Sozialbericht 2013
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Sozialbericht 2013
2005 2007 2009 2011 Sozialbericht 2013 2015 2017 2019 2020 Jörg Matter Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen Mit dem Sozialbericht blicken wir zurück auf die letzten zwei Jahre. Wir ziehen Bilanz über unsere Tätigkeit, über die Herausforderungen und Entwicklungen. Diese zwei Jahre waren geprägt von einem äusserst schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, von Schwarzmalerei und Krise. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Sozialpartnerschaft aufwändiger geworden ist, dass frühere Errungenschaften in Frage gestellt werden und Verbesserungen bei den Arbeits- und Lebensbedingungen nur schwer zu erreichen sind. Unter diesem Blickwinkel ist es beachtlich, was wir in diesem Sozialbericht als Leistungsausweis präsentieren. Das verdanken wir euch allen, die aktiv und engagiert im SEV mitkämpfen. Machen wir weiter so! Giorgio Tuti, Präsident Index Index SBB Toco 3 Pensionskassen4 Löhne5 GAV-Inventar6 Sozial- und Verkehrspolitik 7 Schwerpunkte12 Aktivitäten16 SEV in Bewegung 19 SEV Personen 21 Mitglieder und Werbung 22 Finanzen23 Kongress 2011: Positionspapiere 24 Impressum Herausgeber SEV – Gewerkschaft des Verkehrspersonals Steinerstrasse 35 3006 Bern Redaktion Peter Moor, Leiter Kommunikation SEV Gestaltung Jörg Matter, SEV Druck Mittelland Zeitungsdruck AG, SOLPRINT, Subingen; www.solprint.ch Textabdrucke mit Quellenangabe und gegen Belegexemplar erwünscht Copyright SEV – Gewerkschaft des Verkehrspersonals Bern, Mai 2013 Foto Titelseite Jörg Matter, SEV 2 Am 1. Juli 2011 ist der vierte GAV SBB in Kraft getreten. Neu daran war fast ausschliesslich das Lohnsystem, aber dieses hat es in sich. Es beschäftigt den SEV nach wie vor. 3 Im Zug von Toco führte die SBB zudem ein neues System der Personalbeurteilung ein, das systematisiert von der Zielsetzung über ein Zwischengespräch zur lohnwirksamen Beurteilung führt. Grundsätzlich hat der SEV dieses System begrüsst, da es die Personalbeurteilung doch deutlich objektiver gestaltet als zuvor, wo häufig der Willkür Tür und Tor geöffnet war. Dennoch gab es einen heiklen Punkt: Allzu häufig wurden den Leuten ohne Führungsaufgaben «Total compensation», abgekürzt Toco, ist der Name des neuen SBB-Lohnsystems, das den Wechsel von 29 Funktionsstufen auf 15 Anforderungsniveaus mit sich brachte. Bereits beim Vertragsabschluss Ende 2010 war klar, dass die Umstellung zu einer grossen Zahl von Garantiefällen führte, also von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, deren Lohn höher liegt, als nach dem neuen System berechnet wurde. In der Umsetzung kamen dann aber weitere massive Probleme zum Vorschein. So stellte sich schnell heraus, dass entgegen dem Versprechen der SBB-Personalabteilung für viele Funktionen keine Stellenbeschreibung vorlag. Da diese aber eines der zentralen Elemente der Zuordnung ist, musste der SEV seinen Mitgliedern empfehlen, den neuen Vertrag Bei diversen Gelegenheiten machte der SEV klar, dass die Bahn nicht nur aus zurückzuweisen. Um- Mangern besteht stritten waren aber auch bei vielen Funktionen die Bewertungen, die vor al- Teamziele gesetzt, deren Erreichung vom Einzelnen lem zu einer Abwertung der handwerklichen Berufe nicht individuell beeinflusst werden konnte. Der SEV führte. hat sich wiederholt dezidiert gegen solche KollektivSchliesslich waren es über 3000 Mitarbeiterin- ziele geäussert. Erst mit der Personalbeurteilungsnen und Mitarbeiter der SBB, die im ersten Anlauf runde 2013 wird es sich herausstellen, ob die Anwenden Vertrag zurückwiesen. SBB und SEV einigten dung des Beurteilungssystems korrekt verläuft. sich auf ein zeitlich abgestuftes Vorgehen, um die Ungelöst ist bisher ein weiterer Sonderfall des Verfügungen zu verarbeiten. Einerseits ging es um GAV 2011 geblieben, nämlich die Anwendung der spegrössere Berufsgruppen, die sich vom SEV pauschal ziellen Lohnkurve der Lokführerinnen und Lokführer vertreten liessen, um ihre Einstufung zu überprüfen, auf weitere Kategorien. In der Abschlusshektik des andererseits häuften sich aber auch Einzelfälle, die GAV war spätnachts vereinbart worden zu überprüindividuell zu beurteilen waren. fen, welche Triebfahrzeugführenden ausser den StreNachdem die SBB Stellenbeschriebe und Ein- ckenlokführer/innen von Personenverkehr und Cargo stufungen überarbeitet und den Betroffenen über- ebenfalls in die Lokführerkurve aufgenommen wergeben hatte, konnte der SEV in vielen Fällen fest- den. In der Folge stellte die SBB einseitig fest, dass stellen, dass das Vorgehen und das Resultat korrekt keine weiteren Berufsgruppen die Anforderungen waren, worauf er seinen Mitgliedern empfahl, den erfüllten, was der SEV so nicht akzeptieren konnVertrag zu akzeptieren. te. Wäre dies die Idee beim GAV-Abschluss geweEs gelang dem SEV aber auch, für mehrere sen, hätte es diesen Beschluss gar nicht gebraucht. Berufsgruppen nachzuweisen, dass die SBB die Kri- Nachdem der SEV Ende 2012 angedroht hatte, das terien nicht korrekt angewandt hatte, was teilweise Schiedsgericht zur Klärung dieser Frage anzurufen, zu höheren Zuordnungen führte. Noch hat die SBB willigte die SBB doch noch ein, eine Arbeitsgruppe nicht alle Verfügungen erlassen, noch ist das Kapi- mit einer erneuten Prüfung dieser Frage zu betrauen. tel Toco nicht abgeschlossen. Es hat sowohl die Gewerkschaftssekretäre und -sekretärinnen als auch den SEV-Rechtsdienst bis an die Grenze des Zumutbaren belastet. Leider konnte der SEV nicht alle Anliegen der Mitglieder durchsetzen, weshalb nach wie vor eine gewisse Unzufriedenheit beim SBB-Personal spürbar ist. Longo Hofer SBB: Toco Vier Buchstaben, die Sorgen bereiten Sie begründete dies damit, dass eine weitere Senkung des technischen Zinses in den kommenden Jahren nicht auszuschliessen sei. Nach Jahren der Auseinandersetzung kam es im Frühling 2011 zum politischen Abschluss: Nach dem Ständerat stimmte auch der Nationalrat einem Bundesbeitrag von 1,148 Milliarden Franken an die Pensionskasse SBB zu. Der SEV hatte mit anhaltendem Ascoop liquidiert Zu einem Ende kam die Geschichte der Ascoop, bei der ein grosser Teil der KTU versichert waren. Nach der Gründung der Nachfolgeorganisation Symova schloss sich ihr ein beträchtlicher Teil der Ascoop- Lobbying zu diesem Entscheid massgeblich beigetragen – und dennoch war er nicht ganz zufrieden: Für eine nachhaltige Sanierung, die dem Vergleich mit andern Pensionskassen von bundesnahen Organisationen standgehalten hätte, wären gut 3 Milliarden Franken nötig gewesen. Als das Geld des Bundes endlich eintraf, zeigte sich, dass die Pensionskasse weiterhin in Unterdeckung ist. Die Situation auf den Finanzmärkten und die anhaltend tiefen Zinsen in der Schweiz führten dazu, dass weitere Sanierungsschritte nötig waren. Per Oktober 2012 senkte die Pensionskasse den technischen Zins von 3,5 auf 3 Prozent und den Umwandlungssatz von 6,5 auf 5,8 Prozent, auch um der steigenden Lebenserwartung Rechnung zu tragen. Diese Massnahmen hätten erneut zu einem massiven Leistungsabbau geführt, wenn nicht begleitende Korrekturen möglich gewesen wären. Im Rahmen der Lohnverhandlungen Ende 2011 vereinbarte die SBB mit den Sozialpartnern, ab Oktober 2012 ihre Sparbeiträge für die Versicherten um 2 Prozent zu erhöhen. Gleichzeitig löste die Pensionskasse eine Rückstellung auf, womit sie sämtliche Sparguthaben um 8,5 Prozent erhöhen konnte. Damit wurden Leistungsverschlechterungen praktisch verhindert. Ende 2012 lag die Pensionskasse SBB immer noch leicht unter einem Deckungsgrad von 100 Prozent, da sie eine weitere Rückstellung getätigt hatte. Der lange Kampf um die Pensionskassengelder hatte 2011 endlich ein Ende. Leider musste das Personal einige Abstriche machen. Alexander Egger Die Pensionskasse SBB bleibt ein Problemfall: Trotz Nachzahlung des Bundes müssen Personal und SBB weiterhin Sanierungsbeiträge einzahlen. Pensionskassen Geld vom Bund löst nicht alle Sorgen Kunden an; viele gingen aber andere Wege. Symova verpflichtet ihre angeschlossenen Unternehmen zu einem Sanierungspfad, wobei die Deckungsgrade von Firma zu Firma sehr verschieden sind. So hat beispielsweise die BLS regelmässig Geld beigesteuert, um den Deckungsgrad schneller zu verbessern. Aber auch Symova senkte den Umwandlungssatz, verzichtete aber vorerst auf eine Reduktion des technischen Zinses. Die RhB, die eine eigene, solide Pensionskasse hat, beschloss ebenfalls eine Senkung des Umwandlungssatzes. Der SEV stimmte einer Erhöhung der Lohnabzüge zu, da das Unternehmen seinerseits ebenfalls deutlich höhere Beiträge leistet, zudem erreichte er eine zusätzliche Einlage von 14 Millionen Franken, womit ein Leistungsabbau verhindert werden konnte. 4 Löhne Löhne SBB: Garantiefälle reduzieren In den Jahren 2011 und 2012 verzeichnete die Schweiz einen Rückgang der Lebenshaltungskosten. Die Ausgangslage war damit schlecht, um Lohnerhöhungen durchzusetzen. Trotz der schwierigen Ausgangslage gelang es dem SEV, für 2012 eine Reallohnerhöhung um 0,5 Prozent zu erreichen. Diese war mehr als gerechtfertigt, hatte die SBB doch in den zwei Jahren zuvor mit Blick auf die Überarbeitung des Lohnsystems nur noch Einmalzahlungen gewährt. Der Jahresabschluss 2010 der SBB fiel jedoch dermassen gut aus, dass sich das Unternehmen der Forderung des SEV nicht widersetzen konnte, die Jahresprämie praktisch zu verdoppeln: Zu ursprünglich 550 Franken kamen nochmals 500 hinzu. Zusätzlich einigten sich SEV und SBB 2011 darauf, dass die SBB den erneuten Leistungsabbau der Pensionskasse abfedern und zudem die Lohnbänder in den Jahren 2012 und 2013 jeweils um 0,5 Prozent anheben muss. Diese Massnahme war dem SEV besonders wichtig, um die vielen Garantiefälle, die das neue System erzeugt hatte, zu verringern. Vizepräsident Manuel Avallone zeigte sich in kontakt.sev entsprechend zufrieden: «Das Resultat kann sich sehen lassen: Die Reallohnerhöhung, wenn auch be- Keystone Löhne KTU Nationalrätin und Gewerkschaf tssektretärin Edith Graf Litscher bei der Übergabe der Petition an ZVV-Direktor Franz Kagerbauer. 5 scheiden, wirkt sich bei allen aus, das Abfedern bei der Pensionskasse verhindert für die direkt betroffenen Jahrgänge eine Einbusse, und das Anheben der Lohnbänder in zwei Schritten reduziert Garantiefälle des neuen Lohnsystems. Anders gesagt: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten wieder eine Lohnperspektive.» Ein Jahr später tönte es komplett anders: Die SBB weigerte sich, auch nur symbolisch über das absolute Minimum hinauszugehen. Keine Reallohnerhöhung – das war schon im voraus vereinbart worden, angesichts der nicht vorhandenen Teuerung –, aber auch keine zusätzlichen Mittel für die systembedingten Lohnanstiege. Der SEV verweigerte diesem «Abschluss» die Unterschrift, verzichtete aber auch darauf, das Schiedsgericht anzurufen. Unbeirrt von diesen Niederungen des Lohnsystems bediente sich die SBB-Spitze weiterhin grosszügig mit Boni: Nach leichten Rückgängen in den Vorjahren überschritten die Gesamtbezüge von CEO Andreas Meyer 2012 wieder die Millionengrenze – dies trotz einer Personalzufriedenheit auf anhaltend tiefem Niveau. Der finanzielle Erfolg der SBB wurde vom Verwaltungsrat offensichtlich höher bewertet. 2011 erreichte der SEV auch bei der BLS einen Lohnabschluss, der sich sehen lassen kann: Die Lohnsumme wurde insgesamt um 1,4 Prozent erhöht. Die generelle Erhöhung betrug 0,4 Prozent, aus dem Lohnsystem ergaben sich individuelle Erhöhungen von total 0,9 Prozent, und weitere 0,1 Prozent dienten der zusätzlichen Anhebung der tiefsten Löhne, was besonders positiv ist. Mit einem Lohnstreit musste der SEV gegen die SOB sogar vor Arbeitsgericht ziehen – und erhielt recht: In den Arbeitsverträgen der Lokführer waren jährliche Lohnanstiege festgelegt. Als das Personal für 2010 auf Lohnerhöhungen verzichtete, um das Geld für die Pensionskasse einzusetzen, verweigerte das Unternehmen auch die Anstiege aus den Arbeitsverträgen. Mit Hilfe des SEV-Rechtsschutzes zogen mehrere Lokführer bis vor Arbeitsgericht und erhielten recht. Die SOB musste allen Betroffenen die Anstiege auszahlen. An mehreren Orten kündigten die Unternehmen im einen oder dem andern Jahr eine Nullrunde an, was der SEV nicht immer verhindern konnte. Besonders störend war diese Ankündigung jedoch im Gebiet des Zürcher Verkehrsverbundes, wo die Lebenskosten überdurchschnittlich ansteigen. Mit einer Petition wehrten sich die Mitglieder der vom SEV betreuten Unternehmen gegen die Nullrunde. Allerdings lag der Entscheid darüber nicht beim ZVV sondern beim Zürcher Verkehrsrat, der eine Lohnerhöhung verweigerte. • • • • • • RBS Autobus Regionalverkehr Bern–Solothurn RBS Regionalverkehr Bern–Solothurn RegionAlps AG RGsA RailGourmino swissAlps AG RhB Rhätische Bahn RTB Rheintal Bus AG und WilMobil AG Alberto Cherubini • AAGS Autobus AG Schwyz • Appenzeller Bahnen AG • AAR bus+bahn Busbetrieb Aarau, Wynen- und Suhrentalbahn • AFA Automobilverkehr Frutigen–Adelboden AG • AlpTransit Gotthard AG • asm-Bahn AG Aare seeland mobil • asm-Bus AG Aare Seeland mobil • atupri Krankenkasse GAV-Inventar 66 GAV und Rahmen-GAV SEV Vizepräsidentin Barbara Spalinger und VPT-Vizepräsidentin Danièle Dachauer beim Unterzeichnen des RahmenGAV Kanton Waadt. • Autolinee Bleniesi SA • AMSA Autolinea Mendrisiense SA • BDWM Transport AG • BLS AG • BLT Baselland Transport AG • CGN Compagnie générale de navigation sur le lac Léman • cj Chemins de fer du Jura • • • • • • SBB SBB Cargo SBB Cargo International SBB Historic Securitrans SMGN Société des Mouettes genevoises de navigation • SNL Società Navigazione del Lago di Lugano • SOB Schweizerische Südostbahn • STI Verkehrsbetriebe Steffisburg–Thun–Interlaken • Swiss • elvetino • • • • • • FART/NLM Ferrovie autolinee regionali ticinesi FLP Ferrovie Lugano-Ponte Tresa funic Seilbahnen Biel–Leubringen; Biel–Magglingen Funicolare Locarno–Madonna del Sasso FMA Force Motrices de l’Avançon SA FW Frauenfeld-Wil-Bahn • Gornergrat Bahn • LASA Lugano Airport SA • LTSW Lufthansa Technik Switzerland GmbH • LEB Compagnie de chemin de fer Lausanne–Echallens–Bercher • login Berufsbildung • MBC Transports de la région Morges / Bière / Cossonay • MGB Matterhorn Gotthard Bahn • MOB Compagnie du Chemin de fer Montreux– Oberland bernois • NStCM / TPN Chemin de fer Nyon–St-Cergue–Morez / Transports publics de la Région Nyonnaise • OC SA Chemin de fer Orbe–Chavornay SA • PK SBB Pensionskasse • • • • • • • Thurbo AG TILO AG TL Transports publics de la région lausannoise SA TPC Transports publics du Chablais SA TPF Transports publics fribourgeois TPL Transporti pubblici luganesi SA Travys SA • URh Schweizerische Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein • VMCV Transports publics Vevey–Montreux–Chillon–Villeneuve • zb Zentralbahn AG • ZVB Zugerland Verkehrsbetriebe AG Regionale GAV • Rahmen-GAV Kanton Bern (KBU) • Rahmen-GAV Kanton Neuenburg • Rahmen-GAV Regionalverkehr Normalspur • Rahmen-GAV für die Busbetriebe in den Kantonen St. Gallen (SG), Thurgau (TG), Appenzell Auserrhoden und Innerrhoden (AR/AI) • Rahmen-GAV Kanton Waadt • Rahmen-GAV GEST, Groupes des Entreprises soustraitantes des TPG 6 Für faire Löhne: Mindestlohninitiative Im Februar 2011 lancierte der SEV gemeinsam mit den anderen Gewerkschaften des SGB die Initiative «Für den Schutz fairer Löhne», die sogenannte «Mindestlohninitiative». Der SEV begann die Unterschriftensammlung in Skigebiet Lenzerheide. Ein knappes Jahr später, am 23. Januar 2012 konnte diese mit über 110 000 Unterschriften eingereicht werden. 