Willow-Creek-Studienreise 2015
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Willow-Creek-Studienreise 2015
»I ch G ha et en e G st em e ei e eh di er e it th e se : ei er nr hi /m ag az in /s t ud ie e e di Si er n de üb u fin ok 15 .D 20 de st r C om it au em in se Der em n f. ei t. ne it it ez m sg de au ur be w m m m at Su lo a‹ G m n el tr ip ›S de on sh m er ol s G lm m ofi ad in de Le K ie le m k. ün ei s ee -K ‹b in op ry w de so se -H lo g cr ip on ar M H ›G ls sc ei er ed O te 5- D Li Ti nr Axel Ebert schildert hier seine Eindrücke: ie theologische Ausbildungsstätten im Großraum Chicago. ow personen der Gemeinde und besuchten Kirchen und ill Gemeinde, trafen in Gesprächsrunden auf Leitungs- A XEL EBERT ist Leiter der Abteilung Missionarische Dienste in der Badischen Landeskirche, aus der vier der 25 Theologiestudierenden an der Studienreise teilnahmen. Simon Hesselmann, Alexander Zehrer ne die verschiedenen Arbeitsbereiche der Willow Creek- Von Willow lernen? Durchaus. Wenn wir als Mutterland der Reformation lernbereit sind und nicht überheblich meinen, wir ›könnten‹ schon Kirche. Und das besser als andere. Die immer leerer werdenden Kirchen im deutschsprachigen Europa, die fortschreitende Belanglosigkeit kirchlicher Verkündigung und der rasant fallende geistliche Grundwasserspiegel lassen es dringend geboten scheinen, von Willow zu lernen. Vielleicht mehr die Haltung, in der Willow seine Arbeit tut und nicht so sehr einzelne Methoden. Die Theologiestudierenden jedenfalls haben sich herausfordern lassen. Sie haben diskutiert, gelernt, verstanden. Sie werden anders weiterstudieren als zuvor. Und sie haben gesagt, dass sie sich jetzt, mehr als bisher, auf ihren künftigen Dienst freuen. w hip Summit erhielten die Teilnehmenden Einblick in Es hat beeindruckt, in welch kompromissloser Liebe sich die Willow-Gemeinde Menschen zuwendet. ›People matter‹ – Menschen sind wichtig. Das ist nicht nur das Credo von Willow, hinter dem jeder steht, dem man begegnet. Es wird auch gelebt. Menschen zählen: Darum hat Willow eine beeindruckende sozialdiakonische Arbeit aufgebaut, die Menschen in Not hilft. Menschen zählen: Darum existieren unzählige Kleingruppen, in denen Menschen seelsorgerlich einander begleiten und tragen. Menschen zählen: Darum sucht Willow ständig nach neuen Wegen, Menschen mit dem Evangelium zu erreichen, die davon noch nicht berührt sind. Menschen zählen bei Willow, weil sie für Gott zählen. Jeder Einzelne. Alle Traditionen, Formen, Gebäude und Strukturen sollen dem Ziel dienen, Menschen mit diesem Gott bekannt zu machen. Und falls sie nicht dem Ziel dienen, muss man sie ändern. Das ist der Grund, warum Willow sich nie mit dem Bestehenden zufrieden gibt, sondern eine lernende und sich ständig verändernde Gemeinde ist. Ei Badischen Landeskirche. Neben dem Global Leaders- BLEIBENDER EINDRUCK ud Leiter der Abteilung Missionarische Dienste in der MENSCHEN ZÄHLEN St ST EN U IN T D E D C E N H C TE IC K N AG UN A O GS U F RE IS E (Theologische Hochschule Reutlingen) sowie Axel Ebert, e chael Herbst (Universität Greifswald), Achim Härtner r Church in Chicago teil. Begleitet wurden sie von Mi- ke an einer Studienreise zur Willow Creek Community ec schen Universitäten und Hochschulen nahmen im August ig te B 25 Theologiestudierende von unterschiedlichen