Einleitung TR28_Wasser_2.indd
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A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Wasser – Werke, Türme und Turbinen Zudem erschwerte die naturräumliche Lage Im Ruhrgebiet entstand im Laufe des 19. Jahr- sich zwischen der Ruhr im Süden und der Lippe die Situation. Der industrielle Ballungsraum, den wir heute Ruhrgebiet nennen, erstreckt im Norden. Dazwischen verläuft die Emscher, hunderts in kurzer Zeit ein riesiger Industrie- die mit wenig Gefälle durch ein relativ flaches und Ballungsraum. Die massenhaft dorthin Gebiet fließt und den Großteil der Flächen zwi- ziehenden Arbeiter und ihre Familien, die wie schen Ruhr und Lippe entwässert. Schon vor der Pilze aus dem Boden schießenden Zechen und Industrialisierung sorgte dies für regelmäßige, Eisenhütten, die vielen Gewerbebetriebe, die großflächige Überschwemmungen. sich hier ansiedelten – alle waren sie auf Wasser in ausreichender Menge angewiesen. Unmöglich konnten die althergebrachten Wasserver- sorgungssysteme der Städte und Gemeinden, von denen einige zuvor noch Dörfer gewesen waren, diesen steigenden Verbrauch bewäl- tigen. Bislang hatten private und öffentliche Grundwasserbrunnen sowie Wasserleitungen, die Quellwasser in die Städte führten, den vergleichsweise bescheidenen Bedarf der Menschen und des Gewerbes gedeckt. Die Städte verfügten weder über eine Kanalisation noch Emscherhochwasser in Dortmund, 1909 Foto: Emschergenossenschaft und Gewerbeabwässern über offene Abläufe Die vom Bergbau verursachten Bodensenkun- verbracht oder zur Nutzung in der Landwirt- Nordwanderung des Kohlenbergbaus verla- über Kläranlagen. Fäkalien liefen mit Haushalts- gen verschärften die Probleme. Im Zuge der zum nächsten Bach, wurden in Sickergruben gerten sich Industrie- und Wohngebiete und schaft gesammelt und auf die Felder verteilt. Im damit auch die wichtigsten Wasserverbraucher Zuge der Industrialisierung sank der Grundwas- allmählich in den Emscherraum. Ihr Wasser serspiegel, weil die Tiefbauzechen das Wasser erhielten sie aus der verhältnismäßig saube- abpumpten, um in größerer Tiefe Kohle abbau- ren Ruhr und leiteten es nach dem Gebrauch en zu können. Wo kein Grundwasser genutzt verschmutzt in das Emscherareal mit seinen werden konnte, gefährdete die Verschmutzung Nebenläufen. Besonders der Unterlauf der Ruhr des Oberflächenwassers durch immer größere und damit die Wasserverbraucher in Essen, Mengen an Industrie- und Haushaltsabwässern Mülheim oder Duisburg litten im Gegenzug sowie Fäkalien eine sichere Wasserversorgung. häufig unter Wassermangel. Zahlreiche Brunnen versiegten oder ihr Wasser wurde zum Beispiel durch benachbarte undich- Infolgedessen waren der Ruhr- und insbeson- te Abortgruben ungenießbar, sodass die Kapazi- dere der Emscherraum spätestens zum Ende täten bei weitem nicht ausreichten. des 19. Jahrhunderts wasserwirtschaftliches Notstandsgebiet. Kohlenschlamm, chemische 1 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Bodenverseuchungen, sterbende Vegetation Die Themenroute „Wasser – Werke, Türme und breitung ansteckender Krankheiten prägten im Gebiet von Emscher, Ruhr und Lippe sowie Turbinen“ führt zu Bauten und Anlagen, die in den Überschwemmungsgebieten, die Aus- am Rhein Zeugen dieser großtechnischen was- das Bild und riefen Mediziner, Hygieniker und serwirtschaftlichen Lösungen der ersten Jahr- Techniker auf den Plan. Wegen dieser Ver- zehnte des 20. Jahrhunderts sind. Sie reichen schmutzungen und ihrer geringen natürlichen von den Talsperren über Anlagen der Wasser- Kapazität konnte die Emscher genauso wenig gewinnung und –förderung zu Behältern zur als Trinkwasserlieferant dienen wie die Lippe, Wasserspeicherung wie den Wassertürmen. Die deren Salzgehalt durch Solquellen und Gruben- Rohrmeisterei in Schwerte, große Pumpwerke wassereinleitungen zu hoch war. Daher musste zur Entwässerung der Bergsenkungsgebiete die Ruhr diese Rolle übernehmen. Aber auch im Emscherraum, Kläranlagen sowie Wasser- sie war in Trockenperioden vor allem an ihrem kraftwerke wie jenes an der Emschermündung Unterlauf so stark verschmutzt, dass sie der gehören ebenso dazu. Und ein kleiner Rest des Zoologe August Thienemann im Sommer 1911 ehemaligen Emscherbruchs, der ursprünglich als „braunschwarze Brühe […], die stark nach kaum besiedelten Wald- und Wiesenlandschaft, Blausäure riecht, keine Spur von Sauerstoff ent- durch die die Emscher verlief, zeugt von der Zeit hält und absolut tot ist“, bezeichnete (zit. nach vor deren Kanalisierung. Nicht zu vergessen Olmer 1998, S. 328). sind einige historische Freizeit- und Erholungseinrichtungen am und im Wasser und schließ- Schließlich war der Problemdruck groß genug, lich Beispiele für den seit den 1990er Jahren um übergreifende Lösungen zu erzwingen. laufenden erneuten Umbau des Emschersys- Den Bau zahlreicher Talsperren, die die Wasser- tems, das wieder naturnah gestaltet wird. zufuhr ins Ruhrgebiet sichern und regulieren halfen, übernahm der 1899 gegründete Ruhr- talsperrenverein. Die Emschergenossenschaft (gegründet 1899) sorgte hingegen im Rahmen eines riesigen Regulierungsprojekts für eine Kanalisierung der Emscher und ihrer Neben- läufe und damit für eine geregelte Ableitung der allerdings kaum gereinigten Abwässer zum Rhein. Der Ruhrverband war ab 1913 für Rein- haltungsmaßnahmen an der Ruhr verantwortlich und baute als Flusskläranlagen dienende Freizeitstätte Haus Wittringen, Gladbeck Quelle: Stadtarchiv Gladbeck Stauseen im mittleren und unteren Ruhrtal. Für die mittlere und untere Lippe übernahm ab 1927 der Lippeverband diese Aufgaben. Eine ausreichende Trinkwasserversorgung und der Wunsch vor allem der Industrie, sich seiner Abwässer günstig zu entledigen, standen bei diesen Projekten stets im Vordergrund. 2 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Wasserversorgung an Rhein, Ruhr und Lippe Wassergewinnung und -förderung Die meisten Wasserwerke der Region sind in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts an der Ruhr errichtet worden. 1864 nahmen in Essen, 1867 in Witten, 1871 in Bochum, 1872 in Dortmund, 1876 in Duisburg und Mülheim sowie 1880 in Unna (Quellwasser) Wasserwerke Wasserwerk Essen-Kettwig, Maschinenhaus werks- und Industrieunternehmen übernah- der angrenzenden Kreise Recklinghausen, Essen oder Gemeinden, so von Gelsenkirchen (1873) schen das Leben kostete. den Betrieb auf. Private Wasserwerke der Bergmen teilweise die Versorgung ganzer Städte Foto: RWW und Hattingen betraf und mehr als 200 Men- oder Oberhausen (1875). Nun wurde nicht nur ein Institut für Hygiene Die an der Ruhr liegenden Wasserwerke gewan- und Bakteriologie in Gelsenkirchen gegründet, nen kein Flusswasser, sondern so genanntes auch verschärften die Aufsichtsbehörden die Uferfiltrat. Das Flusswasser sickert bei dieser Vorschriften und Kontrollen; unter anderem Methode durch Lehm-, Sand- und Kiesschich- sollten die Abstände der Wassergewinnungs- ten und wird dadurch auf natürliche Weise anlagen zur Ruhr vergrößert werden. Nach an- gereinigt; es ist daher umso sauberer, je weiter fänglichem Zögern ließen die Behörden zudem die Entnahmestelle vom Fluss entfernt liegt. eine neue Wassergewinnungsmethode zu, die Besonders am Unterlauf der Ruhr kam es in künstliche Grundwasseranreicherung. Hierbei niederschlagsarmen Sommern wiederholt zu wird Flusswasser in mit Sand ausgekleidete Versorgungsengpässen, zumal das von den Filterbecken geleitet. Von dort sickert es durch Wasserwerken entnommene Wasser nach die natürlichen Bodenschichten und gelangt Gebrauch zum überwiegenden Teil nicht in gemeinsam mit Grundwasser und Uferfiltrat die Ruhr, sondern ins Emschergebiet abfloss. in die Sammelgalerien und Gewinnungsbrun- Um mit dem wachsenden Verbrauch Schritt nen. Zahlreiche Wasserwerke übernahmen die- halten zu können, verlegten einige Wasserwer- se erstmals vom Wasserwerk für das nördliche ke die Gewinnungsbrunnen immer näher westfälische Kohlenrevier praktizierte Methode; an die Ruhr und förderten Wasser minderer sie bildet noch heute die Basis der Wasserver- Qualität, mischten mitunter sogar unfiltriertes sorgung an der Ruhr. Flusswasser bei. Im Wasserwerk Steele, das vom Wasserwerk für das nördliche westfälische Die Abwasserbelastung der Ruhr blieb groß und im September 1901 eine Typhusepidemie aus, zum Beispiel im September 1911 massenhaft Kohlenrevier betrieben wurde, löste diese Praxis bereitete immer wieder Probleme; so traten