14 000 davon hat der SEV beigetragen. Dass die Initiative bitter notwendig ist, machte Giorgio Tuti in seiner Rede anlässlich der Einreichung deutlich: «In der Schweiz gibt es rund 400 000 Arbeitnehmende, die harte und gute Arbeit leisten, aber davon nicht leben können. Solche skandalöse Löhne gibt es auch im öffentlichen Verkehr. Es gibt sie in der Bahngastronomie, bei den Bergbahnen und leider auch bei Eisenbahnunternehmen. Der durchschnittliche Monatslohn bei den 8 grössten Bündner Bergbahnunternehmen liegt bei CHF 3 480. Das Personal der Speisewagen und Railbar verdient CHF 3 675.» SGB Verteilungsberichte 2011 / 12 Seit 1998 öffnet sich die Einkommensschere unaufhaltsam: während die niedrigen Löhne bestenfalls konstant blieben – wenn sie nicht sogar sanken –, stiegen die höchsten Einkommen ins Unermessliche. Dies zeigt der SGB Verteilungsbericht von 2011, dessen Neuauflage 2012 diesen Sachverhalt bestätigt. Gemäss Daniel Lampart, Chefökonom des SGB, ist die Lohnschere ein strukturelles Problem, bei welchem sich ein paar zehntausend Manager und Spezialisten auf Kosten der Mehrheit der Beschäftigten bereichern. Am andern Ende der Skala ist im selben Zeitraum das verfügbare Einkommen gar gesunken! Vor diesem Hintergrund sind die von den Gewerkschaften lancierten Volksinitiativen zu sehen, bei denen sich auch der SEV engagierte. Die Erbschaftssteuerinitiative wurde am 15. Februar 2013 eingereicht. 7 AHVplus Gemäss Bundesverfassung sollen die Arbeitnehmenden ihren gewohnten Lebensstandard auch nach der Pensionierung noch in «angemessener Weise» aufrecht erhalten können. Genau dies ist jedoch für die unteren und mittleren Einkommen heute kaum möglich. Auch in den Reihen des Verkehrspersonals sind davon viele betroffen. Deshalb unterstützt der SEV die Initiative «AHVplus», die vom SGB im Januar 2013 lanciert wurde. Die Initiative sieht vor, auf allen AHV-Renten einen Zuschlag von 10 Prozent zu zahlen. Damit würde die Rente von Alleinstehenden monatlich um rund 200 Franken erhöht, jene von Ehepaaren um rund 350 Franken. Zur Finanzierung der damit verbundenen Mehrkosten eignet sich die Erbschaftssteuer ideal. Auch in den vergangenen beiden Jahren engagierte sich der SEV für die Rechte und Interessen der Arbeitnehmenden, für gerechte Löhne sowie für den Schutz des Sozialstaates vor den bürgerlichen Demontageversuchen. Dass hier Handlungsbedarf besteht, zeigt der Verteilungsbericht des SGB. Erbschaftssteuerinitiative Am 16. August 2011 wurde die Initiative «MillionenErbschaften besteuern für unsere AHV» lanciert, mit deren Hilfe die Finanzierung der AHV nachhaltig gesichert werden soll. Der SEV unterstützte die Initiative, weil die Erbschaftssteuer volkswirtschaftlich gesehen eine der sinnvollsten Steuern überhaupt ist, da sie sich auf Einkommen ohne Arbeit bezieht. Zwei Drittel der Einnahmen – rund zwei Milliarden Franken – aus der neuen Erbschaftssteuer kommen der AHV zugute. Damit können die zukünftigen Aufgaben der AHV gesichert werden, ohne dass eine grosse Zahl von Menschen zusätzlich zur Kasse gebeten wird, und ein flexibler Altersrücktritt wird auch für Leute mit bescheidenem Erwerbseinkommen möglich. Die Erbschaftssteuerinitiative wurde am 15. Februar 2013 mit über 120 000 Unterschriften eingereicht. EVP Sozial- und Verkehrspolitik Logo der Mindestlohninitiative Initiativen und Referenden SEV Wahlhilfe: Ranking der Bisherigen stimmungen dabei und stimmten immer im Sinn des SEV. Auf der Gegenseite wurde das theoretisch mögliche schlechteste Resultat nicht realisiert, da sogar die SVP bei zwei der Abstimmungen im Sinn des SEV gestimmt hatte: bei den Schlussabstimmungen zur AHV-Revision und zur ersten Vorlage über die Transportpolizei. Der SEV wählte 22 Abstimmungen aus den Bereichen Verkehr, Soziales, Service public und Arbeitnehmerschutz aus und bewertete die Resultate. Das Ergebnis war klar – und wenig überraschend: In den vier Jahren vor den Wahlen stimmten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SP und Grünen fast immer im Sinne des SEV, jene der SVP nur sehr selten. In der Mitte stehen EVP, Grünliberale, CVP und BDP dem SEV näher als die FDP. Für das Ranking wählten wir einerseits Abstimmungen aus, die richtungsweisend waren, so etwa die Schlussabstimmung, die zur Abweisung der 11. AHV-Revision führte. Andererseits waren es Abstimmungen, die besonders knapp ausgingen, beispielsweise jene, bei der es um «eine angemessene Grunderschliessung» und «die Bedürfnisse der wirtschaftlichen Entwicklung der Rand- und Berggebiete» ging, die mit 79 zu 77 Stimmen zugunsten des Service public ausfiel. 14 Nationalrätinnen und Nationalräte erreichten bei unserem Ranking ein Topresultat: samt und sonders Mitglieder der SP. Sie waren bei allen Ab- SEV Wahlanalyse: Wer die SEV-Interessen am besten vertritt, ist keine Frage mehr Peter Mosimann / M: Jörg Matter Anlässlich der Eidgenössischen Wahlen vom Herbst 2011 erstellte der SEV erstmals ein Ranking der zur Wiederwahl stehenden Parlamentarier/innen. Basis für die Rangliste war die Analyse ihres Stimmverhaltens bezüglich für den SEV relevanter Themen. Fabi: Finanzierung und Ausbau Bahninfrastruktur BAV Fabi ist der ausserordentlich weitreichende direkte Gegenentwurf zur Initiative «Für den öffentlichen Verkehr», welche der SEV gemeinsam mit dem VCS, der SP und den Grünen im September 2010 eingereicht hat. Die Grundidee des Gegenentwurfes ist ein unbefristeter Bahninfrastrukturfonds, aus welchem alle Kosten der Bahninfrastruktur, d.h. auch jene von Betrieb und Substanzerhalt, finanziert werden sollen. Die Vorlage des Bundesrates enthält auch einen ersten Ausbauschritt mit Investitionen von 3.5 Milliarden Franken. Ausbau des Angebotes und der Infrastruktur Der Fonds soll mit den bisherigen zweckgebundenen FinöV-Einlagen (LSVA, Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer) sowie den Mitteln des ordentlichen Bundeshaushaltes, die bisher für den Betrieb und Substanzerhalt eingesetzt wurden, gespiesen werden. Hinzu sollen drei neue Finanzierungsinstrumente (Pendlerabzug, Trassenpreiserhöhung und ein Beitrag der Kantone) kommen. Fabi wurde 2012 vom Ständerat behandelt und verabschiedet. Die Notwendigkeit, die Finanzierung unseres Bahnsystems für die Zukunft zu sichern, war weitgehend unbestritten. Der Ständerat hat den Gegenentwurf sogar noch ausgebaut, indem er einen ersten Ausbauschritt von 6.4 Milliarden Franken an Stelle von 3.5 Milliarden Franken vorschlägt. Einziger Wehrmutstropfen dabei ist, dass der Ständerat das zusätzliche Geld über ein befristetes Mehrwertsteuerpromille finanzieren will. Der Nationalrat wird sich 2013 Fabi annehmen, voraussichtlicher Abstimmungstermin ist Anfang 2014. Der SEV hat unter der Führung der politischen Koordinatorin Daniela Lehmann seine Kontakte ins Parlament eingesetzt, umd das bestmögliche Resultat herauszuholen. 8 Gegen die Liberalisierung des europäischen Bahnverkehrs Auf internationaler Ebene setzt sich der Liberalisierungswahn immer stärker durch. Anstelle eines guten Service public soll in allen Bereichen der Wettbewerb um des Wettbewerbes willen durchgepaukt werden. Dagegen wehrt sich der SEV gemeinsam mit seinen europäischen Schwestergewerkschaften, wofür sich in den letzten beiden Jahren diverse Gelegenheiten boten. ETF-Demo in Brüssel Zeitgleich mit dem SEV-Kongress 2011 fand in Brüssel eine Demonstration der europäischen Gewerkschaften gegen den Liberalisierungswahn der EU statt. Über 1 000 Gewerkschaftsmitglieder aus 15 Nationen wehrten sich gegen die Neufassung des ersten Eisenbahnpaktes. Mit dabei war auch eine Delegation des SEV. Der Kongress konnte sich anhand der Bilder und eines kurzen Films, welche die SEV-Delegation direkt in den Kursaal «beamte», ein Bild von den Ereignissen in Brüssel machen. Eurokurs Die europäische Finanzkrise führte zu einem tiefen Sturz des Eurokurses. Zeitweilig bezahlte man für einen Euro nur noch einen Franken. Dies hatte natürlich negative Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft und somit die Arbeitsplatzsicherheit, weshalb der SGB mit aller Deutlichkeit verlangte, dass die Nationalbank einen minimalen Eurokurs von CHF 1.20 stütze. Resolution an EU-Botschafter Reiterer übergeben Der SEV-Kongress verabschiedete am 24. Mai 2011 eine Resolution, in der er gemeinsam mit den europäischen Gewerkschaften die EU aufforderte, die Liberalisierung des Schienenpersonenverkehrs und die Trennung von Betrieb und Infrastruktur zu stoppen, sowie die Hände vom europäischen Streikrecht zu lassen. Eine SEV-Delegation bestehend aus Vorstandspräsident Andreas Menet, Präsident Giorgio Tuti, Vizepräsidentin Barbara Spalinger und Vizepräsident Manuel Avallone überreichte diese Resolution im August 2011 direkt an den EU-Botschafter in der Schweiz, Michael Reiterer. Reiterer nahm die Resolution entgegen und hielt dabei fest, dass das Schweizer Bahnsystem der EU als Vorbild diene. Es liege ihnen daher fern, dieses System zu gefährden. Peter Moor Der tiefe Eurokurs hat vor allem auch Auswirkungen auf den Schienengüterverkehr. Hier werden die Preise hauptsächlich in Euro gemacht, die Kosten fallen allerdings in CHF an. Das bringt die Unternehmen unter grossen Druck und gefährdet Arbeitsplätze in der Branche. SEV Delegation bei der Übergabe der Resolultion an EU-Botschafter Reiterer. V.l.n.r.: Andreas Menet, Giorgio Tuti, Michael Reiterer, Barbara Spalinger und Manuel Avallone 9 Europäischer Aktionstag der Bahngewerkschaften Auch den europäischen Aktionstag am 8. November 2011 nutzte der SEV, um der EU die Vorzüge eines Bahnsystems zu erklären, wie die Schweiz es hat, die da sind: • Integrierte Bahn; • motiviertes und engagiertes Personal; • langfristige Planung und Finanzierung; • Taktfahrplan und Direkter Verkehr. Mit einem Megatransparent im Bahnhof Bern warnte der SEV die EU-Parlamentarier / innen davor, bei der Beratung der Neufassung des Ersten Eisenbahnpakets die Trennung von Infrastruktur und Betrieb weiter voranzutreiben und allen Ländern aufzuzwingen. Denn damit würde das sehr erfolgreiche und beispielhafte Schweizer Bahnsystem akut gefährdet. Gegen grenzüberschreitendes Lohndumping Am Vierländertreffen unterzeichneten die massgebenden Verkehrsgewerkschaften des deutschsprachigen Raums eine Vereinbarung gegen Lohndumping über die Grenzen. Die Liberalisierung des europäischen Eisenbahnverkehrs wird durch die Unternehmen immer wieder genutzt, um Lohndumping zu betreiben. Um diesem Gebaren einen Riegel zu schieben, vereinbarten die Gewerkschaften EVG, SEV, Vida und FNCTTFEL in Berlin, gemeinsame Strategien zu entwickeln, um die Arbeitsbedingungen der betroffenen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner zu verbessern. Bei Einsätzen im grenzüberschreitenden Verkehr soll mindestens das Gehalt des Landes bezahlt werden, in dem die jeweiligen Leistungen erbracht werden – sofern dieses nicht niedriger ist als das Salär der betroffenen Person. 