Festschrift - Frankfurter Förderverein für Physikalische

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Festschrift - Frankfurter Förderverein für Physikalische
Fachbereich Physik der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurter Förderverein für Physikalische Grundlagenforschung
und
Frankfurt Institute for Advanced Studies
Festschrift
zur Akademischen Feier
am Freitag, 29. Juni 2012, um 17:00 Uhr
in der “Villa Bonn”
Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft
1. Überreichung der Promotionsurkunden an die diesjährigen Doktoranden des Fachbereiches
Samir Amar-Youcef, Urs Bergmann, Jens Brandenburg, Wafa Daqa, Veronika Dick,
Christina Anna Dritsa, Andrej El, Olga Ershova, Oliver Fochler, Kateryna Foyevtsova,
Michael Galonska, Frank Gollas, Oleksii Gorda, Dominik Heide, Roland Hohler,
Andreas Kreisel, Jan Lamprecht, Christoph Langer, Jörg Magerkurth, Rudra Sekhar
Manna, Moritz Meckel, Marlene Nahrgang, Sophie Nahrwold, Christian Niederhöfer,
Jijo Paul, Hermine Reichau, David Roosen, Florian Roth, Angela Saa Hernadez, Mirko
Schäfer, Jan Carsten Scholz, Christoph Schrader, Tim Schuster, Denis Semmler, Vita
Solovyeva, Jan Steinheimer-Froschauer, Attilio Tarantola, Khaled Teilab, Jasimin Titze,
Wolfgang Trageser, Birte Ulrich, Stefan Voss, Markus Vossberg, Robert Wallauer, Julia
Wernsdorfer, Lars Zeidlewicz
2. Verleihung des Gernot und Carin Frank-Preises
für die beste physikalische Dissertation des Jahres an
Dr. Andreas Kreisel
3. Verleihung des Michael und Biserka Baum-Preises
für herausragende wissenschaftliche Arbeiten an
Dr. Lothar Schmidt
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4. Verleihung des Carl Wilhelm Fück-Preises für aktive Senior-Professoren
an
Prof. Dr. Hartmut Haug
und
Prof. Dr. Reinhard Stock
5. Auszeichnung
von Herrn
Dr. Joachim Reinhardt
für sein außerordentliches Engagement für Fachbereich, FIAS und Förderverein
6. Verleihung einer Honorarprofessur
an
Dr. Uwe Krüger
7. Festvortrag des Ehrengastes
Dr. Roland Kaehlbrandt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische
Gesellschaft Frankfurt am Main
Wissenschaftssprachen und Allgemeinsprache – ein angespanntes Verhältnis?“
”
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Inhalt
Grußwort des Dekans des Fachbereichs Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Huth
Grußwort der Vizepräsidentin der J.W. Goethe-Universität . . . . . . . . Maria Roser Valentı́
Grußwort für den Vorstand des Frankfurter Fördervereins für physikalische
Grundlagenforschung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nikolaus Hensel
Laudatio für Dr. Andreas Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Kopietz
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Kreisel
Laudatio für Dr. Lothar Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Dörner
Laudatio für Prof. Dr. Hartmut Haug und Prof. Dr. Reinhard Stock . . . . . . Walter Greiner
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Haug
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Stock
Laudatio für Dr. Joachim Reinhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Stöcker
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Reinhardt
Laudatio für Prof. Dr. Uwe Krüger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Huth
Festvortrag: Wissenschaftssprachen und Allgemeinsprache –
ein angespanntes Verhältnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Kaehlbrandt
Herausgegeben vom Institut für Theoretische Physik der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Fotos: Gabriele Otto
Redaktion: Joachim Reinhardt
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Die bisherigen Laureatus-Professoren des Fachbereichs
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Joseph Buchmann-Professur:
Judah Eisenberg-Professur:
Gerald Kucera-Professur:
Stefan Lyson-Professur:
Rolf und Edith Sandvoss-Professur:
Carl Wilhelm Fück-Professur:
Prof. Dr. Dr. h.c. Sigurd Hofmann
Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Stock
Prof. Dr. Dr. h.c. Horst Stöcker
Prof. Dr. Wolf Aßmus
Prof. Dr. Ulrich Ratzinger
Prof. Dr. Reiner Dreizler
Prof. Dr. Horst Schmidt-Böcking
Prof. Dr. Alwin Schempp
Prof. Dr. Carsten Greiner
Prof. Dr. Herbert Ströbele
Prof. Dr. Michael Lang
Prof. Dr. Harald Appelshäuser
2004-2008
2001-2004
20042003-2011
20091999-2001
2001-2004
2004-2010
20112005-2008
20082010-
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Die bisherigen Michael und Biserka Baum-Preisträger
__________________________________________________________________________________________________________
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Prof. Dr. Hartmut Roskos
Dr. Petra Hellwig
Dr. Jürgen Schaffner-Bielich
Prof. Dr. Thomas Görnitz
Prof. Dr. Michael Lang
Prof. Dr. Ulrich Ratzinger
Dr. Zhe Xu
Prof. Dr. Joachim Maruhn
Prof. Dr. Marcus Bleicher
Prof. Dr. Maria Roser Valenti
Prof. Dr. Bruno Deiss
Prof. Dr. Thomas Boller
Dr. Lothar Schmidt
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Die bisherigen Gernot und Carin Frank-Preisträger
__________________________________________________________________________________________________________
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Dr. Frank Linhard
Dr. Ralph Hollinger
Dr. Steffen Runkel
Dr. Thomas Bürvenich
Dr. Clemens Adler
Dr. Dennis Dean Dietrich
Dr. Andreas Schmitt
Dr. Oliver Meusel
Dr. Thorsten Kollegger
Dr. Jorge Noronha
Dr. Peter Björn Schenke
Dr. Saskia Gottlieb-Schönmeyer
Dr. Hannah Petersen
Dr. Matthias Odenweller
Dr. Andreas Kreisel
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Villa Bonn, Siesmayerstraße 12, Frankfurt am Main
Sitz der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft
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Grußwort
des Dekans des Fachbereichs Physik der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Prof. Dr. Michael Huth
Liebe Roser,
liebe Herren Greiner und Hensel,
lieber Herr Kaehlbrandt,
liebe Stifter, Stifterfamilien und Preisträger,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
Wir begehen unsere diesjährige akademische Feier nach einem tragischen Zwischenfall,
der sich gestern am frühen Abend im polnischen Warschau ereignet hat. Ich möchte aber
nicht so weit gehen, alle darum zu bitten, für eine Schweigeminute aufzustehen. Schließlich ist Fußball zwar die schönste Nebensache der Welt – aber eben doch nur eine Nebensache. Dennoch scheint auch der Ausgang des gestrigen Spiels auf dem Brüsseler Rasen
(2:1 für Spanien und Italien gegen Deutschland) die Schwächen in der Verteidigung der
deutschen (Regierungs-) “Mannschaft” nochmals auf ganz anderer Ebene aufzudecken.
Lassen wir aber auch die zweitschönste Nebensache der Welt – die Politik – hinter uns
und wenden den Blick aufs vergangene Jahr.
Der Fachbereich blickt auf ein Jahr zurück, das in den Bereichen Lehre und Forschung
gleichermaßen sehr erfolgreich war. Die Physik zählt in der Tat zu den Fachbereichen, die
den stärksten Studierendenaufwuchs an der Goethe-Universität zu verzeichnen haben. Die
aktuelle Lehrauslastungsquote hat 122 % erreicht. Wir bewegen uns damit in Dimensionen, die in der Physik in Frankfurt noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat.
Unsere beiden größten Forschungsverbünde aus den Bereichen der kondensierten
Materie und der Hochenergiephysik konnten erfolgreich in die zweite Förderperiode
überführt werden. Die Universität insgesamt freut sich über die Weiterführungsmöglichkeit der drei Exzellenzcluster, an denen der Fachbereich durch seine biophysikalischen
Aktivitäten beteiligt ist.
Insgesamt ist die Drittmitteleinwerbung wiederum um mehr als 10 % auf über 12
Mio EUR in 2011 gestiegen. Im Shanghai Academic Ranking of World Universities in
Physics belegt der Fachbereich den 41. Rang und wird von allen deutschen Universitäten
nur durch die LMU München übertroffen.
Wir hätten also allen Grund zufrieden und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken.
Was diese aber im nunmehr dritten Jahr in Folge vor allem zu zeigen scheint, sind finanzielle Herausforderungen hinsichtlich der Grundausstattung. Leider bestehen die Herausforderungen nicht darin, sinnvolle Möglichkeiten für den Einsatz von zusätzlichen Mitteln
zu ersinnen. Vielmehr muss der Fachbereich bei steigenden Studierendenzahlen und immer mehr Drittmittelprojekten mit immer weniger Grundausstattung und damit Personal
auskommen.
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Das alles wird begleitet durch eine hektische Umstrukturierungsbetriebsamkeit innerhalb der Universität, die vor allem Arbeit produziert und erst noch beweisen muss, dass
sie mittel- bis langfristig Verbesserungen schafft.
Wir sollten aber zuversichtlich sein, dass am Ende der Geist einer guten Universität
auch noch den letzten Drang zur Verwirklichung einer “unternehmerischen Universität”
besänftigend durchweht. In diesem Sinne wünsche ich uns allen die eine oder andere
kühlenden Brise an diesem recht warmen Abend und vor allem ein paar vergnügliche
Stunden.
Michael Huth, Dekan des Fachbereichs Physik
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Grußwort
der Vizepräsidentin der Johann Wolfang Goethe-Universität
Prof. Dr. Maria Roser Valentı́
Institut für Theoretische Physik, Goethe-Unversität
Sehr geehrter Herr Dr. Kaehlbrandt,
sehr geehrter Herr Dr. Hensel,
sehr geehrter Herr Prof. Greiner,
sehr geehrte Stifter und Stifterfamilien,
sehr geehrter, lieber Herr Dekan Huth,
sehr geehrte, liebe Promovierte und Preisträger
liebe Kollegen und Kolleginnen,
verehrte Festgäste!
Es ist mir eine große Freude, Sie heute im Namen des Präsidiums der Goethe-Universität
zur diesjährigen akademischen Feierstunde und Preisverleihung der Physik begrüßen zu
dürfen.
Die Frankfurter Physik ist eng mit der Geschichte dieser Universität verbunden. Der
Physikalische Verein gehörte zu den Gründern und Stiftern dieser Universität, der bei deren Gründung 1914 alleine sieben Institute und die Sternwarte mit einbrachte. Der Leiter
des damals neuen Physikalischen Instituts, Prof. Wachsmuth, wurde Gründungsrektor.
Heute, mit Blick auf das 100-jährige Jubiläum, das wir bald begehen werden, können
wir sagen, dass die Physik sich über all die Zeit als großer und bedeutender Fachbereich
der Goethe-Universität behauptet hat, der zu Recht stolz ist auf seine Errungenschaften.
Dazu gehört selbstverständlich auch das Engagement der Physiker für die Gesamtuniversität, wofür alleine die Dichte der hier anwesenden Kollegen stehen mag, die sich als
Vizepräsidenten über ihr Fach hinaus für eine Vielfalt von gesamtuniversitären Belangen
eingesetzt haben.
Die Frankfurter Universität ist also fachlich und personell eng mit der Physik verbunden. Wofür die Physik weiter stellvertretend steht, ist der tragende Stiftungsgedanke
dieser Universität, der im Gründungsakt bereits verankert war, und an den wir 2008 mit
der Umwandlung in eine Stiftungsuniversität angeknüpft haben. Sie, liebe Stifterinnen
und Stifter, Sie, die Mitglieder des Fördervereins und Sie, unsere Gönner, haben den Gedanken der Stiftungsuniversität mit Leben gefüllt. Ihrem Engagement gilt meine Hochachtung und mein Dank, und das wollen wir heute auch feiern!
