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OKTOBER 2014
ICON
ICON
Oktober 2014
HÜLLE
UND
FÜLLE
©T&CO. 2014
INTRODUCING
TIFFANY T
BERLIN DÜSSELDORF FRANKFURT AM MAIN HAMBURG MÜNCHEN STUTTGART WIEN ZÜRICH
TIFFANY.COM
Düsseldorf
Martin-Luther-Platz 32
0211 135 40 92
Frankfurt
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Unter der
Tarnkappe
ssoziation ist eine Sache der Erfahrung, der Ausbildung, des Umfelds, des Gefühls. Und so schien uns
dieses Foto von David Sims, das dem
Prachtband „Hair“ von Guido Palau
(Verlag Rizzoli New York) entnommen ist, ganz
passend als Einstimmung für diese Ausgabe.
Nein, nein, wir haben nicht etwa ein „Haar“Spezial vorbereitet. Der Reiz des Fotos liegt eben
in der Assoziation, die es auslöst. Die einen sehen: graue Haare. Andere: Nieten am Kinn. Wir
dachten gleich an Pickelhaube. Was nicht als
Provokation zu verstehen ist. Eher als klischeebrechende Ironie. Und schon damit zu erklären
ist, dass wir viel gesprochen haben über das
deutsche Verhältnis zu dem, was sich unter Lifestyle subsummiert, und über das sich ins Positive
wandelnde Verständnis dafür hierzulande. Wir
haben ja, bei allen Nickeligkeiten, das große,
schon geografische Glück, in einem wunderbaren Land zu leben, das wir nach dunklen Zeiten wieder mögen können. Und so wollten wir
uns einfach mal bedanken. Mit einer Ausgabe, in
der internationale Mode Seite an Seite mit der
Begeisterung für made in Germany durch die
Konsumwelt schreitet. Wir sind schon eine Weile
keine Spießer mehr. Das ist
sicher kein Grund, übermütig
zu werden. Aber heute, da die
Pickelhaube allertiefste Vergangenheit ist, sollten wir die
Tarnkappe schon mal lüften.
Hinter ihr sieht man viel
Gutes und Schönes.
DAVID SIMS/RIZZOLI
A
AUF DEM COVER: Model Caroline trägt einen Mantel von Hermès. Schuhe: Salvatore Ferragamo
LYDIA GORGES & JENS SCHMIDT
TITEL: SCHMIDT & GORGES/VG-BILDKUNST BONN, 2014; DIESE SEITE: MARTIN U.K. LENGEMANN; HERLINDE KOELBL
Seit 2010 machen sich Lydia Gorges und Jens Schmidt gemeinsam einen Namen in der Modefotografie. Davor assistierte SIE bei Branchenstars wie Michelangelo di Battista und Camilla Akrans, während ER Musikgrößen wie Michael Jackson oder Metallica vor seiner Kamera hatte. Im letzten Jahr wurde aus dem erfolgreichen
Fotografenduo ein Trio. Mit zwei Monaten durfte ihre Tochter zum ersten Mal mit an den Set. Auch beim Bauhaus-Shooting war die Kleine mit von
der Partie. „Zwei komplett ereignislose Tage“, schwärmt die Neu-Mama von der Produktion in Weimar und Berlin. Und meint damit, alles sei perfekt
gelaufen: „Das Wetter hat mitgespielt und die Architektur war inspirierend.“ Die Models in Bauhaus-Kulisse zu inszenieren sei ganz besonders gewesen. Wie sich die aktuelle Mode im Ende der 50er-Jahre entstandenen Hansaviertel macht? Oder in den neuen Meisterhäusern? Ab Seite 60
CLAUDIA GRASSL
Ihre Ideen findet die Fotografin, die an der Fachakademie für Fotodesign in München ausgebildet wurde, in
Deutschland und den USA. Und besonders auf dem Weg dazwischen. Mit gewisser Leidenschaft pendelt die
Münchnerin zwischen beiden Kulturen, fühlt sich ihnen immer wieder nah und fern. Das hilft ihr vor allem am Set der Shootings, denn so kommt sie
mit den Models leicht in einen Dialog, kann sich schnell in die unterschiedlichsten Situationen hineinversetzen. Das und ein klarer Blick für Details
zeichnen ihre Arbeit aus. Für uns reiste sie wiederholt in den hohen Norden und fotografierte den aktuellen Bohemian Look in den Dünen von Sylt.
Der Sand unter ihren Füßen, das Meer im Blick und der Wind um die Nase inspirierten die Fotografin auch dieses Mal. Ab Seite 86
Eine rostfarbene Palomino-Hose aus dem Westpaket, später Shell-Parka mit Fleischerhemd, dann Cordjeans und ein
sauteures Hemd aus dem „Exquisit“. War das Mode oder Zugehörigkeit? Vom Schüler über den Liebhaber von Untergrundlyrik zum Hilfspopper. Ingolf Kern hat sich darüber nie Gedanken gemacht. So lange nicht, bis Jil Sander kam und er 1997 ihre erste HerrenKollektion für die WELT testen durfte. Dunkelblau und weich-wollig ging er zu Partys und fühlte sich so leicht, weil alles ohne Einlage war. Bei der
„FAZ“ und „Monopol“ war dann Berlin in Mode, im Kanzleramt Brioni und am Dessauer Bauhaus ging es wieder um das Ding an sich. Sachsen-Anhalt, Wiege der Moderne, ist ein Land der Mode. In Halle steht mit der Burg Giebichenstein eine Kunsthochschule, an der Haltung gelehrt wird.
Auch Jan Kleeberg, Designer bei Calvin Klein, begann hier. Und junge Labels siedeln sich an und feiern Erfolge. Kern traf sie. Seite 48
INGOLF KERN
IMPRESSUM ICON
Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich)
Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Nicola Erdmann, Silvia Ihring, Sarah Lehnert, Adriano Sack, Ligia Tudorica, Mira Wiesinger. Mitarbeit: Julia Hackober. Praktikantin: Meltem Toprak.
Korrespondentin in New York: Huberta von Voss. Stylistin in New York: Nadia Rath. Korrespondentin in Paris: Silke Bender
Autoren: Wolfgang Büscher, Susanne Opalka, Esther Sterath, Andreas Tölke Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver
Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Veronika Thele, Katja Schroedter Fotoredaktion: Julia Sörgel; Elias Gröb Bildbearbeitung: Thomas Gröschke, Liane Kühne-Kootz; Kerstin Schmidt
Verlagsgeschäftsführung: Jan Bayer (Vorsitzender), Dr. Stephanie Caspar General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleitung: Stephan Madel; Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected])
Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: Axel Springer SE Repro: Druckvorstufe WELT GRUPPE Berlin Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf
ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 9. November 2014. Sie erreichen uns unter [email protected]
Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.
17
Zu Gast in Dessau: Vor
dem Gebäude der „Stiftung Bauhaus“ trägt das
Model Kleid und Gürtel
von Burberry Prorsum.
Schal: Prada. Tasche:
Christian Dior. Er trägt
einen Ledersweater von
Bottega Veneta. Hose:
Prada. Daneben im HansaViertel in Berlin: Mantel
von Dries Van Noten
ICON
OKTOBER 2014
22
SCHLAN D, O SCHLAN D
Was steckt eigentlich hinter „Made in
Germany“? Das ergründen unsere Lifestyle-Weisen, unter ihnen ein Amerikaner, ein Franzose und ein Engländer
32
WALD- U N D WIESEN-M ODE
Iconas Mann Iken und Klein-Ike rüsten
sich für einen langen herbstlichen Ausflug ins gerade noch Grüne
SCHMIDT & GORGES
AUSGEWÄHLT
MODE
34
STARS & S TERNCHEN
Und dann macht es Bling: Akris lässt
sich für seine Kollektion vom nächtlichen
ruffschen Kosmos inspirieren
36
ALLE S NE U IN M AN N HEI M
Vor 25 Jahren gründete Dorothee
Schumacher ihr Label, benannte es nun
um. Heike Blümner weiß wieso
38
BOSS BE I BOSS
Seit einem Jahr ist Jason Wu bei Boss.
In Paris bot er Einblicke in sein Leben
zwischen Metzingen und New York
40
DE R NE U E JIL SANDER
Im April kürte Jil Sander den Römer
Rodolfo Paglialunga zum neuen Chefdesigner. Wir trafen ihn in Mailand
42
HE ILIGE S KLEI DLE
Das Label Marc Cain hat seinen Sitz
nahe Tübingen. Die Kollektionen sieht
man inzwischen in 58 Ländern
44
GLO BALRUNDE
Wie Odeeh aus Giebelstadt den weltweiten Modemarkt mit einem Mix aus
Tradition und Moderne erobert
56
O H DU MEIN DU BAI
Für die Cruise Collection reist Chanel
gern mal um die Welt. Dieses Mal
gastierten sie in Dubai
46
DER GROSSHANSEAT
Florian Braun führt in Hamburg in dritter
Generation den Designer-Store Unger.
Ihm ist das zu wenig
58
MO NACO, MON AMOU R
Bei Louis Vuittons Cruise-Präsentation
sehen Albert und Charlène zu. Und
sind beeindruckt. Wir sind’s auch
48
HALLELA LI
Von wegen triste Plattenbauten: Halle
an der Saale ist ein Brutkasten für junge
Labels, die international angreifen
60
DEUTSCH ES H AU S
Alles, nur bitte keine Schnörkel – unser
großes Modeshooting steht diesmal im
Zeichen des deutschen Design-Exportschlagers Bauhaus
52
MEA NWHILE IN NEW YO RK
Die Amerikaner feierten Christian Dior,
der Franzose liebte die USA. Inga Griese ging bei der Präsentation der Cruise
Collection am Hudson mit vor Anker
72
VIVA T EU TONIA
So nähen die Deutschen: Nach Ansicht
unserer Doppelseite voller Kleidung und
Accessoires wissen Sie alles
Links: Kleid von
Salvatore
Ferragamo.
Jacke: Wunderkind.
Sein Anzug ist von
Louis Vuitton. Schal:
Burberry Prorsum.
Mantel: Salvatore
Ferragamo. Mehr
von unserem „Bauhaus“-Shooting ab
Seite 60
19
CLAUDIA GRASSL
MARTIN U. K. LENGEMANN(2)
In den Sylter Dünen trägt unser Model eine Bluse und einen
Rock von Wunderkind. Mantel: Dolce & Gabbana. Strumpfhose:
Hudson. Tasche: Etro. Handschuhe: Givenchy. Decke: Burberry.
Motorradbrille: privat. Mehr vom Shooting ab Seite 86
ICON
Malerische Kulisse (links
oben): Der Jacobite Steam
Train bahnt sich dampfend
seinen Weg durch die
Highlands. Uns dienten der
Zug und die Bahnhöfe an
der Strecke als Kulisse für
ein Shooting (ab Seite 96).
Links: Mantel von Careso,
Tasche: Louis Vuitton,
Mütze und Handschuhe
sind von Hermès
OKTOBER 2014
MODE
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DURCHGEP USTET
Wir haben Mode im angesagten Boheme-Stil auf Sylt fotografiert. Weil es
farblich so schön passt. Und einem
Klischee trotzt
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SCHOTTEN DI CHT
Im Norden Großbritanniens fährt der
Jacobite Steam Train durchs HarryPotter-Land – die große Gelegenheit,
Reisegarderobe zu fotografieren
DESIGN
83
GAR NICHT VERWOHN T
Alles, nur keine Schnörkel: Deutsche
Möbel sind überall begehrt – keine
Überraschung, wenn man sie sieht
95
HE RBSTGLITZERN
Wenn Laub und Landschaft leuchten,
dann leuchten Sie mit unseren JuwelenAccessoires doch einfach mit!
107
84
LEISTU NGSSCH AU
23 Betriebe zeigen auf dem Gelände
der Berliner KPM, dass deutsche Handwerker fast zu allem fähig sind
108 KNOTENPUNKT
112
GLO B AL DIARY
Zweimal Wasser, aber ziemlich exklusiv:
Unsere Postkarten erreichen uns aus
Scharbeutz und Amsterdam
110
SEEFRAUSGARRN
Toni Garrn, Supermodel aus Hamburg,
erzählt vom Jil-Sander-Duft „Simply“
114
DER BAU PLAN
Ländlich im allerbesten Sinne: So entsteht der Janker von Meindl. Passt scho
111
DET RIECHT ABA DUFTE
In den Zwanzigern dominierte J.F.
Schwarzlose aus Berlin den Parfümmarkt. Nun gibt’s das Label wieder
Blumenparfüm? Bei Bottega Veneta?
Wir sprachen mit Kreativdirektor Tomas
Maier und der Nase Daniela Andrier
KOSMETIK
104 SCHÖNE R OKTOBER
GESCHICHTEN
Unsere Beauty-Stilisten und -Produkte
machen den Herbst hübsch
106
AUGE NBLICK M AL
Wimpern wachsen über Nacht: Wie die
Kölner Firma M2 Beauté mit einem
Serum die Kosmetik veränderte
DEUTSCHLA NDS CREME
Immer gepflegt auftreten – mit unseren
sieben deutschen Newcomern geht das
zum Glück schon fast von ganz allein
74
LUXURIÖSE HÄNDE
Einst wanderte unser Autor Wolfgang
Büscher von Berlin nach Moskau. Nun
reiste er auf der Suche nach Handmade
in Germany durch die Republik
Und natürlich digital:
Auf dem iPad in der WELT
sowie online auf welt.de/icon
ICON
21
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STILISTEN
EDWARD B. GORDON
DIESES MAL HABEN SICH UNSERE STILISTEN GEDANKEN
ÜBER DEUTSCHE WERTARBEIT GEMACHT
Am Ende des Tages
Hallo, schöne Frau: Seit 2006 malt Edward B. Gordon täglich ein
Bild und versteigert es abends auf seinem Blog A painting a day.
Es gibt auch Motive, an denen er Jahre arbeitet. Zu sehen neben
seinen Tagesbildern im Band „Tag und Nacht“ (Kein & Aber).
ZEIT FÜR
AUFWAND
unuetzer.com
+ 49 89 255427-49
Handmade in Germany by Talbot Runhof, Klenzestrasse 41,
80469 München … so lautet seit vierzehn Jahren der Text,
den wir in alle unsere Produkte einnähen. Wir sind von jeher
besonders stolz auf die Art, wie unsere Produkte hergestellt
werden, nämlich mit viel Handarbeit, aber mit noch mehr Liebe unserer Zuschneider, Näherinnen
und Büglerinnen, die in beschaulichen Orten im Bayerischen Wald, in der Oberpfalz oder Niederbayern im besten Sinne des Wortes deutsche Wertarbeit leisten. In die Entstehung eines Kleides
gehen viele Arbeitsschritte ein. Zuerst wird ein Prototyp drapiert, dann von studierten Modellmachern ein Schnitt erstellt, der wiederum Grundlage eines Musterteils wird. Nach etlichen Anproben und Stresstests für Materialien und Verarbeitung schaffen es manche Teile in die Kollektion.
Nun werden die Schnitte in alle Größen gradiert (Anprobe in allen Größen inklusive) und ihre Einzelteile auf großen Tischen ausgelegt, um durch clevere Konfiguration möglichst wenig Stoffabfall zu erhalten. Oft kommen nun Sticker oder andere Veredler ins Spiel, die einzelnen Schnittelementen besondere Details verleihen. Dann geht alles wieder in die Nähereien, die mit Solarenergie CO2-neutral
die Kleider zusammenfügen, oft, indem sie immer wieder für letzte Stiche auf
Kleiderpuppen gezogen werden, um eine besonders akkurate Passform zu geJohnny Talbot &
währleisten. Bis die Kleider zum Kunden gelangen, beweisen noch viele andere
Adrian Runhof
Mitarbeiter im Lager, Versand und der Administration ihre Fähigkeiten. Wenn
Designer-Duo des
doch bloß manche Kundin die Kleider nur halb so lange tragen würden, wie für ihMünchner Modelabels
Talbot Runhof
re Entstehung an Zeit einfließt …
jourdhermes.com
das neue Eau de Parfum
VOGUE ITALIA/ ICON
Ich glaub, mich föhnt
’ne Klimaanlage
Sie sehen richtig. Über Sophia Loren hängt ein
Lüftungsgerät. Kein Föhn, wie man bei ihrer Frisur
annehmen könnte. Das Setting warb für ein spektakuläres Projekt: Die italienische „Vogue“ hat ihr
Archiv der vergangenen fünfzig Jahre digitalisiert
und macht es als Abonnement im Netz zugänglich.
Mit den tollsten Aufnahmen wurden zwei Etagen
in einem Mailänder Palazzo tapeziert. Bellissimo.
DEUTSCH-FRANZÖSISCHE LIEBE
UND SONST NOCH
24
Unlängst war der französische Schuhdesigner Christian Louboutin, weltbekannt für seine rote Sohle, in der
französischen Botschaft in Berlin, um einen Dokumentarfilm über ihn, gedreht von seiner Freundin Farida
Khelfa, vorzustellen. Dieser sehr gelungene Film bestätigt die unbestrittene Magie der weiblichen Silhouette, unterstrichen durch seine schwindelerregenden Absätze. Ganz egal, welchen Preis man dafür
bezahlt, physisch oder finanziell: „Wer schön sein will, muss leiden ...“, resümierte Madame Khelfa,
selbst auf unendlich hohen Absätzen schwankend. Schön oder praktisch? Ungewohnt oder komfortabel? Sexy oder effizient? Ein wirklich französisch-deutsches Dilemma! Paris – Berlin. Seit zehn
Jahren in Deutschland lebend, bin ich täglich mit diesem Widerspruch und dieser Gegensätzlichkeit konfrontiert. Angetrieben von einem natürlichen Hang zum Ästhetischen, bin ich nun auch
ein großer Verehrer der deutschen Tugenden: Fleiß, Gründlichkeit, Verlässlichkeit. Der Charme
Emmanuel de
Frankreichs oder die deutsche Präzision. Paris für die Lebensart, Deutschland für die Geschäfte?
Bayser
Muss man sich da wirklich entscheiden? Ist das eine besser als das andere? Céline und Givenchy,
Mitbesitzer von The
zwei der international angesagtesten französischen Marken, präsentieren zwei Star-Bestseller in
Corner Berlin
ihrer Schuhkollektion. Wir werden sie für die nächste Saison an den Füßen der Fashionistas weltweit sehen. Und wie sehen die aus? Wie die guten alten Birkenstocks, die deutsche Kultsandale par excellence. Wiederauferstanden, erneuert, glorifiziert von den zwei heißesten französischen Modemarken des Moments. Was soll ich da noch groß sagen? Vive la coopération franco-allemande!
GLÜCKWUNSCH: Mit dieser limitierten Kamera feiert die
Leica M ihren 60. Geburtstag.
Das Jubiläumsmodell „M 60“
sieht nur retro aus, fotografiert aber digital. ———
KUNST: „Fette Beute. Reichtum zeigen“ heißt es ab dem 17.
Oktober im Hamburger Museum
für Kunst und Gewerbe. Einblicke in die feine Gesellschaft. ——— ERÖFFNUNG I:
Das Modehaus Ermenegildo Zegna hat seine Boutique in
Düsseldorf wiedereröffnet. 296 Quadratmeter Luxus
mitten auf der Kö. ——— ERÖFFNUNG II: Echte Rasurkultur
findet Mann im ersten Barbershop der Marke Mühle in den
Berliner Hackeschen Höfen. ——— NEU IM NETZ I: Wem die
drei Boutiquen der Hauptstadt zu weit entfernt sind,
der findet seine urbanen Lieblingsstücke nun auch
unter 14oz.com. ——— NEU IM NETZ II: Kunstherbstmuenchen.de informiert über alle Kunst-/Kulturveranstaltungen in der bayerischen Metropole.
Wer dieser
Aufforderung
von Rosa von
Schmaus folgt,
freut sich über
seinen neuen
Lieblingspulli.
THERE ARE EXCEPTIONS
TO EVERY RULE.
AUDEMARSPIGUET.COM
ES GIBT AUSNAHMEN ZU JEDER REGEL.
ROYAL OAK
ROSÉGOLD MIT
DIAMANTBESATZ.
Wenn du aufwachst, träumst du. Ein Bett in
den Wolken! Ein Blick aus dem Himmel.
Ein Gefühl, wie mit Flügeln zu schlafen.
5 Uhr früh. London. 42. Stock des neuen
„Shangri-La-Hotels“ im höchsten Wolkenkratzer Europas (310 Meter) - der GlasPyramide „Shard“ („Die Scherbe“).
Sonnenaufgang! Blendende Strahlen
brechen durch zarte Wolken – die staunenden Augen suchen durch’s Fernglas (gibt
es gratis am Bett).
London liegt dir vor den Daunen – Tower
Bridge, Tower selbst, Rathaus und die
Themse wie ein schlängelnder Drache.
Dein Fenster wird zum Cinemascope-Kino
wird – ein Panorama mit Bett!
5-Sterne-Luxus: beheizter Toiletten-Sitz,
Mini-iPad als Fernbedienung, Nespresso
umsonst, TV im Badezimmer-Spiegel,
Pool im 52. Stock (11 x4 Meter).
Faszinierender kann man in Europa nicht
aufwachen! Hotel-Chef Jürgen Ammerstorfer: „Ein einmaliges Erlebnis! Sie wohnen im Himmel! Sie können aber auch nur
einen Tee trinken und gucken.“
Günstigstes Zimmer: ca. 438 Euro (z.B.
Trivago). Günstigster Tee: Express-Lift in
den 72. Stock, Aussichts-Terrasse in 225
Meter Höhe - Ticket: ca. 30 Euro.
Noch günstiger: Bier in der „Gong“-Bar,
52. Stock – ca. 9 Euro (deutscher Barmann). Ein Traum-Hotel – zum Schlafen
zu schade!
David Blieswood
Connaisseur aus Hamburg
ANDREAS ORTNER/PRESTEL VERLAG
EIN BETT
IM HIMMEL
Mein Modelexikon
Keine Ahnung, wo diese Dame aufgenommen wurde? Hier ein Tipp – die Farben
Schwarz (der Hauch von Nichts), Rot (Mund)
und Gold (Haar) weisen den Weg: Deutschland hat mehr als handfeste Ingenieure. Der
Bildband „Fashion Germany“ versammelt
jetzt die Elite der deutschen Modebranche.
Persönliche Beiträge, Exklusiv-Interviews und
ein umfassendes Bildmaterial mit 450 Fotos
ehren die Macher auf 208 Seiten. Wussten
Sie, dass Angelica Blechschmidt 24 Jahre
Chefredakteurin der Vogue war? Und Peter
Lindbergh Anfang der 90er mit einem einzigen Foto die Supermodels erfand? Na eben.
Von Martina Rink, erschienen bei Prestel.
UND SONST NOCH
26
DESIGN: „Ist die Katze aus dem Haus ...“ In diesem Fall
tanzt die Maus nicht, sie steht auf dem Tisch: Lampe „Toto“
von Ingo Maurer. ——— ARCHITEKTUR: Luxuriöser Anspruch
trifft auf nachhaltiges Bauen. Der Bildband „Die Villa
heute – Baukultur und Lebensart“ (DVA) präsentiert 25
preisgekrönte Häuser aus dem deutschsprachigen Raum. ———
KUNST: Die Ausstellung „Contradiction“ in der Hamburger
Galerie Anne Moerchen zeigt die Cover-Vorlage für das kommende Queen-Album. Die Collage von Hans Hushan ehrt ein
bisher unveröffentlichtes Duett von Freddie Mercury mit
Michael Jackson. ——— SHOPPEN I: Die „Green Fabrics“ und andere Accessoires von Codello gibt es jetzt auch in der
Hauptstadt in der LP12 Mall of Berlin. ——— SHOPPEN II: Floris van Bommel liebt Köln. Deshalb verkauft er seine Schuhe
im ersten deutschen Flagship-Store in der Ehrenstraße 39.
TRENDBAROMETER
VON WOLFGANG JOOP
Herr Haka
Das Bedürfnis nach Disziplin, Manieren,
Ordnung, Perfektion, dieses „Deutsche“ ist
angesichts der zunehmend chaotischen
Zustände um uns herum vom Nimbus der
Spießigkeit befreit. Selbst die Mode
reagiert mit Bravheit. Ich spüre selbst
eine große Sehnsucht nach Tradition, nach
echter High Society statt OktoberfestGegröle. Benehmen, Bildung, Ausbildung,
das waren einst die Privilegien. Es ist doch
erschreckend, dass sie scheinbar heute
auch nur wenigen zuteilwerden.
Frau Dob
In einer Welt, die sich derart radikalisiert,
kannst du dem Horror wahrscheinlich
nur mit Bildung und Haltung begegnen,
sonst wird man doch verrückt. Wobei
man wie du mit deinen WunderkindSachen auch mit Romantik reagieren
könnte. Was mich wundert: In der Geschichte traten gerade in rauen Zeiten die
großen Denker hervor. Siehst du jemand?
KRISTIAN SCHULLER/BRANDSTATTER VERLAG
Lady in red
AKHTAR
SCHAFFE,
SCHAFFE,
WEINLE
TRINKE
Kennen Sie die Geschichte vom
weltoffenen Schwaben? Als Kolumbus in Amerika landet, ist unter seiner
Mannschaft ein Schwabe. Zum freudigen Ereignis bekommen alle
Landurlaub, und als der
Schwabe anschließend als
Einziger zu spät aufs Schiff
zurückkehrt, staucht Kolumbus
ihn tüchtig zusammen und
fragt dann nach dem Grund.
Da meint der Matrose: „EntHerbert Seckler
schuldigad Se vielmols, Herr
Kultwirt vom
Sylter „Sansibar“
Kolumbus, abr i han an Landsmann aus Sendelfinga troffa.“
Ja, uns Schwaben trifft man überall.
Mich vor allem auf Sylt – 686,04
Kilometer von meinem Geburtsort
entfernt. Die Insel ist mein Zuhause
geworden, was jedoch nichts an
meiner Heimatverbundenheit zum
„Schwabenländle“ ändert. Schließlich
gebe ich mir alle Mühe, das Klischee
vom „Schaffe, schaffe, Häusle baue“Schwaben zu bedienen.
Apropos Klischees: Ich habe eine
wunderbare Rotwein-Empfehlung
made in Germany: den 2009er
„Tailor Réserve“ vom Großmeister
Markus Schneider – eine sensationelle Cuvée aus Cabernet Franc
und Cabernet Sauvignon, die
gerade Premiere hatte. Dick,
fett, stoffig, druckvoll, mit
Noten von Cassis, Gewürzen,
Marzipan, Rauch und einem
eleganten Finale. Wenn man
mich fragt – der beste Rotwein,
den Markus je gemacht hat.
28
Noch hebt sie nicht ab, die Frau im roten Fallschirm, die ein bisschen so aussieht, als wäre sie nicht von dieser Welt. Denn einer
hält sie fest – mit seiner Kamera: Kristian Schuller, Modefotograf
und Meister der märchenhaften Momente. Inspiriert von Theater,
Film und Zirkus zeigen sich die Arbeiten des ehemaligen Schülers
von Vivienne Westwood in seinem zweiten Bildband „Tales for
Oskar“ (Brandstätter Verlag) – Oskar steht für das Kind in uns.
Eigentlich wurde der Pix Pen von
Montblanc für das Galaxy-Tablet
entwickelt. Taugt aber auch als
Requisite im neuen Star-Wars-Film.
An die
Kette
gelegt: Die
handgefertigte
Brille der
Münchner
Marke
iOLANi.