100 Jahre GAV 1911 beschloss das Parlament, ins Obligationenrecht das Recht der Sozialpartner aufzunehmen, Gesamtarbeitsverträge abzuschliessen. In den letzten hundert Jahren haben die GAV wesentlich dazu beigetragen, die Arbeitsbedingungen der Angestellten im privaten Sektor zu verbessern. Mit der Abschaffung des Beamtenstatus haben die GAV nach der Jahrtausendwende auch im öffentlichen Dienst Einzug gehalten. Der SEV hat seit Ende der 90er-Jahre über 60 GAV ausgehandelt, die meisten davon Firmenarbeits- verträge mit öV-Unternehmungen. Ab der Jahrtausendwende entstanden die ersten GAV für SBB und SBB-Cargo. Ab dieser Zeit wurden auch bei fast allen KTU die Personalreglemente durch GAV, bzw. Firmenarbeitsverträge FAV ersetzt. Der SEV hat auch auf kantonaler Ebene sogenannte Rahmenverträge ausgehandelt: In den Kantonen Bern und St. Gallen für den Busverkehr, in der Waadt und im Kanton Neuenburg für den gesamten öffentlichen Verkehr. Siehe auch GAV-Inventar Seite 6 Login wird zur AG und damit zur SBB-Tochter len an der AG gemäss ihrem heutigen Anteil an den 1 800 Lernenden beteiligt werden. Der SBB-Anteil von 70 % bedeutet daher, dass Login AG faktisch zu einer SBB-Tochterfirma wird. Der SEV hat die Interessen der Login-Angestellten vertreten und einen Sozialplan ausgehandelt, der ihnen beim Übergang Sicherheiten bietet. Der definitive Entscheid zur Umwandlung wird an einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung im März 2013 gefällt werden. Login feierte sein 10-jähriges Bestehen mit einem Weltrekord: Lernende, Mitarbeitende und Gäste fügten im Stade de Suisse 1528 Ausschnitte zu einem riesigen Bild des Gleisbauer-Sujets zusammen. login Die SBB will per 1. Januar 2014 die an Login ausgelagerte Weiterbildung wieder in eigener Regie durchführen und Login in eine AG umwandeln. Die fachliche Weiterbildung soll damit wieder stärker unter die Kontrolle der SBB gestellt werden, damit sie nach strategischen Überlegungen gesteuert werden könne. Somit bleibt nur noch die Grundausbildung bei Login. Den anderen bei Login angeschlossenen Firmen steht die fachliche Weiterbildung jedoch nach wie vor offen, wie die SBB präzisiert. Zu diesem Zweck soll der Verein Login in eine AG umgewandelt werden. Die beteiligten Firmen sol- 10 Zweites Paket der Bahnreform 2 Regionale Bahnlinien unter Druck Der Bundesrat liess Ende 2012 wieder einmal einen Versuchsballon steigen, um beim Regionalverkehr den Rotstift anzusetzen. Diesmal nahm er die Bahn ins Visier: 175 Linien in der ganzen Schweiz sind von den geplanten Sparmassnahmen bedroht. Der Bundesrat will die Kantone beauftragen, bei einem Deckungsgrad von unter 50 % eine Umstellung auf Busbetrieb zu prüfen. Der SEV unterstützt den VCS bei der Unterschriftensammlung gegen dieses bundesrätliche Ansinnen. Ausschreibungen waren bisher noch durch kein Bundesgesetz geregelt. Mit der Gesetzesänderung, die das Parlament am 16. März 2012 verabschiedet hat, sollte dieses Manko behoben werden. Der neue Artikel 32 im Personenbeförderungsgesetz (PBG) hält insbesondere fest, in welchen Fällen der regionale Personenverkehr ausgeschrieben werden soll, und zwar nicht nur auf der Strasse, sondern auch im Schienenverkehr: «Die Besteller können im gegenseitigen Einvernehmen Angebote des gemeinsam bestellten regionalen Personenverkehrs auf der Schiene ausschreiben.» Ausschreibungen im Schienenverkehr sind ein «No go» Für den SEV sind Ausschreibungen im Busbereich unter gewissen Bedingungen akzeptabel. Bspw. für neue Linien oder wenn bisherige Konzessionsnehmer ungenügende Leistungen erbringen. Im letzten Fall müssen aber die Mitarbeitenden vom neuen Linienbetreiber übernommen werden. Im Bahnbereich dagegen lehnt der SEV Ausschreibungen gänzlich ab, weil dieser Bereich viel zu komplex ist: Das dichte Liniennetz mit integralem Taktfahrplan und unzähligen Anschlüssen in den Knoten sowie die Tarifverbünde würden gefährdet. Das Risiko, dass Tiefpreisofferten zu Qualitätsmängeln und Lohndumping führen, übersteigt die Vorteile bei Weitem. Der SEV verlangt daher, auf Ausschreibungen zu verzichten, solange keine Verordnung präzisiert, welche Regeln dafür zu gelten haben. Der SEV begrüsst, dass die Kompetenz für die Vergabe solcher Konzessionen dem Bundesamt für Verkehr (BAV) vorbehalten bleibt. Die Erfahrungen im Aus- land zeigen, dass sich Ausschreibungen im Bahnbereich für die Mitarbeitenden immer negativ auswirken. Deshalb verlangt der SEV, dass zu öffentlichen Jörg Matter Der zweite Schritt der Bahnreform 2 (BaRe 2.2) wurde am 16. März 2012 vom Parlament verabschiedet. Er betrifft unter anderem die Ausschreibungen im Regionalverkehr und die Tarifgestaltung. Zu beidem hat sich der SEV dezidiert geäussert. Der SEV setzte sich auch im Rahmen des Europäischen Aktionstages für die integrierte Bahn ein. Ausschreibungen nur Unternehmungen zugelassen werden, die einen GAV unterzeichnet haben. Problematische differenzierte Tarife Der vom Parlament im März verabschiedete Artikel 15 des PBG erlaubt es den Unternehmen, die Tarifgestaltung auch zur Dämpfung von Nachfragespitzen einzusetzen. D.h. mithilfe der Tarife sollen die Kund/ innen von den Spitzen auf weniger frequentierte Zeiten weggelockt werden. Für den SEV darf eine Tarifdifferenzierung nicht dazu führen, dass die Wahlfreiheit der Kund/innen beschnitten wird. Es muss möglich bleiben, jeden beliebigen Zug zu nehmen und die allenfalls notwendigen Zuschläge beim Zugspersonal bezahlen zu können. Wichtig ist dies gerade auch für ältere Menschen, auf die solche Spezialbillette vor allem ausgerichtet sind. Vor einer «Easyjetisierung» des Tarifsystems warnt der SEV auch, weil dessen Einfachheit sicher zum Erfolg des öV beigetragen hat. Blinde Sparwut landauf-landab In diversen Kantonen wüten die Spareiferer mit der grossen Axt (nachdem sie zuvor mit ebensolchem Eifer die Steuern gesenkt und damit die knappen Budgets überhaupt erst provoziert hatten …): Die Löhne des Staatspersonals sollen gekürzt, Abgeltungen an Service-public-Einrichtungen reduziert werden. So auch im Kanton Tessin. Am 5. Dezember 2012 demonstrierten rund 3 000 Personen an einer vom VPOD organisierten Demo in Bellinzona gegen diese Sparwut. Die Tessiner Regierung will die Löhne des Staatspersonals um 2 %, die 11 Abgeltungen an den öV um 1.8 % kürzen. Letzteres hat eine fatale Wirkung, da damit automatisch auch die Bundesbeiträge im selben Mass gekürzt werden. Auch SEV-Gewerkschaftssekretär Angelo Stroppini reihte sich unter die Redner ein: Er schalt die Kürzung der öV-Abgeltungen zu einem Zeitpunkt, wo der Fahrplan 2013 schon längst publiziert ist, als «absurd», da schädlich für das gute Funktionieren des Verkehrsangebots, und als «politischen Fehler». Besonders kritisierte er zudem den Abbau bei Bildung und Altersheimen. Die Zukunft des Schienengüterverkehrs ist so ungewiss wie eh und je: Die allgemeine Wirtschaftslage drückte auf die Transportmengen, und die Politik verweigert ein klares Bekenntnis. Jörg Matter «Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech hinzu»: Diese alte Fussballerweisheit trifft die Situation des Schienengüterverkehrs in den Jahren 2011/2012 aufs Beste. Eigentlich hätte der Start von SBB Cargo International Anfang 2011 den Beginn der Wende bedeuten sollen. Die ausgelagerte Gesellschaft, die zu drei Vierteln der SBB und zu einem Viertel Hupac gehört, beschränkt sich auf die Führung ganzer Züge zwischen Deutschland und Italien. Sie arbeitet nach wie vor mit Fahrzeugen und Lokpersonal, die sie bei SBB Cargo mietet. Aber gleichzeitig bewirkte die wirtschaftliche Schwäche der Eurozone – als Folge der vorangegangenen Finanzkrise – einen Rückgang der Transportmengen. Zudem kam der Eurokurs ins Rutschen, und die Schweizer Güterbahnen gerieten weiter in Rücklage: SBB und BLS konnten im internationalen Verkehr ihre Preise nur in Euro verrechnen, hatten aber den Grossteil der Löhne weiter in Schweizer Franken zu zahlen. Tatsächlich gehörten sie letztlich zu jenen Unternehmen, die vom Bund in bescheidenem Ausmass für Wechselkurs-Verluste entschädigt wurden. Logo der Website www.pro-cargo.ch, auf welcher der SEV über die Entwicklung bei SBB Cargo informiert. Von der Güterverkehrsschwäche war auch der Inlandverkehr betroffen. Zudem setzte sich SBB Cargo in vorauseilendem Gehorsam Ziele, die höher lagen als vom Bund vorgegeben, und strebte vorzeitig eine ausgeglichene Rechnung an. Eine erste Abbauetappe betraf die zentralen Dienste in Basel; rund 250 Stellen wurden gestrichen. Danach folgte die Ankündigung, das Zustellnetz des Wagenladungsverkehrs massiv zu reduzieren. Der SEV lancierte zuerst intern eine Petition und weitete diese danach aus: Er vereinigte ein gutes Dutzend politische und wirtschaftliche Interessenorganisationen in der Koalition «Pro Cargo», die sich gemeinsam gegen die Abbaupläne stellten. Im Wissen darum, dass regionaler Widerstand entstehen würde, hielt die SBB die vom Abbau bedrohten Zustellpunkte monatelang unter Verschluss, bis der SEV sie in kontakt.sev veröffentlichte. Alle diese Bemühungen hatten insofern Erfolg, als statt 155 letztlich «nur» 126 Zustellpunk- te geschlossen wurden. Die Auswirkungen sind dennoch gravierend: Rund 250 weitere Mitarbeiter von SBB Cargo mussten eine neue Stelle suchen, und mehrere zehntausend zusätzliche Lastwagenfahrten auf Strassen in Randregionen sind die Folge. Die Schweizer Politik hielt sich in dieser Zeit bedeckt: Obwohl aus dem Parlament ein Auftrag an den Bundesrat erging, ein Konzept für den Inlandgüterverkehr auszuarbeiten, das auch aufzeigen soll, wie eine Verkehrsverlagerung gefördert werden könnte, stützte der Bundesrat die Abbaupläne von SBB Cargo und verzögerte den Bericht ans Parlament. Er wird nun im Frühling 2013 erwartet. Dem Verband öffentlicher Verkehr VöV, der bisher beim Güterverkehr wenig aktiv war, gelang es sogar, die angeschlossenen Bahnen zu einem gemeinsamen Grundsatzpapier zum Güterverkehr zu bewegen. Dieses Bekenntnis zum Schienengüterverkehr auch im Inland wurde schliesslich gemeinsam von den Chefs von SBB Cargo, BLS Cargo und RhB der Öffentlichkeit präsentiert. Die Restrukturierungskosten belasteten die Rechnung von SBB Cargo weiter, so dass ein ausgeglichener Abschluss weiterhin verfehlt wurde. Als vorerst letzte Massnahme kündigte sie Ende 2012 an, ihren Hauptsitz von Basel nach Olten zu verlegen, wo deutlich günstigere Büroräume gemietet werden konnten. Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet dies den dritten oder gar vierten Zwangsumzug innert rund einem Jahrzehnt. Immerhin konnte im Sommer 2012 der GAV mit SBB Cargo International abgeschlossen werden. Dieser hatte eine lange Vorgeschichte: Im Sommer 2010 hatte der SEV sogar die damaligen Verhandlungen um den vierten SBB-GAV unterbrochen, weil sich die vom Strassenverkehr geprägten Minderheitsaktionäre des neuen Unternehmens grundsätzlich gegen einen Gesamtarbeitsvertrag stellten. Nach längeren Verhandlungen kam es letztlich zu einer Einigung, die auch aus Sicht des SEV die Forderung erfüllt, die an SBB-Auslagerungen gestellt wird: Der GAV des neuen Unternehmens muss dem SBB-GAV gleichwertig sein. SBB Cargo International plant seit längerem die Anstellung von eigenem Lokpersonal, was bei den Lokführer / innen von SBB Cargo zu Unruhe führt. Sie machen sich Sorgen um die Depotstandorte auf der Nord-Süd-Achse, weil sich SBB Cargo International nach wie vor nicht dazu geäussert hat, wo sie ihr Personal stationieren wird. Das Pech, das der Schienengüterverkehr definitiv nicht gebraucht hätte, zeigte sich in der Lockerheit des Gesteins bei Gurtnellen: Gleich dreimal war die Gotthardstrecke 2012 wegen Felsstürzen für längere Zeit unterbrochen, was einerseits Umsatzeinbussen und andererseits Zusatzkosten nach sich zog. Schwerpunkte Sorgenkind Güterverkehr 12 Die Gesundheit im Blick Seit einigen Jahren legt die Branche Bus des VPT ein besonderes Augenmerk auf die Gesundheit der Busfahrerinnen und -fahrer. 2011 hat sie die Resultate einer Umfrage unter ihren Mitgliedern präsentiert, die klar zeigt, dass der Beruf zahlreiche Risiken birgt. Als Folge davon wurde die Kampagne «10 Stunden sind genug» entwickelt. Pierre Vazem / Vincent Fesselet Schmerzen in Schultern, Rücken und Beinen sowie Comic der Kampagne «10 Stunden sind genug» Stress sind die Elemente, die die Gesundheit der Busfahrerinnen und -fahrer am meisten belasten. Sie leiden deutlich häufiger unter diesen Krankheiten als Angehörige anderer Berufsgruppen. Die Umfrage, die die Branche Bus zuerst in der Westschweiz und danach auch in den andern Regionen der Schweiz durchgeführt hat, basiert auf entsprechenden Erhebungen aus dem Ausland. Übereinstimmend waren denn auch die Resultate: Das Buspersonal in der Schweiz weist die gleichen Belastungsmerkmale auf wie Berufskolleginnen und -kollegen beispielsweise bei den Pariser Verkehrsbetrieben. Aus den Umfrageresultaten hat der SEV eine Broschüre zusammengestellt mit dem Titel «Gesundheit am Arbeitsplatz der Buschauffeure», die auf grosses Interesse gestossen ist. Sie fasst die Resultate zusammen, schlüsselt sie aber auch nach Altersgruppen auf, wobei festzustellen ist, dass die Unterschiede nach Alter eher gering sind. Die Hauptproblematik liegt in der über Stunden fast unveränderten Position hinter dem Lenkrad. Um die Gesamtbelastung zu reduzieren, hat die Branche Bus daraus eine Hauptforderung abgeleitet. Unter dem Titel «10 Stunden sind genug» setzt sie sich nun für eine Beschränkung der Dienstschicht auf 10 Stunden ein. Dies ist vielerorts nicht üblich, da die Unternehmen versuchen, mit möglichst wenig Personal die drei Tagesspitzen am Morgen, Mittag und Abend abzudecken. Die Kampagne, die mit einem Comic den Arbeitsalltag eines Busfahrers aufzeigt, soll über mehrere Jahre laufen und sowohl die Unternehmen als auch die Öffentlichkeit für die Problematik sensibilisieren. Nicht zuletzt sind auch die Arbeitskolleginnen und -kollegen angesprochen, denn auch unter ihnen gibt es nicht wenige, die lange Schichten mit langen Pausen bevorzugen. Allen ist jedoch bewusst, dass darunter nicht nur die Gesundheit, sondern sehr stark auch das soziale Leben leidet. Der Chauffeur im Comic sieht denn auch seine Kinder nur schlafend – am Morgen, wenn er zur Arbeit geht und abends nach der Heimkehr. Dunkle Wolken – nicht nur – über der BLS Die BLS hatte eben erst mit dem SEV erste Modalitäten für die Verhandlungen um die Weiterentwicklung des Gesamtarbeitsvertrags geklärt, da begannen Wolken aufzuziehen: Die BLS informierte über wirtschaftliche Schwierigkeiten, die sie zu einem Kostensenkungsprogramm zwängen. Neben Rückgängen bei Güter- und Tourismusverkehr drückte die Pensionskassensanierung auf die Finanzlage, und zudem drehte auch der Kanton Bern als Hauptaktionär an der Schraube, indem er Abgeltungen reduzierte, trotz zusätzlichen Leistungen. Der SEV kritisierte vor allem die Haltung des Kantons, der damit den Druck aufs Personal massiv erhöhte. Mit einer originellen, symbolischen Aktion vor dem Berner Rathaus machte der SEV seine Haltung den Politikerinnen und Politikern 