Automatisierte Prozesse liegen im Trend

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Automatisierte Prozesse liegen im Trend
OUTSOURCING
Round Table
Automatisierte Prozesse liegen im Trend
Der technologische Wandel ist rasant. Nie war es so einfach, HR-Services auszulagern und zu optimieren. Über
technische Entwicklungen und Trends im HR-Outsourcing diskutierte Professor Wolfgang Appel mit führenden
Anbietern beim Round Table der Personalwirtschaft.
R-Outsourcing hat viele Gesichter.
Während die einen Dienstleister lediglich HR-Standardangebote mit fest definierter Leistungstiefe und ebensolchen
Prozessen im Programm haben, sind die
anderen wahre Meister der Flexibilität:
Sie bieten ihre HR-Lösung in der Cloud
oder als Hosting. Und ob Standardsoftware oder Spezialanwendung, ob Auslagerung von Kleinst- oder mehreren Teilprozessen, die ineinandergreifen, oder
komplettes BPO: Modell und Umfang
bestimmt allein der Kunde.
Einerseits ermöglicht die technologische
Entwicklung diese Flexibilität, anderer-
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seits sind es die Geschäftsmodelle vieler
Anbieter, die Kunden den größten Gestaltungsfreiraum lassen. Den umfangreichsten Nutzen ziehen mittelständische und
kleine Betriebe daraus, stellt Christoph
Scheele fest. „Der Unterschied zwischen
Groß- und Kleinanwendern fällt weg“, so
der Geschäftsführer von VRG HR. Unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter
können sie die HR-Software wahlweise im
Inhouse-Betrieb, über Application Service
Providing oder in der Cloud nutzen.
Dass KMU heute den Zugang zu den
aktuellsten HR-IT-Technologien haben,
ohne dabei in teure Basissysteme oder
große Technologieprojekte investieren zu
müssen, führt dazu, dass sie eine schlanke HR-Lösung und einen skalierbaren Leistungsumfang realisieren können, der auch
zu ihren Bedürfnissen passt, ergänzt Jörg
M. John, Geschäftsführer fidelis HR. „Häufig übliche One-for-All-Lösungen sind am
Ende des Tages meist teuer“, und sie seien
für kleine und mittelständische Unternehmen nur bedingt geeignet.
Doch auch Großunternehmen, die jahrelang in ihre On-Premise-Lösung investiert
haben, profitieren von der Flexibilität der
Cloud-Technologie. Weil „zusätzliche Systeme für HR-Prozesse nicht gewünscht
„
sind“, können sie ausgewählte Prozesse
auslagern, berichtet Nikolai Hartmann,
Geschäftsführer KWP Professional Services. Der Kunde suche dabei nicht ein
Modell von der Stange, sondern ein integratives System. Denn die Soft- und Hardware-Landschaft werde komplexer, so der
SAP-Anbieter. Innovative Produkte können auch auf neuen technologischen Plattformen entwickelt und in bestehende Systemlandschaften integriert werden.
Monika Füllmann, Head of Direct Sales, Sage
Personalsoftware und Service GmbH
„
Hauptsache transparent und
verfügbar
Obwohl Cloud Computing derzeit zu den
meist benutzten Begriffen der IT-Welt
zählt, spielt die „Datenwolke“ für Kunden
eine untergeordnete Rolle. Die Anbieter
vernehmen bei den Kunden vor allem zwei
Kriterien, die ihre Outsourcing-Entscheidung bestimmen: Transparenz und Integration von unterschiedlichen personalwirtschaftlichen Prozessen. Dabei spielt
es für sie keine Rolle, ob die Daten in
einem On-Premise- oder Cloud-Modell verarbeitet werden. Monika Füllmann, Head
auf Direct Sales von Sage: „Die Frage nach
der Transparenz bewegt Entscheider, weil
bei manchen Anbietern durch HR-Outsourcing sämtliche Informationen inhouse verloren gehen.“ Der Kunde wolle
aber auf das System zugreifen können,
auch wenn Outsourcer die Daten halten.
Für Unternehmen sei es wichtiger denn
je, auf Daten und KPIs als Entscheidungs-
Der eine Kunde möchte mehr
Automatisierung und möglichst
hochgradig, für den anderen ist
es eine Hilfe, dass er die Payroll
nicht mehr selber abwickeln
muss.