die ein Gebiet mit fast 400.000 Einwohnern im Typhuserkrankungen auf. Die Maßnahmen des Stadt- und Landkreis Gelsenkirchen und Teilen Ruhrverbands zur Reinhaltung der Ruhr reich- 3 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 ten auch in den kommenden Jahrzehnten nicht weitere Vorreinigungsstufen, um den Folgen zu gewährleisten. Daher mussten die Wasser- Ende der 1970er Jahre rüsteten Gelsenwasser der Wasserverschmutzung gegenzusteuern. aus, um eine sichere Trinkwasserversorgung (ehem. Wasserwerk für das nördliche westfä- versorgungsunternehmen, die ihre Wasser- lische Kohlenrevier), RWW und die Stadtwerke förderung angesichts steigenden Bedarfs und Essen an ihren Ruhrwasserwerken erneut nach zum Teil neuer Versorgungsgebiete erhöhen und wählten unterschiedliche mechanische wollten, eigene Maßnahmen zur Vorreinigung und biologische Methoden zur Wasseraufberei- des Flusswassers ergreifen, bevor sie es in ihre tung. Diese end-of-the-pipe-Maßnahmen ver- Anreicherungsgräben leiten konnten. Den An- ursachten und verursachen bis heute immense fang machten 1938 die Stadtwerke Hagen mit Kosten – nicht beim Verursacher der Verschmut- dem Bau einer Schnellfilteranlage am Wasser- werk Hengstey. Hier durchlief das Wasser hoch- zungen, sondern beim Wasserverbraucher. danach in die Versickerungsbecken geleitet, die Wegen der starken Verschmutzung des Rheins Schmutzstoffen gereinigt werden mussten Wasserwerke errichtet worden als an der Ruhr. leistungsfähige Filteranlagen und wurde erst sind am Ufer des Niederrheins weitaus weniger nun wesentlich seltener von Schlamm- und Das erste Duisburger Wasserwerk Aakerfähre und leistungsfähiger wurden. Die Rheinisch- (1875) gewann Wasser aus dem Uferfiltrat der Westfälische Wasserwerksgesellschaft (RWW) Ruhr, das 1912 errichtete zweite Wasserwerk Bo- nahm 1950 in Mülheim eine ähnliche Anlage in ckum wurde im Mündungsgebiet der Anger, Betrieb, das Wasserwerk für das nördliche west- die südlich von Duisburg in den Rhein fließt, fälische Kohlenrevier 1955 eine große Anlage in angesiedelt und förderte Grundwasser, ebenso Essen-Burgaltendorf, deren Planungen schon das Wasserwerk Bucholtwemen (1961) der Nie- vor dem Krieg begonnen hatten, und die Stadt- derrheinischen Gas- und Wasserwerke (NGW). werke Dortmund setzten ab 1958 vergleichbar Aus Rheinuferfiltrat stammte das Trinkwasser der arbeitende Vorfilter ein. Die Mülheimer Anlage Wasserwerke Wittlaer, Homberg (beide städtisch) ergänzte RWW Anfang der 1960er Jahre durch und Laar (1908, ursprünglich Thyssen / NGW) – letzteres versorgte bis 1980 den Duisburger Stadtteil Hamborn mit über 80.000 Einwohnern. Seit 1980 wird der Duisburger Norden hingegen über eine 50 Kilometer lange Fernleitung mit Wasser aus dem Wasserwerk Haltern, also aus dem Stevergebiet im Einzugsbereich der Lippe versorgt. Auch werden seit den 1980er Jahren die Wasserressourcen des Binsheimer und Gin- derricher Feldes am linken Niederrhein genutzt. Diese Gebiete müssen infolge von Bergsen- kungen nach dem dortigen Steinkohle- und Absetzbecken mit Schlammräumer, Wasserwerk in EssenBurgaltendorf, 1955 Quelle: Gelsenwasser AG Salzabbau permanent entwässert werden. Das hier abgepumpte Wasser erwies sich als trink- 4 T 28 A2ghijklmnopqrstu2 wassertauglich und wird im Rahmen des Was- serverbundes Niederrhein gefördert. Die RheinWasserwerke Beeckerwerth (1920-23 NGW), Alsum (beide heute zu Gelsenwasser) und Duisburg-Mündelheim (1941, RWW) werden schon seit Jahrzehnten nur zur Betriebs- bzw. Kühl- wasserförderung oder zur Gewinnung von Rohwasser, das erst nach weiterer Aufbereitung als Trinkwasser verwendet werden kann, genutzt. An der Lippe war und ist die Wassergewinnung problematisch, weil in sie stark solehaltige Quellen münden und das Grubenwasser aus den Zechen den Salzgehalt des Flusses noch Wasserwerk Dorsten-Holsterhausen, vor 1965 Foto: Walter Biermann gende Stadt Hamm verwendet daher kein Lip- Rheinisch-Westfälische Industrie ausreichend serwerk Warmen an der Ruhr. Ein Wasserwerk weiteres Wasserwerk unter Grillos Regie in Wit- zusätzlich ansteigen lässt. Die an der Lippe liepewasser, sondern bezieht ihr Wasser vom Was- mit Wasser versorgen zu können. 1886 nahm ein in den Lippewiesen bei Wesel musste seit 1938 ten-Heven den Betrieb auf und schließlich ging den zu können; es wurde 1956 stillgelegt. Im das nördliche westfälische Kohlenrevier, die heu- das Trinkwasser chloren, um es noch verwen- aus diesen Unternehmen das Wasserwerk für unteren Lippetal bei Dorsten-Holsterhausen ist tige Gelsenwasser AG, hervor. Schnell hatte sich seit 1927 ein Grundwasserwerk in Betrieb. gezeigt, dass sich das Wasser nicht nur an zahlreiche Zechen- und Industriegebiete verkaufen Hintergrund: Wasserwerksunternehmen ließ; auch Kommunen erteilten dem Unterneh- In Hamburg begann nach einem großen Stadt- men die Konzession für die Wasserversorgung brand ab 1843 der Aufbau einer zentralen Was- ihrer Gebiete. Dies verlief nicht immer konflikt- serversorgung in städtischer Regie, während ab frei, vor allem der Essener Bürgermeister Erich 1853 eine private Gesellschaft das erste Berliner Zweigert erwies sich als großer Kritiker des pri- Wasserwerk baute. Ab den 1870er Jahren über- vaten Wasserversorgers. 1906 erwarb das Unter- wog in Deutschland aus sozialen, hygienischen nehmen das Unnaer Wasserwerk und es folgten und finanziellen Gründen die Auffassung, dass Neugründungen in Haltern und (Essen-) Horst. die Städte diese Aufgabe selbst übernehmen 1930 versorgte das Unternehmen bereits fast sollten. Es hängt mit dem großen Wasserbedarf das komplette östliche Ruhrgebiet mit Ausnah- der Industrie und des Bergbaus zusammen, dass me großer Städte wie Bochum und Dortmund. im Ruhrgebiet neben den städtischen Wasser- Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Münster werken auch große private Wasserversorger Fuß und weitere westfälische Kommunen außerhalb fassen konnten. 1872 hatte der Montanunterneh- des „Reviers“ hinzu. 1973 gewann Gelsenwasser mer Friedrich Grillo in Steele ein Wasserwerk an mit dem Erwerb der 1918 gegründeten Nieder- der Ruhr errichtet, um die Anlagen seiner AG für rheinischen Gas- und Wasserwerke (NGW) auch 5 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Versorgungsgebiete am Niederrhein hinzu und men aus, die Niederrheinischen Gas- und Was- Stadtwerke Duisburg. Heute ist Gelsenwasser NGW errichtete weitere Wasserwerke in Beeck- serwerke GmbH (NGW), mit Sitz in Hamborn. lieferte seit 1980 Wasser aus Haltern an die erwerth (1926) und in Bucholtwelmen (1962) ein international agierendes Unternehmen mit und versorgte vor allem die großen Duisburger zahlreichen Beteiligungen im In- und Ausland, Stadtteile Hamborn und Walsum. 1973 kaufte das sich aber selbst seit dem Verkauf durch die Gelsenwasser die NGW, gab aber die Wasser- E.ON AG im Jahr 2003 überwiegend in kommu- versorgung der Duisburger Stadtteile an die naler Hand befindet: Mehr als 90 Prozent des Ak- Stadtwerke Duisburg ab, die umgekehrt Wasser tienbesitzes kontrollieren seither die Stadtwerke aus dem Gelsenwasserwerk Haltern bezogen. Bochum und Dortmund. Der Stahlunternehmer August Thyssen hatte in Duisburg Ende des 19. Jahrhunderts in Wasserverteilung und -speicherung Betrieb genommen, nachdem das städtische Nach der Gewinnung und Aufbereitung im chend versorgen konnte. Die Leistungsfähigkeit chern gelangen. Mit Pumpen wird es aus den Mülheim-Styrum ein eigenes Wasserwerk in Wasserwerk muss das Wasser zu den Verbrau- Wasserwerk seine Anlagen nicht mehr ausrei- Sammelgalerien oder Brunnen gefördert. Bis in reichte aus, um die umliegenden Städte und die 1960er Jahre wurden die meisten, energiein- Gemeinden zu versorgen und zusätzlich Wasser tensiven Pumpwerke mit Dampf betrieben; bis nach Gladbeck, Dorsten, Buer und Bottrop charakteristisch für Wasserwerke waren daher zu liefern. Dieses Wasserwerk, die Aktiengesell- auch Gebäude mit kohlebefeuerten Kesselan- schaft Oberhausener Wasserwerke und das lagen und Schornsteinen. In den 1960er Jahren kommunale Wasserwerk der Stadt Mülheim stellten die meisten Wasserwerke auf Elektro- bildeten 1913 den Grundstock der Rheinisch- antrieb um, mitunter wurden dabei auch die Westfälischen Wasserwerksgesellschaft mbh. gesamten Anlagen erneuert. Die RWW belieferte zunächst Mülheim, Oberhausen, Bottrop, Gladbeck und Dorsten sowie einige Stadtteile von Duisburg und Essen mit Eine Besonderheit sind die Wasserwerke Doh- dann vor allem in