13 klar: Er verteilte ihnen Zitronen, die sie bei der zuständigen Regierungsrätin ausdrücken konnten. Fürs Erste kündigte die BLS einen Abbau von gegen 50 Stellen an, wobei auch Entlassungen nicht ausgeschlossen wurden. Der SEV wandte sich scharf gegen Kündigungen und rief das Unternehmen auf, intern neue Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Entwicklung nicht abgeschlossen ist: Die BLS will über die kommenden Jahre weiter an der Kostenschraube drehen. Jörg Matter Während die Politik das Geld für den Ausbau des Schienennetzes in Strömen fliessen lässt, verweigert sie zunehmend die Mittel für den Betrieb. Das bringt grossen Druck aufs Personal. Die Zitrone ist ausgepresst! Plakat zur Aktion BLS vor dem Berner Rathaus Emil Strub RhB: knapp am Abgrund vorbei Die Erneuerung des RhB-Gesamtarbeitsvertrags ging ebenfalls nicht reibungslos über die Bühne. Es begann damit, dass der Verwaltungsrat die Direktion nicht ermächtigte, überhaupt Verhandlungen zu füh- In Chur wurden über 600 Unterschriften als Petition für einen attraktiven Firmenarbeitsvertrag überreicht. ren, worauf der SEV Mitte 2011 den Vertrag kündigte und das Unternehmen damit an den Verhandlungstisch zwang. Es handelte sich dabei um eine Premiere: Nie zuvor hatte der SEV einen Firmenarbeitsvertrag gekündigt. Auch die darauf folgenden Verhandlungen gestalteten sich zäh: Erst ein Unterbruch, verbunden mit einer Unterschriftensammlung beim Personal, vermochte kurz vor Jahresende Bewegung in die Sache zu bringen. Nachdem der bestehende Vertrag um drei Monate verlängert worden war, konnte Anfang 2012 eine Einigung getroffen werden, die von den Delegierten der GAV-Konferenz mit Zähneknirschen akzeptiert wurde. Kernstück des Vertrags ist ein neues Lohnsystem mit höheren Mindest- und tieferen Maximallöhnen. Schritt für Schritt Nachdem das letzte Jahrzehnt im Zeichen der GAVAbschlüsse stand, gibt es nun kaum noch weisse Flecken. Bemerkenswert ist allerdings, dass ausgerechnet das Gebiet des Zürcher Verkehrsverbunds nach wie vor GAV-freie Zone ist. Lange Zeit bestand das Hauptproblem darin, dass sich die VBZ als grösstes Unternehmen gegen einen GAV stellten. Schwierig ist die Situation aber auch, weil zwar der ZVV über das Geld verfügt, aber nicht Arbeitgeber ist. Gemeinsam mit VPOD und Syndicom ist der SEV aber hartnäckig geblieben. So kamen einerseits Gespräche mit einzelnen Un- ternehmen in Gang, und gegen Ende 2012 zeichnete sich ab, dass ein kantonaler Rahmenvertrag für den öffentlichen Verkehr in Reichweite kommt. Vor allem aber war der SEV damit beschäftigt, seine zahlreichen Firmen-, Rahmen- und Gesamtarbeitsverträge weiterzuentwickeln. Das politische Klima hatte sich abgekühlt und von Seiten der Unternehmen besteht kaum mehr die Bereitschaft zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Im Gegenteil: Die Flexibilisierung der Anstellungs- und Arbeitsbedingungen sollen zu Produktivitätssteigerungen führen. Während bei den wöchentlichen Arbeitszeiten und den Löhnen praktisch kein Spielraum mehr besteht, gelingt es dem SEV, die Ferienansprüche kontinuierlich auszubauen, so dass heute fünf Ferienwochen praktisch zum Branchenstandard geworden sind. Nach wie vor belastet auch die finanzielle Lage der Pensionskasse die Verhandlungen mit den KTU: Häufig muss das Personal auf Verbesserungen verzichten, weil das Unternehmen sich bereit zeigt, zusätzliche Mittel für die beschleunigte Sanierung der Pensionskasse zur Verfügung zu stellen. LTSW: Schritt für Schritt in den Abgrund Das düsterste Kapitel im Organisationsbereich des SEV schrieb in diesen beiden Jahren die Lufthansa Technik Switzerland, die Unterhaltsfirma für Flugzeuge am Euroairport Basel-Mülhausen. Die Firma, 2008 als Auslagerung aus der Swiss gegründet, hatte mit 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begonnen. Danach folgten eine Kündigungswelle und Kurzarbeit, bevor die Unternehmensleitung Anfang 2012 leichte Zuversicht zeigte. Diese stellte sich als Trugschluss heraus: Verhandlungen mit potenziellen Kunden scheiterten, weshalb im Frühling die Ankündigung folgte, 280 der verbliebenen 350 Arbeitsplätze zu streichen. SEV-Gata, die Luftfahrtsabteilung des SEV, erreichte immerhin deutliche Verbesserungen beim Sozialplan und die Übernahme einer beträchtlichen Zahl von Betroffenen durch die Swiss, aus der sie ehemals ausgelagert worden waren. Nach der Kündigung des Wartungsvertrags durch Easyjet zeichnete sich bereits gegen Ende 2012 das Ende von LTSW ab, das nach Neujahr bestätigt wurde. a j GAV G ZS SZU V FB ZO Protest-Button für einen GAV im Zürcher VerkehrsVerbund ZVV 14 Misstrauen in oberste Führung Die Personalzufriedenheit bei der SBB bleibt tief. 2012 erreichten die Werte wieder das Niveau früherer Jahre, zeigen aber anhaltendes Misstrauen in die Unternehmensspitze. Auch der SEV rief seine Mitglieder auf, an der Umfrage teilzunehmen, um repräsentative Resultate zu gewährleisten. Die Anstrengungen der SBB im Bereich der Wertschätzung – und auch eine gewisse Abschwächung der Restrukturierungen – zahlten sich aus: Die Werte erholten sich auf das Niveau vor dem Einbruch von 2010. Sie liegen aber nach wie vor im Vergleich zu andern Unternehmen eher tief, und weiterhin ist das Vertrauen in die Konzernführung der eindeutige Schwachpunkt. Die detaillierte Analyse liegt noch nicht vor. Der SEV wird je nach Resultaten den Handlungsbedarf ableiten und Massnahmen einfordern. 2010 hatte die Zufriedenheit des SBB-Personals einen historischen Tiefststand erreicht. Eine Stichprobenumfrage 2011 zeigte nur eine schwache Verbesserung, weshalb die SBB-Führung ihre Anstrengungen nochmals intensivierte, um in der Vollerhebung 2012 wieder bessere Resultate zu erzielen. Tatsächlich führte die Zufriedenheitsumfrage 2012 zu besseren Werten. Bemerkenswert war insbesondere auch der Rücklauf von gegen 75 Prozent. Gemeinsam für Menschen mit Arbeitseinschränkungen 2010 hatte der SEV von der SBB «Aufbau statt Abbau» gefordert. Nur ein Jahr später kam es zu einer Vereinbarung, die zusätzliche Nischenarbeitsplätze zusichert. 15 Peter Moor Nischenarbeitsplätze sind eine von mehreren Forderungen, die der SEV an die Unternehmen stellt, um dem Personal die ihm zustehende Wertschätzung entgegenzubringen. Nischenarbeitsplätze sind nötig für Leute, die im Verlauf ihres Berufslebens an Leistungsfähigkeit einbüssen und ihre bisherige Arbeit nicht mehr ausüben können. Neben Teilzeit- und Teilinvaliditätslösungen braucht es für Leute mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit auch spezielle Arbeitsplätze, wo sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten sinnvoll arbeiten und ihren Beitrag ans Unternehmen leisten können. Solche Arbeitsplätze sind aus Sicht des SEV praktisch überall im Grossunternehmen möglich, es braucht aber auch Orte, wo geschützte Arbeitsstellen angeboten werden. Die SBB hat bereits vor zehn Jahren mit Anyway Solutions einen solchen Ort geschaffen. 2011 haben SBB und SEV dann eine Vereinbarung unterzeichnet, in der sich die SBB verpflichtet, bei Anyway Solutions die Arbeitsplätze von 60 auf 120 zu verdoppeln und zudem in den Divisionen 100 zusätzliche Integrationsstellen zu schaffen. Der SEV verpflichtet sich, die SBB auf diesem Weg konstruktiv zu begleiten. Anlässlich einer kleinen Zeremonie in der Wäscherei von Anyway Solutions in Altstetten unterzeichneten SEV und SBB die Vereinbarung. Der SEV anerkennt den Willen der SBB, die soziale Verpflichtung für seine langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzuhalten. Diese Vereinbarung ist zweifellos ein gewichtiger Schritt auf dem Weg zur Lösung des Problems, die aber insgesamt noch in weiter Ferne liegt. Der SEV seinerseits zeigt diese Anerkennung, indem er als Kunde bei Anyway Solutions auftritt. Als erstes liess der SEV bei Anyway Solutions in Cadenazzo Leder-Sporttaschen herstellen, die exklusiv als Preis der Mitgliederwerbeaktion 12-12-12 zu ge- winnen waren. Der SEV plant, regelmässig Produkte bei der SBB zu beziehen, die an Nischenarbeitsplätzen hergestellt werden. Die Wäscherei von Anyway Solutions in Altstätten bietet Arbeitsplätze für Mitarbeitende mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit Sowohl bei der SBB als auch bei konzessionierten Transportunternehmen gab es viele Gründe für den SEV, etwas zu unternehmen. «Ohne uns …» Die Gewerkschaften führten ab Herbst 2011 eine Kampagne gegen die zunehmende Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz. Die von rechten Parteien und Gruppierungen geschürte Stimmung gegen Zuwanderer (zunehmend auch aus Deutschland) und insbesondere Asylbewerber nahm unerträgliche Ausmasse an. Dem setzte auch der SEV die Aussage «Ohne uns kein öffentlicher Verkehr» entgegen und wies auf die Bedeutung ausländischer Kolleginnen und Kollegen in praktisch allen Bereichen der alltäglichen Arbeit hin. Tatsächlich sind nicht nur in Reinigung, Rangier und Bau ein grosser Teil Ausländerinnen und Ausländer tätig, sondern auch in der Zugbegleitung, als SEV Als aussichtslos stellte sich der Versuch heraus, auf dem politischen Weg doch noch eine durchgehende Zugbegleitung auf dem Netz des Zürcher Verkehrsverbundes zu erreichen. Im Kantonsrat folgte eine deutliche Mehrheit dem Weg, den der ZVV 2010 eingeschlagen hatte: Die Zugbegleitung S-Bahn wurde aufgehoben und durch ein Sicherheitskonzept abgelöst, das stärker auf konzentrierte, punktuelle Kontrolle setzte. Immerhin gelang es dank der Begleitung durch den SEV, für praktisch alle Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter eine individuell angemessene Lösung zu finden. Der grösste Teil wechselte in die Zugbegleitung des Fernverkehrs. Immer mehr hatte das Lok- und Zugpersonal auf der Gotthard- und Simplonlinie unter den Tücken der Pendolino-Kompositionen ETR 470 zu leiden. Die störungsanfälligen Neigezüge erreichten ihr Ziel – wenn überhaupt – kaum einmal pünktlich. In Einklang mit der Kundenorganisation Pro Bahn verlangte der SEV von der SBB den sofortigen Ausstieg aus diesem Rollmaterial. Die SBB entschied schliesslich, die Kompositionen Ende 2014 aus dem Verkehr zu ziehen. Vorher stehen keine Ausweichfahrzeuge für den Verkehr nach Italien zur Verfügung. Auf der Schweizer Strecke werden sie aber fahrplanmässig durch einen parallel laufenden ICN begleitet. Gleichzeitig wurden die beschafften Nachfolgekompositionen ETR 610 auf die Simplonlinie gelenkt, wo sie recht zuverlässig verkehren. Für den Verkehr durch den Gotthard-Basistunnel entschied sich die SBB jedoch für eine Ausschreibung von Fahrzeugen ohne Neigetechnik. derten Reisenden Ausnahmen machen. Dennoch hielten die kritischen Stimmen insbesondere der Konsumentenorganisationen lange Zeit an; dabei ging es häufig um Probleme wegen defekten Billettautomaten oder Entwertern. Zudem stellte sich heraus, dass die SBB rund die Hälfte der ausgefällten Bussen (die offiziell Zuschläge heissen) gar nicht erhält, weil die Reisenden sie nicht bezahlen. Das Zugpersonal, das aufgrund dieser Umstellung vermehrt reine Kontrollfunktion hat, startete eine Petition mit der Forderung, das Namensschild nicht mehr tragen zu müssen. Es bezog sich dabei auf die Arbeitssituation der Stichkontrolleure, die ebenfalls kein Namensschild tragen, sondern jeweils einen Ausweis zeigen. Die SBB stellte sich gegen dieses Anliegen mit dem Hinweis, dass in Fällen von konkreten Bedrohungen und Belästigungen Schilder mit Wahlnamen getragen werden dürfen. Aktivitäten Für das Personal, gegen die Fremdenfeindlichkeit Wettbewerb: iPad zu gewinnen/! .ch www.sev-online ohne-uns S N U E OHN KEIN OFFENTLICHER Billettpflicht Für sehr unterschiedliche Reaktionen sorgte die SBB mit ihrem Entscheid, ab Dezember 2011 den Billettverkauf auch in den Fernverkehrszügen einzustellen. Unter dem vertuschenden Begriff «Billettpflicht» legte die SBB fest, dass in den Züund Migranten Ohne Migrantinnen steht der öffentliche Verkehr still gen keine Fahrausweise www.sev-online.ch/ohne-uns (mit Ausnahme von Klassen- und Streckenwechseln) mehr gekauft werden können. Das Zugperso- Lokführer/innen und Informatiker/innen. Die Aussage nal wandte sich vergeblich gegen diesen Abbau des ist einfach: Ohne Migrantinnen und Migranten würde Kundendienstes; es konnte aber immerhin erreichen, der öffentliche Verkehr stillstehen. dass ihm ein gewisser Spielraum gewährt wird, was das Verhängen von Bussen angeht. Grundsätzlich Bedrohte Lungen in den IW verlangt die SBB, dass ohne Berücksichtigung der Völlig unerwartet wurde bei der Revision älterer ReiUmstände alle Betroffenen als Reisende ohne gül- sezugwagen in den Industriewerken Bellinzona und tigen Fahrausweis behandelt werden. Unter den Ku- Olten erneut Asbest entdeckt. Wie die SBB hatte auch lanzregeln durfte das Personal aber immerhin bei der SEV dieses Kapitel als abgeschlossen betrachtet. ausländischen Touristen oder offensichtlich überfor- Nun stellte sich heraus, dass an zuvor unangetaste- VERKEHR Spezielle Karten zeigen auf, dass der öV in der Schweiz ohne Migrantinnen und Migranten still stehen würde 16 ten Stellen der Wagen beim Abschleifen doch noch gelungen um Einsätze im Zusammenhang mit Piasbesthaltige Stoffe auftauchten. Der SEV verlangte kett heraus, insbesondere bei SBB Infrastruktur Invon der SBB eine Aussprache. Dabei wurde klar, dass standhaltung I-IH. Der SEV konnte hier eine bereits die SBB bereit ist, die Aufmerksamkeit nochmals zu umgesetzte Kürzung bei der Zeitgutschreibung für erhöhen und weiterhin mit äusserster Vorsicht an Piketteinsätze rückgängig machen. Bis heute unbefriedigend und für die Fahrzeuge heranzugeMitarbeitenden oft eine hen, die aufgrund ihres Zumutung sind bei InfraAlters potenziell Asbest Antigewerkschaftlich struktur IH zudem die vorenthalten können. Der Aïssam Echchorfi, Vertrauensperson der Sektion handenen ZeiterfassungsStoff war vor allem im SEV-tl, erhielt