Willow-Creek-Studienreise 2015

Transcription

Willow-Creek-Studienreise 2015
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Axel Ebert schildert hier seine Eindrücke:
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theologische Ausbildungsstätten im Großraum Chicago.
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personen der Gemeinde und besuchten Kirchen und
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Gemeinde, trafen in Gesprächsrunden auf Leitungs-
A XEL EBERT ist Leiter der Abteilung Missionarische Dienste in der Badischen Landeskirche,
aus der vier der 25 Theologiestudierenden an
der Studienreise teilnahmen.
Simon Hesselmann, Alexander Zehrer
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die verschiedenen Arbeitsbereiche der Willow Creek-
Von Willow lernen? Durchaus. Wenn wir als
Mutterland der Reformation lernbereit sind
und nicht überheblich meinen, wir ›könnten‹
schon Kirche. Und das besser als andere.
Die immer leerer werdenden Kirchen im
deutschsprachigen Europa, die fortschreitende Belanglosigkeit kirchlicher Verkündigung und der rasant fallende geistliche
Grundwasserspiegel lassen es dringend geboten scheinen, von Willow zu lernen. Vielleicht mehr die Haltung, in der Willow seine
Arbeit tut und nicht so sehr einzelne Methoden. Die Theologiestudierenden jedenfalls
haben sich herausfordern lassen. Sie haben
diskutiert, gelernt, verstanden. Sie werden
anders weiterstudieren als zuvor. Und sie
haben gesagt, dass sie sich jetzt, mehr als
bisher, auf ihren künftigen Dienst freuen.
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hip Summit erhielten die Teilnehmenden Einblick in
Es hat beeindruckt, in welch kompromissloser
Liebe sich die Willow-Gemeinde Menschen
zuwendet. ›People matter‹ – Menschen sind
wichtig. Das ist nicht nur das Credo von
Willow, hinter dem jeder steht, dem man
begegnet. Es wird auch gelebt. Menschen
zählen: Darum hat Willow eine beeindruckende sozialdiakonische Arbeit aufgebaut,
die Menschen in Not hilft. Menschen zählen:
Darum existieren unzählige Kleingruppen, in
denen Menschen seelsorgerlich einander
begleiten und tragen. Menschen zählen:
Darum sucht Willow ständig nach neuen
Wegen, Menschen mit dem Evangelium zu
erreichen, die davon noch nicht berührt
sind. Menschen zählen bei Willow, weil sie
für Gott zählen. Jeder Einzelne. Alle Traditionen, Formen, Gebäude und Strukturen sollen
dem Ziel dienen, Menschen mit diesem Gott
bekannt zu machen. Und falls sie nicht dem
Ziel dienen, muss man sie ändern. Das ist
der Grund, warum Willow sich nie mit dem
Bestehenden zufrieden gibt, sondern eine
lernende und sich ständig verändernde Gemeinde ist.
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Badischen Landeskirche. Neben dem Global Leaders-
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Leiter der Abteilung Missionarische Dienste in der
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(Theologische Hochschule Reutlingen) sowie Axel Ebert,
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chael Herbst (Universität Greifswald), Achim Härtner
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Church in Chicago teil. Begleitet wurden sie von Mi-
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an einer Studienreise zur Willow Creek Community
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schen Universitäten und Hochschulen nahmen im August
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25 Theologiestudierende von unterschiedlichen deut-
Kann man von amerikanischen Kirchen
überhaupt etwas lernen, was für unsere
deutschen Kirchen und Gemeinden Relevanz hat? Schließlich sind wir das Mutterland der Reformation (2017 werden wir es
wieder stolz zelebrieren). Wir schauen auf
eine Jahrhunderte lange Kirchen- und Theologiegeschichte zurück, sind stolz auf unsere
reichen Traditionen – was soll uns eine
Fastfood-Nation kirchlich schon beibringen
können? Zugegeben: In anderen Bereichen
haben wir längst von Amerika gelernt oder
gar manches übernommen: Burger, Google
und Apple sind Teil unserer Kultur geworden.
Aber Kirche können wir doch selbst. Oder?
