RepRäseNTATIoNsweRTe: ARcHITekTUR AUf deM kUNsTMARkT
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RepRäseNTATIoNsweRTe: ARcHITekTUR AUf deM kUNsTMARkT
MARTIN HARTUNG Repräsentationswerte: Architektur auf dem Kunstmarkt Vortrag bei Contemporary Fine Arts am 29. Januar 2015 César Pelli, The Long Gallery House (1980), Beitrag zu Houses for Sale, Ausstellung bei der Leo Castelli Gallery, New York, 1980. Foto: Bevan Davies. © Archives of American Art, Smithsonian Institution Im EasyJet-Reisemagazin vom November 2014 wurde auf den ersten Seiten unter der Rubrik Manual eine aktuelle Architektursensation beschrieben. Aufgemacht als Gebrauchsanweisung fürs Auge – denn von ‘DoIt-Yourself’ kann hier wahrlich nicht die Rede sein – wurde unter dem Titel How to Build a Fashion Cloud die kurz zuvor eröffnete, von Frank Gehry entworfene und von Bernard Arnault unter Zurverfügungstellung von mehr Doppelseitiges Feature von Frank Gehrys Fondation Louis Vuitton im EasyJet Traveller Magazine, November 2014 als 100 Millionen Euro beauftragte Fondation Louis Vuitton im Parc d’Accommodation vorgestellt. Das Gebäude liegt nun wie ein gestrandetes Luftschiff im Pariser Park, dessen 150. Jubiläum die Stadt im Jahr 2010 feierte. Im Oktober 1860 von Napoleon III. als Zoologischer Garten eingeweiht, gibt es dort nun eine neue Attraktion, die im Oktober letzten Jahres hochkarätig gefeiert wurde. Dazu hieß es in der Architectural Review beißend: “While Ebola was ravaging West Africa, Gehry fever hit Paris this Autumn.”1 Im EasyJet-Feature werden mehrere, allerdings kapitalintensive, Erfolgsbausteine zusammengefasst; der erste: “Hire the Industry’s Best” – als solcher wäre dann der Kunstaffine Frank Gehry gekrönt, der im letzten Jahr seinen 85. Geburtstag gefeiert hat. Weiterer Erfolgsbaustein im Feature ist: “Look the Part.” Hier wird das in Padua speziell hergestellte, gebogene Glas der zwölf Glassegel zelebriert, gefolgt von 4.: “Think about Structure”, wo dem Leser berichtet wird, dass 15.000 Tonnen Stahl, zwei Mal mehr als es zum Bau des Eiffelturms brauchte, für die Konstruktion des privaten Kunstmuseums mit elf Galerien von Nöten waren. Schließlich: “Fill it with Stars”. Hier geht es zunächst um die Gaumenfreuden im Restaurant Le Frank, das nicht 1 nur den Michelin Starkoch Jean-Louis Nomicos zu bieten hat, sondern auch Groß versionen der Fischlampen, die Gehry seit den frühen 1980er Jahren zusammen mit einer Reihe von Möbelentwürfen und Accessoires seinen Bauten einverleibt. Der mittlerweile charakteristische Gehry-Fisch wurde zum Mittel des Architekten, sich von der Vorliebe seiner postmodernen Kollegen für klassische Bauformen am weitesten in die Vergangenheit abzusetzen, denn Fische soll es auf der Erde immerhin schon seit etwa 450 Millionen Jahren geben. Inzwischen erreicht Gehrys „Ursprungs”-Design hohe Summen auf Auktionen: bei Sotheby’s in New York wurde ein früher Entwurf von 1984 am 14. Juni 2012 für $110.500 ersteigert. Das ist eine der Höchstsummen der Kategorie, besonders eines lebenden Architekten oder Designers. Wie der Auktionskatalog allerdings listet, wurde die Lampe direkt vom „Künstler” – in dem Fall also nicht „Architekten” – Gehry zur Auktion gestellt. Das Objekt changiert zwischen rein ästhetischem Gegenstand und Gebrauchswert, was zur Entstehungszeit der Lampe im Bereich des postmodernen Designs von Architekten, das Mitte der 1980er Jahre Eingangssituation, Restaurant Le Frank, Fondation Louis Vuitton, Paris, Foto: Martin Hartung hoch im Kurs stand, nicht ungewöhnlich war. Da wirkt das opulente Fischlampen-Design im Restaurant Le Frank gleich ein wenig erhellender und so wurde Frank Gehry von Louis Vuitton beziehungsweise Arnault auch noch als Taschendesigner mit eingespannt, um die Twisted Box zu entwerfen, die im Shop der Fondation in Serie für 3000 Euro erhältlich ist – ein Hauch Dekonstruktivismus im praktischen Handtaschenformat. Von der Modemarke ließ sich Gehry so en passant als „Ikonoklast” bran- den und war damit nicht allein, denn unter dem Motto Six Iconoclasts, One Icon ließ Louis Vuitton 2014 von weiteren fünf Designern, darunter Karl Lagerfeld, Accessoires entwerfen, die vom Logo des Luxusherstellers inspiriert sind. Auch das Gebäude selbst trägt am Haupteingang das Zeichen: So könnten Gesamtkunstwerke im 21. Jahrhundert aussehen, wenn das Prinzip Gesamtkunstwerk noch anwendbar ist. Niklas Maak hat den Bau in seinem räumlichen und sozialökonomischen Kontext ganz treffend wie das im Bois de Boulogne prangende „Krokodil am Lacoste-Hemd” beschrieben.2 Sicher ohne den Lifestyle der 1% vorwegnehmen zu wollen, verglich Gehry seine Schöpfung mit einem „Schiff unter vollen Segeln.”3 Hier ist das noch Metapher, andernorts entwerfen seine Kolleginnen und Kollegen tatsächlich die Yachten der Superreichen, wie ein Beispiel der Londoner Architektin Zaha Hadid zeigt, die auf 128 aerodynamischen Metern unter anderem eine Concept Yacht für den Bootshersteller Bohm & Voss entworfen hat – Preis auf Anfrage. Von Zaha Hadid, deren erstes realisiertes Gebäude überhaupt 1993, vier Jahre nach Gehrys dortigem Museumsbau, auf dem Gelände des Fassadenansicht mit Blick in den offenen Hof im Untergeschoss mit der Lichtskulptur Inside the Horizon (2014) von Olafur Eliasson, Fondation Louis Vuitton, Paris, fertiggestellt 2014, Foto: Martin Hartung beim Auktionshaus Phillips für $296.000 versteigert. Tatsächlich werden seit den 2000er Jahren besonders Hadids Bauten, aber auch die anderer ArchitektInnen, als weltweite Statussymbole gern mit Louis Vuitton-Handtaschen verglichen. Die Diskussion darum entbrannte Gehry Partners LLP, Haupteingang, Fondation Louis Vuitton, Paris, fertiggestellt 2014, Foto: Martin Hartung Möbelherstellers Vitra in Weil am Rhein gebaut wurde, ist mittlerweile bekannt für ihren Fable zum Design, den sie mit anderen KollegInnen teilt. Neben Haushaltsware, die seit dem letzten September bei Harrods in London zu Preisen von circa 70 Pfund für Platzdeckchen bis etwa 5000 Pfund für ein Schachspiel verkauft wird, aber auch dem Design von Schmuck, hat sie bereits 2006 eine Icon-Handtasche zur Louis Vuitton Collection beigesteuert. Einer von Hadids Tischen wurde schließlich im Mai 2013 Frank Gehry, Twisted Box, 2014, Handtasche der Serie Six Iconoclasts, One Icon, Louis Vuitton, Foto: Martin Hartung in den letzten Jahren immer wieder erneut, im Falle Hadids tragischerweise ganz wörtlich als die Architektin den London Design MuseumPreis für das Heydar Aliyev-Kulturzentrum in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku er2 hielt, das dann kurz nach der Eröffnung von Aktivisten in Brand gesteckt wurde. Bereits zuvor war bekannt geworden, dass der Namensgeber des Komplexes jahrelang den russischen Geheimdienst KGB leitete und das Land Aserbaidschan nach dessen Unabhängigkeit von der Sowjetunion autoritär geführt hatte. Sein Sohn Ilham Aliyev soll diesen Führungsstil daraufhin in korrupten Kreisen fortgesetzt haben, in denen Regimegegner brutaler Verfolgung ausgesetzt seien. Nach Presseberichten mussten dem Bau zuvor 250 Häuser weichen, deren Eigentümer keine Entschädigungen erhalten hätten. Wiederholt zu Stellungnahmen im Rahmen ihrer Bauprojekte aufgefordert, die nicht nur einmal mit diktatorischen Bauverhältnissen in Verbindung standen, lautet Hadids Reaktion im Wesentlichen, dass sie lediglich deren Architektin sei, für die Zustände in den Ländern die jeweiligen Regierungen hingegen selbst verantwortlich zeichneten. Ein Resultat der globalen Bautätigkeit großer Architekturbüros ist, dass die zeitgenössische Ikonenarchitektur, an deren Aufkommen Gehry einen Mammutanteil hat, als Ansammlung von Monumenten oft kontextfremd aus der sie umgebenen urbanen Landschaft ragt. Rem Koolhaas, der mittlerweile wohl berühmteste Architekt, hat 2007 auf einem Panel am Canadian Centre for Architecture (CCA) in Montreal gerade das Bild von Gehry’s Guggenheim gezeigt, um vor dem Hintergrund eines von globalen Marktmechanismen bestimmten Architekturbetriebes zu beschreiben, was von ihm und seinen Kollegen erwartet würde: “to be extravagant and spectacular.”4 Koolhaas schließt sich selbst nicht aus diesem Zirkel aus, kritisiert unter anderem aber das inhärente Geltungsbedürfnis seiner Mitstreiter. Als Direktor der letztjährigen Architekturbiennale hat Koolhaas den Fokus der Großausstellung gerade von der zeitgenössischen Figur des Starchitekten weg, hin zur Rückbesinnung auf Grundelemente des Bauens verlagert, ohne bei aller Arbeit am Fundament den eigenen StarStatus ablegen zu können. Überhaupt hat diese auf Forschungsarbeit statt Starchitekten-Präsentationen ausgerichtete Biennale wie keine zuvor gezeigt – unter anderem durch die sechsmonatige Laufzeitanpassung an die wesentlich ältere Kunstbiennale – wie prominent das Thema der Architekturausstellung in den Universitäten seit einigen Jahren diskutiert wird. 3 Vor dem Hintergrund, dass im Anschluss an Koolhaas’ Vortrag am CCA im Jahr 2007 ein Streitgespräch zwischen ihm und Peter Eisenman veranstaltet wurde, der sozusagen zur ersten Generation der Starchitekten zählt und auf den ich später noch zurückkomme, nahm Koolhaas ein Bild des von Fernsehreportern und Journalisten bedrängten Eisenman in seinem Denkmal für die ermordeten Juden Europas (2005) zum Anlass, um über die Dringlichkeit einer Kritik dieser sich im Architekturkontext allgemein darstellenden Aufmerksamkeitsökonomie zu sprechen. Koolhaas subsummierte schließlich die damalige Situation mit den einprägsamen Worten: “We are not taken seriously, but we have an unlimited amount of attention.”5 Der italienische Soziologe Francesco Alberoni hat Celebrities bereits 1962 als eine „élite irresponsable” bezeichnet.6 Dazu kam die Einsicht Koolhaas’, dass seine Kollegen und er selbst