzlich erst wieder deutlich genug verlautbart. So weit, so gut. Andererseits heißt es aber auch an anderer Stelle in der Bibel (Mose 1.1, 27) verwirrenderweise wörtlich: Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib. Da haben wir den Salat: einerseits darf man sich zwar kein Bild machen, andererseits ist man aber sogar selber eins. Und dann noch vom lieben Gott persönlich als sein Ebenbild geschaffen, wie es geschrieben steht. Obwohl, wenn ich meinen eigenen Spiegel jetzt mal völlig außer acht lasse und mich stattdessen gelegentlich so umschaue unter den übrigen Ebenbildern auf diesem Planeten, in den Fußgängerzonen etwa oder auf den Bahnhofsvorplätzen... na ja, ich weiß nicht recht, ob der liebe Gott das mit seinem Ebenbild wirklich so wörtlich gemeint hat, und ob die Katechismusschreiber das zweite Gebot nicht lieber hätten so stehenlassen sollen, wie es ursprünglich mal auf Moses Steintafel gestanden hat... Gut, es weiß natürlich niemand so genau (nicht einmal die Experten im Vatikan, vermute ich), ob der liebe Gott nicht doch auch eine Tätowierung über dem Popo oder ein Piercing in seiner Oberlippe hat oder ständig mit MP3-Ohrstöpseln durch die Gegend läuft bzw. - in seinem Fall - über den Wassern schwebt, das ist schon richtig. Bloß gut, daß es zu Evas und Adams Zeiten die zehn Gebote noch gar nicht gegeben hat, sondern nur dieses eine, Sie wissen schon, das mit dem Apfelbaum und der Erkenntnis. Nur nebenbei bemerkt: Götter - und da ist der katholische keine Ausnahme - mögen es bekanntermaßen gar nicht gerne, wenn ihre Geschöpfe eigene Erkenntnisse haben bzw. durch Nachdenken oder Experimentieren zu solchen gelangen (glücklicherweise haben sich Eva und die kluge Schlange damals nicht daran gehalten). Und so konnte Adam mit seiner Rippe, pardon, mit seinem Weibe zunächst noch getrost und ungestraft weitere göttliche Abbilder zeugen, welche wiederum... und so weiter, und so weiter bis ins dritte und vierte Glied, knapp vor der endgültigen Übervölkerung unseres Planeten. Aber spätestens seit Moses hätte es dem zweiten Originalgebot zufolge ein für allemal vorbei sein müssen mit dem Bilder- bzw. mit dem Kindermachen, und sämtliche Nachkommen einschließlich wir selber hätten gar nicht mehr geboren werden dürfen. Eigentlich schade, aber so ist das nunmal mit Ge- und Verboten. Auf jeden Fall sind heilige Schriften in der Tat etwas Wunderbares. Sie sind nicht nur sprachliche Leckerbissen sondergleichen, sondern in der Widersprüchlichkeit ihrer Aussagen so herrlich flexibel, daß man dort herauslesen kann, was immer man will bzw. was einem gerade so in den Kram paßt. Besonders dann, wenn man Papst oder Ajatollah oder Glossenschreiber ist. Und eine passende Rechtfertigung für alles findet sich sowieso, also beispielsweise ob man am siebten Tage einen Schweinebraten essen darf oder unbedingt auf der faulen Haut liegen muß, oder ob man hin und wieder in Gottes Namen auch mal als Selbstmordattentäter Dutzende von unschuldigen Ebenbildern etwas vorzeitig ins Paradies oder in die Hölle - je nachdem - befördert und somit gewissen Innenministern meines geliebten Vaterlands die Existenzberechtigung sichert. So ist es letztlich dann doch ganz sinnvoll gewesen, daß die Theologen und Katechismusexperten irgendwann später im frühen Mittelalter den Originaltext des zweiten Gebotes ein wenig modifiziert haben. So bleibt es halt seitdem künftig beim Verbot des Verunehrens und Mißbrauchens, wohingegen Bild- und Gleichnisse weiterhin ganz offiziell gestattet sind. Denn erstens wären, wie dargelegt, wir Seite 55 von 63 © 2007 by Heinz Boente allesamt sonst gar nicht vorhanden. Zweitens wären sämtliche Malkünstler, von Michelangelo bis Rubens, arbeitslos oder damals zu ihrer Zeit schon gezwungen gewesen, die abstrakte Malerei zu erfinden. Drittens dürfte es heute bei uns keine Digitalkameras oder fotografierende Telefone geben und viertens hätten mittlerweile sämtliche Devotionalienhändler der Welt ihre Läden zusperren müssen. Und was das wiederum für das Wirtschaftswachstum ganz allgemein bedeutet hätte, brauche ich hier ja wohl nicht näher zu erklären. Aber, wie gesagt, das trifft ja dank unserer klugen Theologen alles gar nicht zu. Ja, liebe Glossenleser, das sind manchmal so meine Gedanken, die ich mir nach meinem täglichen Bibelstudium mache, wenn ich nichts Wichtigeres zu tun habe. Allerdings