Es ist wirklich so: Einiges auf der Reise
ist uns fremd erschienen und fremd geblieben. Willow Creek ist eine Megachurch,
kaum vergleichbar mit unseren Kirchengemeinden, die flächendeckend in jeder Stadt
und jedem noch so kleinen Ort zu finden
sind. Willow Creek ist gerade 40 Jahre alt
geworden.
Da fehlt jeder Reichtum (und Ballast) von
Traditionen oder denkmalgeschützten Gebäuden. Willow finanziert sich durch Spenden,
ein Kirchensteuersystem ist unbekannt.
Und: Willow ist Teil einer amerikanischen
Kultur, in der das Religiöse im Gegensatz zu
uns weithin salonfähig und selbstverständlich
ist. Die für unser Land typische Peinlichkeit,
die sich einstellt, wenn jemand anfängt über
seinen Glauben zu sprechen, ist unseren
amerikanischen Geschwistern fremd. Und
so haben die Theologiestudierenden durchaus eine ›fremde‹ Kirche erlebt. Doch gerade
am Fremden, Widerständigen, manchmal Irritierenden, kann man lernen und wachsen.
Die Begegnung mit dem Fremden lässt das
Eigene schärfer sehen: auch die eigene Kirche.
So führte die Studienreise nach Chicago
nicht nur in eine fremde kirchliche Kultur,
die zu manchen theologischen Diskussionen
führte, sondern auch zu überraschenden
und herausfordernden Erkenntnissen.
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Das theologische Begleitpersonal
ACHIM HÄRTNER und MICHAEL HERBST
und ihre Einschätzungen der
Chicago-Studienreise.
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Hat das „bildgebende Verfahren“
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Härtner: Meinem Eindruck nach haben viele
Theologiestudierende kaum mehr ein
positives Bild einer vitalen Gemeinde nach
dem Vorbild von Apg. 2,42-47. Insofern
ist diese Studienreise so etwas wie ein
›bildgebendes Verfahren‹. Willow hat
über Jahrzehnte bewiesen, dass eine Gemeinde ihren Grundwerten treu bleiben
und sich gleichwohl permanent weiterentwickeln kann, um ihrer Berufung so
gut wie möglich gerecht zu werden.
Härtner: Zunächst: Wer Willow zum ersten
Mal besucht, ist natürlich von der Größe
des Gemeindezentrums und der Exzellenz all dessen, was dort angeboten
wird, beeindruckt. Manche Studierenden
waren begeistert und sagten: So etwas
brauchen wir in Deutschland auch! Andere
waren skeptisch oder gar ablehnend:
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Herbst: Ich erlebe eine Gemeinde, die bei
aller Größe den Einzelnen sieht und achtet, deren Gastfreundschaft überwältigend ist. Und ich sehe eine Gemeinde, in
der Menschen mit ihren Wunden Hilfe
finden und mit ihren Stärken Freiräume
zum Mitwirken. Ich sehe eine Leitung,
die demütig und klar zugleich ist. Und
ich sehe eine Gemeinde, die in 40 Jahren
nichts von ihrer Leidenschaft verloren
hat, glaubensferne Menschen zu hingegebenen Nachfolgern von Jesus zu machen. Ich jedenfalls bin dort gerne Schüler.
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Das Wort „Megachurch“ hat hierzulande häufig einen negativen Beigeschmack: Menschen gehen in der
Masse unter, bleiben anonym und
allein, wird gemutmaßt. Zutreffend?
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Herbst: Ich mag nicht wiederholen, was
man oft hört: dass man nichts kopieren
könne. Stimmt das eigentlich? Abgesehen davon ist es die unermüdliche Bereitschaft, Altes zu prüfen, Gewohntes
und Beliebtes bei Bedarf auch zu lassen
oder mindestens zu überarbeiten, wenn
es den innersten Werten der Gemeinde
nicht mehr entspricht. Man sieht bei
Willow wenig von unserer Untugend,
sich nur schwer von Altem zu verabschieden.
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Die Willow-Gottesdienste werden von
23.000 Menschen besucht. Was können
angehende Theologen von der Megachurch lernen? Später werden sie ja für
deutlich kleinere Gemeinden zuständig
sein.