EIN AMERIKANER
IN MÜNCHEN
Ich kam im Sommer 2001 aus New York nach München. Zuerst war es ungewohnt, aber dann beeindruckten mich die vielen Geheimnisse hinter den Fassaden. Also blieb ich. Und stellte fest: Wenn man im Ausland ankommt, muss man
Fähigkeiten und Sinne aktivieren, die man vorher gar nicht brauchte, einfach um
zu überleben: Körpersprache, Zwischentöne, Mimik, alles muss einzeln entschlüsselt werden. Frisuren. Dieser Wind, der Föhn. Das starke Bier. Ich sehnte mich
nach ein paar neuen Verbindungen. Also konzentrierte ich mich bald auf die
grundsätzlichen Prinzipien menschlichen Verhaltens. Und begann, mich für die
Geschichten der Menschen zu interessieren. Und lernte: Jeder, ob Amerikaner,
Deutscher oder sonst wer, sucht nach etwas, das ihn definiert, ihm ein Ziel gibt,
einen Stellenwert in einer Gemeinschaft. Ja, Menschen führen seit Jahrhunderten Kriege, aber ich denke, dass uns das nur immer weiter von dem entfernt, was
unserer Natur entspricht. Ich höre die Deutschen, die sagen, es gebe hier Probleme mit der Integration. Aber ich wurde in Deutschland so herzlich willkommen
geheißen, dass es mir nur schwer vorstellbar ist, nicht „erwünscht“ zu sein. Von einigen unfreundlichen Kommentaren abgesehen, bin ich nicht nur ein Schwarzer
oder ein Homosexueller: Ich bin hier eine Persönlichkeit, die mit allem hier sein darf, was zu ihr gehört. Was macht den Menschen zum Amerikaner?
Was zum Deutschen? Was zum Bewohner von
Chris Glass
Mutter Erde? Vielleicht sind es die Unterscheide,
Membership
Manager vom Soho
die dafür sorgen, dass wir alle gleich sind.
House Berlin
PATRICK DEMARCHELIER
Auf den
Inhalt
kommt es an
VORSPRUNG
DURCH TECHNIK
Für das Handwerk auf unseren Inseln freut es mich als Südengländer sehr, dass der Union Jack sein Blau behält: Es steht
bekanntlich für Schottland. Gerade im Norden passiert derzeit viel: Die Renaissance des Harris Tweed hat kleine Webereien auf Inseln wie Lewis und Mull ermutigt, mehr ihrer Stoffe
zu exportieren – mit großem Erfolg. Einige sind Familienbetriebe und produzieren per Hand auf mehr als 60 Jahre alten
Webstühlen. Ohne sie könnten wir in der Savile Row keinen
einzigen Anzug schneidern. Überhaupt tun wir Briten gut daran, uns daran zu erinnern, dass wir eine lange handwerkliche
Tradition haben: Twinings Tea wurde 1706 gegründet, den
Hutmacher Lock & Co gibt es seit 1676, den
Schuhmacher John Lobb seit 1866 und unsere
Schneiderei existiert auch schon seit 1806. Wir
stellen sicher, dass alle Arbeitsschritte im Haus
stattfinden. Und das ist auch das Geheimnis, das
hinter Handmade in Germany steckt: Bei den AlSimon Cundey
lerbesten wurde das Wissen über Jahrhunderte
Inhaber von
weitergegeben und modernisiert. Den Deutschen
Henry Poole,
gelang es dazu, eine Symbiose mit der Ingenieurs15 Savile Row
kunst einzugehen: Unternehmen wie Thyssen, gegründet 1891, oder Bosch, seit 1886 am Markt, sprechen für
sich. Am besten in Worte gefasst hat Audi diese Art, Handwerk zu interpretieren. Was der Slogan „Vorsprung durch
Technik“ bedeutet, wissen bei uns schon Kinder, die ansonsten
kein Wort Deutsch sprechen. Wir sollten
stolz auf solche Firmen sein. Und eine
Ausbildung ermöglichen, die dafür sorgt,
dass wir weiter Handwerk pflegen, das
höchsten Ansprüchen gerecht wird.
21 namhafte Typen dienen
als Antwort auf die Frage:
Wann ist ein Mann ein
erfolgreicher Mann? Das
3 0 „Männer“-Buch erschien
im Knesebeck Verlag
DIE DNA DES
LUXUS’
„Alma“ – das ist nicht die Frau
auf dem Plakat, sondern die
Tasche. Das Modell von Louis
Vuitton setzte der Fotograf
Patrick Demarchelier mit Karolina Kurkova – so heißt die
Frau nämlich – 2001 werbewirksam in Szene. Sein Blick
auf die Marke illustriert die
Bedeutung der Luxustaschen
zu Anfang des Millenniums.
Die Geschichte des Modehauses erzählt jetzt der Band
„Louis Vuitton Fashion Photography“ (Rizzoli). Mit Werbestrecken und Editorials, die
bis in die 50er-Jahre zurückgehen. Herausgekommen ist
ein üppiges Album mit knapp
200 Bildern. Die De-luxeEdition mit wählbarem Cover
gibt es in den Boutiquen von
Louis Vuitton und online:
louisvuitton.com.
Luxus und Deutschland – das sind zwei Begriffe, die lange nicht zusammengepasst haben.
In den letzten Jahren jedoch hat sich rund um den Globus ein wesentlicher Wandel vollzogen. Immer mehr deutsche Marken etablieren sich als Statussymbole im kleinen Kreis
der internationalen Luxusmarken. Wer es sich leisten kann, fährt seit jeher einen Porsche,
BMW, Audi oder Daimler – was auch sonst? Aber der neue Kanon klingt weit virtuoser:
Man fotografiert mit einer Leica, hört Musik auf einer High-End-Anlage von Burmester
und bringt seine Gedanken mit Schreibgeräten von Montblanc, Lamy oder Faber-Castell
auf Papier von Gmund. Man kocht mit Freunden im Fissler-Topf in der Bulthaup- oder
Poggenpohl-Küche oder entspannt sich im Garten in Kuschel-Jacken von Bogner auf
Möbeln von Dedon. George Clooney kann ruhig heiraten, denn nicht nur Nespresso ist
angesagt, Dallmayr hält Einzug in die Nische der Connaisseurs. Kein Zweifel: Während
Luxus aus Frankreich oder Italien stagniert, gewinnen Produkte aus Deutschland immer mehr Anhänger. Woran das liegt? An den guten alten deutschen
Tugenden, die quasi die DNA dieser Produkte bilden: Genauigkeit. Zuverlässigkeit. Solidität. Der aus chronischer Unzufriedenheit gespeiste Perfektionsdrang deutscher Entwickler kulminiert in einer kaum zu übertreffenden Qualität und der schon sprichwörtlichen Langlebigkeit. Nun sind das
Eigenschaften, die lange Zeit nicht als besonders sexy galten – solide, humorlos, eher langweilig, typisch deutsch eben. Aber gerade das ist im LuSabine Meister
xussegment heute besonders gefragt. Denn Gutverdiener sind eine leisGeschäftsführerin von
tungsorientierte Zielgruppe. Sie nehmen es übel, wenn der teuer bezahlte
Meister & Associates
in München
Luxus nur ein fiktives Marketing-Konstrukt ohne inhärente Produktqualität
ist. Sie bezahlen einen hohen Preis und erwarten dafür einen hohen Wert.
Und hier kommt die berühmte Wertarbeit ins Spiel. Deutsche Luxusprodukte sind der positive Gegenpol zum schnelllebigen, sich selbst entwertenden Bling-Bling-Protz. Sie erfüllen das weltweit wachsende Bedürfnis nach Substanz und Nachhaltigkeit geradezu idealtypisch; nicht als
Neuheit, sondern als gelebte Tradition. (Der Begriff Nachhaltigkeit wurde
schon 1713 von dem deutschen Forstwirtschaftler Hans Carl von Carlowitz
geprägt.) Kaum einer verkörpert die Tugenden so wie der Designer Dieter
Rams, der unter anderem mit der Marke Braun Designgeschichte schrieb.
Für ihn muss ein Produkt „innovativ, nützlich, ästhetisch, unaufdringlich,
ehrlich, langlebig und durchdacht“ sein. Jonathan Ive, Chefdesigner von
Apple, nennt Rams als sein prägendes Vorbild und schuf mit iMac, iPod,
iPhone und iPad Lifestyle-Kultobjekte des 21. Jahrhunderts. Und ich packe
jetzt den Rimowa-Koffer und fliege mit Lufthansa ins „Kempinski“ nach
Istanbul (das mit dem Überlauf-Pool auf dem Dach!), um dort Investoren
zu treffen, die nur eines wollen: deutsche Markenunternehmen.
Unser Streben nach Perfektion.
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KOOPERATION VON ALBERT KRIEMLER UND THOMAS RUFF, VG-BILDKUNST BONN, 2014 FÜR DIE AKRIS FW 2014/15 KOLLEKTION; AKRIS / MONTAGE: ICON
KUNST
Licht
und Stoff
Wenn die Grenzen zwischen
Kunst und Mode verfließen,
ist Albert Kriemler nicht
weit. Für diese Saison ging
der Akris-Designer und
Sammler eine Kooperation
mit Thomas Ruff ein
Oben: Das Original „Stern 16h 30m/-59 Grad“ aus der Stern-Serie von Thomas Ruff ist noch
bis zum 1. Januar 2015 in der Ausstellung „Thomas Ruff. Lichten“ in der Kunsthalle Düsseldorf
zu sehen. Es diente Albert Kriemler als Inspiration für das LED-Kleid (links)
B
ling-Bling bei Akris? Ausgerechnet. Doch wenn Albert
Kriemler in ein schwarzes
Abendkleid aus Seidencrepe
zahlreiche kleine LED Lichter
einarbeitet, dann kündet das
nicht von einer völlig neuen Stilrichtung des
Schweizers, sondern wieder einmal von einer
ganz neuen Stofftechnik. Und einem Zitat.
Denn in seinem zehnten Jahr bei der Pariser
Modewoche ließ Kriemler sich von dem Düsseldorfer Fotokünstler Thomas Ruff inspirieren, übersetzte für die nun ausgelieferte
Herbst-/Winterkollektion sieben von dessen
Nachtszenen in Design. Mindestens so spektakulär wie die „Sternenbilder“-Robe sind das
Seidenkleid mit dem Druck, der eine mystische Nachtszene auf einem Hinterhof wiedergibt, oder auch ein verfremdetes Foto vom
Mars als Mantelstoff.
34
Herr Kriemler, wie kamen Sie eigentlich auf
Thomas Ruff?
Schon als ich vor gut 15 Jahren seine erste große Ausstellung im Lenbachhaus sah, habe ich
mich in seine Arbeit verliebt, er ist ein toller
Künstler. Mittlerweile sind wir gut befreundet. Und eigentlich ist eine Freundschaft ja
viel wert und Zusammenarbeit ein Risiko.
Aber alles ging gut. Im November flog ich mit
meinen Zeichnungen zu ihm, hab im Dezember unter Hochdruck die Stoffe entwickelt,
das war schon sehr anspruchsvoll, allein dieses spezielle Doubleface, die schwarze Abseite, die weiße Seite „ready to print“...
Wie kamen Sie darauf, Seide weben zu lassen,
die sich anfühlt wie Kaschmir?
Ich bekam ein Stück Flanell in reiner Seide in
die Hand, basierend auf dem Garn haben wir
den Stoff entwickelt. Ich finde ja immer, wenn
so ein haptisches Erlebnis stattfindet, muss
man sich gleich darauf stürzen.
Thomas Ruff war auch bei der Show in Paris
dabei und hat viel fotografiert. Setzt er jetzt
wiederum seine Eindrücke um?
Das weiß ich nicht, aber ich denke, dass er viel
zu sehr in der Technologie lebt, als nur ein Foto am Computer zu verarbeiten. Da ist er
längst in anderen Sphären. Er hat mir von einem Bild in seinem Studio erzählt, das ist 5,50
Meter hoch. Das größte Foto, das es je gab. Gedruckt von einem staatlichen Drucker, den
einzigen, den es in Deutschland gibt.
Was fasziniert Sie an Ruffs Arbeiten?
Es ist großartiges Gefühl, wenn man Kunst
sieht, fühlt und eigentlich gar nicht genau erklären kann, was es ist.
Fotografieren Sie auch?
(Lacht) Nein, das kann ich nicht.
Sind Sie stolz auf diese Zusammenarbeit?
Ich erinnere sehr genau die erste Show in Paris vor zehn Jahren. Donnerstagmorgen, der
erste Termin des Tages, 15 Leute da. Damals
zeigte ich die Walloton Kollektion, nach dem
einzigen Schweizer Künstler bei der Nabi
Gruppe. Er war nie richtig anerkannt. Fand
ich tollen Einstieg für Paris. Dass die Zehnjahre-Kollektion nun auch wieder einem Künstler gewidmet ist, finde ich wunderbar.
Zumal der sehr akzeptiert ist, wie Sie auch.
In der Zusammenarbeit kamen dann auch viele Gemeinsamkeiten im Arbeitsprozess zutage. Was ist das Bild für ihn, was das Bild für
mich am Anfang? Dass es mit der Technologie
auch noch so aufgeht, ist Glück. So intrigante
Details wie das LED, die faszinieren und provozieren, dafür macht man ja auch Defilees.
Das LED-Kleid könnte man sich auch als
Kunst an die Wand hängen.
Nein, ich denke, da ist schon ein grundsätzlicher Unterschied. Ein Künstler drückt sich individuell sehr subjektiv aus. Wir Designer
wollen jedoch immer auch unseren Zweck erInga Griese
füllen.
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Form vorher nicht gab. Ich habe erkannt:
Wenn es uns entflammt, wird es auch die Kundin und meine Geschäftspartner begeistern.
IM GESPRÄCH
MARKUS KIRCHGESSNER; GETTY IMAGES FOR MERCEDES BENZ (3)
Vor Kurzem haben Sie den Namen Ihres Labels
von Schumacher zu Dorothee Schumacher geändert. Heißt das, dass Sie jetzt noch mehr Einfluss auf die Ausrichtung Ihrer Arbeit haben?
Eigentlich ist alles so wie vorher, wir haben
jetzt nur noch den „Dorothee-Faktor“, wie wir
es nennen, unterstrichen.
Tochter
Mannheims
Sie wollte nicht Karrierefrau im strengen
Anzug sein, wie Ende der Achtziger üblich.
Auf diesem Widerstand baute Dorothee
Schumacher ein starkes Modelabel auf
So sieht Dorothee Schumacher den Herbst: Laubfarben,
viel Leder, weiche Materialien
36
D
as Label, das viele Jahre
lang „Schumacher“ hieß,
war schon immer von der
kreativen Energie seiner
Mannheimer Gründerin getrieben. Jetzt rückt die Chefin noch mehr ins Zentrum,
weshalb „Schumacher“ nach 25 Jahren in „Dorothee Schumacher“ umbenannt wurde.
Frau Schumacher, Sie sind auch international
sehr erfolgreich. Haben Ihre Kundinnen bestimmte Erwartungen an ein deutsches Label?
Ich glaube, dass keine Kundin, ob in Tel Aviv
oder New York, daran denkt, dass sie etwas
Deutsches kauft. Sie kauft etwas, was sie verzaubert. Sie
möchte etwas haben, was sie
beflügelt. Und das ist es auch,
was wir in unsere Kollektionen einarbeiten: Begehrlichkeit. Wenn ich mit internationalen Einkäufern zusammenarbeite, merke ich, dass es dort
eine besondere Wertschätzung gibt für deutsche Tugenden wie Pünktlichkeit oder
Qualität, aber das ist dann die
geschäftliche Ebene.
Einige deutsche Häuser wie
Strenesse oder Escada hatten
in den letzten Jahren schwer
zu kämpfen und auch viele
Nachwuchsdesigner tun sich
eher schwer. Was machen Sie
besser als die anderen?
Ich weiß nicht, ob ich etwas
besser mache, aber ich arbeite
mit vollem Herzen für die
Frauen und genieße die Zusammenarbeit mit wunderbaren Menschen. Wenn ich einen Gedanken pflanze und um mich herum
dann das Leuchten in den Augen meiner Mitarbeiter sehe, weiß ich, dass wir das gemeinsam angehen, auch wenn es so etwas in der
Was ist der „Dorothee-Faktor“ genau?
Das ist das kompromisslos Weibliche. Ich entwerfe eine Kollektion ausschließlich für Frauen. Von 140 Mitarbeitern sind 120 Frauen. Ich
arbeite mit Frauen für Frauen und da gibt es
immer unglaublich viel zu entdecken. Es
macht mir große Freude, mutige Frauen auf
ihrem Weg zu begleiten.
Ihr Label ist 25 Jahre alt. Welches waren die
größten Anfängerfehler, aus denen Sie lernten,
und was haben Sie bis heute nicht verändert?
Als Unternehmer leistet man es sich doch sehr
selten zurückzuschauen, auch in mir drängt
es eher nach vorne. Aber wichtig ist mir diese
erste kleine, feine T-Shirt-Kollektion, die ich
in Italien gefertigt habe. Ich hatte damals im
Showroom überall riesige Blumensträuße
aufgestellt. Dafür bin ich belächelt worden,
doch es war mir von Anfang wichtig, meine
Welt um mich herum zu bauen. Es war nicht
nur ein Top, es war ein Gefühl. Es ist doch komisch, dass die Leute, die einen am Anfang
kritisieren und sagen, mach das anders, dann
plötzlich Jahre später mit Standing Ovations
applaudieren.
Beobachten Sie die junge deutsche Modeszene
und sehen Sie da Labels, die Ihnen besonders
gut gefallen?
Jetzt muss ich sagen Shame on me, denn ich
bin natürlich zum Zeitpunkt der Fashion
Week in Berlin, aber da bin in meinem eigenen Tunnel, der Blick nach links und nach
rechts ist blockiert. Ich kann aber schmunzelnd sagen, dass mein deutscher Lieblingskollege Karl Lagerfeld ist, auch wenn er in
Frankreich für Chanel arbeitet. Aber Mode ist
nicht Deutschland, Frankreich oder Italien,
denn Mode kennt keine Grenzen. Für mich ist
die Mode eine internationale Sprache. Egal
wo ich auf der Welt gerade unterwegs bin, ob
in Spanien, Italien, Griechenland oder Israel,
ich immer in der Nationalsprache angesprochen werde. Niemand glaubt mir, dass ich
Deutsche bin.
Sie haben vier Kinder. Interessieren die sich für
Mode und Ihre Arbeit und sammeln vielleicht
im Unternehmen schon erste Erfahrungen?
Ich habe drei Jungen und ein Mädchen und
sie sind 24, 23, 15 und 13 Jahre alt. Zwei von ihnen interessieren sich sehr für die Firma, zwei
überhaupt nicht. Ich war vor Kurzem in London, wo einer meiner Söhne lebt. Wir haben
uns unterhalten und er sagte, dass man merkt,
wie sehr mich meine Arbeit bewegt und wie
ich daraus meine Energie ziehe. Es hat mich
wirklich berührt, dass er mir meine Freude
und natürlich auch die Zeit, die ich mit der
Firma verbringe, gönnt. Neulich hatte ich
auch ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin
und sie sagte zu mir abschließend, dass unsere Firma wie ein Jungbrunnen wirkt. So empfinde ich das auch und ich glaube, das ist es
auch, was mein Sohn mir an dem Abend mitteilen wollte. Und da sind wir wieder beim
Heike Blümner
„Dorothee-Faktor“.
Inspiration vom Herrenanzug, Wurzeln in
aller Welt. Boss-Models in der Frühjahr/
Sommer-Kollektion 2015 und Jason Wu vor
der Show im One World Trade Center
Glückskind und
Glücksgriff
Seine Kundschaft reicht von der Dragqueen Ru Paul bis
zur First Lady der USA. Als Kreativdirektor von Hugo Boss
schlägt Jason Wu nun ein neues Kapitel für die Marke auf
A
38
ls die saudische Prinzessin,
Streetstyle-Celebrity und
Boutiquenbesitzerin Deena al-Juhani Abdulaziz
vom Quai des Pariser
Grand Augustin auf die
Party rauscht, in einem modisch absolut auf
Diskurshöhe wippenden Kleid eines libanesischen Designers, hat sie ein Problem mit ihrer
grobgliedrigen Kette. Auch wenn er genug andere Optionen hätte – Supermodel Karlie
Kloss begrüßen, auf dem Bürgersteig eine
weitere Zigarette rauchen – ist der Gastgeber
sofort zur Stelle. Geduldig bemüht sich Jason
Wu, das störrische Schmuckstück sicher zu
schließen, als gäbe es in diesem Moment
nichts Wichtigeres in seinem Leben.
Das könnte man auch anders sehen. Als das
deutsche Modeunternehmen Hugo Boss vor
gut einem Jahr verkündete, den in 1982 Taiwan geborenen Modedesigner Jason Wu als
Artistic Director verpflichtet zu haben, klang
das plausibel und warf zugleich Fragen auf.
Der Mann ist ein Glückskind der amerikanischen Mode, seitdem Michelle Obama 2009
eines seiner Kleider zum Vereidigungsball ihres Gatten trug. Das war von ihrer Seite aus
kluge Integrationspolitik – die erste schwarze
First Lady in einem Kleid eines Einwandererkindes – und es machte ihn mit einem Schlag
weltberühmt.
Sein Stil ist sinnlich, ohne jemals ordinär zu
sein. Und in gewisser Weise ist er konservativ.
Er drapiert Stoffe gern, lässt sie die Silhouette
umfließen, setzt hervorblitzende Haut und
Farben mit Augenmaß ein: seine Mode funktioniert auf roten Teppichen, ohne zu schreien, dass sie dafür gemacht ist. Seine Zusammenarbeit mit der Dragqueen Ru Paul ergibt
in diesem Zusammenhang Sinn. Auch sie
steht, trotzt ihrer außergewöhnlichen Körpergröße (1,93 Meter ohne High Heels), für einen
traditionell weiblichen Look.
Seit gut einem Jahr also verbringt Jason Wu
eine Woche pro Monat in Metzingen bei Stuttgart, dem Global Headquarter von Hugo Boss.
An seiner Aufgabe sind schon andere, nicht
unbegabte Modeschöpfer gescheitert. Aber alle Zeichen weisen darauf hin, dass diese Partnerschaft funktioniert. Er liebt sogar das „Bed
& Breakfast“, in dem er dort untergebracht ist,
doch vor allem sagt er: „In dieser Marke steckt
so viel drin. Man muss es nur sehen.“ Was er
gesehen hat, überzeugt: souveräne, körpernahe Schnitte. Beherzter Einsatz von Mustern
und hochmodernen Materialien. Erwachsene
Mode mit wohltemperiertem Wow-Faktor.
Allgemeiner formuliert: Er respektiert die
Wurzeln der Marke (Herrenanzüge und -hemden) und schlägt zugleich ein neues Kapitel
auf. Die Kollektionen fühlen sich in ihrer Geradlinigkeit durchaus deutsch an, aber vor allem die zweite bereichert um eine zeitgemäße Verspieltheit.
Seine Frühjahrskollektion wurde im One
World Trade Center in New York gezeigt. Ein
sehr selbstbewusstes Signal und ein denkbar
radikaler Gegensatz zum beschaulichen Metzingen. Doch wenn man in Taipeh geboren, in
Kanada aufgewachsen und in New York groß
geworden ist, ist man Kulturbrüche gewohnt.
Für Wu ist der Gegensatz zwischen der ultramodernen Architektur seines Arbeitgebers
und den sie umgebenden bewaldeten Hügeln
ebenso Anregung wie die Farbe von bleichem
Sellerie oder der delikate Minimalismus der
amerikanischen Künstlerin Agnes Martin.
Demnächst will und soll sich der unermüdliche und disziplinierte Designer auch an die
Männerkollektion machen.
Das Lapérouse in Paris wurde 1766 eröffnet. In
den Separees vergnügten sich Frankreichs berühmteste Dichter (Zola, Hugo, Flaubert), in
der Küche wirkte einst der größte Koch des
Landes, Auguste Escoffier. Nur wenige Meter
weiter, am Place St-Michel, hat sich eine johlende Menge von kurz behosten Touristen um
eine Dance-Performance versammelt. In den
niedrigen, holzigen und plüschigen Räumen
des Lapérouse aber könnte es gestern gewesen sein, als Balzacs attraktiver Held Lucien de
Rubempré seinen Aufstieg in der Pariser Gesellschaft versuchte. An diesem sommerlichen Abend während der Herbstschauen in
Paris lässt die Dichte attraktiver Menschen
und der Vorrat an Champagner und CognacCocktails (die Marke Martell lud ein) keinen
Zweifel, dass dem Mann des Abends sein AufAdriano Sack
stieg gelungen ist.
HUGOBOSS.COM/MONTAGE ICON
BOSS BEI BOSS
NEUSTART
AFP PHOTO (4) /MONTAGE ICON
Jung ohne
jung sein zu
wollen, so
stellt sich
Rodolfo
Paglialunga
die Marke Jil
Sander vor
Es sandert wieder
Als sich Jil Sander vor fast einem Jahr endgültig zurückzog,
schien die Zukunft ihres einstigen Labels eher neblig trüb. Nun
ist Rodolfo Paglialunga da und der Horizont reißt auf
H
40
uch, ist der Mann sympathisch. Schon wie er
nach der Schau schwungvoll wie sein Name
Rodolfo Paglialunga klingt, die große Runde
an den Zuschauern ablief, war eine Überraschung. Der Mehltau, der sich nach dem endgültigen Abschied von Jil Sander über das Modehaus gelegt hatte, die Unsicherheit, ob und
wie es überhaupt weitergehen würde mit der
Marke: wie weggeblasen. Ansprechend wie
seine erste Kollektion ist auch der neue Designer. In Pullover, Bermuda, Kniestrümpfen –
alles in Dunkelblau – kommt er um die Ecke
im Showroom gesaust, der Händedruck ist gerade richtig, der Blick offen, wenn er lacht,
was er gern tut, blitzt eine Zahnspange. Der
47-Jährige ist wenig bekannt, allerdings kein
Neuling. Auf dem „Land mitten in Italien“ aufgewachsen, war er gleichwohl sehr früh interessiert an Kleidung, es waren viele Frauen in
seiner Umgebung, aber vor allem die schönen
Schauspielerinnen im Fernsehen hatten es
ihm angetan. Und mochten seine Geschwister
auch anziehen, was die Mutter kaufte, er fand
es meist schrecklich. Nach der Schule zog er
ganz schnell nach Mailand, besuchte die Designschule, um auch das Geschäftliche hinter
der Passion zu verstehen, begann als Jungsdesigner 1993 bei Romeo Gigli, zog weiter zu
Prada, wo er viele Jahre verantwortlich an der
Seite von Miuccia Prada an der Damenkollek-
tion arbeitete, bis die alte Marke Vionnet wiederbelebt und er 2009 angeheuert wurde.
2012 endete die Zusammenarbeit, Paglialunga
verschwand. Jedenfalls aus dem Blick der Öffentlichkeit. Mit seinem Designbüro beriet er
im Hintergrund andere Marken. Im Frühjahr
dann stellte das Haus Jil Sander ihn überraschend als Kreativdirektor vor, im September
zeigte er seine erste Kollektion. Zum ersten
Mal wurde dafür die ganze erste Etage im Mailänder Hauptquartier freigeräumt.
Als Sie gefragt wurden, ob sie den Job übernehmen, was dachten Sie?
Nun, im Januar kam es über gemeinsame
Freunde zu einem zwanglosen Austausch. Wir
sprachen über die Perspektiven, sie waren
noch unsicher, in welche Richtung es gehen
sollte. Ich sagte, ich liebe die Marke, und es
wäre eine reizvolle Herausforderung für mich
dafür zu arbeiten. Und so ist es auch. Jil Sander ist die Referenz für alle Designer. Zu ihrer
großen Zeit haben wir uns auch bei Prada an
ihr orientiert. Deswegen ist es für mich auch
eine so große Freude nun hier zu arbeiten. Sie
ist auch noch gegenwärtig in diesem Gebäude, das ja komplett ihre Handschrift trägt. Deswegen war es auch schwierig, sich der Kollektion anzunähern. Ich bin nicht deutsch, habe
eine andere Kultur, eine andere Geschichte,
wollte das Erbe Jil Sanders nicht limitieren
und zugleich auch mir selbst treu bleiben.