täte es mir aufrichtig leid, wenn ich Ihnen dadurch jetzt einige Ihrer religiösen Illusionen geraubt habe sollte, aber das mußte schon allein im Sinne der Aufklärung - unbedingt mal sein. Wunder gibt es immer wieder (18. April 2007) Aus der Presse: Rom (14.04.2007) - Ein Kandidat für eine Seligsprechung muss ein unwiderlegbares Wunder vollbracht haben. Papst Johannes Paul II. erfüllt diese Bedingung - zumindest, wenn man dem Postulator des Seligsprechungsprozesses, Slawomir Oder, glauben will. Demnach soll Karol Woytila die französische Nonne Marie-Simon Pierre auf wundersame Weise von ihrer Parkinson-Erkrankung geheilt haben. Ja, liebe Glossenleser, ich muß mich mal wieder ein kleines bißchen aufregen. Was ist das denn nun schon wieder für ein Kokolores? Dabei hat mir gerade ein Blick auf den Kalender gezeigt, daß wir im einundzwanzigsten Jahrhundert leben, und ich bin mir ziemlich sicher, daß es sich um einen einigermaßen aktuellen Kalender handelt. Gut, ok, einverstanden, das Jahr 2007, in dem wir uns demnach befinden, bezieht sich schon irgendwie auf den Anfang des Christentums (worin im weiteren Sinne ja auch Päpste involviert sind), aber das ist doch noch lange kein Grund, daß alles, was sich seit über zweitausend Jahren so abgespielt hat, ebenfalls irgendetwas damit zu tun haben muß. Zumal das Zeitalter der Aufklärung ja schon vor über zweihundert Jahren stattgefunden hat. Oder sehe ich das wieder einmal zu liberal? Sicher, Wunder gibt es immer wieder, wie seinerzeit Katja Epstein trällerte (es war doch Katja Epstein, oder nicht?), aber damit hat sie, soweit ich mich erinnere, damals eine ganz besondere Art von Wundern gemeint. Irgendwie mit Liebe und Herz und Einsamkeit und so hatte das zu tun. Und auf diesem speziellen zwischenmenschlichen Gebiet lasse ich mir das ja auch gerne gefallen. Sogar gegen Wundertüten habe ich nicht das Geringste einzuwenden. Genauso wenig wie gegen Wunderkinder, Wunderkerzen, winterhafte Wunderländer, knabenhafte Wunderhörner und eventuell noch WonderBras. Aber spätestens bei Wundertätern werde ich höchst mißtrauisch (irgendwie sticht mir da das Wort 'Täter' auch zu sehr hervor). Und wenn es dann gar um Wunderheilungen geht, dann ist der Ofen bei mir aber endgültig aus. Sicher, unsere studierten Mediziner berichten immer mal wieder über Spontanheilungen schwerer Erkrankungen, bei denen sich zum Beispiel ein Krebstumor ganz plötzlich und unerwartet zurückbildet, aber kein Wunder, daß es dafür auch jedesmal nachträglich eine natürliche Erklärung gibt (wenn Sie sich jetzt wundern und mir das nicht glauben wollen, dann fragen Sie einfach mal bei der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie nach, die werden Ihnen das gerne bestätigen). Aber bei Heilungen durch unsere Theologen, Päpste, Klosterschüler oder sonstige tiefgläubige Normalmenschen bin ich doch eher skeptisch, denn Heilungen von Krankheiten und körperlichen Gebrechen ha ben die ja gar nicht studiert und das gehört demzufolge auch nicht zu ihren Primäraufgaben. Im Gegensatz zu den Ärzten. Wenn die jemanden von seinem Siechtum heilen (was ja durchaus vorkommen soll), dann ist das bestimmt kein Wunder, sondern ihr Job. Aber vielleicht ist ja andererseits gerade das Nichtstudierthaben in Verbindung mit einem Estrotzdemkönnen das eigentliche Wunder? Wohlan denn, auch ich habe das Glossenschreiben nicht studiert, aber dennoch... was wollte ich jetzt damit sagen? Egal. Überhaupt, mit Wundern ist das eh so eine Sache. Wenn man ein wenig in der Kirchengeschichte und anderen heilsamen, ich meine natürlich heiligen Schriften herumblättert, wird man schnell feststellen, daß es sich meistens um Wunderheilungen gehandelt hat. Sie erinnern sich: Blinde werden sehend, Lahme gehend, Aussätzige rein, Stumme sprechend und so weiter. Eigentlich merkwürdig, oder? Dagegen wird über geheimnisvoll brennende Dornbüsche und brückenfreies Überwasserlaufen doch eher selten berichtet. Allerdings weiß ich nicht recht, ob das wirklich alles so den Tatsachen entspricht Seite 56 von 63 © 2007 by Heinz Boente oder ob sich da im Laufe der Jahrtausende nicht doch der eine oder andere Übermittlungsfehler eingeschlichen hat. Gut, unwiderlegbar - wie kirchenvorschriftsmäßig gefordert - ist das alles schon. Man kann es anzweifeln, klar, aber widerlegen kann man es nicht. Ach, was hat die Kirche es gut! Weit besser