schmerztherapie 1/2008 - Deutsche Gesellschaft für
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schmerztherapie 1/2008 - Deutsche Gesellschaft für
SCHMERZTHERAPIE Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e. V. – DGS 24. Jahrgang 2008 1I2008 Ehemals StK Inhalt Editorial Schmerztherapie – ein Kostentreiber?.......................... 2 Pharmakotherapie Einerlei oder Zweierlei – Generika und Originalprodukte in der Therapie.......................................... 4 Serie Rückenschmerz Rückenschmerzen – eine interdisziplinäre Herausforderung......... 7 Schmerz im Krankenhaus Perioperative Schmerztherapie beim opioidgewöhnten Patienten......................................... 9 DGS-Veranstaltungen................ 11 Schmerzforschung Frauen und Schmerzen: Mythen und Fakten...................... 12 Zur Diskussion Abdominelle Migräne?................. 14 Der Deutsche Schmerztag 2008 Psychologie: Achtsamkeit und Akzeptanz..................................... 15 Medizin und Recht Anforderungen an die Genehmigung einer Zweigpraxis................ 19 Berufspolitik EBM 2008 – ein „Meilenstein für die Zukunft“............................. 21 Dokumentation Therapeutisches Muss, kein bürokratischer Unsinn.................. 25 Kasuistik Tumorschmerzen.......................... 27 Das bringt der neue EBM 2008 für Schmerztherapeuten www.dgschmerztherapie.de ISSN 1613-9968 Editorial Schmerztherapie – ein Kostentreiber? „… Allerdings ist das Prinzip der Schmerztherapie nicht überzeugend, was zum Beispiel die Medikamentenbehandlung anbelangt. So werden Patienten immer häufiger mit starken Medikamenten behandelt, wodurch nie mehr eine weniger beeinträchtigende Schmerzbehandlung vorgenommen werden kann“, schreibt der Zulassungsausschuss einer Kassenärztlichen Vereinigung als Begründung für die Ablehnung einer Sonderbedarfs ermächtigung. Diese Aussage dokumentiert nicht nur fatale Vorurteile gegenüber der medikamentösen Schmerztherapie, sondern gleichzeitig auch fatale Unkenntnis, die eines allgemeinärztlichen Gutachters unwürdig ist. Irrtum Nummer 1 Irrtum Nummer 2 „Alle stark wirksamen Schmerzmittel haben ein gleiches Nebenwirkungsprofil und beeinträchtigen deshalb die Patienten.“ In letzter Konsequenz führt diese Fehleinschätzung dazu, generisches Morphin als Leitsubstanz und primär einzusetzendes Opioid zu fordern. Völlig unbeachtet bleibt hierbei, dass verschiedene Opioide nicht nur ein verschiedenes Wirkspektrum (Rezeptorenspezifität) haben, sondern unterschiedlich metabolisiert werden und deshalb in Abhängigkeit von Leber- und Nierenfunktion völlig unterschiedliche Wirkungen entfalten können. Dass darüber hinaus neue Galenik und sinnvolle Kombinationen – z. B. von Oxycodon mit Naloxon – Nebenwirkungsprofile deutlich verbessern und gleichzeitig effiziente Schmerztherapie zulassen kann, wird ebenfalls ignoriert. Cartoon: Liebermann „Starke Schmerzmedikamente stellen eine beeinträchtigende Schmerzbehandlung dar.“ In letzter Konsequenz bedeutet diese Aussage, dass Ärzte, die so denken, ihren Patienten lieber stark wirksame Analgetika vorenthalten und sie Schmerzen leiden lassen, als sie „durch Medikamente zu beeinträchtigen“. Derartige Aussagen kann nur jemand treffen, für den die Differenzialtherapie mit Opioiden ein Buch mit sieben Siegeln ist. Zahlreiche Untersuchungen haben die gute Verträglichkeit sinnvoll retardierter Opioide in sinnvollen Kombinationen nachgewiesen. So ist zum Beispiel ein Arzt nach 17 Stunden Bereitschaftsdienst ein größeres Risiko im Autoverkehr als ein Patient, der auf eine konstante Dosis eines retardierten Opioids eingestellt ist. Ohne Zweifel besteht die Kunst allerdings darin, die richtige medikamentöse Therapie für den individuellen Patienten zu finden (siehe Kasuistik Seite 27). Dies erfordert allerdings Fortbildung über pharmakologische Neuentwicklungen und neue Kombinationen. Gerhard H. H. MüllerSchwefe, Göppingen Irrtum Nummer 3 „Wer einmal stark wirksame Analgetika nimmt, ist für andere Verfahren der Schmerztherapie verloren.“ Nicht nur erfahrene Schmerztherapeuten, sondern auch Allgemeinärzte und Fachärzte wissen, dass stark wirksame Analgetika immer im Gesamtkonzept einer multimodalen Schmerztherapie eingesetzt werden sollen und häufig andere Therapieverfahren erst ermöglichen. Irrtum Nummer 4 Die Aussage „Patienten werden immer häufiger mit starken Medikamenten behandelt, wodurch nie mehr eine weniger beeinträchtigende Schmerzbehandlung vorgenommen werden kann“, suggeriert, dass diese Patienten durch die Schmerztherapie süchtig oder zumindest abhängig gemacht werden, sodass andere Therapieverfahren nicht mehr möglich sind. Das Gegenteil ist der Fall: Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Gefahr von Dosiseskalation und Abhängigkeit durch die zögerliche Gabe nicht retardierter Opioide entsteht und nicht durch den sinnvollen Einsatz ausreichend lang retardierter Opioide in sinnvoller Kombination. Kennen Sie Reserveopioide? Die ganze Scheinheiligkeit dieser Argumentation, die das Wohl der Patienten vorschiebt, in Wirklichkeit aber die Kassenlage der Krankenversicherungen im Blickfeld hat, wird durch die Prägung eines neuen Begriffs in Arzneimittelregressen deutlich: „Reserveopioide“ ist die neue Wortschöpfung, die sich in keinem Lexikon der Welt (übrigens auch nicht in Google als Suchbegriff) finden lässt, aber in überraschender Einigkeit von verschiedenen Prüfgremien in Bescheiden für Arzneimittelregresse wiederfindet. Hier wird festge- SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Editorial stellt „… Eine unwirtschaftliche Verordnungsweise … ergab sich vor allem auch aus dem unwirtschaftlichen Verhältnis zwischen den eingesetzten Reserveopioiden (Durogesic, Oxygesic, Palladon ret. und Transtec) gegenüber der Leitsubstanz retardiertes Morphin.