eine Kündigungsandrohung mit der Systeme und Hilfsmittel. Brandschutz während Begründung, er habe per SMS und auf Facebook Jahrzehnten sehr breit Gewerkschaftswerbung im Betrieb gemacht. Es Rentnerkongress eingesetzt worden, bis brauchte fast 18 Monate, mit fehlerfreiem VerNicht alle Rentnerinnen sich herausstellte, dass halten des Gewerkschafters, einer bespielhaften und Rentner sind reich, jede einzelne Faser in Unterstützung durch den Sektionsvorstand, eine auch wenn Begriffe wie der Lunge lebensbedrohPetition, Vorstösse beim Verwaltungsrat der tl, «Golden Agers» dies liche Schäden anrichten gewerkschaftliche Aktionen bei grossen Sportglauben machen wollen. kann. anlässen, Sitzungen der paritätischen ArbeitsAngesichts der Situation kommission des Kantons Waadt, beim kantonader Pensionskassen, die Lago Maggiore: Flaute len Vermittlungsbüro und beim Arbeitsgericht, auf Jahre hinaus nicht Als Folge der Eurokrise bis die Direktion zum Rückzug blies und bereit in der Lage sind, einen beschloss der italieniwar, alle Unterlagen mit gewerkschaftlichen AusTeuerungsausgleich zu sche Staat, Zuschüsse an sagen aus dem Personaldossier zu entfernen bezahlen, kommt der die Schifffahrt auf dem und die Verwarnung zurückzuziehen. Sicherung der AHV zuLago Maggiore zu kürDem SEV sind Fälle von antigewerkschaftnehmend grössere Bezen. In der Folge musslichen Kündigungen gegen seine Mitglieder bedeutung zu. Der SEV orte der Fahrplan deutlich kannt. Leider sind diese meist so sehr zermürbt, ganisierte im Herbst 2011 reduziert werden, was wenn es soweit kommt, dass sie keine Energie in St. Gallen einen ersten für zahlreiche Angestellmehr haben, sich für ihren Arbeitsplatz zu weh«Rentnerkongress», an te Einbussen bedeutete. ren. Umso wichtiger ist es, dass in der Schweiz welchem unter anderem Vor allem temporär und endlich griffige gesetzliche Regelungen getrofdie frühere Bundesrätin saisonal Angestellte liefen werden, die aktive Gewerkschafterinnen und Ruth Dreifuss und SGBfen Gefahr, den ArbeitsGewerkschafter besser schützen, wenn sie sich Präsident Paul Rechsteiplatz zu verlieren. Unter am Arbeitsplatz engagieren. ner auftraten. der Federführung des SEV startete das Personal eine breite Mobilisierung, in die auch die Tessiner Kein Verkauf in Genf und Neuenburg Tourismusorganisationen einbezogen wurden. Diese Kein Erfolg war dem SEV beschieden mit seiner Forwaren ebenfalls auf ein attraktives Schifffahrtsange- derung, die SBB solle die Verkaufsbüros in den Städbot auf dem See angewiesen. Nach harten Kämpfen ten Genf und Neuenburg weiterbetreiben. Antrieb der gelang es, das Angebot vollständig aufrechtzuerhal- Forderung war für den SEV zwar der Einsatz für die Arbeitsplätze. Er argumentierte aber auch mit dem ten und auch weiterhin zu sichern. Kundennutzen, umso mehr als die SBB vermehrt Verkaufsstellen ohne Bahnhöfe in Shopping Centers erIndustriedemo Angesichts der Eurokrise, die sich in ganz Europa zu öffnet. einer allgemeinen Wirtschaftskrise ausweitete, riefen die Gewerkschaften im September 2012 zu einer nati- Aus für Lausanne onalen Grosskundgebung für den Werkplatz Schweiz Ende 2011 wurde der Unterhaltsstandort Lausanne auf. Die angespannte Situation hatte dazu geführt, geschlossen – hundert Jahre nach der Gründung des dass verstärkt industrielle Arbeitsplätze aus der Lokdepots. Die SBB gab den Standort auf, weil die Schweiz ausgelagert wurden, sei es nach Mittel- und Infrastrukturanpassungen zu teuer gewesen wären, Osteuropa, sei es nach Asien. Auch der SEV rief sei- zudem zeigte sich der Kanton Waadt interessiert, an ne Mitglieder zur Teilnahme auf, aus zwei Gründen: diesem Ort ein Kunstmuseum zu bauen. Noch ist unEinerseits ist der Werkplatz Schweiz massgeblich klar, ob dieses zustande kommt. Für rund 45 Persoam Verkehrsaufkommen beteiligt, sowohl mit sei- nen, die am Schluss noch in Lausanne tätig waren, nen Gütern als auch mit seinen Mitarbeiterinnen und ging es um die Stellensuche, die erschwert war, weil Mitarbeitern, andererseits stellt aber der öffentliche viele von ihnen keinen Berufsabschluss aufweisen. Verkehr selbst eine Industrie dar, vom Gleis- und Nur 5 haben letztlich die SBB verlassen, der grösste Fahrzeugbau bis zum Rollmaterialunterhalt. Dement- Teil konnte in Biel, Yverdon und Genf neue Stellen sprechend trat auch Werner Schwarzer an der Kund- im Unterhalt finden. Begleitet vom SEV haben die gebung auf, der Präsident des Unterverbands des Betroffenen grossen Einsatz gezeigt, bis hin zu einer Spontankundgebung in Murten, mit der sie das GeTechnischen Servicepersonals. spräch mit der Führungsspitze erzwangen. Dauer-Baustelle SBB Infra Instandhaltung Als eigentlicher Dauerbrenner stellten sich die Re17 Erfolg bei der Überzeitenregelung 2010 hatte das Schiedsgericht entschieden, dass die SBB Zeiten über den GAV-Limiten als Überzeit behandeln und entsprechend bezahlen muss. Die Umsetzung des Urteils zog sich hin. Aber es lohnte sich: Der SEV konnte erreichen, dass nicht nur die klagenden Lokführer, sondern die Mitarbeitenden aller Berufsgruppen, die die Voraussetzung erfüllen, für fünf Jahre Nachzahlungen erhalten. Das Urteil des Schiedsgerichts war eindeutig gewesen: Die SBB hatte ihre eigenen Regeln nicht eingehalten, und so musste sie auf Zeitguthaben von 2005 bis 2010 nachträglich 25 Prozent Zuschlag entrichten. Übergriffe gegen das Personal Ein unerfreulicher Dauerbrenner in der Tätigkeit des SEV sind Aggressionen gegen das Personal des öffentlichen Verkehrs. Nachdem sich Anfang der 10er Jahre die Anstrengungen der Gewerkschaft, der Unternehmen und der Politik positiv auszuwirken schienen, nahmen die Übergriffe 2012 wieder deutlich zu. Trotz Ausbau der Doppelbegleitung im Fernverkehr, erhöhter Präsenz der Transportpolizei und Anwendung der Gesetzesbestimmung, dass diese Übergriffe als Offizialdelikte zur Anzeige kommen, wurden rund 240 gravierende Übergriffe allein bei der SBB registriert. Es handelt sich dabei allerdings nicht um ein spezifisches Phänomen des öffentlichen Verkehrs, sondern um eine gesellschaftliche Entwicklung, die sich auch allgemein in einer erhöhten Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung und durch massive Grenzüberschreitungen bei Auseinandersetzungen zeigt. Entsprechend stehen die Verkehrsunternehmen dem Trend eher hilflos gegenüber. Der SEV kritisiert die Anonymisierung des öffentlichen Verkehrs durch automatisierte Bahnhöfe und unbegleitete Züge. Er spricht sich für gut sichtbare Personalpräsenz auf Bahnhöfen und in Zügen aus und stellt sich gegen Ansätze, weitere Zugskategorien unbegleitet verkehren zu lassen. Opfer einer Aggression wurde auch ein Zugbegleiter, der einen Fahrgast aufforderte, seinen Fahrausweis zu zeigen. Der Passagier wurde ausfällig und griff den Zugbegleiter schliesslich an. Dieser schlug in einer Reflexbewegung zurück. In der Folge kündigte ihm die SBB fristlos, obwohl er zuvor während rund 25 Jahren ohne die geringste Beanstandung als Zugbegleiter gearbeitet hatte: keine einzige Kundenreaktion in der ganzen Laufbahn, kein einziges Vorkommnis. Mit Hilfe des SEV-Rechtsschutzes focht der Zugbegleiter die Kündigung an. Das Bundesverwaltungsgericht kam zum Schluss, dass eine fristlose Entlassung in dieser Ausgangslage nicht gerechtfertigt sei und wies die SBB an, den Mann wieder einzustellen. Allerdings sei ihm ein Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt zuzuweisen. Auch das Schalterpersonal muss sich vieles gefallen lassen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Geldversandgeschäft von Western Union kam es wiederholt zu Übergriffen und Bedrohungen. Belastend wirkten auch organisatorische Umstellungen; so kam es beispielsweise in Genf nach dem Umbau der Schalteranlage zu Wartezeiten von bis zu zwei Stunden, was auch fürs Personal absolut unerträglich war. Neues Gesetz: Transportpolizei mit Bewaffnung Über mehrere Jahre setzte sich der SEV dafür ein, dass eine gesetzliche Grundlage für die Transportpolizei geschaffen wurde. Während der Grundsatz politisch unbestritten war, führte die Frage der Art dieses Polizeikorps zu grösseren Diskussionen. Letztlich entschied sich das Parlament für eine Unterscheidung zwischen der eigentlichen Transportpolizei und den Ordnungsdiensten, die auch privat geführt werden können. Bei der Schaffung der Transportpolizei erhielt die Frage der Bewaffnung grosses Gewicht. Der SEV, der sich lange Zeit aus Sicherheitsgründen gegen bewaffnete Polizistinnen und Polizisten gestellt hatte, schloss sich der Haltung seiner Mitglieder bei der Transportpolizei an und sprach sich für die Bewaffnung aus. Ausschlaggebend war der Umstand, dass sowohl Angehörige von Kantonspolizeikorps als auch der Armee bereits bewaffnet Einsätze in Zügen leisteten, ohne die spezifische Ausbildung für den Einsatz in Zügen zu haben, wie sie bei der Transportpolizei dazugehört. Mit dieser Haltung verbunden war aber auch die nachdrückliche Hoffnung, dass ein Waffeneinsatz in einem Zug weiterhin ausbleibt – was bisher der Fall war. 20 Jahre danach Der 14. Juni 2011 war für die Frauen in der Schweiz ein besonderes Jubiläum: 20 Jahre nach dem Frauenstreik zogen sie Bilanz über Erreichtes und Lücken. Die Lohngleichheit bleibt das vordringliche Anliegen der gewerkschaftlichen Frauenbewegung. Deshalb setzten die SEV-Frauen am 14. Juni 2011 auch einen Schwerpunkt zu diesem Anliegen. Sie besuchten die Führung der drei grössten Schweizer Bahnen – SBB, BLS und RhB –, um sie zu ermuntern, am Lohngleichheitsdialog teilzunehmen. Dieses Instrument ermöglicht es einem Unternehmen, seine Lohnstruktur systematisch zu beurteilen und allfällige ungerechtfertigte Unterschiede aufzudecken. Die SBB ist inzwischen in den Dialog eingetreten, BLS und RhB zögern noch. Auch der SEV selbst beteiligt sich als Arbeitgeber am Dialog. Mit einem Kurz-Spot des Animationsfilmers Lukas Moor machte der SEV am 14. Juni 2011 auf den Grossbildschirmen der Bahnhöfe auf die Forderung nach beruflicher Gleichstellung von Frau und Mann aufmerksam. Dass es nach wie vor viel zu tun gibt, zeigt der Themenkatalog, den sich die Frauen der deutschsprachigen Bahngewerkschaften für ihr Vierländertreffen in Bern aufgestellt hatten: «Die unterschiedlichen Hierarchiestufen der für die Gleichstellung bei den Gewerkschaften Verantwortlichen; das Engagement der für ihre Gewerkschaftstätigkeit nicht freigestellten Frauen; Möglichkeiten und Grenzen der Gleichstellungspolitik in den Unternehmen und den Gewerkschaften; die Situation der Frauen in den Verkehrsunternehmen bei Restrukturierungs- und Rationalisierungsvorhaben; national unterschiedliche Gesetzgebungen zu Mutterschaftsurlaub, Schutz der Mütter und Betreuungsurlaub; Arbeitsmodelle, die auf die persönlichen Bedürfnisse und jene der Familie Rücksicht nehmen; und Möglichkeiten, die Gleichstellung in der Gewerkschafts- und Arbeitswelt zu konkretisieren.» Auch Temporäre unterstehen dem AZG Immer wieder wurde der SEV mit der Frage konfrontiert, ob temporäre Angestellte dem Arbeitszeitgesetz unterstellt sind oder nicht. Insbesondere in Industriewerken und bei der Zugvorbereitung kam es wiederholt zu Diskussionen, weil Vorgesetzte die Meinung vertraten, temporäres Personal müsse das AZG nicht einhalten. Inzwischen hat der SEV von der SBB eine klare und eindeutige Haltung erwirkt, die seine Erwartung bestätigt: Wo das temporäre Personal Tätigkeiten ausübt, die gemäss Verordnung zum AZG betrieblich sind, ist dieses ebenfalls dem AZG unterstellt. 18 19 SEV bi de Lüt Nicht in allen Berufsgruppen besteht gleich viel Werbepotenzial. Nach wie vor weisen die traditionellen Bahnberufe einen sehr hohen Organisationsgrad auf. Dagegen ist dieser bei den Verwaltungsberufen weiter zurückgegangen. Vermehrt stellen die Unternehmen in den administrativen Berufen Leute von aussen ein, die keine gewerkschaftliche Tradition mitbringen. Auf diese Berufsgruppen richtete der SEV im Herbst 2012 eine intensive Propaganda-Aktion aus: Während je einer Woche bezog der SEV mit einem Kleinbus Stellung vor dem Verwaltungsgebäude von SBB Personenverkehr im Wyler in Bern und vor dem Sitz der SBB Informatik in Worblaufen. Damit bot sich die Gelegenheit, das Personal nicht nur punktuell anzusprechen, sondern eine echte Annäherung zu ermöglichen. Die Erfahrungen waren positiv, doch wird sich diese Aktion nur auszahlen, wenn die jeweiligen Zielgruppen weiterhin systematisch angesprochen werden. 