jedenfalls, als wenn Georg Dabbeljuh behauptet, es gäbe gar keinen globalen Klimawandel. Diese Aussage könnte unter Umständen widerlegt werden. Andererseits, bei allen Heiligen und Seligen, je länger ich darüber sinniere, das eine oder andere Wunder könnten wir in unserem einundzwanzigsten Jahrhundert doch schon gut gebrauchen. Gegen den Hunger in der Welt und die Überfischung unserer Gewässer wären eine wunderbare Brot-, Butterund Marmeladevermehrung bzw. Fischvermeerung sicher ganz nützlich. Und auch das mit dem Wein aus Wasser halte ich persönlich für einigermaßen sinnvoll, sinnvoller jedenfalls als umgekehrt (wodurch ich mich allerdings von den rheinhessischen Winzern grundsätzlich unterscheide). Ja, und wenn das mit den wunderbaren Krankenheilungen tatsächlich möglich sein sollte - ich nehme das jetzt der Glosse wegen mal so an - dann finde ich, daß ein Papst nicht nur dumm im Vatikan auf seinem heiligen Stuhl rumsitzen und einmal im Jahr Geburtstag feiern, sondern lieber mal durch die Krankenhäuser und Uni-Kliniken meines geliebten Vaterlandes pilgern und Heilungswunder wirken sollte, denn damit ließen sich nicht nur die Arzneimittelkosten drastisch senken, sondern uns' Ulla Schmidt hätte sich die ganze Gesundheitsreform herschenken und stattdessen was noch Sinnvolleres machen können. Na ja, wie dem auch sei, von mir aus soll der römische Klerus dem Postulator ruhig stattgeben und den Karol Woytila selig- oder von mir aus auch direkt heiligsprechen, im Grunde ist's mir ziemlich gleichgültig. Aber dann doch einfach so oder von mir aus auch wegen seiner zahlreichen Fans weltweit, damit die endlich zu ihm beten und ihn als Fürsprecher ihres eingewachsenen Zehnagels beim lieben Gott beschäftigen können. Aber bitte jedenfalls nicht wegen des vermeintlichen Außerkraftgesetzthabens von Naturgesetzen. Das ist mir dann doch ein wenig zu suspekt. Ach, du lieber Gott, wenn es dich denn wirklich geben sollte, was hast du da bloß angerich tet als du damals, kurz nach der Erschaffung des Universums, unbedingt auch noch Wunder erfinden mußtest! War das denn tatsächlich nötig, um deine Allmacht zu dokumentieren? Und wenn ja, dann hätte ich einen Vorschlag: wie wär's denn, wenn du das Wunder vollbrächtest und die Dummen dieser Welt von ihrer Wundergläubigkeit heilen tätest, das wäre doch mal was! Und wenn dir das gelingt, dann glaube sogar ich vom selben Moment an Wunder. Ganz bestimmt. Halleluja! Seite 57 von 63 © 2007 by Heinz Boente Märchen und Mythen Das Märchen vom Ozeandampfer (22. Mai 2007) Heute, liebe Kinder, wird Euch der Onkel Glossenschreiber mal ein Märchen erzählen, ein spannendes Märchen zum Weiterschlafen. Also spitzt fein Eure Öhrchen und hört gut zu: Es war einmal ein schöner großer Ozeandampfer. Mit einem Kapitän, mit einem Steuermann, mit Offizieren, die alle schöne blaue Jacken mit goldbetreßten Ärmeln anhatten, mit Matrosen, mit Heinzi, dem Schiffsjungen, und natürlich mit ganz, ganz vielen Passagieren. Der Ozeandampfer hatte auch einen lustigen Namen, er hieß Terra, was sich fast so wie der Name von einem kleinen Hund anhört, aber er war natürlich kein Hund, sondern ein Ozeandampfer. Und nachdem der Ozeandampfer viele, viele Tage auf dem großen Ozean so vor sich hingedampft war, die liebe Sonne jeden Tag vom Himmel schien, und der Kapitän, der Steuermann, die Offiziere und die Matrosen brav ihre Arbeit taten, begannen plötzlich die vielen, vielen Passagiere trotz der Gaukler und Spielleute, die auf jedem größeren Schiff ihr Wesen treiben, zu klagen und zu murren: "Uns ist so langweilig! Immer nur Ozeandampfer fahren ist so entsetzlich langweilig. Und die Gaukler sind auch doof. Was sollen wir denn bloß mal machen?" Und weil ein Kapitän und seine Offiziere nicht nur die Aufgabe haben, einen Ozeandampfer zu führen, sondern auch die Passagiere bei Laune zu halten, kamen sie auf eine tolle Idee. Sie holten aus allen Werkzeugkisten des Ozeandampfers alle Bohrer, die sie nur finden konnten - Ihr könnt Euch den ken, liebe Kinder, das waren eine ganze Menge -, und gaben sie den Passagieren mit den Worten: "Wenn euch langweilig ist, dann bohrt doch einfach ein paar Löcher in die Bordwand." Und weil der kluge Kapitän zudem wußte, daß Passagiere eines Ozeandampfers Wettbewerbe über alles lieben, versprach er sogar demjenigen, der in kürzester Zeit die meisten Löcher bohren würde, eine große