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Achim Härtner: Es ist eine gute Möglichkeit, das eigene theologische Profil zu
schärfen. Dieser Effekt wird verstärkt,
wenn es gelingt, die Studienreise auch
formal ins Theologiestudium einzubinden.
Durch vorbereitende Lektüre, schriftliche Reflexion, Credit-Punkte. An unserer
Hochschule haben wir gute Erfahrungen
damit gemacht.
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Michael Herbst: Reisen bildet! Die Studierenden lesen nicht nur, sondern erleben, wie z.B. sich Gemeindeleben in
der Willow Creek Community Church
›anfühlt‹, wenn man Gastfreundschaft
erlebt, beim Lobpreis mitsingt oder die
Leiter der Gemeinde befragen kann. Erleben und reflektieren ist deutlich mehr
als nur Lesen.
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Welchen Wert hat eine Reise zur
Willow-Gemeinde für Theologiestudierende?
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PROF. ACHIM HÄRTNER M.A. lehrt Praktische Theologie
(E. Stanley Jones Chair of Evangelism) an der Theologischen
Hochschule Reutlingen, in Trägerschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche.
th-reutlingen.de
PROF. DR. MICHAEL HERBST Professor für Praktische
Theologie an der Universität Greifswald sowie Direktor
des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und
Gemeindeentwicklung.
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Broschiert, 240 Seiten; Format: 20 x 27 cm
ISBN: 978-3-95790-020-3; Best.-Nr.: 682020
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E. Rasnake, W. Barber, R. Shepherd
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Härtner: Nicht zu vergessen, dass angehende Theologen eine geistliche Persönlichkeit ausbilden müssen. Dass sie einen
Lebensstil einüben, der die Jesus-Nachfolge für andere erkennbar und einladend macht. Zugleich ist ein gutes Beheimatet-Sein in der eigenen Glaubenstradition wichtig – während sie lernen
müssen, offen für Menschen anderen
Glaubens zu sein. Dazu gehört auch die
Fähigkeit, die eigenen geistlichen Überzeugungen so zur Sprache zu bringen,
dass sie von Menschen ohne religiöse
Vorkenntnisse verstanden werden können.
ADAM
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HIOB
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ABRAHAM
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JAKOB
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MOSE
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KALEB
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JOSUA
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GIDEON
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SIMSON
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Interview: Gotthard Westhoff
Simon Hesselmann
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Herbst: Leider hat sich seit dem letzten
Jahrhundert – oder sollte ich sagen: seit
dem letzten Jahrtausend – nichts geändert. In der Tat: Die Rahmenbedingungen
für den pastoralen Dienst ändern sich
rasant. Es geht etwas zu Ende in unserem Land: die selbstverständliche Volkskirchlichkeit. Wenn wir nur lernen, wie
wir pflegen, bewahren, weiterführen, was
immer schon da war, mit denen, die immer schon da waren, dann werden wir
der missionarischen Herausforderung
nicht gerecht. Wir brauchen neben der
erwähnten ›Wiedervereinigung von Wissenschaft und Frömmigkeit‹ auch eine
Erweiterung des Spektrums: vom Bewahrer des kirchlich Vorgegebenen zum
geistlichen Unternehmer, der Neues aufzubauen hilft, und der mit theologischer
Kenntnis hilft, gemeindliche Start-ups in
einer säkularer werdenden Welt zu begründen.
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Das Umfeld, auf das die angehenden
Theologen treffen, hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Wurde
in der Ausbildung darauf reagiert?
Lernen Sie am Beispiel dieser Personen aus
dem Alten Testament Gottes Prinzipien für
die Nachfolge kennen.
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Zwölf Männer
Herbst: Da könnte ich ganz viel nennen: im Gottesdienst plötzlich ›Bluegrass Worship‹ zu hören; der
Vortrag von Bill Hybels; ein exzellentes Steakessen
mit dem Team; morgens um 6:30 Uhr Joggen in einem
bezaubernden Park; der Anblick der Chicago-Skyline
vom Lake Michigan aus… Herausragend aber waren
die vielen kleinen Gespräche, bei den Autofahrten
mit den Studierenden, über alles Mögliche, mal ernst,
mal albern, mal theologisch, mal ›kirchlich‹ und oft
auch über das, was den jungen Leuten wirklich auf
der Seele brennt.