leider offenbar nicht im Stande seien, gegen die weltweiten Marktmächte anzugehen und daher sein Fazit: “We have not been able to save any dignity for our profession.”7 Seit 2014 steht nun die Fondation Louis Vuitton in Paris, zu deren Eröffnung Gehry zeitgleich am Centre Pompidou vom französischen Architekturexperten Frédéric Migayroux eine Retrospektive organisiert wurde, die im Sep- Frank Gehry, Gehry Residence, Santa Monica, Kalifornien, 1977/1978 – Modell, Installationsansicht der Ausstellung Frank Gehry, Centre Pompidou, Paris, 08. Oktober 2014 bis 26. Januar 2015, Foto: Martin Hartung tember dieses Jahres am Los Angeles County Museum of Art eröffnen soll. Zur selben Zeit war am Pompidou auch die Präsentation der Jeff Koons Wander-Retrospektive zu sehen, deren Hauptraum im Museum die Kunst wie eine Messe- beziehungsweise Warenauslage aussehen ließ. So kam, ob nun gewollt oder nicht, eine wahre Kunstmasse zusammen, die ohne Umschweife den Kontext von Koon’s Durchbruch während des Kunstmarktbooms der 1980er Jahre einfing. Das Pompidou hatte mit seiner Eröffnung 1977 eine eigene Architekturabteilung erhalten und ist selbst ein ikonischer Bau, der mit seinen nach außen gekehrten Funktionsrhythmen, denen jeweils bestimmte Farben zugeordnet sind, im Entwurf von Richard Rogers, Renzo Piano und Gianfranco Franchini als „Monument postmoderner Industrieästhetik” gilt.8 Noch zu dessen Baustellenzeiten hatte der Amerikaner Gordon Matta-Clark 1975 seine avantgardistische Arbeit Conical Intersect realisieren können, bei der er gegenüber vom damals kontrovers diskutierten, fabrikähnlichen Museumsbau im 45-Grad Winkel Löcher durch zwei nebeneinander liegende Gebäude aus dem 17. Jahrhundert schnitt. Nach der Abtragung des Großmarktes Les Halles im vierten Arrondissement, an dessen Stelle ursprünglich ein Parkplatz geplant wurde, trat schließlich das Pompidou-Museum auf den Plan. Es ist zu vermuten, dass die Kontroverse um den Museumsbau nicht der vorwiegende Grund für Matta-Clarks Ortswahl war, sondern vielmehr die Möglichkeit, überhaupt ein Haus zum Sezieren und Offenlegen von Bausubstanz zur Verfü- Installationsansicht der Ausstellung Follies in der Leo Castelli Gallery, New York, 1983. Im Vordergrund: Frank Gehry, Prison, Modell, 1983. Foto: Bevan Davies. Archives of American Art, Smithsonian Institution gung gestellt zu bekommen. Aus der Zerlegung bestehender Architekturen, die leer standen beziehungsweise zum Abriss bestimmt waren, schuf Matta-Clark ‚Anti-Monumente’, deren Zweck der Konzeptkünstler Dan Graham in einem Text über den Künstler als Auslöser von Erinnerungen beschrieben hat. Entgegen des im Kultursystem fest verankerten Denkmals riefen sie laut Graham als ephemere Einschnitte „jenes subversive Gedächtnis [wach], das im Namen einer falsch verstandenen ‚Ganzheitlichkeit’ hinter soziale und architektonische Fassaden gedrängt wurde.“9 In einer Zeit der kritischen Hinterfragung des Galerieraumes, in der Künstler zunehmend performativ arbeiteten und weitere Ausstellungslandschaften erkundeten, bescheinigte Graham dem Künstlerkollegen, die Galerie mit seinen radikalen Aktionen nicht zu verurteilen, stattdessen läge der Fokus auf dem urbanen Lebensraum selbst. Das Establishment war darin ohnehin inklusive. Matta-Clark resümierte: „Wenn ich ein Bauwerk öffne... breche ich eine Art Einfriedung auf, die so nicht nur aus praktischen Gründen aussieht, sondern auch, weil die Industrie Vororte und Städte mit Wohneinheiten überflutet, die ihr einem ebenso isolierten wie passiven Konsumenten sichern.“10 Mit dem White Cube und der steigenden Popularität von Lofts, wie jenem des Minimal ArtKünstlers Donald Judd in der New Yorker Spring Street, visualisiert sich auch der zunehmende Überfluss im Kunstbetrieb, dem viele, oft der Konzeptkunst nahestehende, Künstler anfangs noch kritisch gegenüberstanden. Der jung verstorbene Matta-Clark schuf seine ganz eigene, anti-populistische, aber deshalb nicht weniger aufsehenerregende „Kunst am Bau“. Eine solche wiederum fasste Werner Lippert vor seiner Zeit als Werbefachmann anlässlich einer von ihm mit Philomene Magers 1977 in deren Bonner Galerie realisierten Ausstellung mit dem Titel Kunst und Architektur für den deutschen Kontext als Widerpart eines reinen Baufunktionalismus zusammen. In einigen Positionen der im selben Jahr neu entstandenen Skulptur Projekte Münster hallte diese Kritik wider.11 Bei Magers und Lippert ging es damals um den „Humanisierungsversuch einer a-sozialen Bauwelt.“12 Ähnlich hatte schon Heinrich Klotz, der 1977 gerade zum Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM) in Frankfurt/Main berufen wurde, in seinem nahezu zeitgleich erschienenen Büchlein mit dem klingenden Titel Die röhrenden Hirsche der Architektur argumentiert, indem er die Anonymität des standardisierten, modernen Bauens mit der Diagnose „Betonwirtschaftsfunktionalismus“ geißelte.13 Vielmehr war es eine neue, bildhafte, postmoderne Architektur, die er mit 4 Cover der Klotz-Tapes, Arch+ Feature, Nr. 26, 2014 dem einfachen Slogan: „Nicht mehr nur Funktion, sondern auch Fiktion,“ überschrieb und für die er als aktiver Theoretiker vor allem in Marburg und Frankfurt stadtplanerisch eintrat.14 Hier wird auch theoretisch für einen künstlerischen Ausdruckswillen argumentiert, der sich in den Funktionsbereich von Architektur und Design ausweitet. Nicht immer freundet sich dabei die Kunst mit der Architektur an oder umgekehrt. Meist kommen Architekten, die im Amerika der 1970er Jahre aufgrund der durch die Ölkrise ausgelösten Rezession in überwiegendem Maße ohne Bauaufträge bleiben, und Künstler im Baubetrieb nicht miteinander ins Gespräch, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen und zum Beispiel Künstler wie James Wines oder Vito Acconci zur Architektur migrieren. Es ist paradox, dass gerade zu der Zeit, in der Architekten selten bauen können, Künstler große Skulpturen und Installationen schaffen, die sich der architektonischen Formensprache entlehnen. Die karge Auftragslage im Architekturbetrieb der 1970er Jahre, die sich Ende der 1980er Jahre zu einem wahren Bauboom wandelte, dazwischen aber eine Reihe namhafter Museums- und Kulturbauten hervorbrachte, trug dazu bei, dass sich viele Architekten überwiegend dem Studium und der Lehre an Universitäten beziehungsweise 5 der Zeichnung widmeten, so dass die Architekturzeichnungen in diesen Jahren zum Teil enorm ausgefeilt wurden. Oft lag ihnen ein besonders künstlerischer Impetus zugrunde, aus dem sogar Arbeiten hervorgingen, die nie zu einer späteren Realisierung bestimmt waren. Die Architekturzeichnung wurde schon vorher zum Ort von Gesellschaftsutopien in der Tradition Giovanni Battista Piranesis (17201778), wie derer der englischen Gruppe Archigram, die von 1960 bis 1974 bestand und zu welcher Peter Cook gehörte, der den Funktionalismus der Moderne als überholt ansah und in Maschinenästhetik die Plug-In City mitentwickelte, eine urbane Megastruktur mit flexiblen Wohnkomplexen, Serviceeinheiten und Straßen. Auch Dystopien wurden gezeichnet, wie etwa im Falle der Arbeiten von Superstudio, gegründet 1966 in Florenz, aufgelöst 1986 – eine Gruppe von fünf italienischen Architekten, die in ihrer komplett theoretisch angelegten Serie mit dem Titel The Continuous Monument im Jahr 1969 verschiedene Szenarien entwickelten wie es aussehen könnte, wenn zum Beispiel weite Teile von Manhattan und schließlich die ganze Welt mit nur einer einzigen architektonischen Form überzogen werden würden. Diese Tendenz, Architekturzeichnungen – das sind zumeist für den Wettbewerb bestimmte Grundrisse, Querschnitte, An- und Aufsichten, repräsentative Darstellungen von Ideen – aber auch Architekturmodelle von ihrem Zweck zu befreien und als autonome Medien zirkulieren zu lassen, ist seit den frühen 1960er Jahren, besonders aber in den 1970ern, eng mit dem amerikanischen Kunst- und Ausstellungsmarkt verknüpft. Hier wird die meiste der so genannten Paper Architecture vertrieben, also Architektur, die nur auf dem Papier existiert, weil sie vor allem für den zweidimensionalen Raum erdacht wurde beziehungsweise im dreidimensionalen nicht oder noch nicht umsetzbar ist. Der Markt speiste sich im Bereich der Architektur vor allem aus dem Lehrbetrieb – oft waren es weltweit Lehrende an Architektur- und Kunstschulen, die auf dem Markt ausgestellt haben. Ich möchte argumentieren, dass die Geschichte des Marktes für Architekturmedien auch eine Geschichte der Starchitekten ist, wenn man unter dem Begriff vor allem Architektenpersönlichkeiten versteht, die auf dem globalen Parkett ikonische und innovative Bauwerke hervorbringen und deren Bauten darüber hinaus von einer breiten Medienaufmerksamkeit begleitet werden. Es wird zu zeigen sein, dass mit dem Aufkommen des Marktes für Architekturmedien die Verkäufe in überwiegendem Maße schwankten. Galeristen, die Architekturmedien zeigen, reihen sich in jene Riege von Marktvertretern ein, welche Pierre Bourdieu als „Kulturbankiers” bezeichnete, die damit vor allem symbolisches Kapital einstreichen konnten als ökonomisches, auch wenn das in den meisten Fällen von Seiten der Verkäufer erst im Nachhinein erkannt werden musste.15 Die Ausnahme bildet über einen längeren Zeitraum die Galerie des Amerikaners Max Protetch, der seine Unternehmung, die sich am Ende auf den New Yorker Galeriendistrikt Chelsea konzentrierte, im Oktober 2010 zunächst verkaufte, wobei diese dann im Jahr 2012 endgültig geschlossen wurde.16 Im Falle der Ausstellungen bei Leo Castelli, die ich gleich vorstellen werde, bildet sich im Rahmen des Bourdieu’schen Vokabulars überdies ab, was Hannes Loichinger in der gegenwärtigen Ausgabe von Texte zur Kunst anhand des Übergangs vom Begriff des dealers, der demnach bis 1980 ausschließlich