Michael Gulde, Managing Director, t.serv AG
grundlagen zugreifen zu können. Unabhängig davon, wie Cloud-Technologie nun
exakt definiert wird, zieht Michael Gulde,
Geschäftsführer t.serv AG, einen pragmatischen Ansatz vor: „Als Outsourcer sind
wir praktisch die Cloud. Wir bieten genau
das an, was der Kunde verlangt und übernehmen die Services komplett von der
Hardware über die Abrechnungsbearbeitung bis hin zur Anwendungsbetreuung.“
Das Unternehmen nutzt schwerpunktmäßig die Produkte von SAP, betreibt jedoch
im eigenen Rechenzentrum auch andere
Produkte für die Kunden.
On-Premise ein Auslaufmodell?
Professor Dr. Wolfgang Appel moderierte
den Round Table Outsourcing der Personalwirtschaft.
Integrierte HR-Gesamtlösungen,
ob in der Cloud oder im Hosting,
ermöglichen dem gesamten
Unternehmen Zugriff auf relevante
Workflows und Informationen.
Selbst wenn es für den Kunden nicht entscheidend ist, ob ein Cloud-, ASP- oder
SaaS-Modell hinter der Lösung versteckt,
so wird sich spätestens in fünf Jahren die
Cloud als technischer Standard für alle
HR-Lösungen durchsetzen. So lautet die
Prognose von Udo Meyer, Director Out-
sourcing bei Veda. Der Hersteller und
Dienstleister für HR-Software stellt Lösungen sowohl für On-Premise als auch ein
Cloud-Modell zur Verfügung bis hin zu
Business Process Outsourcing. Meyers
Argumente für den Siegeszug der Cloud:
Wer Daten ad hoc und vor allem sicher für
Mitarbeiter und Kunden zur Verfügung
stellen müsse und Prozesse in immer größerem Maße online abwickele, könne Technik, Datenschutz und die Anforderungen
an Verfügbarkeiten nicht mehr selber
managen. Daher werde die Cloud zum
Standardmodell.
Dem möchte Christoph Scheele von VRG
HR nicht zustimmen. Eigene Abrechnungssysteme und ABAP-Entwickler in Unternehmen gehörten zwar definitiv der Vergangenheit an. Gleichwohl werde es
Kunden geben, die „ihr On-Premise-System in die Hände eines externen Dienstleisters legen, der die Prozesse abwickelt“.
Denn Outsourcing könne auch bedeuten,
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„
Integrative HR-Systeme bleiben
ein zentrales Thema, auch
weil die neuen Kollaborationstools in den Produktionsbereich
und in Planungsprozesse
hineinspielen.
Nikolai Hartmann, Geschäftsführer,
KWP Professional Services GmbH
dass die Systeme zwar im Rechenzentrum
laufen, aber weiterhin von den Administratoren des Kunden betreut würden. Der
Kunde spare dennoch Kosten für Strom,
Klimatisierung und Standfläche ein.
Schnuppern und testen
Doch trotz aller Vorteile – wie Arbeitsentlastung, Zuverlässigkeit, Sicherheit und
möglichweise Kosteneinsparungen –
wägen KMU noch immer genau ab, ob sie
sich auf das „Wagnis“ HR-Outsourcing einlassen sollen. Da nahezu jede administrative HR-Aufgabe von den Anbieter bewältigt wird – vom Ausdruck und Versand
der Gehaltszettel, dem Bewerbungsmanagement, Reisekostenabrechnungen,
Fortbildungsmanagement, Arbeitszeiterfassung oder Anmeldung bei Renten- und
Sozialversicherung –, geschieht die erste
Annäherung oft nicht über das Outsourcing der Payroll, auch wenn dieser Bereich
immer noch die Domäne der Dienstleister
darstellt. Unternehmen beginnen häufig
mit Workflow-Lösungen oder der digitalen
Personalakte, sind die Erfahrungen von
VRG-Geschäftsführer Christoph Scheele.
Die digitale Personalakte komme immer
dann gut an, „wenn noch weitere, bereits
vorhandene Prozesse integriert werden
können, also das Anreichern um Workflows oder Personalmanagement-Module
möglich ist“. Häufig werde von den Kunden auch Unterstützung im Bewerbermanagement gewünscht: von der Definition
der stellenbezogenen Anforderungsprofile über die Verwaltung der eingehenden
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Bewerbungen bis zur Auswahl des passenden Kandidaten.
