Faltblatt Rochusfigur neu.p65
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Faltblatt Rochusfigur neu.p65
das Fehlen des Engels aber auch den Betrachter dazu auf, selber die Funktion eines helfenden, heilenden Engels in seiner Umgebung wahrzunehmen. Mit den dargestellten Attributen erhält der dynamische Bewegungsimpuls der Heiligenfigur eine künstlerische Ergänzung in einer mehr statischen Formensprache und fügt dem angespannten Ausdruck des Rochus eine gelöste, heitere Note hinzu, die auch Kinder anzusprechen vermag. Im Jahr 2002 ist die Bronzestatue durch eine Darstellung der Attribute des heilige Rochus ergänzt worden. Vor einer aus großen Steinen gefügten Bank apportiert ein struppiger Hund ein Baguette im Maul, da nach der Legende der pestkranke Rochus auf diese Weise seine tägliche Nahrung draußen auf dem Lande erhielt. Eine Fessel am Boden erinnert daran, dass der Heilige zurückgekehrt in seine Heimat Montpellier, als Spion verdächtigt und ins Gefängnis geworfen wurde, wo er unerkannt gestorben ist. Auf den Steinen verweisen ein Flügelpaar, ein Sternenmantel und ein Heiligenschein auf einen Engel, der als reines Geistwesen nicht direkt darstellbar ist. Eine Tragetasche mit Arzneiflaschen erinnert an die vom Engel vorgenommene Wundbehandlung bei dem Heiligen. Vielleicht fordert Die Rochus-Statue von Bert Gerresheim Text: Bilder: Werner Roemer Marie-Theres Moritz Ostern 2001 ist vor der Pfarrkirche St. Rochus eine 2,30 m hohe Bronzefigur ihres Namenspatrons aufgestellt worden, die der Bildhauer Bert Gerresheim modelliert, der Förderverein „Baudenkmal Rochuskirche e.V.“ finanziert und der die Kunstgießerei Schmäke die Bronzeform verliehen hat. Wer die Jahrhunderte alte Bildtradition des heiligen Rochus kennt, wird feststellen, dass sich an seiner typologischen Darstellung nicht viel verändert hat. Ein lang fallendes Gewand mit einer Pelerine, ein Wanderstab an der Hand und Sandalen an den Füßen kennzeichnen ihn als Pilger. Zu dieser Ausstattung gehören ebenso eine Umhängetasche und ein auf die Schulter geglittener, breitrandiger Hut mit aufgenähter Pilgermuschel. Auch der Hinweisgestus auf seine Beinwunde am Oberschenkel, die ihn als Pestpatron ausweist, ist traditioneller Art. Ungewöhnlich aber ist die künstlerische Gestaltung. Eine große Dreiecksfalte, die vom Halsausschnitt bis zum Gewandsaum reicht, und wie das Vorsegel eines dahinsegelnden Bootes wirkt, nimmt die dynamische Fortbewegung des Wanderer auf, die von seiner ausholenden Schrittstellung ausgeht. In ihr kommt die Zielstrebigkeit zum Ausdruck, mit der er sich auf den Weg nach Rom begibt. Auch die zupackende Art, mit der er seinen Pilgerstab dicht am Körper hält, verrät die Entschlossenheit seines Vorhabens. Von anderer Art ist jedoch die Formgebung auf der Rückseite der Statue. Hervorgerufen durch eine abrupte Körperwendung des Heiligen, wehen die Falten der Pelerine zur Seite und stauen sich auf der Schulter zu einer Anhäufung diagonal verlaufender Röhrenfalten. Gleichzeitig vollziehen auf der anderen Schulter die verschlungenen Kreissegmente seines Hutes ein verwirrendes Linienspiel. In diesem abstrakten Formgedränge deutet sich ein seelisches Konfliktpotential an, das die an der Vorderseite erkannte Zielstrebigkeit des Rochus in Frage zu stellen vermag. Hier wird die unerwartete Situation in der Vita des Heiligen angesprochen, der zufolge dieser sich in Oberitalien wegen der ausgebrochenen Pest veranlasst sah, seine Pilgerfahrt zu unterbrechen, um zunächst den Kranken vor Ort in ihrer Not zu helfen. Seine religiöse Absicht als Pilger gerät dadurch kurzfristig in Konflikt mit seiner christlichen Verpflichtung zur Nächstenliebe. Dem entspricht bei der Plastik das momentane Innehalten des Wanderers, in dessen Gesichtszügen sich angestrengtes Suchen und leidvolles Umdenken zeigt. Aber der Kopfwendung folgend, ändert er soeben seine Richtung, wie auch die bereits geöffnete Pilgertasche den vollzogenen Entschluss zur Hilfeleistung ankündigt. Das größte Problem, über das die Vita berichtet, entstand auf der Rückreise von Rom, als der Heilige bei der erneuten Pflege der Seuchenkranken angesteckt wurde und an der Pest erkrankte. Da stellte sich ihm unausweichlich die Frage, wie sich menschliches Leid mit der barmherzigen Güte Gottes vereinbaren lässt, der sowas zulässt. Auch dieser Konflikt wird in der formalen Gestaltung der Statue anschaulich, indem ihre linke Seite, angefangen von der Schläfe über den Arm und das Bein bis zum Fuß, von mehreren versetzten Schnittstellen durchzogen ist. Sie machen die religiösen Zweifel und Verunsicherungen deutlich, welche die Leiderfahrung in ihm ausgelöst hat, bevor er sie in gläubigem Vertrauen als notwendige Station auf dem Weg der Nachfolge Christi erkannte.