vorherrschte, zu jenem des Galeristen nachvollzieht, der den Bezug zum Markt trotz inhärenten Kaufinteresses „sublimieren” kann.17 Damit sind wir schließlich beim heutigen Abend angekommen, denn Bruno, Nicole und ihr Team sind Teil dieser hier beschriebenen Tendenz, den Marktbezug zu sublimieren, indem sie mich hier so lange reden lassen, vor allem hier: in einem Gebäude von David Chipperfield. Wie viel symbolisches Kapital mit mir allerdings verdient werden kann, wird sich noch zeigen. Der Vortrag zumindest ist genau als solcher gemeint, nur für den Fall, dass sich im Publikum noch Personen befinden, die sich nicht ganz sicher sind, ob das hier eine KunstPerformance ist. Ich habe die Präsentation im Weiteren überblicksartig angelegt, wobei ich während meiner Betrachtungen und auch am Schluss auf die Frage zurückkommen möchte, warum es heute nur einen spärlichen Markt für Architekturmedien gibt. Ich beziehe mich ganz bewusst auf Architekturmedien und nicht auf den Markt für Architektur. Den gibt es natürlich auch und er müsste eingegrenzt werden. Fest steht aber, dass es mir nicht um solche “Celebrity Home Flippers” wie Ellen DeGeneres oder Jennifer Anniston geht, die ganz ähnlich wie das vom Wirtschaftssoziologen Olav Velthuis beschriebene System der „Flipper” auf dem Kunstmarkt, ihre prestigeträchtigen Eigenheime wechseln wie ihre Abendkleider. In der Wirtschaft sind „Flipper” wiederum „Investoren, die Aktien eines bestimmten Unternehmens zum Zeitpunkt seines Börsengangs kaufen, um sie sehr bald mit Gewinn wieder zu verkaufen.”18 Im Hollywood Celebrity-Kontext hat die Plattform Forbes von dieser zum Teil sehr lukrativen Freizeitbeschäftigung wohlhabender Anleger erst im letzten Sommer berichtet. Aufhänger war die Talkshow-Comedian und Oskarverleihungsgastgeberin Ellen DeGeneres, die demnach mittlerweile (wenn sie nicht schon wieder geflippt ist) in kürzester Zeit über ein halbes Dutzend Häuser mit Gewinn verkauft hat, wobei sie in fast jedem nicht länger als sechs Monate gelebt haben soll – und der Gewinn vervielfacht sich ja meist pro Celebrity-Einheit. Zuletzt flippte DeGeneres das Brody Haus des kalifornischen Architekten Quincy Jones, dem das Hammer Museum in Los Angeles vor zwei Jahren eine Retrospektive widmete. DeGeneres soll das Haus für 55 Millionen Dollar an den Mitbegründer der Webseite Napster, Sean Parker, mit einem Gewinn von 15 Millionen Dollar verkauft haben. Davon mal abgesehen, ist der Schwerpunkt meiner Betrachtungen historisch sowie auf Amerika und Deutschland beschränkt, weil in beiden Ländern ein Markt für Architekturmedien am deutlichsten in Erscheinung trat. Es wird ein kleiner Ritt durch die Architektur- und Kunstgeschichte, ich habe mich aber um eine geraffte Darstellung bemüht. Den Anfang macht die Architektin Phyllis Lambert, geborene Bronfman, die als Tochter des damaligen Konzernchefs von Seagram, Samuel Bronfman, ihrem Vater 1954 den Vorschlag machte, Ludwig Mies van der Rohe für den Bau des Firmensitzes in New York zu gewinnen. Dieser stimmte zu und gemeinsam mit Philip Johnson, der noch als Chefkurator des Department of Architecture am MoMA involviert war, wurde der Bau bis 1958 fertiggestellt. Lambert hatte nicht nur die Leitung der Ausstattung des Gebäudes inne, dem ikonischen Spätwerk des Internationalen Stils, das einen enormen Einfluss auf die amerikanische Architektur seiner Zeit ausübte, sie war später auch für die Kunstsammlung der 6 Firma zuständig und gründete 1979 im Zuge ihrer privaten Sammlungsaktivitäten das CCA in Montreal, das durch Archivbestände internationaler Architekten, wie Peter Eisenman, John Hejduk, Aldo Rossi und Cedric Price, die weltweit umfangreichste Sammlung von Architektur der Postmoderne beherbergt.19 Nachdem Lambert sich in den 1950er Jahren in New Yorker Künstlerkreisen eingelebt und das von Philip Johnson entworfene Restaurant Four Seasons mit ausgestattet hatte, aber auch den Seagram Plaza mit wechselnden Skulpturen bestücken konnte, startete sie ein Jahr nach der Fertigstellung des Seagram Building ihre eigene Sammlung von Architekturmedien. Lambert sammelte vor allem Zeichnungen und bald auch Fotografien, die sie mithilfe von Antiquaren und Fotografen vor allem in Paris, London und New York kaufte. Hier wurde sie zum Dreh- und Angelpunkt eines kleinen, aber dennoch potenten Netzwerkes an Sammlern und Verkäufern, wie dem legendären New Yorker Buch- und Grafikhändler Lucien Goldschmidt, der seit 1937 mit dem Verkauf eines SalomeDrucks von Picasso prominent in der Szene tätig war, oder den britischen Buchverkäufer Ben Installationsansicht der Ausstellung Architecture I in der Leo Castelli Gallery, New York, 1977. Foto: Bevan Davies. Archives of American Art, Smithsonian Institution Weinreb, der sich auf Architekturbücher spezialisierte und auch Heinrich Klotz vor der Eröffnung des Deutschen Architekturmuseums Exemplare für die Bibliothek des Hauses anbot, deren Preis allerdings Klotz’ Budget – das seinerzeit mit 1 Mio. Mark, verteilt auf vier Jahre, für den Sammlungsaufbau eines deutschen Museums recht stattlich angelegt war – nicht verkraftet hätte.20 Klotz wird sich später in seinen Tonband-Aufzeichnungen, die im letzten 7 Jahr vom DAM bei Arch+ verlegt wurden, erinnern, dass er gehört habe, Phyllis Lambert hätte drei Millionen Dollar auf den Tisch gelegt, um ihre Bibliothek für das CCA zu erwerben. Wie sich allerdings in Lamberts Privatarchiv herausstellte, war das weit übertrieben, auch wenn der Verkauf immer noch stattlich war, da sie bei insgesamt drei Händlern ihre Bibliothek ihrerzeit mit einem Budget von knapp $800.000 ausstattete.21 Mit etlichen Personen, Fachgrößen wie John Harris, dem Langzeitkurator des Royal Institute of British Architects, aber auch Freunden, wie dem immer noch tätigen, aber weniger bekannten, englischen Architekturfotografen Richard Pare, wurde Phyllis Lambert für viele zum Inbegriff einer Philanthropin für die Architektur und zur Museumsgründerin – für ihr Lebenswerk erhielt sie im letzten Jahr den Goldenen Löwen auf der Architekturbiennale in Venedig. Ihre beachtliche Privatsammlung, die des CCA umfasst Hunderttausende von Zeichnungen und beherbergt über 200 Archive internationaler Architekten, begann die Philanthropin 1959 mit dem Ankauf von barocken Architekturzeichnungen aus der Sammlung des Genfer Architekten Edmond Fatio. Er besaß herausragende Blätter der italienischen Bibiena-Familie, die im 17. Jahrhundert über ganz Europa für königliche Höfe Theaterarchitekturen schuf. Die Arbeiten bilden ab, wie zum Ende des 17. Jahrhunderts die Nachfrage nach virtuosen Architekturzeichnungen zu Spezialisierungen im Architekturbetrieb führte, da hier bereits typischerweise eine Person die illusionistische Perspektivzeichnung, die quadratura, fertigte und eine weitere die Ausstattung übernahm.22 Diesem Kauf folgten Tausende weitere, meist antiquarische Anschaffungen, die das hauptsächliche Interessengebiet von Lambert abbilden, welche zu der Zeit selbst keine Materialien zeitgenössischer Architekten kaufte. Später sollen Archivankäufe die Ausnahme bilden, die auch heute noch breit diskutiert werden. Es gibt für Archive lebender Architekten, wie dem von Frank Gehry, kaum potentielle Käufer und darüber hinaus ergeben sich im Architekturbetrieb bei ihrer Zusammenstellung oft innerstrukturelle Probleme, da Archive in der Architektur stets unter bestimmten Autoren geführt werden, obwohl kein Bauwerk von nur einer Person allein geschaffen wird. Ankäufe aus Archiven heraus sprengen diese jedoch auf und verkomplizieren die ungehin- derte Gesamtschau eines Werkes. Hier schafft das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron mit ihrem eigens geplanten Archivbau am Hauptsitz in Basel einen Präzedenzfall dieser Größenordnung, dessen Gründer unter anderem für die internationale Ausstellung ihrer Praxis und für die Arbeit mit Künstlern bekannt sind. Phyllis Lambert hatte 1977, kurz vor der Gründung ihres Museums, nichts von der ersten Ausstellung architektonischer Medien auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt mitbekommen, die dort unter Federführung der Philanthropin und MoMA-Affiliierten Barbara Jakobson in der New Yorker Leo Castelli Gallery veranstaltet wurde.23 Castelli war ein guter Freund von Jakobson und sie hatte die simple, aber bis zu dem Zeitpunkt nicht da gewesene Idee, befreundeten und geschätzten Architekten auf dem Kunstmarkt eine Bühne für ihre Arbeit zu geben, damit sie in den bauarmen Jahren etwas Geld nebenbei verdienen konnten. Jakobson engagierte damals ihren Ex-MoMAKollegen Pierre Apraxine, der kurz zuvor im Skulpturen-Department des MoMA gearbeitet hatte, sich beruflich gerade von der New Yorker Marlborough Gallery verabschiedete und Sammlertätigkeiten für den amerikanischen Papierhersteller Howard Gilman nachging. Ihr Umgang mit Architekturzeichnungen reichte zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre zurück, als Jakobson zusammen mit dem jungen Kurator Emilio Ambasz eine informelle Ausstellung namens Architectural Studies and Projects anleitete. Jakobson war Mitglied des Junior Council des Museum of Modern Art, wo sie unter anderem den damals noch aktiv betreuten Art Lending Service leitete, bei dem sich Mitglieder des Museums Kunst aus der Sammlung ausleihen konnten. Die Ausstellung fand 1975 im Penthouse des MoMA statt, wo es eine Art Member Lounge gab – und sie war auch nur für Mitglieder zugänglich. Das besondere an der Ausstellung war, dass jeder der beteiligten Architekten, so wie John Hejduk, der Gründer der Cooper Union School for Architecture in New York, Peter Cook und Cedric Price, gebeten wurde, zwei Zeichnungen einzureichen, die dann im Museum für $200 bis $2000 verkauft werden sollten. Eine so direkte