“ Dies stellt eine einmalige neue Klassifikation der Opioide dar, die in keiner wissenschaftlichen Studie untersucht oder belegt ist und ein einziges Ziel hat, nämlich Ärzte, die differenzialtherapeutisch arbeiten und ihre Pharmakologie gelernt haben, einzuschüchtern und zur Umstellung auf die angebliche Leitsubstanz retardiertes Morphin zu bewegen. Unverholen wird festgestellt, dass die Umstellung ausschließlich aus Kostengründen zu erfolgen gehabt hätte, Verträglichkeit und Compliance werden vollständig ignoriert, notwendige Begleitmedikation, häufigere Arztbesuche aufgrund von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen gehen ja ohnedies zulasten des sein Budget überschreitenden Arztes und pharmakologische Eigenheiten der einzelnen Substanzen werden bewusst ignoriert. Gerade bei Patienten, bei denen eine stabile Einstellung mit einem stark wirksamen Opioid oft das Ergebnis einer langwierigen Titrationsphase bis zur individuellen Einstellung der verträglichen Therapie beinhaltet, stellt der willkürliche Wechsel auf andere Präparate im Rahmen der Substitution durch Apotheker aufgrund von Rabattverträgen nicht nur eine inakzeptable Belastung der Patienten dar, sondern auch ein hohes Risiko. Schmerztherapie im EBM – wird nun alles gut? Mit der Einführung einer schmerztherapeutischen Grundpauschale (GOP Nr. 30 700 EBM 2008) wurde in der vertragsärztlichen Versorgung eine Grundpauschale für Patienten im Rahmen der Versorgung nach Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten nach § 135 Abs. 2 SGB V eingeführt (siehe Beitrag von Dietrich Jungck, Seite 21). Mit einer Bewertung von 685 Punkten für diese „schwierigste unter allen Patientengruppen“ bei gleichzeitigem Ausschluss der Chronikerpauschale fällt die Vergütung allerdings mager aus. Gravierender erscheint mir, dass allgemeine Schmerztherapie in der hausärztlichen Vergütung nach wie vor nicht erscheint. Unter zehn „besonders förderungswürdigen Einzelleistungen und Leistungskomplexen“ wie beispielsweise hausärztlich geriatrisches Basisassesment (03 240), computergestützte Auswertung eines kontinuierlich aufgezeichneten Langzeit-EKGs (03 241), Testverfahren SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Kooperation mit Landesärztekammer Hessen In einem offenen und konstruktiven Gespräch haben die Hessische Landesärztekammer, vertre ten durch deren Präsidentin Frau Dr. med. Ursula Stüwe, sowie die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie, vertreten durch Dr. med. Ger hard H. H. Müller-Schwefe und Dr. Thomas Nolte, die Frage der Vergabe der Qualifikation Zusatz bezeichnung Spezielle Schmerztherapie in Hes sen erörtert und dabei Folgendes festgestellt: Die hohe Zahl der Schmerztherapeuten im Landesärztekammerbereich Hessen erklärt sich durch die dreijährige Übergangsfrist, in der die Mehrzahl der vergebenen Zertifikate erworben wurde. Die Hessische Landesärztekammer stellt ebenso wie die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie hohe Anforderungen an die Qualitätsstandards der speziellen Schmerzthera pie. Beide Seiten stellen ausdrücklich fest, dass der Vorwurf von Gefälligkeitsgutachten nicht auf die Hessische Landesärztekammer zutrifft. Die Hessische Landesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie wol len in Zukunft eng kooperieren in dem Bemü hen, die Qualität der schmerztherapeutischen Ausbildung und Versorgung mit hohen Stan dards zu füllen. bei Demenzverdacht (03 242), BelastungsEKG (03 321), Langzeit-EKG (03 322), Langzeit-Blutdruckmessung (03 324), spirografische Untersuchung (03 330) und weiteren fehlt leider nach wie vor die Abklärung einer beginnenden oder bestehenden Schmerzchronifizierung und die Einleitung therapeutischer Maßnahmen. Angesichts eines Heeres von 15 Millionen Patienten mit chronischen Schmerzen in Deutschland kommt dem „Gatekeeper Hausarzt“ hier besondere Bedeutung zu. Nur gute schmerztherapeutische Kenntnisse von Allgemeinärzten erlauben, dass Schmerzkarrieren in Zukunft erst gar nicht beginnen, sondern von Anfang an verhindert werden. Da Vergütungsregelungen wesentliche Anreize für die Steuerung der Versorgung darstellen, besteht hier dringender Handlungsbedarf. weiten Vergleich sind dies nur 35%), 87% sind auch nach sechs Monaten keinen Tag wegen Rückenschmerzen arbeitsunfähig gewesen. Die eingesparten Lohnfortzahlungskosten finanzieren nicht nur das komplette Programm, sondern lassen den beteiligten Kassen für jeden Patienten auch noch Geld übrig. Ohne Zweifel muss in diesen Programmen der nächste Schritt sein, dass Hausärzte und Fachärzte mit schmerztherapeutischer Qualifikation hier frühzeitig diagnostizieren und steuern. Adäquate Vergütung heißt deshalb nicht nur „Schmerztherapeuten brauchen mehr Geld“, sondern eben auch: „Hausärzte müssen schmerztherapeutische Qualifikation und Zeiteinsatz für Schmerzpatienten adäquat vergütet bekommen“. Wie wichtig hier gerade bei Rückenschmerzpatienten z. B. die ersten 14 Tage sind, schildert Michael Pfingsten in seinem Beitrag auf Seite 7. Weiter auf alten Pfaden? Wie effizient neue Versorgungswege sein können, zeigt gerade der zwischen der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie, GAF IV und Techniker Kasse, Gmünder Ersatzkasse und weiteren Krankenkassen seit 1,5 Jahren gelebte Vertrag zur integrierten Versorgung von Rückenschmerzpatienten. Frühintervention und intensive multimodale Therapie lassen in diesem Projekt nach vier bis acht Therapiewochen 92% der Rückenschmerzpatienten, die zuvor vier Wochen oder länger arbeitsunfähig waren, wieder zur Arbeit zurückkehren (im bundes- Schmerztherapie für alle ist die logische Konsequenz aus dieser Einsicht. Nur wenn schmerztherapeutische Kenntnisse für Hausärzte wie für Fachärzte eine anerkannte, vergütete und gelebte Qualifikation darstellen, werden wir es schaffen, das Heer der 15 Millionen Schmerzkranken in Deutschland