Der Fachbereich Physik hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Er
hat in den 00er Jahren eine teilweise schmerzliche Restrukturierung durchlaufen, und ich
denke, das Ergebnis ist durchweg positiv. Der Fachbereich ist heute ein fester Bestandteil der ScienceCity auf dem Riedberg und wir haben uns mit der Ausrichtung auf drei
Schwerpunktbereiche (Schwerionen-, Festkörper- und Biophysik) bundes- und weltweit
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profilieren können. Dafür stehen, gleichsam als Leuchttürme, die großen Verbundprojekte
wie HIC for FAIR, Nanobic und der Transregio-SFB in der Festkörperphysik. Entscheidend für unseren Erfolg ist die enge Verbindung zu anderen institutionellen Partnern – allen voran dem FIAS, der GSI und dem MPI für Biophysik – ohne die der Physik-Standort
Frankfurt nicht zu denken ist.
Der Erfolg eines universitären Faches misst sich aber nicht nur an seiner Forschung,
sondern auch an seiner Fähigkeit, Nachwuchs auszubilden. Die Studierendenzahlen haben sich in den vergangenen Jahren außerordentlich positiv entwickelt. Sie, liebe Promovierte, sind der beste Beweis und Garant dafür, dass die Tradition der Frankfurter Physik
weitergetragen wird.
Wir wissen alle, dass der Zuwachs an Studierenden sich niemals von alleine ergibt.
Viele, die heute hier sind, haben durch ihr Engagement für eine aktive Schülerarbeit einen
wichtigen Beitrag zu dieser positiven Entwicklung geleistet, die es nun gilt weiter auszubauen. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle die von der Polytechnischen
Gesellschaft geförderten ScienceTours. Hier werden Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I auf Grundlage des Prinzips des “Forschenden Lernens” an die Universität
herangeführt und erhalten Gelegenheit zur Orientierung.
Ich denke, heute ist die richtige Gelegenheit, um zufrieden auf das Erreichte zu
blicken. Die Zukunft wird nicht einfach werden, denn wir werden uns mit den Konsequenzen von Schuldenbremse und steigenden Studierendenzahlen bei gleichzeitig sinkender Grundfinanzierung auseinanderzusetzen haben. Dennoch bin ich mit Blick auf die
Physik zuversichtlich: zum einen, weil wir immer schon kreativ genug waren, auch mit
schwierigen Situationen produktiv umzugehen. Und zum anderen, weil wir uns von einem
uns wohlwollend zugetane Umfeld begleitet wissen.
Ich sage dies als scheidende Vizepräsidentin. Ich habe versucht, dieses Amt mit Verantwortung auszuüben und ich hoffe, dass doch Einiges, was in dieser Zeit entstanden ist,
auch weiterleben wird. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit mit dem Fachbereich und insbesondere mit Dir, lieber Michael, und mit Dir,
lieber Dirk, bedanken. Mein Nachfolger, Prof. Schleiff, ist von Hause aus Physiker, auch
wenn er heute als Biologe tätig ist. Und ich bin mir sicher, dass er eine gute Portion des
Enthusiasmus, den ich persönlich für mein Fach hege, in seiner Amtszeit weiterlebt. Ich
wünsche ihm und uns an dieser Stelle eine gute Zusammenarbeit in den nächsten Jahren!
Vielen Dank!
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Roser Valentı́
Nikolaus Hensel
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Begrüßungsansprache
des stellvertretenden Vorsitzenden des Frankfurter Fördervereins für physikalische
Grundlagenforschung
Dr. Dr. h.c. Nikolaus Hensel
Es scheint ein Fach in der Schule zu geben, das anscheinend vollkommen vernachlässigt
wird oder anscheinend kaum noch auf Interesse stößt. Schlimmer ist, dass wohl alle Politiker, gleich welcher Herkunft oder Sprache alle Kenntnisse, die sie in diesem Schulfach
erlangt haben, bei Beginn ihrer politischen Karriere sofort und vollständig vergessen. Ich
meine damit nicht etwa Mathematik oder naturwissenschaftliche Fächer, die für viele ein
Gräuel sind, sondern schlicht und einfach Geschichte.
Alles, was wir heute erleben, war im Laufe der Geschichte Europas doch schon einmal da. Überschrieben wurde es immer mit dem einfachen, schlichten Wort “Dekadenz”.
Wenn man mehr Geld für Konsum als für Bildung, Forschung und Lehre ausgibt und diesen Konsum auch noch auf Pump finanziert, kann das nicht gut gehen. Schauen wir uns
heute um in Europa, sehen wir, wie hilflos die Politiker den letztlich von ihnen zu verantwortenden Problemen gegenüberstehen. Kurzsichtig nur auf ihre Wiederwahl bedacht,
haben sie es vergessen, die langfristig erfolgreichen Ziele zu verfolgen. Das gilt auch für
Deutschland, obwohl es heute anscheinend vergleichsweise noch ganz gut dasteht. Aber
wenn für den Golfplatz mehr Geld ausgegeben wird als für den Studienplatz, dann stimmt
auch hier etwas nicht. Denn eine Statistik sagt, dass wir, um relativ gesehen mit den Vereinigten Staaten gleichzuziehen, jährlich aus öffentlichen und privaten Mitteln weitere 40
Milliarden ausgeben müssten. Die – entschuldigen Sie den Ausdruck – verfressen wir
aber lieber.
Wenn wir uns die heutigen Zustände in Europa ansehen, scheint auch Platon vollkommen falsch gelegen zu haben, als er forderte, Philosophen sollen zu Königen werden
und umgekehrt auch Könige zu Philosophen. Vielmehr hat wohl Karl Popper recht, wenn
er aus all diesen frühen Überlegungen die Forderung ableitet, dass staatliche Institutionen so einzurichten sind, dass diejenigen, die die Macht haben, möglichst wenig Schaden
anrichten, es also allein und ausschließlich auf Schadensbegrenzung ankommt.
Jeder fragt sich: Was sollen wir in einer solchen Situation tun?
Diejenigen, die uns in diese Situation gebracht haben, zur Verantwortung ziehen? Das
ist leider unmöglich, weil sie zum Teil nicht mehr leben, zum anderen Teil in Pension sind
und im Übrigen unser Strafgesetzbuch für politische Schlamperei keine Strafe vorsieht.
Also bleibt es uns doch nur übrig, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wenn eine Revolution in Deutschland kaum möglich sein dürfte – sie dürfte eher für diejenigen Länder
möglich sein, in denen eine nicht hinnehmbare Jugendarbeitslosigkeit herrscht –, dann
kommt einem das in unserer Zeit ständig gebrauchte Wort der “Bürgerbeteiligung” in den
Sinn. Das scheint man in unserem Land allerdings, was für unsere Zeit typisch ist, nur
auf Rechte der Bürger beziehen zu wollen. Viel wichtiger ist es, diese Bürgerbeteiligung
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auch auf die Pflichten, und zwar viel stärker auf die Pflichten eines Bürgers zu beziehen.
Was heißt das? Wenn der Staat nicht genügend Geld für Bildung, Forschung und Lehre
hat oder wenn er zwar genügend Geld hat, es aber für andere Zwecke verwendet, dann
müssen sich eben die Bürger beteiligen.
Hier schließt sich der Kreis der Gedanken und führt zu unserem Förderverein für die
Physik in Frankfurt am Main hin. Private Initiative, von unserem Freund Prof. Walter
Greiner ins Leben gerufen, hat etwas geschaffen, was an der Goethe-Universität einzigartig ist und sich weiß Gott sehen lassen kann. Dies habe ich feststellen können, als mich
die Hessische Landesregierung kürzlich bat, die Leitung der neu geschaffenen Hessischen
Landesstiftung zu übernehmen. Denn dort steht – man höre es – für die Stiftungsarbeit in
ganz Hessen gegenwärtig weniger Geld zur Verfügung, als wir es jährlich für die Zwecke
unseres Fördervereins ausgeben. Das sollte uns eigentlich zufriedenstellen, kann es aber
nicht. Denn wir müssen uns immer wieder sagen, wir sind noch längst nicht am Ende mit
unserer Arbeit und unserem Einsatz, wir sind allenfalls am Ende des Anfangs. In diesem
Sinne: Lassen Sie uns weitere Freunde und Förderer der Physiker in Frankfurt am Main
finden.
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Verleihung der Promotionsurkunden an die diesjährigen Doktoranden
Im Auditorium
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Laudatio
zur Verleihung des
Gernot und Carin Frank-Preises
an Herrn Dr. Andreas Kreisel
von
Prof. Dr. Peter Kopietz
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Stifter-Familien,
lieber Andreas Kreisel!
Ich freue mich sehr, dass der Frankfurter Förderverein für physikalische Grundlagenforschung in diesem Jahr den Gernot und Carin Frank-Preis an meinen ehemaligen
Doktoranden Andreas Kreisel verliehen hat. Herr Kreisel hat am Ende des Sommersemesters 2011 am Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität Frankfurt mit
Auszeichnung promoviert. Der Titel seiner Doktorarbeit lautet
“Spin-wave calculations for Heisenberg magnets with reduced symmetry”.
Um Ihnen etwas genauer zu erklären was Herr Kreisel in seiner Doktorarbeit gemacht
hat, möchte ich auf zwei Worte in diesem Titel näher eingehen. Zunächst möchte ich
Ihnen erklären, was ein Heisenberg-Magnet ist. Ich vermute, dass auch die Nicht-Physiker
unter Ihnen den Namen “Heisenberg” schon einmal gehört haben. Werner Heisenberg hat
in den 1920er Jahren maßgeblich an der modernen Formulierung der Quantenmechanik
mitgewirkt. Die von ihm im Jahre 1925 gefundene Unschärferelation
∆P ∆X ≥ h̄/2
formuliert mathematisch präzise die Tatsache, dass man den Ort X und den Impuls P eines Quantenteilchens nicht gleichzeitig beliebig genau messen kann. Werner Heisenberg
hat aber auch zu vielen anderen Gebieten der Physik wichtige Beiträge geleistet. Insbesondere hat er im Jahre 1928 ein Modell zur Erklärung des Magnetismus in Festkörpern
vorgeschlagen. Dieses sogenannte Heisenberg-Modell ist durch den folgenden Hamiltonoperator (der die Energie des Magneten darstellt) definiert,
H =−
1
J(ri − r j ) Sri · Sr j .
2∑
ij
Dabei beschreiben die sogenannten Spin-Operatoren Sri die an den Gitterplätzen ri eines
Kristalls lokalisierten elementaren magnetischen Momente, aus denen der Magnet aufgebaut ist. Diese sind durch die quantenmechanische Austauschwechselwirkung J(ri − r j )
aneinander gekoppelt.
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Das Heisenberg-Modell ist wohl das wichtigste theoretische Modell zur Beschreibung von Magnetismus in Festkörpern. Leider konnte dieses Modell bis heute nicht exakt
gelöst werden, so dass man auf Näherungen angewiesen ist. Eine sehr erfolgreiche Näherungsmethode ist die sogenannte Spinwellen-Theorie, mit der sich Herr Kreisel in seiner
Doktorarbeit intensiv beschäftigt hat. Spinwellen sind kollektive Anregungen in einem
Magneten, die man sich als wellenartige Auslenkungen der Magnetisierungsrichtung vorstellen kann. Da im Festkörper aber immer viele Spinwellen gleichzeitig existieren, hat
man es mit einem komplexen wechselwirkenden Vielteilchensystem zu tun, das mit den
Methoden der Quantenfeldtheorie behandelt werden muss. Herrn Kreisel ist es in seiner
Dissertation gelungen, den Einfluss der Spinwellen auf experimentell messbare Größen
für verschiedene magnetische Isolatoren zu berechnen. Die von Herrn Kreisel beschriebenen Experimente wurden einerseits in der Arbeitsgruppe unseres Frankfurter Kollegen
Prof. Michael Lang, andererseits in der Arbeitsgruppe von Prof. Burkard Hillebrands in
Kaiserslautern durchgeführt, mit dem wir über einen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich intensiv zusammenarbeiten. Wie man
in den gezeigten Bildern sieht, konnten in beiden Fällen die experimentellen Daten überzeugend erklärt werden.