Bei Sage lassen Kunden beispielsweise
den Druck und Versand der Entgeltbescheinigungen oder die Durchführung des
Meldewesens vornehmen. Ebenso ist eine
Unterstützung bei der Entgeltabrechnung
möglich, die eigentlich nur als vorübergehender Zustand angedacht ist. Fällt beispielsweise kurzfristig der Lohnbuchhalter der Kunden aus, können sie „einen
Notfallservice nutzen, werden direkt vor
Ort unterstützt oder wir übernehmen die
Lohnabrechnung für den Monat komplett“,
erläutert Monika Füllmann. Aus dieser
Notlage entstehe häufig eine langfristige
Auslagerung. Denn diese kritische Situation mache dem Kunden bewusst, dass er
sich künftig absichern müsse. Gleichzeitig gewinne er schon erste positive Erfahrungen mit Outsourcing, die seine Entscheidung pro Auslagerung beeinflussen.
Der Kunde bestimmt
Das Ziel der Kunden, mit einer Auslagerung von Prozessen eine höhere Effektivität zu erreichen, wird unter anderem
durch die Automatisierung von Prozessen erreicht. Das bedeutet aber nicht, dass
er alle seine personalwirtschaftlichen
Abläufe zwingend automatisieren muss.
Ein Blick auf den Übergabeprozess zeigt,
wie unterschiedlich die Kundenunternehmen ein Outsourcing leben. So arbeiten
viele Firmen immer noch mit Excel-Listen.
Also „holen wir den Kunden dort ab, wo
er steht“, erklärt Michael Gulde, t.serv.
„Der eine möchte mehr Automatisierung
und möglichst hochgradig, für den anderen ist es eine Hilfe, dass er die Payroll
nicht mehr selber machen muss. Ob Listen befüllen oder Papierbelege liefern,
alles ist möglich.“ Als Dienstleister liefert
t.serv die Templates, mit denen der Kunde funktionell und gut arbeiten könne.
Auch bei fidelis HR lautet der Grundsatz:
„Die Übergabe in automatisierte HR-Prozesse wird basierend auf den Bedürfnissen des Kunden definiert und gestaltet,
erforderliche Freigabe-Schleifen werden
individuell im Workflow angepasst.“ Wichtig sei, betont Jörg M. John, dass die Verantwortung für die einzelnen Prozessschritte und die nötigen Freigabeschritte
eindeutig definiert ist.
Der Reifegrad des Kunden ist die Vorgabe und nicht die technische Umsetzbarkeit,
stellt auch Veda-Experte Udo Meyer klar.
Mitarbeiter können genauso per Mail
Änderungen weitergeben wie über SelfService-Portale oder per Post, der Outsourcer müsse alle Wege abbilden. Wichtig sei, dass kein Druck zu digitalen
Abläufen entstehe, solange die Unternehmensprozesse noch nicht optimiert seien.
„Als Dienstleister begleiten wir diese Optimierung, wollen sie aber nicht erzwingen.“
Mobile Zugriffe
Die Nachfrage nach mobilen Services und
entsprechenden Applikationen für Smartphones und Tablets steigt zunehmend,
wie die Erfahrung der Spezialisten zeigt.
Kunden wollen über gesicherte Zugangstechnologien jederzeit beispielsweise einen
Urlaubsantrag freigeben oder Unternehmensinformationen für ein spontan angesetztes Management-Meeting abrufen,
berichtet Jörg M. John, fidelis HR. „Unabhängig von der technologischen Lösung –
vom VPN über personen- oder gerätebezogene Verschlüsselungsverfahren – spielt
das Thema Schutz und Sicherheit der firmeneigenen Daten hierbei eine zentrale
Rolle.“ Mobile Applikationen sind auch
dann sehr wichtig, wenn für die Zeiterfassung kein Terminal zur Verfügung steht,
„
Wir stellen die Technologien
für die neue „HR-4.0-Welt“ zur
Verfügung und versetzen HR in
die Lage, die erforderliche
Prozess- und Technologiekompetenz aufzubauen.