10 100 % 9 80 % 8 7.24 7.23 7.44 7.20 7 60 % 6 5 40 % 4 3 20 % 2 Total 1 D-CH 2 3 4 W-CH 5 6 Mittelwert 7 1 Tessin 8 9 10 sehr zufrieden 0% keine Angaben Mitgliederwerbung Weiterhin stellte die Mitgliederwerbung eine Kernaufgabe dar (Mitgliederentwicklung siehe Seite 23). Unter dem Titel 11-11-11 und 12-12-12 führte der SEV in beiden Jahren eine Motivationskampagne durch. Erfolgreiche Werberinnen und Werber konnten zusätzlich zu den üblichen Prämien attraktive Sachprämien erreichen, indem sie bis zum Datum, das der Aktion den Namen gab, die entsprechende Anzahl Neumitglieder gewannen. Die Aktionen waren Bestandteil des Projekts Werben und Organisieren, das vom damaligen Verbandsvorstand im Herbst 2008 für vier Jahre bewilligt worden war. Insgesamt zogen die Verantwortlichen Ende 2012 eine positive Bilanz. Zwar wurden nicht alle festgelegten Ziele erreicht (insbesondere die Betreuung der SBB-Sektionen durch Gewerkschaftssekretär / innen kam nicht zustande), aber die Mitgliederentwicklung verlief deutlich besser als in den Jahren vor dem Projektstart. So gelang es durchgehend, bei den Aktivmitgliedern die Austritte durch Neueintritte zu kompensieren. Ebenfalls erfolgreich war das Kursangebot für Sektionsverantwortliche, das in mehreren Durchgängen die Grundlagen erfolgreicher Sektionsarbeit vermittelte. Es legte die Basis für den Erfolg von «Mitglied wirbt Mitglied». Zufriedene Mitglieder Die Befragung der SEV-Mitglieder ergab eine hohe Zufriedenheit mit der Gewerkschaft. Hoch ist auch überhaupt nicht zufrieden Neues Leitbild SEV Der Kongress 2011 verabschiedete das neue Leitbild des SEV (siehe Seite 20). Dieses definiert in vier kurzen Leitsätzen das Selbstverständnis, die Werte, die Zusammenarbeit und den Auftrag der Gewerkschaft. Jörg Matter SEV in Bewegung Longo Hofer Logo der Mitgliederwerbeaktion 2012 Neues Leitbild, Mitgliedernähe, Mitgliederzufriedenheit die Identifikation mit ihr. Der SEV wollte genau wissen, was seine Mitglieder von der Gewerkschaft halten und hat deshalb im Frühling 2012 beim LINK-Institut eine repräsentative Befragung in Auftrag gegeben. Der Rücklauf der Fragebogen war ausserordentlich hoch, so dass die Antworten sehr aussagekräftig sind. Das wichtigste Resultat: Die meisten Mitglieder sind zufrieden mit dem SEV, viele sogar sehr zufrieden: Der Durchschnitt liegt bei 7,24 Punkten auf der zehnstufigen Skala. Dies ist ein hoher Wert, auch im Vergleich mit anderen Organisationen (gemäss LINKInstitut liegt die Messlatte – der sogenannte Benchmark – bei 7,0). Das typische SEV-Mitglied ist zwischen 45 und 60 Jahre alt, männlich und arbeitet bei der SBB. Es hält den SEV für eine aktive, politisch eher linke, aber nicht allzu moderne Organisation. Es wünscht sich mehr Kampfbereitschaft und mehr Engagement in der Verkehrspolitik sowie persönlichen Kontakt mit den Gewerkschaftsfunktionären. Wichtigste Dienstleistung des SEV ist der Berufsrechtsschutz, auch die Weiterbildungsangebote werden geschätzt, hingegen sind die kommerziellen Angebote eher zweitrangig. Als wichtigsten Grund für die Zugehörigkeit zum SEV gaben die Mitglieder an, dass sie Teil der Arbeiterbewegung sind, praktisch gleichauf folgen der Berufsrechtsschutz und die Gesamtarbeitsverträge. Bemerkenswert ist, dass viele jüngere Mitglieder angeben, dass sie bereit sind, im SEV aktiv Aufgaben zu übernehmen. SEV-Versicherungen zu Helvetia Zu einem Ende ohne Schrecken kam es im Herbst 2012 bei den SEV-Versicherungen. Diese waren zwar bis zuletzt im operativen Geschäft erfolgreich. Die Henriette Schaffter SEV International Wie üblich treffen sich die Spitzen der deutschsprachigen Verkehrsgewerkschaften einmal jährlich zu einem Ideen- und Erfahrungsaustausch. 2011 war die österreichische Vida für die Durchführung zuständig. In Wien lag das Schwergewicht der Gespräche einerseits bei den EUVorlagen zum Recast des und Auch die SEV Frauen treffen sich regelmässig mit ihren deutschen, österreichi- Eisenbahnpakets schen und luxemburgischen Kolleginnen. 2012 fand das Treffen im SEV-Zentral- zum Weissbuch Verkehr, andererseits bei der allsekretariat statt. gemein tiefen Arbeitsgesetzlichen Anforderungen im Finanzgeschäft, die zufriedenheit des Bahnpersonals. Ein Jahr später in nach der Krise von 2008 auch für Versicherungen Hammersbach bei Garmisch-Partenkirchen, im Hotel verschärft wurden, überstiegen jedoch die Möglich- der deutschen EVG, war der grenzüberschreitende keiten der Genossenschaft, die vom SEV seinerzeit Einsatz von fahrendem Personal ein Hauptthema. In als Teil der privaten Vorsorge seiner Mitglieder ins diesem Zusammenhang ging es zudem um die SiLeben gerufen worden war. Mit der Helvetia Versi- cherheit im Eisenbahnverkehr allgemein und die Ercherung wurde ein Unternehmen gefunden, das die fassung von Sicherheitsstandards und deren KontSEV-Versicherungen mit allen Verpflichtungen über- rolle sowie um die Ausbildung von Eisenbahnerinnen nahm, so dass weder Versicherte noch Angestellte zu und Eisenbahnern und wie diese europäisch zu harmonisieren ist. Schaden kamen. Mit vier Leitsätzen in die Zukunft: Das Leitbild des SEV Unser Selbstverständnis Wir sind die Gewerkschaft des öffentlichen Verkehrs und vertreten die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Pensionierten. Wir setzen uns ein für einen leistungsstarken und umweltverträglichen Service public mit fortschrittlichen Arbeitsbedingungen für alle. Wir sind eine aufgeschlossene Organisation, die Probleme zukunftsorientiert anpackt. Unsere Werte Wir sind der Solidarität, sozialen Gerechtigkeit, Gleichstellung und Demokratie verpflichtet: • Solidarität untereinander – ob aktiv, pensioniert, arbeitslos oder erwerbsbehindert • Soziale Gerechtigkeit bei Arbeitsbedingungen, Löhnen, Sozialleistungen, Steuern • Gleicher Zugang zu Bildung, Erwerb und Laufbahn für alle • Demokratie und Mitbestimmung in Politik, Wirtschaft, Unternehmen – und im SEV • Gestützt auf unsere Grundwerte vertreten wir eine konsequente Haltung gegen jede Art von Diskriminierung und gegen Ausländerfeindlichkeit. Unsere Zusammenarbeit Unsere Mitglieder wirken in Gewerkschaftsarbeit, Verhandlungen und Politik aktiv mit. • Wir setzen uns für die Interessen der Berufsgruppen und der Pensionierten ein. • Wir anerkennen die Anliegen von Frauen und Männern, Jugend und Migrant/innen. • Das Gesamtinteresse der Mitglieder steht über den Gruppeninteressen. • Wir halten uns an demokratische Regeln und kommunizieren offen und konstruktiv. • Mit guten Dienstleistungen schaffen wir echten Mehrwert für unsere Mitglieder. • Wir leben untereinander, was wir von Arbeitgeber/ innen und Politik fordern. Unser Auftrag • Wir verfolgen unsere Ziele grundsätzlich auf dem Verhandlungsweg, sind aber in der Lage, zentrale Forderungen mit Kampfmassnahmen durchzusetzen. Wir sind anerkannt als gewichtiger Akteur in der Verkehrs-, Umwelt- und Sozialpolitik. • Wir übernehmen soziale Verantwortung und stehen für die Sozialwerke ein. • Wir sind aktives Mitglied der schweizerischen und internationalen Gewerkschaftsbewegung und arbeiten mit gleichgesinnten politischen Kräften zusammen. • Wir handeln parteipolitisch unabhängig und bleiben finanziell eigenständig. Leitbild SEV Die ausführliche Version des SEV-Leitbildes ist im Internet verfügbar unter: sev-online.ch > services > downloads 20 SEV Personen Personalvertretung SBB Die beiden Sitze der Personalvertretung im Verwaltungsrat der SBB waren neu zu besetzen. Zuerst musste Gewerkschaftssekretär Hans Bieri aufgrund der Amtszeitbeschränkung seinen Sitz räumen. Der SEV schlug mit Daniel Trolliet wiederum einen Kandidaten vor, der eine Bahnkarriere hinter sich hatte und als Gewerkschaftssekretär arbeitete. Ein Jahr danach gab Christiane Brunner ihren Sitz aus privaten Gründen auf. Auch hier schlug der SEV einen Kandidaten mit vergleichbarer Laufbahn vor: An die Stelle der früheren Ständerätin rückte der langjährige Nationalrat und Verkehrspolitiker Andrea Hämmerle nach. Verbands-Präsidium An der Spitze der Milizorganisation des SEV kam es ebenfalls zu einem Wechsel: Rinaldo Zobele, Zentralpräsident LPV, und Elisabeth Jacchini-Mühlemann, Zentralpräsidentin SBV, gaben das Vorstandspräsidium nach dem Kongress 2011 ab. Dieser wählte an ihre Stelle Andreas Menet, Zentralpräsident ZPV, als Präsident und Roland Schwager, Zentralpräsident VPV, als Vizepräsident von Vorstand und Kongress. Jörg Matter Präsidien Unterverbände Neu besetzt wurden zudem zwei Präsidien von Unterverbänden: Kurt Nussbaumer musste im Frühling 2012 die Leitung des VPT abgeben, nachdem er sich beruflich verändert und eine Kaderstelle bei der Matterhorn-Gotthard-Bahn angetreten hatte. Die Delegiertenversammlung wählte den Freiburger Buschauffeur Gilbert d’Alessandro zu seinem Nachfolger; dieser war bereits Mitglied des SEV-Vorstands. Ende 2012 gab Rinaldo Zobele aus privaten Gründen die Führung des LPV ab. An seine Stelle wählte eine ausserordentliche Delegiertenversammlung den Zürcher Personenverkehrs-Lokführer Urs Mächler, der in früheren Jahren als Sektionspräsident beim LPV Winterthur und in der Lokalpolitik aktiv war. zvg Marlyse Zurbuchen Ruedi Hediger Nick Raduner Eintritte 2012 Daniel Froidevaux tritt im März als Gewerkschaftssekretär im Zentralsekretariat Bern ein. Im Juni nimmt Aroldo Cambi die finanziellen Geschicke des SEV als neuer Finanzverwalter in die Hand. Jörg Matter Jörg Matter 21 Neuer Bundesrat – neuer Kommunikationsstab Indirekt kam es zu einer weiteren Verknüpfung des SEV ins Bundeshaus: Der neu gewählte Bundesrat Alain Berset berief Peter Lauener in seinen Kommunikationsstab. Dieser war zuvor Kommunikationschef beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund; bis 2006 hatte er diese Funktion im SEV inne. Peko-Wahlen SBB 2011 mussten die Personalkommissionen der SBB neu gewählt werden. Der SEV konnte seine Kandidatinnen und Kandidaten fast überall durchbringen. Für die neu Gewählten bot der SEV danach im Rahmen von Movendo eine gezielte Ausbildung an, damit sie ihre Aufgaben wirkungsvoll ausüben können. Bereits kurz vor den Wahlen hatte Marcel Ruoss das Präsidium der Peko SBB übernommen. Die Präsidien der Divisionskommissionen wurden nach den Wahlen neu bestellt, wobei nur die Peko Immobilien und Zentralbereiche eine neue Präsidentin erhielt: Das neugewählte Mitglied Liliane Staub (SEV) wurde an die Spitze gewählt. Bestätigt wurden Marcel Ruoss (SEV, Personenverkehr), Alex Brunner (VSLF, Cargo) und Fritz Augsburger (SEV, Infrastruktur). Erfolgreiche Gewerkschaftssekretäre Zwei weitere Gewerkschaftssekretäre haben den Diplomlehrgang erfolgreich abgeschlossen: Angelo Stroppini, der im Regionalsekretariat Bellinzona arbeitet, und Valérie Solano, die das neu eröffnete Regionalsekretariat in Genf führt. Ein- und Austritte 2011 und 2012 Eintritte 2011 Remo Ziegler unterstützt seit März administrativ das Regionalsekretariat in Zürich. Im Juni nimmt Andreas Etter seine Arbeit in den Mitgliederdiensten auf. Im neu geschaffenen Regionalsekretariat in Genf ist seit September Valérie Solano als Gewerkschaftssekretärin tätig. Als Auszubildende von login haben Claudia Fahrni im ersten Halbjahr und Nadja Müller im zweiten Halbjahr ihre Ausbildungssemester KVöV im SEV in Angriff genommen. Peter Hartmann SEV-Nationalräte Die nationalen Wahlen im Oktober 2011 führten zu einer Verstärkung der SEV-Delegation in den Eidgenössischen Räten: Im Thurgau wurde Gewerkschaftssekretärin Edith Graf-Litscher als Nationalrätin bestätigt, und im Kanton Solothurn wurde Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn neu in den Nationalrat gewählt. Edith Graf ist Mitglied der nationalrätlichen Verkehrskommission (KVF), Philipp Hadorn gehört der Neat-Aufsichtsdelegation (NAD) an. Michael Buletti ist seit Juli Gewerkschaftssekretär im Zentralsekretariat Bern. Seit August verstärkt Mirjam Schläfli administrativ die Mitgliederdienste. Im Oktober nimmt Sia Lim ihre Tätigkeit als stellvertretende Finanzverwalterin auf. Als Auszubildende von login absolviert Carina Hofer ihre zwei Ausbildungssemester KVöV im SEV. Austritte im 2011 und 2012 Christian Cuénoud, adm. Mitarbeiter Mitgliederdienste, und Sandro Rubin, Finanzverwalter-Stv, haben eine neue Herausforderung angenommen. Marlyse Zurbuchen, administrative Mitarbeiterin, Peter Hartmann, Gewerkschaftssekretär im Regionalsekretariat St. Gallen, Ruedi Hediger, Finanzverwalter SEV, und Nick Raduner, Gewerkschaftssekretär, sind in den wohlverdienten Ruhestand getreten. SEV neu präsentiert Seit Anfang 2011 präsentiert sich der SEV mit drei neuen, zielgruppenspezifischen Werbebroschüren sowie einer Willkommensbroschüre für Neumitglieder. Je eine Broschüre für SBB-Personal, Mitarbeitende von KTU und Beschäftigte im Tourismusbereich sprechen die Zielgruppen direkt an und zeigen den SEV als die wichtigste Gewerkschaft in allen Bereichen des öffentlichen Verkehrs. «Die Broschüren entsprechen nun auch unserer dynamischen Ausrichtung», wie Giorgio Tuti festhält. Ergänzend zu diesen Broschüren gibt es neu eine Willkommens-Broschüre, die alle neu Eingetretenen erhalten, wenn sie zum SEV kommen. Sie erfahren darin alles Wesentliche über den SEV, seine Organisation, besonders aber seine Angebote und Leistungen zum Wohl und Nutzen der Mitglieder. Sektion Bahndienstleistungen Eine Erfolgsgeschichte erster Güte wird durch die Sektion Bahndienstleistungen geschrieben. Bei ihrer Gründung im Frühling 2006 bestand sie aus 60 Mitgliedern. Ende 2011 waren es schon 500! Dieser aussergewöhnliche Erfolg ist dem unermüdlichen Engagement von Calogero Ferrucio Noto zu verdanken, der bis März 2012 die Sektion Bahndienstleistungen präsidierte. Die Sektion VPT Bahndienstleistungen ist 2006 aus der Fusion von VPT Nachtzug und VPT Elvetino hervorgegangen. Die Sektion hat heute bei Elvetino einen Organisationsgrad von 30 %. Bei Rail Gourmino Swiss Alps gehören ihr 25 % der Mitarbeitenden an, bei DB Autozug (Citynightline) und DB Reise & Touristik Schweiz noch weniger als 10 %. Zu den Mitgliedern des VPT Bahndienstleistungen gehören auch 24 Pensionierte und 15 externe Mitglieder. SEV auch für Kader Der SEV will vermehrt auch Leute aus den Kadern als Mitglieder gewinnen. Daher organisiert er seit ein paar Jahren regelmässige Kaderanlässe, um mit dieser Zielgruppe in Kontakt zu treten. Leider muss festgestellt werden, dass diese Kaderanlässe bei der Zielgruppe nur auf mässiges Echo stossen. Obwohl es Anlässe gab, an denen 70– 80 Leute teilnahmen (etwa zu den Themen «Ethik» und «Burn out»), konnten in den anderen Fällen jeweils nur wenige Teilnehmende begrüsst werden. Im Normalfall fühlen sich die Kaderleute nicht auf Unterstützung durch die Gewerkschaft angewiesen, was es schwierig macht, mit ihnen in Kontakt zu treten. Für den SEV gibt es in diesem Bereich also noch viel Basisarbeit zu leisten. Mitglieder und Werbung Werben und Organisieren Rund um den SEV Glanz & Gloria Das grösste Talent – nicht nur in den Reihen des SEV – ist nach Meinung des Schweizer Fernsehpublikums Maya Wirz, Mitglied der Sektion VPT BLT. Die singende Busfahrerin wurde im März 2011 Gewinnerin der ersten Staffel der TV-Show «Die grössten Schweizer Talente». Der Erfüllung ihres Traums, vom Gesang leben zu können, ist sie damit einen Schritt näher gekommen. In der Wintersaison 2011 / 12 war sie als «Special