Richtung Norden aus. Heute der Ruhr gelegen. Sie wurden bereits seit 1925 ne und Styrum der RWW, beide in Mülheim an Wasser und weitete ihr Versorgungsgebiet mit Elektropumpen betrieben – der notwendige betreibt RWW neun Wasserwerke, 13 Wasser- Strom kam aus dem nur dafür errichteten Lauf- behälter und ein Leitungsnetz, das ein fast 850 wasserkraftwerk Kahlenberg im Zentrum von Quadratkilometer großes Gebiet versorgt. Auch Mülheim. das Wasserkraftwerk Kahlenberg gehört zu RWW. Die Pumpwerke fördern das Wasser in das Lei- tungsnetz der Wasserversorger. Wie in anderen Thyssen baute weitere Wasserwerke in Ham- Städten und Regionen setzte sich im Ruhrge- born und Duisburg-Laar, beide am Rhein. Seine biet vor allem aus Kostengründen ein einheit- Gas- und Wasseraktivitäten lagerte August liches Wasserleitungsnetz durch, das nicht Thyssen 1918 in ein eigenes Tochterunterneh- 6 T 28 A2ghijklmnopqrstu2 Wasserbehälter und -speicher innerhalb der Versorgungsnetze dienen dazu, Betriebsstö- rungen und Verbrauchsschwankungen auszugleichen, außerdem werden sie genutzt, um Löschwasser bereitzuhalten und einen gleich- mäßigen Wasserdruck zu gewährleisten. Was- serspeicher wurden zunächst überwiegend als Hochbehälter gebaut. Solche Wassertürme benötigte die Eisenbahn schon lange vor dem Ausbau zentraler Wasserversorgungsnetze, denn die Dampflokomotiven mussten ausreichend mit Frischwasser versorgt werden. Verlegung von Wasserrohren durch das Wasserwerk Thyssen & Cie. Quelle: RWW Wasser für die Bahn zwischen Trink- und anderem Brauchwasser Nur noch wenige sind erhalten, und manche ternehmen nahmen eine solche Trennung vor. erkennen: Hunderte Wasserbehälter stellten Ansonsten wird das Trinkwasser für die Haus- Wasser sicher, solange deren Lokomotiven noch und Landwirtschaft und auch zur Brandbe- waren täglich etwa 20 bis 30 Tausend Dampf- gleichen Qualitätsanforderungen. Die Wasserlei- denen die schnelleren und leistungsfähigeren kostenintensivste Teil der Wasserversorgung. Entfernung von 100 Kilometer verbrauchten. Je Eigene Werkstätten (zum Beispiel die Rohrmeis- Züge mussten Güterzuglokomotiven oft schon sind auf den ersten Blick gar nicht als solche zu unterscheidet. Nur einige größere Industrieun- die permanente Versorgung der Eisenbahn mit halte, für die gewerbliche Nutzung, für Industrie dampfbetrieben fuhren. In den 1930er Jahren kämpfung durch ein Netz geleitet – mit überall lokomotiven in Deutschland unterwegs, von tungsnetze sind in Bau, Betrieb und Wartung der mehr als zehn Kubikmeter Wasser auf einer nach Steigungsverhältnissen und Belastung der terei in Schwerte), der Einsatz von Entstörungsfahrzeugen, das regelmäßige Ablesen und die Reparatur von Wasserzählern und ähnliche Auf- gaben tragen hierzu bei. Im Wasserleitungsnetz wird zwischen Transportleitungen, die teilweise sehr lange Distanzen überbrücken, und den Anschlussleitungen zu den Verbrauchern unter- schieden. Besonders aufwändig ist der Bau von Transportleitungen über Brücken oder unter Wasserstraßen. Dampflok, befüllt mit Betriebswasser, 1969 7 Quelle: RWW A2ghijklmnopqrstu2 T 28 nach 50 km aufgetankt werden, häufiger als Die Architektur, die Konstruktionsweisen und deren Energie das Wasser in Dampf verwandel- veränderten sich im Laufe der Zeit vielfach; ent- der funktionale Aufbau von Wassertürmen das Nachladen des Brennstoffs Kohle nötig war, sprechend unterschiedlich sind auch die heu- te. Das Wasser verdampfte nach der Nutzung te noch vorhandenen Bauwerke. Die meisten in die Atmosphäre. dieser Wassertürme sind zwar nicht mehr in Gebrauch, einige sind aber als Industriedenk- Jedes Bahnbetriebswerk und auch große Bahn- male und mit zum Teil phantasievollen Neunut- höfe verfügten über einen Wasserturm und meist mehrere Wasserkräne. Auf großen Unter- zungen erhalten. Für den Wasserwerksbetrieb vor dem Zug am Bahnsteig betankt, was trotz sionsverhalten entscheidend. Für einen gleich- waren die Form der Behälter und deren Korro- wegsbahnhöfen wurden die Lokomotiven auch mäßigen Wasserdruck ist eine große Grund- der hier zum Einsatz kommenden Gelenkwas- fläche der Behälter mit geringer Wassertiefe serkräne ein punktgenaues Bremsen der Züge von Vorteil, weil die den Druck bestimmende erforderlich machte. Für die Wasserbehälter Höhe der Wassersäule dann weniger schwankt bedeutete dies, dass immer ein ausreichender (Beispiel: Wasserturm Steeler Berg). Aus Platz- Wasserdruck gewährleistet sein musste, der und Konstruktionsgründen waren aber große auch Verbrauchsschwankungen standhielt. Unter den heute noch erhaltenen Behältern befinden sich solche der unterschiedlichsten Bauformen. Weit verbreitet waren freistehende Kugelbehälter der Bauart Klönne auf Stahlgerüsten wie im ehemaligen Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau als letzter seiner Art im Ruhrgebiet. Daneben gab es auch komplett in Be- triebsgebäude integrierte Tanks, wie zum Beispiel im Hauptbahnhof Oberhausen oder die Wassertürme im Südbahnhof und im Betriebsbahnhof Dortmund. Ein eigenes zentrales Wasserversorgungsnetz bauten Reichs- oder Bundesbahn hingegen nie auf, was auch mit der Geschichte der verschiedenen, einst privaten Bahngesellschaften zusammenhängt. Je nach örtlicher Situation betrieb die Bahn eigene Wasserwerke oder bezog das Wasser vom jeweiligen Wasserversorger. Zudem musste auf eine spe- zielle Wasserqualität Acht gegeben werden, da- mit die beim Verdampfen übrig bleibenden Mineralien nicht als „Kesselstein“ zurückblieben. Wasserturm Steeler Berg, Essen 8 Foto: RVR T 28 A2ghijklmnopqrstu2 Wassertiefen und kleine Grundflächen sinnvoll, insbesondere, wenn der Behälter in größerer Höhe angebracht werden sollte. Otto Intze ließ mehrere Behältertypen patentieren, die ge- genüber früheren Bauweisen eine erhebliche Flachbodenbehälter aus Gusseisen, wie sie Stützkraft des den Behälter tragenden Turms bahn eingesetzt wurden, mussten auf einem Kostenersparnis ermöglichten. So konnte die schon seit den 1830/40er Jahren bei der Eisen- verringert werden, wenn der Behälterboden als Trägerrost gelagert werden. Sie waren sehr kor- Verbindung von Kegel- und Kugelform konst- rosionsanfällig und wartungsaufwändig. ruiert war (so genannter Stützbodenbehälter) und nur noch vertikale Kräfte in den Unterbau abgab. Allein zwischen 1880 und 1909 wurden reichsweit über 1100 Großbehälter für Was- ser nach Patenten von Intze erstellt (Beispiel: Hängebodenbehälter auf einer kreisförmigen Hannoveraner Professor Otto Barkhausen gab tung der Behälterwände beim Befüllen und GHH-Wasserturm in Oberhausen). Auch der Grundfläche geben die Zug- und Druckbelas- einer Konstruktionsart seinen Namen: seine Entleeren an einen sich dadurch verengenden halbkugelförmigen Hängebodenbehälter baute oder erweiternden Auflagering weiter, wodurch die Dortmunder Firma August Klönne vielfach, Beschädigungen im Mauerwerk entstehen kön- meist ergänzt durch eine ebenfalls halbkugel- nen. Der kugelschalige Behälterboden ist aber förmige Abdeckung. Das „Lanstroper Ei“ ist der von unten frei zugänglich und kann gewartet letzte erhaltene Barkhausen-Behälter im Ruhr- werden. Beispiele für Hängebodenbehälter sind gebiet. der Wasserturm Steeler Berg in Essen und der Wasserturm an der Schloßstraße in Witten- Wasserhochbehälter Herbede. Um Bau- und Unterhaltskosten zu sparen, ver- besserten Ingenieure im Laufe der Zeit die Konstruktionsweise der Wasserhochbehälter. Ziel war es vor allem, die Kräfte so geschickt abzuleiten, dass der tragende Unterbau möglichst gering dimensioniert werden musste. Die roten Dieser von Otto Intze entwickelte Stützboden- Unterbau aufliegt. Gezeigt werden hier Ent- eingebrachten Kugelboden mit einem Aufla- Markierungen zeigen, wo der Behälter auf dem behälter (Typ „Intze I, links) hat einen konkav wicklungsformen von Gusseisen- und Stahlbe- gering, der geringer dimensioniert ist als der hälterbauten im Zeitraum von etwa 1830 bis ins Behälter selbst. Beim Schaft, der den Behälter frühe 20. Jahrhundert. Sie wurden dann durch trägt, kann so eingespart werden. Außerdem Stahl- oder Spannbetonkonstruktionen abge- bleibt der Auflagering bei dieser Konstruktion löst. weitgehend spannungsfrei, weil sich Zug- und Druckkräfte ausgleichen. Typ „Intze II“ (rechts) ist eine Weiterentwicklung mit einem weiteren 9 T 28 nur aus einem Stahlgerüst, wie beim Wasser- A2ghijklmnopqrstu2 Druckring, der die umgedrehte Kugelschale ent- turm der Zeche Pattberg in Moers. lastet, für die daher weniger Material