Und? Zufrieden?
Zunächst hatte ich schon Angst. Aber als ich
fertig war mit der Kollektion, war ich sehr zufrieden. An einem bestimmten Punkt musste
ich mich einfach von allem lösen, was Jil Sander gemacht hatte und was auch Raf Simons
gemacht hatte, den die Medien ja sehr liebten.
Aber als ich auf dem Monitor backstage die
Schau verfolgte, fühlte ich mich wirklich
wohl. Für mich und für die Marke. Ich frage
mich nur, was Frau Sander wohl über die Kollektion denkt? Ich kenne sie ja nicht.
Waren Sie schon einmal in Hamburg?
Einmal zu Prada-Zeiten mit Patrizio Bertelli,
der mir die Firma zeigen wollte und noch einmal mit Freunden zu Besuch. Hamburg ist eine sehr schöne Stadt.
Braucht eine Marke eine Heimat?
In jedem Fall eine Identität. Aber nicht eine
Nationalität. Ich mag die Alltagstauglichkeit
der Kollektion, sie ist einfach aber elegant. Ich
entwerfe nicht gern für den roten Teppich.
Mein Leben ist nicht so. Es ist sehr privat, mit
alten, engen Freunden, mit meinen Hunden,
Jack-Russell-Terrier, Mutter und Tochter.
Mich interessiert Alltag einfach mehr. Auch
als Designer ist es leichter, mit Chiffon zu zaubern, als etwas sehr Reales und dennoch Interessantes zu entwerfen.
Hedi Slimane hat bei Saint Laurent alles auf
den Kopf gestellt. Sind Sie auch so einer?
Ich fang erst einmal an. Und freue mich, wenn
ich in der schnelllebigen Branche Zeit habe,
über eine Kollektion nachzudenken. Ich bin
einer, der zur Entspannung ruhige, sehr tiefe
Atemübungen macht. Rebirthing nennt sich
Inga Griese
diese Technik.
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MODE
Heimat
verbunden
Von der Provinz in 58 Länder. Marc Cain
ist eine Erfolgsstory aus Bodelshausen.
MARC CAIN (4)/MONTAGE ICON
Oliver C. Schilling stattete einen Besuch ab
Über-Modern: Der Firmensitz von Marc Cain (Treppenhaus) liegt nahe
Tübingen und auch die Boutiquen, wie hier am Hamburger Neuen Wall,
wurden modernisiert. Rechts: Looks aus der aktuellen Kollektion
N
42
Nach Tübingen hat man es beinahe
geschafft. Man fährt die Bundesstraße einfach weiter, biegt irgendwann rechts ab, vorbei am
Butzensee, einem Kindergarten
und fährt durch das Wohngebiet
rund um die Mozartstraße. Und
gerade dann, wenn man denkt,
dass dieses Dörfliche auch was für
sich hat, steht man vor einem futuristischen Bauwerk. Die Architektur stammt vom Büro Hank+Hirth
aus Eningen, das Haus könnte genau so auch in Miami oder Seoul
stehen: der Firmensitz der deutschen Modemarke Marc Cain.
Das Gebäude ist freilich mehr als
nur das strategische Zentrum eines Unternehmens, das weltweit
erfolgreich ist. Es ist ein selbstbewusstes Statement und ein klares
Ja zu „Made in Germany“: Ganz oben, in einer
Art Kommandozentrale, sitzt jener Mann, der
für den Erfolg und auch den Baustil verantwortlich ist. Helmut Schlotterer, Vorsitzender
der Geschäftsführung, gründete das Unternehmen 1973 und baute es kontinuierlich aus.
Der Standort Bodelshausen gilt als gesetzt.
„Die Werbeabteilung wollte nach Berlin, die
Designer nach Mailand, da dachten wir, bleiben wir in Bodelshausen, investieren in unsere Heimat, die liegt in der Mitte“, sagt Schlotterer. „Früher habe ich versucht, bei internationalen Auftritten die Nähe zur Schwäbischen Alb zu verbergen. Was wir damals
anders machten, schien nicht zur Region zu
passen. Alles sollte ‚Italian style‘ sein.“ Das Label Marc Cain hatte er tatsächlich schon in Ita-
lien gegründet, bevor er die Strickerei des Vaters übernahm. „Ein frankokanadischer Kollege hieß so und
ich fand den Namen cooler als
Schlotterer. Mittlerweile bin ich
stolz auf unseren Standort, auf die
Rechtschaffenheit dieses Menschenschlags hier und darauf, dass
wir aus der Provinz heraus ein Weltunternehmen aufbauen konnten.
„‚Think local, act global‘ ist zu meiner Devise geworden.“ Andere global player haben es vorgemacht.
Boss sitzt auf dem Land in Metzingen, Tod’s hat den Stammsitz in den
italienischen Marken, wo die Eigentümer Della Valles auch wohnen.
Verantwortlich für das Design ist
Karin Veit, Geschäftsführerin Design & Produktentwicklung. Sie
und ihr Team finden bei den Linien
Collection, Sports und Essentials genau den
richtigen Mix aus Wagemut und Tragbarkeit.
Vor dem Image kommt die Kundin – und die
kann sich darauf verlassen, dass auch in den
modisch gewagteren Saisons irgendwo ein
Leopard faucht. Als Print versteht sich, der zu
den Markenzeichen von Marc Cain gehört.
Statt sich alle paar Monate komplett neu zu erfinden, wird in diesem Haus auch Kontinuität
gepflegt.
Zweimal im Jahr wird ein Teil der riesigen
Produktion (pro Saison etwa 800 Teile plus
Accessoires) während der Berliner Modewoche auf dem Laufsteg gezeigt. An der Herbstpräsentation ließ sich beobachten, was das Erfolgsgeheimnis von Marc Cain ausmacht. Auf
den internationalen Schauen in Paris und
Mailand schwappte eine Punk-Grunge-Welle
über die Laufstege. Ein herrliches Thema für
Streetstyleblogs, für den Alltag allerdings ein
bisschen edgy. Designerin Veit griff den Trend
auf, schliff allzu schrille Ecken und Kanten ab,
ohne die modische Aussage zu verwässern. So
gibt es Lederleggings und derbe Schnürboots,
diese werden aber mit feinen Fellwesten kombiniert. Ein Bleistiftrock aus gelackter Spitze
sorgt für einen Gothic-Charme, den man auch
im Büro problemlos tragen kann, ohne dass
die Kollegen einen ungeahnten Lebenswandel vermuten. „Unsere Fans, wie wir unsere
Kundinnen nennen, haben einen gewissen
Stil, sind selbstbewusst und sie wollen öfter
etwas Neues, das sie gut aussehen lässt“, erklärt Helmut Schlotterer. Ein weltgewandter
und dabei pragmatischer Mann mit einem Faible für Architektur. Und für Strickmaschinen.
Schon in den 70er-Jahren ratterten in Bodelshausen die ersten elektronisch gesteuerten
Maschinen. Über hundert sind es heute, darunter Hightech-Geräte, die ein komplettes
Kleidungsstück in nur einem Arbeitsgang erstellen.
Diese Art der Kundenansprache funktioniert
in – bisher – 58 Ländern. Platziert in eigenen
Geschäften oder im Umfeld der großen Designermarken. Selbst Stylisten, die spitzzüngigen, selbst ernannten Türsteher des Modeolymps, hören bei Marc Cain auf zu nörgeln.
Nach der Show im Juli in Berlin, Stargäste waren die US-Schauspielerinnen Hilary Swank
und Marcia Cross, ging Schlotterer schnellen
Schrittes durch die Lobby des Veranstaltungsortes. Es schien, als sei die Bussi-Bussi-Szene
nicht so seine. Feiern können die anderen. Die
Modemacht in Deutschland aber ist er.
shop at santonishoes.com
PORTRÄT
Aus Giebelstadt für die Welt
In der deutschen Provinz erdacht, erobert das Label Odeeh den Modeplaneten. Das Geheimnis
des Duos Otto Drögsler und Jörg Ehrlich: „Made in Germany“ – aber anders als die anderen
E
Traditionell und doch
technikverliebt: Jörg
Ehrlich und Otto
Drögsler entwerfen
Mode, die schnell zum
Lieblingsstück werden
kann. In diesem Winter sind weiche Mantelkragen das Erkennungszeichen
44
geht es nur noch bergauf. Dem Namen gerecht: Sie haben ihn vom arabischen „odeh“
entliehen, was für Auferstehung steht. Die
Stücke werden inzwischen in mehr als 100 Läden weltweit verkauft, vor allem in Japan ist
das Label immer stärker gefragt.
Bereits bei den ersten Präsentationen in einer
Galerie während der Berliner Fashion Week
zählte Odeeh zu den am meisten beachteten
Newcomern. Für Drögsler und Ehrlich, seit
mehr als 20 Jahren in der Branche und vor der
Selbstständigkeit ein Jahrzehnt für das Design bei René Lezard verantwortlich, war diese Bühne aber zu klein. Die beiden haben die
nötige Erfahrung und dadurch auch die notwendige Gelassenheit, um ihre
Vision
entsprechend
selbstbewusst zu verfolgen – man könnte auch
sagen: Sie wissen einfach,
wie gut sie sind. Auch
wenn sie das nicht vor
sich hertragen.
Da kann man sich dann
sogar erlauben, in Giebelstadt zu arbeiten. In einer
ehemaligen Rewe-Filiale
im Gewerbegebiet des
5000-Seelen-Örtchens
bei Würzburg entsteht ein
Hybrid aus Couture und
Prêt-à-porter, höchst individuell und gleichzeitig
überaus tragbar: eine
enorme Bandbreite an meisterhaft ausgeführten Silhouetten, die auf den ersten Blick
schlicht, bei genauerem Hinsehen raffiniert
und auf elegante Weise verspielt sind, in der
Wirkung so feminin wie ein Couture-Kleid,
allerdings eines mit Taschen.
Ein Effekt, der sich durch die Wahl der Materialien noch verstärkt. Über Stoffe, Muster
und Drucke entscheiden Otto Drögsler, der an
der Wiener Hochschule für angewandte
Kunst in der Meisterklasse von Karl Lagerfeld
studiert hat, und Jörg Ehrlich, der gelernte
Herrenmaßschneider, gemeinsam. Brokat,
Organza, Seide, streichelweiche Wollqualitäten, sie kommen aus den besten Stoffmanufakturen Norditaliens und werden nach eigenen Vorlagen aufwendig bedruckt. Immer
wiederkehrende Elemente sind das SchwarzWeiß der Wiener Werkstätte, englische Arts&-Crafts-Tapeten, die sonnigen Eiscreme-Farben von David Hockney. Das in dieser Hinsicht schönste Detail der Winterkollektion
sind enorm flauschige Kragen und Mäntel aus
echtem Webpelz in Angora und Mohair vom
Teddybären-Hersteller Steiff.
Dass sich die Ästhetik kaum der Kategorie
„Mode aus Deutschland“ zuordnen lässt –
Dries Van Noten ist beispielsweise ein Name,
der einem angesichts der Stoff- und Farbenpracht einfällt –, ist eine Tatsache, mit der sich
die Designer immer weniger beschäftigen.
„Wir werden verstärkt als internationales Label wahrgenommen, ob wir Deutsche sind, interessiert eigentlich keinen mehr“, sagt Jörg
Ehrlich. Als Gütesiegel zählt „made in Germany“ allerdings schon: Jede Skizze, die
Otto Drögsler an seinem Zeichentisch
im Supermarkt-Atelier anfertigt und für
gut befindet, jeder Schnitt wird anschließend in Manufakturarbeit umgesetzt – ausschließlich in Deutschland.
Überhaupt werde der Atelier-Gedanke
immer mehr zum Kernpunkt ihrer Arbeit, sagt Jörg Ehrlich. „Wir versuchen
aber, dieses Prinzip in die Gegenwart zu
übersetzen. Bei aller Leidenschaft für
Handwerk sind wir auch sehr technikverliebt.“ Was sich unter anderem in der
Verwendung von Hightech-Stoffen
zeigt. In der aktuellen Kollektion findet
sich beispielsweise viel atmungsaktives
Nylon-Sweatshirt-Gewebe, das in der
Kombination mit Seide und Baumwolle
dann wieder typisch ist: ein gleichberechtigtes, sinnhaftes Miteinander von
Moderne und Tradition.
„Uns gefällt die Überlegung, dass Odeeh
irgendwann eine ‚Maison‘ werden
kann“, sagt Otto Drögsler. „Eines, das
stark geprägt ist von Qualität, vom Dialog zwischen uns und anderen, die ihr
Handwerk verstehen.“ Dass diese Maison dann in Giebelstadt steht und nicht
in Paris – in einer sich immer schneller
drehenden Modewelt mag sich das sogar als Standortvorteil entpuppen.
Lorraine Haist
ODEEH (5) / MONTAGE ICON
ine Kollektion aus mindestens 150 Teilen, von der man
jedes einzelne auf der Stelle
überwerfen und fortan darin
leben möchte? Das gibt es
vielleicht bei Valentino –
aber dass einen dieses Gefühl
einmal bei Mode aus
Deutschland überkommen würde, überrascht
dann doch. Angesichts der eher düsteren
Stimmung in der deutschen Branche ist es
aber umso erfreulicher. Seit fünf Jahren erst
gibt es das Label Odeeh, und seit sich die beiden Designer Otto Drögsler und Jörg Ehrlich
Ende 2011 entschieden haben,
ihre Kollektionen bei der Pariser Modewoche zu zeigen,
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Großdenker
Nicht nur für
Hamburg hat
Florian Braun
Pläne – mit angesagter Mode wie
von Saint Laurent
Florian Braun führt den Hamburger
Designer-Store Unger in dritter
Generation. Doch seine Vision geht
weit über den klassischen
CHRISTIAN KERBER / MONTAGE: ICON; GETTY IMAGES(2)
PORTRÄT
Einzelhandel hinaus
um vereinbarten Termin
fürs Interview am Telefon ist
Florian Braun mal wieder
unterwegs. Er sitze im Auto
vor dem Alexander-WangShowroom in Paris, sagt er.
„Mein Team ist schon oben
im Showroom. Ich gehe
dann nach unserem Interview dazu.“ Als Chef
des Hamburger Designerstores Unger und des
dazugehörigen
Onlineshops
unger-fashion.com ist der 34-Jährige locker 150 Tage
im Jahr auf Reisen, sichtet neue Kollektionen,
wählt mit seinem Chefeinkäufer das Passende
für die Shops aus. Seine Eltern, von denen er
als Einzelkind 2010 die Geschäftsführung
übernahm, haben jahrzehntelang auch nichts
anderes gemacht. Nur der Rhythmus war ein
anderer. „Als ich mit meinen Eltern als kleiner
Junge die ersten Reisen mitgemacht habe,
sind wir im Sommer oft noch einmal zwei,
drei Tage nach Mailand gefahren und haben
dann erst mal drei Wochen Urlaub gemacht.
Das ist heute undenkbar.“
Florian Braun blickt nicht sehnsuchtsvoll in
die Vergangenheit, dafür ist er noch viel zu
jung. Ihm geht es um die Zukunft. Das Modehaus Unger am Neuen Wall zählt heute zu den
wichtigsten Designer-Stores in Deutschland,
über 130 Labels wie Christian Dior, Lanvin
und Alaïa versammeln sich auf 1200 Quadratmetern. Dazu kommt der Onlineshop mit eigenem Blog, und seit Ende September führt
das Unternehmen noch ein zweites Geschäft
namens Uzwei. Dessen Angebot umfasst mutigere Designs von Labels wie Dries Van Noten
und Marni, ausgewählt und zusammengestellt
wie in einem Magazin nach bestimmten Themen und Trends. Zudem führt Uzwei einen
Stella-McCartney-Shop-in-Shop,
eine
Schmuckfläche, eine Corner für modische
Sportswear, eine Bar und einen Floristen. „Es
geht um Erlebnis-Shopping“, sagt Braun. Für
ihn sei der Store die Antwort auf die „Müdig-
Z
46
keit einer Generation, sich, ganz blöd gesagt,
in die Stadt zu quälen.“
Das Modehaus Unger ist eines von diesen traditionsreichen Familienunternehmen, wie es
sie heute in der Branche immer seltener gibt.
1878 gründete Gustav Wilhelm Unger das Geschäft mit Sitz an den Alsterarkaden, Ecke
Jungfernstieg. Die Familie Unger führte den
für seine Accessoires und Lederwaren bekannten Laden mit Erfolg, bis er dem Zweiten
Weltkrieg zum Opfer fiel. In den 50er-Jahren
erwarb das Ehepaar Erich und Helene Braun
das Geschäft und machte daraus wieder eine
Boutique für Damen-Luxusmode. Später
übernahm Florian Brauns Vater Michael die
Leitung von seinen Eltern, kaufte 1982 den
Konkurrenten, das Modehaus Horn am Neuen
Wall, und zog mit Unger in das Gebäude.
Eine schwindende Mittelschicht, große Monobrand-Stores, günstige Ketten und Onlineshops, horrende Mieten haben es den deutschen Mode-Einzelhändlern in den vergangenen Jahren schwer gemacht. Selbst Luxusspezialisten wie Maendler in München oder Eickhoff in Düsseldorf schlossen. Florian Braun
kennt sowohl Albert Eickhoff als auch Michael Maendler sehr gut. Bei den Düsseldorfern
wusste er schon über das Aus Bescheid, lange
bevor es offiziell kommuniziert wurde. „Mich
hat das schon sehr getroffen. Aber diese Entwicklung hat mich darin bestärkt, meinen
Weg konsequent weiterzugehen.“
Wie dieser Weg aussehen würde, wusste
Braun bereits ziemlich früh. Bevor er mit 26
Jahren ins Unternehmen einstieg, studierte er
European Business in London. Während seiner Zeit im Ausland prägte ihn die dort intensiv geführte Diskussion darüber, dass besonders wohlhabende Menschen immer reicher
würden, während der Mittelstand schrumpfte.
Er verstand, dass Luxus zunehmend an Bedeutung gewinnen würde. Nach seiner Rückkehr fand Braun, Unger müsse auf diese Entwicklung reagieren. „Wir haben das Haus re-
lativ schnell umstrukturiert und uns auf die
Topmarken konzentriert.“ Heute tauschen Vater und Sohn sich aus, das Sagen hat jedoch
der Sohn. „Wenn mein Vater nicht hätte loslassen können, hätte ich den Job nicht gemacht.
Dafür bin ich dann doch zu viel Alphatier.“
Manche würden Brauns Vision angesichts der
Investitionen, die das Unternehmen auf sich
nimmt, fast als übermütig bezeichnen. Unger
bringt ein eigenes Magazin heraus, das sogar
am Kiosk ausliegt. Für die Modeshootings
reist ein Team eigens nach Los Angeles oder
nach Großbritannien aufs Land, es finden sich
in dem Heft Interviews und Trend-Reports,
natürlich auch thematisch abgestimmt auf das
Angebot. Im August lancierte Unger zudem
die „Style is Ageless“-Kampagne, für die man
das Supermodel der 80er- und 90er-Jahre
Yasmin Le Bon sowie deren Tochter Amber
verpflichtete. Eine kostspielige Aktion, mit
der der Kaufmann jedoch deutlich machte,
wen er erreichen will: nicht Mädchen, nicht
Damen, sondern Frauen. Und das nicht nur in
Hamburg. Den Spagat zwischen der alteingesessenen Hamburger Kundin und der Instagram-Generation, die weltweit zu Hause ist, gilt
es zu meistern. „Ich bin da Realist. Manchmal
werde ich in München irgendwo eingeladen
und dort kennt eigentlich jeder Unger. Aber
viele erzählen mir dann Geschichten nach
dem Motto, wenn meine Mutter ihre Tante in
Kiel besucht, geht sie gern zu Unger“, sagt er
in seiner humorvollen Art. Er freue sich, dass
es dem Geschäft so gut gehe. „Aber ich finde
es schön, dass wir noch viel Luft haben, um zu
wachsen.“ Braun beobachtet seine Branche
genau. Er nennt den Onlineshop Net-a-porter,
der ebenfalls ein eigenes Magazin herausgibt,
den übercoolen Concept Store Dover Street
Market. Er freue sich „wie ein kleiner Knirps“
wenn er sehe, dass die britische „Vogue“ dieselben Trendthemen setze wie er in seinem
Magazin. Sieht nach einem Deutschen auf
Silvia Ihring
dem richtigen Weg aus.
Schau genau hin: Heike Becker und der
Grafikdesigner Benjamin Kräher vom Label
Zukker steht für ihre Mäntel bereits ein
Showroom in Paris zur Verfügung
Mantelmacher: Zu Zukker gehört
auch Sebastian Schettler (links) –
in der Sommerkollektion wird es
auch Bermudas geben
FLIEGENDE HALLENSER
Der Brutkasten
Halle ist keine Modestadt, aber dank einer guten Ausbildung haben
sich in den vergangenen Jahren einige Labels von hier auf den Weg
gemacht – und sind weit gekommen. Ingolf Kern schaute an der
Saale vorbei, Dominik Butzmann fotografierte
iva in Grau. So haben sie
ihre Stadt genannt. Damals, als ihnen dieses
Halle fast auf den Kopf
fiel, so sehr hatten Verfall und Ignoranz und
DDR-Schlendrian ihr
Antlitz
verschmort.
Aber in dem Wort Diva steckte eben trotz der
trüben Beimischung Eleganz, Trotz und Stil.
Genau das ist es, was die Diva heute wieder
zeigt. Nicht überall wirklich formvollendet,
aber doch an manchen Stellen so en vogue,
dass es kaum glauben kann. Zum Beispiel im
Designhaus. Was von außen eher aussieht wie
eine Lungenheilanstalt aus der Kaiserzeit,
entpuppt sich im Innern als Inkubator von
Gestaltungsideen. Tür an Tür hocken sie hier
unter einem Dach, die Illustratoren und Mö-
D
48
belmacher, Schmuckhersteller und Trickfilmer, Fotografen und Formliebhaber. Sogar ein
Büro für Unsinn gibt es.
Allesamt sind sie Alumni der Burg Giebichenstein, jener Hallenser Kunsthochschule, die
im kommenden Jahr ihren einhundertsten
Geburtstag feiert. Historisch und in der
Grundlagenausbildung mit dem Bauhaus verwandt, beherbergt sie seit Jahren eine stolze
Modeklasse in ihren Mauern. Hier geben
nicht Vivienne Westwood oder Dries Van Noten den Ton an, sondern mit Thomas Greis
und Joachim Schielicke zwei knorrige Professoren, die einst die hochpreisigen „Exquisit“Läden der DDR mit rarem Chic versorgten.
Die Absolventen, die hinausgezogen sind, zu
Hugo Boss oder Calvin Klein, sagen, dass man
hier nicht nur etwas über Schnitte und Stoffe
gelernt, sondern die Antennen zum eigenen
Ich entdeckt habe. Und sicher auch zur Gründerlust. Wer sich entschieden hat, nach dem
Studium seinen Weg in Halle zu beginnen,
findet im Schatten der „Burg“, wie die Formschmiede hier nur genannt wird, mit dem Designhaus einen geschützten Trainingsraum
für die ersten Schritte in Richtung Selbstständigkeit. Und die sind gerade in Sachen Mode
sehr ambitioniert.
Mit Luxaa, Zukker und Brachmann haben
nämlich gleich drei Marken aus Halle den
Sprung auf die internationale Bühne geschafft. Aber bitte der Reihe nach. Anne
Trautwein ist von ansteckender Fröhlichkeit, wenn sie durch ihre eigenen
Räume wirbelt, in denen vor zwei Jahren ihre erste Sommerkollektion und
die Marke Luxaa entstand. Eigentlich
hatte sie nie vor, ein Label zu gründen,
es hat sich einfach organisch ergeben.
Und zwar im doppelten Sinn. Alles begann mit Tyvek, einem technischen Papier, das gern für Dachabdeckplanen verwendet wird, aus dem sich aber – gewaschen und
gefärbt – ein butterweicher Strick mit atmungsaktiver Membran machen lässt. Ein
Hauch von Nichts,
um genau zu sein.
Heute ist Tyvek bei
allen, die Mode
gern mit Nachhaltigkeit koppeln, ein
Begriff. Aber Anne
Trautwein hat das
Patent angemeldet.
Sie ahnte vielleicht,
dass sie mit ihrer
Materialrevolution
einen Coup landen
würde, aber sie war
2012 eine Namenlose im Modegeschäft. Doch schon die erste Fashion Week blies ihr „Wind unter die Flügel“,
weil das Feedback auf ihre schlichte, klassische und zeitlose Damenmode ungemein positiv ausfiel. Was jedoch nicht bedeutete, dass
ihr die Händler die Türen einrannten.
Sie blieben – wie bei allen jungen Labels – zurückhaltend und folgten dem Grundsatz: drei
Saisons abwarten und dann ordern. Für die
Newcomer bedeutet das ein Kraftakt sondergleichen. Monate der Unsicherheit, die überbrückt werden wollen – vor allem auch finanziell. Da ist man dann froh über den Hallenser
Schutzraum, in dem weder Druck noch Konkurrenz existiert und in dem man sich beim
Mittagessen oder beim abendlichen Grillen
ungeniert offen gibt: Hat es bei dir funktioniert? Man motiviert sich gegenseitig, genießt
die Vorzüge einer winzigen Modestadt und
pflegt sein Netzwerk.
Was in Berlin passiert, wird selbstverständlich
genau registriert, die wenigsten aber möchten
dort sein. „In Berlin gibt es viele, die sich als
Designer ausgeben, aber eigentlich keine
sind“, sagt Anne Trautwein kess, und meint
damit natürlich dieses typische Hallenser 3
Anne Trautwein (links unten) vom Label
Luxaa brachte den Werkstoff Tyvek – ein
technisches Papier – in die Mode. Ihre
Entwürfe gelten als besonders zeitlos und
klassisch. Darunter: eine Luxaa-Mitarbeiterin beim Zuschnitt
Fachwerk und Plattenbau: Jennifer
Brachmann im Atelier und Showroom ihres Labels Brachmann – sie
hat sich einem möglichst eleganten
Minimalismus verschrieben
Bomberjacke, aber dann ganz schmal nach
unten zulaufen, dann wieder ein wenig Glenn
Glose als Cruella de Ville in „101 Dalmatiner“
oder Meryl Streep in „Der Teufel trägt Prada“.
Bei allem sitzt das Besondere oft im Mantelkragen. Farblich gibt sich „Zukker“ äußerst reduziert: Rosa mit kleinen Gelbanteilen, ein
fast militärisches Olivgrün, Schwarz als Kontrast. Das war’s. Und weil sie eben etwas von
ganzheitlichem Denken verstehen, kommen
sie bei ihren „Brot-und-Butter-Geschäften“
mit Kommunikations- und Interiordesign auf völlig
neue Einfälle für
ihre Mode.
Als Benjamin Kräher und Sebastian Schettler ein Musterzimmer für das Weimarer Hotel „Elefant“ entwarfen, verwandten sie einen Möbelbezugsstoff
der dänischen Firma Kvadrat: Loden, unter
Wasser gefilzt, extrem fest. Perfekt nicht nur
Hotelsessel, sondern eben auch für Mäntel.
Taugt Halle zu einem mitteldeutschen Antwerpen? Jennifer Brachmann und Olaf Kranz,
die mit Brachmann postklassische Männermode machen, sind da skeptisch. Klar, das allgemeine Verständnis für Farben und Formen,
im Studium darauf getrimmt zu werden, eine
eigene Handschrift zu entwickeln und die Urteilskraft zu schärfen, das sind schon keine
schlechten Zutaten für den Erfolg. Letztlich
fehlt es aber in Sachsen-Anhalt an einem Verständnis für Mode, überhaupt an einer Affinität. Nur die wenigsten erkennen die Erfolge
des kleinen Modeschwarms.
Brachmann hat zwar 2012 in Halle begonnen,
gilt aber längst als Berliner Label, auch wenn
sie in der Heimat noch ihr Atelier unterhalten.