zu verringern. Von Unkenntnis geprägte, zynische Zitate wie das eingangs geschilderte werden dann hoffentlich der Vergangenheit angehören. Der Deutsche Schmerztag 2008, der vom 6. bis 8. März unter dem Motto „Multimodale Schmerztherapie und Palliativversorgung in Wissenschaft, Politik und Ökonomie“ in Frankfurt am Main stattfindet, will hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Dieser Kongress vermittelt praxistaugliches schmerztherapeutisches Wissen für alle Ärzte und stellt den Bezug zur aktuellen Grundlagenforschung her. Hierzu lade ich Sie herzlich ein und freue mich heute schon, Sie in Frankfurt zu sehen. ❏ Herzlichst Ihr Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe Präsident, Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e. V. Pharmakotherapie Einerlei oder zweierlei? – Generika und Originalprodukte in der Therapie Im Rahmen der Gesundheitsreform 2007 spielt die wirtschaftliche Verordnungsweise von Arzneimitteln aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums und seiner Experten zur Erreichung der angestrebten Kosteneinsparungen eine zentrale Rolle. Um dies zu gewährleisten, sollen Ärzte für jeden Behandlungs-/Verordnungsfall das preisgünstigste wirksame Medikament verordnen bzw. im Falle chronisch Kranker laufende Therapien auf das preisgünstigste Medikament – meist ein sogenanntes Generikum – umstellen. Was dieses Vorgehen für die Schmerztherapeuten bedeutet, erläutert Priv.-Doz. Dr. med. Michael Überall, Vizepräsident DGS, Nürnberg. E s stellt sich immer wieder die Frage, ob Generika und Originalpräparate in ihrer Wirkung wirklich identisch sind oder nicht. Fakt ist, dass bei beiden (meist) nur der Wirkstoff identisch ist. Trotz identischem Wirkstoffgehalt können Original und Generikum aber eine unterschiedliche therapeutische Wirksamkeit und Verträglichkeit besitzen, die bei aller Euphorie um das Einsparpotenzial im jeweiligen Behandlungsfall und insbesondere bei Langzeittherapien chronisch Kranker berücksichtigt werden müssen. Original oder Nachahmer – was sind Generika? Unter einem Generikum versteht man ein Fertigarzneimittel, das den gleichen Wirkstoff enthält wie das Originalprodukt. Während das Original den ursprünglich vom Hersteller durch Forschung und Entwicklung gefundenen Wirkstoff enthält, soll ein Generikum einen dem Originalprodukt gleichwertigen therapeutischen Effekt erzielen, dessen Nachweis aus Kostengründen als Analogieschluss auf der Grundlage laborchemischer Untersuchungen (Überprüfung der sog. „Bioäquivalenz“) erfolgt. Möglich wird die Vermarktung eines Generikums dadurch, dass der vom Gesetzgeber gewährte Patentschutz auf das Originalprodukt nach einigen Jahren abläuft. Danach kann jeder andere pharmazeutische Hersteller den Wirkstoff unter einem anderen Namen auf den Markt bringen. Das Generika-Konzept: Zulassung von Original und Generikum Der Gesetzgeber schreibt aus Gründen der Arzneimittelsicherheit sehr umfangreiche Prüfungen vor, wenn ein neues Präparat auf den Markt kommen soll. Die Untersuchungen beginnen mit einer isolierten Substanz und ihrer Wirkung auf andere Moleküle (körpereigene Enzyme usw.). Die Entdeckung unerwünschter Wirkungen bedeutet oft das „Aus“ für eine Weiterentwicklung. Wenn sich keine negativen Substanzeigenschaften gezeigt haben, folgen die klinischen Studien der Phasen I–III. Hier werden Verträglichkeit, Wirksamkeit und Sicherheit ausführlich untersucht. Erst ganz zum Schluss wird das Präparat an einer größeren Gruppe von Patienten erprobt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind schon viele mögliche Risiken ausgeschlossen und die Studien haben das Ziel, die sog. therapeutische Wirksamkeit des Produkts im praktischen Alltag nachzuweisen. Begriffsdefinitionen Generika Als Generika gelten Arzneimittel, die sich bezüglich ihres Wirkstoffes, ihrer Darreichungsform und ihrer Dosierung an ein bereits zugelassenes Originalpräparat anlehnen. Therapeutische Äquivalenz Unter therapeutischer Äquivalenz versteht man ein innerhalb gewisser Grenzen identisches Wirksamkeits- und Nebenwirkungsprofil zweier Präparate. Der Nachweis der therapeutischen Äquivalenz ist aufwendig und wird seitens der Originalprodukte in Form eines umfangreichen, meist mehrjährigen klinischen Studienprogramms erbracht. Aufgrund dieses sehr großen – aus Sicht der Generikahersteller unzumutbaren Aufwands – wird der Nachweis der scheinbar vergleichbaren Wirkung für Generika in der Regel indirekt durch den Nachweis der sog. Bioäquivalenz geführt. Bioäquivalenz Unter Bioäquivalenz werden innerhalb gewisser, nach anerkannten Methoden ermittelten Grenzen deckungsgleich verlaufende Plasmaspiegelkurven zweier Präparate verstanden. Michael Überall, Nürnberg Der erfolgreiche Abschluss all dieser Studien ist die Voraussetzung für die gesetzliche Zulassung eines neuen Arzneimittels (= Originalprodukt). Dieser Weg bis zur Zulassung dauert oft Jahre. Die Kosten dafür sind hoch und können wirtschaftlich nur dann aufgebracht werden, wenn sie über die anschließende Vermarktung des Produkts wieder erwirtschaftet werden. Im Gegensatz zum Originalprodukt wird ein Generikum durch den Nachweis der sog. Bioäquivalenz zugelassen. Dieser Nachweis beruht im Prinzip auf einer Vergleichsgabe von Original und Generikum an eine begrenzte Zahl gesunder Probanden (meist 12–25) und der nachfolgenden Analyse der Arzneistoffkonzentration in verschiedenen Blutproben. Verglichen mit dem kostenträchtigen und zeitaufwendigen Zulassungsverfahren für Originalprodukte ist dieses Verfahren vergleichsweise unaufwendig und preiswert. Bioäquivalenz statt „therapeutischer Äquivalenz“ Wenn von zwei Präparaten, die den identischen Wirkstoff enthalten, die Plasmakonzentrations-Zeit-Kurven den gleichen Verlauf zeigen, kann davon ausgegangen werden, dass der Ort und die Geschwindigkeit der Freisetzung des