Herr Kreisel hat in den vergangenen vier Jahren nicht nur exzellente wissenschaftliche Arbeit geleistet, sondern er hat auch durch viel Eigeninitiative, soziale Kompetenz,
und Kommunikationstalent wesentlich zum Erfolg meiner Arbeitsgruppe und der Frankfurter Festkörpertheorie insgesamt beigetragen. Ich möchte Ihnen dazu ein paar Beispiele
nennen:
• Im Jahre 2007 wurde auf Initiative von Festkörperphysikern aus Frankfurt, Mainz,
und Kaiserslauten der Sonderforschungsbereich (SFB) “Condensed Matter Systems with
Variable Range Interactions” gegründet. Dieser von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte SFB ist einer des größten Drittmittelprojekte des Fachbereichs Physik.
Herr Kreisel hat sich gleich von Anfang an als Vertreter der wissenschaftlichen Mitarbeiter im Vorstand des SFB engagiert. Er hat diese Aufgabe mit sehr viel Elan wahrgenommen, hat Konferenzen und Workshops organisiert und den wissenschaftlichen Austausch
mit unseren experimentellen Kollegen intensiv gepflegt.
• Als Computer-Beauftragter meiner Arbeitsgruppe hat sich Herr Kreisel ein profundes Wissen über Computer und das Linux-Betriebssystem angeeignet. Dabei war er auch
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in allen praktischen Aspekten äußerst kompetent: zum Beispiel ist er in der Lage, einen
Rechner in seine Bestandteile zu zerlegen – und ihn danach auch wieder funktionsfähig
zusammenzuschrauben.
• Herr Kreisel ragt auch durch seine Leistungen in der Lehre heraus – regelmäßig hat
er bei den Evaluationen seiner Lehrveranstaltungen durch die Studenten die besten Noten
bekommen.
• Ich möchte auch hervorheben, dass Herr
Kreisel während der Arbeit an seinem Promotionsthema seinen Horizont auch über die Grenzen der Physik hinaus erweitert hat. Im katholischen Pfadfinderverband hat er sich schon seit
vielen Jahren als Leiter von Jugendgruppen engagiert, und auch an Kirchentagen hat er regelmäßig aktiv teilgenommen – auf dem Bild
kontrolliert er als Ordner gerade den Zugang zu einer Diskussionsveranstaltung am evangelischen Kirchentag 2011 in Dresden.
• Schließlich hat Herr Kreisel während seiner Promotion auch noch fließend portugiesisch gelernt. Den Anstoß dazu hat ein vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördertes Forschungsprojekt gegeben, das regelmäßige Besuche zwischen meiner Arbeitsgruppe und der Gruppe von Prof. Alvaro Ferraz von der Universität
von Brasilia ermöglicht hat. Herr Kreisel konnte dadurch insgesamt dreimal während seiner Promotion die Universität von Brasilia besuchen.
Er hat diese ungewöhnliche Stadt (deren Infrastruktur in erster Linie für Autofahrer geschaffen
wurde, und deren Grundriss die Form eines Flugzeugs nachbildet) mit großem Interesse für alles
Neue erkundet. Dabei ist er – aus Mangel an Alternativen – nicht davor zurückgeschreckt, auch mal
eine sechsspurige Autobahn mit dem Fahrrad zu
befahren. Theoretische Physiker sind mutige Menschen!
Seit drei Monaten sammelt Herr Kreisel nun schon als Postdoc an der University of
Florida in Gainsville wichtige neue Forschungserfahrungen. Er steht am Anfang einer
vielversprechenden wissenschaftlichen Karriere, für die ich ihm viel Erfolg wünsche.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Danksagung
von
Dr. Andreas Kreisel
Liebe Familie Frank, liebe Gäste,
meinen Dank möchte ich mit einer kleinen Anekdote zum Ausdruck bringen: Ich erinnere mich gerne zurück an meinen ersten Besuch an der Universität Frankfurt als ich an
der Erstsemestereinführung teilnahm. Neben vielen praktischen Informationen wurde uns
neuen Studenten unter anderem die Art der Zusammenarbeit zwischen Experimentalphysikern und Theoretischen Physikern vermittelt: Demnach sind beide aufeinander angewiesen, um das gemeinsame Ziel, die Erforschung physikalischer Phänomene und dahinter
liegende Gesetzmäßigkeiten, zu erreichen. Dazu liest der theoretische Physiker im Buch
der Natur, ist aber auf den Experimentalphysiker angewiesen, der die Seiten umblättert,
um die nächsten Erkenntnisse zu gewinnen. Damals fand ich, dass der Experimentalphysiker bei dem Vergleich etwas schlecht wegkomme; vielleicht ist dies auch der Grund,
warum ich später Theoretiker geworden bin. Wie auch immer, ich denke eine wesentliche
Komponente fehlt noch in dem Bild: Wenn das, nennen wir es einmal gemeinsame, Lesen
von Experimentalphysiker und Theoretischem Physiker in dem Buch der Natur besonders
spannend wird, dies wird wohl vorwiegend Abends der Fall sein, muss jemand das Licht
anschalten. An dieser Stelle kommen nun die Förderer der Wissenschaft wie zum Beispiel die Familie Frank ins Spiel und sorgen mit Licht am späten Abend dafür, dass die
Forschung gerade an den spannendsten Stellen weiter geführt wird.
In diesem Sinne möchte ich mich für die Verleihung des Carin und Gernot FrankPreises bei der Familie Frank recht herzlich bedanken. Mein besonderer Dank gilt weiterhin dem Förderverein für physikalische Grundlagenforschung und dem Fachbereich
Physik, die mich für diese Auszeichnung vorgeschlagen haben.
Meine Arbeit wurde erst durch die Zusammenarbeit mit meinen akademischen Lehrern und Kollegen am Institut für Theoretische Physik ermöglicht. Vielen Dank dafür.
Zuletzt möchte ich mich noch bei meiner Familie und besonders bei meinen Eltern für die
stete Unterstützung bedanken.
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Peter Kopietz
Walter Greiner, Peter Kopietz, Andreas Kreisel, Gernot Frank
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Laudatio
zur Verleihung der
Michael und Biserka Baum-Preises
an Herrn Dr. Lothar Schmidt
von
Prof. Dr. Reinhard Dörner
Sehr geehrte Familie Baum,
Frau Vizepräsidentin,
Herr Dekan,
lieber Herr Greiner,
liebe Kollegen und Kolleginnen,
verehrte Festgäste.
Der Michael und Biserka Baum-Preis würdigt eine “herausragende wissenschaftliche Leistung”. In diesem Jahr geht der Preis an Herrn Dr. Lothar Schmidt.
Womit hat Herr Schmidt sich das “verdient”? Ich werde versuchen es ihnen nahezubringen.
Eines der wichtigsten Ziele der Physik ist, herauszufinden wie der Mikrokosmos aufgebaut ist. Wie sieht ihre DNA, wie sieht ein Molekül, wie sieht ein Atom, wie sieht ein
Atomkern, wie sieht ein Proton “von innen” aus? Wie ist das “zusammengebaut”?
Wenn sie diese Frage “Wie sieht das Innendrin aus” an Alltagsgegenstände stellen,
zum Beispiel an diese mechanische Uhr hier, dann gibt es ein sehr bewährtes Mittel um
sich das anzuschauen – Sie haben das alle schon mal gesehen – eine Explosionszeichnung.
Was ist hier gemacht? Man “explodiert” sozusagen das Objekt, nimmt alle seine “Einzelteile” und rückt die nebeneinander, sodass man sehen kann, wie sie zusammengesetzt sind
– welche Teile darin an welcher Stelle sitzen.
Es wäre doch ein Traum, wenn wir solche “Explosionszeichnungen” auch aus dem
Mikrokosmos hätten.
Und genau das ist die Leistung von Herrn Schmidt, die wir heute würdigen: Er hat
es geschafft, experimentell eine solche Explosionszeichnung des einfachsten Moleküls
des Universums zu erzeugen. Dieses Molekül, Wasserstoff, ist nicht nur das einfachste,
sondern auch noch das häufigste Molekülion, das es im Universum gibt, und es ist das
paradigmatische Beispiel an dem jeder Physiker, jeder Chemiker, jeder Biologe überhaupt
lernt was ein Molekül ist.
Herr Schmidt hat eine solche Explosionszeichnung experimentell erzeugt – wie macht
man das? Am Beispiel dieser Armbanduhr ist das vergleichsweise einfach: Man nimmt
alle Teile und macht eine Art “sanfte Explosion”, d.h. man nimmt die ganzen Teile und
lässt sie auseinander fliegen, ausgehend von ihrem ursprünglichen Abstand von ein paar
Millimetern auf ein paar 10 cm, sodass Sie alles sehen können.
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Herr Schmidt hat es geschafft, es bei einem Molekül zu machen: Das ist aber nur
Meter groß, das sind 0,0000000001 Meter und das “Zeichenpapier” auf das er es hat
abbilden lassen das sind die Detektoren, die Augen mit der wir diese kleine Bausteinchen
sehen können die sind 10cm groß, ähnlich wie bei der Uhr.
10−10
Er hat es also geschafft, dieses Molekül ganz sanft, auseinander fliegen zu lassen.
Das “sanft” ist ganz wichtig, sonst wirbelt alles durcheinander und sie haben zwar die
Brocken, aber sie sehen nicht mehr wie es zusammengehörte; – bei der Uhr dürfen sie das
mit der “Explosion” ja auch nicht zu wörtlich nehmen.
Also: Das Molekül ganz sanft auseinander fliegen lassen, sodass die innere Struktur
um 9 Größenordnungen aufgeblasen wird und man sie direkt auf einer Art Kamera, einem
Detektor, sehen kann.
Wenn ich das so sage, mit dem “Aufblasen” aus dem Mikro- in den Makrokosmos,
kann ich schon sehen wie Kollege Greiner und alle anderen Physiker hier im Raum die
Stirn in tiefe Sorgenfalten legen.
Und sie haben recht. Warum?
Wenn sie diese sanfte Explosion, mal rückwärts ablaufen lassen, von unserem Explosionsbild alles wieder zusammen fliegen lassen, dann sind die ersten 6 Größenordnungen
unproblematisch aber dann, dann, wenn sie langsam so in die Größe des Moleküls kommen, dann legt sich ein Nebel der Unschärfe über ihr Objekt, sie geraten an eine fast magische Grenze im Mikrokosmos, an die “Heisenbergsche Unschärferelation”. In diesem
“Nebel der Unschärfe”, so sagt uns die Quantenmechanik, auf dieser winzigen Längenskala der Atome, da gibt es auf einmal nicht mehr gleichzeitig den Ort des Teilchens und
die Geschwindigkeit.
Aber genau das hatte ich ihnen ja vorgegaukelt: Wir wollten aus dem Mikrokosmos,
die Teilchen von dem Ort an dem sie sind, mit einer festen, genau bekannten, Geschwindigkeit, auseinander fliegen lassen auf unsere Kamera, sodass wir wirklich ein Explosionsbild aus dem Mikrokosmos erhalten.