Wenn Jennifer Brachmann davon spricht,
dass sie „Klassiker der Herrenmode durch
Übertragung von Designprinzipien aus der
Architektur“ modernisiert, ist dies auch eine
Reverenz gegenüber ihrer Zeit an der „Burg“.
Also nimmt sie auseinander, um mit neuen
Schnitten wieder zusammenzusetzen. Das
Hemd trägt dann eben an der Rückseite eine
Norfolkfalte, wie man das von Jacken kennt,
die Weite der Breeches stammt aus einer seitlichen Kellerfalte, die vom Norfolksakko über-
Der Anzugträger von heute, sagen sie hier,
sollte auch einen Sinn fürs Subtile haben
3 Ideal, bei dem vor dem Entwerfen immer
das umfassende Nachdenken, manchmal auch
das Brüten über die Rolle des Gestalters in der
Welt von heute steht.
Auch Heike Becker, Benjamin Kräher und Sebastian Schettler vom Label Zukker sind
schwere Denker. Als sie jüngst im Pariser Marais-Viertel einen Showroom für ihre außergewöhnliche Mantelkollektion einrichteten,
bekamen sie oft zu hören, dass sie ihr Gewerbe doch auch etwas leichthändiger versehen
könnten. Und doch brachte Paris die Erkenntnis: Wir sind „auf dem richtigen Dampfer“.
Obwohl sie alle aus unterschiedlichen Designrichtungen stammen, haben sich die drei
in der Mode und in Halle getroffen. Ein sehr
stolzes Kleidungsstück sollte es sein, das sie
exzentrischer und objekthafter machen wollten. Obwohl der Mantel natürlich immer ein
Mantel bleibt, wird er aufgeladen mit akkuraten Spielereien: Wintermäntel mit halbem
Arm, Modelle, die oben aussehen wie eine
50
Inspiration und Analyse – in manchem Atelier fühlt
man sich an ein Labor erinnert
tragen wurde, und das
Hemd wird mit der Weste
kombiniert. Ihr geht es
nicht um Trends, sondern
um „modulares Gestalten“, wie sie es nennt. Sie
blickt absolut analytisch
auf einen Trenchcoat
oder einen Anzug, seziert
die Mode und findet so zu
einem eleganten Minimalismus. Natürlich kauft
kein Mensch nur ein Konzept: „Aber wir bekommen viel Zuspruch, weil
die Männer bei uns die
Gestaltung erkennen.“
Auf der Berliner Mercedes-Benz Fashion
Week ist Brachmann kein Geheimtipp mehr.
Kritiker möchten das, was sie machen, auch in
Kleiderschränken sehen. Aber dann gibt es
wieder den Handel und seine Vorbehalte. Wie
kann eine junge Marke vorankommen, wenn
sich zum Mut der Macher die Unsicherheit im
deutschen Modegeschäft gesellt, wenn nur ins
Sortiment genommen wird, was auch bekannt
ist? Wohin das führen kann, zeigte das Beispiel Achtland zu Beginn des Jahres. Gelobt,
gefeiert, nun in London. Für die Brachmanns
ist das noch keine Alternative. Noch arbeiten
sie hart daran, die Einzelhändler von ihrer
wirklich großartig gedachten und vor allem
vorzüglich gearbeiteten „Post-Classical Menswear“ zu überzeugen. Der Anzugträger von
heute, sagen sie, sollte doch bitte schön auch
einen Sinn fürs Subtile und nicht nur fürs
Uniforme haben. Dann steht Jennifer Brachmann auf und zeigt einen gestuften Mantel
mit langen, aufgesetzten Taschen. Vor dem
Schaufenster laufen Leute vorbei, die sich
praktisch und knisternd kleiden.
Nein, eine Modestadt ist Halle nun wahrlich
nicht, aber es gibt die „Burg“, in der die Vibes
sehr genau registriert werden. Mit welcher
Leidenschaft die Absolventen der Modeklasse
sich dann ins Machen stürzen und darin auch
etwas Daniel-Düsentriebhaftes sehen, das hat
dann doch etwas von einem Labor des Unberechenbaren. Und das passt ja nur zu gut zu einer echten Diva.
F I L I PPA - K . C O M
Die Jungs von Service und Organisation sahen blendend aus. Die Gäste wurden in Fähren
mit Dior-Logo zur Präsentation der Cruise Collection 2015 in Brooklyn übergesetzt
Popstar Rihanna
gehörte zu den
über 900 geladenen Gästen
„Der Blick nach Manhattan ist
mir lieber als andersrum“
REUTERS(2); JASON SCHMIDT FÜR DIOR (3); JOE SCHILDHORN/BFA.NYC.COM; SOPHIE CARRE(6)
R A F S I M O N S N A C H D E R S H O W I N B R O O K LY N
Hinter den Kulissen: Design ist Details und Teamarbeit. Der prüfende Blick
von Raf Simons (Vierter von rechts auf dem Stuhl) ist ausschlaggebend
In New York präsentierte Dior seine umfangreichste Cruise Collection, die nun in den Verkauf geht – Raf Simons entwarf 66 Teile. Die trägt man nicht nur im Urlaub
Der amerikanische Saum
Es war Liebe auf Gegenseitigkeit: Die Amerikaner feierten Christian Dior, der Franzose genoss die
Leichtigkeit des Way of Life. Inga Griese ging zur Feier von Diors Cruise Collection am Hudson mit vor Anker
F
rauen tragen nicht, was sie
mögen. Sie mögen, was sie
tragen.“ Sprach Christian
Dior in einem Interview
1953. Das Zitat kommt einem an diesem MaiAbend in Brooklyn von
ganz allein in den Sinn.
Der Regen hat seine Pläne geändert, hält sich
höflich zurück. Man kann zwar davon ausgehen, dass man bei Dior auch für den Umgang
mit Unwetter eine elegante Lösung gefunden
hätte. Aber natürlich schreitet es sich viel
schöner über den in Hausfarbe grauen Teppich, wenn die High Heels nicht mit feuchtem
Velours kämpfen müssen. Und mag auch
selbst das Pariser Couture-Haus mit seinen
prächtig bestickten „Fusion“-Sneakers dem
allgemeinen Laufschuhtrend folgen, und mag
auch Brooklyn eher cool als elegant und die
Gegend am Wasser noch roh sein: Die Frauen
(und Männer, klar), die eine Einladung bekommen haben, wollen es sich nicht möglichst bequem machen, sich vielmehr als Teil
einer besonderen Inszenierung fühlen.
Mögen es auch gut tausend Gäste sein, bei einem Global Player wie Dior darf ruhig vom
„kleinen Kreis“ gesprochen werden. Neben einigen Celebrities und Journalisten aus aller
Welt (frei nach Frank Sinatra: „Spreading the
news...“) sind umsatzstarke Kundinnen aus
ganz Amerika dabei – und die haben hinterher in ihrem Club ordentlich was zu erzählen.
Der Käufer ist nicht mehr Star, sondern Fan.
Das hat die Luxusbranche gut hingekriegt.
Das Publikum weiß also, was es der Einladung
schuldig ist, die Cruise Collection zu sehen,
auch wenn sie erst Monate später in die Geschäfte kommen wird (nämlich ab jetzt). Zumindest einen Total Look, frisch geshoppt.
Vom Pier an der 35. Straße geht es mit Fähren,
die mit Dior-Schriftzug gepimpt wurden,
über den Hudson zum riesigen „DuggalGreenhouse“. So wie Kreativdirektor Raf Simons in seinen Designs die Eleganz des Understatements beherrscht wie kein anderer,
gilt für Einladungen und Inszenierungen im
Hause Dior: Geiz ist gar nicht geil. Für diese
eine Show wurde mal eben eine neue Etage in
das hohe Gewächshaus gezogen, damit die
Fenster nicht in unerreichbarer Höhe bleiben,
sondern wasserseitig den Blick auf die Skyline
von New York preisgeben. Aber an der gegenüberliegenden Seite der weiß getünchten Hal-
le reflektiert das riesige, spiegelnde Mosaik
mit Tausenden LED-Leuchten das Thema der
Kollektion – Seiden-Carrée-Inspirationen –
ebenso wie die 66 Models. Was ist Wirklichkeit, was Reflexion? Man darf wohl denken,
dass Raf Simons genau diesen gedanklichen
Effekt erzielen wollte. Was immer er gestalterisch tut, es bedient auch den zweiten Blick.
Und dann steht man da vor der Show mit dem
Champagner in der Hand und beobachtet erst
einmal die Wirklichkeit. Schon auf der Fähre
hatte sich die Brücke offenbart, die Luxushäuser beschreiten müssen. Da ist der kreative
Anspruch der weltbesten Designer auf der einen Seite und auf der anderen Seite wartet
der körperliche Anspruch der weltbesten
Kunden. Man staunt als Europäer nur, mit welcher Selbstverständlichkeit zum Beispiel ein
ziemlich ausladendes Hinterteil und analoge
Oberschenkel in dem engen, gecrushten, türkisgrundigen Rock stecken, um den herum
Spruchbänder gesteppt sind. Das Wort „Daytime“ spannt bedrohlich. Na, ist ja auch schon
abends. Dazu wird Nerzstola, Brillantuhr und
eine knallgelbe Version der gesteppten „Lady
Dior“-Tasche ausgeführt. Die silbernen Schuhe könnten bequem als Leiter dienen. 3
53
Die Muster, aus dem die Tücher sind, dienten als Inspiration für die aktuelle Cruise-Kollektion und auch für die Hightech-Show in New York, fotografiert von Jason Schmidt für Dior
„Frauen tragen nicht, was sie mögen.
Sie mögen, was sie tragen“ C H R I S T I A N D I O R
54
3 Ein paar Meter weiter steht eine Kundin im
gleichen Outfit (ohne Nerz und mit weißer Tasche), die schon eher dem Vorbild aus dem
Lookbook entspricht. Die Laune ist bei beiden
Damen prächtig. Es gibt ja in der Frage, ob
man sich etwas leisten kann, einen feinen Unterschied zwischen körperlichen und finanziellen Möglichkeiten. Die Mehrzahl der Frauen hier gehörte offenbar zur zweiten Gruppe.
Es spricht doch durchaus für eine Luxusmarke, wenn sie sich nicht zu vornehm ist, Kleider
auch in weiteren Größen, als dem Designer
womöglich vorschwebten, zu fertigen und zu
verkaufen. Und man darf nicht vergessen: Wir
sind in den USA. Anythings goes. Es kommen
auch sehr alte, aber sehr trainierte MadonnaArme zum Einsatz, viel Botox und viel echte
Schönheit. Alles, während allmählich die Sonne im Hudson versinkt und die coolen Abercrombie-Typen in weißen Hosen und Diorgrauen Matrosenblusen den Service drosseln,
damit die Gäste ihre Plätze einnehmen.
Amerika ist seit jeher ein guter Markt – und
auch Heimat des boomenden Mode-Segments
„Cruise“-Kollektion, die hier als „Resort“ geführt wird. Christian Dior zierte im März 1957
als erster Modeschöpfer das Cover des „Time“-Magazins, mit einer Riesenschere in der
Hand. Zehn Jahre zuvor hatte Carmel Snow,
Amerikanerin und Chefredakteurin von „Harper’s Bazaar“, den Teppich ausgerollt und den
heute modehistorisch feststehenden Begriff
des „New Look“ geprägt. Voller Begeisterung
rief sie dem Couturier nach seiner durchaus
umstrittenen Präsentation im Februar 1947 in
Paris zu: „Es ist wahrlich eine Revolution, lieber Christian! Ihre Kleider sind wunderbar,
sie haben einen solch neuen Look.“ Mit den
ausgestellten, stoffreichen, in der Taille
schmalen, wadenlangen Entwürfen hatte der
42-Jährige in der ausgemergelten europäischen Nachkriegstristesse mit Wohnungsnot,
rationierten Lebensmitteln und rationierten
Stoffen, plötzlich Mut und Eleganz gezeigt.
Während für ein normales Tageskleid damals
etwa drei Meter Stoff benötigt wurden, maß
der Saum des Plisseerocks, den Dior zeigte,
unerhörte 19 Meter. Von aufwendigen Stickereien gar nicht zu sprechen. Und erst die Länge. Wie verschwenderisch!
In den USA führte die von Mrs. Snow ausgelöste Begeisterung für den New Look zu massivem Widerstand in der Modeindustrie: Man
blieb auf seinen vermeintlich altmodischen,
da zu kurzen und nüchternen Kleidern sitzen.
In Philadelphia formierte sich protestierend
der „Club der abgebrannten Ehemänner“, und
als Dior auf Einladung von Neiman Marcus in
die USA reiste, um einen Ehrenpreis entgegenzunehmen, rief der „Verein für das kurz
unters Knie reichende Kleid“ sogar zur Demonstration auf.
Jede Kritik wurde übertönt vom Jubel bei der
Verleihung des „Mode-Oscar“ an Dior im September 1947 in Dallas. Und vom Votum der
Kundinnen. In dem großen Dior-Band von Farid Chenoune wird die amerikanische ModeJournalistin Phyllis Battelle zitiert, die 1947 zu
Thanksgiving von New York wieder in die
Heimat Dayton, Ohio fuhr. „Ich trug einen
Rock, der mir bis zu den Knöcheln reichte. Alle haben mich schief angeguckt und gedacht,
ich wollte mich wichtigtun. An Weihnachten
fuhr ich wieder hin. Innerhalb von ein paar
Wochen war ganz Dayton umgekippt. An allen
Knöcheln sah man jetzt Dior.“
Die Faszination strahlte zurück nach Europa,
wo man schließlich dem bescheidenen Mann
aus Granville nur zu gern glauben wollte,
wenn er sagte: „Frauen sind geschaffen, um
schön zu sein und ihre Schönheit zu betonen.“
Das Echo hallte auch an diesem zeitgenössischen Abend durch ein ehemaliges Gewächshaus am Hudson.
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* UNVERBINDLICHE ENDVERBRAUCHER-PREISEMPFEHLUNG
FASZINATION
Bei Chanel ist nicht nur die Kleidung
großes Kino. Auf einer Sandbank vor
OLIVER SAILLANT(2)
Fashion
Morgana in
Do-buy
Das Gebäude mit verschlungener CC-Schnitzerei wurde wie Palmen und Büsche von Chanel nur für die
Cruise-Schau auf einer Sandbank vor Dubai errichtet. Die Mode: Orient 2014 in lagerfeldscher Fantasie
Dubai zeigte Karl Lagerfeld im Land
der architektonischen Superlative mal,
was ein luxuriöser Superlativ ist
D
56
ie Mode lebt nicht vom
Stoff allein. Sie braucht
Anlässe,
Geschichten,
Können, Zeitgeist. Trägerinnen natürlich, Begeisterung. Und einen, der alles zusammenfügt. Das
aber immer wieder neu. Denn die Mode will,
wie das Glück und der Konsument, unterhalten sein. Wenn einer dieses Puzzle beherrscht, dann ist es Karl Lagerfeld. Und da er
mit Chanel einen Arbeitgeber hat, der sich das
ganz große Bild leisten kann und will, sind die
Schauen des Hauses mehr als eine Abfolge
von Entwürfen, sondern stets operettenhafte
Inszenierungen. So manch eine Frau lässt
schon deswegen ein Vermögen in Boutiquen,
um eventuell als sehr gute Kundin eine Eintrittskarte zu bekommen. Besonders begehrt
im chanelschen „Bühnenplan“ ist die „Cruise“.
Die großen Häuser präsentieren die „Zwischen“-Kollektion, die mittlerweile die umfangreichste und von Oktober bis März erhältlich ist, bevorzugt an mondänen Orten, wo der
Begriff Kreuzfahrt noch mit jener luxuriös-romantischen Magie behaftet werden kann, wie
sie Schauspielerin Dakota Fanning nach der
Chanel-Show formulierte: „Ich war noch nie
auf einer Kreuzfahrt. Aber ich könnte mir vor-
stellen es zu tun, um all die Sachen zu tragen,
die wir gerade gesehen haben.“ Dubai, oder
wie Lagerfeld sagt: „Do-buy“ ist so ein Ort.
Nach wenigen Stunden dort kann man es
kaum noch glauben, dass das Öl und damit die
Quelle der Neuzeit hier erst 1966 gefunden
wurde. Der smarte Herrscher Scheich Rashid
bin Saeed Al Maktoum Rashid, der von 1958
bis 1990 die Region wörtlich von Grund auf
veränderte, erkannte jedoch, dass das schwarze Gold im Gegensatz zu den Vorkommen bei
den Verwandten in Abu Dhabi wohl nicht
ewig zur großzügigen Verfügung stehen würde. Eine andere Quelle musste rechtzeitig erschlossen werden. Und so wurden zusätzlich
im großen Stil Tourismus und Kaufismus gefördert. „Wenn schon dort, konnte es ja nicht
eine normale Show in einem Hotel sein“, erklärte Karl Lagerfeld tiefstapelnd das, was die
Gäste kaum fassen konnten. War doch in achtwöchiger Arbeit auf einer künstlich aufgeschütteten Sandbank vor dem Jumeirah Beach eine Chanel Morgana entstanden, ein riesiges golden-beiges Gebäude nur für den einen Abend errichtet worden. Vom Strand aus
wurden die rund 1000 Gäste in historischen
Holzbooten auf die Insel übergesetzt, ein
Laufsteg schlängelte sich über den Sand auf
das Gebäude zu, das aus der Ferne an den Berliner Palast der Republik erinnerte, doch
beim näheren Hinsehen entpuppten sich die
Verzierungen im Stil der Maschrabiyya (den
in der Region typischen, hölzernen Fenstern)
als verschlungene CC-Initialen. Jeder Grashalm, jedes Gestrüpp, das sich wie zufällig am
Wegesrand ausrollte, jede Palme, jede Kerze,
selbst das Lagerfeuer zu nächtlicher Stunde,
ganz zu schweigen von dem Haus an sich, dem
Interieur, den luxuriösen Sitzmulden, dem
Buffet, dem Champagner, den Models, der
Bühne, wo die R’n’B-Sängerin Janelle Monáe
später zur Party rockte – einfach alles war auf
die Insel gebracht worden. Und verschwand
in den Tagen darauf wieder komplett. Nur der
Sand und die Bilder bleiben.
Die modische Erinnerung hängt jetzt in den
Boutiquen als Orient des 21. Jahrhunderts in
der lagerfeldschen Fantasie. „Ein romantischer Ort.“ Mademoiselle Coco hatte ein Faible für orientalische Stoffe wie Goldlammé
und mochte den Lagenlook aus Tunika und
Pluderhose. Die Kollektion spielt damit wie
mit den grafischen Mustern aus dem 11. und 12.
Jahrhundert und den farbenfrohen Verzierungen. Und natürlich mit Humor: Die Handtasche in Kanisterform dürfte ein Bestseller
werden. Der üppige Diamantschmuck, der
diesmal gezeigt wurde, sicher auch. Wobei
der Bezug, den Lagerfeld abgesehen von
Marktnotwendigkeiten gern zwischen dem
Veranstaltungsort und der Chanel-Historie
herstellt, eigentlich Perlen sind.
Seit Beginn des 18. Jahrhunderts hatten Perlentaucher ihr Auskommen in der Region, im
19. Jahrhundert war es ein sehr gutes Geschäft. Doch 1916 präsentierte der Wissenschaftler Kokichi Mikimoto in Tokio die erste
perfekte Zuchtperle, Japan wurde Weltmarktführer, die Perlentaucher konnten nicht mithalten. Zur selben Zeit nahm die Karriere einer gewissen Coco Chanel gerade richtig
Fahrt auf, sie hatte das „kleine Schwarze“ noch
nicht erfunden, aber mit den leichten Jerseys
schon für Furore gesorgt, in Paris und Biarritz
kleine Geschäfte eröffnet. Dubai heute hat alInga Griese
lein drei große Boutiquen.
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CHARLES DELIUS/LEEMAGE; LOUIS VUITTON (2); GETTY IMAGES (10)
AM WASSER
Tja, dieses Licht! Ein Nachmittag vor der Côte d’Azur
und zwei Looks aus der Louis-Vuitton-Kollektion
Doch Kreativdirektor Nicolas Ghesquière
nahm die Stadt ernst, ließ sich für seine zweite Louis-Vuitton-Kollektion vom hiesigen Autorennen ebenso inspirieren wie vom Ozeanografischen Museum. Er zeigte eine fast
schockierend rote Rennlederjacke und Hosen
wie aus Bourbonvanille gemacht. Viele der
Prints zeigten Korallen und Anemonen. Und
natürlich verzichtete der Meister nicht auf Interpretationen seiner eigenen Handschrift:
die hochhüftige Silhouette, der uniformartige
Gesamteindruck, der bei ihm wundersamerweise nie zulasten der Weiblichkeit geht. Und
als quirky detail die Gladiatorensandalen, eine
Kombination aus orthopädischer Schiene und
Sommercocktail. An die Wände des Place du
Palais ließ Ghesquière eine Videoarbeit des
Künstlers Ange Leccia projizieren; die Hausherren Albert und Charlène sahen eine Show,
die Fantasie, Anspruch und strategische PräziAdriano Sack
sion verband.
Anemonen
und eine rote
Lederjacke
Im Fürstentum Monaco lebt der Mythos
Es leuchtet sofort ein, dass Louis Vuitton seine
Resort-Kollektion in Monaco zeigte: Die Yachtendichte im Hafen ist unerreicht und die
Marke hat eine innige Beziehung zur Côte d’Azur, wo 1908 der erste Louis-Vuitton-Store außerhalb von Paris öffnete. Und wo Geld traditionell aus aller Welt anreist. Erst die Engländer, später Amerikaner, Franzosen, Russen.
der Côte d’Azur scheinbar alterslos bis
heute. Hier zeigte Louis Vuitton seine
Resort-Kollektion – und ließ sich von
Farben, Fauna und Formel 1 inspirieren
TY
GET
GES
IMA
Jil Sander
Escada
Derek Lam
Calvin Klein
Michael Kors
Ralph Lauren
Giambattista Valli
Talbot Runhof
Agnona
Giorgio Armani
Cruising with the others
EINFACH
IMMER
GERADEAUS
60
1919 hatte Walter Gropius die Idee, Kunst und Handwerk miteinander zu verbinden.
Unter dem Namen Bauhaus machte sein Konzept Furore – es gilt als Geburtsstunde für
modernes Design. Schlicht, reduziert, funktional, elegant. Wo also ließe sich aktuelle
Modekunst besser in Szene setzen als in originärer Architektur
Linke Seite: Kleid
von Bottega Veneta.
Sonnenbrille:
R.T.CO. Er trägt
einen Anzug von
Ermenegildo Zegna.
Top: Burberry
Prorsum.
Diese Seite: Mantel
von Prada. Rolli:
Hermès. Hose: Dior
Homme
Foto: Lydia Gorges & Jens Schmidt c/o Hille Photographers; Assistenz: Arne Vossfeldt.
Produktion & Styling: Daniel Sartore; Assistenz: Denise Bodden. Haare/Make-up: Carolin Jarchow
c/o Agentur Nina Klein. Mit Produkten von Chanel. Models: Caroline Lossberg
c/o Mega Model Agency und Peter Bruder c/o Nest Model Management
61
62
Jeder der führenden Lehrer
des Bauhauses durfte sich in
einer kleinen Siedlung in Dessau
sein „Meisterhaus“ bauen. Wo
einst das im Zweiten Weltkrieg
zerstörte Wohnhaus von
Walter Gropius stand, wurde im
Mai dieses Jahres eine
Rekonstruktion des Bauwerks
eröffnet. Das Gebäude ist keine
originalgetreue Kopie, sondern
eine abstrahierende
„Interpretation“ des Berliner
Büros Bruno-Fioretti-Marquez
Oben: Caroline im Mantel
von Hermès. Kette: Marni
Linke Seite: Peter im Mantel
von Dries Van Noten. Hemd:
Z Zegna. Hose: Burberry
Prorsum. Schuhe: Hermès.
Sonnenbrille: R.T.CO.
Rechts: Sweatshirt und Hose
von Bottega Veneta
64
Links: Pullover von Sportmax.
Rock: Christian Wijnants.
Rechts: Kleid von Christian Dior.
Pumps: Valentino
65
VG-BILDKUNST BONN, 2014
Dem Bauhaus verwandt, aber weniger rigide in den Formen ist das Haus Schminke von Hans Scharoun im ostsächsischen Löbau. Der Architekt, den seine
spätere Berliner Philharmonie weltberühmt machte, baute es 1933 für einen Nudelfabrikanten. Das renovierte Gebäude steht heute Besuchern offen
Linke Seite: Peter im Anzug von Ermenegildo Zegna. Caroline mit Top von Kostas Murkudis. Hose: Michael Sontag
Diese Seite: Caroline mit Lederblouson von Rika. Kleid: Prada. Peter: Pullover von Valentino. Beide ruhen auf einem Mantel von Burberry Prorsum
Unten: Caroline in Kleid,
Stiefeletten und Ohrring von
Louis Vuitton.
Peter trägt einen Pullover von
Dior Homme. Hose: Hermès.
Gürtel: COS. Schuhe: Jil Sander
Oben: Top, Rock und Gürtel
von Marni. Rechte Seite:
Oberteil und Hose von Etro.
Bluse: Vladimir Karaleev.
Gürtel: Dries Van Noten.
Schuhe: Prada
VG-BILDKUNST BONN, 2014 (2)
Auch die vorgehängte
Glasfassade des berühmten
Bauhaus-Gebäudes von
Walter Gropius aus dem Jahr
1926 ist nicht mehr im Original
erhalten. Sie wurde noch zu
DDR-Zeiten 1976 wiederaufgebaut, nach 1996 hat man
das gesamte Gebäude nach
alten Vorlagen wieder instand
gesetzt. Architektur ist
eben rekonstruierbar
69
DESIGN
D
70
ie Produkte des Bauhauses gehören neben der klassischen
Musik zu den erfolgreichsten
Exportschlagern der deutschen Kultur. Es gibt kaum einen Winkel auf der Welt, an
dem sich nicht Gebäude oder
Einrichtungsgegenstände fänden, die auf jene
Schule der Gestaltung zurückgehen, die 1919 in
Weimar gegründet und 1932 von den Nationalsozialisten in Dessau geschlossen wurde. Keine
Kunstakademie hat in so kurzer Zeit eine so anhaltende Wirkung entfaltet wie das Bauhaus. Nur
fünf Jahre in Weimar und acht Jahre in Dessau
wurden die revolutionären Prinzipien einer vollkommen neuen Gestaltung gelehrt. In dieser Zeit
entstanden Ideen von visionärer Kraft, die sich
nach dem Zweiten Weltkrieg über den ganzen
Globus verbreiteten. Die Kühnheit der einfachen,
reduzierten Formensprache war ohne Beispiel,
und ihr entsprach ein umfassender, neuer Lebensentwurf für den modernen Menschen des Industriezeitalters – ganz gleich, zu welcher Klasse er
gehörte oder in welchem Land und in welchem
Klima er lebte.
Nach der Schließung des Bauhauses wurden dessen Schüler in die ganze Welt verstreut, Meister
wie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe
und Marcel Breuer erhielten Lehrstühle in den
Vereinigten Staaten. Von dort aus begann der
weltweite Siegeszug der Bauhaus-Architektur –
als günstige industrielle Bauweise und als die moralisch „richtige“, weil von den Nationalsozialisten
geächtete Ästhetik. Die Widersprüche und
Schwächen, die das Bauhaus von Anfang an begleitet hatten, traten demgegenüber völlig in den
Hintergrund. Auch das berühmte Bauhaus-Gebäude von Gropius in Dessau mit den weißen
Wänden und der vorgehängten Glasfassade hatte
von Beginn an mit Mängeln zu kämpfen. Im Sommer konnte man in den großflächig verglasten
Werkstätten nicht arbeiten, weil es zu heiß war,
und im Winter nicht, weil man fror. Die Flachdächer waren nicht wasserdicht zu kriegen, weshalb
die Stadtverwaltung nach dem Auszug der Bauhäusler dem Gebäude ein flaches Satteldach aufsetzte. Das Haus wurde weiter genutzt – von der
Amtswalterschule der NSDAP.