deut- Kann man von amerikanischen Kirchen überhaupt etwas lernen, was für unsere deutschen Kirchen und Gemeinden Relevanz hat? Schließlich sind wir das Mutterland der Reformation (2017 werden wir es wieder stolz zelebrieren). Wir schauen auf eine Jahrhunderte lange Kirchen- und Theologiegeschichte zurück, sind stolz auf unsere reichen Traditionen – was soll uns eine Fastfood-Nation kirchlich schon beibringen können? Zugegeben: In anderen Bereichen haben wir längst von Amerika gelernt oder gar manches übernommen: Burger, Google und Apple sind Teil unserer Kultur geworden. Aber Kirche können wir doch selbst. Oder? Es ist wirklich so: Einiges auf der Reise ist uns fremd erschienen und fremd geblieben. Willow Creek ist eine Megachurch, kaum vergleichbar mit unseren Kirchengemeinden, die flächendeckend in jeder Stadt und jedem noch so kleinen Ort zu finden sind. Willow Creek ist gerade 40 Jahre alt geworden. Da fehlt jeder Reichtum (und Ballast) von Traditionen oder denkmalgeschützten Gebäuden. Willow finanziert sich durch Spenden, ein Kirchensteuersystem ist unbekannt. Und: Willow ist Teil einer amerikanischen Kultur, in der das Religiöse im Gegensatz zu uns weithin salonfähig und selbstverständlich ist. Die für unser Land typische Peinlichkeit, die sich einstellt, wenn jemand anfängt über seinen Glauben zu sprechen, ist unseren amerikanischen Geschwistern fremd. Und so haben die Theologiestudierenden durchaus eine ›fremde‹ Kirche erlebt. Doch gerade am Fremden, Widerständigen, manchmal Irritierenden, kann man lernen und wachsen. Die Begegnung mit dem Fremden lässt das Eigene schärfer sehen: auch die eigene Kirche. So führte die Studienreise nach Chicago nicht nur in eine fremde kirchliche Kultur, die zu manchen theologischen Diskussionen führte, sondern auch zu überraschenden und herausfordernden Erkenntnissen. ut it lia hr Ju Sc in ,m ig nt . at ut en de ,m tu ng rn es bi le re ge be gi Tü lo in eo s Th au nd ch H e l- di ge au rt en ie ,i in en :E ch B m t- sü ch re re kt re ec sp lb «, A en td ag m zu w vo e be eb zu AM FREMDEN LERNEN ei ch 16 NE T Z WERK 17 S‹ U EN IR H ›V C S TS . A D EU E N R D G BE ES LO Ü N O EI E TH Das theologische Begleitpersonal ACHIM HÄRTNER und MICHAEL HERBST und ihre Einschätzungen der Chicago-Studienreise. »E ,w ie n Ta The di ah vie bo ol e m le G og r em en Ve in i ra ei , u M es t n ud nd m ar un t w bu en e se or t t in un rg u r . D d ih e F ng ar st ra ia re r g Pr D i e e n ä ge r in n z b ke s t b u be ei vo e r an W e m il i t T h c h e wo l ow eo zu r te si lo n c gi z e i un h ge sc d he n« n , nt it au Ze st r er ar in Se m ei nt e di e re it w ill ig de ar ie w w m un s be ch er m »I im fr ei t em es so D ic e in e n h Pr d e ke of te t n n: .A ,s D erl ch on eb e d r im e t B lic in H rn a är de k u tn f n d a is t er n i vo . s, n c w ht as au G ot f t G er lg «, , be t« n , m nn n ße er n he rö Hat das „bildgebende Verfahren“ funktioniert? sc G m ko ut a ra te ut r rt ik ge de be er ve m an n nü n A Härtner: Meinem Eindruck nach haben viele Theologiestudierende kaum mehr ein positives Bild einer vitalen Gemeinde nach dem Vorbild von Apg. 2,42-47. Insofern ist diese Studienreise so etwas wie ein ›bildgebendes Verfahren‹. Willow hat über Jahrzehnte bewiesen, dass eine Gemeinde ihren Grundwerten treu bleiben und sich gleichwohl