anfällt. (Nach: Tino Zagermann, Bauformen von Wasser- Charakteristisch für viele Intze-Wassertürme hochbehältern) wie zum Beispiel bei dem Wasserturm der Nie- Nicht nur die Behälterformen, auch das verwen- burg-Hamborn. Teilweise ist die Konstruktions- und Stahl, Eisenbeton und später Stahlbeton ist der über den Schaft auskragende Behälter, dete Material unterscheiden sich. Gusseisen derrheinischen Gas- und Wasserwerke in Duis- kamen vielfach zum Einsatz. Entsprechend viel- weise des Behälters jedoch nicht sichtbar. seitig und zeittypisch ist die architektonische Gestalt der Wassertürme. Einige verbergen ihre Barkhausen-Behälter haben einen hängenden, halbkugelförmigen Boden, an den sich direkt die zylindrische Seitenwand anschließt, die gleichzeitig eine tragende Funktion hat. Auf massive Unterbauten konnte so verzichtet werden, es reichte ein Stahlgerüst. Diese Möglich- keit wurde aber nicht immer genutzt. Auf manche Barkhausen-Behälter wurde eine ebenso halbkugelige Abdeckung gesetzt, so dass sie wie ein Kugelbehälter oder eiförmig aussehen – so zum Beispiel der Wasserturm Lanstroper Ei in Dortmund. Wasserturm „Lanstroper Ei“, Dortmund, 1904 Quelle: Gelsenwasser AG Funktion, indem sie wie ein Burg- oder Wehrturm gestaltet sind; die Bahnwasserspeicher am Dortmunder Südbahnhof und am Betriebs- Der Ingenieur August Klönne, dessen Dortmun- bahnhof sowie im Oberhausener Hauptbahn- der Unternehmen in Lizenz die Barkhausen- hof sind, auf den ersten Blick kaum erkennbar, Behälter baute, konstruierte einen vollständig in hochhausähnliche Gebäude integriert. In kugelförmigen Behälter, der schräg gestützt Bochum-Weitmar „versteckte“ das Verbands- wurde, was die Kosten des Unterbaus noch ein- wasserwerk Bochum zwei zylindrische Flach- mal erheblich reduziert. Häufig besteht dieser 10 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 bodenbehälter in einem villenartigen Bau mit Einzugsgebiet der Ruhr folgt seinen Vorgaben. gegen zeigen die vielen nach Intze und Bark- ebenfalls mit. Beim Bau von Wasserkraftwerken wirkte er Wohnungen und Büros (errichtet 1902/03). Hinhausen gebauten Wassertürme meist deutlich ihre Funktion, oftmals befindet sich der jeweili- Wassermengenwirtschaft ge Behälter auf einem Stahlgerüst. Andere Was- Talsperren und Rückpumpwerke serspeicher, wie der in eine Berghalde gebaute Erdbehälter in Gelsenkirchen-Scholven, sind heute unsichtbar. Weithin erkennbare, Siloanla- An der Ruhr hatten sich bereits in den 1890er die in den 1970er und 1980er Jahren errichteten zern an den verschiedenen Abschnitten der Ruhr gen ähnelnde Landmarken aus Stahlbeton sind Jahren die Konflikte zwischen den Wassernut- Hochbehälter in Bochum-Gerthe und Essen- verschärft. Nicht nur die Trinkwasserförderung Kray. der Wasserwerke im unteren Ruhrtal war in Tro- ckenzeiten gefährdet, auch die gewerblichen Was- Otto Intze (1843-1904) serkraftnutzer waren auf Mindestpegelstände Gleich zwei technische Entwicklungen dieses angewiesen. Daher versuchten sie durch Klagen, aus Laage in Mecklenburg stammenden und an die weitere Entnahme von Wasser im Oberlauf zu der TH Aachen unterrichtenden, international verhindern. Eine allerdings kostspielige Lösung tätigen Bauingenieurs sind mit der Wasserver- der Wassermengenprobleme konnte der Bau von sorgung und dem Ruhrgebiet verbunden. Seine Talsperren sein, die ein Flusstal absperren und so Idee, Gas- und Wasserbehälter als Rotations- einen Stausee entstehen lassen. Das in nieder- körper in Ringlagern zu errichten, ermöglichte schlagsreichen Zeiten dort gespeicherte Wasser deren Leichtbauweise und damit eine kosten- kann in Trockenperioden in den Unterlauf des günstige Herstellung. Viele Wassertürme aus Flusses abgegeben werden, wobei gleichzeitig der Zeit zwischen 1880 und 1909 sind „Intze- Strom erzeugt werden kann. Mit der Gründung Behälter“. Während die ersten zwanzig Jahre des Ruhrtalsperrenvereins im Jahr 1899 kam es seiner Tätigkeit hauptsächlich dem Thema der zu einem dauerhaften Interessenausgleich: Der Industriellen Hochbauten aus Eisenkonstruk- größte Teil der Wasser entnehmenden und Was- tionen gewidmet waren, wendete sich Intze ser gebrauchenden Werke an der Ruhr schloss Ende der 1880er Jahre verstärkt der Wasserwirt- sich darin freiwillig, aber mit wohlwollender Un- schaft und dem Talsperrenbau zu. Gemeinsam terstützung der Aufsichtsbehörden zusammen. mit dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten Aus den Mitgliedsbeiträgen wurden zunächst von Freiherr von Rheinbaben setzte Intze sich für Talsperrengenossenschaften geplante Bauten im einen Zusammenschluss nach dem Prinzip des Einzugsbereich der Ruhr unterstützt. Das erste dann gegründeten Ruhrtalsperrenvereins ein. eigene Bauprojekt des Ruhrtalsperrenvereins war Zahlreiche Talsperrenbauwerke, z.B. die Ennepe- die Möhnetalsperre (Fertigstellung 1913). talsperre, wo sich auch ein Denkmal zu seinen Ehren befindet, gehen auf Intzes Idee und Ent- Das Wasserwerk für das nördliche westfälische Schwergewichtsmauern einiger Talsperren im Ruhrgebiet zog andere Konsequenzen aus der wurf zurück, auch die Konstruktionsweise der Kohlenrevier als größter Wasserversorger im 11 T 28 A2ghijklmnopqrstu2 weiterhin drohenden Wasserknappheit: Es er- schloss neue Trinkwasserressourcen jenseits der Ruhr, indem es bis 1908 in Haltern an der Stever, einem Nebenfluss der Lippe, ein weiteres Was- serwerk errichtete. Schließlich nahm das Unternehmen dort 1930 eine Talsperre in Betrieb, die die Stever anstaute und damit die Kapazitäten des Wasserwerks sicherte. Die oberhalb liegende Talsperre Hullern wurde 1985 eingeweiht. Auch im Ruhrgebiet zog der steigende Wasserverbrauch immer neue Talsperrenbauten nach Glörtalsperre, Breckerfeld talsperre und einem allmählichen Verbrauchs- Noch eine weitere investitionsintensive Baumaß- sich, bis ab 1965 mit der Fertigstellung der Biggerückgang eine dauerhafte Entspannung eintrat. Quelle: RVR nahme sollte in Trockenzeiten Abhilfe schaffen. Eine mit kapazitätsstarken Leitungen verbundene Ket- Die meisten Talsperren im Ruhreinzugsgebiet te von Rückpumpwerken, „Ruhrschlauch“ genannt, sind als Schwergewichtsmauern aus Bruch- sollte es ermöglichen, Wasser aus dem Rhein in hö- steinen nach dem „Intze-Prinzip“ gebaut here Abschnitte der Ruhr zu pumpen. Schon im Tro- worden. Die vom Grundriss her bogenförmi- ckenjahr 1911 gab es dafür erste Überlegungen und gen Sperrmauern sind im Querschnitt unten Vorbereitungen, 1929 wurde die Anlage erstmals in besonders mächtig und verjüngen sich nach Betrieb genommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg oben. Der so genannte „Intze-Keil“, eine was- baute man bis zum Jahr 1950 weitere Staustufen. serseitige schräge Lehmanschüttung zur Ver- Die Pumpwerke befanden sich in Duisburg, Raffel- stärkung der Mauer, gilt heute allerdings als berg, Kahlenberg, Kettwig, am Baldeneysee, in Spil- wirkungslos. Namensgeber und technischer lenburg und bei Horst; weitere waren flussaufwärts Wegbereiter war jener Otto Intze, der auch für geplant, wurden aber nie realisiert. Der Bergbau, für die technische Entwicklung der Wassertürme den eine ausreichende Wasserversorgung unver- verantwortlich war. zichtbar war, unterstützte den Bau. Bau eines Walzenwehres, 1929 Quelle: Gelsenwasser AG 12 13 Rhein Rhein er sch Em r ( ... ) Ru h 1 7 15 21 20 19 18 17 16 Ruhr-Stauseen im Flußverlauf Baubeginn und Jahr der Fertigstellung Meinerzhagen 9 1 5 18 Lister 10 8 Else Plettenberg htpe Brac e Vers Iserlohn Olpe 20 Attendorn 13 Ruh r Arnsberg r Röh Sundern 16 A 46 Salwey 11 He ve e e Lenn nn We 13 R Altena A 46 A 445 A 46 4 19 Meschede Möhne r Ruh Schmallenberg e nn Elpe Gle Warstein e 14 ne Lüdenscheid Len A 445 nn 12 11 10 9 nb ne 8 3 Hagen se Oe Menden Fröndenberg n Le 6 14 12 r Ruh e 5 ile 3 Enn epe Enn Harkortsee Hengsteysee Schwerte her c Ems l na -Ka mm Ha lntte Da pe Lip nn 4 21 al He 2 r Ru h Kemnader See ln -K an epe Legende: Fuelbecker Talsperre bei Altena (1894-1896) Heilenbecker Talsperre bei Milspe (1894-1896) Breckerfeld Hasper Talsperre bei Haspe (1901-1904) 7 2 Hennetalsperre bei Meschede (1901-1905) 6 Fürwiggetalsperre bei Lüdenscheid (1902-1904) Ennepetalsperre bei Radevormwald (1902-1905) Radevormwald Glörtalsperre bei Breckerfeld (1903-1907) Oestertalsperre bei Plettenberg (1903-1907) Jubachtalsperre bei Meinerzhagen (1904-1906) Listertalsperre bei Meinerzhagen (1909-1912) Möhnetalsperre zwischen Soest und Arnsberg (1908-1913) Hengsteysee