Jörg M. John, Geschäftsführer, fidelis HR GmbH
beispielsweise am Arbeitsplatz Baustelle
oder Messe. Der Arbeitnehmer wolle seine Zeiterfassung bequem über das Smartphone vornehmen, weiß Monika Füllmann,
Sage, aus der Praxis. Gleiches beobachtet
sie bei der elektronischen Gehaltsbescheinigung: Mitarbeiter an Arbeitsplätzen
ohne PC oder Laptop möchten sich nicht
an einem stationären PC in ein Portal einloggen müssen. Stattdessen möchten sie
die Abrechnungen über ihr Smartphone,
Tablet oder über den Computer zu Hause
abrufen können. Allerdings unterschätzten die HR-Verantwortlichen oftmals die
Akzeptanz mobiler Anwendungen: „Selbst
wenn es Mitarbeiter gibt, die den Aufgaben nach weniger routiniert im Umgang
mit dem PC sind, so besitzt heute doch
nahezu jeder ein Smartphone, das er intensiv nutzt.“
Damit mobile Lösungen wie der digitale
Gehaltszettel angenommen werden, muss
die Software „für die mobilen Endgeräte
entsprechend gestaltet und intuitiv bedienbar sein“, betont Christoph Scheele von
VRG HR, das im mobilen Service-Portal
Gehaltsnachweise und die Lohnsteuerbescheinigung abdeckt.
Ebenso entscheidend für eine gute Akzeptanz ist es, den Mitarbeiter selbst entscheiden zu lassen, ob er den mobilen,
digitalen Gehaltszettel bevorzugt oder die
Abrechnung auf Papier, ergänzt Udo Meyer von Veda. Zudem sollten Betriebsräte
frühzeitig einbezogen werden. „Der mobile E-Payslip wird bereits gut angenommen, aber er ist noch kein Massenphäno-
men.“ Gleichzeitig erlebt er auch Kunden,
für die der mobile Zugriff auf Entgeltabrechnung, Urlaubsworkflow, Zeitkonten
und Ähnliches bereits selbstverständlich
ist. „Diese Organisationen diskutieren wir
nicht mehr die Möglichkeit mobiler Zugriffe, sondern leben mobile Zusammenarbeit.“
Mittelstand geht international
Erst kommen die Vertriebsniederlassungen, dann folgen Produktionsstandorte:
Rund 40 Prozent der Mittelständler sind
bereits im Ausland aktiv, weitere 20 Prozent planen den Schritt ins Ausland,
berichtet eine Studie vom Institut für
Mittelstandsforschung (IfM). Also verändern sich auch die Anforderungen im HRBereich. Die Internationalisierung und
der Wunsch, HR-Prozesse über Landesgrenzen hinweg zu standardisieren, führt
Kunden zwangsläufig zu der Frage, ob es
sinnvoll ist, sich global mit einem Anbieter und einem harmonisierten Prozess
aufzustellen oder pro Land mit verschiedenen Prozessen, unterschiedlichen Tools
und Dienstleistern. Die Mehrheit bevorzugt
einen global agierenden Anbieter. Doch
wie stellt dieser in jedem beliebigen Land
das Know-how sicher und die Kommunikation mit Mitarbeitern und Auftraggeber?
Am besten, indem der Dienstleister „die
Organisation widerspiegeln kann und
einen zentralen Koordinator und
Ansprechpartner für das Headquarter bietet“, schildert Monika Füllmann das Vor-
gehen von Sage. Denn international tätige Kunden haben oft eine europäische
HR-Hauptzentrale, einen zentralen Verantwortlichen und ein zentrales System,
das in jedem Land einsetzbar ist. Außerdem arbeiten auf regionaler und lokaler
Ebene jeweils Verantwortliche für HR.