Verbindung zwischen Museumskontext und Markt gab es sonst nicht. Es ist allerdings noch unklar, ob und wie viele Käufe- rInnen, außer vielleicht Jakobson selbst, sich tatsächlich gefunden haben werden. Sicher ist, dass Pierre Apraxine die dort präsentierte Auswahl an Architekturzeichnungen zum Anlass nahm, für den Sammler Howard Gilman innerhalb kürzester Zeit auf einem darauffolgenden Recherche- und Besuchstrip nach Europa, ein bis heute als einmalig angesehenes Konvolut an Architekturzeichnungen zusammenzutragen.24 Es enthält unter anderem Price’s Arbeit Generator, einer frühen Form „künstlich intelligenter Architektur,”25 die für Gilman entstand und auf dem Firmengrundswtück hätte gebaut werden sollen, dafür aber mit seinen beweglichen Kränen, die die Architektur in Bewegung versetzen und sich die Bauelemente flexibel an das Leben der Menschen hätte anpassen lassen, zu kompliziert zu realisieren war. Im selben Jahr von Architectural Studies and Projects eröffnete am MoMA die in Architekturkreisen hoch einflussreiche und breit diskutierte Ausstellung zur Pariser École des Beaux-Arts, die Architekturzeichnungen der Architektenschule zeigte, deren illusionistischer Gehalt die New Yorker Architekturwelt wie ein Blitzschlag traf. Das MoMA hatte bereits seit 1932 ein Architekturdepartment, deren erste Leitung der Architekt Philip Johnson und der Kunsthistoriker Henry Russel-Hitchcock übernahmen, die beide die breit rezipierte International Style-Ausstellung kuratierten und damit nicht nur einen ganzen Architekturstil benannten, der schließlich bis zum Seagram Building reichen sollte, sondern auch die moderne, themenbezogene Architekturausstellung etablierten. Der im Jahr 1975 tätige Chefkurator des ArchitekturDepartments am MoMA, Arthur Drexler, hatte mit der Beaux-Arts Show vor allem deshalb so viel Erfolg, weil die Qualität des Handwerks in den ausgestellten illusionistischen Zeichnungen des 19. Jahrhunderts, die zum großen Teil vorher in Amerika nicht zu sehen waren, im Kontext der Reflexivität der postmodernen Architektur, mit ihren breit gestreuten Revisionen antiker Vorbilder, die Architekten ungemein faszinieren musste. Zugleich wurde hier im Rückblick anhand von Meisterzeichnungen gezeigt, und daran erinnerte sich zum Beispiel Frank Gehry, welche Möglichkeiten des handzeichnerischen Ausdrucks man durch die rationale Strenge von Concept- und Minimal Art verloren hatte. Die Architekturzeichnung als Kunstform konnte 8 Drexler Jahre zuvor, mit seiner Ausstellung Visionary Architecture (1960) bereits in den Rang autonomer Kunstwerke einführen – hier wurden ganz früh, im Entstehungsjahr der Gruppe, bereits die Arbeiten von Archigram gezeigt. Apraxine, der für Gilman arbeitete, sollte also innerhalb kürzester Zeit eine beachtliche Sammlung von Architekturzeichnungen, vor allem postmoderner Architekten, zusammenstellen; diese Sammlung ging dann im Jahr 2000, nach dem Tod Gilmans 1998, ans MoMA. In den Dekaden dazwischen hatte sich Apraxine sozusagen als freundlicher Kontrahent der Aktivitäten Phyllis Lamberts und ihres Kreises, des Marktes für Architekturfotografien angenommen, der durch ihn und einige Praktiker in den 1970er Jahren einen Aufschwung erhielt. Zwei Jahre sollten nach der Architectural Studies and Projects-Ausstellung vergehen, bis Jakobson, die fortan ihr Pseudonym BJ Archer annahm, bei Castelli über Apraxine mit Architecture I eine Ausstellung ihrer Freunde und Bekannten aus der internationalen Architekturszene umsetzen konnte. Insgesamt sieben Architekten und Visionäre waren beteiligt, darunter Robert Venturi von der damals noch so betitelten Firma Venturi and Rauch. Fünf Jahre zuvor hatte er mit seiner Partnerin Denise Scott Brown und deren Mitarbeiter Steven Izenour eine Art Festschrift für die Trivialformen in der Architektur geschrieben, von der sich auch Klotz, der Ende der 1960er Jahre kurz an der Yale School of Architecture lehrte, in seiner Kritik am „Betonfunktionalismus” tief beeindruckt sah. Hier hieß es nicht wie bei Mies van der Rohe: “Less is More,” sondern eben gerade: “Less is a Bore.” Venturi reichte zur Ausstellung ein Modell des Marlborough Blenheim Hotels ein, einem Casino für Atlantic City, das aber nicht verwirklicht wurde. Es stand als offenbar einziges Objekt der Ausstellung gar nicht zum Verkauf. Die Preise der meisten Arbeiten reichten von $1500 bis $3500, also angelehnt an und, was die Zeichnungen anging, zum Teil deckungsgleich mit zeitgenössischen Kunstgrafiken. Das galt auch für die Arbeiten Aldo Rossis, der sich zuvor am von Peter Eisenman geleiteten Institute for Architecture und Urban Studies, einer Art Architektur-Think-Tank,26 aufgehalten und dort veröffentlicht hatte. In New York machte er mit seinen, oft mit der metaphysischen Malerei verglichenen, architektonischen 9 Entwürfen Eindruck. Auch Richard Meier nahm an der Ausstellung teil, der Jahre später mit dem Auftrag für den Bau des Getty Centers ab 1985 in Los Angeles – dem damals prestigeträchtigsten Bauauftrag der westlichen Welt – Furore machen sollte und als einer der Architekten der New York Five galt; die Bezeichnung war ebenfalls einer Ausstellung am MoMA entlehnt. Der Österreicher Walter Pichler zeigte Zeichnungen und Fotografien von Bauten auf seinem Grundstück in St. Martin a.d. Raab. Er hatte schon 1962, zusammen mit Hans Hollein, in der Galerie Nächst St. Stephan in Wien an der bekannten Ausstellung Architektur mitgewirkt, die innerhalb der damals stattfindenden Entgrenzungen im Kunstdiskurs die soziale Relevanz der Architektur betonten: bei Pichler war es ein „skulpturaler Raumbegriff,” bei Hollein die Hinterfragung der „skulpturalen Qualitäten von Technik.”27 Dass Architecture I und weitere Architekturausstellungen Castellis weniger Verkaufserfolge denn Lehrstücke waren, zeigte sich auch am breiten Interesse von Museen und Universitäten, die Ausstellung zu übernehmen, so dass sie schließlich unter dem Titel Seven Architects in erweiterter Form an das Institute for Contemporary Art in Philadelphia ging. Schließlich sollte es nicht lange dauern, bis auch Briefe von Architekten beim Poster der Ausstellung Seven Architects, Institute for Contemporary Art, Philadelphia, 16. Dezember 1977 bis 02. Februar 1978 Galeristen eingingen, die sich für die Teilnahme an einer Ausstellung anboten, so etwa im Fall von Superstudio, die Castelli in einem Schreiben vom November 1977 ihr Interesse an dessen Architekturausstellungen bekundeten (wobei sie dort nie gezeigt werden sollten) und dabei optimistisch verkündeten: “Things have never been so good since Piranesi.”28 Allein die Resonance, vor allem in der Presse, war enorm. Die damalige Architekturkritikerin für die New York Times, und Pionierin dieser Praxis, Ada Louise Huxtable, fasste den Tenor zusammen: “Today the lines between all of the arts are becoming less firm. […] Within the range from the practical to the visionary, the one factor in common among these architects is that everything breaks out of the conventional […]. What kind of building [the architecture] will ultimately produce is terribly unclear.”29 In Architekturkreisen war man sich nicht sicher, ob man die kunstmarktgesteuerte Favorisierung formal-ästhetischer Objekte vor denen der funktionalen Aspekte von Architektur so einfach hinnehmen konnte beziehungsweise die anhand der Ausstellung bei Castelli demonstrierte, neue Sichtbarkeit der Architekten auf der Bühne der progressivsten Künstler der Zeit nicht doch feiern sollte. Die Rezensenten waren gespaltener Meinung. Castelli hatte hier seine Räume nicht primär für den Verkauf, sondern als Lehrkabinette zur Verfügung gestellt. Der Galerist, der als einflussreichster Händler seiner Zeit galt, war in Kunstkreisen dafür bekannt, gern neue Herausforderungen anzugehen und so stimmte er 1980 erneut dem Vorschlag Barbara Jakobsons zu, eine Ausstellung mit Architekten zu machen.30 Diese sollte ein noch unerwarteter Präzedenzfall werden als es Architecture I zuvor gewesen war. Der marktorientierte Ausstellungstitel Houses for Sale hielt, was er versprach: Acht Architekten, Peter Eisenman, wieder der MoMA-Kollege Emilio Ambasz, Vittorio Gregotti, Arata Isozaki, Charles Moore, César Pelli, Cedric Price und Oswald Mathias Ungers, wurden gebeten, prototypische Entwürfe für Einfamilienhäuser und Feriendomizile einzureichen, die dann von den potentiellen Käufern, die das Land selbst bereitzustellen hatten, sich auf einer Fläche von bis zu 4520 Quadratmetern für den Preis von je $250.000 erworben werden sollten. Der Kunsthistoriker Hal Foster, der die Ausstellung damals im Ada Louise Huxtable, Architectural Drawings as Art Gallery Art, The New York Times, 23. Oktober, 1977 Artforum rezensierte, fasste zusammen, dass die Schau den teilnehmenden Architekten eher eine eingeschränkte Freiheit gewähren würde. Einerseits wurde mit der Umkehrung des traditionellen Kommissionsprozesses für Architektur, indem das fertige Haus-Produkt im Vorhinein, ohne Absprache mit Klienten, auf dem Papier stand, den Arbeiten der Architekten die Freiheit der eigenen Entwürfe zugrundegelegt. Andererseits mussten diese baubar, bewohnbar sein, so dass jeder Auftritt auf dem Markt, bei aller künstlerischer Freiheit, diese Einschränkung immer noch mit sich brachte. Im Falle eines Kaufes wäre es sicher ohnehin zu Überarbeitungen gekommen. Es scheint nur ein Projekt, das von César Pelli entworfene Long Gallery House, bei dem an einen langen Galeriegang einzelne Hauselemente für unterschiedliche Nutzungen abgingen, in den New Yorker Hamptons tatsächlich realisiert worden zu sein. Neben der von Foster realisierten eingeschränkten Freiheit konstatierte er vor allem einen weiteren Effekt der Ausstellung, der darauf angelegt gewesen sei, die Häuser als Avantgarde-Architektur