bei Herdecke (1926-1929) Amecker Vorbecken der Sorpetalsperre (1926-1929) Harkortsee bei Wetter (1931) Baldeneysee in Essen (1931-1933) Sorpetalsperre bei Sundern (1926-1935) Kettwiger See in Essen (1940-1950) Versetalsperre zwischen Lüdenscheid und Herscheid (1929-1952) neue Hennetalsperre bei Meschede (1952-1955) Biggetalsperre zwischen Olpe und Attendorn (1956-1965) Kemnader See bei Bochum / Hattingen / Witten (1976-1979) 17 15 er sch Em Da tte el- e W es a h m de e Lippe ach h Has per B c ba Volm ar He ter Ba e Hö Kl. Oes Röhr Sorp r Bigg e te Valme dDortmun al Ems-Kan es W Neger Talsperren im Ruhreinzugsgebiet / Stauseen in der Ruhr Winterberg Olsberg Brilon A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Henne e eck A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Hintergrund: Die Wasserverbände Einfluss auf Politik und Entscheidungen der Ge- Emschergebiet war ohne eine Zusammenar- Heute versteht sich die Emschergenossenschaft nossenschaft. Die wasserwirtschaftliche Notlage im Ruhr- und als „Flussmanager“ und realisiert seit den beit der verschiedenen Interessengruppen und 1990er Jahren den erneuten „Emscherumbau“. ohne die Einbeziehung und finanzielle Beteili- gung von Industrie und Bergbau nicht zu lösen. Besonders die Pläne, die Emscher zu regulieren Die Emschergenossenschaft war Vorbild für der Industrie, eine vergleichsweise günstige insbesondere im Ruhrgebiet. Das preußische viele weitere Wasserverbände in Deutschland, und damit den Anliegern, also insbesondere Wassergesetz von 1913 schuf eine klare gesetz- Möglichkeit zur Entsorgung ihrer Abwässer zu verschaffen, erforderte über Jahrzehnte große liche Grundlage und ermöglichte auch die ge- le, Pumpwerke, Kläranlagen sowie neuer Brü- ohne Zustimmung der Beteiligten. setzliche Bildung von Zwangsgenossenschaften Investitionen für den Bau der Deiche und Kanäcken und Verkehrstrassen. 1899 einigten sich in Bochum Vertreter der am meisten betroffenen Dem 1913 durch ein Sondergesetz gebildeten die Gründung eines regionalen Verbands, der durch den Bau und Betrieb entsprechender An- Ruhrverband wurde die Aufgabe zugewiesen, Städte und Gemeinden sowie der Industrie auf lagen eine über das gesetzliche Maß hinausge- diese Aufgaben übernehmen sollte, und der hende Verunreinigung der Ruhr zu verhindern. schließlich 1904 als Emschergenossenschaft, Mitglieder waren Bergwerke sowie Industrie- basierend auf einem eigens verabschiedeten und Gewerbebetriebe, die zur Verunreinigung Gesetz, die Arbeit aufnahm. der Ruhr beitrugen, die Gemeinden im Genos- senschaftsgebiet und der bereits 1899 gegrün- Ordentliche Mitglieder (Genossen) waren zum dete und 1913 ebenfalls gesetzlich neu konstitu- Gründungszeitpunkt die 24 Stadt- und Land- ierte Ruhrtalsperrenverein. Dieser sollte durch kreise von Dortmund bis Duisburg, die in die den Bau und Betrieb von Talsperren für einen Emscher und deren Nebenflüsse entwässerten. ausreichenden Wasserabfluss der Ruhr auch in In die Genossenschaftsversammlung entsand- Trockenzeiten sorgen. 1990 wurden die beiden ten aber auch Bergbau, Industrie und Landwirt- Verbände auf Grundlage des Ruhrverbandsge- schaft Vertreter. Die Emschergenossenschaft setzes vereinigt. Der heutige Ruhrverband ist hatte das Recht, die Gemeinden und Industrie- als „Flussmanager“ zum Beispiel dafür zustän- betriebe per Umlage an ihren Kosten zu beteili- dig, den Wasserabfluss zu regeln (u.a. durch Un- gen. Die Höhe sollte davon abhängen, wie groß terhaltung der Talsperren), ausreichend Wasser die von den Beteiligten verursachten Schäden zur Trink- und Brauchwassergewinnung und waren und wie sehr sie vom Bau und Betrieb zur Ausnutzung der Wasserkraft bereitzustellen der genossenschaftlichen Anlagen profitierten. und Abwässer zu beseitigen bzw. zu reinigen. Daher wurde vor allem der Bergbau stark heran- gezogen, der für die erheblichen Bergsenkungen verantwortlich war, die die Emscherregulierung Die großen Probleme im Emschergebiet ließen als größter Geldgeber aber auch deutlichen den und den Bergbau der Rheinprovinz über zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch die Behör- überhaupt erst notwendig machten. Er hatte 14 T 28 Wasserentsorgung A2ghijklmnopqrstu2 eine geordnete Entwässerung der Industrieund Bergbaugebiete am linken Niederrhein Emscherregulierung nachdenken. Nach Vorverhandlungen im „Ver- ein zur Aufstellung eines Entwässerungsplanes Die Regulierung des Emschersystems durch die für das linksniederrheinische Industriegebiet“ Emschergenossenschaft in den ersten Jahr- (gegründet 1908) erfolgte – ebenfalls auf Basis zehnten des 20. Jahrhunderts folgte dem Plan des preußischen Wassergesetzes – 1913 die des Wasserbauinspektors Wilhelm Middeldorf gesetzliche Gründung der LINEG (Linksnieder- (1858-1911), der eine Begradigung, Vertiefung rheinische Entwässerungs-Genossenschaft), die und zumeist auch Kanalisierung der Emscher bis heute im Gebiet von Krefeld rheinabwärts sowie seiner Nebenläufe vorsah; außerdem bis zu den Niederlanden für den Schutz des sollten Deiche zum Hochwasserschutz ange- Grundwassers, die Reinigung der Abwässer und legt werden. Durch Bergsenkungen überflutete eine ausreichende Vorflut zum Rhein zuständig Gebiete (so genannte Poldergebiete) sollten auf ist. Sie betreibt heute neun Kläranlagen, hunderte diese Weise wieder entwässert werden können. Pumpanlagen sowie Regen- und Ausgleichsbecken. Der Lippeverband ist als Wasserwirtschafts- verband für die mittlere und untere Lippe 1926 gegründet worden. An der nördlich der Industrie- und Bergbaugebiete verlaufenden Lippe drohten durch die Nordwanderung des Bergbaus ähnliche Probleme wie an der Emscher. Der Schwerpunkt der Aufgaben lag auch beim Lippeverband zunächst auf der Erhaltung der Vorflut und dem Hochwasserschutz, allerdings sollte die Lippe als natürlicher Flusslauf soweit Kanalisierte Emscher, vor 1914 Quelle: Emschergenossenschaft Stever, an dem das Wasserwerk für das nörd- Parallel zu den eigentlichen Regulierungsmaß- wie möglich bewahrt werden. Der Nebenfluss liche westfälische Kohlenrevier große Wasser- nahmen mussten zahlreiche neue Brücken und gewinnungsanlagen betrieb, wurde ebenso Verkehrstrassen errichtet werden. Der umfang- reingehalten wie andere Bereiche im Einzugs- reichste Eingriff erfolgte zwischen Oberhausen bereich der Lippe, die der Trinkwassergewin- und der Mündung in den Rhein: Hier hatte nung dienten. So nahm der Lippeverband bei die Emscher in einem alten Rheinarm eine Art Soest 1932 eine Kläranlage mit biologischer Vor- Flussdelta gebildet, das immer wieder über- stufe in Betrieb. Der Lippeverband wurde von flutet wurde. Bei Rheinhochwasser konnten Anfang an in Personalunion mit der Emscher- daher die Abwässer der Emscher nicht ablaufen, genossenschaft geleitet und nutzte deren Ver- sondern wurden zurückgeflutet. Daher verlegte waltungsstrukturen. die Emschergenossenschaft den Fluss zweimal vollständig um einige Kilometer nach Norden und verkürzte ihn damit; die Mündung in den Rhein erfolgte nach der ersten Verlegung (1910) 15 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Pumpwerk Alte Emscher, Duisburg Foto: Reinhold Budde bei Walsum, und seit der zweiten Verlegung mussten weite Teile der kanalisierten Emscher Dinslaken. ren wieder erneuert und auch in den folgen- und ihrer Nebenläufe schon ab den 1920er Jah- (1938-1949) noch weiter nördlich, westlich von den Jahrzehnten je nach Lage angehoben oder vertieft werden. Auch Deiche, Verkehrswege Das Gebiet der ursprünglichen Emschermün- und Brücken waren davon betroffen, wie sich dung wurde seit 1914 durch das Pumpwerk Alte beispielsweise an einer mehrmalig um- und Emscher, das seinerzeit größte Einzelbauwerk neugebauten Emscherbrücke in Dortmund- der Emschergenossenschaft, in Richtung Rhein Huckarde an der heutigen Lindberghstraße zei- entwässert. In den Folgejahren baute die Em- gen lässt. schergenossenschaft viele weitere Pumpwer- ke, alleine zwischen 1924 und 1931 waren es 20 Anlagen, weil die Bergsenkungen fortschritten Doch was passierte nach der Emscherregulie- mehr, als Middeldorf erwartet hatte (z. B. Pump- sätzlich blieb es über Jahrzehnte bei dem Prin- rung mit dem verschmutzten Wasser? Grund- und weitere Poldergebiete entstanden – weit zip, die nur unzureichend geklärten Abwässer werk Schmidthorst, Pumpwerk Huckarde). 