permanent weiterentwickeln kann, um ihrer Berufung so gut wie möglich gerecht zu werden. Härtner: Zunächst: Wer Willow zum ersten Mal besucht, ist natürlich von der Größe des Gemeindezentrums und der Exzellenz all dessen, was dort angeboten wird, beeindruckt. Manche Studierenden waren begeistert und sagten: So etwas brauchen wir in Deutschland auch! Andere waren skeptisch oder gar ablehnend: te ge s la au ge Herbst: Ich erlebe eine Gemeinde, die bei aller Größe den Einzelnen sieht und achtet, deren Gastfreundschaft überwältigend ist. Und ich sehe eine Gemeinde, in der Menschen mit ihren Wunden Hilfe finden und mit ihren Stärken Freiräume zum Mitwirken. Ich sehe eine Leitung, die demütig und klar zugleich ist. Und ich sehe eine Gemeinde, die in 40 Jahren nichts von ihrer Leidenschaft verloren hat, glaubensferne Menschen zu hingegebenen Nachfolgern von Jesus zu machen. Ich jedenfalls bin dort gerne Schüler. gu ge an as ka m is M ,w be ne ps em ch ei ke ,d t. M zu !S m n s is nz bs ha da ps le er lle su ‹, el H ta tu us ke xz el up ha ha ic ir ir :S ,E er be ›V rt ät üb n rt hö it de A ge al »W ne n s ei ge un bt Das Wort „Megachurch“ hat hierzulande häufig einen negativen Beigeschmack: Menschen gehen in der Masse unter, bleiben anonym und allein, wird gemutmaßt. Zutreffend? gi M f. NE T Z WERK d ro 18 on un Herbst: Ich mag nicht wiederholen, was man oft hört: dass man nichts kopieren könne. Stimmt das eigentlich? Abgesehen davon ist es die unermüdliche Bereitschaft, Altes zu prüfen, Gewohntes und Beliebtes bei Bedarf auch zu lassen oder mindestens zu überarbeiten, wenn es den innersten Werten der Gemeinde nicht mehr entspricht. Man sieht bei Willow wenig von unserer Untugend, sich nur schwer von Altem zu verabschieden. si tP Die Willow-Gottesdienste werden von 23.000 Menschen besucht. Was können angehende Theologen von der Megachurch lernen? Später werden sie ja für deutlich kleinere Gemeinden zuständig sein. lo es ie de Achim Härtner: Es ist eine gute Möglichkeit, das eigene theologische Profil zu schärfen. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn es gelingt, die Studienreise auch formal ins Theologiestudium einzubinden. Durch vorbereitende Lektüre, schriftliche Reflexion, Credit-Punkte. An unserer Hochschule haben wir gute Erfahrungen damit gemacht. eo of rg fin tu Michael Herbst: Reisen bildet! Die Studierenden lesen nicht nur, sondern erleben, wie z.B. sich Gemeindeleben in der Willow Creek Community Church ›anfühlt‹, wenn man Gastfreundschaft erlebt, beim Lobpreis mitsingt oder die Leiter der Gemeinde befragen kann. Erleben und reflektieren ist deutlich mehr als nur Lesen. s Th Pr Li Welchen Wert hat eine Reise zur Willow-Gemeinde für Theologiestudierende? r ne ch ei ei vo n ie ,d hn en sc ir K t. a nj Le ip zi g üb er ze ug tA is «, er it tt ha ng n nu eg eg at th er m tb ch ns si ie n D ge in re br sb te er nd rä it ät ve ve rs n de r ih U ni be ih in er it e ne G ot n he ei ie ls ei r Le w n, ei eb be Li ar it -M lic ow ft ill ha W sc ie en »D id le PROF. ACHIM HÄRTNER M.A. lehrt Praktische Theologie (E. Stanley Jones Chair of Evangelism) an der Theologischen Hochschule Reutlingen, in Trägerschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche. th-reutlingen.de PROF. DR. MICHAEL HERBST Professor für Praktische Theologie an der Universität Greifswald sowie Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung. theologie.uni-greifswald.de/ieeg . de it en th ab m d le rn un n ge EUR 17,95 sc h m di er m eh ln ei ie kt gi lo th eo zu Menschen der Bibel AT Broschiert, 240 Seiten; Format: 20 x 27 cm ISBN: 978-3-95790-020-3; Best.