„Folglich setzten wir auch regionale Spezialisten ein, um bei landesspezifischen
Fragen mit den lokalen Niederlassungen
des Kunden in Kontakt stehen zu können.“
Sofern landesspezifische Sachverhalte in
einem zentralen und länderübergreifenden Shared Service Center abgebildet werden, sind die Anforderungen an die Standardisierung der Arbeitsabläufe hoch. Die
fachlichen Anforderungen sowie die höhere Komplexität führten im Ergebnis oft zu
einer Zerlegung der Bearbeitungsschritte, die wiederum die Bearbeitungs- und
Servicequalität verringert, argumentiert
Jörg M. John. Daher rät der Geschäftsführer von fidelis HR „in nötigem Umfang
lokale Fachleute, die über Landeswissen
verfügen, einzusetzen“. Komplexere landesspezifische Sachverhalte verblieben
daher tendenziell in Landesgesellschaften und würden dort von den lokalen
Ansprechpartnern bearbeitet. Fidelis HR
verfolgt die Strategie, mit lokalen Einheiten und Partnern zu arbeiten und nur
länderübergreifende Prozesse in internationalen Shared Service Centern zu bündeln.
Auch bei t.serv holt man sich Partner dazu,
die länderspezifisch auf dem neuesten
Stand sind, „nur dann kommt Qualität
am Ende des Tages raus“, so Geschäftsführer Michael Gulde. Das auftraggebende
Unternehmen habe aber nach wie vor seinen gleichen Hauptansprechpartner in
Deutschland.
Outsourcing-Makler drängen
in den Markt
Unter der Bezeichnung HR-Accelerators
treten neue Teilnehmer in den Markt der
Outsourcer. Ohne eigene Abrechnungsund IT-Ressourcen wollen sie Subdienstleister per Internet zusammenstellen, um
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dem Kunden ein passendes HR-Outsourcing-Modell zur Verfügung zu stellen.
Die Sinnhaftigkeit ziehen die Experten in
Zweifel.
„Ein Check 24 für HR“ beurteilt Veda-Experte Udo Meyer als völlig unbrauchbar. Einen
Stromanbieter könne man sich im Internet nach dem günstigsten Preis auswählen,
doch beim sensiblen Thema Personal gehe
es um Vertrauen in den Dienstleister. Ebenso fehle in diesem Vorgehen die Transparenz bezüglich der Subdienstleister und
der Palette ihrer Angebote. So wisse der
Kunde nicht, ob diese Dienstleister nur
Standard oder maßgeschneiderte Prozesse anbieten können. Das Internet führt zu
vielen neuen Geschäftsmodellen, die Kunden auch hin und wieder testen. So können
via Internet Personalabteilungen zum
Null-Euro-Tarif Software und vorgefertigte Listen herunterladen, um die Lohn- und
Gehaltsabrechnung selbst durchzuführen.
Klingt einfach, ist aber kompliziert. Wer
nur fünf Mitarbeiter beschäftige, die alle
ein konstantes Entgelt erhalten, für den
mag diese Lösung wohl ein Weg darstellen,
kommentiert Nikolai Hartmann von KWP
diese Angebote. Denn Konfiguration und
Änderungen seien nur sehr umständlich zu
bewältigen. Auch integrative Prozesse, die
vor allem Zeitaufwand ersparen sollen,
suche man hier vergeblich.
Datenschutz
Eine der größten Hürden, die Unternehmen
davon abhält, Prozesse, Anwendungen
oder IT auszulagern, ist nach wie vor der
Datenschutz. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jüngst das sogenannte „Safe
Harbor“-Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA gekippt und
damit einen praktikablen Weg für den
Transfer von personenbezogenen Daten
in die USA. Dieses Urteil hat zwar keine
Auswirkungen auf die hiesigen Outsourcing-Anbieter, die schon seit einigen Jahren ihre Rechenzentren in Deutschland
betreiben. Gleichwohl sensibilisiert es nach
allen Datenskandalen noch einmal mehr
die Kunden. „Der Frage, wo die Daten und
Software gehostet werden, sowie den Fra10
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„
In fünf Jahren hat sich das
Cloud-Modell als Standard
für alle HR-Lösungen
durchgesetzt, On-Premise
wird die Ausnahme sein.
Udo Meyer, Director Outsourcing, Veda GmbH
gen nach System-Performance und Ausfallsicherheit, Datenschutz, ITIL-Konformität
bis hin zu Berechtigungssystemen, um
unbefugte Zugriffe auszuschließen, müssen sich Kunden immer stellen“, sagt Jörg
M. John. Auch bei fidelis HR liegen die
Kundendaten in Rechenzentren in Deutschland und „dies wird sich auch zukünftig
nicht ändern“. Eine vermeintliche Ersparnis durch eine Verlagerung der Datenhaltung ins Ausland wiege das hiermit verbundene Risiko nicht auf.