Wirkstoffes im Rahmen der zu erwartenden biologischen Streuung identisch sind. Die Präparate werden dann als bioäquivalent betrachtet. Unter der Annahme, dass die Konzentration des Wirkstoffs am Wirkort für die eigentliche Wirkung verantwortlich ist, kann davon ausgegangen werden, dass bei gleichem zeitlichem Verlauf der Wirkstoffkonzentration die gleiche therapeutische Wirkung wie mit dem Originalpräparat zustande kommt und somit auch die therapeutische Äquivalenz gegeben ist. Der Gesetzgeber akzeptiert demzufolge, dass, wenn der Hersteller eines SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Pharmakotherapie Drüber, drunter oder genau? – Was bedeutet der 90%-Vertrauensbereich? Dass Originalprodukte und Generika nicht identisch im ursprünglichen Sinn des Wortes sind, ergibt sich aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Zulassung der Generika. Die Pharmakokinetik einer Wirksubstanz in einer bestimmten Formulierung ist nicht nur von Mensch zu Mensch (interindividuell) verschieden, sie unterliegt auch bei ein und demselben Menschen (intraindividuell) großen Schwankungen. Es ist folglich nicht zu erwarten, dass alle individuellen Plasmakonzentrations-Zeit-Kurven von zwei Präparaten in einer Gruppe von Versuchspersonen deckungsgleich verlaufen. Die Behörden verlangen deshalb, dass der 90%-Vertrauensbereich (das sog. 90%-Konfidenzintervall) für das Verhältnis kritischer pharmakokinetischer Größen (d.h. die maximal erreichte Wirkstoffkonzentration im Blut Cmax, die Zeit bis zum Erreichen dieser Konzentration Tmax und die Fläche unter der sog. Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve (die Area Under the Curve, AUC; siehe Abb. 1) von Generikum und Originalpräparat zwischen 0,8 und 1,25 liegt. Ein Generikum kann also eine bis zu 20% niedrigere und bis zu 25% höhere Plasmakonzentration hervorrufen als das Referenzpräparat, ohne dass dies nennenswerte Auswirkungen auf seine Zulassung hat. Austauschbarkeit von Original präparaten durch Generika und umgekehrt? Die beliebige Substitution (d.h. der Ersatz oder der Austausch) eines Originalpräparats durch ein Generikum bzw. die Substitution eines Generikums mit einem anderen Generikum kann aus ökonomischer/wirtschaftlicher Sicht sinnvoll und erstrebenswert, aus medizinischen Gründen jedoch mitunter problematisch sein. SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Irrungen und Wirrungen oder Verwechslung ausgeschlossen? Grundsätzlich gilt es, bei jeder Medikamentenverordnung der Patientensicherheit Beachtung zu schenken. Wenn viele Generika und ein Original auf dem Markt sind, hat nicht nur jedes Präparat einen anderen Fantasienamen und eine andere Verpackung, auch die Tabletten unterscheiden sich in Farbe, Form und Größe. Unter diesen Umständen ist, vor allem wenn der Patient mehrere Medikamente nehmen muss und stets hin und her substituiert wird, die Gefahr der Verwechslung groß. Der Patient und Personen, die seine Medikamente herrichten, werden verunsichert, die Compliance (d.h. die zur Erzielung eines optimalen Behandlungserfolges notwendige regelmäßige und konstante Medikamenteneinnahme) wird gefährdet und somit der Behandlungserfolg infrage gestellt. Eine beliebige Substitution eines Originalpräparats durch ein Generikum oder zwischen verschiedenen Generika sollte vermieden werden, da diese wegen dem Wirrwarr von Markennamen, Tablettenformen und -farben die Patienten verunsichert und damit den Behandlungserfolg und die Patientensicherheit gefährdet. Abbildung 1: Bioäquivalenzkriterien Konzentrations-Zeit-Kurve [% des Maximalwertes] Nachahmerpräparates Bioäquivalenz mit dem Originalpräparat zeigen kann, auch die therapeutische Äquivalenz grundsätzlich gegeben ist und somit keine neuen klinischen Studien durchgeführt werden müssen. Kritisch anzumerken ist, dass die Bioäquivalenz weder die Aufnahme des Wirkstoffs in das Zielgewebe (Organ) noch die Gewebegängigkeit untersucht. Auch besteht zwischen dem Wirkstoffgehalt des Blutes (und nur das wird beim Nachweis der Bioäquivalenz gemessen) und dem Wirkstoffgehalt des Organs, welches zu behandeln ist, nicht zwangsläufig ein Zusammenhang. Dauer bis zum Erreichen der maximalen Spitzenkonzentration (Tmax) maximale Spitzenkonzentration (Cmax) 100 90 80 70 60 50 Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (area under curve = AUC) 40 30 20 10 0 0 2 4 6 8 Zeit [Stunden] 10 12 Die Abbildung zeigt die drei kritischen Größen zur Beurteilung der sog. Bioäquivalenz, von Originalprodukten und Generika. Generika müssen für alle drei Parameter, d.h. die maximal gemessenen Wirkstoffkonzentrationen im Blut (Cmax), die Dauer bis zum Erreichen dieser Konzentrationswerte (Tmax) und die Fläche unter der KonzentrationsZeit-Kurve (sog. Area Under Curve = AUC), Werte innerhalb eines Bereichs zwischen 80% und 125% des Originalprodukts aufweisen, um zugelassen zu werden. Mehr oder weniger? Welche Konse quenzen haben Plasmakonzentra tionen zwischen –20% und +25%? Trotz des Nachweises der Bioäquivalenz stimmt die Bioverfügbarkeit eines Generikums (d.h. das Ausmaß, in dem es am Wirkort verfügbar ist) nur innerhalb gewisser Grenzen mit derjenigen des Originals überein. Darüber hinaus können verschiedene Generika – trotz ihrer pharmakologischen „Vergleichbarkeit“ mit dem Originalprodukt – untereinander erhebliche Unterschiede aufweisen. So kann z.B. das eine zu einer 20% niedrigeren und das andere zu einer 25% höheren Plasmakonzentration als das Original führen. Daraus können sich zwischen den beiden genannten Generika Wirkstoffkonzentrationsunterschiede von bis zu 45% ergeben (Abb. 2). Diese aus pharmakologischer Sicht akzeptablen systematischen Abweichungen zwischen Original und Generikum können somit bei Medikamenten mit einer geringen therapeutischen Breite klinisch außerordentlich relevant sein und im Falle eines Präparatewechsels