Dieser Nebel der Heisenbergsche Unschärferelation sagt uns nun, dass das in Wirklichkeit im Mikrokosmos viel spannender ist, es gibt eine unüberwindliche Grenze, und
die Gesetze des “Auseinanderfliegens” selbst sind sehr spannend.
Herr Schmidt hat also eine solche “Explosionszeichnung” des H2+ -Moleküls “am
Quantenlimes” erzeugt. Die Bilder die er da gewonnen hat, die werden in Zukunft, da
bin ich sicher, in den Chemiebüchern zu finden sein.
Ich möchte mit einer wahren Anekdote schließen. Als Herr Schmidt seine Ergebnisse
vor etwa zwei Jahren auf einer Internationalen Konferenz vorgetragen hat, da saß in der
ersten Reihe einer der angesehensten amerikanischen Atom- und Molekülphysiker, einer
der großen “alten” Herren des Feldes. Nach dem Vortrag von Herr Schmidt, da stand der
auf, schaute ins Auditorium, schaute zu Herrn Schmidt vorne am Rednerpult und sagte
mit tiefer Bewunderung:
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“Lothar: these data are so beautiful, they make me shiver” ... sie jagen mir eine Gänsehaut
den Rücken runter.
Für diese Gänsehaut lieber Lothar hast du den Michael und Biserka Baum-Preis hoch
verdient – herzlichen Glückwunsch!
Reinhard Dörner
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Michael Huth, Lothar Schmidt, Ehepaar Baum
Walter Greiner
22
Laudatio
zur Verleihung des
Carl Wilhelm Fück-Preises für aktive Senior-Professoren
an Herrn Prof. Dr. Hartmut Haug
und Herrn Prof. Dr. Reinhard Stock
von
Prof. Dr. Walter Greiner
Junge Physiker werden von uns ausgebildet und an die Spitzenforschung herangeführt. Wir bringen Sie mit den weltweit führenden Forscher-Persönlichkeiten in Kontakt und erzeugen auf diese Weise ein stimulierendes Umfeld. Die besten dieser jungen
Forscher fördern wir seit Jahren: Unser Förderverein verleiht die Michael Loulakis-Preise
für junge Studenten im Bereich einiger hundert Euros. Der Gernot und Carin Frank-Preis
für die beste Physik-Dissertation des Jahres beträgt 5.000 e; der Michael und Biserka
Baum-Preis für die beste physikalische Arbeit liegt zwischen 5.000 e und 10.000 e. Die
fünf Laureatus-Professuren liegen (steuerfrei) bei 12.000 e pro Jahr und werden über viele Jahre – während der Zugehörigkeit des /der Ausgezeichneten zu unserem Fachbereich
– gefördert.
Nun gibt es unter den Professoren solche, die mit 50 Jahren zur Pensionierung ermuntert werden sollten. Aber – und darauf kommt es uns seit 2011 an – es gibt auch welche die
bis ins hohe Alter aktiv wissenschaftlich arbeiten und mit Ihrem Wissen ausgezeichnete
Arbeit für den Fachbereich, für die Universität und angegliederte Institute leisten. Ältere Wissenschaftler haben es oft schwer, Unterstützung durch die Förderanstalten (DFG,
Alexander von Humboldt-Stiftung, BMBF, . . .) zu erhalten. Diskriminierung ist oft erkennbar. Wir wollen keine Alterdiskriminierung! Deshalb verleihen wir dieses Jahr zum
zweiten Mal zwei Carl Wilhelm Fück-Preise an aktive Senior-Professoren. Damit wollen wir ein Zeichen setzen und kundtun, dass auch ältere Wissenschaftler noch engagiert
an herausragender Stelle Großartiges leisten. Letztes Jahr ging diese hohe Auszeichnung
(6.000 e) an die Herren Professoren Rudolf Bock (Schwerionenphysik – GSI) und Horst
Klein (Angewandte Physik). Dieses Jahr werden die Herren Professoren Hartmut Haug
(theoretische Festkörperphysik) und Reinhard Stock (experimentelle Kernphysik) ausgezeichnet. Lassen Sie mich einige Worte zu diesen Persönlichkeiten sagen.
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Hartmut Haug
Hartmut Haug wurde 1936 in Stuttgart geboren. Er ist also ein Schwabe und studierte
an der Universität (TH) Stuttgart Physik. Dort promovierte er 1966 über die Theorie des
Halbleiterlaser. 1967 war er an der University of Wisconsin in Madison zunächst Assistant
Professor und ab 1969 Associate Professor. Diese akademische Tätigkeit wurde unterbrochen durch einen vierjährigen Aufenthalt in der Theoriegruppe des Philips ForschungsLaboratoriums in Eindhoven, Niederlande. Danach wurde er als Professor für Theoretische Physik an die Universität Frankfurt berufen, 1973 zunächst auf eine C3-Stelle (Extraordinariat) und nach einem Ruf an die Universität Karlsruhe 1975 auf einen ordentlichen
(C4) Lehrstuhl. Er nützte seine “Sabbaticals” zu jeweils mehrmonatigen Aufenthalten als
Gastprofessor und Gastforscher an vielen international renommierten Universitäten und
Forschungslaboratorien. Seine wichtigsten Forschungsgebiete waren die Theorie der optischen Eigenschaften von Halbleitern, Tieftemperaturphysik, die Theorie ultraschneller
Prozesse, Nichtgleichgewichts-Vielteilchentheorie und Quantenkinetik.
Nach seiner Emeritierung 2001 widmete er sich vor allem der theoretischen Beschreibung der Nichtgleichgewichts-Bose-Einstein-Kondensation von Exziton-Polaritonen in
Mikroresonatoren. Seine wissenschaftliche Arbeit ist in circa 300 wissenschaftlichen
Publikationen und 5 Fachbüchern festgehalten. Die Arbeiten von Herrn Haug (u. a. in
Reviews of Modern Physics) über Nichtgleichgewichts-Bose-Einstein-Kondensation von
Mikroresonator-Polaritonen sind äußerst bemerkenswert. Zunächst einige Erklärungen:
Exzitonen sind gebundene Paare aus negativ geladenen Elektronen und positiv geladenen
Löchern (fehlenden Elektronen) in Halbleitern.
Polaritonen sind Teilchen an der Grenze zwischen Materie und Licht, zusammengesetzt
aus Exzitonen und Photonen.
Die Lichtquanten (Photonen) sind in einem Mikroresonator eingesperrt. Solche Quantentöpfe werden am besten in Gallium-Arsenid durch Laser-Pulse hergestellt.
Die Elektron-Loch-Paare können über Aussendung von Photonen wieder zerfallen
und diese Photonen können neue Teilchen-Loch-Paare anregen. Es entsteht also ein richtiges Gemisch von Teilchen-Loch-Paaren und Lichtquanten, ein eigenartiges Medium. Man
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nennt dieses Medium Exziton-Polaritonen. Es sind Bosonen mit kleiner Masse (10−4 der
Elektronenmasse). Sie können auch bei hohen Temperaturen Bose-Einstein-Kondensate
(BEC) im Festkörper bilden. Die Kondensate von Spin-0-Teilchen (Ansammlung dieser Teilchen im Grundzustand) wurden schon vor vielen Jahrzehnten von dem indischen
Physiker Bose vorhergesagt. Einstein hat als Herausgeber der Zeitschrift für Physik Boses Arbeit leicht verbessert und mit veröffentlicht. Aber erst vor circa 10 Jahren wurde
die Bose-Einstein-Kondensation in ultra-kalten Quantengasen beobachtet. Herr Haug hat
die Theorie der Exziton-Polariton-Bose-Einstein-Kondensate entwickelt und japanische
Kollegen haben Experimente dazu durchgeführt, die Haugs Theorie voll bestätigen.
Hartmut Haug:
Theoretische Konzepte
Bao Tran Thoai (1. Doktorand von H.H. in Frankfurt 1973) Vietnam Center
for Natural Science, “Number crunching team”
Yoshi Yamamoto, Stanford
University: Experimente
Polarisationsaufgelöste Kondensationskinetik.
Links: Theorie, D. B. Tran Thoai, H. Haug et al. Rechts: Experiment, Yamamoto et al.
Andere laufende Untersuchungen von Hartmut Haug widmen sich der nichtlinearen
Schrödingergleichung mit Gain und Loss-Termen vom Typ
i
dψ
1 d2ψ
=−
+ g|ψ|2 ψ + gain − loss .
dt
2m dx2
Damit untersuchte er die Strukturbildung, quantisierte Wirbel und Solitonen,
Josephson-Oszillationen, etc. Beispiel: Man beobachtet die spontane Ausbildung geordneter Strukturen in Amplitude und Phase. Die Bilder zeigen die Anregung in einem homogenen Ring; bei kritischer Stärke der Anregung kommt es zu spontaner Strukturbildung.
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Dichte
Phase
Hartmut Haug nennt dies sein Hobby: abstrakte Acrylmalerei bzw. seine modernen
Kirchenfenster! All das zeigt die Originalität und den Ideenreichtum meines Kollegen. Er
hat die Frankfurter Theoretische Festkörperphysik international hervorgehoben. Wir sind
stolz auf ihn!
Als Kollegen haben wir unsere Disziplinen gegeneinander abgesteckt und standen
deshalb manchmal in konkurrierenden Lagern, freilich mit wechselseitigem Respekt und
Bewunderung!
Reinhard Stock
Reinhard Stock war der Nachfolger von Erwin Schopper. Er wurde 1938 geboren und besuchte das humanistische Gymnasium in Göttingen. Dort studierte er auch Physik. Sein
Physik-Diplom erhielt er 1963 in Heidelberg. Bei den Professoren R. Bock und W. Gentner promovierte er 1965. Es begannen seine Postdoc-Wanderjahre, die ihn nach Kopenhagen und Philadelphia führten, gefolgt von seiner Habilitation 1971 in Heidelberg. 1975
vertrat er den Lehrstuhl von Rudold Bock in Marburg. Es war auch Rudolf Bock, der ihn
1973 an das LBL nach Berkeley schickte, um dort relativistische Schwerionenphysik zu
betreiben. Die GSI-LBL-Kollaboration von 1974 bis 1984 wurde weitgehend von Reinhard Stock getragen. Er war seit 1976 fest in der GSI angestellt. Der Plastik-Ball-Detektor,
den er zusammen mit Hans Gutbrod in Berkeley entwickelte, zeigte dann den von der
Frankfurter Theorie vorgesagten kollektiven Fluss der Kernmaterie in hochenergetischen
Kern-Kern-Stößen (nukleare Schockwellen). Dafür bekam er im Jahr 2008 zusammen mit
Walter Greiner den Lise-Meitner-Preis. Seine Experimente am CERN (NA 35 und NA 49)
begannen 1984. Sie öffneten den Weg zu Kern-Kern-Stößen bei allerhöchsten Energien.
1985 wurde Reinhard Stock als Nachfolger von Erwin Schopper nach Frankfurt berufen, wo er bis zu seiner Pensionierung 2004 blieb. Seit 1995 gehörte er dem STARExperiment am RHIC in Brookhaven an. Ungefähr 250 Physiker aus aller Welt tragen unter Leitung von John Harris (Yale-University) zum Erfolg dieser großartigen Anstrengung
bei. Auch Th. Kollegger – Schüler von R. Stock und Gernot Frank-Preisträger des Jahres
2007 – gehört zum STAR-Experiment. Weltweite Aufmerksamkeit erregte in diesem Jahr
die Erzeugung von leichten Atomkernen aus Antimaterie, insbesondere Anti-4 He.
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Messung von Teilchen und Antiteilchen im STAR-Experiment
Das STAR-Experiment: Tausende von Teilchen-Spuren (gelb) und ganz selten ein Antiteilchen
(rot) im Detektor.