Belohnung. Da waren alle Passagiere begeistert und machten sich sofort ans Werk. Und denjenigen, die sich etwas ungeschickt anstellten, halfen gar die Offiziere nach Kräften mit. So bohrten und bohrten sie nach Herzenslust und hatten einen großen Spaß dabei. Ein Loch entstand neben dem anderen, bis die Bord wände des Ozeandampfers bald aussahen wie ein Schweizer Käse. Da war der Kapitän sehr zufrieden, weil seine Passagiere nun keine Langeweile mehr hatten und sich prächtig amüsierten. Doch nach einer Weile rief plötzlich ein Matrose: "Herr Kapitän, Herr Kapitän, unsere Terra hat nun so viele Löcher in der Bordwand, daß da ganz viel Wasser ins Schiff läuft. Wir werden bestimmt untergehen!" - "Unsinn," sagte da der Kapitän, "so schnell geht man nicht unter." Doch tatsächlich, als der Kapitän, die Offiziere und die anderen Matrosen nach einer Weile einmal nachschauten (der Steuermann natürlich nicht, der mußte ja den Ozeandampfer steuern), da sahen auch sie das viele Wasser, das da durch die tausend und abertausend Löcher in den Ozeandampfer hineinrauschte. Und während sie noch so schauten, wurde es immer schlimmer und schlimmer. Mehr und mehr Wasser lief in den schönen Ozeandampfer und er bekam sogar schon eine leichte Schlagseite. Da war guter Rat teuer. Die Offiziere wurden ganz aufgeregt, die Matrosen und die Passagiere, von denen einige schon nasse Füße hatten, begannen sich ein wenig zu fürchten, und Heinzi, der Schiffs junge, machte sich sogar vor Angst ein kleines bißchen in die Hose. Doch der Kapitän wäre gar kein richtiger Kapitän, wenn er nicht sofort eine Idee gehabt hätte, wie man auch dieses Problem lösen könnte. Er rief alle seine Offiziere in seiner gemütlichen Kapitänskajüte zusammen und veranstaltete einen G8-Gipfel, ja, so nannte er es, denn grausig große Gefahren gebieten geradezu ganz gewaltiges Gelaber. "Nur keine Panik, Leute," sprach der Kapitän deshalb beruhigend, "ich habe Sie hier versammelt, um die Maßnahme zu beschließen, die uns das Überleben in einer Gefahrensituation sichern wird, die aufgrund der unvorhersehbaren Folgen gewisser Ereignisse eingetreten ist, deren Konsequenzen insbesondere die kürzlich erst wiederhergestellte positive Entwicklung der allgemeinen Stimmungslage bei den Mitgliedern unserer Gemeinschaft unter den gegebenen Umständen und unter Berücksichtigung des weiteren Verlaufs unserer Reise zu ermöglichen mir am sichersten als nachhaltige Lösung im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen und mit dem Ziel der Aufrechterhaltung sämtlicher durch gemeinsame Anstrengung erreichten Stabilitätskriterien geeignet werden zu sein scheint bzw. werden wird." So, liebe Kinder, oder so ähnlich sprechen Kapitäne gerne. Und weil er ja diese Maßnahme beschlieSeite 58 von 63 © 2007 by Heinz Boente ßen wollte, fuhr er fort: "Also, was wir tun ist folgendes: wir bauen sofort einen Heiligendamm gegen das eindringende Wasser. Leider haben wir zwar viele Flaschen, aber zu wenig Korken an Bord. Deswegen soll jetzt jeder Passagier und jeder Matrose sofort ein Taschentuch oder eine Serviette vor die Löcher hängen, dann wird's so schlimm schon nicht werden. Schließlich sind wir seit vielen, vielen Jahren mit unserem Ozeandampfer auf allen sieben Weltmeeren unterwegs und es ist noch immer gutgegangen. Warum sollte also ausgerechnet diesmal was passieren? Die paar Löcher können einem so großen und so schönen Ozeandampfer wie dem unserigen doch gar nichts anhaben." Das war ein prima Vorschlag und im Nu waren die Offiziere wieder guter Dinge. Und auch als die Matrosen und die Passagiere dies hörten, jubelten und frohlockten sie, holten alle ihre Taschentücher und Servietten raus und hängten sie wie geheißen vor die alten Löcher. Einige Passagiere bohr ten zwar heimlich und schnell noch ein paar neue an die Stellen, die noch nicht wie ein Schweizer Käse aussahen, aber das merkte keiner, denn das Wasser lief trotz des Heiligendamms aus Taschentüchern und Servietten immer weiter wie verrückt in den schönen großen Ozeandampfer hinein. Aber nun hatte man wenigstens schon mal was getan und brauchte kein schlechtes Gewissen zu haben. Und vor allem mußte sich niemand Vorwürfe machen, es wäre nicht alles Menschenmögliche unternommen worden. Am allerwenigsten der Kapitän. Nur der Schiffsjunge Heinzi hatte noch immer große Angst und machte deshalb rasch noch einmal