„Nie hat man mehr von den praktischen Aufgaben
des Bauens gesprochen, nie hat man weniger davon gewusst“, schrieb später der Architekturhistoriker Julius Posener über diese Frühzeit der Moderne. In den 60er- und 70er-Jahren hatte das
Bauhaus auf ganzer Linie gewonnen, am sichtbarsten in Architektur und Städtebau, mit all den
neuen Siedlungen und gerasterten Hochhäusern
in autogerechten, aufgelockerten Städten. Aber es
kam der Punkt, an dem sich das Bauhaus zu Tode
gesiegt hatte, an dem die Menschen der sterilen
Vernunftwelten überdrüssig geworden waren
und sich zeigte, was Kritiker seit den Anfängen
des Bauhauses beklagt hatten: dass es nämlich mit
seiner Verachtung für das 19. Jahrhundert und seiner Tabula-rasa-Mentalität vieles von dem entsorgt hatte, was den Menschen auch in der modernen Gesellschaft noch lieb und teuer war; humane
Dimensionen, Abwechslung, regionale Vielfalt,
Schmuck, Wohnlichkeit. Heute bevorzugt die
Mehrheit ein Maß an städtischer Dichte und Dekor, das dem Bauhaus ein Gräuel war. Die meisten
Menschen schätzen Wohnungen mit großzügigen
Deckenhöhen und Interieurs, die auch Behaglichkeit verströmen. Dort findet man dann auch die
eleganteren der Bauhaus-Möbel und -Lampen, die
den Test der Zeit bestanden haben. Beim Design
sind die Ideen aus Weimar und Dessau bis heute
Rainer Haubrich
am lebendigsten geblieben.
Schnörkellose
Deutsche
Eine beispiellose
Formensprache:
Warum das
Bauhaus noch
immer einer
der größten DesignExportschlager ist
Hauptsache keine Verzierung: BauhausSessel (Walter Gropius), Teekanne von
Marianne Brandt und Stehleuchte BH-23
Tecta; Technolumen (2)
So nähen die Deutschen
Typisch deutsch – das steht allgemein (und in der Mode ganz speziell) vor allem für
Bequemlichkeit. Nun, dass die Deutschen es gern praktisch mögen, lässt sich schwer leugnen. Dass
es am fehlenden Angebot läge, hingegen schon. Ein weiteres imageförderndes Klischee bestätigen
diese sechs Labels aber trotzdem. Typisch deutsch, das steht nämlich auch für eines: Qualität
Lala Berlin
Allude
Für manche Berlinerin ist Leyla
Piedayesh eine Art Heilige. Nicht
anders ist der Kult um die 2004 in
der Hauptstadt gegründete Marke
zu verstehen, die mittlerweile vom
Geheimtippstatus zu internationaler Anerkennung gereift ist.
Woran der Hype liegt? Vielleicht an
den edlen Materialien, den lässigen
Schnitten oder der hochwertigen
Verarbeitung. Ganz bestimmt aber
an den fantasievollen Prints in
leuchtenden Farben.
Auch mit Kaschmir kann man die
große Modebühne Paris erobern.
Das beweist die Designerin Andrea
Karg, die gerade zum dritten Mal
ihre Kollektion an der Seine vorführte. Das internationale Unternehmen ist Selfmade, „handgestrickt“ sind jedoch nur Kollektionsteile. Das Herbst-Motto der
Münchnerin? „Aristo Bohemian“ –
viel Grobgestricktes kombiniert zu
geflochtenem Kaschmirgarn in
Grau-, Creme- und Brauntönen.
Vonschwanenflügelpupke
Kaviar Gauche
Während der gemeinsamen Zeit an
der Berliner Modeschule Esmod
lernten sie sich kennen. Und blieben
sich seither treu. 2005 gründeten
Alexandra Fischer-Roehler and
Johanna Kühl ihr Label Kaviar
Gauche, das heute vor allem für
Brautmode bekannt und beliebt ist.
Dabei haben die Wahlberlinerinnen
noch sehr viel mehr zu bieten.
Feinste Materialien und CoutureElemente finden sich nämlich auch
in ihrer Prêt-à-porter-Linie wieder.
Der Name mag sperrig klingen, die
Mode von Eleonore von Schwanenflügel und Stephanie Pupke ist aber
alles andere als „edgy“, sondern
fließend und mädchenhaft. Vor
allem für die geistreichen Printmotive wird das Duo geschätzt. Während eines Praktikums bei Wunderkind lernte man sich 2005 kennen.
Und so sehr schätzen, dass 2011 die
Geburt des Labels und seither viele
fröhliche Kollektionen folgten.
Schacky & Jones
Capara
Es begann mit der „ultimativen
Hose“. Claudia von Schacky und
Carina Jones wollten nach langjähriger Tätigkeit für internationale
Modelabels ihre Erfahrung in eine
eigene Modelinie investieren. Sie
experimentierten in München mit
Stretchleder, aus dem sie erst Hosen, bald eine ganze Kollektion
fertigten. Seit 2005 führt von Schacky das Label, das um Pelzmode
erweitert wurde, allein. Doppelname
und Freundschaft sind geblieben.
Die gemeinsame Liebe für Experimentelles und die Suche nach
neuen Formen und Proportionen
hat Vera und Olivera Capara eng
miteinander verbunden. Geboren in
Sarajevo, aufgewachsen in Ludwigsburg, studierten die Schwestern in
Antwerpen Modedesign. Nach
Stationen bei Dries Van Noten, in
der Maison Martin Margiela, bei
Delvaux und Jil Sander machten sie
sich 2009 mit dem eigenen Label
unabhängig und noch interessanter.
Nicht nur Mode nähen können unsere deutschen Designer. Auch Accessoires
„made in Germany" können sich sehen lassen. Eine Auswahl
Malaika Raiss
Ellen Paulssen
Gott behüte euch: Über diesen Segen am
Ende einer Kirchenmesse freut sich Ellen
Paulssen am meisten. Die 45-Jährige ist
gelernte Modistin und hat sich seit 1991 auf
Hüte spezialisiert. Mit einem elfköpfigen
Team fertigt sie in Aachen um die 10.000
Exemplare im Jahr – von Hand. Chapeau!
Windsor
Zum Ende des 19. Jahrhunderts zählte
Bielefeld zum Zentrum der deutschen
Textilindustrie. Die Kleiderfabrik Roos &
Kahn wurde dort 1889 gegründet, 1960 in
Windsor umbenannt und seither wird auch
eine Damenmode angefertigt. 1990 folgten Accessoires – und alles ist bis heute
im besten Sinne very Windsor.
Antonia Zander
+ Loup Noir
Wenn die Münchner Kaschmir-Designerin Antonia Zander
(bekannt für ihre TriangoloSchals mit bunten Lederfransen) und das junge Stuttgarter Label Loup Noir gemeinsame Sache machen, dann
kommt ein lässiger Kaschmirponcho heraus, der innen
mit einem Seidencarré gefüttert wurde. Gibt es allerdings
erst ab Dezember.
Lika Mimika
Eigentlich ist die Frankfurter
Schuhmarke Lika Mimika für ihre
bunten Espadrilles aus organisch
gefärbtem Ziegenleder bekannt,
die man seit 2010 in Spanien
von Hand fertigen lässt. Neuerdings wird aber das Sortiment
erweitert – um Sandalen, Boots
und Loafer. Wir finden: ein
kluger Schritt. (likamimika.com)
Von wegen nebensächlich: Malaika Raiss
entwirft seit 2010 in Berlin neben Mode
und Accessoires auch eine kleine, feine
Schmucklinie. Und gewinnt gerade dadurch
eine große Anhängerschaft.
Stiebich & Rieth
Das Prädikat deutsche Wertarbeit trifft nicht
mehr auf viele zu – auf Stiebich & Rieth schon.
Die Produktdesigner Detlef Stiebich und Julia
Rieth arbeiteten bereits zwanzig
Jahre lang zusammen, fertigten
Handtaschen für andere Marken. Seit 2013 entwerfen sie
schließlich unter eigenem
Namen und lassen ihre
Handtaschen in kleiner
Auflage in SchleswigHolstein produzieren.
Jede ist anders.
Gibt’s bei Linette in
Hamburg oder Off&Co.
in München.
Aigner
Die Taschenentwürfe des ungarischen Designers Etienne
Aigner waren im New York der 50er-Jahren ein voller
Erfolg. In den 60ern erkannte der deutsche Kaufmann
Heiner Rankl das Potenzial, holte „Aigner“ nach München.
Die Besitzer wechselten, das Hufeisen Logo steht für die
Beständigkeit der Marke, die längst auch Mode macht.
SchoShoes
Mit Schuhen kennt Matthias Scho sich aus. Bestens. Arbeitete er doch 20 Jahre lang für Unützer
– doch 2010 wollte er mehr, etwas Eigenes, gründete mit SchoShoes ein neues Label und produziert seitdem mit einer kleinen italienischen
Manufaktur seine Kreationen, die es etwa bei
Kegelmann auf Sylt gibt.
Katrin Langer
Das Markenzeichen von Katrin Langers Clutches sind die hochglanzlackierten Holzrahmen. Woran sie erinnern (sollen)? Nun, an den aufwendigen Bau von Instrumenten. Aus Makoré, Nuss- oder Mammutbaum
fertigt die 47-Jährige in ihrer Manufaktur im Vogtland die kostbaren
Einzelstücke von Hand an, bevor sie mit Pythonleder, Seide oder Perlmuttintarsien bezogen werden (katrinlanger.com).
73
Herbst am Berliner Schlachtensee: Jetzt braucht nicht nur unser Autor einen handgenähten Mantel wie den von Brunello Cucinelli. In Deutschland ein Bestseller
Wo die guten Dinge wohnen
Alles wird immer billiger, ramschiger und geht immer schneller kaputt? Blödsinn. Wer auch nur ein
wenig sucht, der findet eine staunenswerte Vielfalt von Familienbetrieben, die von Hand fertigen.
Und bei allen ergänzen sich Tradition und modernste Technik. Wolfgang Büscher ist vom hohen Norden
Deutschlands bis in den tiefsten Süden gereist und hat sieben solcher Unternehmen besucht.
Thomas Meyer begleitete ihn mit seiner Kamera
Trabert Schuhe, Stockheim/Rhön: 350 Jahre Schuhmachertradition plus bestes Leder ergeben handwerklich perfekte Schuhe. Seniorchefin Birgit Kempf (unten) und die Fabrikgründer (oben links)
W
enn einer der
wirklich
Reichen dieser Welt
zu der Überzeugung gelangt, er
brauche
jetzt
mal eine Yacht,
so ein Boot mit
Privatkino, Sternenobservatorium und ordentlich Platz für ein paar Lieblingswerke aus
seiner Kunstsammlung, dann kann es gut sein,
dass er in Bremen anruft. Denn da gibt es die
Werften, die ihm so etwas bauen können. Und
wenn sich ein Sankt Petersburger Milliardär
eine neue Villa gönnt und es um die luxuriöse
Innenausstattung geht, dann muss der Mann
nach Dresden. Dort findet er die Fachleute dafür. Und wenn in Los Angeles die goldenen
Briefumschläge geöffnet werden, in denen
die Namen der Oscar-Preisträger stecken,
dann steckt da noch etwas drin: deutsche
Wertarbeit aus Bayern. Dann schmunzelten
sie vorm Bildschirm am Tegernsee, denn von
dort kommt das Kuvert.
Dieser kleine Reigen ließe sich leicht fortführen – Luxus made in Germany. Die Deutschen
können nicht nur Autos und Maschinen, sie
können auch eine Menge anderer Dinge, die
das Leben schöner machen. Einige Namen
kennt man, Firmen wie Leica (Kameras),
Bechstein (Pianos), Rimowa (Koffer), Robbe &
Berking (Silber) oder Burmester (Audio).
Aber die Liste deutscher Unternehmen, die
Produkte von höchster Qualität in alle Welt
verkaufen, ist länger als der Laie ahnt. Oft sitzen sie irgendwo in der sogenannten Provinz
und betreiben ihr Geschäft seit Generationen.
Es bleibt aber nicht bei den alten Namen, immer wieder kommen neue hinzu. DeutschStyle, das sind nicht nur einige wenige Edelmarken. Es ist eine ganz eigene Welt. Wer sich
hineinbegibt, kommt aus dem Staunen nicht
heraus. Vielleicht sind wir Deutschen nicht
gerade die Stilkönige – von wegen „Image is
everything“ –, aber irgendetwas ist an diesem
Land, das Qualität hervortreibt, einen Sinn für
das gut Gemachte. Nur: was ist es?
Unsere spätsommerliche Reise beginnt so
deutschbodenständig wie nur möglich, ganz
am einfachen Ende des Luxusspektrums – in
einer Schuhmanufaktur in der bayerischen
Rhön. Falls es einen unglamourösen Luxus
gibt, dann wohnt er hier, in Stockheim, Unterfranken. Wer die Manufaktur von außen sieht,
denkt sich, irgendeine Gewerbebude, wer sie
betritt, fühlt sich in einen sepiagetönten Film
aus einer Zeit versetzt, als ein Paar Schuhe
und eine Ehe noch ein Leben lang hielten.
Ledernähmaschinen längst verschwundener
Marken. Stapel gegerbter, gefärbter Häute.
Leisten. Halbfertige Stiefelschäfte. Männer in
Arbeitsschürzen. Davor ein kleiner Verkaufsraum, darüber das Büro der Seniorchefin,
denkbar schlicht. Rohe Pressspanwände.
„Ich hab wohl Gerbsäure im Blut“, sagt Birgit
Kempf. Es lässt sich leicht scherzen mit 350
Jahren Schuhmacherei im Kreuz. So lange
nämlich nähen die Traberts schon Schuhe,
„immer vom Vater auf den Sohn, vom Vater
auf den Sohn. Unsere Mutter war die erste
Frau in dieser Reihe der Generationen.“
Bis Ende des 19. Jahrhunderts zog ein Trabert
nach dem andern über die thüringischen und
fränkischen Märkte und bot seine Schuhe feil
oder seine Lederschäfte. Um 1900 kamen zwei
Brüder, Friedrich und Heinrich Trabert, auf
die Idee, das Geschäft im größeren Stil zu betreiben. Sie gründeten die „H. & F. Trabert
Spezialfabrik für Stiefel, Beruf- und Landschuhe I a Qualität in Ostheim v. d. Rhön“.
Eine ganze Weile florierten die Geschäfte, im
Frieden verkaufte man Schuhwerk für die
Land- und Forstarbeit, im Krieg wurde auf
Kampfstiefel umgestellt, Soldaten waren in
Deutschland ein gutes Geschäftsmodell. Die
deutsche Teilung hätte Trabert fast ruiniert,
ihr thüringischer Markt war ihr über Nacht
versperrt. Aufträge für die Bundeswehr glichen den Verlust aus. Aber die Ambition, einfach gute Schuhe zu machen, erlosch nie.
„Was mir missfiel“, erzählt Birgit Kempf, „war:
Unsere Jäger liefen immer in Moonboots 3
75
Deutsche Werkstätten, Dresden-Hellerau: Ihr historisches Gebäude (oben links) haben die Werkstätten gegen moderne Hallen vertauscht – hier entstehen edle Interieurs für Villen und Yachten
Kafka war hier, wussten Sie das? Er wollte
für seine Ehe die Möbel aussuchen.
76
3 herum, um warme Füße zu haben. Irgendwann bestellte ich mir argentinische Reitstiefel, privat für den Winter, die waren aber ungefüttert. Die Winter sind eiskalt hier in der
Rhön, auch im Büro. Und so gab mir mein Vater Einlegesohlen aus Aluminium und Filz,
die er von einer Messe mitgebracht hatte. Solche Stiefel wollte ich für die Jäger, damit sie
warme Füße haben, Stiefel aus Naturleder mit
so einer Fütterung. Wir haben sie dann 1980
erstmals vorgestellt.“
Dann kam die Krise. Eine ganze Lieferung Leder erwies sich als qualitativ schlecht, die Stiefel daraus waren nicht wasserdicht. Für die
kleine Firma bedeutete es die Insolvenz. „Ich
erinnerte mich an eine Szene mit meinem
Großvater, das war 1976 gewesen. Er sagte zu
mir: ‚Mädel, das Leder wird immer schlechter.
Früher stand das Vieh auf der Weide, heute
nicht mehr, und ich sage dir, das Leder ist so,
wie das Tier gehalten wird.’“ Birgit Kempf erklärt es: Wenn ein Tier natürlich aufwächst,
hat es eine feste Haut, liefert also ein gutes Leder. Wird es aber turbogemästet, ist seine
Haut faserig und wirft Falten, und das ergibt
ein schlechtes Leder.
Die ruinöse Lieferung von 1992 hatte aber eine andere Ursache. Der Lederhersteller hatte,
bedingt durch neue Umweltauflagen, seine
Rezepturen geändert, ohne es mitzuteilen.
Trotz der Insolvenz, die daraus folgte – man
gab nicht auf. Andere Traberts gründeten mit
einem Partner die Firma neu und stellten sie
um, weg von Großaufträgen der Bundeswehr,
von den Soldaten, hin zu qualitativ hochwertigen Schuhen für Privatkunden, die handwerkliche Verarbeitung, generationenlange
Erfahrung, ausgesuchte Leder und Zwienaht
zu schätzen wissen. Und so findet man die
Schuhe aus der bayerischen Rhön heute weniger im Kasernenspind als beim gehobenen
Einzelhandel in Citylage.
Das nächste Ziel liegt nicht nur einige hundert Kilometer östlich, es liegt am anderen
Ende der Luxusgalaxis. Die Deutschen
Werkstätten in Dresden-Hellerau zogen
schon Bewunderer aus ganz Europa an, als die
Traberts noch in den Waldhüterschuhen
steckten. Ein junger Tischler namens Karl
Schmidt beschloss 1898, nach Wanderjahren
in Skandinavien und England, eine Möbelfabrik zu gründen. Er war 25 Jahre alt und ging
aufs Ganze. Nicht nur neuartige Möbel wollte
er, sondern ein neues Leben. Ein neues Wohnen für einen neuen Menschen. Lebensreform hieß der Traum seiner Generation.
Schmidt fand das passende Gelände in Hellerau und baute dort sein linksbürgerliches Utopia. Werken und leben sollten seine Arbeiter
dort, in Gemeineigentum. Was er herstellte,
sollte gut gemacht und nachhaltig sein. Dafür
musste er mal eben das deutsche Kunsthandwerk erneuern, vom Sofakissen bis zum Städtebau, so schwebte es ihm vor. „Holz-Goethe“
nannten sie ihn, halb bewundernd, halb belächelnd. Er aber war kein Nostalgiker, er wollte
industriell fertigen, das war damals revolutionär bei Möbeln, und mit dem verspielten Jugendstil ging das schlecht. Mit dem neuen Stil,
den das Bauhaus später vollendet, funktionierte es.
Schmidt setzte auf „Maschinenmöbel“, wie es
hieß, aber in guter Qualität – und zugleich auf
das Luxussegment. Und der junge Mann hatte
Erfolg. Die erste Liga der Architekten und Designer der Zeit arbeitete für ihn, Leute wie
Muthesius, Poelzig, Tessenow, und ein neues,
progressiv gestimmtes Bürgertum kaufte die
Möbel und Hausgeräte aus Hellerau und den
lebensreformerischen Spirit gleich mit.
Renommee-Aufträge kamen. 1902 richtete
Hellerau das erste Schiff für die kaiserliche
Marine ein, die „Kronprinzessin Cäcilie“, samt
Suite für den Kaiser. Später folgte der Innenausbau großer deutscher Ozeanschiffe, darunter die „Bremen“ und die tragische „Wilhelm Gustloff“, die kurz vor Ende des Zweiten
Weltkriegs voller Flüchtlinge in der Ostsee
versenkt wurde.
Die Deutschen Werkstätten bauten vor dem
Krieg das Berliner Gebäude der Reichsbank
aus – und nach dem Krieg wieder, nun als Sitz
We will not talk about money.
Handschlag. Das war’s.
des ZK der SED. Und nach der Wiedervereinigung abermals, nun als Auswäriges Amt. Es
wäre nicht völlig übertrieben zu sagen, Hellerau habe seit einem Jahrhundert Deutschland
möbliert. Eines hat Hellerau dennoch mit der
Schuhfabrik in der Rhön gemeinsam – ohne
schwere Krisen ging es nicht ab. Der Moment,
in dem fast alles aus gewesen wäre, war der
nach dem Mauerfall. In der DDR hatten die
Werkstätten Möbelserien für deren standardisierten Wohnungsbau geliefert. Die einst so
begehrten Schrankwände, auf die DDR-Bürger jahrelang sehnlich gewartet hatten, wollte
nun kein Mensch mehr. Was tun?
Wäre er im November bei miesem Wetter
nach Hellerau gekommen, sagte Fritz Straub
später, er hätte wieder kehrt gemacht. Aber es
war Mai, und Hellerau bezauberte den früheren Pharma-Manager. Denn es hatte nicht nur
die DDR-Massenproduktion gegeben, es gab
auch Fachleute für besondere Ausbauten. Als
Straub dort Tischler entdeckte, die von Hand
fertigten, wurde ihm klar, was zu tun war: Alles abstoßen, was Masse war, und mit einem
Stamm von Handwerkern neu beginnen.
Straub kaufte Hellerau 1992 mit drei Partnern.
Die erste Zeit war hart. Ein großer Auftrag
wurde verpatzt, ein anderer musste zäh errungen werden – der Innenausbau des neuen
Sächsischen Landtags in Dresden, die konkave Akustikwand aus Holz. Sie war dann der
Durchbruch. Heute stellt sich Hellerau auf seiner Webseite stolz so vor: „Eines der weltweit
führenden Unternehmen im Ausbau von Anwesen, Yachten und Vorstandsetagen.“
Jan Jacobsen, der die Geschichte der Auferstehung aus Ruinen bei einem Mittagessen im
benachbarten Restaurant erzählt, fällt es nicht
schwer, eine Episode nach der anderen aus einem Jahrhundert Hellerau hervorzuzaubern.
„Kafka war hier, wussten Sie das? Er wollte für
seine Ehe die Möbel aussuchen. Aus der Ehe
wurde ja dann nichts.“ Oder Walter Ulbricht.
„Der hatte was gegen den sachlichen Stil, der
wollte Sofas mit Löwenfüßen und historistische Formen – da war wieder das gleiche Problem wie um 1900, alles viel zu kompliziert
für maschinelle Fertigung.“
Und noch eine Geschichte hat Jacobsen auf
Lager. Als Fritz Straub die Bremer LürssenWerft besuchte, um sein Hellerau ins lukrative
Yachtbau-Geschäft zu bringen, stieß er auf die
geballte Skepsis der Hanseaten. „Hellerau? Ihr
seid so so’ne Tischlerei aus Dresden, nicht?“
Es schien so zu enden, dass Straub unverrichteter Dinge gehen würde. In der Tür rief er
dem Yachtbauer noch zu: „Aber wir haben den
Metropolitan ausgebaut!“ Der luxuriöse Zug
verkehrte einige Jahre lang zwischen Köln
und Hamburg, der Bremer mochte ihn offenbar. „Was, ihr habt den Metropolitan ausgebaut? Kommen Sie doch noch mal rein.“ So
begann die Zusammenarbeit der Hellerauer
Werkstätten mit der Bremer Werft.
„Heute“, sagt Jacobsen, „macht der Yachtausbau rund 50 Prozent unseres Geschäfts aus.
Sonst betreiben wir Hochbau, also Villenausbau, Museen, öffentliche Gebäude und dergleichen. Luftfahrt machen wir noch nicht.
Mal sehen.“ Es gebe nicht viele Konkurrenten
in diesem hochluxuriösen Segment. „Ein paar
Franzosen noch, Schweizer, dann dünnt das
sehr aus. Das hat auch damit zu tun, dass in
diesen wenigen Ländern noch anständig
handwerklich ausgebildet wird.“
Bauherren kämen gern nach Hellerau, erzählt
Jacobsen. „Sie wollen sehen, wie wir arbeiten,
wie ihre Villa von innen entsteht.“ Mancher
schätze die Hellerauer so sehr, dass er den Geschäftsabschluss auf die gute alte Art abwickele: „Man isst zusammen, man redet, plaudert,
und dann sagt der Bauherr: ‚You will build the
interior of my home. We will not talk about
money.’ Handschlag. Das war’s.“
Weiter geht es in eine Gegend, in der man sich
seit Generationen auf Küchen und Polstermöbel versteht – nach Ostwestfalen, in Deutschlands Sofaecke. Warum ist das eigentlich so,
warum gibt es dort so viele Möbelfabriken?
Das fragen wir Andreas Seufferle von den Bielefelder Werkstätten. „Ganz einfach“, sagt er,
„weil es hier früher große Wälder gab.“ 3
77
Tobias Grau GmbH, Rellingen bei Hamburg:
Der Firmensitz in Lampionform (großes Foto)
deutet es an – der Designer und Unternehmer
Tobias Grau (oben links) entwirft und baut
seit 30 Jahren Leuchten für private und
geschäftliche Räume. Industrie und Handwerk
gehen Hand in Hand
Moderne Technik nicht als Feind, sondern als
Retter der Tradition – so herum ist es wahr
3 Wo viel deutscher Wald ist, da sind Möbel
eine naheliegende Idee. Im Fall der Bielefelder Werkstätten begann aber alles von der anderen Seite des Möbelbaus her – vom Stoff.
Als Heinz Anstoetz die Verantwortung für die
Textilfirma übernahm, fragte er sich, wie er
die Stoffe besser verkaufen könne. Und kam
1956 auf die Idee, eine kleine Polsterfirma dazu zu kaufen. Der Kunde, sagte er sich, möchte
nicht abstrakt kaufen. Er will nicht nur Stoffballen sehen, sondern damit bezogene Möbel.
„Heute würde man es Manufaktur nennen“,
sagt Andreas Seufferle, „aber damals war der
Begriff Werkstatt in Mode, also nannte Heinz
Anstoetz seine neue Firma so: BW – Bielefelder Werkstätten.“ Und was der Name andeutet, ist bis heute Anspruch: „Klassisch-moderne Eleganz. Qualität, ganz konsequent. Hier
verlässt kein Stück das Werk, das nicht höchste Qualität hat. Wir bedienen nicht schnelle
Trends, unsere Möbel sollen 20, 30 Jahre lang
Gültigkeit haben, und nicht nur beim Material, auch im Design.“
Und auch beim Verkauf. „Wir vertreiben unsere Möbel selektiv über den zumeist inhabergeführten Facheinzelhandel. BW realisiert
nichts über den Online-Verkauf, das geht
nicht im Hochwertsegment. Wer zum Beispiel
5000 Euro für ein Sofa ausgibt, der möchte
nicht ein daumennagelgroßes Foto auf dem
Bildschirm betrachten, der will das Möbel sehen und anfassen, das er kaufen und viele Jahre nutzen wird.“ Natürlich, gibt Andreas Seufferle zu, habe sich der Geschmack auch in der
„Zielgruppe 50 plus“ der Bielefelder Werkstätten gewandelt. „Wir gehen von der klassischen Eleganz zur Modernität – aber wir rennen nicht. Es gibt bei uns keinen Big Bang.
Wir werfen nicht alles um.“
Zeit, in die Werkstatt zu gehen. Was sofort auffällt – die Farben. Erdtöne, Sandtöne, auch viel
Schwarz. „Das Großflorale, farblich Mutige
nimmt in den letzten Jahren ab“, bestätigt
Seufferle. „Ein Trend zu Unistoffen ist unübersehbar.“ Das Zuschneiden der Stoffe ist
ein unangefochtenes Reich der Handarbeit.