-Nr.: 682020 en ,w as si e re is Re re fle e di en le bt e tt ha Männer Gottes ve rk nü pf ei t, da s Er en nd ru ch us hk lic E. Rasnake, W. Barber, R. Shepherd zu gatio. w.r ww i Härtner: Nicht zu vergessen, dass angehende Theologen eine geistliche Persönlichkeit ausbilden müssen. Dass sie einen Lebensstil einüben, der die Jesus-Nachfolge für andere erkennbar und einladend macht. Zugleich ist ein gutes Beheimatet-Sein in der eigenen Glaubenstradition wichtig – während sie lernen müssen, offen für Menschen anderen Glaubens zu sein. Dazu gehört auch die Fähigkeit, die eigenen geistlichen Überzeugungen so zur Sprache zu bringen, dass sie von Menschen ohne religiöse Vorkenntnisse verstanden werden können. ADAM · NOAH · HIOB · ABRAHAM · LOT · JAKOB · JOSEF · MOSE · KALEB · JOSUA · GIDEON · SIMSON NEU e Interview: Gotthard Westhoff Simon Hesselmann et Herbst: Leider hat sich seit dem letzten Jahrhundert – oder sollte ich sagen: seit dem letzten Jahrtausend – nichts geändert. In der Tat: Die Rahmenbedingungen für den pastoralen Dienst ändern sich rasant. Es geht etwas zu Ende in unserem Land: die selbstverständliche Volkskirchlichkeit. Wenn wir nur lernen, wie wir pflegen, bewahren, weiterführen, was immer schon da war, mit denen, die immer schon da waren, dann werden wir der missionarischen Herausforderung nicht gerecht. Wir brauchen neben der erwähnten ›Wiedervereinigung von Wissenschaft und Frömmigkeit‹ auch eine Erweiterung des Spektrums: vom Bewahrer des kirchlich Vorgegebenen zum geistlichen Unternehmer, der Neues aufzubauen hilft, und der mit theologischer Kenntnis hilft, gemeindliche Start-ups in einer säkularer werdenden Welt zu begründen. ta td ns an ,k en eh zi zu NE T Z WERK Das Umfeld, auf das die angehenden Theologen treffen, hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Wurde in der Ausbildung darauf reagiert? Lernen Sie am Beispiel dieser Personen aus dem Alten Testament Gottes Prinzipien für die Nachfolge kennen. com 20 Zwölf Männer Herbst: Da könnte ich ganz viel nennen: im Gottesdienst plötzlich ›Bluegrass Worship‹ zu hören; der Vortrag von Bill Hybels; ein exzellentes Steakessen mit dem Team; morgens um 6:30 Uhr Joggen in einem bezaubernden Park; der Anblick der Chicago-Skyline vom Lake Michigan aus… Herausragend aber waren die vielen kleinen Gespräche, bei den Autofahrten mit den Studierenden, über alles Mögliche, mal ernst, mal albern, mal theologisch, mal ›kirchlich‹ und oft auch über das, was den jungen Leuten wirklich auf der Seele brennt. ög Herbst: Und dass schon im Studium zusammenkommt, was zusammen gehört: fleißiges Lernen, tiefes Nachdenken, beste Theologie, alle Mühe, die es kostet, sich einzulesen und einzudenken, um theologisch auskunftsfähig und urteilskräftig zu werden. Und dann: Leidenschaft für die Mission Gottes, Gebet und Gottesdienst, geistliche Bildung des eigenen Herzens, Begegnung mit Menschen, die eine Vision für die Kirche haben, Einübung Kurs- und Studienmaterial Gab es ein Highlight auf der Reise? us Härtner: Fachlich gut begleitete