1945 zum Rhein abzuleiten, im Sinne einer raschen waren bereits 45 Pumpwerke in Betrieb, 1965 Entfernung von Schmutzstoffen aus dem ei- 63 und Ende der 1990er Jahre schließlich 98 genen Zuständigkeitsbereich. „Die Genossen- solcher Anlagen. Diese Pumpwerke sind größ- schaft kann nicht die Absicht haben, das Was- tenteils bis heute tätig und werden es auch ser in einem vollkommen klaren Zustand zu zukünftig bleiben müssen, da sonst große Teile bringen. In einem Industriebezirk […] muß man des Ruhrgebiets (fast 40 Prozent!) als Folge des zufrieden sein […], daß es in hygienischer Be- Bergbaus unter Wasser stehen würden. ziehung zu Einwendungen keinen Anlaß mehr gibt und Geruchsbelästigungen nicht mehr Mit einmaligen Regulierungsmaßnahmen war herbeiführt“, heißt es im Tätigkeitsbericht es nicht getan. Wegen der vielen Bergschäden 16 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 1911/1912 (zit. nach Peters 1999, S. 104). In den ner Phase der Fäulnis wurden sie dann entfernt xime kaum abgewichen. Wichtiger war es den Kläranlagen sah der Middeldorf-Plan vor; sie und zur Trocknung gebracht. Über 20 derartiger kommenden Jahrzehnten wurde von dieser Ma- wurden dort angesiedelt, wo die Nebenläufe in Verantwortlichen, den sicheren und schnellen die Emscher mündeten. Abfluss des Schmutzwassers zu gewährleisten, also für eine ausreichende „Vorflut“ zu sorgen. Technisch darüber hinaus ging die 1926 bis 1928 in Bottrop gebaute Emscherflusskläranlage. Sie Obwohl der Ausbau der Kanalisation in den sollte die Emscher von einem Teil der industri- meisten Städten des Ruhr- und Emschergebiets ellen Schlämme entlasten, die ansonsten unge- zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitgehend ab- hindert in den Rhein gelangten. Hier pumpten geschlossen war, verfügten die wenigsten über Schwimmbagger die nicht faulfähigen, stark Kläranlagen oder vergleichbare Einrichtungen mit Feinkohle aus den Kohlewäschen der Ze- zur Reinigung der Abwässer. Essen betrieb seit chen angereicherten Schlämme in Trockenbe- 1887 an der Berne eine Kläranlage, die aber cken. 1936 ersetzte zudem die neue Kläranlage bald überlastet war und auch nur einen Teil Alte Emscher in Duisburg – eine Rundbecken- der eingeleiteten Abwässer erfasste. Dortmund anlage mit rotierender Schlammräumbrücke pumpte immerhin einen Teil seiner Abwässer – die dortigen Emscherbrunnen. Beide Anlagen seit 1895 zu einem großen Rieselfeldareal. Meist blieben mehr als 50 Jahre in Betrieb. Beteiligt wurden die Abwässer aber ungeklärt in die Emscher oder ihre Nebenläufe geleitet. Daher spielte die Frage, wie im Rahmen der Emscher- regulierung mit den Abwässern verfahren werden sollte, eine auch finanziell wichtige Rolle. Zwar entsandte die Emschergenossenschaft Ingenieure zum Studium moderner Kläranlagen nach Großbritannien und in die USA und erprobte in Essen und in Holzwickede Versuchskläranlagen. Doch schließlich baute der Ver- band vor allem aus Kostengründen zunächst Anlagen, die lediglich die Sink- und Schwebe- stoffe mittels Absetz- und Filterbecken aus dem Wasser entfernten. Für Jahrzehnte wurden die von Karl Imhoff entwickelten „Emscherbrunnen“ – auch „Imhoff-Tanks“ genannt – zum Standard: Das Schmutzwasser durchfloss diese Absetzbecken so langsam, dass sich Feststoffe und Schlämme absetzen und über schräge Wände in einen darunter angeordneten Schemazeichnung eines Emscherbrunnens Quelle: Ruhrverband „Schlammbrunnen“ rutschen konnten. Nach ei- 17 T 28 A2ghijklmnopqrstu2 war die Emschergenossenschaft zudem an der Entwicklung von Entphenolungsanlagen, die in den 1920er Jahren auf einigen Großkokereien errichtet wurden. Phenole, Nebenprodukt der Kokserzeugung, schadeten den Fischbeständen im Rhein und konnten nachträglich nur schwer aus dem Abwasser gefiltert werden. Die in den Anlagen gewonnenen Phenole ließen sich sogar lukrativ an die chemische Industrie verkaufen. Kläranlage Bottrop Eine biologische Klärung der Abwässer galt Foto: Reinhold Budde Gestank aus den offenen Wasserläufen rief nun hingegen als zu teuer. Erst 1965 nahm die Em- verstärkt Klagen aus der Bevölkerung hervor. schergenossenschaft mit der Anlage „DuisburgKleine Emscher“ eine solche Großkläranlage in Betrieb. Zum Vergleich: Im Großraum Berlin Zukünftig wird diese offene Ableitung der Ab- fangreiches biologisches Klärsystem. Es war fiel die Entscheidung zu einem erneuten grund- wässer im Emscherraum Geschichte sein. 1991 existierte bereits seit der Vorkriegszeit ein um- legenden Umbau des Emschersystems. Am vor allem der Bergbau, der aufgrund der hohen Ende dieses milliardenschweren Jahrhundert- Kosten einer effektiveren Reinigung die Zustim- projekts soll das Abwasser in unterirdischen mung verweigerte, und auch andere Indust- Kanalrohren vier großen Kläranlagen in Dort- riebetriebe und die Städte fürchteten zu große finanzielle Belastungen. Nach dem Bau von mund-Deusen (Neubau 1994), Bottrop (Neubau eine Großkläranlage an der nach Dinslaken ver- und Duisburg (Klärwerk Alte Emscher) zugelei- 1996), Dinslaken (Umbau/Modernisierung) Versuchsanlagen zogen sich die Planungen für tet werden. Die Emscher und ihre Nebenläufe legten Emschermündung über Jahrzehnte hin; werden in naturnahe Gewässer umgestaltet. erst 1966 begannen die Bauarbeiten und 1977 Möglich macht dies das Ende des Bergbaus im wurde das Klärwerk Emschermündung (KLEM) Emscherraum, da nun nicht mehr mit Bergsen- in Betrieb genommen. Für den Rhein bedeutete kungen und daraus resultierenden Schäden am dies eine erhebliche Entlastung. Eine weitere Kanalnetz zu rechnen ist. In ähnlicher Weise Mündungskläranlage an der Alten Emscher wurde bereits die in die Lippe mündende Sese- ging 1988 in Betrieb, sie ermöglichte neben dem ke im Kreis Unna umgestaltet. Abbau organischer Schmutzstoffe das Abwas- ser von Stickstoff- und Phosphorverbindungen zu reinigen. Zahlreiche Freizeit- und Kunstprojekte von Em- Schließlich veränderte sich mit dem Struktur- ten den Umbau. Was früher mit Lebensgefahr schergenossenschaft und Lippeverband begleiverbunden und verboten war, ist heute und zu- wandel im Ruhrgebiet allmählich die Zusam- künftig eine Attraktion: an der Emscher entlang mensetzung der Abwässer der Emscher. Der zu spazieren oder Rad zu fahren, zum Beispiel organische Anteil aus Haushaltsabwässern zu Stationen der Route der Industriekultur. stieg, die Feinkohlereste im Wasser sanken und absorbierten die Gerüche nicht mehr – der 18 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Reinhaltung der Ruhr fängern und Feinsiebanlagen ausgestattete Auch an der Ruhr blieb das Problem der Was- Ruhrverband begründete diesen geringen Stan- Kläranlage in Duisburg-Kaßlerfeld geleitet. Der dard damit, dass die Einleitung der so nur grob serverschmutzung lange ungelöst. Schon am gereinigten Abwässer in den ohnehin stark Oberlauf der Ruhr befanden sich zahlreiche In- verschmutzten Rhein keine weiteren Schäden dustriebetriebe und Städte, die ihre Abwässer anrichte. Mit dieser Auffassung stand der Ver- in den Fluss leiteten, und auch die im Raum Ha- gen in die Ruhr mündenden Nebenflüsse Volme band nicht alleine – auch behördlicherseits war Industrie- und Haushaltsabwässern verunrei- Rhein als Transportweg der unzureichend ge- es im Umfeld des Ruhrgebiets akzeptiert, den und Lenne waren stark durch Einleitungen von klärten Abwässer des Industrie- und Ballungs- nigt. Im weiteren Verlauf gelangten die Abwäs- raumes zum Meer anzusehen. Das Vertrauen in ser der Industriebetriebe und Städte in die Ruhr, die Selbstreinigungskräfte der Flüsse und der die sich südlich der Wasserscheide zur Emscher Nordsee wurde auf diese Weise Jahrzehnte lang befanden. mehr als überstrapaziert. Die Gründung des Ruhrtalsperrenvereins und der folgende Talsperrenbau änderten nichts Anders als die Emscher sollte die Ruhr weiterhin betrafen nur die Regulierung der Wassermen- Kläranlage mit biologischer Klärstufe errichtete der Trinkwassergewinnung dienen. Die erste Wesentliches an der Wasserqualität, sondern der Ruhrverband 1925 in Essen-Rellinghausen als gen. Erst der mit dem Ruhrreinhaltungsgesetz großtechnische Pilotanlange; 1930 waren zehn von 1913 gebildete Ruhrverband übernahm auf Prozent der 1,4 Millionen Einwohner im Ruhrver- genossenschaftlicher Basis die Aufgabe, laut bandsgebiet an biologische Kläranlagen ange- preußischen Wassergesetz nicht erlaubte Ver- schlossen, das Abwasser von 570.000 Einwoh- unreinigungen der Ruhr und der Nebenflüsse nern durchlief hingegen keinerlei Kläranlage. zu verhindern. Maßstab war in den kommenden Jahrzehnten allerdings nicht das technisch maximal