Ebenfalls hat sich die verlängerte Werkbank im Ausland für die technische Entwicklung nicht bewährt. Christoph Scheele, VRG HR: „Prozesse funktionieren
schlanker und besser, wenn der Entwickler bei uns im Haus arbeitet.“ Abgestimmt
auf die unternehmensspezifischen Anforderungen werde gemeinsam mit dem Kunden die Prozessauslagerung definiert.
Erfreulich sein, dass die Bereitschaft, für
qualitativ hochwertige Softwarelösungen
„einen Euro mehr auszugeben“, deutlich
gewachsen sei. Außerdem bedeute ein
ganzheitlicher Datenschutz „nicht nur
Geschäftsdaten vor dem Zugriff Dritter
zu schützen, sondern neben der Bereitstellung auch die Verantwortung für ein
stabiles und benutzerfreundliches System zu übernehmen“.
Review-Meetings als
Optimierungshebel
Das Service Level Agreement stieß früher bei Personalern und Abrechnern auf
wenig Gegenliebe. Mittlerweile ist das
Verständnis gewachsen, denn das SLA
versachlicht die Diskussion über Lieferfristen und Zuarbeiten sowie Mitwirkungspflichten des Kunden. Eine Erfahrung der
Diskussionsteilnehmer: Weniger der
Dienstleister als vielmehr der Kunde neigt
dazu, Fristen nicht einzuhalten oder Aufgaben zu verschieben. Das kann im Einzelfall dazu führen, dass die Dienstleister nur mit Mühe die ordnungsgerechte
Abrechnung vornehmen könne.
Wie weit von den Regeln des SLA abgewichen werden kann, bleibt jedoch letztlich
immer eine Frage des Einzelfalls. Natürlich müssten Termine eingehalten werden, aber „bei der Bearbeitung muss die
Ausnahme möglich sei“, sagt Michael Gulde, t.serv, „selbst wenn es manchmal
schwierig wird“. Auf der anderen Seite
dürften die Ausnahmen nicht überhandnehmen, sonst seien sie ein wahrer Quell
für folgenreiche Fehler. Solche typischen
Situationen aber auch andere Störfaktoren
sind Themen in die regelmäßigen ReviewMeetings mit dem Kunden. Wie oft sie
erfolgen, ist abhängig von Prozessumfang
und dem Gesprächsbedarf des Kunden.
Grundsätzlich dienen die Meetings der
Prozessoptimierung. Dabei wird der Kunde auch auf den neuesten Stand der technologischen Entwicklung gebracht. So war
es nicht immer selbstverständlich, dass die
integrativen Systeme es ihm ermöglichen,
neben der Abrechnung andere bezogene
Prozesse zu automatisieren wie beispielweise Self Services, Reisekosten oder Personalbeschaffung.
„
KMU können heute nur den
reinen Service einer Applikation
nutzen, die Betreuung von
Software und Serversystemen
geht in die Zuständigkeit des
Anbieters über.
Christoph Scheele, Geschäftsführer, VRG HR GmbH
Ob sich die Verantwortlichen auf Kundenund Anbieterseite zweimal jährlich oder
monatlich zusammensetzen, ist auch eine
Frage der Kundengröße und seines Governance-Modells. Während in Großunternehmen zweimonatliche Meetings zweckmäßig sind, wird ein KMU mit 300
Mitarbeitern nicht die Zeit aufbringen
können, länger in Meetings zu verbringen, als es selbst für die Abrechnung in
Eigenregie benötigen würde.
In welche Richtung steuert
HR-Outsourcing?
Zwei parallel laufende Entwicklungen lassen sich beobachten. Zum einen setzt sich
in KMU die Erkenntnis durch, dass sie an
den Rahmenbedingungen für HR arbeiten müssen. „Es ist eine Zeit des Erwachens.“ Mit diesen Worten beschreibt VRGChef Christoph Scheele die Stimmung.
Auch der Generationenwechsel in den
Unternehmen führe nun dazu, die Automatisierung von personalwirtschaftlichen
Prozessen beschleunigen zu wollen.
Der Mittelstand will weiter Kompetenz
aufbauen und erwartet vom OutsourcingDienstleister, dass er „Vorschläge, Best
Practices und Erfahrungswerte mitbringt,
wie er die HR-Prozesse optimal abbilden
kann“, ergänzt Monika Füllmann, Sage.