zu präsentieren, indem man diese zugleich zu „wichtigen Werken” machte: “[…] the potential buyer gets a house, a piece of art, and perhaps a piece of history to boot.”31 Dem Drahtseilakt zwischen künstlerischer Freiheit und Bewohnbarkeit hielten längst nicht alle Entwürfe stand. So präsentierte Oswald Mathias Ungers gerade während der Planungsphase des Deutschen Architekturmuseums sein Konzept des Hauses im Haus – hier allerdings eine Festung, bei der es fraglich ist, ob sich dafür in der sensiblen Kunst-Käuferschicht jemand hätte begeistern 10 wollen. Darüber hinaus hätten die $250.000 wohl kaum ausgereicht, um die meisten der Projekte überhaupt zu realisieren. Peter Eisenman etwa stellte eine Lösung mit dem Titel House El-Even Odd bereit, ein Projekt, dass seinen Konzeptentwürfen der Vorjahre nachstand und in der Präsentation stark an Arbeiten erinnerte, die Frank Stella einige Jahre zuvor bei Castelli ausgestellt hatte. Darüber hinaus wäre es schwerlich baubar gewesen. Der Architekt beschrieb es als unterirdisches „Erd-MasseObjekt,” dass durch seine Positionierung in der Erde und einen aufgesetzten Glaskollektor besonders Energieeffizient sein sollte, dabei aber unwillkürlich auch eine Verflachung der Umweltbestrebungen repräsentierte, die in der Postmoderne vielfach verfolgt werden. Wie die amerikanische Architekturtheoretikerin Felicity Scott beschrieben hat, wurden hier soziopolitische und technologische Fragestellungen recht sackgassenartig präsentiert und in den Ausstellungsbeiträgen die „Symptome der globalen Kräfte des neoliberalen Kapitalismus” allzu deutlich.32 Heinrich Klotz wird in seinen Tonbandaufzeichnungen im Jahr 1980 während seiner Besuche von Architekturbüros vermerken: „Ich habe den Eindruck, dass New Yorker Galeristen langsam auf den Riecher gekommen sind und nun Architekturzeichnungen verkaufen wollen. … Leo Castelli hat sieben international renommierte Architekten eingeladen und lässt diese sieben Häuser bauen, um sie auf dem Kunstmarkt zu verkaufen. Soweit also sind wir schon.”33 Im Jahr der ersten Architekturbiennale, die mit Paolo Potoghesis Strada Novissima bunte Kulissenstraßen und Aldo Rossis eindruckmachendes, schwimmendes Teatro del Mondo der Welt vorstellte, bemerkt Klotz auch den raschen Marktwandel, durch den es für ihn immer schwieriger geworden war, Sammlungsankäufe zu tätigen, da innerhalb kürzester Zeit die Preise auf dem Markt für Architekturmedien angestiegen waren. Dafür zeichnete vor allem ein Galerist verantwortlich, der sich fortan nicht gerade zum Liebling aller sammelnden Kuratoren machte: Max Protetch. Ohne es noch zu ahnen, obwohl gut mit seinem Kollegen und New Yorker Mentor Leo Castelli bekannt, konnte sich Protetch mit der Eröffnung seiner New Yorker Galerie 1979 das symbolische Kapital, dass Castelli über Barbara Jakobson für die bei ihm ausgestellten Architekten erwirtschaftet hatte, zu 11 Katalog-Cover, Houses for Sale, Leo Castelli Gallery, Rizzoli, New York, 1980 Nutze machen, um als erster Kunstgalerist, der sich auf den Verkauf zeitgenössischer Architekturzeichnungen spezialisierte, erfolgreich zu sein. Wie sich herausstellen sollte, blieb Protetch der einzige renommierte Galerist, der sich über die Ausstellung und den Vertrieb architektonischer Medien derart profilieren konnte. Im Alter von 23 Jahren hatte Protetch in Washington seine erste Galerie mit Harold Rivkin gegründet, der kurze Zeit später vom gemeinsamen Projekt absprang. Protetch rüttelte in der amerikanischen Hauptstadt die verstaubte Kunstwelt mit Positionen der Konzeptkunst auf, indem er unter anderem regelmäßig Arbeiten Sol LeWitts zeigte und Performances mit Vito Acconci und Dan Graham veranstaltete. Die Nähe zur Architektur und der kritische Umgang mit dem gebauten Raum wird anhand der Auswahl des Galeristen bereits deutlich. Protetchs Architekturausstellungen beginnen 1979 in New York mit einer Präsentation von Zeichnungen des New York Five-Architekten Michael Graves, der bis dahin, wie viele seiner Kollegen, wenig gebaut hatte. Die Schau wurde sowohl ökonomisch als auch in der Presse ein Erfolg. Grundsätzlich zelebrierte man Protetch, für die Autonomie architektonischer Schöpfung einzutreten. Ausstellungen mit Graves sollten sich schließlich fortsetzen, als in den 1980er Jahren das Design von Architekten, das der italienische Hersteller Alessi angeregt hatte, auch in Galerien zu sehen war. Protetch machte 1983 den Anfang mit der Ausstellung Architecture in Silver, in der Allessi Teeservices zu sehen waren und die eine Art Vorschau des von Graves breit angelegten Merchandising seiner Designmarke bildete, welche in den 1990er Jahren beim US Discounteinzelhändler Target Feil geboten wurde. Rückblickend stellt die zeitgenössische Architekturzeichnung seit ihrem Marktauftritt Mitte der 1970er Jahre den Anfang eines globalen Waren-Projektes dar. Max Protetch wurde nicht zuletzt dadurch bekannt, dass er in seinen Galerieorten in New York – er startete in der 57th Street, unweit von Leo Castelli, zog dann nach SoHo und landete Ende der 1990er Jahre schließlich in Chelsea – künstlerische Positionen denen von Architekten gegenüberstellte. Das tat er zu Beginn seiner New Yorker Laufbahn noch in einem Gebäudekomplex, den er in New York unter anderem zusammen mit Frank Gehry besaß, wobei Jackie Ferrara, and Mary Miss are ‘sited’ and involved with the notions of use, appropriateness, and active participation. Their work isn’t an encroachment on architecture or landscape architecture but a complement to it. To say that sculpture conflicts with architecture today is as fallacious as the old architectural dictum that there is something wrong with a wall if you have to put a painting on it.”34 Diese Einsicht sollte sich ein Jahr nach dem Statement im größten, aber auch umstrittensten, Ausstellungsprojekt des Galeristen, der 1985er Ausstellung von Zeichnungen Frank Lloyd Wrights, äußern. Hier gelang es Protetch, zum ersten Mal Zeichnungen der Ikone der amerikanischen Architekturmoderne anbieten zu können. Er arbeitete an dem Verkauf (es sollten insgesamt sogar zwei Ausstellungen werden) mit Wrights Estate zusammen, der zu diesem Zeitpunkt noch von der Witwe des Architekten, Olgivanna Wright, geführt wurde. Um das Winterhaus Wrights in Taliesin, im US-Bundesstaat Arizona, renovieren zu können – so zumindest die offizielle Begründung der Foundation – entschied man sich zum Verkauf von 100 Zeichnungen. Es Peter Eisenman, House El Even Odd, 1980, Detail des Modells für die Ausstellung Houses for Sale (Architecture II) in der Leo Castelli Gallery, New York, 1980. Foto: Dick Frank Studios. Archives of American Art, Smithsonian Institution Oswald Mathias Ungers, House Within a House, Modell für die Ausstellung Houses for Sale (Architecture II) in der Leo Castelli Gallery, New York, 1980. Foto: Bevan Davies. Archives of American Art, Smithsonian Institution Gehry damals noch Pläne machte, den Baugrund umzunutzen, was jedoch nicht zustande kam. Protetch konnte für Großinstallationen, wie denjenigen von Alice Aycock und Mary Miss, diese Räume sehr gut nutzen und mietete zu diesem Zweck zeitweise Gehrys Teil des Hallenbaus an. Die Synergieeffekte griffen also weit aus. In einem Art Dealer-Kompendium der 1980er Jahre fasste der Galerist zusammen: “Many works of Armajani, Scott Burton, sollte am Ende aus konservatorischen Gründen bei 60 bleiben, die aus dem Archiv direkt in die Galerie gingen. In Schulkreisen war der Aufschrei groß, da man befürchtete, das Archiv würde zerstückelt werden und man das Genie des Architekten damit nicht länger zur Gänze hätte studieren können, gepaart mit der Angst, die Zeichnungen würden fortan durch private Sammler unzugänglich gemacht. Wie die Foundation betonte, war das Archivmaterial 12 Cover der Washington Daily News mit Max Protetch im Feature, September 1972 sehr umfangreich und die verkauften Zeichnungen wurden darüber hinaus in zahlreichen Ausstellungen öffentlich zugänglich gemacht. Der amerikanische Architekt und Kritiker Michael Sorkin bemerkte zu den Kritiken zynisch: “The loss of two dissertations per annum on the subject of the exact moment of Wright’s transition from watercolor rendering to the use of colored pencil will not be widely mourned. Indeed, the foundation is selling less than 1 per cent of its holdings, although these include real winners.”35 Es bleibt also trotz kalkulierter Fürsprechung ein Restbetrag an Sorge um die guten Blätter, wie jene vom Fallingwater House in Mill Run, Pennsylvania, das bis zum Jahr 1964 fertiggestellt wurde, und für dessen Set an Zeichnungen sich drei Käuferinnen und Käufer fanden, darunter Phyllis Lambert, die sich eine der Zeichnungen in Eigentümerschaft mit einem texanischen Ölerben teilte, wobei zwei weitere Fallingwater-Zeichnungen an den englischen Baron Peter Palumbo gingen, dem amtierenden Vorsitzenden des Pritzker Architektur-Preises, der wiederum seit 1979, dem Jahr der ersten Architekturausstellung Protetchs, vergeben wird. Was neben den verständlichen Kritiken aus Schulkreisen erstaunte, waren die Preise der Zeichnungen, die bis über $200.000 pro Blatt angeboten wurden, die Fallingwater-Zeichnungen lagen bei etwa $175.000 pro Blatt, was bis dato für Architek13 turmedien nicht vorgekommen war, genauso wenig ja wie der Verkauf der Werke selbst, so dass hier von Protetch ein hochpreisiger und damit stark selektionierter Markt aufgebaut wurde, der für einige Jahre auch auf zeitgenössische Architektur abfärbte, dabei allerdings mit weit geringeren Preisen.36 Das wiederum alarmierte die Ausstellungsmacher wie Klotz, der Protetchs Preise als „ungeheuerlich”37 empfand. Für einen Lageplan des Salk Institute in San Diego von Louis Kahn, dessen Arbeiten Protetch auch ausstellte, musste