Exkursionen müssten noch stärker Teil theologischer Ausbildungsgänge sein. An GoodPractice-Beispielen wie Willow kann man viel lernen, wenn gewährleistet ist, dass nicht das Modell an sich im Mittelpunkt steht, sondern das Lernen am Modell. in alles, was die Gemeinde im 21. Jahrhundert braucht. Dass das weitgehend auseinandergerissen bleibt, schädigt unseren theologischen Nachwuchs und die Kirche. A ei m e rn Worauf müsste in der Ausbildung angehender Pfarrerinnen und Pfarrern ein noch größerer Schwerpunkt gelegt werden? u ge Herbst: Genau. Es war wichtig, dass sie das Erlebte reflektieren und mit dem verknüpfen konnten, was sie theologisch gelernt haben. Zahlreiche theologische Grundfragen stellen sich, wenn man Willow Creek, und die anderen spannenden Orte der Reise, aufsucht: Wie denke ich über Taufe, Leitung, Mission, Diakonie, Heiligung, Eschatologie usw.? Der Transfer geht in mehrere Richtungen: Das theologisch Erlernte hilft das Erlebte einzuordnen und zu verstehen, wenn es z.B. um die Bemühungen um Wachstum im Glauben geht und wir dann noch einmal theologisch über das Verhältnis von Rechtfertigung und Heiligung nachdenken. Dabei kommen die Dinge in Bewegung: Ich muss mir klarmachen, warum z.B. unsere Taufpraxis in der Landeskirche eine andere ist, und was wir in dieser Hinsicht voneinander lernen können. M t: bs in er de H it el m ha ch ic di M m zu ,u s st el ch yb au H br ill B rt O er »W e G nn n ru d B pp u e ür o in e nu z e t z ur ü n en ck .« - Herbst: Es gibt eine Art ›Virus‹, das zu einem guten deutschen Theologen gehört: Skepsis! Skepsis gegenüber Größe, Professionalität, Exzellenz, dem Mangel an vertrauter Liturgie und überhaupt allem, was aus Amerika kommt – bis auf dieses oder jenes Spielzeug, das man dann doch gerne nutzt. Es wäre seltsam, wenn unsere Studierenden nicht auch diese viral vermittelte Zurückhaltung mitbrächten und auch deutlich äußerten. Aber dann gab es bei der Reise eine Wandlung: nicht zu kritikloser Begeisterung, aber zu wachsendem Respekt, größerer Zuneigung und persönlicher Offenheit: Häufig ist der Besuch im WillowCare Center der ›turning point‹, weil man kaum durch diese Räume geführt werden kann, ohne den Geist zu spüren, der hier weht: Hingabe, Respekt vor dem Einzelnen, reflektiertes Tun, professionelle Hilfe, die nicht nur ›Pflästerchen‹ verteilt, eine im Gebet sich äußernde Abhängigkeit von Gott und fantasievolle Liebe zu denen, die die Dienste in Anspruch nehmen. Das Care Center leistet also auch Überzeugungsarbeit an mild skeptischen deutschen Theologen. Die regelmäßigen Reflexionsrunden, die Achim Härtner erwähnt hat, spielten offenbar auch eine wichtige Rolle. In zu groß, zu perfekt, zu amerikanisch, hieß es. Es ist gut, dass die ersten Wahrnehmungen in Reflexionsrunden ausgesprochen werden konnten. Die Begegnungen mit Willow-Leitungspersonen und ›normalen‹ Gemeindegliedern verschafften den Studierenden dann einen differenzierten Einblick in das Selbstverständnis und den Dienst der Gemeinde. rigatio Stiftung gGmbH 21 Carl-Benz-Straße 2 I 57299 Burbach I Deutschland A N LS TH AC B E HW EI O W LO UC IL G I H LO N SW Studienreisen-Teilnehmerin DARIA PRINKE über ihre Erlebnisse und Erkenntnisse in Chicago 22 GEMEINDE UND GELD Ich war erstaunt, wie viele Verantwortungsträger bei Willow sich während unseres einwöchigen Aufenthalts