Gerade weil mittelständischen Unternehmen oft kein großes HR-Team mit Spezialisten zur Verfügung steht, solle der administrative Bereich entlastet, Prozesse
automatisiert und qualitativ abgesichert
werden. Denn diese Prozesse haben durch-
aus auch eine strategische Bedeutung, wie
sich am Beispiel Recruiting studieren lässt.
Ebenso bleiben integrative Systeme ein
zentrales Thema. Denn, so KWP-Geschäftsführer Nikolai Hartmann, die Kollaborationstools spielen auch in angrenzende
Bereiche hinein – sowohl in den Produktionsbereich als auch in Planungsprozesse. Und damit bringt er die zweite große
Entwicklung zur Sprache: Die digitale
Transformation und Industrie 4.0 rollen
auf die Kunden zu.
Outsourcing und digitale
Transformation
„HR-Software entwickelt sich von transaktionalen zu kollaborativen Lösungen, weil
die digitale Transformation die Zusammenarbeit in den Unternehmen verändert.“
Mit dieser Beschreibung bringt Udo Meyer von Veda die Folgen der digitalen Transformation für HR auf den Punkt. Auch
wenn der grundlegende Wandel kein technologischer sondern ein kultureller sei, so
werde sich die technologische Basis verändern. Gehe man davon aus, dass „Collaboration“ nicht nur eine Chat-Funktion
sei, sondern die Möglichkeit biete, alle
Geschäfts- und Kommunikationsprozesse auf einer einzigen Plattform über Abteilungs-, Unternehmens-, Länder- und Zeitgrenzen hinweg zu verbinden, „dann
benötigen wir neue Bereitstellungsmodelle und die Cloud bekommt durch den digitalen Wandel noch mehr Schubkraft“.
An der Kulturveränderung zur Arbeitswelt 4.0 sind die Outsourcing-Anbieter
nicht beteiligt, denn sie kommen „aus der
Steckdose“, so Michael Gulde, t.serv, übernehmen die administrativen Aufgaben,
schaffen maximale Transparenz, damit
HR Ressourcen habe, sich auch um diese
Kulturfrage zu kümmern. „Allerdings müssen wir vorausdenken, denn die Digitalisierung der Wirtschaft erfordert, dass sich
die Personaler maximal von anderen administrativen Tätigkeiten befreien können.“
In diesem Bereich läge die zentrale Aufgabe als Dienstleister.
Ähnlich beurteilt Fidelis-HR-Geschäftsführer Jörg M. John die Rolle der Branche.
Um den Freiraum für die strategische und
qualitative Personalarbeit vor dem Hintergrund der digitalen Transformation zu
schaffen, sei die Automatisierung von HRRoutineprozessen unabdingbar geworden.
Doch er geht noch einen Schritt weiter: Die
digitale Transformation sei zur Pflichtaufgabe für HR geworden. Denn die Herausforderung für den HR-Bereich bestehe darin, die digitale Transformation nicht
nur in eigener Sache, sondern für das
gesamte Unternehmen durch passende
Konzepte in Hinsicht auf Organisationsentwicklung, Führung und Change
Management zu begleiten. Als HR-Dienstleister, so John, stelle man Personalabteilungen die Technologien für die neue
„HR-4.0-Welt“ zur Verfügung und „versetzt sie damit in die Lage, die erforderliche Prozess- und Technologiekompetenz
aufzubauen“.
Die Kluft zwischen KMU, die jetzt beginnen, ihre administrativen HR-Prozesse
auszulagern und zu automatisieren, und
den Unternehmen, die sich schon mitten
im Transformationsprozess befinden, mag
groß erscheinen. Allerdings könnte die
Digitalisierung der Wirtschaft und ihrer
Geschäftsmodelle auch mittelständischen
Betrieben einen großen Schub geben. Denn
wer Produktions- und Planungsprozesse
zunehmend digitalisiert, wird seine Bedenken vor der Automatisierung seiner HRProzesse verlieren. Er wird das Potenzial
erkennen, das ihm die Automatisierung
über On-Premise- oder Cloud-Modelle bietet und sie zügig bergen.
Christiane Siemann, freie Journalistin, Bad Tölz
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