mit einem Wirkverlust oder mit arzneimittelbedingten unerwünschten Nebenwirkungen einhergehen. Das Gleiche ist nicht unbedingt immer dasselbe! Weder die gleiche Wirkstoffzusammensetzung noch der zeitlich ähnliche Verlauf der Konzentrationskurve im Plasma ist ein wirklicher Beweis dafür, dass ein Generikum dieselbe Wirksamkeit wie das Originalprodukt besitzt. Denn die therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels wird auch durch andere Faktoren wie z.B. seine Konzentration am Wirkort sowie seine Metabolisierung und Elimination bestimmt. Wenn man ein Arzneimittel – zum Beispiel eine Tablette – schluckt, so gelangt diese über die Speiseröhre in den Magen und von dort in den Dünndarm. Dort strömt der Wirkstoff genauso wie die Nahrungsbestandteile durch die Zellmembranen der Dünndarmzellen und Blutgefäße hindurch ins Blut hinein. Wie schnell und wie vollständig diese Aufnahme (Resorption) erfolgt, hängt unter anderem von der Molekülgröße und Fettlöslichkeit des Wirkstoffs ab. Für die Wirkung eines Medikaments ist es entscheidend, ob es den Weg aus dem Darm über die Leber in den Blutkreislauf bis zu seinem Wirkort unbeschadet übersteht oder nicht. Die Konzentration am Wirkort wird von der Geschwindigkeit und dem Ausmaß bestimmt, mit der der Arzneistoff aus der Arzneiform freigesetzt, in die Blutbahn aufgenommen, im Körper verteilt und letztlich auch Pharmakotherapie vom Körper wieder abgebaut und ausgeschieden wird. Bei Medikamenten bestimmt – unabhängig vom eigentlichen Wirkstoff – auch noch seine „Verpackung“ (Galenik), wie lange das Medikament wirkt und wie der Wirkstoff freigesetzt wird. Für Patienten mit anhaltenden Schmerzen ist es wichtig, dass das Schmerzmittel gleichmäßig und anhaltend wirkt. Ändert sich die „Verpackung“ des Wirkstoffs, können sich auch die besonderen Eigenschaften eines Präparats ändern. In der Praxis heißt das, dass ein anderes Medikament dann möglicherweise nicht ausreichend wirkt oder nicht in gleichem Maß verträglich ist. Einfach oder komplex – Ein Medikament ist mehr als sein Wirkstoff! Weitere Probleme bzgl. des Wechsels von Originalpräparaten auf Generika bzw. von einem Aufgrund der mitunter deutlichen Unterschiede in der Wirkstofffreisetzung verschiedener Generika hat der Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz bereits 2002 seine grundsätzlichen Bedenken bezüglich des Austauschs von Generika untereinander geäußert. Dringend abgeraten wird von einem abrupten Wechsel sog. „Critical-Dose-Medikamente“, d.h. von Medikamenten, bei denen bereits geringe Änderungen der Wirkstoffkonzentration zu schwerwiegenden Änderungen des Krankheitsverlaufs führen können. Generikum auf ein anderes ergeben sich durch den Umstand, dass die verschiedenen infrage kommenden Alternativen sich meist bzgl. der sog. pharmazeutischen Hilfsstoffe deutlich voneinander unterscheiden. Diese Hilfsstoffe erfüllen unterschiedliche Funk tionen: Beeinflussung von Freisetzungsmenge, -geschwindigkeit und Aufnahme des Wirkstoffs, Beeinflussung von Zeitpunkt und Dauer des Wirkungseintritts, Beeinflussung von Dauer und Intensität der Wirkung, Erhöhung der Haltbarkeit, Verbesserung der Verträglichkeit problematischer Wirkstoffe, Verbesserung im Gebrauch, Verbesserung der Mischbarkeit von öligen und wässrigen Bestandteilen des Medikamentes, Füll- und Bindemittel, Fließregulierungsmittel, Aromastoffe, Farbstoffe, Lösungsvermittler, Zerfallsbeschleuniger etc. Die pharmazeutischen Hilfsstoffe können somit für unterschiedliche (Neben-)Wirkungen von Generikum und Originalmedikament verantwortlich sein. Zusammenfassung Die Generikadiskussion ist im Bereich der Humanmedizin vor dem Hintergrund der steigenden Kosten im Gesundheitswesen zu sehen. Generika sind aufgrund der viel geringeren Forschungs-, Entwicklungs- und Nachbeobachtungskosten deutlich preiswerter als die ihnen zugrunde liegenden Originalprodukte und bieten Perspektiven für eine Senkung der Arzneimittelkosten. Bei Auswahl und Wechsel zwischen wirkstoffgleichen Medikamenten müssen Si- cherheit und Wohlergehen des Patienten im Vordergrund stehen. Diese Kriterien haben Vorrang vor einer vordergründigen Kostenminimierung: Wird ein Austausch von unzureichenden Kriterien oder Unwissen geleitet, so kann sich das Ziel der Kostenoptimierung ins Gegenteil verkehren. Trotz nachgewiesener durchschnittlicher (Gruppen-)Bioäquivalenz (d.h. laborchemischer Ähnlichkeit), kann die therapeutische Vergleichbarkeit zwischen Originalprodukten und Generika für den einzelnen individuellen Patienten wegen der großen zwischenmenschlichen Unterschiede hinsichtlich Wirkstoffaufnahme, -verteilung und -abbau nicht in jedem Fall als gegeben betrachtet werden. Insbesondere bei chronisch kranken Patienten und stabilen Langzeittherapien sollten deshalb medizinisch unnötige Präparatewechsel vermieden werden. Ist eine Umstellung von einem Originalpräparat auf ein Generikum bzw. von einem Generikum auf ein anderes medizinisch indiziert, bzw. wird eine Umstellung aus nicht medizinischen Gründen erzwungen, muss nicht nur der Behandlungsverlauf engmaschig überwacht, sondern sollten auch Therapieerfolg und Verträglichkeit in jedem Einzelfall evaluiert werden, um behandlungsbedingte Änderungen rechtzeitig erkennen zu können. ❏ Michael Überall, Nürnberg 125% 100% 80% Originalpräparat Generikum #1 Generikum #2 0 2 4 6 8 Zeit [Stunden] 10 12 160 150 140 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 156% Plasmakonzentration [% des Generikums #2] 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Plasmakonzentration [% des Generikums #1] Plasmakonzentration [% des Originalproduktes] Abbildung 2: Unterschiedliche Plasmakonzentrations-Zeit-Kurven bei Originalpräparat und zwei Generika (Beispiele) 100% Generikum #1 Generikum #2 0 2 4 6 8 Zeit [Stunden] 10 12 100 100% 90 80 70 64% 60 50 40 Generikum #1 