in seine Hose. Diesmal sogar etwas mehr als vorher. Ja, und was soll ich Euch sagen, liebe Kinder, Ihr habt's Euch sicher schon gedacht, aber nach ein paar Stunden ist der schöne große Ozeandampfer dann trotzdem bis zur Schornsteinspitze vollgelaufen und tatsächlich untergegangen. Mit Mann und Maus. Der arme kleine Schiffsjunge Heinzi mit seiner schweren vollen Hose zuerst. Keiner konnte sich retten, weder der Kapitän, noch der Steuermann. Auch die Offiziere mit den schönen blauen Jacken nicht, und auch nicht die Matrosen. Und die vielen Passagiere schon mal überhaupt nicht, weil die meisten von ihnen nicht einmal richtig schwimmen konnten. Und so sind alle gar jämmerlich ertrunken. Aber so sind die Menschen nun mal. Wenn sie diesmal nicht ertrunken wären, und man gäbe ihnen einen neuen schönen großen Ozeandampfer, dann würden sie ganz bestimmt bald wieder anfangen, vor lauter Langeweile Löcher in die Bordwand zu bohren und alles ging wieder von los. Aber Ihr, liebe Kinder, braucht Euch natürlich keine Sorgen zu machen, Ihr seid ja nicht auf einem großen Ozeandampfer namens Terra, sondern warm und kuschelig in Euren Bettchen. Und nun schlaft alle recht schön! Seite 59 von 63 © 2007 by Heinz Boente Sport und Spiel Das Zeitalter des Doping - Teil 2 (1. Juni 2007) Es gibt Buchstaben, liebe Glossenleser, die mag ich nicht mehr. Zum Beispiel das D und das G, oder auch das I, das N und das O finde ich ganz schlimm, und das P sowieso. Also einzeln mag ich die schon, diese Buchstaben, aber nicht mehr, wenn sie in einer bestimmten Reihenfolge stehen und vereint das Wort 'Doping' bilden. Entsetzlich! Ich mag's wirklich nicht mehr hören. Obwohl, nein, weil Doping dieser Tage mal wieder in aller Munde ist. Das heißt nicht nur in aller Munde, sondern ganz besonders auch in aller Ohren, in aller Augen und in fast allen Körpern, vor allem in denen von Lei stungssportlern. Jetzt wissen wir dank der öffentlichen Jammerei einiger reumütiger Fahrraddeppen also endlich definitiv, was wir schon lange vermutet haben: auch im Sport wird gedopt bis die Spritzen glühen. Zwar habe ich meine Meinung schon einmal in einer Glosse kundgetan (unter dem Titel Das Zeitalter des Doping am 16. August 2004, um genau zu sein), aber dieser ganze penetrante Doping-Medienmüll geht mir mittlerweile derartig auf den Geist, daß ich leider keine andere Möglichkeit sehe, als noch einmal darüber zu wettern. Also, geht mir doch weg mit diesem Medienrummel um das D-Wort! Als ob es auf unserem Planeten nichts Wichtigeres gäbe, um das man sich viel dringender kümmern müßte! Aber egal, Sport ist und bleibt nun mal für viele meiner Zeitgenossen leider das Thema Nummer Eins und rangiert meist noch vor dem Geschlechtsverkehr. Da kann man nix machen. Da sitzt bei den Menschen tief drin im Gehirn wohl noch eine Art Ur-Instinkt aus einer Zeit, als man seiner täglichen Mahlzeit noch kilometerweit hinterherlaufen mußte und der erste an der Beute dann das Filetstückchen bekam. Ein Instinkt aus einer Zeit, als es noch keine Bücher, kein Radio, kein Fernsehen, keine Mobiltelefone und kein Internet gab und man seiner Langeweile nur Herr werden konnte, indem man zwei Mannschaften bildete und eine Kokosnuß oder einen hartgetrockneten Elefantenkötel durch die Gegend kickte. Als man seine zwischenmenschlichen Unstimmigkeiten noch durch einen herzhaften Faustschlag auf's gegnerische Kinn gelöst hat, ohne gleich einen zwölfrundigen Boxkampf daraus machen zu müssen, und als sein Leben nur retten konnte, wer schnell genug auf den nächsten Baum kam. Aber eben schneller als der Löwe und nicht als der Kollege vom benachbarten Volksstamm. Ja, so war das damals, vor knapp einer halben Million Jahren. Aber wenn ich mich nicht furchtbar täusche, leben wir heute im einundzwanzigsten Jahrhundert. Und wenn ich mich nicht noch mal furchtbar täusche, versucht man dem Menschen seit Jahrtausenden einzureden, er sei mittlerweile ein vernunftbegabtes Geisteswesen. Daß ich nicht lache! Vernunft! Geist! Das doch wohl nun wahrhaftig nicht. Ein ganz armes biologisches Würstchen ist der Mensch. Sonst wüßte er nämlich, daß seinem Körper ganz natürliche Grenzen gesetzt sind. Seine Physiologie verhindert nun mal, 100 Meter einer Aschenbahn in viel weniger als... weiß ich jetzt auch nicht so genau, sagen wir mal neun Sekunden zu laufen. Es geht auch nicht, daß man auf einem