Klotz bereits $3000 pro Blatt zahlen, was das Sammeln erschwerte, für Protetch aber noch günstig war, der durchschnittlich ab $4500 bis $25.000 pro Arbeit verlangte. Bei einer Begegnung mit Paul Rudolph, einst der einflussreichste amerikanische Architekt, der auch das Gebäude der Yale School of Architecture entworfen hatte, schien Klotz dann geradezu vom Glauben abgefallen zu sein, wenn er sich erinnert: „Später sprach Rudolph davon, das seine Chicagoer Galerie 20.000 Dollar für eine seiner großen Zeichnungen angesetzt hat. Die Absurdität schlägt die höchsten Wellen.”38 Auch wenn Protetch bis weit in die 1990er Jahre hinein, vereinzelt am informellen Markt, sogar bis heute, mit Architekturzeichnungen mitunter stattliche Gewinne erzielen konnte, so blieb der ökonomische Paukenschlag nach dem Verkauf der Wright-Zeichnungen weitgehend aus. Die Galerie musste sich, wie weitere Erfahrungen von Kollegen zeigten, meist über den Verkauf von Kunstwerken finanzieren, selbst wenn der Galerist nicht nur als Vitrine der Sektion Design since 1970 in der Yale University Art Gallery, New Haven, Oktober 2014. Zu sehen sind unter anderem: Stanley Tigerman, Margaret McCurry, Teaside, Teeservice, Porzellan, 1986, Swid Powell, New York (oben links) sowie Michael Graves, Coach Whistle Teakettle, 1999, Rostfreier Stahl, Aluminium, Plastik und bemaltes Holz, Target Corporation, Minneapolis (oben rechts) und Ders., Tea-and-Coffee Service, 1984, Sterling Silber, Plastik und Emaille, Alessi SpA, Mailand (unten mittig) Verkäufer, sondern auch als Vermittler von Architekturprojekten an Sammler tätig wurde. Während Protetch in seiner Liga bis zur Schließung seiner Galerie der einzige blieb, der in dem Umfang Architekturmedien vertrieb, wurden in Deutschland im Jahr 1980, also noch vier Jahre vor der Gründung des Deutschen Architekturmuseums und ein Jahr nach Protetchs Umzug nach New York zwei Frauen auf dem Ausstellungsmarkt für Architektur aktiv: Die Journalistin Kristin Feireiss und DAAD-Mitarbeiterin Helga Retzer, die 1984, im Jahr der Eröffnung des DAM, tragisch bei einem Autounfall ums Leben kam, eröffneten 1980 in der Berliner Grolmannstraße ihre Galerie Aedes. Die Galerie wurde einmal als “Durchlauferhitzer”39 beschrieben, in dem in den 1980er Jahren alle möglichen architektonischen Stiltendenzen und Stars gezeigt wurden. Anfangs hatten die beiden Galeristinnen neben ihren Halbtagsjobs zur Finanzierung der Galerie noch Verkaufsabsichten, die aber kurze Zeit später ein reiner Vermittlungsauftrag ablöste. Schon im Programm wurde von Anfang an deutlich, dass der Schwerpunkt auf der kritischen und diskursiven Vermittlung architektonischer und städtebaulicher Zusammenhänge liegen sollte, die wiederum an das allgemeine Publikum adressiert wurde. Der Kontext der Internationalen Bauausstellung 1987 in Berlin, die seit 1984 etwa 150 Projekte, viele davon aus internationalen Büros, noch in der Nachwendezeit nach Berlin brachte, gab dem Galerieprogramm einen besonderen Aufschwung und stellte der Hauptstadtpolitik immer wieder eine kritische Stimme zur Seite. Im Zentrum der zahlreichen Artikel, die im Laufe der Jahre zur Gründerin Kristin Feireiss erschienen sind, wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass die Galerie gerade nicht mit Senatsmitteln, sondern überwiegend durch Sponsorengelder und an die Galerie angeschlossene Cafés finanziert werden konnte. Nach der Eintragung als Verein im Jahr 1999 wurde dies auch über andere Kanäle möglich – die Galerie ist seit einigen Jahren, nach Dependancen und Umzügen, am Pfefferberg, in der Christinenstraße angekommen, wo 2013 mit der Tchoban Foundation des russischen Architekten und Sammlers Sergei Tchoban, überdies das erste Privatmuseum für handgefertigte Architekturzeichnungen entstand.40 Anhand des Finanzierungsrahmens, aber auch Kristin Feireiss hinter dem Neonzeichen der Galerie Aedes des Programms von Aedes – es fanden bisher weit über 250 Ausstellungen statt, die fast alle von Publikationen begleitet wurden – ist der Unterschied zum amerikanischen System, etwa im Direktvergleich mit Protetch, schnell ersichtlich. Das gilt auch für weitere deutsche Galeristen. 1984 eröffneten beispielsweise Jörg Johnen und Rüdiger Schöttle ihre Galerie in Köln mit einer Ausstellung, bei der Arbeiten von Aldo Rossi und Thomas Schütte zu sehen waren, mit insgesamt mageren Verkaufsaussichten im Hinblick auf die architektonischen Medien. Jörg Johnen hatte dahingehend mit seiner Publikationstätigkeit mehr Erfolg, die den deutsch-amerikanischen Architektur- und Kunstdiskurs übersetzte. So editierte er 1983 und 1985 zwei aufschlussreiche Bände der Zeitschrift Kunstforum International, die sich mit zeitgenössischen Debatten zu urbanem Raum und künstlerischen Interventionen beschäftigten. An diese Tradition der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem aktuellen Architekturgeschehen knüpft heute in Berlin Ulrich Müller mit seiner Architekturgalerie Berlin in der Karl-Marx-Allee an, wo er als einer der immer noch ganz wenigen privaten 14 Johnen & Schöttle. Galerie für Architektur und Kunst, Aldo Rossi und Thomas Schütte, Installationsansicht, Köln, 1980. Archiv der Johnen Galerie, Berlin Architekturgaleristen mit Ausstellungen, welche die Architekturbüros überwiegend selbst finanzieren, bisher in Deutschland ungesehene Einzelpositionen präsentiert und dem Publikum damit kritisch den architektonischen Raum öffnet. Müller zeigt konzeptionelle Ausstellungen, die jeweils für den Galerieraum entworfen werden und betreut die Internetplattform Architecture-Exhibitions.com, die als einzige so konzise weltweit stattfindende Architekturausstellungen listet. Strebte der studierte Architekt anfangs noch den Verkauf von Architekturmedien an, so liegt sein Fokus heute auf der Vermittlung von Architektur. Ähnlich wie historische Materialien und anders als Kunstwerke müssen architektonische Medien in ihrem Entwurfscharakter immer kontextualisiert werden, was sie zu speziellen Arbeiten mit erhöhtem Erklärungsbedarf macht, die es auf dem Kunstmarkt ungleich schwerer haben als ikonische Bildwelten berühmter Künstler. Vergleicht man Protetchs Ansatz mit dem, den Kristin Feireiss und Helga Retzer entwickelten, dann wurde hier von ihnen die Aufgabe des Verkaufs von Architekturmedien allein vor dem Hintergrund der Konzentration auf die Sparte Architektur vollzogen. Aedes blieb immer der Architektur verpflichtet, die Paper 15 Architecture eingeschlossen, wobei Max Protetch immer auch künstlerische Positionen zeigte. Gleich zu Beginn erfolgte ein Verkauf durch Feireiss und Retzer aus ihrer ersten Ausstellung von älteren Arbeiten der englischen Brutalisten Allison und Peter Smithson an das DAM, der allerdings ohne Gewinn blieb. Was für die jungen Galeristinnen bitter gewesen sein mag, hat in der Retrospektive seine gute Seite: Hier konnte Heinrich Klotz noch Material der englischen Baugeschichte gewinnen, das ihm im amerikanischen Kontext aus Preisgründen zunehmend verwehrt blieb. Tatsächlich verfolge Kristin Feireiss vor dem Hintergrund von Architekturzeichnungen und -modellen als Spekulationsmedien schnell eine klar zu Protetch entgegengesetzte Ausstellungspolitik, womit man sich auch gegen interne Herausforderungen des Marktes abgrenzte, denn Architekten waren längst nicht alle bereit, ihre Entwurfsarbeiten in Galerien zu zeigen, geschweige denn diese zum Verkauf anzubieten, wie das Beispiel des Museumsarchitekten James Stirling zeigt, den Feireiss zwei Jahre lang bearbeiten musste, um ihn für eine Ausstellung zu gewinnen. Ganz anders verhielt es sich beispielsweise mit Peter Cook, der an der Städelschule lehrte, in den 1990er Jahren auch Häuser in Deutschland entwarf und mit Archigram von Anfang an am MoMA ausstellte. Vom Verkauf seiner Zeichnungen konnte er bei Einzelpreisen ab 2500 Mark in den 1980er Jahren seinen Lebensunterhalt bestreiten. Durchschnittlich waren Zeichnungen und Modelle bei Aedes zu Preisen von 600 bis 20.000 Mark erhältlich, in einem seltenen Fall eines großen Modells auch für bis zu 50.000 Mark.41 Allerdings war das nach dem Kauf einsetzende Wertgenerierungssystem mit dem des Kunstmarktes nicht vergleichbar, da kaum rasche Wertsteigerungen angenommen werden konnten. Die Käufer waren meist passionierte Sammler oder Kenner mit einem Bildungsinteresse. Kristin Feireiss hat in einem Interview die Entscheidung, nach den ersten Galeriejahren keine Verkäufe mehr durchzuführen, mit einem radikalen Interessenwandel begründet: „Wir wollten Architektur nicht unbedingt als fertiges Produkt künstlerischer Ideen präsentieren, sondern sie lieber in ihrem Entwurfsprozess durchschaubar machen.“42 Das spiegelte sich auch in den Installationen bei Aedes wider, in deren Räumen Zeichnungen ungerahmt, auf Glasplatten präsentiert wurden. Hier waren die Arbeiten ganz eindeutig als Arbeitsmaterialien inszeniert, als die Werkzeuge, die sie trotz Protetchs Aktivitäten und der Paper Architecture immer noch bleiben sollten. Während sich Aedes als Forum stets an die Öffentlichkeit richtete, wurde es bei Max Protetch kaum öffentlich kritisch. Die Klientel ist in diesem Fall, gerade im hochkapitalistischen, amerikanischen Kontext global differenzierter konstituiert. Aedes konnte durch die Konzentration auf eine Vermittlerfunktion, die fast museale Züge annahm, was sich dann auch im bald etablierten Prinzip der Wanderausstellung niederschlug, bestimmte zeitgenössische Themen aufgreifen, die baugeschichtlich breit diskutiert wurden. Dazu gehörte 1993 eine zusammen mit dem Österreichischen Außenministerium organisierte Schau mit dem Titel Museumspositionen aus Österreich, die Aedes zur Zeit der Planung des Museumsquartiers in Wien ausrichtete, dass vom Büro Ortner und Ortner, ehemalige Mitglieder von Haus Rucker Co., realisiert und kritisch diskutiert wurde. Besprochen, aber verworfen, hatte man Hans Holleins vorgestelltes Guggenheim-Museum in Salzburg, ein Plan, der dort dem derzeitigen Museum der Moderne voranging und die Einbindung des Museumsbaus direkt in den Mönchsberg bedeutet hätte. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde diese Ausstellung rezensiert und die schon Mitte der 1990er Jahre geschilderte Problemlage hat sich kaum gewandelt. Als „Metapher des Kunstmarktes” wurden Museen mit ihrer aufwendigen Architektur in den achtziger Jahren erkannt. Der Museumsmann Dieter Ronte hatte im Katalog zur Ausstellung noch geschrieben, dass es für ihn eine Horrorvision darstellen würde, wenn bei den diskutierten Selbstfinanzierungsproblemen der Ausstellungsinhalte die „Attraktivität des Gezeigten mit seinem Versicherungswert zur Deckung” käme.43 Die Presse wiederum konstatierte eine “Disneylandisierung des Museumswesens”, in der Rontes Hoffnung auf ein Abnehmen der Wende zum Populismus im Ausstellungswesen schon deshalb und zurecht als unrealistisch eingeschätzt wird, weil, wie Peter Gorsen schrieb, der das auch heute hätte formulieren können, diese Hoffnung „von einem Besuchertyp durchkreuzt wird, der vom Museum nicht mehr unbedingt eine Alternative zum schnellen Konsum, zum Perspektivwechsel und zur ständig frischen Ware unter dem Diktat des McDonalds-Prinzips” erwartet.44 An den Fronten der Architektur wird die Qualität unseres Lebens verhandelt. Das darf, gerade wenn man an einen Markt für Architekturmedien denkt, natürlich nicht vergessen werden. Paul Goldberger, langjähriger Architekturkritiker der New York Times, schrieb 1985 wiederum in der Herald Tribune anlässlich der Verleihung des Pritzker-Preises an Richard Meier und seiner Auftragsentgegennahme zum Bau des damals auf Hunderte von Millionen Dollar budgetierten Getty Centers in Los Angeles, von einer Paul Goldberger, The Celebrity Architect Arrives, The International Herald Tribune, 4. Januar 1985 16 “suspense creation” in der Architekturwelt.45 Diese ging nach dem Pompidou und bereits vor Bilbao um, eine Spannung, mit dem Effekt nach Goldberger, “of focusing attention not on actual buildings or designs, but on individuals, and thus, perhaps inadvertently it had the whole tendency to think of architects as celebrities.” Heute ist es Gehrys “Fashion Cloud,” die nach 30 Jahren der Diskussion bedrohlich vor der “dignity” seiner Kollegen aufzieht, welche Koolhaas sich und ihnen vor einigen Jahren in seinem Talk am CCA absprach. Die “Fashion Cloud” ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein treffendes Titelschlagwort, nicht nur weil es sich bei Gehrys Fondation Louis Vuitton um ein Haus für eine etablierte Modemarke innerhalb eines Luxuskonglomerats mit großer Sammlung zeitgenössischer Kunst handelt oder etwa weil Frank Gehry seit 2005 als Designer bei Vitra beziehungsweise dem Tochterunternehmen Belux seine Lampe Cloud anbietet. Daneben entstehen schon vorher die bekannten Sitzmöbel aus Wellkarton und Hartfaserplatten. Das Vitra Design Museum wiederum, 1989 eröffnet, gilt zusammen mit einem Fabrikbau, einem angeschlossenen Galeriegebäude und dem Firmenportal in Weil am Rhein, bekanntlich als Gehrys erster Baukomplex in Europa, den sein Freund Claes Oldenburg vermittelte, nachdem die Söhne des Vitra-Gründers Willy Fehlbaum diesem eine Arbeit des Bildhauers geschenkt hatten. Hier wird im Kontext des globalen Industriekampus Ende der 1980er Jahre in Europa wohl am deutlichsten die kunst- und architekturhistorische Verbindung der amerikanischen Pop Art als nunmehr leergelaufene Konsumpersiflage der 1960er Jahre mit dem zeitgleichen Einfluss kapitalintensiver konzeptueller Strömungen am Bau deutlich. Die “Fashion Cloud” hat darüber hinaus selbstredend metaphorische Bedeutung, aus der es nicht nur Konfetti regnet und die bei schlechtem Wetter wohl am besten als neoliberaler Regenschirm dient, in den das Catering sogar schon mit eingebaut ist. Die Fondation Louis Vuitton hat allein hinsichtlich der medialen Aufmerksamkeitsökonomie gezeigt, dass es immer noch en vogue ist, mit den Star-Architekten zu bauen, aus deren Federn, beziehungsweise derer ihrer Hunderten von Angestellten, ikonische Gebäude entstehen. Hier wurde trotz Formenschwung Gehrys dekonstruktivistischer Ansatz geglättet, der noch in seinem eigenen Haus im 17 kalifornischen Santa Monica aus den Jahren 1977/78 im Barackenstil durchexerziert wurde, mit dem der damals 48-jährige Kanadier fachkundige Gemüter wachrüttelte. Mit Privatmuseen wie der Fondation Louis Vuitton kann die finanzielle Schubkraft der Privatsammler, die heute ganz andere Dimensionen annimmt als in den 1980er und 1990er Jahren, den öffentlichen Kunstinstitutionen, wie zum Beispiel dem Centre Pompidou, das Wasser abgraben, wenn zum Beispiel Künstler für hochpreisige Ausstellungen angesprochen werden, die dann in keinem anderen Museum der Stadt Paris ausstellen sollen. Vor diesem Hintergrund sind die feierlichen Eröffnungsworte des französischen Präsidenten Hollande im letzten Jahr für die einen schmeichelhaft, für die anderen eine bittere Pille. Das Pariser Stadtmarketing hingegen wird Gehrys flamboyantes Gebäude mit all seinen kalifornischen Extras als neues Flaggschiff herzlich begrüßt haben. Das funktioniert seit dem Guggenheim in Bilbao, das die umliegenden Mieten in der Baskenstadt rasant ansteigen ließ. Das Museum ist überdies der erste Bau, der im Entwurf mit digitalen Planungsprogrammen umgesetzt wurde. Die digitale Revolution im Bereich der Architekturzeichnung hat überdies den Markt enorm verändert, wenn nicht Mitte der 1990er Jahre sogar zum Stillstand gebracht. Mit dem Markteinbruch verbunden sind neben ästhetischen Fragestellungen auch jene nach Autorschaft und Authentizität. Warum also gibt es kaum einen Markt für Architekturmedien, der über vereinzelte Auktionen hinausgeht? Ein Ansatz, sich dieser Frage anzunehmen, wäre zunächst einmal, dass es sich um einen imperfekten Markt handelt, der kein absehbares Preissystem hat, dessen Klientel zu klein und informell ist, der zu sporadisch ist. Niemand limitiert heute den Markt durch Auswahl künstlich, wie es Protetch bei den historischen Wright-Zeichnungen gelingen konnte. Die Materialfülle ist einfach sehr groß und in vielen Fällen unüberschaubar. Dazu kommt die Frage nach der Authentizität möglicher Angebote, wenn wie im Falle Zaha Hadids die Zeichnungen schon auf den Verkauf angelegt werden oder Tadao Ando seine eigenen Gebäude noch zwanzig Jahre nach deren Realisierung nachzeichnet. Der Markt, gerade weil er informell ist und nicht stetig, lässt sich kaum nachvollziehen, was Marktteilnehmer leicht abschrecken kann. Auch kommt eine Undurchsichtigkeit der Preisbildung mit ins Spiel. Ob allerdings die Schaffung von Klarheit auf dem Markt allein schon ausreichen kann, ist eine entscheidende Frage, auch im Hinblick auf die, was etwa an zeitgenössischen Arbeiten nach der digitalen Wende überhaupt angeboten werden sollte. Fest steht, dass ein Markt, auf dem man sich nicht zurecht findet, von kaum jemandem betreten wird. Er ist von einem heutigen Stadtpunkt aus schlicht zu kompliziert und zu exklusiv nachvollziehbar, vor allem, wenn man die schon schwer verständlichen Reglementierungen des Kunstmarktes mit in Betracht zieht. Ganz anders verhält es sich im Bereich des Design, indem es, vor allem durch die Angebotsausrichtung des Auktionshauses Phillips seit den späten 1970er Jahren, in direkten Kontakt zur Modernen beziehungsweise zeitgenössischen Kunst gebracht wurde. Es war gerade Bernard Arnault, der Auftraggeber des Gehry-Baus in Paris, der 1999 das Auktionshaus kaufte und zusammen mit Simon de Pury und Daniela Luxembourg restrukturierte. Mittlerweile sind die Besitzverhältnisse anders konstituiert. Die Definition eines Lifestyles, der eben über Mobiliar und weitere Ausstattungen leichter vermittelbar (und darüber hinaus unkomplizierter handelbar) ist, war von vornherein allen Teilnehmern des Marktes klar. Hier herrscht bei den Produzenten und Vermittlern immer ein klares Verständnis darüber, wie man auf dem Markt eine für sich selbst und/oder andere begehrenswerte Ware platzieren kann. Beim Bauwerk, und auch dessen Medien, bedarf es da weitaus konzentrierterer Maßnahmen. Der Kontext des Marktes, der sich in den 1990er Jahren aufzulösen begann, ist heute ein anderer, allein schon die Bezugsrahmen der Marktteilnehmer haben sich geweitet, die Ökonomie verkompliziert, letztlich der Ethos als solcher neu definiert, aber davon kann ich weit weniger sprechen als manch anderer hier im Raum. Es braucht auf dem sehr spezifischen Markt also überhaupt erst einmal eine Definition dessen, was eigentlich die Ware ist. Und dazu noch eine künstliche Verknappung des Angebots, um Werte zu schaffen. Nun, da wir am Ende des Vortrages angekommen sind, stelle ich dem Abschluss ein Zitat von Leo Castelli zur Seite, dass Noah Horowitz seinem Buch Art of the Deal voranstellt: “Why should anyone want to buy a Cézanne Aedes-Ausstellungskataloge, Auswahl for $800,000? What’s a little Cézanne house in the middle of a landscape? Why should it have value? Because it’s a myth. We make myths about politics, we make myths about everything. I have to deal with myths from 10am to 6pm every day. And it becomes harder and harder. We live in an age of such rapid obsolence… . My responsibility is the myth-making of myth material – which handled properly and imaginatively, is the job of a dealer – and I have to go at it completely. One just can’t prudently build up a myth.”46 Castelli spricht über das Mythenmachen, das einem Werk Bedeutung verleiht und nicht nur ökonomischen, sondern auch symbolischen Wert zukommen lässt. Vor allem spricht er aber