„Rapportgerechte Verarbeitung“ heißt das im
Fachjargon – gemusterte Stoffe werden so geschnitten und auf dem Möbelkorpus Kante an
Kante genäht, dass das Muster fortgeführt
wird, auch über die Nähte hinweg. Würde hier
gepfuscht, stießen die Muster auch nur drei
Millimeter versetzt aufeinander, wäre das Gesamtbild des Sofas oder Sessels zerstört. „Bei
solchen Stoffen geht es nicht ohne das
menschliche Auge, ohne gute handwerkliche
Erfahrung“, sagt Seufferle. „Alle, die hier arbeiten, sind gelernte Polsterer und Näherinnen, die meisten haben hier im Hause gelernt.“ Zuschneidemaschinen, sogenannte
Cutter, tun die Arbeit in einem Zehntel der
Zeit, die eine Zuschneiderin braucht. Cutter
stehen zwar auch in Bielefeld, aber sie werden
nur bei der Verarbeitung von Leder eingesetzt, bei dem das Problem des Musterverlaufs
eben nicht besteht.
Handarbeit ist auch das Polstern. Das Bielefelder Familienunternehmen, das heute von
Claus Anstoetz als geschäftsführendem Inhaber geleitet wird, fertigt auftragsbezogen, kei-
ne großen Mengen wie ein Industriebetrieb.
„Erst wenn der Auftrag erteilt ist, werden die
Materialien bestellt. Wir haben einen sehr hohen Anteil an Sonderanfertigungen – das Sofa
soll etwas höher, etwas breiter et cetera sein.“
Und mit dem leicht unterkühlten Stolz eines
gestandenen mittelständischen Unternehmens setzt er hinzu: „Wir haben eine Reklamationsquote von unter einem Prozent.“ Das
hat damit zu tun, dass auch die Teile eines Möbels, die der Kunde nicht sieht, sein Innenleben, gut gearbeitet sind. So kettelt man hier
die verarbeiteten Stoffe, das sieht man dem
Sofa nicht an, aber es hält eben besser als ein
allmählich ausfransender Bezug. Genauso ist
es mit dem Holzkorpus, da wird geleimt und
verschraubt statt getackert wie bei Billigsofas.
Aber bei aller handwerklichen Akkuratesse –
das Design wird immer wichtiger, das weiß
man auch in Bielefeld. „Früher wurden Möbel
eher selten zum Repräsentieren benutzt, das
war eher das Auto vor der Tür. Heute ist das
anders.“ Ein interessantes Thema, denn beim
Sofa werden kulturelle Unterschiede zwischen den Nationen deutlich. In Italien, sagt
Seufferle, werde das Design eines Sofas wichtiger genommen als der Sitzkomfort. „In
Deutschland ist es umgekehrt.“
So verlassen wir Ostwestfalen in dem schönen
Gefühl, wieder etwa mehr verstanden zu haben über unser Land und seinen Begriff von
Luxus und Qualität: Mehr sein als scheinen.
Und gleich noch eine Erkenntnis: Keineswegs
stehen Tradition und moderne Technik auf
Kriegsfuß. Und wo sie es doch tun, stirbt die
Tradition umso schneller. Die ziemlich einzigartige Vielfalt hochwertiger Produkte aus
Deutschland, sei es aus handwerklich geprägten Manufakturen oder aus eher industriell arbeitenden mittelständischen Unternehmen –
diesen staunenswerten Reichtum gäbe es
längst nicht mehr ohne beständige Innovation, ohne moderne Stoffe und Verfahren. Wer
sich die ehrwürdigen Marken als altväterlich
produzierte Dinge denkt, der irrt sehr. Modernste Technik nicht als Feind, sondern als
Retter des Besonderen, des Eigenen, der Tradition – nur so herum ist es wahr.
Das erleben wir mustergültig in Rellingen bei
Hamburg. In einem unscheinbaren Gewerbegebiet steht in zweiter Reihe ein Betrieb, der
Leuchten entwirft und herstellt – und das ist
nun wirklich nicht irgendeiner. Tobias Grau
hat die Firma vor 30 Jahren gegründet und
führt sie zusammen mit seiner Frau Franziska.
Seither entwirft der Designer und Unternehmer alles selbst – allen voran natürlich die
Leuchten, die er inzwischen in rund 40 Länder verkauft, dazu Messestände, Kataloge, sogar beim Firmengebäude aus Stahl, Glas und
Holz hat er mit dem Architekten zusammengearbeitet.
„Eine ganzheitliche Gestaltung!“, so lautet einer seiner Grundsätze, und der Firmensitz
zeigt, wie ernst Tobias Grau das meint – bei
Tage steht seine Leuchtenfabrik als modernes
Unikat in der Eintönigkeit seiner Umgebung,
bei Nacht leuchtet sie selbst wie ein riesiger
Lampion. Wie passend.
Was sofort auffällt an seinen Leuchten, ist deren Dezenz. Nicht die Leuchte steht im Mittelpunkt, sondern das Licht, das sie spendet. Man
könnte sagen, Tobias Grau ist eher ein Lichtmacher als ein Leuchtenbauer. „Die Leuchte
selbst muss nicht hell sein, aber was sie ausleuchtet, muss hell sein, und zwar blendfrei
hell.“ Da wird es technisch interessant. „Man
muss versuchen, mit der eigenen Kollektion
dem Markt zwei Jahre voraus zu sein, denn so
lange dauert die Entwicklung einer neuen
Idee zur Produktionsreife.“
Früher als viele andere erkannte Tobias Grau
den unvermeidlichen Siegeszug der LEDTechnik. „Dieses Jahr“, sagt er, „erlebt die
Leuchtenbranche ihren großen Wechsel. Etwa so, wie die Autobranche den Wechsel zum
Elektro-Auto erleben wird. So einen ganz großen Wechsel gibt es nur selten, und ich kann
sagen, wir haben ihn frühzeitig vorausgesehen, und wir haben ihn inzwischen geschafft.“
Grau hat die herkömmlichen Lichttechnologien, zuletzt das Halogen, weitgehend aus
dem Sortiment entfernt. „Und bevor ich umständlich Halogenleuchten auf LED umrüste,
entwerfe ich lieber gleich neue.“ Rund zwei
Drittel seiner Leuchten verkauft er an private
Kunden, den Rest an Firmen. Mehrere Firmenzentralen hat er ausgestattet, darunter das
neue Gebäude des „Spiegel“ in Hamburg, Lanxess in Köln oder Hochtief.
Technik und Tradition – letztere ist bei Tobias
Grau keine jahrhundertealte, es ist die Formensprache der Moderne, die er als Designer
spricht. Die Herausforderung, daraus erfolgreiche Produkte zu machen, liegt stark im
Technischen. Mit LED ist es nicht getan, eine
qualitativ hochwertige Leuchte muss sehr gut
stufenlos dimmbar und ihr Licht muss entblendet sein, sie braucht eine gut funktionierende Kühlung und Steuerung.
All das wird im Hause Grau selbst entwickelt.
Die Firma beschäftigt eigene Ingenieure, die
an solchen Lösungen arbeiten. „Die Leuchten
sind intelligent geworden“, sagt Tobias Grau.
„Technisch sind wir sehr gut. Wir entwickeln
mit der Software, mit der die Lufthansa oder
Mercedes auch entwickeln. Wir wissen alles
über die Leuchte, die wir neu entwerfen, und
zwar schon am Rechner.“ Oder es wird mit einer anderen Firma gemeinsam eine neue Beschichtung für Kupfer entwickelt, die verhindert, dass das Metall bei jeder Berührung von
Hand anläuft, die aber andererseits nicht so
massig ist, dass von der typischen Kupferanmutung eines Korpus nichts bleibt.
Design – Technik – Handwerk, das ist hier die
Formel. Bei aller Software ist eine Leuchte am
Ende Handarbeit. Denn es geht hier nicht um
Stückzahlen von Hunderttausenden wie in
der gewöhnlichen Lampenindustrie, es geht
um Tausende. Die Teile dafür lässt Grau bei
Firmen seines Vertrauens fertigen, manches
im europäischen Ausland, besonders hochwertige Teile in Deutschland, wie das BoneChina-Porzellan, das Dibbern extra für Tobias
Grau liefert – aber zusammengebaut wird alles in Rellingen.
Was durchaus keine Routine ist, kein blindes
Zusammenschrauben. In die Leuchte 3
Williamsbirnen aus Österreich.
Wildkirschen aus Franken. Äpfel aus Südtirol.
3 „Move“ zum Beispiel bauen Graus Leute
eine leichte optische Täuschung ein, indem
sie das längliche Objekt an beiden Enden etwas anheben – so wird beim Kunden der Eindruck vermieden, die Leuchte hänge „nicht
gerade“. Das muss man wissen, dafür muss
man ein Auge und ein Händchen haben. So
sehr Hightech alles geworden ist, es bleibt am
Ende auch hier eine Aura von Manufactum.
80
Von der Elbe zur Weser ist es nicht weit, wohl
aber von der Leuchte zur Yacht. Von unseren
Firmen ist die Bremer Lürssen-Werft mit
Abstand die größte, wirtschaftlich, aber auch
was ihre Produkte angeht. Es gibt eine militärische Abteilung bei Lürssen und den Yachtbau, und beide Bereiche haben etwas gemeinsam – absolute Diskretion. Das versteht sich
bei Kriegsschiffen von selbst, aber auch ein
Privatmann, der sehr viel Geld für eine Yacht
ausgibt, will vor allem eines: eben dieser Privatmann sein können. Beim Bau und auf seinem Schiff – ein Wunsch, dem Hanseaten traditionll gern nachkommen.
Und so spricht Peter Lürßen, geschäftsführender Gesellschafter der Werft, eher grundsätzlich über die Beziehung zum Kunden: „Jeder Kunde hat seine eigenen Erwartungen,
Wünsche und Vorstellungen. Lürssen hat die
Qualität und die Fähigkeiten, sie erfolgreich
zu verwirklichen. Vorausgesetzt, sie entsprechen nationalem und internationalem Recht
und sind technisch realisierbar. Um die Ideen
unserer Kunden detailgetreu nachzubilden,
stehen wir während des gesamten Fertigungsprozesses in ständigem Austausch mit ihnen.
Ein Umstand, den wir als Familienunternehmen im Übrigen als selbstverständlich betrachten und der von unseren Kunden sehr
geschätzt wird.“
Nun ist der Bau einer großen Yacht ein industrieller Vorgang – wie viel Handwerk steckt
noch darin? Auch modernster Yachtbau, sagt
Peter Lürßen, sei immer das Ergebnis einzigartiger Handwerkskunst. „Entscheidend ist,
industrielle Prozesse wie Brennschneidevorgänge optimal mit den handwerklichen Anforderungen an den Bau hochmoderner Yachten zu kombinieren und den Fertigungszyklus
effizient aufeinander abzustimmen. Das ist
uns gelungen und erlaubt uns heute wie keinem anderen, Schiffe in entsprechend kurzer
Bauzeit erfolgreich fertigzustellen.“
Die Werft, erklärt er, kooperiere mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen, etwa
um den Emissionsausstoß weiter zu reduzieren oder Alternativen zum Teakholz verwenden zu können, bei gleich hoher Qualität.
Eines interessiert uns noch, die Anekdote, die
man uns in Dresden erzählte über den Beginn
der Zusammenarbeit zwischen der LürssenWerft und den Deutschen Werkstätten Hellerau – erinnert man sich auch hier daran?
Peter Lürßen: „Mit den Mitarbeitern der
Deutschen Werkstätten Hellerau arbeiten wir
in unterschiedlichen Bereichen seit Jahren
hervorragend zusammen, die Anekdote allerdings ist mir nicht bekannt.“
Jetzt brauchen wir erst einmal einen Schnaps.
Auf dem Weg von der Küste in den tiefen Süden machen wir Rast am Main, in Freudenberg. Eine schmale Altstadt im Flusstal, viel
Fachwerk, viel rötlicher Mainsandstein. Hier
gab es seit dem 19. Jahrhundert das „Gasthaus
Ziegler“ mit Hausbrauerei, auch einen einfachen Obstler für den eigenen Verbrauch
brannte man. So gemütlich-bieder könnte es
noch immer sein, hätte sich nicht eines Tages
der junge Thomas Ziegler gesagt: Das können
wir besser. Die Idee der Edelobstbrennerei
Ziegler war in der Welt, aber noch lange nicht
etabliert.
Es war die Zeit der deutschen GastronomieRevolution – von Köchen wie den Brüdern
Jörg und Dieter Müller, von Gourmetrestaurants wie den „Schweizer Stuben“ im nahen
Wertheim. „Es war die Zeit der großen Spesenetats und der gastronomischen Tempel“, sagt
Jürgen Marré, Brennmeister bei Ziegler, „die
Leute flogen aus Miami ein, um in Wertheim
essen zu gehen – nachdem sie ein halbes Jahr
zuvor reserviert hatten. Man gab vierstellige
Summen an einem Abend aus, aber damals
standen auf den Wägen in den Restaurants Cognacs, vielleicht mal ein Armagnac, aber keine
Obstbrände. Heute ist es andersherum.“
Heute, sagt er, reiche der Blick auf ein solches
Wägelchen schon, um sich einen Eindruck
vom Restaurant zu verschaffen. „Da stehen
zwei, drei Ziegler, aha, das Restaurant ist gut.“
Marré zeichnet eine imaginäre Edelbrandweltkarte. „Das internationale Getränk ist
Whisky – den finden Sie überall auf der Welt.
Obstbrände finden Sie nur in Mitteleuropa.
Das wird auch so bleiben. Das Weiße in den
Bränden ist Zyanid, und Europa lässt eine gewisse kleine Menge Blausäure zu, die USA beispielsweise lassen das nicht zu. Das sind einfach verschiedene Traditionen.“
Wenn aber der Obstler nicht zu den Amis
kommt, dann muss Ziegler eben Whisky machen. Damit hat die Brennerei seit einiger Zeit
begonnen. Max Kirchner, ein junger Destillateur, führt durch den Betrieb und auch in dessen bis hoch unter die Decke reich gefülltes
Whisky-Lager. Doch zurück zum Obst.
Damit Qualität in die Flasche kommt, braucht
es moderne Destilliertechnik plus exzellente
Ware. Die Obstlaster kommen aus halb Europa. Himbeeren vom Plattensee. Williamsbirnen aus Österreich. Wildkirschen aus Franken. Äpfel aus Südtirol. „Von Juni bis November geht’s hier rund“, erzählt Max Kirchner.
„Wenn der Obstbauer sagt, jetzt – dann wird
geerntet, aufgeladen, dann fahren die Laster
ohne Zwischenlager direkt zu uns, früh um
sechs wird abgeladen, das Obst von Hand kontrolliert, gewaschen, von Stielen und Kernen
gereinigt und zu Maische verarbeitet.“
Denn es wird kein Supermarktobst angeliefert, das noch nicht ganz reif ist und drei Tage
liegen kann. Nur vollreifes Obst kommt auf
den Hof, es muss sofort verarbeitet werden,
sonst fault es. Und wenn es mal nicht gut ist,
wenn es kein Aroma oder gar Faulflecken hat?
„Dann fährt der Laster wieder heim, und zwar
vollbeladen“, sagt Kirchner. Alles schon vorgekommen.
Die Destillation ist eine Kunst für sich. Zwei
Durchgänge braucht es, Rohbrand und Feinbrand, damit der Edelobstbrand gewonnen
wird. Und Erfahrung. Der Respekt vor dem
Brennmeister wächst mit jedem Schritt durch
die Anlage – all die Stellräder, die zu bedienen, all die Messinstrumente, die zu lesen
sind. Und das ist nur die Technik. Hinzu
kommt die Nase, ohne sie geht es nicht. So
wichtig moderne, teils extra für Ziegler entwickelte Technik für den Gär- und dann den
Brennprozess ist – die Nase des Brennmeisters ist unersetzlich. Wenige Liter zu viel
Nachbrand zugegeben – und es ist unverkäuflicher, garstiger Fusel.
Die schönste Ziegler-Geschichte spielt im Mai
1945, bei Kriegsende. In einem alten Eiskeller
in der Mainufer-Böschung verwahrt die Brennerei bis heute ihren Schatz – Regale voller
Glasballons, darin stehen die besten Brände
aus dem ganzen letzten Jahrhundert. Als 1945
die Amerikaner auf Freudenberg vorrückten
und es absehbar war, dass sie auch der Brennerei einen Besuch abstatten würden, räumten die Zieglers ihren Jahrhundertschatz ganz
nach hinten in den Keller und mauerten
schnell eine Wand davor. Hätten die durstigen
Soldaten die kostbaren Brände gefunden, wäre wohl wenig davon übrig geblieben.
Der Trick funktionierte, nach kurzer Inspektion ließen die Amerikaner von dem düsteren
ollen Eiskeller ab. Und so ist es heute noch
möglich, den einen oder anderen Glasballon
zu öffnen und sich den Duft des Sommers
1928 oder 1951 in die Nase steigen zu lassen.
Hochverdichtet, versteht sich.
Nun aber zu Hollywood. Ganz im Süden, da
wo der Herrgott den oberbayerischen Paradiesgarten angelegt hat, liegt mittendrin
Gmund am Tegernsee. Daher kommen die
goldenen Umschläge, aus denen dann in Los
Angeles die Namen der Oscar-Preisträger gezogen werden. Seit drei Jahren schon, zwei
weitere Jahre sind zwischen Bayern und Los
Angeles fest verabredet.
„Der Designer Marc Friedland aus L. A. kennt
uns schon lange“, erklärt Caroline Pastor von
der Büttenpapierfabrik Gmund den Deal,
„er ist ein Papierliebhaber, und wir sind mit
sehr wenigen anderen Firmen allein auf weiter Flur, wenn es um solche Qualitätsansprüche geht.“ Friedland habe für die Oscars einen
ganz speziellen Goldton gesucht. „Einen, der
im Scheinwerferlicht reflektiert. Kein plattes
Gold, eines mit Tiefe und Haptik.“ So kam er
auf Gmund. Die Papierfabrik legt eine Kollektion namens Treasury auf, ein Papier mit goldenen Partikeln drin – die Rezeptur ist natürlich ein Firmengeheimnis. In dieser Serie
fand Friedland den gewünschten Ton.
Wir sitzen an einem traditionellen Holztisch,
einem außergewöhnlich großen allerdings, in
den zu einem Raum zusammengelegten
Schlafzimmern früherer Generationen.
Johann Nepomuk Haas gründete die 3
Edelobstbrennerei Ziegler, Freudenberg am Main:
Im 19. Jahrhundert brannte man im „Gasthaus
Ziegler“ seinen eigenen Obstler. Mit der Gastronomie-Revolution der 80er-Jahre kam die Idee,
bessere Ware in größerem Stil herzustellen. Heute,
sagt Brennmeister Jürgen Marré, gäben Gäste in
Spitzenrestaurants hohe Beträge für seine Brände
aus. Dafür braucht es natürlich das beste Obst –
und eine ausgefeilte Brenntechnik
GMUND (6)
Büttenpapierfabrik Gmund: Feinste Papiere vom Tegernsee für die ganze Welt – vom Königlich-Bayerischen Hoflieferanten zum Produzenten der goldenen Umschläge bei der Oscar-Verleihung
Man stellt kein iPhone auf den Kaminsims.
Einen Brief auf Gmunder Papier schon.
82
3 Papierfabrik 1829. Die Gmunder brachten
es zu bayerischen Hoflieferanten, um 1880 lieferten sie dann auch nach Berlin. Und wie immer, stand eine Innovation am Anfang, etwas,
das die Konkurrenz nicht hatte und konnte –
hier war es geprägtes und farbiges Papier. Das
wurde dann chic, das wollte jeder haben.
Wir steigen mehrere Treppen hinab in die
Produktion. Bis heute wird Wasser aus der
Mangfall abgezweigt, aus dem Fluss gewinnt
die Fabrik bis zu 50 Prozent ihrer Energie.
Hier unten steht die „Alte“ – die alte Maschine
von 1883. „Sie ist viel langsamer als heutige
Maschinen“, sagt Caroline Pastor, „aber das
kommt der Haptik des Papiers zugute. Ich habe den Augen-zu-Test gemacht. Man erkennt
Papier aus der alten Maschine blind. Sie ist die
älteste Papiermaschine Europas, wahrscheinlich der ganzen Welt.“
Ein Koloss ist sie und etwas unheimlich, wie
sie im Untergrund der Fabrik hockt und edelstes Papier spinnt. Riesig ist sie, man muss lange an ihr entlanggehen, um an ihr Ende zu
kommen. Schwarz und schwer und eisern wie
eine dieser monströsen alten Dampfloks, die
man in Technikmuseen bestaunt, mit vielen
roten Stellrädern, Ventilen, Ketten, Hebeln –
und Walzen vor allem, so richtig 19. Jahrhun-
dert. An Maschinenanfang ist das Papier eine
trübe Masse aus Wasser, Kreide, Kartoffelstärke und Zellstoff, von der sich der Laie nie und
nimmer vorstellen kann, wie daraus feinstes
Papier werden soll, auf das einmal eine Feder
sehr wenige sehr persönliche Worte kratzt.
Aber die Walzen – kleine und riesige – tun ihr
Werk, und 20 Meter weiter kommt aus dem
schwarzen Monstrum tatsächlich Papier heraus. Rolle um Rolle, in jeder gewünschten
Farbe, von Prägewalzen geprägt oder glatt. Bis
zu 100 verschiedene Prägungen stehen bereit.
Der etwas unheimliche Eindruck von der Maschine ist berechtigt. In einer Nacht des Jahres 1921 unternahm der damalige Fabrikant
Ludwig Alois Kohler, Urgroßonkel des heutigen Inhabers Florian Kohler, einen späten
Rundgang durch sein Werk und kam der Maschine wohl zu nahe. Sein Lodenmantel geriet
in die Walzen, er starb.
Längst gibt es auch eine neuere Maschine,
und was für andere Betriebe gilt, die wir auf
unserer Deutschlandreise besucht haben, gilt
auch hier: Technik und Innovation sind nicht
alles, aber doch sehr viel. In einem Klimaraum
werden neue Papiersorten geprüft. Wie lichtecht ist es, wie reißt es, wie verhält sich Tinte
darauf? Im Kreativlabor werden Ideen entwi-
ckelt. Papier ist Papier? Oh nein, immer wieder erfinden die Gmunder etwas Neues.
„Blocker“ zum Beispiel, ein absolut blickdichtes Papier, Gmund hat es sich patentieren lassen. „Für Kataloge der Modeindustrie, Produktkataloge oder Geschäftsberichte ein Novum“, sagt Caroline Pastor, „da scheint nichts
durch, da überblendet kein Foto ein anderes
auf der Rückseite.“ Oder für BMW ein samtig
glänzendes Papier, für Audi eines, das ausschaut wie gebürsteter Stahl. Man müsse versuchen, das passende Papier für das jeweilige
Firmen-Image herzustellen, sagt sie.
Drei Viertel der Produktion gehen in den Export. Die Kunden ergeben eine stolze Liste.
Sie reicht von Marissa Meyer, CEO von Yahoo,
über die Filmfestspiele von Cannes bis zu arabischen Königshäusern. Edles Papier für Geschäftspost, für Image-Broschüren, VIP-Einladungen, all das, sicher. Aber für den privaten
Gebrauch – im Zeitalter von E-Mail und Twitter? Caroline Pastor bejaht die Frage energisch. „Digitale Welt hin oder her – wenn etwas für mich wirklich wertvoll ist, dann
möchte ich es nicht als E-Mail senden. Man
stellt kein iPhone auf den Kaminsims, wenn
man eine wichtige E-Mail bekommt. Einen
Brief auf Gmunder Papier schon.“
DESIGN
Ein Baum für
den Flur:
Garderobe von
Simon Kern
Klettermaxe:
Kleider- und
Sachenhalter
von Llot Llov
Wie gemütlich:
Ledersessel „Elm“ von COR
Kein Beton, sondern
Papier: Hängeleuchten von Dua
Tisch aus
Stahl:
„Buurman“
von Kai
Linke
Klassisch und kann was: Zweisitzer mit Minischrank von Kati Meyer Brühl
Auf drei Beinen:
Stuhl von Dante
Goods & Bads
Skulptur? Tisch?
Beides!
Marmortisch
von Boewer
Schreibtisch mit Tiefe: „M11“ von Zeitraum
Magnet-Tisch –
weshalb die
Emaille-Schale
auf dem
Gestell hält.
Von Supergrau
Pouf plus perfekt getarnter
Stauraum. Von Walter Knoll
Keramik als Tischplatte:
Beistelltisch von Elisa Strozyk
Klassiker in Büffelleder: „S 35“
von Marcel Breuer für Thonet
Deutschland, deine Möbel
Längst sind es nicht mehr bloß die Italiener, die auf dem Möbelmarkt den Ton
angeben. Auch made in Germany kann sich sehen lassen, findet Esther Strerath
E
in Amboss als Beistelltisch, ein
Pouf mit Stauraum: Design aus
Deutschland macht Spaß. Und
überrascht.
Ein Coup gelang dem Siegel
„Made in Germany“ schon mit
seinem Debüt 1887. Damals beschloss das englische Parlament, dass Importe
mit dem Herkunftsland gekennzeichnet werden müssen, der Hintergrund war eine Flut
minderwertiger Plagiate britischen Handwerks – aus Deutschland. Doch genau das Gegenteil geschah: Was „German“ war, war toll
und heiß begehrt. Praktisch, präzise, pünktlich in der Auslieferung. Der Ruhm wurde von
den Wirtschaftswunderjahren weiter genährt,
und bei der Wahl von Haushaltsgeräten wie
Staubsaugern oder Waschmaschinen läuft
manchem Italiener immer noch ein wohliger
Schauer über den Rücken, ob der deutschen
Perfektion. Dafür kam das Kreative aus der
Heimat, die Eleganz aus Frankreich …
Vergangenheit. Neben Qualität kann „Made in
Germany“ auch Innovation, Humor, Poesie.
Die klugen Köpfe hinter der jungen Marke
„Dante“, die gerade auf ein Wasserschloss in
Süddeutschland gezogen sind, zeigen in ihren
Kollektionen Barwagen, Sessel sowie Accessoires von ausnehmender Feinsinnigkeit,
zierlich oft, immer elegant. Nicht Funktionalität steht hier im Vordergrund, sondern „Wärme und Komfort“, so Aylin Langreuter und
Christophe de la Fontaine. Oder das mittelständische Unternehmen „Boewer“. 1888 als
Yes, it’s German Handarbeit:
Hocker-/Regalkombination von Art
canbreakyourheart (über iconist.de)
Dorftischlerei in Neuenkirchen gegründet
und mitunter mit der Fertigung von
„Schwienstallklappen“ betraut, entwirft heute
in der vierten Genration, unter anderem spektakuläre Holzteppiche, Marmortische und
ganze Interieurs (zum Beispiel im „Park Hotel“ Bremen).
Um den „Made in Germany“-Ruhm allerorts
bekannt zu machen, startete am 19. September
eine außergewöhnliche Möbel-Ausstellung:
64 Manufakturen vom Bleistift (Faber-Castell)
bis zur Badewanne (Kaldewei) stellen derzeit
in einer Kirche in Moskau ihre Handwerkskunst vor. In den kommenden Jahren tourt
„Handmade in Germany“ durch 25 Städte, darunter Hongkong, Taipeh, Abu Dhabi, New
York, Los Angeles, Istanbul und Rom.
83
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HAND IN HAND
So eine Art
patriotische Pflicht
Im Ausland geht nichts über „Handmade in Germany“. Und in
Deutschland? In Berlin haben sich 23 Manufakturen präsentiert.
Meltem Toprak hat ihnen auf die Finger geschaut
E
Der Kult-Kugelschreiber von Caran d’Ache.