Die Erzeugung von Anti-Atomkernen, also z.B. Anti-Kohlenstoff, Anti-Sauerstoff,
usw. gehören zu den großen Aufgaben des FAIR-Projektes bei GSI. Die direkte Erzeugung von Antimaterie-Clustern direkt aus dem Vakuum wird jetzt möglich. Das ist fundamentale Schwerionenphysik! Ich erläutere das mit folgenden Bildern:
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Dieses Bild zeigt die besetzte Dirac-See (x) für Elektronen, die das Quantenvakuum repräsentiert. Die Erzeugung von Elektron-Positron-Paaren ist durch Anheben eines
Elektrons aus der Dirac-See in das positive Kontinuum angedeutet. Dabei bleibt ein Loch
(Positron = Antiteilchen des Elektrons) in der Dirac-See zurück.
Für die Bausteine des Atomkerns (Nukleonen) sieht das Vakuum aus wie in dem linken Bild unten: Aus der negativen Dirac-See ist ein Topf mit vielen Tausend gebundenen
Zuständen herausgewachsen. Bei Kompression wächst dieser untere Topf an; der obere
Topf, der das Schalenmodell der Kerne repräsentiert, verschwindet.
Bei der Kompression entstehen im unteren Topf leere Zustände, die als Cluster von
Antiteilchen zu verstehen sind (im Bild eingekreist O). Diese Antimaterie-Cluster können
direkt aus dem Vakuum emittiert werden. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit für die Erzeugung von Anti-Kernen um sehr viele Größenordnungen!
Für die Forschungen bei FAIR (GSI) wird das aufregend!
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Danksagung
von
Prof. Dr. Hartmut Haug
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich bedanke mich herzlich für den Carl Wilhelm Fück “Aktiver Senior-Professor”-Preis
des Fördervereins und insbesondere Herrn Kollegen W. Greiner für seine Laudatio. Als
ich erfuhr, dass ich einer der diesjährigen Preisträger bin, habe ich mich natürlich sehr
gefreut. Mein anhaltendes Engagement in der Forschung entspringt meinem Interesse an
aktuellen Entwicklungen in der Physik, speziell auf meinem derzeitigen Arbeitsgebiet, der
Nichtgleichgewichts-Vielteilchen-Theorie und der Quantenkinetik. Etwas salopp gesagt,
ich konnte mit dem Forschen und dem Ringen um die Erklärung neuer Beobachtungen
einfach nicht aufhören. Ich betrachte es als großes Privileg, auch als Emeritus weiter an
neuen faszinierenden Entwicklungen auf meinem Fachgebiet mitarbeiten zu können. Ich
glaube, dass aktive Senior-Professoren mit ihrem anhaltenden Forschen aber nicht zuletzt
sich selber etwas Gutes tun, denn es hält sie geistig jünger und beweglicher.
Hartmut Haug
29
Danksagung
von
Prof. Dr. Reinhard Stock
Sehr verehrte, liebe Freunde der Frankfurter Physik,
lieber Walter Greiner.
Von Herzen voll Dankbarkeit nehme ich Ihren Preis entgegen! Es ist eine besonders hochherzige Gabe von Ihnen, die ja alle noch das Glück haben, in einem anspruchsvollen und
fordernden Berufsalltag zu stehen, eine Ermutigung zu senden an die alten Pioniere unserer Physik. In der Tat haben wir uns ja über viele Jahrzehnte in der unerhört privilegierten Lage befunden, mit all unserer Tatkraft und Phantasie, in Forschung und Lehre
eine neue Idee zum Verständnis der kosmologischen Expansion in ihrer Frühphase (im
Mikrosekundenbereich des Urknalls) durch Theorie und Experiment zu konkretisieren.
Diese Idee wurde geboren in den späten 70er Jahren, als man über das Innere der Neutronensterne nachzudenken begann, und über den nachmals berühmten Phasenübergang im
Uruniversum, bei dem aus einem anfangs völlig strukturlosen Gasfeuerball-Universum
aus elementaren Quarks, Gluonen, Photonen und Elektronen die uns heute vertraute Materie entstand. Zunächst die Protonen und Neutronen, aus denen die heutige Materie besteht – auch wir alle, die wir hier sitzen, bestehen aus diesen ersten “Kügelchen”, in die
sich die Urmaterie kondensierte. In ihrem Inneren tobt noch immer das heiße Gas des
Urkosmos der Mikrosekundenzeit, aber die Natur benutzt hier das raffinierte Prinzip der
Neutralisierung von Elementarkräften (man denkt hier an Goethes Sicht der Urnatur):
nach Außen wirken die “rohen Kräfte” nur in erstaunlicher Bändigung, so dass eine kühle
Welt entstehen kann, mit schon erstmals geschaffenem Innen und Außen, die dann zu der
evolutionären Entwicklung strebt.
In dieses Innere der Materie hineinzuschauen, mit den Methoden der Theorie der elementaren Wechselwirkung, und mit Beschleunigerexperimenten in den Großforschungszentren, war das ursprüngliche Ziel einiger Frankfurter Forschergruppen in den frühen
70er Jahren, geführt von den Kollegen Walter Greiner und Erwin Schopper, zu denen
ich dazuzustoßen das Glück hatte. Es folgte eine wahrhaft phantastische Forschungsperiode von mehreren Jahrzehnten, die heute in den Händen unserer Nachfolger an den
größten Synchrotron-Collider-Instituten der Welt, dem RHIC am Brookhaven National
Laboratory und dem LHC am CERN in Genf, ein vollkommen neues Gebiet der Grundlagenforschung mit höchster Kompetenz, und mit den fortgeschrittensten Methoden und
Experimenten bearbeitet.
Es fällt einem engagierten Physiker nicht so leicht, mit der Pensionierung gemächlich
auf eine Zuschauerrolle sich zurückzuziehen!
Die gewohnten Kraftströme aber ziehen sich unweigerlich von einem zurück. Ich
persönlich hatte das Glück, noch mit einer kleinen Frankfurter Gruppe weiterarbeiten
zu können, am Experiment STAR in Brookhaven. Dort haben wir an einem “kleinen
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aber feinen” Detailthema interessante Ergebnisse erzielt: bei der Beobachtung von leichten Atomkernen aus Antimaterie, die in den Kollisionsfeuerbällen von zentralen Stößen
schwerer Atomkerne bei extrem hoher Energiedichte (vergleichbar der Energiedichte des
Urknalls im Nanosekunden-Zeitalter) entstehen.
Walter Greiner hat in seiner Laudatio dieses Thema beschrieben. Mit den bisherigen
Experimenten sind wir bis zum Nachweis des Anti-Kerns zum Helium-Kern fortgeschritten: also ein Kern aus zwei Antiprotonen und zwei Antineutronen. Dazu war ein Gesamtensemble von ca. hundert Millionen registrierter und analysierter Kollisionsereignisse
nötig - um schließlich 19 Antiheliumkerne nachzuweisen, aus einem Gesamtinformationsinhalt von etwa tausend Petabytes. Diese Antimaterie-Produktion könnte gemäß einer
Idee von Walter Greiner eine sozusagen “aktive” Rolle des letzten unerforschten Bereichs
der fundamentalen Natur verraten: eine Wechselwirkung des physikalischen Vakuums mit
den elementaren, in ihm eingebetteten Quarks. Wie immer in der Grundlagenforschung
ist es nun so, dass wir mit der Beobachtung der Antiheliumkerne nur einen ersten Wink
neuer Physik aufgefangen haben.
Viel besser stände es mit dem Nachweis solcher Vakuumwechselwirkungen, wenn wir
experimentell zu noch schwereren Antikernen vordringen könnten:
Wie wäre es mit dem Nachweis von Antilithium oder gar Antikohlenstoff?!
Wie Walter Greiner die Rolle der Experimentalphysiker im Fortschritt der Naturerkenntnis beschrieben hat: der Theoretiker blickt mit beginnendem Verständnis in das soeben von Experimentalphysiker aufgeschlagene neue Blatt der Naturbeobachtung, aber
der Experimentalphysiker muss es dann verstehen, die Seite umzublättern zum nächsttieferen Blick in die Natur. So sollten wir auch die Seite vom Antihelium zum Antilithium
umzublättern versuchen. Aber dazu bedarf es einer tausendfach größeren Datenmenge.
Dies ist bestimmt z.Zt. nicht “state of the art”. Aber wenn wir alle realistisch denkbaren
Verbesserungen der experimentellen Technik am CERN-LHC-Collider zusammenrechnen, und uns auch ein neues, speziell auf diese Fragestellung zugeschnittenes Experiment
vorstellen (und es in der internationalen Forschergemeinschaft durchsetzen können), wäre
das nächste Blatt vielleicht in der Tat umzublättern. Dieses werde ich nun ganz gewiss
meinen Nachfolgern anvertrauen müssen.
Einstweilen bleibt aber, wie immer, die Faszination angesichts des vertieften Blicks
in die Gesetze der Natur. Noch dabei etwas mitzuwirken ermutigt mich der heutige Preis,
für den ich von Herzen danke.
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Reinhard Stock
Hartmut Haug, Reinhard Stock, Jürgen Struckmeier
32
Laudatio
zur Verleihung eines
Sonderpreises
an Herrn Dr. Joachim Reinhardt
von
Prof. Dr. Horst Stöcker
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich habe die große Ehre, heute die Laudatio zur Verleihung des Sonderpreises des Vereins
zur Förderung der physikalischen Grundlagenforschung an Herrn Dr. phil. nat. Joachim
Reinhardt halten zu dürfen.
Herrn Doktor Reinhardt kenne und schätze ich nun seit über vierzig Jahren – wir waren Kommilitonen und saßen ab 1971 zusammen in den Physik-Vorlesungen von Werner
Martienssen, Erwin Schopper, Walter Greiner und Kollegen – eine spannende Zeit.
Joachim hat sich rasch entschlossen, ans Institut für Theoretische Physik zu gehen.
Dort hat er bei Walter Greiner bereits in jungen Jahren fundamentale Veröffentlichungen
federführend verfasst, unter Anderem zur Struktur des Vakuums der Quantenelektrodynamik und zur Schwerionenforschung starker Felder. Nach seiner Promotion hat Joachim
zahlreiche Diplom – und Doktorarbeiten mitbetreut. Auch in der Lehre am Fachbereich
Physik engagiert er sich und hält seit beinahe 30 Jahren regelmäßig Vorlesungen zu den
verschiedensten Themen.
Herr Dr. Reinhardt hat aber neben seinen Forschungsarbeiten und seiner Lehrtätigkeit
auch zahlreiche forschungspolitische und forschungsstrategische Beiträge für den Fachbereich und für das FIAS geleistet, oft die Feder führend.
Dies reicht von der Begleitung der Direktoriumssitzungen, der Zuordnung der Lehrveranstaltungen am Institut, sowie der Erstellung der elektronischen Vorlesungsverzeichnisse des Fachbereichs und der wissenschaftlichen Betreuung der Physik-Literatur in der
Max Born Bibliothek bis zu der Vertretung der Interessen des Fachbereichs in den zentralen Bibliothekskommissionen der Universität.
Herr Dr. Reinhardt arbeitete mit bei der Erstellung zahlreicher erfolgreicher Forschungsanträge, bei Drittmittelgebern wie DFG, BMBF, GSI, Helmholtz-Gemeinschaft.
Die Strukturplanungen und Zielvereinbarungen mit dem Präsidium der Universität zur
wissenschaftlichen Aufstellung des Fachbereichs über die Zehnjahresperiode 2002-2012
(in Folge des universitären Hochschulentwicklungsplanes I (2001)) sind hier ebenso zu
nennen wie die Neustrukturierung der Lehr- und Forschungspläne am ITP in der Umbruchphase 2000-2005.