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Herbst: Und dass schon im Studium zusammenkommt, was zusammen gehört:
fleißiges Lernen, tiefes Nachdenken, beste
Theologie, alle Mühe, die es kostet, sich
einzulesen und einzudenken, um theologisch auskunftsfähig und urteilskräftig
zu werden. Und dann: Leidenschaft für
die Mission Gottes, Gebet und Gottesdienst, geistliche Bildung des eigenen
Herzens, Begegnung mit Menschen, die
eine Vision für die Kirche haben, Einübung
Kurs- und Studienmaterial
Gab es ein Highlight auf der Reise?
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Härtner: Fachlich gut begleitete Exkursionen müssten noch stärker Teil theologischer Ausbildungsgänge sein. An GoodPractice-Beispielen wie Willow kann
man viel lernen, wenn gewährleistet ist,
dass nicht das Modell an sich im Mittelpunkt steht, sondern das Lernen am
Modell.
in alles, was die Gemeinde im 21. Jahrhundert braucht. Dass das weitgehend
auseinandergerissen bleibt, schädigt unseren theologischen Nachwuchs und die
Kirche.
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Worauf müsste in der Ausbildung
angehender Pfarrerinnen und Pfarrern
ein noch größerer Schwerpunkt gelegt
werden?
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Herbst: Genau. Es war wichtig, dass sie
das Erlebte reflektieren und mit dem
verknüpfen konnten, was sie theologisch gelernt haben. Zahlreiche theologische Grundfragen stellen sich, wenn
man Willow Creek, und die anderen
spannenden Orte der Reise, aufsucht:
Wie denke ich über Taufe, Leitung, Mission, Diakonie, Heiligung, Eschatologie
usw.? Der Transfer geht in mehrere
Richtungen: Das theologisch Erlernte
hilft das Erlebte einzuordnen und zu
verstehen, wenn es z.B. um die Bemühungen um Wachstum im Glauben geht
und wir dann noch einmal theologisch
über das Verhältnis von Rechtfertigung
und Heiligung nachdenken. Dabei kommen die Dinge in Bewegung: Ich muss
mir klarmachen, warum z.B. unsere Taufpraxis in der Landeskirche eine andere
ist, und was wir in dieser Hinsicht voneinander lernen können.
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Herbst: Es gibt eine Art ›Virus‹, das zu einem
guten deutschen Theologen gehört:
Skepsis! Skepsis gegenüber Größe, Professionalität, Exzellenz, dem Mangel an
vertrauter Liturgie und überhaupt allem,
was aus Amerika kommt – bis auf dieses
oder jenes Spielzeug, das man dann
doch gerne nutzt. Es wäre seltsam,
wenn unsere Studierenden nicht auch
diese viral vermittelte Zurückhaltung
mitbrächten und auch deutlich äußerten. Aber dann gab es bei der Reise eine
Wandlung: nicht zu kritikloser Begeisterung, aber zu wachsendem Respekt, größerer Zuneigung und persönlicher Offenheit: Häufig ist der Besuch im WillowCare Center der ›turning point‹, weil
man kaum durch diese Räume geführt
werden kann, ohne den Geist zu spüren,
der hier weht: Hingabe, Respekt vor
dem Einzelnen, reflektiertes Tun, professionelle Hilfe, die nicht nur ›Pflästerchen‹
verteilt, eine im Gebet sich äußernde
Abhängigkeit von Gott und fantasievolle Liebe zu denen, die die Dienste
in Anspruch nehmen. Das Care Center
leistet also auch Überzeugungsarbeit an
mild skeptischen deutschen Theologen.
Die regelmäßigen Reflexionsrunden,
die Achim Härtner erwähnt hat, spielten
offenbar auch eine wichtige Rolle.
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zu groß, zu perfekt, zu amerikanisch,
hieß es. Es ist gut, dass die ersten
Wahrnehmungen in Reflexionsrunden
ausgesprochen werden konnten. Die Begegnungen mit Willow-Leitungspersonen und ›normalen‹ Gemeindegliedern
verschafften den Studierenden dann einen differenzierten Einblick in das Selbstverständnis und den Dienst der Gemeinde.