Die Exzellenz des Swiss Made seit 1915.
carandache.com
Roeckl
ECRIDOR RETRO
Kay Gundlack
Stübben
Es hat lange genug gedauert, bis die deutsche
Hauptstadt sich den Ruf
erarbeitetet hat, in Sachen Mode und Design
nicht vollständig abgehängt zu sein. Der Berliner Hipster ist inzwischen sogar eine so bekannte Figur, dass er zur Karikatur taugt.
Mit Handwerk allerdings bringt man Berlin
noch immer nicht wirklich zusammen –
obwohl ein paar Leuchttürme wie die Königliche Porzellanmanufaktur selbstredend
vorhanden sind. Insofern ist es ein erstaunliches Ereignis, das an diesen beiden Tagen
auf dem Gelände der KPM stattfindet: 23
Manufakturen der Initiative „Handmade in
Germany“, stellen in dem Ziegelbau am
Tiergarten ihre Arbeit vor: Seifen- und
Stiftmanufakturen, High-End-Stereogeräte, Textil- und Lampenhersteller, sogar ein
Orgelbauer ist da.
Die Vielfalt kann den Besucher überfordern. Und selbst wer sich auf nur ein Material wie Leder beschränkt, merkt rasch,
dass sich in Deutschland oft fernab der großen Städte kleine Unternehmen im globalen Dorf halten, die jahrhundertealte Techniken bewahren und fortführen. In der ersten Etage des Ziegelbaus steht Dieter
Schmidt. Er vertritt die Firma Roeckl, gegründet 1839, und demonstriert gern, wie
ein Qualitätshandschuh
aus Leder entsteht: Präzise strecken seine Hände den Werkstoff, der
von einer äthiopischen
Haarziege stammt – sehr
dünn und doch reißfest
–, dann stanzt er mit einem Eisen die Form aus.
Bei Roeckl werden die
Teile dann in Rumänien
oft von Hand zusammengenäht: „Handschuhmacher will in Deutschland
kaum jemand mehr werden“, sagt Schmidt. Er
stammt aus DoberlugKirchhain im Süden
Brandenburgs – und der
Besucher lernt, dass dieser Ort traditionell eng
mit der Lederverarbeitung verbunden war.
Und ein Handschuh von
Roeckl, sagt Schmidt,
halte so gut wie unbegrenzt.
Dieses Argument hört
man hier bei fast jedem
Aussteller. Dass es hier
nicht um modische Trends geht, beweist
auch das Erscheinungsbild der Gäste: Nur
wenige junge Leute haben den Weg gefunden, die anwesenden Herren tragen auch
mal Einstecktuch zum Blazer mit Messingknöpfen, bei den Damen sieht man Reitstiefel zur Tweedjacke – oder man passt
sich eben dem allgemeinen Jeans- und
Übergangsjacken-Look an. Jörg Woltmann,
Besitzer der KPM, sticht in seinem feinen
einreihigen Anzug heraus. In seinem unnachahmlichen Berliner Dialekt sagt der
gelernte Banker zur Begrüßung, „det es ja
ooch so ’n bisschen eine patriotische
Pflicht“ gewesen sei, den Betrieb vor acht
Jahren zu erwerben. Der KPM ging es
schlecht, jetzt ist sie wieder wesentlich präsenter im Markt.
Auf Woltmanns Gelände hat übrigens auch
Guido Maria Kretschmer seinen Showroom
– also jener Modedesigner, der auf Vox
Frauen mit 500 Euro bei „Shopping Queen“
zum Kleiderkauf losschickt. Heute hat der
Schuhmacher Kay Gundlack hier sein Lager aufgeschlagen, er demonstriert, wie in
mehr als 30 Stunden Arbeit Fußbekleidung
nach Maß entsteht. Gundlack fertigt in Parchim im Nordosten der Republik, so ziemlich der letzte Ort, an dem man einen wie
ihn erwarten würde. Doch er hat bereits
Schuhwerk für eine Dame wie Lady Gaga
genäht, darauf weist auch der Ausstellungskatalog stolz hin. Eine Etage
tiefer erklärt die Krefelder
Firma Stübben den Aufbau
eines Reitsattels. Jeder hier
kann detailliert über jeden
Arbeitsschritt Auskunft geben. Sicher eine Stärke.
Gundlack sagt, er arbeite 100
Stunden wöchentlich – und
wenn „Oma Erna“ mit ihren
Schuhen zur Reparatur vorbeikomme, dann kümmere
er sich auch um sie.
Und vermutlich ist das der
wichtigste Aspekt bei dieser
Leistungsschau: Viele Unternehmen werben mit ihren prominenten Kunden –
aber sie leben von einem
diskreten Publikum, das
einfach persönlichen Service und das wärmende Gefühl von echter Tradition
schätzt. Daran ist nichts
falsch – man könnte sagen:
Für die Produkte muss man
zu den Erwachsenen gehören. Ein wenig mehr Jugend
würde das nächste Mal aber
auch nicht schaden.
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86
COOLE
NOMADINNEN
Insel der Reichen? Quatsch! Immer schon war
Sylt auch Sehnsuchts- und Zufluchtsort für
Intellektuelle. Und weil Dünen, Meer und
Strand gerade jetzt prächtige Farben und
Muster präsentieren, passt der aktuelle
Bohemian Look nirgendwohin besser als auf
die Nordseeinsel. Willkommen, lieber Herbst
Foto: Claudia Grassl
Assistenz: Sophie Wanninger
Styling: Julia Freitag
Assistenz: Daniela Schmitz & Sarah Obertreis
Models: Mia & Lou c/o Place Models.
Haare/Make-up: Patrick Glatthaar c/o
Ballsaal. Mit Produkten von Chanel
Local Support: Marc Specowius & Dirk Lins
Model links: Kleid von Hilfiger Collection. Tasche: Versace. Stiefeletten: Gianvito Rossi. Decke: Burberry. Model rechts: Kleid von
Hilfiger Collection. Schuhe: Gianvito Rossi. Tasche: Versace. Decke: privat. Alle Strumpfhosen im Shooting sind von Kunert
88
Links: Strickpullover und Strickrock von Calvin Klein Collection. Stiefel: Etro. Felltasche: Fendi. Rechts: Strickkleid und Lederjacke von Ralph Lauren.
Schuhe: Gianvito Rossi. Kleine Felltasche: Jimmy Choo. Rechte Seite: Kleid von Givenchy. Decke: privat
89
90
Kleines Bild (von links): Kleid von Alberta Ferretti. Lammfellmantel: Etro. Stiefel: Jimmy Choo. Besticktes Kleid von Emilio Pucci.
Pelzstola: Fendi. Großes Bild: Hinten: Wollrock, Wollweste und Pelzweste von Max Mara. Davor: Kleid, Weste und Gürtel: Hugo Boss.
Wolljacke: Fendi. Tuch: Louis Vuitton. Schuhe: Burberry Prorsum
91
Diese Seite:
Kleid, Tuch und
Gürtel von
Hermès. Decke:
Louis Vuitton.
Schuhe: Burberry Prorsum.
Ringe: Sabrina
Dehoff. Motorradbrille: privat.
Rechte Seite:
Spitzenkleid,
Trenchcoat,
Gürtel und
Schuhe von
Burberry Prorsum. Decke:
Louis Vuitton.
Tasche: Etro
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93
Bodenlanges
Kleid von
Tory Burch.
Tuch:
Hermès.
Ohrring:
Vibe
Harslof.
Ring: Maria
Black. Rucksack:
Jérôme
Dreyfuss
94
Cat
heri
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A.E. Köchert
vage
Louis Vuitton
Indian Summerbling
Beinahe ist sie wieder vorbei, jene magische Zeit Anfang
Oktober, die uns noch einmal warme Sonnentage schenkt. Tage,
an denen Laub und Landschaft besonders leuchten. Wie auch
Brahmfeld & Gutruf
diese Juwelen in der Farbenpracht des Altweibersommers –
auf dass er sich verlängern lässt
Ti f f a
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Fabergé
H. Stern
Lorenz Bäumer
Bulgari
Johannes
Hundt
ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER
Elmar Grupp
De Grisogono
Susa Beck
95
SCOTLAND FOREVER
Diese zwei Worte tätowiert auf seinen rechten Unterarm zeugen von der
unendlichen Verwurzelung, die Sir Sean Connery für seine Heimat empfindet.
Auch Elizabeth II. liebt die rau-sanften Hügel und tiefdunklen Seen – zur
Sommerfrische fährt die Queen immer schon in die Highlands. Auf unserer
Zugreise im dampfbetriebenen Jacobite waren wir ebenfalls sehr angetan
Foto: Martin U. K. Lengemann
Assistenz: Christian Hahn
Styling: Odessa Legemah
Der Jacobite Steam Train fährt in zwei Stunden von Fort William nach Mallaig, passiert unterwegs den berühmten
Glenfinnan Viaduct – auch bekannt aus den Harry-Potter-Filmen
N
96
ie waren die Schotten so sehr im Gespräch wie in den vergangenen Monaten.
Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob sie durch ihr Unabhängigkeits-Referendum das Groß vor Britannien obsolet machen würden. Und ein Blick in die
Historie reicht, um zu unterschreiben: Die Engländer haben diesem 5,3-Millionen-Volk mehr als nur den Ruf eingebrockt, geizig zu sein. Ein Ruf, um das
hier ein für alle Mal klarzustellen, der falscher nicht sein könnte. Jeder, der je
einen Pub besucht hat und sich dabei nicht wie ein englischer Snob oder ein
preußischer Feldwebel benahm, wird das erlebt haben. Es sind stolze Menschen, die im Norden Britanniens zu Hause sind. Geformt vom Leben mit den Elementen – in den
Highlands, auf den Orkneys und den Shetlandinseln geben Meer und Berge den Lebensrhythmus
vor – ist man aufeinander angewiesen. Ein Zusammenhalt, der sich ganz von allein ergibt. Da mögen die Leute im Süden der Insel noch so viele Witze reißen, dass auch sie die Schotten nicht verstehen, weil Wind und Whisky deren Sprache ruiniert hätten. Unser Fotograf Martin Lengemann
ist so etwas wie ein Ehren-Schotte: Seit Jahrzehnten besucht der 45-Jährige sooft es eben geht dieses Land, die Faszination für all die Legenden, Gestalten und Landschaften will und will nicht enden (er isst nebenbei sogar Haggis, trägt noch im Sommer Tweed und einen Schluck Single Malt genehmigt er sich abends auch ganz gern). Diese Zuneigung zeigt sich in jedem der Fotos, die er im
Jacobite Steam Train aufnahm. Inmitten einer Landschaft, in der man wahlweise Harry Potter oder
James Bond 007 als Adoleszenten zu treffen glaubt, wie wir seit „Skyfall“ wissen. Und so werden es
pec
uns die Schotten hoffentlich verzeihen, wenn wir hier als Deutsche sagen: Scotland forever.
Tasche von Burberry Prorsum
Hutschachtel und
Schmuckbeutel von
Louis Vuitton. Hut: Kiss
by Fiona Bennett.
Handschuhe: Hermès
Reisen wie damals: In den Abteilen der Erste-Klasse-Waggons
des „Jacobite“ steht schon beim
Einsteigen alles für die Five-o’Clock-Tea Time parat
Weekender Saffiano von
Prada. Mantel: Burberry
Heritage. Lippenstift: Tom
Ford. Tuch und
Ausweishülle: Hermès.
Notizbuch: Louis Vuitton.
Schreibgerät: Caran d’Ache.
Mantel und Weekender
von Bottega Veneta.
Parfüm: Kilian. Schal:
Hackett London. Handschuhe: Giorgio Armani.
Kamera: Leica M
98
Travel Book London von
Louis Vuitton.
Aktentasche: Hermès.
Kaschmirschal: Chanel
99
© ARAMIS INC.
PARFÜMERIEN MIT PERSÖNLICHKEIT empfehlen
ARAMIS – ein klassischer und zeitloser Duft
Der männlich-markante Herrenduft Aramis wurde 1964 von
Ms. Estée Lauder und ihrem Ehemann Joseph Lauder lanciert und war der
erste Herrenduft, der in Kaufhäusern angeboten wurde.
Als ein Mitglied der Chypre-Familie unter den Düften, charakterisiert Aramis
eine warme, holzig-moosige Basis, die von Citrus, Kräutern und exotischen
Gewürzen belebt wird.
Produkttrends kommen und gehen, aber Aramis blieb über die Jahre
hinweg ein Symbol für männlichen Erfolg und hat mittlerweile Kultstatus
erreicht. Aramis steht für alles, was ein Mann ist.
Der Duft wurde dreimal zum „Besten Parfum-Klassiker“ gewählt und ist seit
2006 Mitglied der „Hall of Fame“ der deutschen Fragrance Foundation.
Entdecken Sie Aramis jetzt in Ihrer Parfümerie.
Ihre PARFÜMERIEN MIT PERSÖNLICHKEIT
freuen sich auf Ihren Besuch!
Tauchen Sie ein in die Welt von Aramis bei den inhabergeführten
PARFÜMERIEN MIT PERSÖNLICHKEIT und entdecken Sie dort auch das
gesamte Rasur- und Körperpflege-Angebot von Aramis Classic.
www.parfuemerien-mit-persoenlichkeit.de
MÄNNERSACHEN
Schön und gut
Mit großen Rehaugen zieht
Georgia May Jagger den Be
trachter an, Ähnlichkeiten
Jerry Hall sind durchaus be
mit Mutter
absichtigt. Die Schönheit
dient dem guten Zweck. Da
dänischen Fotografen Kenn
s
Fo
to des
eth Willardt stammt aus „Th
e Beauty Book“ (TeNeues).
rar aus dem Verkauf spend
Das Honoet er einer weltweit agieren
den medizinischen Hilfsorga
nisation.
HIER KOMMEN UNSERE
KOSMETIKEXPERTEN ZU WORT
Wir können es an dieser Stelle
gar nicht oft genug schreiben,
aber auch für Männer sollte eine
tägliche Gesichtsreinigung zum
Standardprogramm zählen.
Mehr als zwei Minuten müssen
Sie gar nicht investieren. Und es
ist wie mit den Händen – diese
waschen Sie ja schließlich auch
mit Wasser und Seife. Äh, oder?
Gönnen Sie Ihrer Haut darum
am Morgen etwas „Cleansing
Foam“ von Shiseido Men, verteilen Sie ihn entweder mit der
Hand oder, Sie sind ja schließlich Technik-interessiert, benutzen Sie dafür das „Clarisonic“Gerät, das Ihre Frau wahrscheinlich eh schon besitzt, und
setzen Sie einfach vor jeder
Benutzung Ihre eigene Bürste
auf. Danach ist Ihre Haut optimal für die Nassrasur vorbereitet. Dann fehlt noch etwas
Creme (Tipp: „Sisleÿum“ von
Sisley), ein Klecks Augencreme
(„Force Supreme“ von Biotherm
ist prima!) und schon sind Sie
bereit für den Start in den Tag.
JÜRGEN NAGLIK, ERDING
THE BEAUTY BOOK BY KENNETH WILLARD
STILISTEN
Ernst Howerka
Inhaber der Parfümerie
Howerka in Erding
AUS BAYERN
Jungbrunnen: Mit
Molekularmedizin
kennt sich die Düsseldorfer Ärztin Dr.
Barbara Sturm aus.
Derart gut, dass aus
der Praxisarbeit eine
Kosmetiklinie entstand. Was sich
darin verbirgt? Der
Naturwirkstoff
Purslane, eine USEntdeckung. Gibt’s
auch für Männer.
Über molecularcosmetics.de
10 4
Auffällig: Visagisten
arbeiten meist mit
schwarzen Pinseln.
Die auseinanderzuhalten? Schwierig.
Also kreierte Makeup-Artistin Miriam
Jacks eigene Sets
und lässt bunte
Stiele in Zusammenarbeit mit dem
Berliner Verein für
Straßenkinder
„KLIK“ gestalten.
Über jacks-beautydepartment.com
Mini-Kraftprotz:
Schönes Haar
braucht gute Kopfhaut. Die neue
„Revital Density
Haircure“ von Marlies Möller soll deren
Stammzellenfunktion anregen und für
mehr Haare sorgen.
Die Ampulle (zwei
Anwendungen)
scheitelweise auf
das gewaschene
Haar auftragen.
Abwarten.
Vollwert: Die Tiegel
von „Spagyrik Beauty“, der Kosmetik
von Ines Ganz, sind
violett. Das spezielle
Glas schützt den
kostbaren Inhalt:
Denn in der Spagyrik (einer 2000
Jahre alten Lehre)
werden nur biologisch angebaute und
mit Quellwasser
versorgte Pflanzen
verwendet (über
ludwig-beck.de)
Wussten Sie, dass ein deutsches
Unternehmen Marktführer auf
unserem Kosmetikmarkt ist?
Sogar in Europa ist Artdeco
quasi pinselführend. Die „Garagengeschichte“ aus Bayern, von
Helmut Baurecht 1985 gegründet. Heute werden mehr als
1100 verschiedene Produkte im
Sortiment geführt. Noch immer
werden große Teile der Produktion, wie etwa die guten
Lippenstifte oder die Lidschatten, in Karlsfeld bei München
hergestellt und dennoch besteht –erstaunlicherweise – ein
sehr gutes Preis-LeistungsVerhältnis. Nicht nur für junge
Menschen sind die Produkte
schon deshalb so gut geeignet.
Ab Mitte November gibt’s
wieder den alljährlichen Silvester-Look - natürlich mit ganz
viel Glitter!
Petra Wiesenmüller
Inhaberin der Parfümerie
Flair in Quedlinburg
ACTION PRESS/MONTAGE ICON
MARKENGESCHICHTE
Millimeter für Millionen
Wimpern wachsen über Nacht. Susanne Opalka erzählt, wie ein
Kölner Ehepaar mit einem Serum die Kosmetikwelt veränderte
O
10 6
ffenkundig ist: Die Welt
der Kosmetik leidet
nicht gerade an Angebotsarmut.
Immer
wirksamere,
immer
modernere Produkte
buhlen um die Gunst
der geneigten Kundschaft. Ein harter Wettbewerb, in dem die großen und bekannten Champions der Luxusliga
augenscheinlich jeden Zentimeter unserer
Haut- und Haarfläche abdecken. Wie groß
mag da die Chance für einen branchenfremden No-Name sein, an den Start gehen zu können? Geschweige denn, mit Vorsprung die
Ziellinie zu überschreiten. Im Fall des IT-Unternehmer-Ehepaars Elke und Uwe Moysies
aus Köln waren es Millimeter. Zwei, maximal
drei, die zu einem der imposantesten StartZiel-Siege der letzten Jahre führten.
Na gut, ein paar (Milli-)Liter waren auch beteiligt. Beim Rotwein tauschen sich die Freundinnen Elke Moysies und Marci Marrek, eine
Visagistin zu Besuch aus Amerika, 2007 über
den Hype aus, der sich plötzlich um Wimpern
dreht. Lang, länger, dichter, voller – es wird
gefaked, geklebt, Lash-Studios schießen aus
dem Boden, ein Medikament gegen Grünen
Star macht die Runde, das die Wimpern
wachsen lässt – als eine der Nebenwirkungen.
Das muss auch anders gehen, beschließen die
Freundinnen. Und zwar rein kosmetisch, besser verträglich, aber auf keinen Fall weniger
effektiv. Es bleibt nicht bei der Idee. Studien
werden analysiert, Kontakte geknüpft, Forscher, Wissenschaftler interviewt. Bei Cayman Chemical im US-Staat Michigan findet
Elke Moysies schließlich den Topstar der Szene, den sie zu nachtschlafender Zeit, wer
denkt schon an Zeitzonen, einfach anruft.
„Vielleicht kennen Sie das, wenn man selbst
so begeistert ist, dann wird man auch ein bisschen hemmungslos.“ Kurze Zeit später trifft
man sich am Frankfurter Flughafen. „Ein genialer Mann, er hat den Wirkstoff, eine neue
Molekülstruktur, mal eben auf eine Serviette
geschrieben und nur gesagt: ,So, ich fahr jetzt
nach Hause und baue den im Labor, den könnt
ihr dann nehmen, der funktioniert, mit dem
und dem Effekt.‘ Und so war es!“ Elke Moysies:
„Wir haben es sofort an uns selbst getestet.“
2008 kommt „M2Lashes Eyelash Activating
Serum“ in der gegründeten Firma „M2 Beauté“ (zweimal M – für Moysies und Marrek)
auf den Markt. Zuerst überaus skeptisch,
steigt der Ehemann mit ein. „Na ja, ich durfte
mitmachen, weil beiden klar wurde, dass man
auch einen Businessplan braucht.“ Und der
geht erst mal dermaßen daneben. Glücklicherweise. „Wir waren drei, meine Freundin,
mein Mann und ich. Wir haben den Vertrieb
übernommen, haben uns die besten Parfümerien rausgesucht, und sind dann hingefahren,
wir haben es kostenlos abgegeben und nur gesagt: Sie müssen versprechen, dass Sie es benutzen. Und wenn Sie Erfolg haben, dann
müssen Sie’s auch aufnehmen.“ „M2Lashes“, 5
Milliliter für 120 Euro, macht im ersten Jahr
700.000 Euro Umsatz, im nächsten Jahr zwei
Millionen, 2013 sind es 9,5 Millionen Euro. In
30 Ländern reißt man den Moysies ihr Wimpernserum aktuell aus den Händen. „Am Anfang musste ich zur Produktionsstätte nach
Estland fahren und hab’s im Koffer von dort
geholt, weil wir viel zu vorsichtig bestellt hatten.“ Tja, der Businessplan.
Inzwischen hat M2 Beauté sechs verschiedene
Produkte im Angebot, 23 Mitarbeiter gehören
heute zur Firma, inklusive der Töchter Alexa
und Anja, 42 und 41 Jahre alt. In einer Lebensphase, in der der Ruhestand lockt, legten die
Eltern einen der erfolgreichsten Markteinstiege der Branche hin – national wie international. Und der nächste Coup ist längst gelandet. „M2Facial Dual Cell Therapy Serum“ erobert den Anti-Aging-Sektor. Diesmal sind es
zwei effektive Wirkstoffe, die für Furore sorgen. Sie entstammen der Forschung gegen
Progerie, der frühzeitigen Vergreisung. Klinische Doppelblindstudien (auch nicht so üblich in der Branche) belegen die außergewöhnliche Bioverfügbarkeit der Wirkstoffe in
der Haut und den verjüngenden Effekt des Serums. Es hemmt nachweislich das Protein
Progerin, das als entscheidender Verursacher
für die Alterung von Hautzellen identifiziert
wurde. Was sagt der Businessplan diesmal,
Herr Moysies? „2014 wachsen wir um 40 Prozent. Auf dem Feld der Seren und Cremes ist
es schon eine größere Anstrengung, Fuß zu
fassen. Das Wimpernserum hatte damals eher
eine Alleinstellung.“
Apropos. Woher nehmen Sie beide eigentlich
die Kraft? „Wir haben immer viel gearbeitet,
aber vielleicht ist es der Mut des Alters, noch
einmal etwas ganz anderes zu machen, zu sagen, ich kann es mir leisten, nicht an dem zu
hängen, was bisher war. Natürlich haben wir
plötzlich viel mehr Verantwortung, aber auch
so viel mehr Freude. Am Erfolg, an der Branche, die viel emotionaler ist als die IT. Und es
gibt keine Trennung mehr zwischen privat
und geschäftlich. Wir mögen das.“ Seit 44 Jahren ist das Ehepaar Moysies verheiratet, miteinander, gemeinsam geht es morgens ins Fitnessstudio, bevor an den Schreibtischen Platz
genommen wird. Immer noch in ihrer Wohnung in der Mühlengasse am Dom. In getrennten Zimmern allerdings. Gleich um die
Ecke steht auch der Heinzelmännchenbrunnen. Kaum ein Denkmal ist so typisch für
Köln. Aber es ist eben die reine Legende, dass
die fleißigen Männchen in der Nacht die Arbeit erledigen. Fortes fortuna adiuvat. Und
manchmal eben Millimeterarbeit.
PSS
Vier gewinnt
G e r SS t !
Neu man
ling
e
In Aachen wird nicht nur einmal im
Jahr ein großer Preis verliehen und
Karneval gefeiert, nein, dort sitzt auch
Babor. Die Kosmetikmarke, die für ihre
kleinen Anti-Aging-Kraftpakete in
Glasampullen bekannt ist. Nun wurde
in dem Familienunternehmen die
ReVersive-Linie entwickelt. Starprodukt soll das „Anti-Aging Dual Serum“
sein, das per Knopfdruck aktiviert wird.
Erst dann mischt sich die Ein-WochenKur frisch zusammen, in dem das
Zwei-Phasen-Serum zu einer Emulsion
wird. Es kommt im 4er-Set und sollte
am besten als Vier-Wochen-Kur angewendet werden. Denn: Vier gewinnt.
Frankodeutsch
Zugegebenermaßen, es war
der französische
Biochemiker Marcel
Contier, der die Haarpflegemarke „La
Biosthétique“ in den
50er-Jahren erfand.
Aber seit 2006 gehört sie
der deutschen Familie
Weiser und seitdem gibt es
je einen Hauptsitz in Paris
und Pforzheim. Voilà. Neu im
Programm ist das „Shampoo
Protection Couleur Copper Red“
speziell für Rothaarige und jene, die
gefärbt sind. Aller Schattierungen
versteht sich, denn die seltenste aller
Haarfarben ist empfindlich und
braucht Extra-Pflege.
Gutes aus dem Ländle
In den 50ern zählte Annemarie Lindner zu den Pionierinnen der Naturkosmetik und gründete (selbst geplagt von Hautproblemen) ihre eigene Kosmetikmarke, die nach ihrem und dem Nachnamen ihres Geschäftspartner Börner
benannt wurde: Börlind. Ihr Credo: „Was ich nicht essen kann, gebe ich nicht
auf meine Haut.“ Inzwischen ist sie 94 Jahre alt und längst lenkt ihr Sohn mit
Familie das Geschäft im badischen Calw, wo auch produziert wird. Dem
Naturkosmetik-Konzept sind sie treu geblieben, klar. Neuestes Produkt: das
„NatuRepair Detox & DNA-Repair Fluid“ soll geschädigte Proteine in den
Hautzellen abbauen und ihre natürliche Regeneration anregen.
Doktor Boost
In seinem Alltag beschäftigt sich Dr. Duve in seiner Münchner Praxis
mit allem was uns schöner machen soll – medizinischer Natur, versteht
sich. Neu in seiner Kosmetikserie für den alltäglichen Hausgebrauch
ist die „Boosting Mask“, eine reichhaltige Pflegemaske, die die Haut
durch Hyaluronsäure, Stammzellextrakte, Macadamia-, Mandel und
Kokosnuss-Öl auf Touren bringen soll. Tipp: Ein- bis zweimal pro
Woche auf dem Gesicht verteilen, 15 Minuten einwirken lassen, danach die Reste einfach mit einem Tuch abnehmen.
Duft des Goldes
Wonach Gold duftet? Zur Enttäuschung aller: nach
nichts. Dennoch beschäftigte sich die Münchner
Schmuckdesignerin Saskia Diez gemeinsam mit dem
Parfümeur Geza Schön damit und beide haben eine
flüssige Antwort gefunden und „Gold“ kreiert. In
ihren Nasen duftet es (anders als ihr Silber-Duft,
den es auch gibt) warm, süß, nach Magnolie, Wacholder, Ambra, Moos und
Patchouli. Tipp: Wer erst daran
schnuppern mag, auf der
Homepage der
Schmuckdesignerin
können auch kleine
Proben bestellt werden
(saskia-diez.com).
Für Perfektionisten
Konturenretter
Wofür der Morsecode SOS steht, ob für Save our souls oder Save our
ships ist ungewiss. Was wir aber wissen ist, dass es in dem Fall des
„SOS Serums“ von A4 Cosmetics aus München für „save our skin“
steht. In Form einer leichten Lotion soll es mehr können als ein reines
Serum und der Haut mit zehn Wirkstoffkomplexen helfen wieder
mehr Spannkraft zu erhalten und ungeliebten Krähenfüße (die lästigen Mini-Fältchen ums Auge) und die Stirnfalten wegzuzaubern.
ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER
Sind wir Deutsche wirklich solche Perfektionisten, wie es uns nachgesagt wird?
Wenn es um unsere Haut geht, kann es
doch gar nicht perfekt genug sein. Prof.
Dr. Volker Steinkraus, Dermatologe und
Gründer des Dermatologikum Hamburg,
brachte 2003 seine Eigen-Kosmetikmarke
„SBT“ auf den Markt. Das neueste seiner
hochwirksamen Produkte? Ein EnzymPuder-Peeling, das komplett ohne Schleifpartikel auskommt, die Haut aber dennoch gründlich, äh, perfekt natürlich
reinigt. Gibt’s über sbt-cosmetics.com
COLLIER SCHORR; BOTTEGA VENETA; MONTAGE ICON
RARITÄTEN
Erinnerungen werden wach
Der Knoten im Taschentuch hält Gedanken fest. Bei Bottega Veneta bindet er Begehrlichkeiten:
Die Knot-Bag ist lange schon Kultobjekt. Nun könnte ein Taschentuch auch nach Knoten duften
Inmitten grüner Hügel befindet sich ein Haus,
ein Zufluchtsort mit Blick auf den glitzernden
Ozean. Die Fenster sind weit geöffnet, der Innenraum ist sonnendurchflutet. Hinein
strömt eine erfrischende Salzwasserbrise,
duftend nach frisch gewaschenem Leinen,
Pfingstrosen aus dem Garten und Mandarinenblüten. Auf dem Bett sitzt eine junge Frau,
ganz gefangen vom Augenblick, die Ruhe und
die Umgebung genießend.“
Soweit der Text in der Pressemappe. Dessentwegen wir nun in einem lichtdurchfluteten
Büro in Mailand sitzen, die hohen Fenster sind
geschlossen, der Blick geht hinaus auf Rasen,
überdachten Sitzplatz und den akkuraten Gemüsegarten für die Mitarbeiter. Es duftet nach
Salzwasser, Leinen, Pfingstrosen,
Mandarinenblüten. Es ist das Büro
von Tomas Maier, dem Kreativdirektor von Bottega Veneta und er hat einen Hub von seinem neuesten Duft
„Knot“ verteilt. Über Eck an seinem
Schreibtisch sitzt genauso entspannt und aufgekratzt Daniela Andrier. Die Parfümeurin. Zwei Kreative, deren Muttersprache Deutsch ist,
deren Ausnahme-Karrieren gleichwohl in Paris ihren Anfang nahmen. Hatte
sich jedoch Tomas Maier, der Pforzheimer Architektensohn, schon am Tag nach dem Abitur
begeistert aufgemacht, um an der Seine einen
Platz in der internationalen Modewelt zu finden, war der Umzug für Daniela Andrier von
weit weniger Euphorie getragen.
Sie ging als Teenager mit ihrem Vater, zwei
Jahre nachdem die Mutter gestorben war. Eine noch mal schwere Zeit, nun nicht nur ohne
Mutter, sondern auch ohne Muttersprache
und Heimat. Die Erinnerung an glückliche
Jahre konservierte sie in Düften. Schon als
Kind hatte sie die Gabe, die Umwelt auch als
Gerüche wahrzunehmen, experimentierte im
Badezimmer heimlich mit den Flakons der
Mutter. Doch erst bei einem Essen in Paris, wo
sie zunächst Philosophie studierte, hörte sie
von der Möglichkeit, hauptberuflich Parfümeurin werden zu können, bekam tatsächlich
einen Platz in der berühmten Parfümeurschule von Grasse und lernte die Kunst vom
kleinsten Molekül auf.
che gegenüber, du wirst wahrscheinlich nie
wieder einen Klienten bekommen. Ich erwog,
alles zu streichen. Aber dann dachte ich: Was
soll’s. Sei nicht ängstlich. Und statt der erwarteten Reaktion kam ein Anruf von Coty: Jemand möchte Sie gern treffen.
TM: Die Offenheit war ja das, was mir gefiel! Denn sie kritisierte die Dominanz des
Marketings. Immer gehe es um irgendwelche
Trends statt um die Produktidee. Ich war
neugierig auf Daniela. Ich möchte auch
nichts entwerfen mit der Idee im Hinterkopf,
welcher Markt damit bedient werden könnte.
Ich glaube einfach nicht, dass das gut ist. Und
es ist schon gar nicht das, wofür Bottega Veneta steht.
B
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Tomas Maier: Für einen Duft schreibe ich üblicherweise ein Briefing, das dann an zehn,
zwölf Nasen geht. Daniela war nicht auf der
Liste. Aber dann las ich im Flugzeug einen Artikel über sie im Stern. Nach der Landung in
Amerika schrieb ich an Coty, die den Duft herstellen, dass ich in der nächsten Runde diese
Frau gern dabeihätte. Wir trafen uns, und sie
war die Richtige dafür.
Daniela Andrier: Der Witz an der Geschichte mit dem Artikel war, dass mir der Journalist
freundlicherweise den Text zum Gegenlesen
geschickt hatte, und als ich dabei dachte: Oh
Mann, du warst zu offen, zu kritisch der Bra-
Ein Blumenduft eigentlich auch
nicht, oder? Zumal er recht
schwer scheint.
DA: Interessant, dass Sie das sagen. Abgesehen davon, dass
Sommerblumen tatsächlich ei-
ne schöne Harmonie. Das macht sie interessant, emotional. Normalerweise finde ich Blumendüfte schrecklich langweilig.
Warum haben Sie dann diesen komponiert?
Meine Liebe zu Parfüms wurde in der Kindheit gelegt und als Kind war ich häufig in Italien, das Briefing erinnerte mich daran. Normalerweise arbeitet man auch als Parfümeur
ganz nüchtern. Ich mache die Düfte nicht für
mich selbst, sondern für den Auftraggeber. In
diesem Fall aber berührte mich der Text, den
Tomas geschrieben hatte, sehr, so wie wenn
man ein besonderes Buch zu lesen beginnt. Es
war eine sehr olfaktorische Beschreibung.
Und es traf etwas sehr Persönliches in mir, seine Beschreibung des Geruchs war der, der
auch meiner voll mit wunderbaren Erinnerungen war. Deswegen war die Arbeit an diesem Duft sehr beglückend für mich und auch
sehr emotional. Ich brauchte keine zehn Minuten, um die Formel aufzuschreiben.
TM: Wir hatten elf Nasen, gingen an einem
Die Nase und
der Designer:
Daniela Andrier
und BottegaVeneta-Kreativdirektor Tomas
Maier
nen viel intensiveren Duft verströmen als
Frühjahrsblüher, empfinde ich „Knot“ als ausgesprochen prickelnd.
TM: Ich wollte etwas nicht so Naheliegendes
machen. Ich wollte Konfrontation, aber auch
etwas, das Leute nicht veranlasst, fluchtartig
einen Fahrstuhl zu verlassen. Und das ist uns
gelungen. Nein, dir ist es gelungen (wendet
den Blick zu Madame Andrier). Ich weiß
noch, wie Coty fragte, ob wir es nicht etwas
überarbeiten könnten ... aber ich wollte nach
dem ledrigen Signature-Duft ganz bewusst eine andere Note und dachte an ein Haus an der
Riviera, am unverbauten Stück selbstverständlich, an frisches, typisch italienisches
Bettleinen. Aber es sollte nicht etwa ein Ferienduft sein oder ein Sommerduft. Sondern etwas Besonderes, deswegen ja der Lavendel.
Lavendel ist besonders?
DA: Lavendel wird sonst in Männerparfüms
verwendet, weil er eine saubere, frische Note
hat. In diesem Fall gibt er dem Duft seine spezifische Note, die Sie vielleicht überrascht
wahrgenommen haben. Diese Mischung aus
blumig und frisch irritiert und ist zugleich ei-
Tag alle durch, alle hatten komplett unterschiedliche Interpretationen. Aber da war nur
die eine, die richtig war. Ohne jeden Zweifel.
Parfüm ist ja etwas anderes als Kleidung, wie
unterscheidet sich der Design-Prozess?
TM: Ich starte immer von dem Punkt, an dem
wir gerade stehen. Wie in der Mode geht es
um Evolution. Das zweite Parfüm nun baute
auf dem ersten auf, am dritten arbeite ich bereits. Aber wir sprechen hier von 2018, Duft ist
von der Formel bis zur Verpackung ein sehr
zeitaufwendiges Produkt. Der nächste wird
vielleicht ein Cologne, das liebe ich sehr, ist
vielleicht meinem deutschen Hintergrund geschuldet. Und man will doch gar nicht alles
teilen, also auch nicht riechen wie alle anderen, nicht die gleichen Sachen tragen. Ich arbeite meistens in New York und sehe dort viele Bottega-Taschen auf der Straße. Aber nie
die gleiche. Das mag ich sehr.
Dient ein Parfüm auch als Luxuszugang?
TM: Nein, das ist nicht das Bottega Einsteigermodell! Es geht es um den Duft. Und um LeuInga Griese
te, die Parfüm lieben.
10 9
PARFÜM
E
Das riecht
nach
Hamburg
Das Supermodel Toni Garrn
JIL SANDER
Ein schöner, warmer Tag
über das Gefühl, als gebürtige
geht seinen friedlichen
Gang in Hamburgs beliebHanseatin für Jil Sanders Duft
tem Wohngebiet Winter„Simply“ zu unterwegs zu sein
hude. Wer ahnt da schon,
dass sich in einem Hinterhof-Studio gerade eine der
derzeit schönsten Frauen
bereit macht. Ihren Freizeitlook tauscht Toni Garrn
schnell gegen ein elegantes
schwarzes Designer-Outfit. Sie ist nämlich gekommen, um den neuen Jil-Sander-Duft le Sofas, Tische, Betten, die Mar„Simply“ vorzustellen. Bevor man überhaupt morküche, das Bad. Es ist wirkden Mund öffnen kann, heißt es vom Manage- lich so, dass mein Stil dem von
ment: „Fragen zum Boyfriend Leonardo DiCa- Jil Sander entspricht. Gerade
prio sind tabu.“ Egal. Die 22-Jährige wirkt ent- bei den Outfits, die ich auf Verspannt. Vielleicht, weil sie in der Hansestadt anstaltungen trage. Ein schwarzer Hosenanzug, ein weißes
auch zu Hause ist.
oder graues Kleid – eher selten
Ist es schön, in der eigenen Sprache ein Inter- mit Gürteln oder Blüten kombiniert. Witzig eigentlich, weil der
view geben zu können?
Auf jeden Fall. Andererseits bin ich auch mit Duft „Simply“ heißt.
Englisch als internationaler Modelsprache
aufgewachsen. Aber heute morgen bin ich zu Sind Sie schon lange Fan?
Hause aufgewacht und mit dem Auto herge- Fan schon, leider habe ich Jil Sander selbst nie
fahren, das ist natürlich ein Traum. Ich kann kennengelernt und wurde auch nie für die
ungefähr an einer Hand abzählen, wie oft das Show gebucht. Dieses „ohne Make-up“ fand
ich immer toll. Ich habe selbst Polaroids geschon passiert ist.
macht, die genauso aussahen. Deshalb freut es
Gibt es etwas, das Sie immer tun, wenn Sie in mich, dass es endlich geklappt hat, mit der
größten Hamburger Design-Marke zusamHamburg sind?
Immer Oma und Opa sehen. Und Franzbröt- menzuarbeiten.
chen essen. Und ich habe viel zu arbeiten,
denn meine Mutter ist meine Managerin, und Erinnern Sie sich an Ihr erstes Parfum?
da sie in Hamburg wohnt, heißt das, dass ich Ich weiß noch, dass ich bei meiner Mutter viel
jeden Tag auch ein Meeting mit ihr habe, probiert hab. Sie hatte auch „Sun“ von Jil Sanwenn ich hier bin. Einfach im Garten rumlie- der. Das fand ich immer witzig als Kind, weil
der Duft so prägnant war.
gen, das mache ich eigentlich nie.
Weniger ist
mehr: der
sinnliche Duft
„Simply“
110
Sie haben auch eine neue Wohnung gekauft?
Ja, auf der Uhlenhorst. Es ist mir sehr wichtig,
dass ich hier noch ein festes Zuhause habe.
Auch wenn ich im Moment eigentlich nie da
sein kann und schon vorher wusste, dass dort
niemand richtig wohnen wird.
Verbinden Sie Düfte mit Menschen?
Es ist ein ganz besonderes Gefühl, das einem
Parfum geben kann. Gerade, wenn man eine
Person vermisst hat. Deshalb bin ich auch dagegen, ganz viele Parfums zu haben. Der Duft
sollte zu einem gehören.
Sie sind unterwegs, seit Sie 13 Jahre sind. Ist so
ein Rückzugsort wichtig?
Ich habe sogar zwei Zuhause, die Wohnung in
New York ist größer. Ich achte zunehmend darauf, dass ich es mir auch wie ein Heim einrichte, weil ich wirklich drei Viertel des Jahres in Hotels und woanders bin. Früher ging
es immer nur darum: Wo können die Koffer
am besten offen liegen?
Und wie wichtig ist Kleidung?
Dass ich ein Kleid nur einmal trage, gilt nur
für Events. Bei Oberteilen achte ich sehr auf
gute Qualität. Ich trage gern bequeme Sachen,
in New York manchmal den ganzen Tag YogaHosen. Um mich fit zu halten und das zu essen, was ich will, treibe ich viel Sport.
Wie ist die Wohnung denn eingerichtet?
Hier habe ich eine Altbauwohnung mit sehr
viel Stuck, das wollte ich schon immer haben.
Aber mein Stil ist generell sehr simpel und
schlicht. Ich immer alles schwedisch weiß. Al-
Hatten Sie, bevor Sie entdeckt wurden, eigentlich schon einen Berufswunsch?
Ich wollte immer einen Laden haben und irgend etwas verkaufen. Wenn ich einfach Abitur gemacht hätte, würde ich jetzt wahrscheinlich noch als Backpacker durch die Gegend reisen und mich finden.
Sind Sie nun erwachsener als Gleichaltrige?
Bei bestimmten Gesprächen denke ich schon
manchmal anders. Weil ich auch mit 40-, 50-,
60-Jährigen befreundet bin. Aber wenn ich
einfach nur feiern gehen will oder mich frei
bewege, dann bin ich sicher manchmal auch
wie eine Zehnjährige.
Wie sehr passen das alte und das neue Leben
eigentlich noch zusammen?
Seit ich 14 bin, arbeite ich erfolgreich in New
York. Als ich damals in die 10. Klasse zurückgeworfen wurde, war es extrem. Mit meinen
Schulkameraden Papierflieger durch die Gegend zu werfen, während ich Kampagnen
schieße. Mittlerweile sind es fast acht Jahre,
und ich weiß, ich arbeite in der Mode und damit in der Öffentlichkeit. Aber in Hamburg
bin ich Enkelin, Tochter und Schwester.
Verständlich, dass dieses Leben andere möglicherweise einschüchtert?
Ich erlebe so viel und habe eigentlich gar keine Zeit, das zu verdauen und zu verarbeiten,
weil ich am nächsten Tag schon wieder weiterfliege. Ich bin dadurch möglicherweise etwas abgebrühter als meine Familie. Sie schauen vielleicht aus dem Fenster und sagen: Guck
mal! Da ist der und der! Und ich sage automatisch: Ich habe keine Zeit! Meine Familie
macht mich bodenständig.
Was ist das Beste an Ihrem derzeitigen Leben?
Dass ich mein eigener Boss bin und machen
kann, was ich will. Dass ich in meinem Alter
sagen kann, was ich möchte und denke. Das ist
Alexandra Maschewski
ein großer Luxus.
SCHWARZLOSE
PARFÜM
Berliner Duft
In den Zwanzigerjahren pulsierte das Leben in der
Hauptstadt. Eine kleine Duftmanufaktur mischte mit,
verschwand wie viele. Und ist nun wieder dabei
D
as erste Laub liegt bereits auf den gepflasterten Seitenstraßen, türkische Obsthändler und
Spielcasinos
säumen
die größeren Straßen in
Berlin-Moabit. Altbauten und restaurierte
ehemalige Fabrikgebäude gehören ebenso
zum Kiez. Und dort entstanden in einer Fabrik, die während des Zweiten Weltkrieges jedoch komplett abbrannte, ab 1856 Parfüms,
die damals bekannt waren wie heute etwa die
von Guerlain. Abseits von Industrialisierung
und Kohle gab es nämlich einen Klavierbauer
namens Johann Friedrich Schwarzlose, der eine Drogeriehandlung unter seinem Namen
gegründet hatte und sie gemeinsam mit seinen Söhnen zu einem Parfümhaus ausbaute.
Es verwundert aber kaum, dass der einst klingende Name J. F. Schwarzlose vielen heute
nichts mehr sagt, die Firma bestand nur bis
1976. Danach fiel sie in einen Dornröschenschlaf, und wäre Lutz Herrmann, Flakondesigner aus Hamburg, während einer Recherche
2010 nicht zufällig auf das alte Parfümhaus gestoßen, wüssten wir heute wohl kaum noch
davon. „Nur hin und wieder gibt es noch Parfümeriebesitzer, die Schwarzlose aus ihren
Lehrlingsjahren kennen“, erklärt Herrmann.
Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Tamas Tagscherer belebte er also die Düfte, die
in den 20er-Jahren bis an den kaiserlichen
Hof nach China verkauft wurden.
Und sie zogen zurück in den Berliner Kiez, wo
alles begann. „Wir recherchierten zwei Jahre
lang, kauften auf Flohmärkten und Ebay alte
Flakons, Werbeplakate, fanden in Archiven
Fotos, alte Rechnungen. Forschten nach Nachfahren der Familie, sondierten, ob wir den Namen nutzen dürften“, erzählt der smarte
Schleswig-Holsteiner Herrmann. Was nicht
auftauchte, waren die Originalrezepturen.
„Das machte es komplizierter, aber dafür fanden wir ein paar originalverpackte Flakons.“
Herrmann, der mit seiner Designagentur bislang die Hüllen für die Düfte von Jil Sander,
Joop, Laura Biagotti, Gucci und anderen entworfen hatte, und Tagscherer, der parallel sei-
Heute wie damals ein Hingucker:
Flakons von J. F. Schwarzlose von
1895 (oben) und die neueste
Kreation. Die limitierte KunstEdition (l. oben) von Olaf Hayek
gibt’s ab Mitte Oktober
ne Abschlussarbeit über „Luxusprodukte aus
Berlin“ an der Berliner UdK schrieb, begaben
sich auf die Suche nach einem Parfümeur.
„Einfach war es nicht“, gibt Herrmann zu.
In Paris fanden sie Véronique Nyberg und
konnten sie für ihr Projekt begeistern. „Wir
erzählten ihr von der Idee, die SchwarzloseKlassiker wie ‚Treffpunkt 8 Uhr‘, ‚Trance‘ oder
‚1A-33‘ wiederaufleben zu lassen.“ Das war 2011.
Sie schickten ihr die alten Flakons mit den
umgekippten Düften zu, Nyberg machte eine
chemische Analyse, schlüsselte die Inhaltsstoffe auf und reformulierte drei Klassiker –
in der Blütezeit gab es fast 1000 Parfüms, Seifen und Puder – ganz ohne Originalrezepte.
Sie musste sich neben der Technik auf ihre
Nase verlassen. „Die Hauptingredienzen stimmen, aber Véronique hat die Düfte etwas interpretiert und aktualisiert“, so Herrmann.
Mittlerweile gibt es sogar zwei neue Kreationen: „Rausch“ und „Zeitgeist“. Allen fünf Düften ist gemein, das Lebensgefühl der Goldenen Zwanziger wiederaufleben zu lassen. Mit
Leidenschaft, aber auch Schritt für Schritt.
Herrmann, der sein Handwerk bei Peter
Schmidt in Hamburg lernte, kümmert sich
um die Hülle. Und nun gibt es eine erste limitierte Kunst-Edition, die gemeinsam mit dem
Berliner Olaf Hayek entstanden ist. „Die Idee,
unsere Düfte mit Kunst zu kombinieren, hatten wir schon beim Launch von ‚Zeitgeist‘ im
Herbst 2013. Damals hatte uns ein Künstler angeboten, eine Installation zum Duft zu machen – aber die Zeit war zu knapp.“
Nun aber konnte Hayek gleich eine ganze Edition schaffen und hat für jeden Duft eine
Kunst-Verpackung kreiert, pro Duft auf 210
Stück limitiert. Zu jedem Duft ließ er sich etwas Neues einfallen. „Treffpunkt 8 Uhr“ etwa
zeigt Josephine Baker tanzend im Bananenrock vor dem Brandenburger Tor, die anderen
vier Packungen zeigen Motive im Stil der
Zwanzigerjahre. Stellt man die Verpackungen
nebeneinander, wird eine fortlaufende Bildergeschichte erkennbar. Das könne man normalerweise nicht in einem Kosmetikunternehmen realisieren, erklärt der 52-Jährige. „Oft
wird bloß in Marketingstrategien gedacht.“
Das dass im Moabiter Atelier nicht der Fall ist,
merkt man. Doch wieso Hayek? „In Berlin haben wir ein Luxusproblem – die Stadt bietet
eine Vielzahl von Künstlern, aber wir kannten
Olaf, mochten seine Arbeiten. Ganz einfach.“
An der sechsten Kreation tüftelt das Trio bereits. „Auf der Parfüm-Messe in Florenz haben
wir es kürzlich getestet. Zurzeit gibt es auf
dem Duftmarkt den Trend der GourmandDüfte, aber wir folgen keinen Trends. Doch
wer weiß – Berlin und die Currywurst gehören ja auch irgendwie zusammen. Vielleicht
machen wir eines Tages mal einen Duft mit
Curry-Note“, erzählt er. Und bei ihm weiß
man nie, was noch kommt. Caroline Börger
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Lassen wir erst mal Treppen und Fenster sprechen.
Entlang Amsterdams Herengracht, seit dem 17. Jahrhundert nobelste Adresse der alten Handelsmetropole, erzählen sie von unermesslichem Reichtum. Wer
sich doppelte Aufgänge zum Entree leistete und fünf
hohe Fenster in der Beletage, demonstrierte Oligarchen-Macht. „Waldorf Astoria“ hat nun gleich sechs dieser hochherrschaftlichen Residenzen zum Hotel verbunden. Die strenge Backsteinfassade durchschritten, staunt
man nicht schlecht, was sich im Inneren der Häuser an barocker Pracht offenbart. Verschwenderischer Stuck in der Halle beispielsweise oder das prunkvolle Treppenhaus, beides original im LouisXIV.-Stil, eingebracht Anfang des 18. Jahrhunderts von Daniel Marot, Hofarchitekt vom niederländischen Statthalter und späteren englischen König William III.
Ich nächtige hier also gewissermaßen bis über beide Ohren in der Geschichte von Amsterdams Goldenem Zeitalter. Ohne auf zeitgemäßen Luxus verzichten zu müssen, versteht sich. Schlichte Eleganz
und hochwertige Materialien komplementieren das glanzvolle Flair, ohne dass sie erschlagen. Der
Grundton ist Perlweiß, Akzente setzen Pastellblau und Lapislazuli, Reminiszenzen an Farbschemen
auf Gemälden von Jan Vermeer. Und nicht zuletzt wurden die historischen Gemäuer mit dem intimen
Guerlain Spa verwoben und einem Indoorpool bestückt, eine Seltenheit im Grachtengürtel. Einzigartig ist auch der bezaubernde Garten nach hinten raus. Ein Schmuckstück darin das achteckige Sommerhaus von 1750, verspielt dekoriert mit Putten, dorischen Säulen und allerlei Blumengirlanden. Es
zieht den Blick an, hat man zum Speisen in „Librije’s Zusje“ Platz genommen. Wobei man sich besser
auf den Teller konzentrieren sollte. Das Hotelrestaurant ist nämlich die Schwester, auf Holländisch
Zusje, vom Drei-Sterne-Restaurant in Zwolle, in der Küche steht sein ehemaliger Chef. So romantisch
die Szenerie draußen, so ausgefeilt modern die künstlerische Präsentation seiner Kreationen. Sie basieren auf lokalen Qualitätsprodukten, hier und dort mit einem Touch Asiens aromatisiert. Ich gerate
bei jedem Happen ins Schwärmen und behaupte mal kühn, dass man in Amsterdam nirgendwo erlesener speisen kann. Schon gar nicht für 110 Euro ein Sechs-Gänge-Menü. Das „Waldorf Astoria“ offeriert mir ein Radl und los geht’s. In den Grachten gibt es wenig Autoverkehr, zudem schafft man längere Strecken als per pedes. Ich liebe die Haarlemmerstraat nahe dem Bahnhof, sehr angesagt mit seinen modernen Delis, Cafés und Avantgarde- Boutiquen und speziell für Radler ausgebaut. Und dann
geht’s querbeet zur Westerstraat 67, wo sich „Moooi“ versteckt, Showroom und Shop von Marcel
Wanders, Hollands berühmtestem Designer.
Kiki Baron wollte schon immer einmal hinter die Fassenden an der feinen Herengracht blicken
The real bling.
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THOMAS MEYER
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DER JANKER
VON MEINDL
In den Ateliers und Manufakturen dieser Welt werden weiterhin
Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen dabei zu
Das Oktoberfest ist längst vorbei, doch auch jenseits des größten Volksfestes können Janker aus Leder getragen werden. Seit den 20er-Jahren fertigt die Familie
Meindl im bayerischen Kirchanschöring Ledermode aller Art an. Noch immer ist die Manufaktur in Familienhand und wird in dritter Generation von Markus
Meindl geführt. Wir zeigen die Produktion des klassischen Lederjankers, der in seiner Grundform seit Jahrzehnten besteht und aus knapp 60 Einzelteilen gefertigt wird. Hier die wichtigsten elf Schritte: 1. An einer Wand hängen die für den Zuschnitt und das spätere Einbügeln notwendigen Schnittschablonen. 2. und 3. Jede Lederhaut überprüft Markus Meindl auf Vorder- sowie Rückseite auf seine Farbe und Qualität. Das Leder stammt ausschließlich von Tieren, die gejagt, nicht
gezüchtet werden. Das Besondere daran ist die Sämische Gerbung mit Fischtran und dessen Färbung mit Holzfarbstoffen – ein überliefertes Handwerk, das nur
noch sehr wenige Gerbereien beherrschen. 4. Der Zuschnitt des Innenfutters erfolgt per Hand. 5. Ebenfalls von Hand wird der Kragen bestickt. Mit Nadel und Faden wird das vorgezeichnete Muster mit einem speziellen Stich nachgestickt. Das Muster stammt übrigens von einer alten Lederhose und ist reine Zierde. Traditionell zeigte die Farbe der Stickerei an, welchem Stand man angehörte. Ein blauer Faden deutete beispielsweise auf die königliche Herkunft hin. 6. Mithilfe einer Nähmaschine können nun die Einzelteile zusammengesetzt werden. Bis zu elf Mitarbeiter sind mit der Produktion des Jankers beschäftigt. 7. Damit die Rückenfalte fixiert werden kann, muss eine Schneiderfliege aufgenäht werden. 8. Das Knopfloch-Passepoile wird mit einer Schere aufgeschnitten, anschließend
verstürzt, das gibt dem Knopfloch mehr Halt. 9. Eine spezielle Zickzack-Maschine näht das Etikett ein. 10. Im nächsten Schritt wird der bestickte Kragen auf das
Halsloch genäht. 11. Abschließend wird die Jacke noch mal genauestens geprüft. Abstehende Fäden werden verschnitten, alle Details kontrolliert.
Übrigens: Je länger das Leder getragen wird, umso mehr Persönlichkeit entwickelt es. Patina gehört daher zum natürlichen Erscheinungsbild unbedingt dazu.
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