Ein weiterer wichtiger Beitrag von Joachim Reinhardt ist seine Arbeit für das FIAS,
33
das Frankfurt Institute for Advanced Studies: schon 2003/04 hat Joachim als einer der
Hauptautoren der wissenschaftlichen Gründungspapiere maßgeblich zur klaren Formulierung der wissenschaftlichen Zielsetzungen und zur Definition der wissenschaftlichorganisatorischen Struktur beigetragen.
Auch während der Evaluierung des FIAS und in der Konsolidierungsphase des Instituts (2010) hat Joachim alle wichtigen strategischen Papiere des Vorstandes mitverfasst,
redigiert und weiterentwickelt.
Als “Scientific secretary” des FIAS hat er seit der Gründungsphase zahllose Gremiensitzungen von Wissenschaftlichem Beirat, Stiftungsrat und Vorstand mit großer Aufmerksamkeit begleitet, kritisch und mit Bedacht die Beiträge klar und fair gewichtet und übersichtlich und korrekt zusammengefasst.
Joachim, für dies Alles gebührt Dir unser aller herzlicher Dank – wir freuen uns daher,
Dir heute zu Deiner Ehrung aus vollem Herzen gratulieren zu dürfen!
Horst Stöcker
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Danksagung
von
Dr. Joachim Reinhardt
Verehrter Herr Dekan, lieber Walter, lieber Horst, verehrte Festgäste,
bei der Verleihung des Sonderpreises an mich stehen nicht die wissenschaftlichen Leistungen im Vordergrund – die sind inzwischen auch etwas angejahrt – sondern mein Engagement für Fachbereich, Förderverein und FIAS. Inwieweit das preiswürdig ist, kann
und muss ich nicht entscheiden. Aber es ist jedenfalls schön, dass auch einmal die nicht
sehr glamouröse Arbeit im Hintergrund Anerkennung findet, die Unterstützung von Forschung, Lehre und Verwaltung.
Meine Arbeit für den Fachbereich ist nicht sehr spektakulär und beschränkt sich
hauptsächlich auf den Bereich von Bibliothek, Datenverarbeitung und Informationsverbreitung. Die interessanteste Tätigkeit der letzten Jahre war sicher die Mitarbeit beim
Aufbau des FIAS. Es ist sehr spannend, das Entstehen und Wachsen eines solchen neuen
Forschungsinstituts aus erster Hand mitzuerleben. Und die Teilnahme an allen Gremiensitzungen des FIAS seit 2003 hat durchaus mein Weltbild erweitert. Man hat mir den
etwas vagen Titel eines “Scientific Secretary” verliehen, der ins Deutsche sinngemäß als
“Mädchen für Alles” zu übertragen wäre. Die Lateinische Variante ist – wie immer –
noch prägnanter: “Faktotum”. Gerade in der Gründungsphase waren die Aufgaben wirklich äußerst vielgestaltig, aber inzwischen hat das FIAS eine tüchtige eigene Verwaltung
aufgebaut und meine Tätigkeit passt jetzt etwas besser zum verliehenen Titel.
Ich nehme die Auszeichnung des Fördervereins mit großer Freude entgegen und danke dem Preiskomitee für seine Entscheidung. Ganz besonders danke ich natürlich Dir,
lieber Walter. Wir kennen uns nun seit über 40 Jahren, genau gesagt seit dem 13. Oktober
1971 als ich am ersten Tag meines Studiums nichtsahnend in Deine Vorlesung Mechanik
I kam (Horst Stöcker ist damals auch dabei gewesen). Irgendwie bin ich seitdem davon
nicht wieder losgekommen, und ich muss sagen, ich hätte es schlechter treffen können.
Die Jahre am Fachbereich Physik, als Student, als aufstrebender junger Wissenschaftler,
als Dozent und auch jetzt als nicht mehr so aufstrebender und garnicht mehr junger Mitarbeiter haben mich geprägt und das Arbeitsklima war ganz überwiegend angenehm. Ich
habe das Institut für Theoretische Physik als ein Stück Heimat empfunden. Mein Dank
geht daher auch an alle Weggefährten und Kollegen dieser langen Zeit.
Doch bevor ich jetzt sentimental werde, nur noch eine Anmerkung zum Schluss. Über
die Auszeichnung durch den Förderverein habe ich mich sehr gefreut. Wie schon die alten Römer wussten, lässt sich Freude verdoppeln, indem man sie teilt. Daher habe ich mir
überlegt, zwar die Ehre ganz alleine für mich zu beanspruchen, die mit dem Preis verbundene materielle Zuwendung aber weiterzureichen. Nicht die Heilsarmee möchte ich damit
bedenken, oder die Aktion “Rettet die Wildkatze”, sondern eine Gruppierung, die uns allen näher steht, nämlich die Fachschaft Physik. Man sagt zwar manchmal, die Universität
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könnte ein wundervoller Platz sein, wenn nur die Studenten nicht wären. Und wie wir gerade vom Herrn Dekan erfahren haben, werden es sogar immer mehr! Doch das ist nur ein
Kalauer; wie jeder weiß, sind die Studenten in Wirklichkeit das Herzblut der Universität.
Am Fachbereich Physik haben wir das Glück, dass die Vertreter der Studentenschaft sehr
vernünftige junge Leute sind, die engagiert und konstruktiv mitarbeiten. Sie werden von
einer außerplanmäßigen finanziellen Unterstützung sicher guten Gebrauch machen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Walter Greiner, Joachim Reinhardt, Horst Stöcker
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Laudatio
zur Verleihung einer
Honorarprofessur
an Herrn Dr. Uwe Krüger
durch den Dekan des Fachbereichs Physik der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Prof. Dr. Michael Huth
Lieber Herr Krüger, Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich habe nun das besondere Vergnügen Herrn Dr. Uwe Krüger eine Urkunde zu überreichen, womit das Verfahren seiner Ernennung zum Honoraprofessor der GoetheUniversität seinen krönenden Abschluss findet.
Uwe Krüger, in Frankfurt geboren, begann 1983 in Frankfurt sein Physikstudium,
das er in der Gruppe von Prof. Martienssen mit einer Arbeit zu Josephson-Kontakten
zur Untersuchung nicht-linearer Systeme im Jahr 1989 mit Auszeichung im Rahmen seiner Diplomarbeit abschloss. Es folgte eine Promotion in der gleichen Arbeitsgruppe, die
er u.a. mit mehrwöchigen Forschungsaufenthalten am Pupin Laboratory der Columbia
University, an der Ecole Normale Superieur, sowie an den Lucent (Bell) Labs verbinden
konnte.
Schon während des Studiums war eine spätere Management-Karriere in der Industrie
das erklärte Ziel von Uwe Krüger. Er verfolgte dies konsequent und studierte deshalb parallel zur Physik auch Wirtschaftswissenschaften. Mit späteren, karrierebegleitenden Kursen an der Harvard Business School (2006) und der Harvard Law School (2009) konnte
er sein Wissen in diesem Bereich weiter vertiefen. Nach seiner Promotion wechselte er in
die Industrie.
Zunächst war Dr. Uwe Krüger für zwei Jahre als Projektmanager bei A. T. Kearny,
einer international agierenden Strategie-Beraterfirma im Bereich Hochtechnologie deutscher und amerikanischer Autofirmen tätig. Leitungsfunktionen verschiedener Art übernahm er nach seinem Wechsel zur HOCHTIEF AG. So war er von 1997 bis 1999 Vizepräsident von HOCHTIEF-Südwest in Frankfurt, danach Vizechef der HOCHTIEFZentrale in Essen bis Ende 2001. In dieser Zeit führte er Forschungskooperationen mit
Universitäten in Europa und den USA ein. Es folgte der Aufstieg zum Direktor von
HOCHTIEF-Polen, -Russland und -Osteuropa und dann zum Senior Vice President bei
HOCHTIEF-Nordamerika und Chairman der Turner International Corporation, einer hundertprozentigen HOCHTIEF-Tochter.
2007 wechselte Dr. Krüger als Vorstandsvorsitzender zu Oerlikon, einem Konzern,
der sich u.a. mit Vakuumanlagenbau, Dünnschichttechnik, Energie-Komplett-Losungen
auf Photovoltaik-Basis, sowie der Raumfahrt- und Halbleitertechnologie befasst. In dieser Zeit wurde seine Verbundenheit mit Frankfurt besonders deutlich, was an der Einrichtung einer Oerlikon-Stiftungsprofessur zum Themengebiet der THz-Photonik unmittelbar
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sichtbar wird. Inhaber der Professur ist Viktor Krozer, der leider aktuell im Krankenhaus
liegt, und dem ich von dieser Stelle baldige Genesung wünschen möchte.
Dr. Krüger schied 2009 bei Oerlikon aus. Es folgte die Mitarbeit bei der Texas Pacific
Group und weitere Positionen von denen seine Beratertätigkeit für die Schweizer Regierung als Präsident von Cleantech Switzerland zu Fragen der Umwelttechnologie genannt
sein soll.
Seit über einem Jahr ist Dr. Krüger nun Vorstandsvorsitzer von Atkins, einer der weltweit führenden Beraterfirmen im Bereich Ingenieurwesen und Design mit Fokus auf technologischen Großprojekten, betreut von über 17.000 Mitarbeitern.
Trotz seiner immensen Verpflichtungen hat Dr. Uwe Krüger seinem Fachbereich die
Treue und stets den Kontakt aufrecht erhalten. In regelmäßigen Kolloquiumsvorträgen
hatten bislang insbesondere angehende Absolventen unseres Fachbereichs Gelegenheit,
von seinen Berufserfahrungen zu lernen. Wir alle konnten stets profitieren von einem vertieften Einblick in wichtige Fragen, wie die aktuelle und zukünftige Entwicklung der Solartechnologie vom Standpunkt der ökologischen und wirtschaftlichen Vernunft. Es freut
mich besonders, dass Herr Krüger im Sommersemester 2013 beabsichtigt, eine Vorlesung
mit dem Thema ”Erneuerbare Energien” anzubieten.
Damit endet meine kurze Vorstellung und ich möchte nun Herrn Krüger bitten, die
Urkunde entgegen zu nehmen.
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Michael Huth, Uwe Krüger
Ehepaar Krüger
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Festvortrag
von Herrn
Dr. Roland Kaehlbrandt
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main
Wissenschaftssprachen und Allgemeinsprache – ein angespanntes Verhältnis?
Wie ist das Verhältnis zwischen den Fachsprachen der exakten Wissenschaften und
unserer Allgemeinsprache, die wir im Alltag sprechen?
Meine Damen und Herren, die meisten von Ihnen haben exakte Wissenschaften erlernt
und studiert. Sie haben sich dabei eine Fachsprache angeeignet. Den Kern Ihrer Fachsprache machen Fachbegriffe und mathematische Formeln aus. Dabei geht es Ihnen darum,
das Gebiet der Physik so eindeutig zu beschreiben, dass Sie wissenschaftlich diskutieren können. Ihre Fachsprache muss also logisch aufgebaut sein. Der eine Begriff muss
sich aus dem anderen entwickeln. Außerdem muss Ihre Wissenschaftssprache kontextfrei
funktionieren, und zwar in Frankfurt so wie in Offenbach. Das heißt, es kann nicht sein,
dass die Formel E = mc2 heute Nachmittag im Kontext einer Feierstunde in der prachtvollen Villa Bonn anders aufgefasst wird als an einem Montagmorgen in einem nüchternen
Hörsaal auf dem Campus Riedberg.
