Biopharmazeutika
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Biopharmazeutika
Finanzmarktkommentar HealthCare Verfasser: Klaus Niedermeier, Finanzanalyst/CEFA, 5. Juli 2016 Biopharmazeutika-Zulieferer – Ein Blick hinter die Kulissen Der Biopharmazeutika-Markt wird weiter stärker wachsen als der klassische Pharmamarkt Zulieferer von Laborausstattung profitieren direkt vom Wachstum Mit der Einführung von Biosimilars scheint der nächste Wachstumsschub schon vor der Tür zu stehen Biotechnologie weiter auf Wachstumskurs Seitdem 1982 mit Genentechs Humulin, einem biosynthetischem Humaninsulin, das erste biologische Arzneimittel zugelassen wurde, hat sich der Markt für Biopharmazeutika stetig weiterentwickelt. Zum Ausdruck kommt das vor allen Dingen in den Forschungsaktivitäten der Industrie. So machen biologische Medikamente bei den großen europäischen Pharmakonzernen mittlerweile 46 % der Forschungspipeline aus – 2005 waren es gerade einmal 25 %. Diese Zahlen spiegeln das hohe Wachstumspotenzial der Branche wider. IMS Health, ein Informationsdienstleister aus der Gesundheitsbranche, rechnet damit, dass der Biopharma-Markt in den Jahren 2015 bis 2020 im Schnitt mit 8 bis 9% wachsen sollte, was deutlich mehr ist als die für den klassischen Pharmamarkt prognostizierten 4 bis 7 %. Anzahl Zulassungen von Biopharmazeutika durch die FDA Anzahl Biopharmazeutika in Entwicklung 14 Sanofi 12 Roche 10 Glaxo Smith Kline 8 Astra Zeneca 6 Novartis Novo Nordisk 4 Bayer 2 Merck 2015 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 0 0 5 2015 10 15 2005 20 25 30 35 Quellen:ClinicalTrials.gov, EU trials register. Ein Blick hinter die Kulissen: Zulieferer und Laborausstatter profitieren vom Wachstum Von diesem Wachstumstrend profitieren natürlich zuallererst die Entwickler von Biotech-Medikamenten. Doch ein Blick auf den Produktionsablauf zeigt, dass bei der Herstellung viele Prozesse ineinander greifen. Der Produktionsprozess wird in der Regel in „Upstream“ und „Downstream“ gegliedert. Hierbei umfasst der erste Begriff die Schritte, die zur Anzucht und Vermehrung von Wirkstoffzellen nötig sind, der zweite die Separations-, Reinigungs- und Konzentrationsprozesse im Anschluss. Für jeden Teil der Produktionskette werden dafür ausgelegte Maschinen und Werkzeuge benötigt, die von spezialisierten Zulieferern kommen. Die Produktpalette reicht hier von einfachen Waagen über Filtrationsanlagen und Systeme zur kontrollierten Kühlung oder Erhitzung von Flüssigkeiten, bis hin zu Fermentern mit Kapazitäten von mehreren tausend Litern, in Die hier getroffenen Aussagen beruhen auf Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, aber nicht überprüft haben. Die Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben ist auf grobes Verschulden begrenzt. Nachdruck nur mit Genehmigung. 1/2 Finanzmarktkommentar HealthCare Verfasser: Klaus Niedermeier, Finanzanalyst/CEFA, 5. Juli 2016 denen die Biopharmazeutika durch Organismen (Bakterien, Pilze, Säugetierzellen) produziert werden. Je nach Größe des Marktes kommen hierbei kleine Einweglösungen, die nicht gereinigt werden müssen (sogenannte Single-Use Produkte), oder große Stahlbehälter zum Einsatz. Dieses Equipment kommt von Zulieferern aus der Laborausstattung und Medizintechnik. Zu den namhaften Spielern im Zulieferermarkt gehören die US-Konzerne Danaher, Thermo Fisher und General Electrics sowie die deutschen Unternehmen Sartorius und Merck KGaA (mit ihrer Sparte Life Science – Innovative Systeme). Attraktiv ist dieser Markt natürlich vor allem durch die hohen Wachstumsraten, von denen die Zulieferer direkt profitieren. Darüber hinaus ist der Markt durch hohe Eintrittsbarrieren gekennzeichnet. Denn bei der Zulassung von Arzneimitteln, insbesondere bei Biotech-Produkten, ist der Herstellungsprozess Teil der Zulassung. Deshalb kann kein Zulieferer ohne weiteres ersetzt werden und ein Wechsel ist für den Pharmaproduzenten mit sehr hohen Kosten verbunden. Gleichzeitig sind die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung im Technikbereich geringer, so dass die Labor- und Technik-Unternehmen mit hohen Margen aufwarten können. Für den einzelnen Zulieferer liegt das Hauptrisiko im Vertriebserfolg der produzierenden Pharmaunternehmen und der damit einhergehenden Abhängigkeit. Deshalb gilt es, die Konzentration auf einzelne Medikamentenhersteller und die daraus resultierenden „Klumpenrisiken“ zu meiden, und sich stattdessen möglichst breit aufzustellen. Nächster Wachstumstreiber: Biosimilars Auch wenn Biopharmazeutika noch ein sehr junges Feld sind, beschäftigen sich Forschung und Kapitalmärkte schon mit ihren Nachfolgern, den sogenannten Biosimilars. Im Gegensatz zu klassischen Medikamenten, die über ihre Molekülstruktur definiert werden, ist es bei biologischen Arzneistoffen aufgrund der Herstellungsweise nicht möglich, das Originalpräparat völlig identisch als Generikum zu replizieren. Deshalb muss der Hersteller des Nachahmerpräparates den gleichen Zulassungsprozess durchlaufen wie die Originalanbieter. In Europa brachte Sandoz, die Generika-Sparte des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, mit Omnitrope bereits 2006 das erste Biosimilar auf den Markt (Omnitrope wird bei Mangel an Wachstumshormonen verwendet). In den USA dauerte es aufgrund der anderen Zulassungsbedingungen bis 2015, bis mit Sandoz‘ Zarxio (Filgrastim) das erste Nachahmerprodukt von der amerikanische Zulassungsbehörde FDA zugelassen wurde, das seitdem in Konkurrenz zu Neupogen steht, Amgens Originalpräparat zur Erhöhung der weißen Blutkörperchen. IMS Health schätzt, dass bis 2020 Biopharmazeutika mit Umsätzen von über 40 Mrd. Euro ihren Patentschutz verlieren und damit den Markt für Nachahmerprodukte, die Biosimilars, öffnen. Doch auch wenn die Hersteller von Originalpräparaten den Verlust des Patentschutzes fürchten, können die Zulieferer von der Einführung neuer Medikamente profitieren. Denn während die Einführung von Biosimilars zu spürbaren Preis- und Umsatzrückgängen bei den Originalpräparaten führt, kommen den Zulieferern die insgesamt höheren Volumina zu Gute. Originalbiopharmazeutikum und Nachahmermedikament unterscheiden sich massiv bei den Entwicklungskosten, die eigentlichen Herstellungskosten sind jedoch annähernd gleich. Dementsprechend gibt es für die Zulieferer keinen Grund, bei den Preisen zu differenzieren, so dass die Hersteller von Filtern, Fermentern und ähnlichen Ausrüstungsgegenständen ungehindert am Volumenwachstum des Marktes profitieren können – gleich ob Biosimilar oder Original. Die hier getroffenen Aussagen beruhen auf Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, aber nicht überprüft haben. Die Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben ist auf grobes Verschulden begrenzt. Nachdruck nur mit Genehmigung. 2/2