Fahrrad eine steile Bergetappe von 150 Kilometern Länge (aufwärts, versteht sich) in viel weniger als vier Stunden schaffen kann, außer man baut sich einen Motor in sein Fahrrad, aber dann kann man ja gleich Motorradrennen fahren (was ich persönlich übrigens auch für völlig überflüssig halte). All das ist also nur möglich, wenn man der Biologie ein wenig mit der Chemie auf die Sprünge hilft. Und dagegen ist ja eigentlich auch nichts zu sagen, denn heutzutage sind nicht Geist, Vernunft und Wissen gefragt, sondern unterhaltsame Wettbewerbe, aus denen echte Siegertypen hervorstechen, die ein bißchen schneller laufen, weiter springen, strammer strampeln oder noch dummer aus der Wäsche gucken können als alle anderen. Hätte der Mensch Geist, Vernunft und Wissen in einem für heutige Verhältnisse ausreichenden Maße, dann wüßte er, daß dieser ganze Sportunsinn nur noch einen einzi gen Zweck hat, nämlich unter schamloser Ausnutzung eines antiquierten Triebes diese hochgezüchteten Sportfiguren und das ganze Brimborium drumherum dem Publikum als Werbeträger zu verkaufen. Der Sport selber ist eigentlich nur schmückendes Beiwerk, eine Art notwendiges Übel zur Instinktbefriedigung oder sogar Ablenkung, denn eigentlich soll der Zuschauer doch nur die Werbung sehen. Und das läßt man sich natürlich was kosten. Millionenbeträge pulvern die Firmen, die sich's leisten können, als Sponsorengelder raus. Aber, wie gesagt, nur für die Siegertypen, die Ersten, die Idole, die Sympathieträger. Die letzten beißen halt hier wie früher nur die Löwen bzw. die Hunde. Und wie wird man Siegertyp? Indem man Höchstleistungen vollbringt. Und wie kann man Höchstleistungen vollSeite 60 von 63 © 2007 by Heinz Boente bringen, die über die bekannten Grenzen der Biologie und der Physiologie hinausgehen? Ganz klar, indem man ein wenig mit der Chemie nachhilft. Das zu wissen braucht's weder medienrummelige Scheinheiligkeit noch öffentliche Empörung und Entsetzen, sondern nur ein bißchen gesunden Men schenverstand. Inzwischen frage ich mich sowieso, wo das sogenannte Doping überhaupt anfängt? Ich meine prinzipiell soll Doping ja eine Leistungssteigerung bewirken. Eine Steigerung, die über die "normale" Lei stung hinausgeht. Aber was zum Kuckuck ist denn eigentlich eine normale Leistung? Ist das normal, wenn ich morgens um acht durch die Bude schleiche und meine Augen nicht richtig aufkriege? Ja, das ist ganz normal. Ok, dann ist meine erste Tasse Kaffee allerdings Doping. Und ist das normal, wenn ich mit leerem Kopf vor meinem leeren Bildschirm sitze und nicht mal eine anständige Glosse zusammengeschrieben kriege, obwohl meine Millionen Fans sehnsüchtig und füßescharrend darauf warten? Ja, genau, das ist ebenfalls ganz normal. Jedenfalls so lange bis ich mir einen leistungssteigernden und stimmungsaufhellenden Doping-Schokoriegel eingeschoben habe, dann schreibt sich die Glosse fast von alleine. Oder ist das normal, wenn eine Frau sich vor dem Disco-Besuch die Lippen schminkt, die ansonsten vielleicht etwas bläßlich aussehen, um ihre persönliche Bestleistung beim abendlichen Männeraufreißen zu steigern? Jawohl, auch das ist normal, das nennt man optisches Doping. Und bei einer mäßigen Musiktruppe, die zur Leistungssteigerung ihrer Gitarrenklänge und ihrer dünnen Pieps stimmchen einen Verstärker benutzt, spricht man folgerichtig von Akustikdoping. Doping ist also allgegenwärtig in meinem geliebten Vaterland. Alles ganz alltäglich. Nur im Sport soll ein leistungssteigerndes Spritzlein hier und ein aufputschendes Pillchen dort plötzlich verwerflich sein? Das ist doch geradezu lachhaft! Aber wenn man einerseits schon die arme Chemie so verteufelt, dann sollte man andererseits endlich die Gentechnik freigeben, dann kann man nämlich Sportler züchten, die auch ohne zusätzliche Aufnahme von Chemikalien auf ihrem Gebiet nur noch Allerhöchstleistungen vollbringen. So schwierig kann das doch nicht sein, das entsprechende Gen anzuknipsen oder von mir aus auch zu verdoppeln. Bei Läufern das Lauf-Gen, bei Springern das Sprung-Gen, bei Rad fahrern das Strampel-Gen, bei Fußballern das Tor-Gen, um nur mal ein paar gängige Beispiele anzuführen. Die Gentechnik läßt sich dann anschließend auch mühelos auf andere Lebensbereiche übertragen bzw. ist dort sogar schon gang und gäbe, denn bei den meisten unserer Politiker ist das Schwafel-Gen und das