Ihre Fachsprache bündelt das Wissen, das Sie gegenwärtig zum Gegenstand Ihrer Wissenschaft überhaupt haben können. Dazu war eine lange Ausbildung erforderlich (und ich
vermute, dass in Ihrem Fach das Motto vom “lebenslangen Lernen” durchaus noch strenger, noch deutlicher formuliert werden muss, nämlich als “lebenslänglich lernen”). Sie
haben Ihre Fachsprache Schritt für Schritt gelernt. Ich kann ja nicht mit der Einstein’schen
Formel in die Physik einsteigen, sondern ich muss mich wahrscheinlich erst einmal durch
die Newton’sche Mechanik arbeiten (und man weiß aus der Schule, dass schon allein dieses Kapitel viele Schüler an den Rand der Verzweiflung gebracht hat). Ihre Fachsprache
ist also Ausdruck von Fachwissen. Das macht Sie zu Experten, die ihre eigene Sprache beherrschen, und die Sinn und Zweck dieser Sprache deshalb auch verteidigen werden. Das
müssen Sie z.B. dann, wenn Sie wieder einmal wegen “Fachchinesisch” angegangen werden; dann z.B., wenn man Ihnen vorhält, dass Sie sich “nicht normal ausdrücken” können;
oder dann, wenn Ihnen vorgeworfen wird, dass das, was Sie erforschen, ja “sowieso kein
Normalsterblicher verstehen” könne. Der Vorwurf lautet also, Ihre Fachsprache sei unzugänglich.
Die erste Frage, die ich behandeln möchte, ist: Müssen Sie sich eigentlich immer als
Wissenschaftler rechtfertigen? Müssen es nicht vielmehr diejenigen tun, die die Allgemeinsprache sprechen? Drehen wir die Sache doch einmal um und betrachten wir die
Unzulänglichkeiten der Allgemeinsprache und die Zumutungen, die sie für naturwissenschaftlich gebildete Menschen bereithält:
Was denken Sie als Wissenschaftler, wenn Sie Alltagsgespräche mit Laien hören? Je40
mand sitzt im Bistro am Nebentisch und sagt zu seiner Freundin: ”Also dass ich den Job
nicht gekriegt habe, das ist nun wirklich strukturell bedingt.” Strukturell? Nun, für Sie
als Naturwissenschaftler ist der Begriff der “Struktur” klar umrissen. Er beschreibt die
räumliche Anordnung von Atomen und Molekülen, so wie man sie aus der Röntgenstrukturanalyse erhält. Dazu braucht man Kenntnisse aus der höheren Mathematik – um aus
den Beugungsbildern die Strukturdaten zu erhalten. Unser Tischnachbar verwendet den
Begriff aber ganz anders. Er versteht darunter einen Zustand, in dem die Dinge irgendwie
zusammenhängen. Wie genau, darüber will er sich jetzt gerade nicht den Kopf zerbrechen, und er will auch schon gar nicht gefragt werden, denn eigentlich will er vor allem
zweierlei: Eindruck schinden und sich als unschuldig erklären. Wie wirkt diese Zweckentfremdung des Begriffs der “Struktur” auf Sie als Naturwissenschaftler? Wahrscheinlich
nicht gerade seriös.
Ein anderes Beispiel für mangelnde Seriosität der Allgemeinsprache: Die volkstümliche Zusammenfassung der speziellen Relativitätstheorie. Man hört sie oft im Alltag. Sie
schlendern an einem Samstag auf der eleganten Goethestraße. Vor Ihnen ein Paar. Das
Paar ist sich offenbar nicht einig, ob ein gerade gekauftes Kleid nicht doch zu teuer war.
Der Mann findet den Preis deutlich zu hoch. Die Frau sagt daraufhin: “Was heißt hier zu
teuer? Alles ist relativ!” Natürlich können wir uns freuen, wie populär die Relativitätstheorie ist. Aber die Physiker unter Ihnen werden vielleicht doch in solchen Situationen
melancholisch, wenn sie daran denken, wie viel Arbeit und Genius in jenem acht Seiten
langen Aufsatz mit dem Titel ”Zur Elektrodynamik bewegter Körper” stecken, den im
Jahre 1905 ein “damals noch unbekannter Beamter am Schweizer Patentamt in Bern”1
veröffentlichte, womit das “Goldene Zeitalter der deutschen Physik”2 begann.
Dann werden Sie als Wissenschaftler denken, wie ungenau doch die Allgemeinsprache im Vergleich zur Fachsprache der Physik ist.
Und Sie haben Recht! Die Allgemeinsprache ist im Gegensatz zu Ihrem wissenschaftlichen Fachgebiet und zu Ihrer Wissenschaftssprache oft ungenau.
Noch ein paar Beispiele für Ungenauigkeiten: Wenn Sie den Satz hören “Der Absatz
ist nicht hoch genug”, dann ist das mehrdeutig. Wenn ein Betriebsleiter mit den Ergebnissen seines Vertriebschefs unzufrieden ist, bedeutet der Satz etwas anderes, als wenn zwei
Damen vor einem Schuhgeschäft stehen. Die Sprache allein ist hier nicht präzise, sondern
wir Sprecher müssen zusätzliche Bedingungen erfüllen, um die Sprache so anzuwenden,
dass daraus eine sinnvolle Kommunikation wird. Wir müssen also die Bedeutung eines
Wortes in der konkreten Situation angemessen gebrauchen. Die Bedeutung des Wortes ist
ihr Gebrauch.
Das wird auch deutlich, wenn ein 17-jähriger mit seinem Vater im Wohnzimmer sitzt
und das Fenster offen steht. Der Sohn öffnet das Fenster. Es kommt ein kühler Wind auf.
Der Vater sagt: “Es zieht.” Das ist eigentlich nur ein Aussagesatz. Aber wenn der Sohn
antwortet: “Stimmt!”, ist die Kommunikationsabsicht des Vaters wohl nicht erfüllt, und
1 Hermann,
Armin (2000), 211
2 Ebenda.
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Roland Kaehlbrandt
seine Reaktion wird davon abhängen, ob er meint, der Sohn habe seine Absicht nicht erkannt oder er habe sie erkannt, aber ignoriert. Gemeint ist mit der Aussage wohl das: “Du
hast das Fenster aufgemacht. Nun zieht es. Also mach es wieder zu.” Und geglückt ist
die Kommunikation aus Sicht des Vaters, wenn der Aussagesatz als Aufforderung verstanden wird und der Sohn aufsteht und das Fenster schließt. Ein wahrlich komplizierter
Vorgang – den wir aber durch unseren Umgang mit der Allgemeinsprache spielend verstehen, eben weil wir zusätzlich zu den Worten soziale Verwendungsregeln lernen. Das
ist aber aus der Sicht einer Wissenschaftssprache, die die Begriffe eindeutig fassen muss,
nicht zu akzeptieren.
Noch ein Beispiel für Mehrdeutigkeit, das auch die Juristen unter Ihnen interessieren
wird. Die Bedeutungen unserer Allgemeinsprache sind oft nicht mehr als Andeutungen.
Der Sprachwissenschaftler Roland Posner (1976) hat einen schönen Fall beschrieben, der
das noch deutlicher macht:
“Ein Schiffsmaat versteht sich nicht mit seinem Kapitän. Der Kapitän ist Antialkoholiker, während der Maat häufig betrunken ist. Der Kapitän möchte ihm deshalb gern
eine Ordnungsstrafe verpassen lassen, wenn das Schiff wieder in den Hafen kommt. Eines Tages, als der Kapitän Wache hat und der Maat wieder zu grölen anfängt, wird es dem
Kapitän zu viel, und er schreibt in das Logbuch: (a) Heute, 23. März, der Maat ist betrunken. Als der Maat einige Tage später selbst Wache hat, sieht er diesen Logbucheintrag und
überlegt, wie er dagegen angehen kann, ohne sich weiter zu kompromittieren. Schließlich
macht auch er einen Eintrag ins Logbuch, der lautet: (b) Heute, 26. März, der Kapitän ist
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nicht betrunken.”3
Das hat der Maat clever gemacht! Denn seine Aussage ist ja wahr. Er hat nichts
Falsches gesagt. Darauf kann er sich vor dem Seegericht berufen. Andererseits sagt uns
der “gesunde Menschenverstand” etwas anders: Die Aussage des Maats hat nur dann Sinn,
wenn sie von Bedeutung ist. Wenn aber jemand ständig nüchtern ist, ist das Feststellen
dieser Nüchternheit nicht von Bedeutung. Also ist er wohl häufig betrunken. Das hat der
Maat allerdings nicht wörtlich gesagt.
Was können wir aus dieser Seefahrtsgeschichte schließen? Wir können in der Allgemeinsprache sogar mit einem Aussagesatz indirekt dessen glattes Gegenteil behaupten!
Sie können sich vorstellen, dass es das Seegericht nicht leicht hatte, zu einem Urteil zu
kommen.
Wenn wir unseren Wortschatz betrachten, dann stellen wir fest, dass er gar nicht immer
logisch geordnet ist. Denken Sie einmal an den “Hund”. Ist der Hund ein “Hund” oder eine
“Hündin”? Der “Hund” hat zwei Bedeutungen. Das kann zu Missverständnissen führen.4
Ein Extrembeispiel für Mehrdeutigkeit ist der “Schwager”5 : der Bruder der Frau oder
der Mann der Schwester. Nach der neuen Rechtsprechung kann es auch der Bruder des
Mannes sein oder der Mann des Bruders. Gleiches gilt für die “Schwägerin”. Jeweils vier
Bedeutungen. Es ist erstaunlich, wie sehr wir manchmal darauf vertrauen, dass wir uns
schon verstehen werden – und dass es auch noch so oft klappt.
Kurios sind auch lexikalische Lücken: Kennen Sie ein Gegenstück zu “satt” im Bereich des Durstes? (Die Erfindung “sitt” hat sich nicht durchgesetzt).
Das alles ist in den Wissenschaftssprachen wohl kaum akzeptabel, eben weil sie logisch, widerspruchsfrei, eindeutig und kontextfrei sein müssen.
Vielleicht sind Sie nun als Wissenschaftler zu dem Schluss gekommen, dass die Allgemeinsprache ein kurioses Sammelsurium von Unzulänglichkeiten ist, das wir im Alltag
nur durch allerlei Anstrengungen funktionsfähig halten. Und nicht umsonst haben viele
Menschen gerade zur Zeit der großen physikalischen Entdeckungen am Sinn der Allgemeinsprache gezweifelt. (Wittgensteins Aussage “Die Grenzen meiner Sprache sind die
Grenzen meiner Welt” war durchaus pessimistisch gemeint.)
Die zweite Frage, die ich stellen will, lautet: Ist die Allgemeinsprache wirklich so
unzulänglich?
Nun, erstens habe ich Ihnen natürlich ausgesuchte Beispiele präsentiert, die in dieser
Dichte ja nicht ständig vorkommen. Und zweitens bedenken Sie: Die Allgemeinsprache
ist für sehr viel mehr da als die Wissenschaftssprache. Sie muss dazu geeignet sein, dass
wir mit ihr auf die verschiedensten Bedürfnisse eingehen können und dass wir uns in
unzähligen Situationen verständlich machen können.
Der französische Denker Condillac träumte im 18. Jahrhundert von einer Allgemein3 Posner,
Roland (1979), 357
Beispiele stammen von Lyons (1980) 312.