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Carl-Benz-Straße 2 I 57299 Burbach I Deutschland
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Studienreisen-Teilnehmerin
DARIA PRINKE über ihre Erlebnisse
und Erkenntnisse in Chicago
22
GEMEINDE UND GELD
Ich war erstaunt, wie viele Verantwortungsträger bei Willow sich während unseres einwöchigen Aufenthalts immer wieder Zeit
nahmen, um unsere zahlreichen Fragen zu
beantworten. Besonders interessant war
für mich ein Treffen mit Matt Sundstedt, dem
Finanz-Chef der Gemeinde. Mit eindrücklicher Offenheit sprach er über das Thema Geld.
Von meiner deutschen Prägung bin ich es
nicht gewohnt, dass Menschen so locker
und leicht darüber reden können (oder wollen). Sundstedt dagegen sprach unverblümt
über den monatlichen Etat oder die Ausgaben
für verschiedene Dienstbereiche.
Ein weiteres eindrückliches Beispiel war
der Bericht von Gary Schwammlein, dem
Leiter der Willow Creek Association (WCA),
der internationalen Arbeit von Willow. Er
berichtete von einem Treffen mit einem potenziellen Spender, der der WCA $ 8.000 in
Aussicht gestellt hatte. Gary Schwammlein
hatte sich gut auf das Treffen vorbereitet
und erfuhr dabei von dem enormen Vermögen des Unternehmers. Bei dem Gespräch
konnte er den Geschäftsmann dann überzeugen, statt der $ 8.000 eine Million Dollar zu spenden. Sein unverkrampftes, aber
sensibles Vorgehen – gepaart mit der tiefen
Überzeugung, dass Gott die weltweite Arbeit
FRAGEN UND ANTWORTEN
Wichtige Momente waren für mich auch die
Reflexionsrunden, die von Prof. Achim Härtner und Prof. Michael Herbst geleitet wurden.
Hier konnten wir ausführlich über das Erlebte und Gehörte diskutieren und erhielten
durch die unterschiedlichen Meinungen der
Studierenden neue Denkanstöße. Ein Thema,
das immer wieder auftauchte, war die Frage
nach dem Motiv hinter der außerordentlichen Qualität, die wir an vielen Stellen der
Gemeinde erlebten. Wir haben gelernt, dass
es Willow nie um Perfektion, sondern um
Exzellenz geht. Dies bedeutet, dass man aus
den zur Verfügung stehenden Ressourcen –
Geld, Räumlichkeiten, Zeit, Kraft, persönliche
Begabungen – das Bestmögliche macht: zur
Ehre Gottes. Genau das erlebten wir in jeder
Veranstaltung: Musiker, die einen musikalisch hochwertigen Lobpreis auf die Bühne
brachten, sich dabei aber nie selbst ins
Rampenlicht drängten, sondern stets Gott
in den Mittelpunkt stellten. Auch das Motto
der vielen Ehrenamtlichen, die bei den Veranstaltungen fast unsichtbar für einen reibungslosen Ablauf sorgten, lautete ›Here to
serve!‹ – Wir sind hier um zu dienen! Man
konnte spüren, dass diese Gemeinde sich
bewusst ist, von Gott reich beschenkt worden
zu sein. Nun sehen sie es als ihre Aufgabe,
ihr Beschenktsein an andere weiterzugeben.