Generikum #2 30 20 10 0 0 2 4 6 8 Zeit [Stunden] 10 12 Die Abbildung zeigt die hypothetischen mittleren Plasmakonzentrations-Zeit-Kurven für ein Originalprodukt und zwei Generikapräparate (Mittelwerte und 95%-Vertrauensintervall). Bzgl. des zeitlichen Verlaufs der Wirkstoffkonzentrationen im Körper erfüllen beide Generika die gesetzlichen Anforderung der Bioäquivalenz im Vergleich zum Originalprodukt (linke Grafik), unterscheiden sich jedoch untereinander deutlich und wären zueinander nicht bioäquivalent! So zeigt Generikum #2 verglichen mit Generikum #1 um bis zu 56% höhere (mittlere Grafik) und Generikum #1 verglichen mit Generikum #2 um bis zu 36% niedrigere Spitzenkonzentrationen. SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Serie Rückenschmerz Rückenschmerzen – eine interdisziplinäre Herausforderung Epidemiologie und sozioökonomische Bedeutung Rückenschmerzen gehören zu den am häufigsten angegebenen körperlichen Beschwerden. In Deutschland berichteten nach den Daten des Bundes-Gesundheitssurveys von 1998 39% der Frauen und 31% der Männer (18–80 Jahre) darüber, während der letzten 7 Tage Kreuzschmerz gehabt zu haben. Frauen und Männer zwischen 50 und 59 Jahren sind mit einer Prävalenz von 44% bzw. 39% am häufigsten betroffen. In einer großen neuen bevölkerungsbasierten Studie aus Deutschland (postalische Befragung von insgesamt 9263 Personen) betrug die Punktprävalenz von Rückenschmerzen 37%, die 1-JahresPrävalenz 76% und die Lebenszeit-Prävalenz 86% [8]. 80% der Betroffenen wiesen lediglich einen geringen Schweregrad auf, während starke Schmerzen mit erheblicher Beeinträchtigung 12% der Fälle ausmachten. Rückenschmerzen gehören zu den teuersten Erkrankungen in allen industrialisierten Ländern. In Deutschland verursachten sie nach Angaben der Gesundheitsberichterstattung des Bundes aus dem Jahr 2006 direkte Kosten in Höhe von 8,4 Milliarden Euro pro Jahr. Nach internationalen Schätzungen gehen etwa 85% der Gesamtkosten auf das Konto des durch Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit bedingten Produktivitätsausfalls (indirekte Kosten), nur rund 15% werden für die medizinische Behandlung aufgewendet. Rückenschmerzen führen seit Jahren auch die Statistiken von Arbeitsunfähigkeit, medizinischer Rehabilitation und vorzeitiger Berentung an. Klassifikationen Rückenschmerzen können zunächst nach Dauer, Schweregrad und Chronifizierungsstadium klassifiziert werden. Bezüglich des zeitlichen Verlaufs unterscheidet man in akute/ SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) subakute und chronisch/chronisch rezidivierende Verläufe. Unter akuten/subakuten Rückenschmerzen versteht man Schmerzen, die weniger als 6 Wochen anhalten. Schmerzepisoden, die länger als 6 Wochen bestehen, werden subakut genannt. Wenn die Symp tome schon länger als 12 Wochen bestehen, spricht man von chronischen bzw. chronisch rezidivierenden Rückenschmerzen. Die Einteilung der Schwere der Rückenschmerzen erfolgt anhand der Graduierung chronischer Schmerzen nach v. Korff et al.[9], wobei sich durch Ausmaß der Schmerzintensität und der schmerzbedingten Beeinträchtigung der täglichen Aktivitäten fünf Schweregrade unterscheiden lassen. Zur Bestimmung des Chronifizierungsstadiums wird in Deutschland üblicherweise das Mainzer Stadienmodell der Schmerzchronifizierung (MPSS) angewendet, wobei die Patienten gemäß den Ergebnissen einer strukturierten Schmerzanamnese (Zeitverlauf, Schmerzlokalisation, Medikamenteneinnahme, Inanspruchnahme des Gesundheitswesens) einem von drei Stadien zugeteilt werden können []11. Verlauf Bezüglich der Prognose und des Verlaufes von Rückenschmerzen ist es zunächst einmal wichtig festzuhalten, dass die Beschwerden üblicherweise selbstbegrenzend sind. (Die Genesungsrate akuter Rückenschmerzen in sechs Wochen beträgt ca. 90%.) Allerdings wird ein großer Teil dieser Betroffenen nicht schmerzfrei, und sie haben ein erhöhtes Risiko, eine erneute Rückenepisode zu erleiden [4]. Obwohl vom Stadium der Chronizität nur wenige Patienten betroffen sind (ca. 10%), verursacht diese Gruppe die höchsten gesundheitsbezogenen Kosten. Es ist demnach von entscheidender Bedeutung, diese Risikogruppe möglichst frühzeitig zu identifizieren und der Chronifizierung entgegenzuwirken. Michael Pfingsten, Göttingen Die ersten Wochen stellen auch in gesundheitsökonomischer Hinsicht einen kritischen Zeitraum dar, da danach die Wahrscheinlichkeit der Betroffenen, jemals an ihren Arbeitsplatz zurückkehren zu können, dramatisch absinkt [10]. Pathogenese – Chronifizierung Es ist eines der wesentlichen Merkmale von Rückenschmerzen, dass sich bei der überwiegenden Mehrzahl aller Betroffenen (> 80%) keine eindeutige körperliche Pathologie als Ursache der Schmerzen feststellen lässt. Als Bezeichnung dafür wird der Begriff „nicht spezifischer Rückenschmerz“ verwendet, der in Deutschland trotz international breiter Anerkennung immer noch kritisch diskutiert wird. Diese Bezeichnung hat jedoch den entscheidenden Vorteil, dass sie die Aufmerksamkeit von der ausschließlichen Betrachtung struktureller bzw. funktioneller Veränderungen zu DAK Rückenschmerzen gehören zu den am häufigsten angegebenen körperlichen Beschwerden und sind zudem von erheblicher sozioökonomischer Bedeutung. An der Chronifizierung sind sowohl somatische („neurogene Plastizität“) als auch verschiedene kognitive, emotionale und psychosoziale Faktoren beteiligt. Diese werden in einem verhaltensmedizinischen Modell der Schmerzchronifizierung zusammengefasst, wie Prof. Dipl.