Nichtdurchblick-Gen schon seit jeher besonders ausgeprägt und rührig. Ganz besonders bei unserem Sportminister Schäuble kann ich mich des Endrucks nicht ganz erwehren, daß bei ihm nicht nur die besagten Gene aktiv sind, sondern daß er zusätzlich auch noch voll mit halluzinogenen Drogen ist. Aber nicht etwa um bei den nächsten Paralympics auch mal ganz vorne dabei zu sein (dafür hätte ich ja unter Umständen sogar noch Verständnis), sondern um noch lauter und noch eindringlicher nach neuen Gesetzen brüllen zu können. Und wenn ich eins nun überhaupt nicht brauche, dann sind das Anti-Doping-Gesetze. Darin müßte ja auch konsequenterweise das Verbot von Kaffee, Schokoriegeln, Lippenstift und Gitarrenverstärkern festgeschrieben sein. Nein Danke! Also, liebe Glossenleser, bleiben Sie trotz des aktuellen Doping-Rummels einfach ganz ruhig. Nehmen Sie einen Tranquilizer und lassen Sie doch die dämlichen Sportler sich alle miteinander zum Teufel dopen! Lassen Sie sie sich randvoll pumpen mit allen Chemikalien, die ihnen in die Finger kommen, und ihr Eigenblut schlucken, bis es ihnen an den Ohren wieder rausläuft! Was soll's? Ob jemand siegt, weil er wirklich schneller Radfahren kann als alle anderen, oder ob er siegt, weil er ein paar Kubikzentimeter Drogen mehr im Körper hat als seine Konkurrenten, kann echten Sport-Fans, wie wir es alle sind, im Grunde doch wirklich völlig egal sein, oder? Seite 61 von 63 © 2007 by Heinz Boente Wort und Sprache Numismatiker (28. November 2007) Weil der heutige Morgen, liebe Glossenleser, an meinem rheinhessischen Wohnort ein wenig nebligkühl ist und ich mir gar nicht vorstellen mag, wie derselbe sich wohl in den anderen Teilen meines geliebten Vaterlandes präsentiert, habe ich mich in meiner warmen Stube der Beantwortung einer Frage gewidmet, die mir - weiß der liebe Himmel warum - schon seit längerer Zeit auf den Nägeln brennt. Sie lautet: Was zum Teufel ist eigentlich ein 'Numismatiker'? Nun, da selbst ich nicht alles weiß, habe ich heute morgen schon ganz früh verschiedene Experten und Sprachwissenschaftler zunächst an den Ohren herbei und danach zu Rate gezogen. Mit einem traurigen Ergebnis jedoch: die haben auch alle keine Ahnung (wie's bei Experten oft der Fall ist... ich hätt's mir denken können). Andererseits haben sie ihr fundiertes Unwissen mir gegenüber natürlich nicht offen zugegeben, sondern mich mit zahlreichen pseudowissenschaftlichen, ja, teilweise sogar halbesoterischen Erklärungen zugetextet, die ich nunmehr versuche, in knappe, verständliche Worte zu kleiden. Vorausschicken muß ich allerdings noch, daß es mehrere verschiedene Erklärungsansätze gibt, von denen ich Ihnen die wichtigsten im Folgenden zusammenfasse: Durchaus akzeptabel erscheint mir der erste Hinweis eines großen, schlanken und deshalb grauhaarigen Experten, daß sich aufgrund der seinerzeit stattgefunden habenden sogenannten mittelhochdeut schen Schlußkonsonantenweglassung (nu = nun und Mis = Mist) und unter Hinzufügung des 'Mati ker', was in der heute nur noch sehr leise gesprochenen Sprache eines im Aussterben begriffenen südostsibirischen Mongolenstamms etwa so viel wie 'Macher' heißt, die Bedeutung 'Nunmistmacher' ergibt. Das klingt einigermaßen einleuchtend, wie ich finde, so daß ich die weiteren Erläuterungen dieses großen, schlanken Grauhaarigen durchaus ebenfalls für beachtenswert halte. Danach hat sich dieses mongolische 'Matiker' (im Original: ma ti ker) erstaunlicherweise in viele, uns heute durchaus geläufige Begriffe hinüberretten können, Einige Beispiele dazu sind: der 'Mathematiker' (= Rechnungsmacher), der 'Grammatiker' (= Waagenmacher), der 'Informatiker' (= Unförmigmacher), der 'Pneumatiker' (= Lungenentzündungsmacher) und - nicht zu vergessen - der 'Pragmatiker' (= Gründer von Prag, genauso wie der... ja, was nehmen wir jetzt da? Es gibt so furchtbar viele... also beispielsweise wie der 'Hannovermatiker', der 'Frankfurtanderodermatiker' und der 'Prümmatiker'). Eine zweite Erklärung (sie stammt von einem durchschnittlich großen Experten mit Backenbart, Glatze und Cordjacke, der vor seiner Umschulung zum Experten eine zeitlang mal als Facharzt für Augenheilkunde tätig war) besagt, daß durch die Angleichung der schwäbischen Mundart an das ostfriesische Plattdeutsch in Verbindung mit der ersten deutschen Wortverwuselungsreform von 1888 eine extrem enge etymologische Verwandtschaft