Ein Aha-Moment war für mich ein Gedanke während einer Reflexionsrunde: »Wir
bekommen in unserem Alltag an vielen Stellen
qualitativ Hochwertiges präsentiert. Das erwarten wir häufig auch. Weshalb messen wir
in der Gemeinde oft mit einem anderen Maß?«
Müssen wir uns dort mit halbherziger Organisation, mittelmäßigem Lobpreis oder
schlechtem Kaffee zufrieden geben? Was
wäre, wenn wir als Verantwortungsträger
unseren Gemeindemitgliedern noch besser
dabei helfen würden, ihre Gaben zu entdecken
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Zugegeben, ich gehörte nicht zu den Menschen, die regelmäßig an Willow-Kongressen
teilnehmen. Auch ein Amerika-Urlaub hatte
mich bisher nicht besonders gereizt. Aber
die Studienreise für Theologiestudierende
zur Willow Creek-Gemeinde in Chicago im
August 2015 reizte mich. Ich hatte von der
hohen Qualität gehört, mit der Leitungspersonen und Mitarbeitende dort in ihren Aufgaben gefördert werden. Das wollte ich mir
gern aus nächster Nähe anschauen. Gespannt war ich auch, wie Willow es schafft,
eine Gemeinde von 23.000 Gottesdienstbesuchern zu organisieren. Gleich mehrere
Fragen stellten sich: Bleiben bei dieser Größe
nicht die persönlichen Begegnungen auf der
Strecke? Wie steht es um die persönliche
Beziehung zu Jesus bei den Mitarbeitenden?
Steht sie noch im Vordergrund oder geht es
bei Willow hauptsächlich darum, dem ›Publikum‹ regelmäßig eine ›gute Show‹ zu liefern?
Diese und viele andere Fragen begleiteten
unsere bunt zusammengewürfelte Studentengruppe.
der Willow Creek Association nutzen möchte –
und dass er deshalb offen auch über Geld
spricht, hat uns als Gruppe ins Nachdenken
gebracht.
Auch wenn man Willows Vorgehensweisen sicher nicht in allen Bereichen eins zu eins
in Deutschland umsetzen kann, haben mir
die Beispiele gezeigt, dass Geld in unseren
Gemeinden nicht das Tabu-Thema sein
muss, zu dem es oft stilisiert wird. Ein offenerer Umgang, ein mutigeres Ansprechen dessen, was benötigt wird und was
damit erreicht werden könnte, könnte dazu
führen, dass diese Praxis auch in unseren
Gemeinden salonfähiger wird. Immerhin:
Auch der Bereich Finanzen zählt zur praktischen Nachfolge eines Christen.
und sie entsprechend einzusetzen? Oder
wenn wir Menschen, die offensichtlich am
falschen Platz sind, behutsam und liebevoll zu dem Bereich geleiten, in dem ihre Talente tatsächlich etwas bewegen? Sicher,
das sind knifflige Aufgaben – aber auch sie
gehören zum Verantwortungsbereich von
Leitungspersönlichkeiten. Erst auf diese
Weise, so mein Eindruck nach der Reise,
entsteht ein überzeugendes Gesamtbild einer Gemeinde.
Ich jedenfalls war beeindruckt, wie viel
reibungsloser eine Gemeinde ›funktionieren‹
kann, wenn das richtige Maß an Energie darauf verwendet wird, jedes Gemeindeglied
zur Mitarbeit zu motivieren. Ja, motivieren!
Nicht zwingen, nicht drängen, nicht überreden. Sondern sich die Mühe machen, jedem
das große Bild vor Augen zu malen und
deutlich zu machen, welchen Anteil der betreffende Mitarbeitende daran hat. Das ist
natürlich mit viel Arbeit verbunden. Vielleicht werde ich darüber auch etwas anders
denken, wenn ich erst einmal selbst in der
Leitungsposition einer Gemeinde bin und
täglich mit vielen Herausforderungen und
Hürden zu tun habe. Doch ich bin überzeugt:
Dies könnte auch in unseren Gemeinden dazu
führen, dass das Bild, das viele von Kirche im
Kopf haben, wieder zurechtgerückt wird. Dass
Kirche wieder zu dem einladenden, lebensnahen und wirkungsvollen Ort wird, der er eigentlich sein sollte. Denn wer sonst sollte den
Menschen anschaulich die Hoffnung und Liebe von Jesus Christus vermitteln, wenn nicht
sein Leib, die Kirche selbst? Diese Verantwortung möchte ich mir in Zukunft noch bewusster machen und meine Gaben mit Blick darauf effizienter und leidenschaftlicher einsetzen.
DARIA PRINKE studiert am Theologischen
Seminar Tabor in Marburg. Sie zählte zu den
25 Theologiestudierenden, die im August 2015
an der Chicago-Studienreise teilnahmen.
Pete Ruppert
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