-Psych. Dr. Michael Pfingsten, Schwerpunkt Algesiologie, Zentrum für Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin der Univ. Göttingen schildert. Rückenschmerzen: in über 80% keine eindeutige Pathologie. Serie Rückenschmerz einem Verständnis einer multifaktoriellen Genese von Rückenschmerzen lenkt. Rückenschmerzen aufgrund spezifischer Ursachen (z.B. Infektion, Tumor, Osteoporose, Fraktur, Bandscheibenvorfall) lassen sich (meist allein aufgrund der körperlichen Untersuchung) in der Regel leicht identifizieren und einer entsprechenden Behandlung zuführen. Schwieriger wird es bei den nicht spezifischen Rückenschmerzen, bei denen neben somatischen (z.B. Prädisposition, Funktionsfähigkeit) auch psychische (z.B. psychosozialer Distress, Krankheitsbewältigung, Krankheitsverhalten) und soziale Faktoren (z.B. Arbeitsplatz) bei der Krankheitsentstehung und dem Verlauf berücksichtigt werden müssen. Bei dem Versuch, Ätiologie und Pathogenese chronischer Schmerzen zu verstehen, hat sich der Schwerpunkt interdisziplinärer Forschungsarbeiten in den vergangenen 20 Jahren zunehmend auf den Prozess einer allmählich sich entwickelnden Chronifizierung verlagert. Damit wird die Phase des Übergangs („transition“) von einem akuten zu einem chronisch persistierenden oder chronisch rezidivierenden Schmerz gekennzeichnet. In einem verhaltensmedizinischen Modell wird davon ausgegangen, dass in den meisten Fällen somatische Faktoren am Anfang der Kausalkette stehen. Diese verlieren aufgrund multipler Beeinflussung durch psychosoziale Faktoren jedoch zunehmend an Bedeutung. Chronischer Rückenschmerz: eigenständiges Krankheitsbild Es ist schließlich von einem eigenständigen Krankheitsbild auszugehen, das geprägt ist durch Auswirkungen auf der körperlichen Ebene (z. B. körperliche Dekonditionierung, zusätzliche sekundäre Symptome), psychische Beeinträchtigungen (z. B. Angst, Depressivität), Veränderungen im Verhalten (z. B. Schon- und Vermeidungsverhalten, „Schmerzmanagement“-Aktivitäten), inadäquate Krankheitsbewältigung sowie soziale Auswirkungen (z. B. Arbeitsplatzverlust, so ziale Isolation) [3]. Zusammenwirken somatischer und psychischer Faktoren Bei diesem Chronifizierungsprozess sind vielfältige Verursachungs- und Aufrechterhaltungsbedingungen (individuell komplex) miteinander konfundiert. In diesen Vorgang wirken neben vorrangig somatischen Chronifizierungsprozessen (z. B. „neurogene Plastizität“) Faktoren der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, der kognitiven Bewertung und der emotionalen Befindlichkeit verhaltenssteuernd ein. Persönlichkeitsdispositionen und Lernerfahrungen können dabei sowohl Wahrnehmungsorientierungen und Bewertungen beeinflussen wie auch bestimmte Verhaltenspräferenzen nach sich ziehen (s. Abb. 1). Iatrogene Verursachung Darüber hinaus kann auch das medizinische System selbst als sog. iatrogener Faktor einen negativen Einfluss nehmen, indem betroffene Patienten z.B. durch unnötige diagnostische und therapeutische Maßnahmen (Bildgebung, Blockade-Serien) in ihrer somatischen Fixierung bestärkt werden und damit ein adäquater interdisziplinärer Ansatz verhindert wird [7]. Risikofaktoren Die Mehrzahl der in den letzten Jahren durchgeführten prospektiven Studien hat gezeigt, Abbildung 1: Verhaltensmedizinisches Erklärungsmodell der Schmerzchronifizierung Persönlichkeit / Disposition / Biografie Akuter Schmerz Chronischer Schmerz Lernprozesse Physiologische Reaktionen (Muskelspannung, neurogene Plastizität, sympath. NS) Verhalten (Rückzug, Schonung, Inanspruchnahme) Kognitive Bewertung (z.B. Katastrophisieren, Angst-/Vermeidungskognitionen) Emotionale Lage (z.B. Depression, Angst) Gesundheitssystem (inkl. Ärzte) Wahrnehmung (Aufmerksamkeitslenkung) dass diese psychosozialen Faktoren für den Krankheitsverlauf von (nicht spezifischen) Rückenschmerzen größere Bedeutung haben als körperliche Faktoren (radiologische Befunde, Leistungsparameter) [1]. Eine Level-AEvidenz liegt demnach für folgende Merkmale (sog. „yellow flags“) vor [5, 6]: ■ D epressivität, Angst, Distress (vor allem arbeitsbezogen) ■ S chmerzbezogene Kognitionen (im Sinne automatischer Gedanken): z.B. Katastrophisieren, Hilf-/Hoffnungslosigkeit ■ Meta-Kognitionen wie z.B. Fear-AvoidanceBeliefs (Angst-/Vermeidungsüberzeugungen) ■ Passives Schmerzverhalten (z.B. Vermeidungsverhalten) ■ Subjektive Wahrnehmung stark beeinträchtigter Gesundheit Kritische Zeitspanne: die ersten 14 Tage Zur Verhinderung von chronischen Verläufen ist es sinnvoll, diese Risikofaktoren möglichst frühzeitig (möglichst innerhalb der ersten 14 Tage ab Beginn der akuten Phase) zu erfassen. Ein späterer Zeitpunkt hätte den erheblichen Nachteil, dass die Akzeptanz psychologischer Zusammenhänge für die betroffenen Patienten mit zunehmendem Fortschreiten eines vorrangig somatisch ausgerichteten Ansatzes schwieriger wird. Zur Erfassung der Risikofaktoren ist eine aufwendige Exploration in den meisten Fällen nicht durchführbar und auch insgesamt wenig ökonomisch, sodass der Einsatz kurzer Fragebogen-Verfahren sinnvoll erscheint [2]. Es stehen hierfür bereits einige entsprechende Verfahren zur Verfügung, die jedoch alle mit unterschiedlichen Nachteilen behaftet sind. In einer im Frühjahr 2008 anlaufenden multizentrischen, BMBF-geförderten Studie (Greifswald, Berlin, Erlangen, Göttingen) wird ein kurzes und prospektiv valides Verfahren (ca. 10 Items) entwickelt, dessen Einsatz sowohl in Arztpraxen als auch in physiotherapeutischen Einrichtungen praktikabel und ökonomisch durchführbar ist. Aus dem Fragebogen soll unmittelbar eine 3-stufige Risikodifferenzierung abgeleitet werden können (kein, leichtes, starkes Chronifizierungsrisiko), das direkt nach dessen Auswertung ein risikoadaptiertes, problemfokussiertes Vorgehen ermöglicht. Es wird erwartet, dass die Entwicklung chronischer Verläufe durch den frühzeitigen Einsatz dieses diagnostischen Instrumentes und den daraus abgeleiteten zusätzlichen, aber noch geringen therapeutischen Aufwand erheblich reduziert werden kann. SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Schmerz im Krankenhaus Fazit Rückenschmerzen sind einerseits banal, andererseits ein komplexes Phänomen, bei dem möglichst frühzeitig psychosoziale Risikofaktoren beachtet werden sollten. Nach Ausschluss spezifischer Ursachen („red flags“) reichen im unkomplizierten Fall einfache Methoden wie kurzfristige Medikation, Beratung und Aktivierung aus. Im komplizierten Fall, d. h. insbesondere beim Vorliegen von psychosozialen Risikofaktoren („yellow flags“) ist eine Behandlung ohne die Berücksichtigung dieser Einflüsse wenig erfolgversprechend. Es liegen mittlerweile mehrere Behandlungsleitlinien vor, in denen die unterschiedlichen Vorgehensweisen detailliert beschrieben sind. ❏ Michael Pfingsten, Göttingen Literatur 6. Pincus T, Burton AK, Vogel S, Field AP: A systematic review of psychological factors as predictors of chronicity/disability in low back pain. Spine 2002;27:109–120. 