zwischen 'Katarakt' und 'Numismatik' nachweisbar sei. Allerdings, so habe ich persönlich durch verschiedene Umfragen herausgefunden, ist die genaue Bedeutung des Wortes 'Katarakt' bis heute den meisten Menschen noch ziemlich unklar, ja, man kann fast sagen, daß ihr Blick darauf ein wenig graugetrübt ist, so daß in diesem Falle eine gewisse Unwahrscheinlichkeit nach wie vor als gegeben angesehen werden kann bzw. muß. Dabei sollte es mittlerweile doch wirklich zum Grundwissen eines jeden halbwegs Gebildeten gehören, daß ein 'Katarakt' keine ordinäre Schleimhautentzündung ist, sondern ein Segelboot mit Doppelrumpf. Drittens (so meinte ein gelegentlich als Trauzeuge einspringender pensionierter Computer-Fachmann) besteht durchaus eine kleine Möglichkeit, daß es sich beim Wortstamm 'Numis' um die Abkürzung des "Niedersächsischen Umweltinformationssystems" handelt, wobei der angehängte 'Matiker' ganz entgegen der ersten Erklärung in diesem Fall wohl jemand ist, der sich in Niedersachsen mit einem System beschäftigt, welches Informationen über die Umwelt sammelt und speichert, diese dann behandelt, verwaltet, umformt, verknüpft, geheimhält... und ähnliches, das weiß außer Herrn Schäuble halt keiner so genau. Die vierte Möglichkeit (dargelegt von einem langzeitarbeitslosen Erdkundelehrer aus Sachsen-Anhalt) besteht darin, daß der fragliche Begriff in irgendeiner Form und irgendwie mit dem historischen Land 'Numidien' in Nordwestafrika zusammenhängt, was durchaus wahrscheinlich ist, denn die Hauptstadt Numidiens hieß ja bekanntlich 'Hippo', womit sogar eine enge innere Verwandtschaft des 'Numismatikers' zum gemeinen Flußpferd besteht. Wer hätte das gedacht! Andererseits leuchteten an dieser Stelle die Augen des ehemaligen o. a. Facharztes kurz auf, da ihm natürlich sofort der kratische Eid des Hippo wieder ins Bewußtsein kam und er damals sowieso viel lieber Biologie und anschließend das bunte Seite 62 von 63 © 2007 by Heinz Boente Leben und Treiben in afrikanischen Flüssen studiert hätte. Die unwahrscheinlichste aller Deutungen scheint mir persönlich jedoch die folgende zu sein (geäußert von einem schon rein äußerlich als Scharlatan zu erkennenden, sogenannten "Experten"). Dieser behauptete nämlich, daß im Wort 'Numisma' das englische Wort 'coin' stecke, man es bloß nicht sähe, weil es sich recht erfolgreich hinter dem französischen 'monnaie' verbärge (oder verbürge... an dieser Stelle hat der sogenannte "Experte" sich entlarvenderweise schwer verhaspelt), welchselbiges wiederum deshalb nicht gleich auf den ersten Blick erkennbar sei, weil es nur rudimentär darin vorkäme, da der größere Teil des 'monnaie' bereits in Form von mehreren Flaschen Bordeaux und einigen Päckchen Gauloises verbraucht worden sei. "So ein Blödsinn!" kann ich da nur ausrufen, aber vorenthalten wollte ich Ihnen, liebe Glossenleser, dieses der Vollständigkeit halber jedoch andererseits auch nicht. Und nachdem all diese Erklärungen nur wenig befriedigend sind, habe ich grad selber mal im Lexikon nachgeschaut, was in Dreiteufelsnamen denn nun wirklich ein 'Numismatiker' ist, und erwartungsfroh den Band NEV - SID des Neuen Brockhaus (gar so neu ist der allerdings nicht mehr, er stammt aus dem Jahre - fast schäme ich mich ein bißchen, es überhaupt zu sagen - Neunzehnhundertsechzig) hervorgekramt. Ja, und was soll ich Ihnen sagen? Himmelarschundzwirn! Da hat doch tatsächlich irgendein gemeiner - deutsche Journalisten und amerikanische Präsidenten würden 'feiger' sagen - Terrorist vermutlich hinter meinem Rücken (schon klar, muß ja so sein, sonst hätte ich es ja sehen können) das Blatt mit den Seiten 41/42 ('Novelle' bis 'Nummer') brutal herausgerissen... so ein Mist, jetzt bin ich genauso ratlos wie vorher. Ich hoffe jedenfalls, liebe Glossenleser, daß Sie meine Bemühungen um den 'Numismatiker' zu schätzen wissen, auch wenn das Ergebnis selbst ein wenig dürftig ist. Vielleicht haben aber Sie den einen oder anderen Sprachexperten in Ihrem engeren oder weiteren Bekanntenkreis, den Sie bei Gelegenheit mal fragen könnten? Es wäre jedenfalls schön, wenn es unseren gemeinsamen Anstrengungen gelänge, wenigstens ein klitzekleines Lichtlein der Erkenntnis in die allgemeine Dunkelheit der Numismatik hineinzuprojektizieren bzw. leuchten zu lassen bzw. aufzuhellen. Nieder mit der Unwissenheit! Seite 63 von 63 © 2007 by Heinz Boente