darüber, wie schwierig und zehrend es sei, einen Künstler-Mythos als Händler aufzubauen und zu erhalten. Protetch scheint sich seinerzeit den letzten Satz dieses Zitats seines einstigen Mentors zu Herzen genommen zu haben, indem er über einen längeren Zeitraum kontinuierlich Präzedenzfälle der Präsenz von Architekten auf dem Kunstmarkt schuf und diese letztlich sogar dafür gewinnen konnte, eigens Arbeiten für Ausstellungen zu schaffen. Wie ich hoffe gezeigt haben zu können, wird der Fokus auf die Repräsentation eines Gebäudes, und das schließt dessen Macher ein, mit dem Aufkommen der autonomen Architekturzeichnung auf dem Ausstellungs- und 18 schließlich Kunstmarkt, dann aber im Weiteren auch dem globalen Immobilienmarkt, neu justiert. Nicht zuletzt kann Architektur nur selten in ihrem Realzustand ausgestellt werden und bedarf immer der Vermittlung. Aber wie kann, wenn Castellis Worte hier Anwendung finden, heute noch ein Mythos einer zeitgenössischen Architektur oder eines zeitgenössischen Architekten aufgebaut werden, wenn angenommen werden müsste, was Rem Koolhaas vor einigen Jahren subsummierte: “We are not taken seriously, but we have an unlimited amount of attention”? Kann man heute beispielsweise noch einen Mythos daraus kreieren, einen Frank Gehry zu bauen beziehungsweise bauen zu lassen? Um diese Frage positiv beantworten zu können, müssten zunächst die Parameter benannt und aktualisiert werden, unter denen man etwa die von Castelli in seinem spezifischen Kontext beschriebene Mythenbildung der 1960er Jahre heute verstehen könnte und analysieren, inwieweit das ältere Konzept des Mythos auf dem Kunstmarkt im bisherigen 21. Jahrhundert überhaupt Anwendung findet. Daran anschließend drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob es im Falle Gehrys der Mythenbildung überhaupt noch bedarf oder man sich dahingehend nicht besser jüngeren Architekturbüros zuwenden sollte. Macht man, an diesen Gedanken anschließend, die Schwere zwischen Mythos und Marke auf, bildet Gehry, der gerade am Facebook-Hauptquartier in Kalifornien arbeitet, aber einen signifikanten Schnittpunkt. In einem Interview antwortete er, angesprochen auf ikonische Bauten, von denen es laut seinem Gesprächspartner Charles Jencks seit der Hochmoderne kein Zurück mehr gäbe: “In a way I did open that door, since Bilbao, I get called to do ‘Frank Gehry Buildings.’ They actually say that to me. We want a ‘Frank Gehry.’ I run into trouble when I put a design on the table and they say, ‘Well, that isn’t a Gehry building.’ It doesn’t have enough of whatever these buildings are supposed to have – yet.”47 19 1. Andrew Ayers, View from Paris – Gehry mania and the most preposterous handbag in France, 24.10.2014, online unter: http://www.architectural-review.com/comment-and-opinion/view-from/view-from-paris-gehrymania-and-the-most-preposterous-handbag-in-france/8671588.article, zuletzt besucht am 29.1.2015. 2. Niklas Maak, Gehry-Bau in Paris. Die Gewalt des Auftritts, 25.10.2014, online unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/gehry-bau-in-paris-die-gewalt-des-auftritts-13228150.html, zuletzt besucht am 29.1.2015. 3. Stefan Simons, Frank Gehrys Fondation Louis Vuitton: Die Wolke ist gelandet, online unter: http://www. spiegel.de/kultur/gesellschaft/frank-gehry-fondation-louis-vuitton-eroeffnet-in-paris-a-998216.html, zuletzt besucht am 29.1.2015. 4. Rem Koolhaas, Vortrag anlässlich von Urgency 2007: Rem Koolhaas and Peter Eisenman, CCA Montreal, 8.6.2007, online unter: http://vimeo.com/27911744, zuletzt besucht am 29.1.2015. 5. Ebd. 6. Francesco Alberoni, „L’Élite irresponsible; theéorie et recherche sociologique sur le divismo,” in: Ikon, vol. 12-40/1, 1962, S. 45-62. 7. Koolhaas, siehe Anm. 4. 8. Vgl. http://www.goruma.de/Wissen/KunstundKultur/Architekturdes20und21Jahrhunderts/Europa/Centre_Georges_Pompidou.html, zuletzt besucht am 29.1.2015. 9. Dan Graham, „Gordon Matta-Clark,” in: Kunstforum International, Bd 81, 1985, S. 114-119, hier S. 118. 10. Ebd., S. 119. 11. Vgl. Walter Springer, Kunst im öffentlichen Raum. Projektkunst und Kunstprojekte der 80er und 90er Jahre in Süddeutschland. Mit einer Fallstudie des Skulpturprojekts Tübingen 1991, Inaugural-Diss., BauhausUniversität Weimar, 2007. 12. Werner Lippert, „Die Kunst. Am Bau,” in: Kunst und Architektur, Galerie Philomene Magers, Bonn, 1977, unpaginiert. 13. Vgl. Heinrich Klotz, Die röhrenden Hirsche der Architektur. Kitsch in der modernen Baukunst, München, 1977. 14. Vgl. Heinrich Klotz, Die Revision der Moderne. Postmoderne Architektur 1960-1980, München 1984, S. 10. 15. Vgl. Pierre Bourdieu, Kunst und Kultur. Zur Ökonomie symbolischer Güter, Konstanz, 2011. 16. Heute vertreiben in Amerika vor allem der in Los Angeles tätige Galerist Edward Cella und die in New York ansässige Galeristin Frederieke Taylor Architekturzeichnungen. Von 1996 bis 2006 hatte Henry Urbach in New York die Leitung der Architekturgalerie Henry Urbach Architecture inne. In Italien war die 1976 gegründete Mailänder Galerie Jannone die erste Architekturgalerie des Landes. In London ist der Galerist Kenny Schachter an Architekturausstellungen interessiert. Der Franzose Patrick Seguin stellt seit 1989 in Paris die Arbeiten von Architekten und Designern international aus und in Deutschland hat Renate Kammer in ihrer Hamburger Galerie seit 1993 in unregelmäßigen Abständen Architektur im Programm. 17. Hannes Loichinger, „Mit Begriffen Handeln,” in: Texte zur Kunst, Heft 96, 2014, S. 64-81. 18. Olav Velthuis, „Artrank und die Flipper: Apocalypse Now?” in: Texte zur Kunst, Heft 96, 2014 S. 34-49, hier S. 37. 19. Als leidenschaftliche Großsammlerin steht Phyllis Lambert damit in der Tradition von Sir John Soane (17531837), der in London ein Architekturmuseum aufbaute, das 1813 gegründet wurde, und Nicodemus Graf Tessin d. Jüngere (1654-1728), einem herausragenden schwedischen Architekten und Sammler. 20. Neben Goldschmidt und Weinreb war der Amerikaner Harry Lunn (1933-1998) als internationaler Kunsthändler in Washington und Paris vor allem für den Aufbau von fotografischen Sammlungen entscheidend. 21. Vgl. Julia Voss, „Heinrich Klotz, die Preisexplosion und das Starsystem,” in: Die Klotz-Tapes. Das Making-of der Postmoderne, Arch+ Feature, 26, 2014, S. 38-44, hier S. 39. 22. Vgl. Katalogtext zu Domenico Francia, Alternative Designs for the Decoration of a Ceiling, between ca. 1735 and ca. 1750, in: Eve Blau, Edward Kaufman (eds.), Architecture and its Image. Four Centuries of Architectural Representation, Montreal/Boston, 1989. 23. Vgl. Gespräch des Autors mit Phyllis Lambert in Montreal am 21.07.2014. 24. Vgl. Paola Antonelli, “Interview with Pierre Apraxine,” in: The Changing of the Avant-Garde: Visionary Drawings from the Howard Gilman Collection, Ausst.Kat. The Museum of Modern Art, New York, 2002, S. 147-154. 25. Vgl. The Changing of the Avant-Garde: Visionary Architectural Drawings from the Howard Gilman Collection, Ausst.Kat. The Museum of Modern Art, New York, 2002, S. 153. 26. Vgl. Kim Förster, The Institute for Architecture and Urban Studies, New York (1967-1985) : ein kulturelles Projekt in der Architektur, Diss. ETH Zürich, 2011. 27. Vgl. Agnes Husslein Arco (Hg.), Utopie Gesamtkunstwerk, Ausst.Kat. 21er Haus, Wien, Köln 2012, S. 78. 28. Vgl. Brief von Superstudio an Leo Castelli, November 1977, Archives of American Art, Smithsonian Institution, Washington. 29. Ada Louise Huxtable, “Architectural Drawings as Art Gallery Art,” in: The New York Times, 23. Oktober, 1977. 30. Vgl. Annie Cohen-Solal, Leo and His Circle: The Life of Leo Castelli, New York, 2010. Unter dem Titel Follies, der im Geiste Bernard Tschumis Architekturexperimente aufnahm, fand 1983 die letzte Architekturausstellung bei Castelli statt, die ebenfalls von Barbara Jakobson organisiert wurde und insgesamt neunzehn mehr oder minder verspielte Projekte vorstellte. 31. Hal Foster, “Pastiche/Prototype/Purity: ‘Houses for Sale’,” in: Artforum, März 1981, S.77-79, hier S. 77. 32. Felicity Scott, ”Out of Place: Arata Isozaki’s Electric Labyrinth, 1968,” in: Thordis Arrhenius et al. (eds), Place and Displacement: Exhibiting Architecture, Zürich, 2014, S.21-39, hier S. 38 [Übersetzung des Autors]. 33. Heinrich Klotz, New York, 17.-20.3.1980, in: s. Anm. 21, S. 77-87, hier S. 87. 34. “Max Protetch,” in: Laura De Coppet, Alan Jones, The Art Dealers, New York, 1984, S. 227-233, hier S. 231. 35. Michael Sorkin, “Mr. Wright,” in: Exquisite Corpse. Writing on Buildings, New York, 1991, S. 92-96. 36. Vgl. Gespräch des Autors mit Max Protetch am 24.1.2015. 37. Vgl. Heinrich Klotz, New York, 17. Sept. 1981, in: s. Anm. 21, S. 147. 38. Heinrich Klotz, New York, 17. Sept. 1981, in: s. Anm. 21, S. 149. Vgl. Wolfgang Voigt, „,Lasst doch den ganzen Bau leer’. Heinrich Klotz und die Anfänge des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main,” in: kunsttexte.de, Nr. 4, 2014 (22 Seiten), www.kunsttexte.de, S. 10, zuletzt besucht am 29.1.2015. 39. Vgl. Aedes Archiv, Berlin. 40. Vgl. Sergei Tchoban, Tchoban Foundation – Museum für Architekturzeichnung, in: kunsttexte.de, Nr. 4, 2014 (7 Seiten), www.kunsttexte.de. 41. Vgl. Heinrich König, „Sie wissen selbst nicht, was so etwas kosten darf,” in: Die Welt, Nr. 85, 12. April 1985. 42. Vgl. Kristin Feireiss im Interview. Manuskript aus dem Aedes Archiv, 1996. 43. Vgl. Peter Gorsen, „Dialektik der Volksaufklärung,” in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1993. 44. Ebd. 45. Paul Goldberger, “The Celebrity Architect Arrives,” in: International Herald Tribune, January 4, 1985, S. 7. 46. Noah Horowitz, Art of the Deal, contemporary art in a global financial market, Princeton, 2011. 47. “Frank Gehry,” in: Charles Jencks, The Iconic Building, New York, 2005, S. 9.