Mach- bare, sondern ein darunter liegender Standard, der eine quantitative und qualitative Gefähr- dung der Trinkwasserversorgung ausschließen sollte. Dabei standen wie bei der Emscher im- mer wieder Kostenfragen im Vordergrund. Für die Abwässer im Bereich der unteren Ruhr bei Mülheim, Oberhausen und Duisburg nahm der Ruhrverband 1925 einen elf Kilometer langen unterirdischen Abwassersammler in Betrieb, der bei Duisburg in den Rhein mündete. Anders als zunächst geplant, wurden diese Abwässer Erweiterung der Kläranlage in Essen-Rellinghausen, 1920 Quelle: Ruhrverband auch hier nur durch eine mit Grobrechen, Öl- 19 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 In den kommenden Jahrzehnten erfolgte kon- Kleinstlebewesen, die weitere Schmutzstoffe der Verband über 82 Kläranlagen und reinigte des Hengsteysees errichtete der Ruhrverband aus dem Wasser beseitigten. Nach dem Vorbild tinuierlich ein weiterer Ausbau: 1958 verfügte weitere Stauseen im Verlauf der Ruhr, die als 70 Prozent der Abwässer biologisch; Ende der Flusskläranlagen wirken sollten: den Harkort- 1960er Jahre waren es 80 Prozent. see (1931), den Baldeneysee (1933), den Kettwiger See (1950) sowie – inzwischen allerdings vorran- Außerdem setzte der Verband unter seinem gig zu Erholungszwecken – den Kemnader See langjährigem Geschäftsführer Karl Imhoff (1979). (1922-1934), der zuvor das Abwasseramt der Emschergenossenschaft geleitet hatte, auf den Bau von Stauseen, die die natürliche Selbstrei- Die Ruhrwassergüte blieb aber noch lange pro- eine Flusskläranlage wirken sollten. Der 1929 ternehmen eigene Anstrengungen zur Vorreini- blematisch, so dass die Wasserversorgungsun- nigungskraft des Flusses unterstützen und wie gung des Wassers unternehmen mussten. 1973 fertig gestellte Hengsteysee war das erste Pro- warnten Ruhrverband und Ruhrtalsperrenver- jekt dieser Art: Kurz oberhalb des Sees mün- ein, dass bei weiteren Verschlechterungen „eine dete die Lenne in die Ruhr, und ihre sauren, in ihrer Güte gesicherte Trinkwassergewinnung eisenhaltigen Abwässer aus der Kleineisenin- für den Ballungsraum Ruhr [nach bewährten dustrie mischten sich mit den alkalischen Ab- Methoden] nicht mehr möglich ist!“ Seit 1972 wässern der Zellulose- und Papierfabrikation arbeiten der Ruhrverband und die Wasserwer- im Ruhroberlauf. Der dadurch ausfällende Ei- senschlamm konnte sich nun im Hengsteysee ke in einem gemeinsamen Ausschuss „Ruhr- gert oder bei Hochwasser in Richtung Rhein Analyseverfahren, neuer wissenschaftlicher wassergüte“ zusammen. Angesichts moderner absetzen und entweder regelmäßig ausgebag- Erkenntnisse über Gesundheitsgefahren auch abgespült werden. Die im Vergleich zum Fluss durch geringe Schadstoffkonzentrationen und größere Oberfläche der Stauseen und die lang- verschärfter gesetzlicher Vorschriften – 1976 samere Fließgeschwindigkeit belebten zudem Mündung der erheblich verschmutzten Lenne (links) in die Ruhr (rechts), 1964 Quelle: Ruhrverband 20 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 trat erstmals eine Trinkwasserverordnung in biologischer Reinigungsverfahren ein und be- als auch die Wasserwerke ihre Reinhaltungs- gen in Gewässern. Vorrangig zu diesem Zweck schäftigte sich mit den Selbstreinigungsvorgän- Kraft – verbesserten sowohl der Ruhrverband errichtet, entstammen mehrere der Ruhrstau- bzw. Reinigungsmaßnahmen. Allein zwischen seen seinen Plänen. Mit dem Umbau der Kläran- 1972 und 1980 baute der Ruhrverband 25 neue lage Essen-Rellinghausen führte er 1925 das bis biologische Kläranlagen. Nach hohen Investi- dahin noch wenig bekannnte Schlammbele- tionen in den Aus- und insbesondere Neubau bungsverfahren in Deutschland ein. auch in den folgenden Jahrzehnten sind heu- te 68 moderne Kläranlagen des Ruhrverbands in Betrieb. Mikroverunreinigungen, wie zum Beispiel die Belastung mit perflourierten orga- Wasserkraftwerke tisch hergestellten organischen Verbindungen Zu Beginn des Talsperren- und Stauseebaus im Pflanzenschutzmittel aus intensiver Landwirt- Technik zur Stromerzeugung und -übertragung nischen Tensiden (PFT) oder ähnlichen synthe- aus der Industrieproduktion, sowie Dünge- und Ruhreinzugsgebiet und an der Ruhr war die schaft stellen heute die größten Herausforde- schon seit einigen Jahrzehnten ausgereift und rungen des Ruhrverbands und der Wasserwirt- die Elektrifizierung im vollen Gange. Daher lag schaft dar. es schon aus wirtschaftlichen Gründen nahe, besonders am Fuß der Staumauern Wasser- Karl Imhoff (1876-1965) kraftwerke zu errichten und damit Einnahmen Der in Mannheim geborene Bauingenieur pro- zu erzielen. movierte 1905 an der TH Dresden über „Die biologische Abwasserreinigung in Deutschland“ Wasserkraftwerke nutzen zur Stromerzeugung Emschergenossenschaft. 1922 wechselte er als Turbinen, die an Generatoren angeschlossen und ging 1906 als Leiter des Abwasseramtes zur die Fließ- oder Fallenergie des Wassers mittels Baudirektor zum Ruhrverband, den er leitete, sind. Zu unterscheiden sind Laufwasserkraft- bis er 1934 als Sozialdemokrat von den Natio- werke, bei denen das Wasser in der Regel stets nalsozialisten abgesetzt wurde. gleichmäßig von einem Stauwehr mit eher geringer Fallhöhe auf die Turbine geleitet wird, Sein Gutachten „Die Reinhaltung der Ruhr“ und Speicherkraftwerke. Sie werden unterhalb (1910) hatte zur Verabschiedung des Ruhrrein- einer Talsperre angesiedelt, deren Wasser nur haltungsgesetzes und Gründung dieses Ver- zeitweise, dann aber mit einer größeren Fallhö- bands im Jahr 1913 beigetragen. he unter entsprechend hohem Druck, den Turbinen zugeführt wird. Noch bei der Emschergenossenschaft erfand Imhoff den später weit verbreiteten Emscherbrun- An den Talsperren im oberen Ruhreinzugsge- eine doppelstöckigen Absetz- und Faulanlage zur re, wurden überwiegend Speicherkraftwerke er- nen, international auch Imhoff-Tank genannt, biet, so an der Möhne- und an der Listertalsper- Entfernung von Schlämmen aus dem Abwasser. richtet. Weil der Hauptzweck der Talsperren die Beim Ruhrverband setzte er sich für den Einsatz Bevorratung des Wassers war, konnten sie nicht 21 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Wasserkraftwerk Hohenstein, Witten Foto: Reinhold Budde kontinuierlich Strom produzieren; es mussten Außergewöhnlich ist das ab 1927 am Hengstey- daher zur Sicherstellung einer dauerhaften see vom Rheinisch-Westfälischen Elektrizitäts- onen mit Energieversorgungsunternehmen wie cke (ursprünglich Hengsteywerk); es war eines Stromversorgung der Kunden meist Kooperati- werk (RWE) errichtete Koepchenwerk in Herde- den Vereinigen Elektrizitätswerken Westfalen der beiden ersten großen Pumpspeicherkraft- (VEW) eingegangen werden, die zusätzlich Koh- werke in Deutschland. Hier diente allerdings le- oder Gaskraftwerke betrieben. nicht der angestaute Hengsteysee als Energiespeicher – dessen Wasser nutzte ein zu- Die an der Ruhr errichteten Kraftwerke sind sätzliches Laufwasserkraftwerk unterhalb des überwiegend Laufwasserkraftwerke, die fast Staudamms. Das Wasser, das die Turbinen des alle in den 1920er/30er Jahren gebaut wurden. Koepchenwerks antreiben sollte, wurde zu- Die Erlöse aus dem Stromverkauf ermöglichen nächst vom Hengsteysee in ein 160 Meter ober- Ruhrverband und Ruhrtalsperrenverein, ihre Beiträge zu senken. Auch private Unternehmen, wie das Wasserkraftwerk Hohenstein oder Wasserwerksgesellschaften bauten Wasserkraft- werke. Das Laufwasserkraftwerk Kahlenberg der RWW in Mülheim diente zum Antrieb der Pumpen in den Wasserwerken Styrum und Dohne. Das benachbarte und von den gleichen Architekten geplante Kraftwerk Raffelberg ließ die Stadt Mülheim bei der gleichnamigen Schleuse errichten, an der das Wasser ohnehin gestaut Pumpspeicherkraftwerk Koepchenwerk, Herdecke Foto: Reinhold Budde werden musste. 