5 Ebenda.
4 Die
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sprache nach dem Vorbild der Sprache der Chemie. Es sollte eine Sprache sein, in der man
nicht lügen konnte, weil sie widerspruchsfrei war. Aber, meine Damen und Herren, wozu
taugt in unserem alltäglichen Leben eine Sprache, in der wir nicht lügen können, oder
in der wir keine falschen Anschuldigungen vorbringen können, so wie der Maat es getan
hat? Was sollen wir mit einer Sprache anfangen, in der wir nicht mit Mehrdeutigkeit spielen können? In der wir nicht ironisch sein können, weil wir nur eindeutige Bedeutungen
haben? In der wir uns nicht von anderen absetzen können, indem wir Stilbrüche begehen,
indem wir Unsinn und Provokationen von uns geben? In der wir nicht mit dem Klang der
Sprache spielen können, so wie wir es in der Dichtung oder auch in der Lautmalerei tun?
Nein, die Allgemeinsprache muss dies alles erlauben, eben weil sie vor allem ein soziales
Medium ist. Und sozial, also in gesellschaftlichen Lagen, wird sie ja auch gebraucht. Das
lernen wir zusammen mit den Wörtern.
Meine dritte und letzte letzte Frage lautet: Ist die Wissenschaftssprache wirklich in
allem so verschieden von der Allgemeinsprache? Ist sie wirklich so rein sachbezogen,
so objektiv, so nüchtern? Haben wir es wirklich mit einem glatten Gegensatz, ja sogar
mit einem angespannten Verhältnis zwischen der Allgemeinsprache und der Sprache der
Wissenschaft zu tun? Die Dinge liegen vielleicht doch etwas anders, als sie auf den ersten
Blick aussehen.
Denn zu Ihrer Fachsprache gehören ja nicht nur Fachbegriffe und mathematische Formeln – sondern auch die Art, wie Sie in Ihrer Fachwelt insgesamt über Ihr Fach und Ihre
Arbeit sprechen. Carl Friedrich von Weizsäcker hat in einem Aufsatz über “Die Sprache
der Physik” darauf hingewiesen, dass gerade die Exaktheit der Fachbegriffe dazu führt,
dass Physiker miteinander durchaus salopp reden, dass sie “in einem oft ein wenig lässigen Jargon” vortragen. Er schreibt: “In einem Gebiet, in dem nicht jede Nuance wegen
leicht möglicher Missverständnisse nötig ist, haben es die Physiker gar nicht nötig, ganz
genau das zu sagen, was sie wollen. Sie können es vielmehr ziemlich schlampig ausdrücken, da ja doch jeder, der sie überhaupt versteht, den schlampigen Ausdruck an Hand
des gemeinsamen Verständnisses der Sache zurechtstellen kann. Gerade das also, was ich
(. . .) die “Exaktheit des Gegenstandes” nenne, gestattet die Unexaktheit der Sprache.”6
(wobei von Weizsäcker übrigens darauf hinweist, dass die Mathematiker fänden, die Physik sei gar nicht exakt).
Der Sprachgebrauch scheint also in Ihrem Fach durchaus auch Elemente der Allgemeinsprache zu haben, ja sogar solche, die selbst im allgemeinen Sprachgebrauch kritisiert würden (“schlampig”).
Aber das ist nicht die einzige Form der Nähe, die die Fachsprache der Physik zur Allgemeinsprache unterhält. Hans Magnus Enzensberger hat in einem Aufsatz über die “Poesie der Wissenschaft” die geradezu literarischen Anleihen der Physik bei der Allgemeinsprache beschrieben. Ich zitiere einige seiner Beispiele, die Ihnen gewiss bekannt sind:
Schwarze Löcher, Dunkelwolken, Rote Wiesen, Weiße Zwerge, Kugelhaufen, Spiralnebel, Wurmlöcher, Weißes Rauschen, aufgewickelte Dimensionen, Quantentunnel, Quan6 Von
Weizsäcker, Carl Friedrich, in: Rehrmann, Norbert (2011) 146.
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tenschaum. Oder aus der Mathematik: Wurzeln, Fasern, Keime, Büschel, Garben, Hüllen,
Knoten, Schlingen, Schleifen, Fahnen, Flaggen, Ringe, Einsiedler, Monster, Irrfahrten,
Fluchtgeraden, Zopfgruppen,. . .7
Aus der Chemie berichtet Raold Hoffmann, dass auch den Naturwissenschaftlern
nichts Menschliches fremd ist. Er schreibt, dass auch “ein ausgewogen und wohlformulierter Artikel starke Emotionen, rhetorische Manöver und Machtansprüche verdecken”
kann8 . Er beschreibt, wie experimentelle Chemiker in ihren Artikeln ausgedehnte quasitheoretische Diskussionsteile aufnehmen, “um die Kollegen (die theoretischen Chemiker,
RK) zu beeindrucken”. Umgekehrt gehen theoretische Chemiker vor, die sich auch zu
experimentellen Arbeiten äußern, mit folgendem Hintergedanken: “Wenn ich experimentellen Chemikern zeige, dass ich über ihre Arbeiten Bescheid weiß, so nehmen sie sich
vielleicht etwas Zeit für meine wilden Spekulationen.”9
Hoffmann bewertet das alles aber gar nicht negativ. Im Gegenteil: Er meint, dass die
Naturwissenschaftler ein bisschen zu viel getan haben in der “Entfernung von Emotionen, Motivationen und dem gelegentlich Irrationalen”. Er plädiere für eine allgemeine
“Humanisierung des Veröffentlichungsprozesses”. “Der menschliche Ton”, so fährt Hoffmann fort, “wird nicht ablenken; er kann uns sogar dazu bringen, die Hauptsache des
Gesagten sorgfältiger zu lesen.”10
Es gibt also Brücken zwischen den Fachsprachen der exakten Wissenschaften und
der Allgemeinsprache. Sie liegen in der Art der wissenschaftlichen Kommunikation. Es
ist wahrscheinlich kein Wunder, dass gerade große Physiker immer wieder auch große
Erzähler sind (so wie es in anderen Fächern auch ist). Prof. Greiner und Prof. Stöcker
gehören zu den Menschen, die Physik hervorragend vermitteln, auch an Laien. Und es
ist beruhigend, dass selbst bis in die wissenschaftliche Nomenklatur hinein die Gemeinsprache wirkt und eben die Dinge plastisch macht. Und das ist gut so! Denn müssen wir
nicht auch in den Wissenschaften den normal Sterblichen erreichen? Müssen wir nicht
Schüler frühzeitig für Physik begeistern? Müssen wir nicht ihre Eltern erreichen? Wenn
wir die Kluft zwischen wissenschaftlicher Spezialisierung und der großen Mehrheit der
Laien nicht zu groß werden lassen wollen, dann müssen wir einiges von der Allgemeinsprache auch in den Wissenschaften verwenden. Dazu gehört übrigens auch, dass nicht
die Sprache vollends vergessen wird, die in unserem Lande gesprochen wird und in der
bahnbrechende Arbeiten der Physik veröffentlicht worden sind (was sich auch heute noch
niederschlägt in zentralen Begriffen der Physik, z.B. in der Quantenmechanik in den Begriffen “Eigenwert” bzw. “eigenvalue” oder “eigenvector”).
Schließlich hat mich als jemanden, der vor allem die Allgemeinsprache einigermaßen
zu beherrschen glaubt, noch eines sehr beruhigt, nachdem ich anfangs eher mit Unruhe an
mein Thema herangegangen bin, weil ich die Allgemeinsprache so stark im Hintertreffen
7 Enzensberger,
Hans Magnus, in: Rehrmann, Norbert (2011), 161 f.
Raold, in: Rehrmann, Norbert (2011), 184.
9 Ebenda, S. 185.
10 Ebenda, S. 185.
8 Hoffmann,
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sah:
Man hört gelegentlich, die Allgemeinsprache bilde die äußere Welt nur unzulänglich
ab, und das vor allem unter dem Einfluss dessen, was den Sprecher gerade interessiert.
Nicht die äußere Wirklichkeit also sei in der Sprache immer vorrangig, nicht die Sprache
hülfe uns, die äußere Wirklichkeit uns zu erschließen; sondern unsere eigene Bedürfnislage präge die Sprache, die davon ausgehend, nun wiederum uns weiter präge. So hätten
die Eskimos z.B. etliche Ausdrücke für “Schnee”, wir Mitteleuropäer aber nur ein oder
zwei. Oder wie Hans Hörmann es ausdrückt: “Wir unterscheiden (nur, RK) dort, wo es für
uns wichtig ist.”11 Mit anderen Worten: Wir kategorisieren die äußere Welt nach unserem
Nutzen. Wir beschreiben sie nicht, sondern indem wir sie beschreiben, verändern wir sie
schon. Unsere Beschreibung verändert sie.
Dieses Dilemma ist aber gar nicht nur eines der Allgemeinsprache! Die berühmte
Erzählung von “Schrödingers Katze” aus dem Fach der Physik hat mir gezeigt, dass auch
in Ihrem Fach das Messen, also das Beschreiben, offenbar selbst ein Vorgang ist, der den
zu messenden Sachverhalt beeinflusst, denn Schrödingers Katze kann ja beim Messen mit
50 %er Wahrscheinlichkeit umkommen.12 Dem entspricht auch Einsteins bahnbrechende
Erkenntnis, dass Raum und Zeit vom Standpunkt des Betrachters abhängen.
Und so sind sie dann doch nicht ganz so verschieden, wie anfangs gedacht: Die Fachsprachen der exakten Wissenschaften und die Allgemeinsprache – oder auch Physik und
Deutsch.
Literatur
1. Blumenthal, Peter (1983): Semantische Dichte. Assoziativität in Poesie und Werbesprache. (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft Bd. 30, Hrsg. Klaus
Baumgärtner). Tübingen.
2. Brockman, John (1996): Die dritte Kultur. Das Weltbild der modernen Naturwissenschaft. München.
3. Fischer, Ernst Peter (2006): Schrödingers Katze auf dem Mandelbrotbaum.
München.
4. Herrmann, Armin (2000): Das goldene Zeitalter der Physik. In: Debus, Friedrich et
alii (Hrsg.): Deutsch als Wissenschaftssprache im 20. Jahrhundert. Akademie der
Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der Geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse. Jahrgang 2000, Nr. 10, S. 209-229.
5. Hörmann, Hans (1967): Psychologie der Sprache. Berlin, Heidelberg, New York.
11 Hörmann,
12 Fischer
Hans (1967), 329.
(2006).
46
6. Kaehlbrandt, Roland (1994): Expressive und appellative Mittel in wissenschaftlichen Texten. Ein diachronischer Vergleich. In: Zeitschrift für französischen Sprache und Literatur. Band CIV, Heft1, 1994, S. 1 - 10. Lyons, John (1980): Semantik,
Band 1. München.
7. Noble, Cecil A. M. (1978): Sprachskepsis - über Dichtung der Moderne. München.
8. Posner, Roland (1979): Bedeutung und Gebrauch der Satzverknüpfer in den natürlichen Sprachen. In: G. Grewendorf (Hrsg.), Sprechakttheorie und Semantik. Frankfurt a.M., S. 345-384.
9. Rehmann, Norbert, Hrsg. (2011): Schlechter Stil. Sprachkritik aus fünf Jahrhunderten.
10. Voss, Julia, Stolleis, Michael, Hrsg. (2012): Fachsprachen und Normalsprache. (Valerio, die Heftreihe der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 14/2012).
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Thomas Rössel (Viola), Elena Graf (Violine), Johann Bohorquez (Violoncello)
Auf dem Weg zum Buffet
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Klaus Ring, Wolfgang Grünbein, Horst Klein
Ruth Wagner, Horst Stöcker
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Wolfgang Schwarz, Rolf Sandvoss, Walter Greiner
Gernot Frank, Ehepaar Sättele
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Peter Eschenbrenner, Herbert Ströbele, Dietmar Mülhens
Ehepaar Bock, Ehepaar Schempp
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Frankfurter Allgemeine Zeitung 2.7.2012
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