Guest» – will heissen, als Solistin – mit dem Bo-Katzmann-Chor unterwegs. Neuer Präsident SERV Der Schweizerische Eisenbahner-Reiseverein (SERV) wird seit Anfang 2011 durch Rolf Specht präsidiert. Der 65-jährige Schaffhauser absolvierte die Verkehrsschule St. Gallen und arbeitete danach als Ablöser auf diversen Bahnhöfen. Nach einer weiteren wechselvollen Karriere, unter anderem als SouchefAblöser im HB Zürich, als Leiter der Betriebszentrale Zürich und als Zuständiger für die Verbesserung der Pünktlichkeit im Personenverkehr, wurde er im Juni 2010 pensioniert. Beim Angebot des SERV will Rolf Specht auf das Bewährte setzen und auch das bewährte Zielpublikum ansprechen: rüstige Rentnerinnen und Rentner, die «gerne in angenehmer Gesellschaft reisen». aus. Als Grund gibt er an, dass sich der KVöV zunehmend und in erster Linie für die Belange der Kader einsetzt, die nach OR angestellt sind. Kader mit GAV würden vergessen oder nur noch stiefmütterlich behandelt. Ein weiterer Grund war gemäss Schwager, dass sich der KVöV zu nahe an den Positionen der SBB befinde und sich zuwenig für die Arbeitnehmenden einsetze. Da sei das Geld für eine Mitgliedschaft beim SEV deutlich besser eingesetzt … Neue Strafprozessordnung Anfang 2011 trat eine neue, gesamtschweizerisch gültige Strafprozessordnung in Kraft, welche die bis dahin gültigen unterschiedlichen kantonalen Strafprozessordnungen ersetzt. Die – auch für den SEVRechtsdienst – spektakulärste Änderung betrifft den «Anwalt der ersten Stunde». Für den SEV Berufsrechtsschutz ergeben sich Probleme, falls ein Mitglied eines Anwaltes bedarf zu Zeiten, in denen das Zentralsekretariat nicht besetzt ist. Unser Netzwerk von Anwälten ist zu weitmaschig, um eine Betreuung unserer Mitglieder rund um die Uhr zu gewährleisten. Zudem erlauben es die Bestimmungen einem Mitglied nicht, seinen Anwalt völlig frei auszuwählen. Das SEV-Rechtsschutz-Team hat daher eine Checkliste erarbeitet, welche es den Mitgliedern ermöglichen soll, auch unter diesen einschränkenden Bedingungen ihre Rechte zu wahren. Checkliste Rechtsschutz 1. Liegt tatsächlich ein Fall für den Berufsrechtsschutz vor? 2. Brauche ich wirklich für die erste Einvernahme einen Anwalt? 3. Hotline einer Anwaltskammer konsultieren (Kosten abklären!). 4. Den SEV-Berufsrechtsschutz so rasch wie möglich benachrichtigen. Die detaillierte Checkliste findet sich auf unserer Website unter der Rubrik «Link zum Recht» Roland Schwager verlässt KVöV Der VPV-Präsident und Vizepräsident des Vorstandes SEV, Roland Schwager, trat Mitte 2011 aus dem KVöV 22 Finanzen Aktienmarkt entlastet die SEV-Jahresrechnung 2012 Die Erfolgsrechnung 2012 kann positiv gewertet werden. Einem leichten Rückgang beim Betriebsertrag steht die markante Erholung an den Aktienmärkten gegenüber, die dem Ergebnis einen unverhofft hohen Beitrag bescheren. Aufwandseitig verlief die Entwicklung wie geplant. Probleme bereitet nach wie vor die Mitgliederentwicklung. Das Berichtsjahr verzeichnet einen kleinen Überschuss von CHF 46 728.38. Dieses positive Ergebnis stimmt zuversichtlich. Einerseits stoppen wir nach zwei aufeinanderfolgenden Verlustjahren den Substanzverzehr, andererseits werden sich kostensenkende Massnahmen künftig positiv auswirken. Die Mitgliederentwicklung der letzten Jahre zeigt einen stetig rückläufigen Mitgliederbestand in der Grössenordnung von 1.5 % pro Jahr. In vollzahlenden Einheiten beträgt der Rückgang im 2012 440 Mitglieder, was einem Verlust von 1.37 % entspricht. Dies zeigt, wie enorm wichtig es ist, neue Mitglieder zu finden. Aufwandseitig stellte das 2012 ein Übergangsjahr dar. Personelle Veränderungen führten zu Lohneinsparungen, die sich ab 2013 nachhaltig auswirken werden. Eine kurzfristige Zunahme der Lohnsumme ist kurzen Doppelbesetzungen (Einführungsphasen), externen Kosten für den Rekrutierungsprozess des neuen Finanzverwalters sowie Arbeitgeberbeitrags- reserven zur Steueroptimierung geschuldet. Die Entwicklung der Sachkosten verlief plangemäss. Unsere Finanzanlagen profitierten nach zwei Durstjahren von der Erholung der Aktienmärkte. Die Rendite betrug im 2012 stolze 5.3 %. Es bleibt zu hoffen, dass die Entwicklung der Aktien-, Immobilienund Rohstoffmärkte in den kommenden Jahren die Belastung durch das tiefe Zinsniveau ausgleichen wird. Anpassung der Mitgliederbeiträge Seit längerer Zeit decken die Mitgliederbeiträge im SEV die Betriebskosten nicht mehr. Während in «guten» Börsenjahren die Kapitalerträge dennoch zu schwarzen Zahlen in der Gesamtrechnung führten, musste der SEV aufgrund der Auswirkungen der Finanzkrise auch Verluste hinnehmen. Um die Grundlage für einen gesicherten Betrieb zu schaffen, brachte die Geschäftsleitung eine Beitragserhöhung in die Diskussion. Schliesslich gab der Vorstand eine Vorlage mit mehreren Varianten in die Vernehmlassung. Aufgrund der Resultate einigten sich Geschäftsleitung und Vorstand darauf, eine Beitragserhöhung lediglich auf das strukturelle Defizit auszurichten. Per 2013 erhöhte der SEV den Grundbeitrag um 2.40 Franken im Monat und verschaffte sich so einen kleinen Spielraum, um das Tagesgeschäft in den nächsten Jahren ohne Defizit erledigen zu können. Finanzkennzahlen (In CHF 1 000) 2010 2011 2012 Betriebsertrag 10 889 10 808 10 733 Betriebsaufwand 11 791 11 201 12 429 Betriebsergebnis -902 -393 -1 696 Nebenbetriebe 857 376 1 743 Jahresergebnis -45 -17 47 Anzahl Mitarbeitende 64 64 64 Anzahl Vollzeitstellen 50.55 50.65 50.90 Mitgliederentwicklung (Stand jeweils 31. Dezember) Kategorie 2008 2009 2010 2011 2012 25 583* 25 622* 25 550* 25 638 25 320 Pensionierte 21 529 20 826 20 175 19 529 18 990 Gesamt 47 112* 46 448* 45 725* 45 167 44 310 -2.4 % -1.41 % -1.56 % -1.22 % -1.9 % 2008 2009 2010 2011 2012 Neueintritte 1 496* 1 809* 1 560* 1 953 1 583 Austritte 1 531* 1 271* 1 311* 1 398 1 407 Todesfälle 1 114 1 202 972 1 113 1 033 -1 149* -664* -723* -558 -857 Aktive Veränderung gegenüber Vorjahr Ein- und Austritte Saldo * Inkl. Externe (im Sozialbericht 2011 separat ausgewiesen) 23 Der SEV – Stand heute Am letzten Kongress wurde eine neue Stossrichtung definiert. Es solle geprüft werden, ob basisnahe Kooperationen mit anderen Gewerkschaften realistisch sind, ohne dabei eine Fusion in den Vordergrund zu stellen. Die Kooperation soll sich primär auf eine praktische Ebene (z. B. gemeinsame Infrastruktur) beschränken; daraus sollen Kosteneffekte resultieren. Es wurden Sondierungsgespräche mit verschiedenen befreundeten Organisationen geführt; konkrete Resultate in dieser Richtung liegen aber bisher nicht vor. Der SEV hat in den letzten 2 Jahren stark an seiner Positionierung innerhalb der Gewerkschaftslandschaft gearbeitet und sein Engagement im Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB verstärkt. Dies hat dazu geführt, dass der SEV als grösste und stärkste Gewerkschaftsorganisation im Verkehrsbereich stärker wahrgenommen wird und sein Gewicht gezielt einbringt. Intern ist es dem SEV gelungen, die am Kongress 2009 beschlossene Strukturreform (neuer Vorstand und Profi-Geschäftsleitung) reibungslos umzusetzen. Dadurch ist er schneller und effektiver geworden. Ebenfalls positiv zu werten sind die verschiedenen Zusammenarbeits- bis hin zu Fusionsprojekten einiger Unterverbände und Sektionen. Die Mitgliederentwicklung ist und bleibt das Schwergewichtsthema für die Zukunft: Der SEV konnte den Mitgliederschwund in den letzten 2 Jahren zwar drosseln aber nicht stoppen. Beim aktiven Personal konnte der SEV moderat wachsen (mehr Eintritte als Austritte), was sehr positiv zu werten ist. Leider muss der SEV jährlich weiterhin mit rund 1 000 Todesfällen rechnen, was in der Gesamtrechnung zu einem Mitgliederrückgang führt. Der SEV – Stossrichtungen für die Zukunft Die Stossrichtungen, um den SEV für die Zukunft zu stärken und bestmöglich zu positionieren, lassen sich auf zwei Ebenen definieren: • Nach aussen: Verstärkte Positionierung und basisnahe Kooperationen mit anderen Gewerkschaften: • Der SEV tritt kämpferisch auf, verstärkt weiterhin sein Engagement im Schweizerischen Gewerkschaftsbund und festigt dadurch seine Position als die Verkehrs-Gewerkschaft in der Gewerkschaftsbewegung. • Basisnahe Kooperationen mit anderen Gewerkschaften sind weiterhin vertieft zu prüfen und gegebenenfalls einzugehen. Im Vordergrund stehen nicht Fusionen, sondern vielmehr Kooperationen auf einer praktischen Ebene, die zu Synergien führen. • Nach innen: Strukturen und Mitgliederwerbung • Der SEV steigert seine Effizienz und Effektivität, indem er seine Strukturen überprüft und anpasst. Die Zusammenarbeit zwischen SEV, Unterverbänden und Sektionen soll intensiviert und so gestärkt werden. Dadurch ist der SEV näher beim Mitglied und steigert seine Mobilisierungsfähigkeit. • Durch gezielte Werbekampagnen, einem professionellen Mitgliedermarketing und durch Unterstützung der Sektionen bei der Mitgliederwerbung soll die Mitgliederentwicklung im SEV wieder ins Lot gebracht werden. Kongress 2011 Positioinspapiere Positionspapier Gewerkschaft Positionspapier Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit Neben Lohnverhandlungen und Arbeitszeitfragen sind die Themen Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit tragende Säulen der Gewerkschaftsarbeit. Die Situation in diesem Bereich wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst, insbesondere von der sich wandelnden demogra-fischen Struktur und der vermehrt geforderten Flexibilisierung (Arbeit an Wochenenden, Schichtdienste). Berufskategorien die im Kundenkontakt stehen, sind zunehmend mit einer steigenden Aggressivität der Gesellschaft konfrontiert. Dazu braucht es eine altersadäquate und ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, nach den neusten Erkenntnissen und dem Geschlecht angepasst, die aktuell sowie präventiv den Arbeitsplatz sicher macht und Gesundheitsschädigungen vorbeugt. Transportunternehmun-gen müssen konkrete Massnahmen umsetzen, damit das Personal von psychischen und physischen Aggressionen geschützt wird. Bund, Kantone und Gemeinden sind ebenfalls gefordert politische Lösungen zu finden, damit die Gewalt im öffentlichen Verkehr abnimmt. In erster Linie ist es Sache der Unternehmung, die richtigen Massnahmen zur Arbeitssicherheit und zur Unfallverhütung zu treffen. Arbeitnehmende müssen sich ihrerseits an die entsprechenden Vorschriften halten und beispielsweise Schutzkleidung tragen. Die betriebliche Mitwirkung in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz ist im Bundesgesetz über die Mitwirkung vorgeschrieben, weshalb die Personalkommissionen hier eine wichtige Rolle spielen. Ihre gesetzlichen Kompetenzen nehmen sie in Mitsprache wahr, immer vorausgesetzt, es sind keine ausgebauteren Mitwirkungsformen vereinbart worden. Angesichts des Umstands, dass gewisse Arbeitgeber der Auffassung sind, diese Themen seien exklusiv durch die Personalkommissionen zu bearbeiten und keine Sache der Gewerkschaft, hält der SEV fest, in welchen Formen er in der Vergangenheit aber auch in Zukunft er die Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bearbeitet. • Ganz direkt in Zusammenarbeit mit den Personalkommissionen • Durch eigene Aktivitäten der Sektionen oder Branchen (Sensibilisierungskampagnen) •Über gewerkschaftliche Aushandlung entsprechender Regelungen oder Ausbau der Regelungen in GAV • Indirekt durch die Einsitznahme in verschiedenen Gremien, wie beispielsweise die AZG-Kommission, oder der Verwaltungsrat der SUVA sowie in SGB-internen Kommissionen 24 •Durch politisches Lobbying bei Gesetzesentwürfen oder -revisionen • Durch Medienauftritte • Und letztlich auch durch Anzeigen von Missständen an Behörden, sofern keine anderen Mittel gegriffen haben. Positionspapier Soziales Jörg Matter In der Schweiz besteht seit einigen Jahren ein grosser Druck von bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbänden auf die Sozialwerke. Zusammen mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund hat der SEV vieles unternommen, um den Abbau zu bekämpfen. Erfolgreich war der Kampf gegen den «Rentenklau» bei den Pensionskassen, nicht jedoch jener gegen Verschlechterungen der Arbeitslosenkassen. Eigene Initiativen sind nötig, um den Sozialstaat Schweiz intakt halten zu können. AHV und IV Der SEV wehrt sich zusammen mit politischen und gewerkschaftlichen Partnern / -innen gegen die Erhöhung des Rentenalters und Leistungsverschlechterungen. Die AHV muss im Gegenteil gestärkt werden; das Ziel sind ein flexibles Rentenalter und Rentenanpassungen gemäss Mischindex, darüber hinaus sind die Renten zu erhöhen, damit sie dem Verfassungsauftrag entsprechend die Existenz sichern. Der SEV arbeitet mit dem SGB an der Idee AHV plus: Neu soll ein differenziertes Leistungsziel festgelegt werden. Für Einkommen bis 5 000 Franken soll die AHV 80 % abdecken, bis zu 7 000 Franken 70 % und darüber 60 %. Dasselbe Leistungsziel muss auch bei der Invalidenversicherung gelten. Berufliche Vorsorge (Pensionskassen) Nach jahrelangem Lobbying hat der SEV erreicht, dass der Bund einen Sanierungsbeitrag an die Pensionskasse SBB bezahlt, auch wenn dieser mit 1.148 Mia Franken die Probleme der Pensionskasse nicht abschliessend löst. Es fehlen immer noch Wertschwankungsreserven. Das aktive Personal leistete und leistet einen grossen Beitrag an die Sanierung, und auch die Pensionierten sind betroffen, da sie über lange Zeit keinen Teuerungsausgleich erhalten. Allfällige weitergehende Sanierungsschritte können weder von den Aktiven noch von den Pensionierten getragen werden. Die SBB, die eine attraktive Arbeitgeberin bleiben muss, müsste einen zusätzlichen Beitrag leisten. Sie steht auch gegenüber ihren pensionierten, ehemaligen Mitarbeitenden in der Pflicht. Auch zahlreiche Pensionskassen der andern Unternehmen des öffentlichen Verkehrs sind zu kostspieligen Sanierungen gezwungen. Der SEV unterstützt Massnahmen durch Bund und Kantone, wo diese nötig und unumgänglich sind und kämpft dafür, dass sie auf tragbare und sozialverträgliche Art umgesetzt werden. Der Minimalanspruch ist die Parität über alle Massnahmen hinweg: Die Arbeitgebenden müssen mehr als nur die gesetzliche Pflicht erfüllen. Der SEV beteiligte sich auch an der Unterschriftensammlung für die Mindestlohninitiative. Im Bild SEV-Präsident Giorgio Tuti bei der Übergabe der Unterschriften. 