immer wieder Zeit nahmen, um unsere zahlreichen Fragen zu beantworten. Besonders interessant war für mich ein Treffen mit Matt Sundstedt, dem Finanz-Chef der Gemeinde. Mit eindrücklicher Offenheit sprach er über das Thema Geld. Von meiner deutschen Prägung bin ich es nicht gewohnt, dass Menschen so locker und leicht darüber reden können (oder wollen). Sundstedt dagegen sprach unverblümt über den monatlichen Etat oder die Ausgaben für verschiedene Dienstbereiche. Ein weiteres eindrückliches Beispiel war der Bericht von Gary Schwammlein, dem Leiter der Willow Creek Association (WCA), der internationalen Arbeit von Willow. Er berichtete von einem Treffen mit einem potenziellen Spender, der der WCA $ 8.000 in Aussicht gestellt hatte. Gary Schwammlein hatte sich gut auf das Treffen vorbereitet und erfuhr dabei von dem enormen Vermögen des Unternehmers. Bei dem Gespräch konnte er den Geschäftsmann dann überzeugen, statt der $ 8.000 eine Million Dollar zu spenden. Sein unverkrampftes, aber sensibles Vorgehen – gepaart mit der tiefen Überzeugung, dass Gott die weltweite Arbeit FRAGEN UND ANTWORTEN Wichtige Momente waren für mich auch die Reflexionsrunden, die von Prof. Achim Härtner und Prof. Michael Herbst geleitet wurden. Hier konnten wir ausführlich über das Erlebte und Gehörte diskutieren und erhielten durch die unterschiedlichen Meinungen der Studierenden neue Denkanstöße. Ein Thema, das immer wieder auftauchte, war die Frage nach dem Motiv hinter der außerordentlichen Qualität, die wir an vielen Stellen der Gemeinde erlebten. Wir haben gelernt, dass es Willow nie um Perfektion, sondern um Exzellenz geht. Dies bedeutet, dass man aus den zur Verfügung stehenden Ressourcen – Geld, Räumlichkeiten, Zeit, Kraft, persönliche Begabungen – das Bestmögliche macht: zur Ehre Gottes. Genau das erlebten wir in jeder Veranstaltung: Musiker, die einen musikalisch hochwertigen Lobpreis auf die Bühne brachten, sich dabei aber nie selbst ins Rampenlicht drängten, sondern stets Gott in den Mittelpunkt stellten. Auch das Motto der vielen Ehrenamtlichen, die bei den Veranstaltungen fast unsichtbar für einen reibungslosen Ablauf sorgten, lautete ›Here to serve!‹ – Wir sind hier um zu dienen! Man konnte spüren, dass diese Gemeinde sich bewusst ist, von Gott reich beschenkt worden zu sein. Nun sehen sie es als ihre Aufgabe, ihr Beschenktsein an andere weiterzugeben. Ein Aha-Moment war für mich ein Gedanke während einer Reflexionsrunde: »Wir bekommen in unserem Alltag an vielen Stellen qualitativ Hochwertiges präsentiert. Das erwarten wir häufig auch. Weshalb messen wir in der Gemeinde oft mit einem anderen Maß?« Müssen wir uns dort mit halbherziger Organisation, mittelmäßigem Lobpreis oder schlechtem Kaffee zufrieden geben? Was wäre, wenn wir als Verantwortungsträger unseren Gemeindemitgliedern noch besser dabei helfen würden, ihre Gaben zu entdecken TITELKOPF » M Da s w us e br er t ike rle in ac ig r, bt so s R h t e n d i e n M nd am en, Lo e e wi i t t e r p s b p in r i e l n e n ich re e n n p u s t li i m je n k e t s ch d a b s a u d e u t t s G d e i f si k r V t e o t rä n a b d i e a l i e r l l t t i g e B sc a n en n te r n ü h st .