22 A2ghijklmnopqrstu2 T 28 halb gelegenes Speicherbecken gepumpt. Dies Die einfacheren mittelalterlichen Badestuben RWE mehr Strom zur Verfügung stand als ver- gung gerieten in der Frühen Neuzeit in Verruf. und der Gebrauch des Wassers zur Körperreini- erfolgte zu Tageszeiten, an denen im Netz des Falsche Vorstellungen von Krankheitsübertra- braucht wurde. War der Strombedarf hingegen gungswegen, besonders die Angst vor der Pest, besonders hoch, wurde das Wasser aus dem trugen dazu ebenso bei wie eine zunehmende Speicherbecken abgelassen, trieb die Turbinen Körperfeindlichkeit. Puder und Parfüm rückten an und produzierte den nun von den Verbrau- an die Stelle von Wasser und Seife. chern benötigten Strom. Während in der Ver- gangenheit insbesondere der nächtliche Energieüberschuss der Kohlekraftwerke auf diese Nur das Baden aus medizinischen Gründen war werden solche Speicherkraftwerke (das Koep- Beispiel bei Bade- und Trinkkuren. Entsprechen- seit Ende der frühen Neuzeit akzeptiert, zum Weise zwischengespeichert werden konnte, de Heil- und Thermalbäder besuchten vor allem chenwerk wurde 1989 durch einen Neubau er- Adelige und das gehobene Bürgertum. Die Nut- setzt) in Zukunft vor allem die Energie des in zung salzhaltigen Wassers, der Sole, zu Heilzwe- Windkraftanlagen überschüssig produzierten cken verbreitete sich seit Beginn des 19. Jahr- Stroms nutzen und bevorraten können. Als er- hunderts. Auch in Westfalen wurden Solbäder neuerbare Energie spielt auch darüber hinaus in der Nähe von Solquellen errichtet, die bis da- die Nutzung der Wasserkraft zukünftig wieder hin überwiegend zur Salzgewinnung in Salinen eine größere Rolle. dienten. So wurde der Saline Königsborn (Unna) ein Sole-Heilkurbad angeschlossen. Ein jünge- Wasser- und Badekultur res Beispiel für die Nutzung der Sole zu Heilund Badezwecken ist das Solbad Raffelberg. Die Sole-Vorräte waren beim Abteufen eines Fließendes Wasser in jeder Wohnung ist für uns Schachts der Zeche Altstaden entdeckt worden. heute eine Selbstverständlichkeit. Den größeren Teil des Wassers trinken wir nicht oder nehmen ihn über die Nahrung zu uns, sondern wir benö- Seit dem 18. Jahrhundert verbreiteten sich hy- zen und für die Toilettenspülung. Dabei ist die Reinlichkeit, die heutigen Vorstellungen näher gienische Erkenntnisse über die Bedeutung der tigen ihn zum Duschen, Baden, Waschen, Put- kommen. Ärzte forderten nun das regelmäßige scheinbar unbegrenzte Verfügbarkeit von Was- ser für den täglichen Bedarf weitgehend auf die Industriestaaten beschränkt und auch dort historisch noch ein recht junges Phänomen. Bereits die Römer verfügten über ein technisch ausgeklügeltes System der Wasserversorgung und entwickelten mit den Thermen Einrichtungen, die sowohl der Körper- und Gesundheitspflege als auch Sport und Spiel dienten. Diese Badetechnologie ging im Mittelalter verloren. Solbad Raffelberg, Mülheim 23 Foto: Reinhold Budde A2ghijklmnopqrstu2 T 28 Waschen mit Wasser und möglichst ein wö- lagen der Zechen Verbreitung. Dort waren in den Aufbau einer zentralen Wasserversorgung in bassins gebaut worden, die dann aber vor allem Waschkauen zunächst gemeinschaftliche Bade- chentliches Bad – ein Luxus, der auch nach dem wegen der Ausbreitung einer Wurmkrankheit als den Städten in der eigenen Wohnung nur einem bedenklich galten. Ein Duschbad gehörte seither kleinen Teil der Bevölkerung zugänglich war. bei Bergleuten selbstverständlich zum Abschluss einer anstrengenden Schicht. Eine Alternative boten öffentliche Badeeinrichtungen. In Dortmund baute ein findiger Ge- schäftsmann bereits in den 1850er Jahren eine Nicht nur die Körperpflege mit Wasser, auch das Teil einer größeren Freizeiteinrichtung, dem verbreitet, was zuerst dem Militär Sorgen berei- Schwimmen war bis ins 19. Jahrhundert wenig private Badeanstalt mit Wannenbädern als tete. Zahlreiche Schwimmanleitungen erschie- Kühn’schen Garten. Wenige Jahre nach Inbe- nen im Laufe des Jahrhunderts. Doch erst durch triebnahme des städtischen Wasserwerks öff- die öffentlichen Hallenbäder entwickelte sich nete 1878 die erste öffentliche Schwimm- und das Schwimmen allmählich zum Volkssport, Badeanstalt im Süden der Innenstadt ihre unzählige Schwimmvereine gründeten sich vor Pforten. Sie verfügte über ein Schwimmbassin und nach der Wende zum 20. Jahrhundert. Der sowie über Badewannen und Brausen. Schon Bau vieler Hallen- und auch Freibäder im Ruhr- 1891 kam das Nordbad und 1903 das Westbad hinzu, letzteres wiederum nur mit Brause- und gebiet setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg 1882 das erste öffentliche Bad (an der Stelle des hygienische Aspekte, die neuen Bäder waren fort. Nun ging es nicht mehr vorrangig um Wannenbädern ausgestattet. In Essen eröffnete überwiegend Sport- und Freizeitstätten. Bäder später neu errichteten heutigen Hauptbades), wie das Parkbad Süd in Castrop-Rauxel (1926) 1912 kam das von Bertha Krupp von Bohlen und und das Volksbad in Dortmund (1927) entstan- Halbach gestiftete und dem Firmengründer den oft in Nachbarschaft zu weiteren großen Friedrich Krupp gewidmete Friedrichsbad in Freizeit- und Sporteinrichtungen und verfügten Frohnhausen hinzu. Bis zum Ersten Weltkrieg über wesentlich größere Schwimmbecken und entstanden in vielen Ruhrgebietsstädten ver- Aufenthaltsflächen als die alten Hallenbäder. gleichbare Bäder, die neben den Schwimmbecken immer auch über unabhängig nutzbare Bade- und Duscheinrichtungen verfügten. Eine Besonderheit war das kleine Freibad Nicht nur dank dieser Angebote änderte sich Es diente nicht nur als sportliches Angebot Schallacker (eröffnet 1935) in Dortmund-Hörde. insbesondere für Lehrlinge des Hörder Berg- allmählich das allgemeine Reinlichkeitsverhal- werks- und Hüttenvereins; Sport war seit den ten. Ärzte und Hygieniker warben massiv für 1920er Jahren ein Teilbereich der betrieblichen mehr Körperhygiene, der Berliner Arzt Oskar Lehrlingsausbildung. Hier wurde zudem schwe- Lassar setzte sich für den massenhaften Bau öf- felhaltiges Schlackenwasser aus dem benach- fentlicher Duschanlagen ein und war Initiator barten Stahlwerk zum Baden verwendet. Die der „Volksbrausebewegung“. Zuerst wurden sie Abwärme des Hochofenwerks erwärmte das massenhaft in vielen Kasernen installiert – im Wasser. Neben dem Schwimmbecken gab Ruhrgebiet fanden sie vor allem in den Tagesan- 24 T 28 A2ghijklmnopqrstu2 es Wannenbäder mit Ruhebetten und einer Druckluftmassage. Die Nutzung dieser Schwefel-Bäder wurde sogar von den Krankenkassen zu Heilzwecken verordnet. Gesundheitsför- dernd sollten sie vor allem bei rheumatischen Erkrankungen und bei Atemwegserkrankungen wirken. Allerdings ist eine Belastung des Wassers mit Schwermetallen wahrscheinlich. Ein ähnliches Bad in Bochum-Hamme, 1936 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wurde aus den Schlacken des Bochumer Vereins gespeist. Außerhalb der Frei- und Hallenbäder war das Baden im Ballungsraum Ruhrgebiet zumin- dest auf legale Weise nur begrenzt möglich. Es gab nur wenige Fluss- und Strandbadeanstalten an den Flüssen, die zudem wegen der Ver- Freibad Schallacker, Dortmund-Hörde, Foto aus Festschrift des Dortmund Hörder Hüttenvereins, 1937 Quelle: Norbert Tempel schmutzung und gestiegener hygienischer Ansprüche im Laufe des 20. Jahrhunderts schließen mussten. Auch in der inzwischen wieder vergleichsweise sauberen Ruhr ist das Baden Literaturtipps dem Kemnader See oder dem Baldeneysee. Ein Eiden, Christian: Versorgungswirtschaft als regionale Organisation. Die Wasserversorgung Berlins und des Ruhrgebiets zwischen 1850 und 1930, Essen 2006 Ruhrgebiet gilt und dort freilich genauso wenig Gilson, Norbert: Wasserkraftwerke – einst die „Motoren“ der Elektrifizierung, in: Industriekultur 18 (2012) 1 (Heft 58), S. 2-6 Derzeit erwägt der Ruhrverband die Badefreiga- Gottwaldt, Alfred: Bahn-Wasser, in: Industriekultur 19 (2013) 1 (Heft 62), S. 7-9 bis heute verboten, sogar in den Stauseen wie Verbot, dass auch für die Schifffahrtskanäle im eingehalten wurde und wird wie an der Ruhr. be einiger Abschnitte in den Ruhrstauseen. Merkl, Gerhard u.a.: Historische Wassertürme. Beiträge zur Technikgeschichte von Wasserspeicherung und Wasserversorgung, München/Wien 1985 Alternativen bieten der Halterner See, an dem Olmer, Beate: Wasser. Historisch. Zur Bedeutung und Belastung des Umweltmediums im Ruhrgebiet 1870-1930, Frankfurt am Main u.a. 1998 von vornherein ein großes öffentliches Seebad eingeplant wurde und die Talsperren im Sau- Olmer, Beate; Nies, Stefan; Büschenfeld, Jürgen: Alles strömt. 125 Jahre Gelsenwasser AG, Hg. Gelsenwasser AG, Gelsenkirchen 2012 erland (zum Beispiel der Möhnesee). Der Bevölkerung des Ruhrgebiets dienen diese Seen seit Peters, Ralf [Hrsg.]: 100 Jahre Wasserwirtschaft im Revier. Die Emschergenossenschaft 1899-1999, Essen 1999 Jahrzehnten als Naherholungsgebiete. Ruhrverband (Hrsg.): Zeit im Fluss. 100 Jahre Ruhrverband, Essen 2013 Stefan Nies RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH (Hg.): 100 Jahre RWW. Wir bewegen Wasser, Mülheim an der Ruhr 2012 Simson, John von: Kanalisation und Städtehygiene im 19. Jahrhundert, Düsseldorf 1983 25