25 Mindestlohninitiative Hohe Arbeitszeiten und miserable Löhne, von denen man nicht leben kann, sind auch in Branchen des SEV ein Thema. Gerade in der Bahngastronomie und bei Bergbahnen werden nach wie vor tiefe Löhne bezahlt. So liegt der Durchschnitt der Löhne bei den acht grössten Bergbahnunternehmen im Kanton Graubünden bei lediglich 3 480 Franken. Mit der Initiative «für einen gesetzlichen Mindestlohn» will der Schweizerische Gewerkschaftsbund GAV-Abschlüsse fördern und eine Lohn-Untergrenze definieren. Der SEV beteiligt sich aktiv an dieser Initiative: Er wird mindestens 14 000 Unterschriften sammeln und sich im Rahmen der Kampagne dafür engagieren, dass keine Löhne unter 4 000 Franken mehr bezahlt werden. Früh- und Teilpensionierungsmodelle Der SEV stellt bei seinen Mitgliedern ein grosses Bedürfnis nach Möglichkeiten von frühzeitiger Pensionierung und Teilpensionierung fest. Besonders zeigt sich diese Erwartung bei Kolleginnen und Kollegen, die physisch anstrengende Arbeiten ausüben und / oder unregelmässigen Arbeitszeiten unterworfen sind. Der SEV entwickelt eigene Modelle, die auf die Bedürfnisse seiner Mitglieder angepasst sind, dies auf der Basis einer Übersicht über bestehende, funktionierende Modelle. Positionspapier Vertragspolitik kantonalen Rahmenverträgen soll intensiv angegangen werden. Die Vertragspolitik, die der SEV in den letzten 10 Jahren verfolgt hat, hat Früchte getragen. Über 50 Firmenarbeitsverträge, vier kantonale Rahmenverträge und der nationale Rahmenvertrag Normalspur für den regionalen Personenverkehr sind in dieser Zeit abgeschlossen worden. Allgemeinverbindlichkeitserklärungen Auf nationaler Ebene wird der SEV die Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) des Rahmenvertrags Normalspur vorantreiben. Sodann sind die Arbeiten zur AVE der kantonalen Rahmenverträge weiter zu verfolgen, zumindest in jenen Kantonen, wo nicht alle öV-Unternehmungen dem Rahmenvertrag unterstehen. GAV Gesamtarbeitsverträge sind das einzige wirksame Instrument, um die Mitarbeitenden im öffentlichen Verkehr davor zu schützen, dass der Wettbewerb auf ihre Kosten ausgetragen wird. Denn das Umfeld ist feindlich: Der Kostendruck auf den öffentlichen Verkehr wächst, die soziale Absicherung wird politisch angegriffen, und die Liberalisierung bleibt Programm. Die GAV-Politik muss konsequent weiter verfolgt werden, denn auch auf die Verträge wird stärkeren Druck ausgeübt: Immer öfter kommt der SEV bei «Weiterentwicklungen» in die Situation, das Erreichte unter grossen Anstrengungen halten zu müssen, so dass für Verbesserungen oft wenig Raum bleibt. Zahlreiche Unternehmen verfügen zudem über weniger Spielraum für Verbesserungen, da die Pensionskassen hohe Belastungen verursachen, was aber auch die Mitarbeitenden direkt trifft. Besondere Aufmerksamkeit ist dem GAV von SBB Cargo International zu widmen. Pflege und Ausbau der bestehenden GAV Die Erneuerung und Weiterentwicklung der bestehenden GAV beschäftigen den SEV zunehmend. Bislang gelang es, die Tendenz abzuwehren, Arbeitsbedingungen nur für einzelne Personalkategorien festzulegen. Es ist aber damit zu rechnen, dass diese Forderung mit wachsender Segmentierung des Personals vermehrt gestellt wird. Sollte es bei der Revision des AZG zu Verschlechterungen kommen, die auf politischem Weg nicht zu verhindern waren, will der SEV diese über den vertraglichen Weg wieder auffangen. Zu verhindern ist zudem, dass bestehende GAV ausgehöhlt werden durch zunehmende Auslagerungen von Arbeiten oder Beizug von Temporärkräften und Drittfirmen. Das Abwehren von Verschlechterungen darf nicht das einzige Ziel bleiben. Vermehrt muss der SEV auch wieder eigene Impulse setzen. Zum Beispiel soll die fünfte Ferienwoche in allen GAV verankert werden, und es sind neue Möglichkeiten der frühzeitigen oder flexiblen Pensionierung einzubringen. Auch das Thema der Nischenarbeitsplätze hat einen hohen Stellenwert. Flächendeckend Gesamtarbeitsverträge Noch haben nicht alle Unternehmen des öffentlichen Verkehrs kollektive Regelungen der Arbeitsbedingungen. Es bleibt das vordringliche Ziel des SEV, in den kommenden Jahren die letzten Personalreglemente durch GAV zu ersetzen. Auch die Arbeit an weiteren Positionspapier Verkehrspolitik Finanzierung der Infrastruktur Die Sicherung der langfristigen Finanzierung der Bahninfrastruktur ist das Thema, welches auch aus gewerkschaftlicher Sicht die Diskussionen der nächsten zwei Jahre in der nationalen Verkehrspolitik dominieren wird. Es ist das Ziel des SEV, dass die Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen zu diesen Fragen auf allen Stufen der Politik einfliessen und Beachtung finden. Der SEV pflegt den kontinuierlichen Austausch mit anderen Organisationen, mit Meinungsträgerinnen und -trägern des öffentlichen Verkehrs sowie den Mitgliedern des Parlaments. Um genügend und anständig bezahlte Arbeitsplätze anbieten zu können, ist der öffentliche Verkehr auf ausreichende finanzielle Mittel angewiesen. Die öV-Initiative und der direkte Gegenentwurf Der Bundesrat hat seine Vorstellung über die zukünftige Finanzierung der Bahninfrastruktur vorgestellt. Er versteht diese zugleich als Gegenvorschlag zur öVFlurin Doppler In der schweizerischen Verkehrspolitik sind zwei Trends absehbar: Zum einen sind die Finanzperspektiven sowohl für die Schiene als auch für die Strasse schlecht; die vorhandenen und gesetzlich gesicherten Mittel reichen nicht für die Sanierungen und Ausbauten, die die Infrastruktur braucht. Andererseits hat der Einfluss der Wirtschaftsverbände auf die Verkehrspolitik zugenommen, womit marktwirtschaftliche Ansätze aufkommen, die den Service public infrage stellen. Die Infrastruktur braucht nicht bloss Investitionen, sondern auch genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt. Initiative. Begrüssenswert am bundesrätlichen Projekt für einen Bahninfrastrukturfonds ist, dass er die nötige Ablösung des befristeten FinöV-Fonds bringt und neu unbefristet sowie objektmässig unbegrenzt handlungsfähig ist. Gut ist auch, dass die Finanzquellen, die bisher für Neat und Bahn 2000 zur Verfügung 26 Jörg Matter standen, auch den neuen Fonds speisen sollen. Richtigerweise soll der Fonds nicht nur den Bau, sondern auch Betrieb, Unterhalt, Substanzerhalt und Ausbau des gesamten Schienennetzes garantieren. Für diese zusätzlichen Aufgaben sind die in Aussicht gestellten finanziellen Mittel klar ungenügend und der Abbau aufgelaufener Schulden eine widersinnige Last. Der SEV macht sich deshalb stark dafür, den Fonds zu entschulden, den Mineralölsteueranteil zu erhöhen und alle Nutzniesser zur Finanzierung beizuziehen. Service public Der SEV bekennt sich zum Service public. Dieser umfasst aus Sicht des SEV eine flächendeckende, sichere und leistungsfähige Grundversorgung mit qualitativ guten Dienstleistungen. Diese sollen allen Bevölkerungsschichten, Wirtschaftsunternehmen und Regionen des Landes nach gleichen Grundsätzen und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen. Personal und Produktivität Der Wettbewerb darf nicht auf dem Rücken der Mitarbeitenden ausgetragen werden. Der anhaltende Ruf nach Produktivitätssteigerung ist in Betrieben, deren Kosten zu rund 50 % aus Löhnen bestehen, gefährlich und kann sich kontraproduktiv auswirken. Die hochgesteckten Ziele können nur mit Hilfe von genügend gut ausgebildeten und fair bezahlten Mitarbeitenden erfüllt werden. Nach dem Bauen auch unterhalten Der Unterhalt des Bahnnetzes wurde vernachlässigt, da zu wenig finanzielle Mittel und Ressourcen zur Verfügung standen. Dies kann sich längerfristig verheerend auf die Qualität des Verkehrs in der Schweiz auswirken. Bereits heute stösst das Netz immer mehr an seine Kapazitätsgrenzen. Durch die immer höhere Netzauslastung drohen eine Abnahme der Systemstabilität und eine Zunahme der Langsamfahrstellen, was letztlich auch den Taktfahrplan in Frage stellt. Der SEV setzt sich dafür ein, dass dem Unterhalt dieselbe Priorität beigemessen wird wie den prestigeträchtigen Neubaustrecken, welche notabene nach dem Bau auch sofort unterhalten werden müssen. Was und wo? Der SEV äussert sich nicht zur Konkurrenz unter den Ausbauprojekten. Es soll jenen Vorhaben der Vorzug gegeben werden, die dem Gesamtsystem den grössten Nutzen bringen. Der Güterverkehr ist zwingend in diese Überlegungen mit einzubeziehen. Wo gebaut wird, sind die Bedürfnisse des Personals zu berücksichtigen. Sichere Arbeitswege, gedeckte Arbeitsplätze sowie Pausen- und Ruheräume sind nur einige Stichworte in diesem Zusammenhang. Ausschreibungen nur als Ausnahme Der SEV hält am erfolgreichen System der integrierten Bahn fest. Er plädiert deshalb auch für eine Trassenvergabestelle des Bundes und wehrt sich gegen weitergehende Liberalisierungsschritte. Generelle Ausschreibungen im Bus- und Bahnbereich sind das falsche Mittel. In diesem Sinne begrüsst er die Richtung, welche die Bahnreform 2 (zweites Teilpaket) im Parlament eingeschlagen hat. Darin wird dem 27 Für Güter die Bahn: Übergabe der Petition «Stopp dem Kahlschlag beim Wagenladungsverkehr» am Sitz von SBB Cargo in Basel. gesetzgeberischen Willen Ausdruck verliehen, Ausschreibungen nur in wenigen, klar festgelegten Fällen einzusetzen. Für Güter die Bahn Das Zwischenziel der Güterverkehrsverlagerung (maximal 1 Million Lastwagen im Jahr 2011) und der Auftrag der Alpeninitiative (maximal 650 000 Lastwagen nach der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels) müssen zwingend eingehalten werden. Dazu ist die Alpentransitbörse rasch umzusetzen. Dieses Instrument zur Begrenzung des alpenquerenden Strassengüterverkehrs durch die Versteigerung und den Handel von Durchfahrtsrechten wird zurzeit in der europäischen Verkehrspolitik diskutiert. Der SEV setzt sich als Mitglied der Alpeninitiative für diese zukunftsweisende Idee ein. Positionspapier Europa Der öffentliche Verkehr in der Schweiz ist in vielerlei Hinsicht abhängig von der Verkehrspolitik der Europäischen Union. So werden insbesondere Fragen wie Marktöffnung, die komplette Trennung von Infrastruktur und Betrieb sowie der Wettbewerb im Personenverkehr von der EU mitdiskutiert und teilweise vorgegeben. 2001 wurde von der EU das erste von drei Eisenbahnpaketen genehmigt, dieses wird nun überarbeitet. Ausserdem hat sich eben erst wieder gezeigt, dass der Wert der europäischen Währung Einfluss auf die Rentabilität des Güterverkehrs in der Schweiz hat. Es ist deshalb unabdingbar, dass der SEV frühzeitig auch auf europäischer Ebene seine Sicht der Dinge einbringt. Recast (umformen, Neuauflage) erstes Eisenbahnpaket EU Die Europäische Union hat die Diskussion über eine neue Gesamtsicht auf die Bahnlandschaft lanciert. Die Stossrichtung lautet Wettbewerb, Wettbewerb, Wettbewerb. Der SEV setzt sich als Mitglied der ETF (European Transport Workers‘ Federation) vehement gegen diese Strömungen zur Wehr. Die ETF will eine Liberalisierung im Schienenpersonenverkehr verhindern, welche die Versorgungssicherheit der Menschen und Arbeitsplätze gefährdet. Sie setzt sich gegen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr ein, der Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert. Zudem versucht sie Lohn- und Sozialdumping zu verhindern sowie Verschlechterungen bei der Arbeitszeit, indem sie sich für die Stärkung der Vorgaben von Sozialstandards und Arbeitnehmerschutz bei Ausschreibungen von öffentlichen Verkehrsleistungen auf Strasse und Schiene stark macht. Arbeitsplätze und Verlagerung gefährdet Nicht nur Exportwirtschaft und Tourismus, sondern auch der Schienengüterverkehr ist vom tiefen Eurokurs massiv betroffen. Die Preise werden meist in Euro gemacht, die Kosten fallen aber weitgehend in Franken an. Daraus ergibt sich eine akute Gefährdung von Arbeitsplätzen in der Schweiz. Sollten die Bahnen die Preise an die Kosten anpassen, muss mit einer Rückverlagerung auf die Strasse gerechnet werden. Der SEV setzt sich deshalb dafür ein, dass Nationalbank und Bundesrat griffige Massnahmen ergreifen, um den Wechselkurs von Euro und Franken wieder in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen. Delegation des SEV an der ETF-Demo in Brüssel, Mai 2011 Olivier Barraud EU Weissbuch Verkehr 2050 Vor kurzem hat die EU den Fahrplan für die Verkehrspolitik der nächsten 40 Jahre vorgestellt. Mehr Verkehr auf Schienen und Flüssen, bessere und schnellere innereuropäische Verbindungen und klimaschonendere Fahrzeuge, so soll nach dem Willen der europäischen Kommission der Verkehr der Zukunft aussehen. Geht es nach der Kommission, soll es bis 2050 in den europäischen Städten keine konventionell betriebenen Autos mehr geben, CO2-Emissionen von Schiffen sollen um 40 % gesenkt werden und die Hälfte des Personen- und Güterverkehrs zwischen Städten soll auf Eisenbahn und Schiffe verlagert werden. Insgesamt sollen die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 60 % sinken. Auch wenn diese Ansätze entgegen früherer Befürchtungen dem Schienenverkehr einen wichtigen Stellenwert beimessen, ist in der weitern Diskussion grosse Aufmerksamkeit und starker Druck nötig, um das Prinzip der Ko-Modalität so umzusetzen, dass der kollektive Verkehr im Vordergrund steht und Individualverkehr nur dort gefördert wird, wo es keine sinnvolle Alternative gibt. Hier ist vor allem auch Schweizer (Gewerkschafts-)Wissen gefragt, wenn es darum gehen wird, die entsprechenden Gesetze zu gestalten. 28