« de n, ie hn ho alt n s e e ch u n - g: lb st Zugegeben, ich gehörte nicht zu den Menschen, die regelmäßig an Willow-Kongressen teilnehmen. Auch ein Amerika-Urlaub hatte mich bisher nicht besonders gereizt. Aber die Studienreise für Theologiestudierende zur Willow Creek-Gemeinde in Chicago im August 2015 reizte mich. Ich hatte von der hohen Qualität gehört, mit der Leitungspersonen und Mitarbeitende dort in ihren Aufgaben gefördert werden. Das wollte ich mir gern aus nächster Nähe anschauen. Gespannt war ich auch, wie Willow es schafft, eine Gemeinde von 23.000 Gottesdienstbesuchern zu organisieren. Gleich mehrere Fragen stellten sich: Bleiben bei dieser Größe nicht die persönlichen Begegnungen auf der Strecke? Wie steht es um die persönliche Beziehung zu Jesus bei den Mitarbeitenden? Steht sie noch im Vordergrund oder geht es bei Willow hauptsächlich darum, dem ›Publikum‹ regelmäßig eine ›gute Show‹ zu liefern? Diese und viele andere Fragen begleiteten unsere bunt zusammengewürfelte Studentengruppe. der Willow Creek Association nutzen möchte – und dass er deshalb offen auch über Geld spricht, hat uns als Gruppe ins Nachdenken gebracht. Auch wenn man Willows Vorgehensweisen sicher nicht in allen Bereichen eins zu eins in Deutschland umsetzen kann, haben mir die Beispiele gezeigt, dass Geld in unseren Gemeinden nicht das Tabu-Thema sein muss, zu dem es oft stilisiert wird. Ein offenerer Umgang, ein mutigeres Ansprechen dessen, was benötigt wird und was damit erreicht werden könnte, könnte dazu führen, dass diese Praxis auch in unseren Gemeinden salonfähiger wird. Immerhin: Auch der Bereich Finanzen zählt zur praktischen Nachfolge eines Christen. und sie entsprechend einzusetzen? Oder wenn wir Menschen, die offensichtlich am falschen Platz sind, behutsam und liebevoll zu dem Bereich geleiten, in dem ihre Talente tatsächlich etwas bewegen? Sicher, das sind knifflige Aufgaben – aber auch sie gehören zum Verantwortungsbereich von Leitungspersönlichkeiten. Erst auf diese Weise, so mein Eindruck nach der Reise, entsteht ein überzeugendes Gesamtbild einer Gemeinde. Ich jedenfalls war beeindruckt, wie viel reibungsloser eine Gemeinde ›funktionieren‹ kann, wenn das richtige Maß an Energie darauf verwendet wird, jedes Gemeindeglied zur Mitarbeit zu motivieren. Ja, motivieren! Nicht zwingen, nicht drängen, nicht überreden. Sondern sich die Mühe machen, jedem das große Bild vor Augen zu malen und deutlich zu machen, welchen Anteil der betreffende Mitarbeitende daran hat. Das ist natürlich mit viel Arbeit verbunden. Vielleicht werde ich darüber auch etwas anders denken, wenn ich erst einmal selbst in der Leitungsposition einer Gemeinde bin und täglich mit vielen Herausforderungen und Hürden zu tun habe. Doch ich bin überzeugt: Dies könnte auch in unseren Gemeinden dazu führen, dass das Bild, das viele von Kirche im Kopf haben, wieder zurechtgerückt wird. Dass Kirche wieder zu dem einladenden, lebensnahen und wirkungsvollen Ort wird, der er eigentlich sein sollte. Denn wer sonst sollte den Menschen anschaulich die Hoffnung und Liebe von Jesus Christus vermitteln, wenn nicht sein Leib, die Kirche selbst? Diese Verantwortung möchte ich mir in Zukunft noch bewusster machen und meine Gaben mit Blick darauf effizienter und leidenschaftlicher einsetzen. DARIA PRINKE studiert am Theologischen Seminar Tabor in Marburg. Sie zählte zu den 25 Theologiestudierenden, die im August 2015 an der Chicago-Studienreise teilnahmen. Pete Ruppert 23