7. Pfingsten M, Schöps P: Chronische Rückenschmerzen – Vom Symptom zur Krankheit. Z Orthop 2004;142:146–152. 8. Schmidt CO, Raspe H, Pfingsten M, Hasenbring M, Basler HD, Eich W, Kohlmann T: Back Pain in the German Adult Population. Spine 2007;32:2005–2011. 9. V.Korff M, Ormel J, Keefe FJ, Dworkin SF: Grading the severity of chronic pain. Pain 1992;50:133–49. 10.Waddell G: The Back Pain revolution. Churchill Livingstone Edinburgh 1992. 11.Wurmthaler C, Gerbershagen HU, Dietz G, Korb J, Nilges P, Schilling S: Chronifizierung und psychologische Merkmale. Z Gesundheitspsych 1996;4:113–136. 1. Airaksinen O, Brox JI, Cedraschi C, Hildebrandt J, Klaber-Moffett J, Kovacs F, Mannion AF, Reis S, Staal JB, Ursin H, Zanoli: Guidelines for Chronic Low Back Pain. Eur Spine J 2006;15:192–300. 2. Boersma K, Linton S: Psychological processes underlying the development of a chronic pain problem. Clin J Pain 2006;22:160–166. 3. Hasenbring M, Pfingsten M: Psychologische Mechanismen der Chronifizierung. In: Kröner-Herwig B, Frettlöh J, Klinger R, Nilges P (Hrsg.): Psychologische Schmerztherapie, Springer Heidelberg 2007, 6. Aufl., S. 103–122. 4. Hestbaek L, Leboeuf-Yde C, Manniche C: Low back pain: What is the long-term course? A review of studies of general patient populations. Eur Spine J 2003;12:149–165. 5. Linton SJ: A review of psychological risk factors in back and neck pain. Spine 2000;25: 1148–1156. In der Therapie perioperativer Schmerzen spielen schnell wirksame Opioide eine wichtige Rolle. Sowohl beim Opiatabhängigen als auch beim chronischen Schmerzpatienten unter Therapie mit Opioiden kommt der präoperativen Anamnese eine zentrale Rolle zu, um einen eventuell bestehenden Substanzmissbrauch zu eruieren. Bei beiden Patientengruppen muss perioperativ ein meist deutlich erhöhter Opioidbedarf einkalkuliert werden. Die Besonderheiten der perioperativen Schmerztherapie bei opioidgewöhnten Patienten beschreiben Dr. med. Uwe Junker, Thomas Marx und Christoph Rasch vom Sanaklinikum Remscheid. Prinzipien und besondere Ausgangssituation Sowohl der Opiatabhängige als auch der chronische Schmerzpatient unter Opioidtherapie haben selbstverständlich ein Recht auf suffiziente perioperative Schmerztherapie. Die perioperative Phase ist weder zum Opiat entzug noch zur Opioidentwöhnung bei einem eventuell nicht opioidsensitiven Basisschmerz geeignet. Die Substitutionsdosis des Abhängigen bzw. die Opioiddosis des chronischen Schmerzpatienten sind als feste Größen anzusehen, die in der akuten Phase nicht geändert werden sollten. Die Akutschmerztherapie im Rahmen eines operativen Eingriffs muss „Add on“ erfolgen. Beide Patientengruppen befinden sich in aller Regel im Zustand „opioidinduzierter Hyperalgesie“, der eine Senkung von Schmerzschwelle und -toleranz mit sich bringt. Dafür ursächlich sind pronozizeptive Prozesse, die ein chronischer Opioidgebrauch in Gang setzt: SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) ■ Aktivierung des NMDA-(N-Methyl-DiAspartat-)Rezeptors, ■ Steigerung der spinalen Dynorphinkonzentration mit Freisetzung erregender Transmitter, ■Erregung absteigender aktivierender Bahnen. Nach heutigem Wissenstand lässt sich nur die Sensibilisierung des NMDA-Rezeptors pharmakologisch mit Ketamin beeinflussen. Anzeichen für missbräuchliches Verhalten Mögliche Hinweise auf missbräuchliches Verhalten sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Opiatsüchtige im engeren Sinne beklagen z. B. oft den Verlust von Opioidrezepten. In der Anamnese chronischer Schmerzpatienten – insbesondere solcher, bei denen die Indikation für die Opioidtherapie eines Nichttumorschmerzes fragwürdig erscheint – finden sich häufig Hinweise auf einen starken Widerstand gegen das Ausschleichen einer solchen Therapie. Bildarchiv Junker Perioperative Schmerztherapie beim opioidgewöhnten Patienten Die Autoren v. l. n. r.: Thomas Marx, Uwe Junker, Christoph Rasch im Aufwachraum. Vor dem Hintergrund des Vioxx®-Skandals sind die potenziellen Risiken und organtoxischen Nebenwirkungen der traditionellen NSAR und der Coxibe stärker ins Bewusstsein gerückt. Dies hat zu einem breiteren, scheinbar oft auch unkritischen Einsatz von Opioiden bei Nichttumorschmerzen geführt. So kommt eine aktuelle Studie zu dem Schluss, dass 24% der dort eingeschlossenen Rückenschmerzpatienten einen Opioidmissbrauch betrieben. Praktisches Vorgehen im Rahmen der Akutschmerztherapie Beide Patientengruppen erhalten entweder ihr Substitut oder ihre retardierte Basismedikation perioperativ weiter. Für die zusätzlich erforderliche Therapie der akuten Schmerzen sollten je nach Art und Größe des operativen Eingriffs Schmerz im Krankenhaus Tabelle 1: Anzeichen für missbräuchliches Verhalten Abbildung 1: Stufenschema Schmerz bei Opioidgewöhnung Häufiger Verlust von Opioidrezepten Rezeptfälschungen ■ Bezug durch primär nicht genannte weitere Ärzte ■ Dosiseskalation ohne Rücksprache ■ Wunsch nach unretardierter Galenik ■ Widerstand gegen Ausschleichen der Therapie trotz fehlender Opioidsensitivität ■ Beigebrauch nicht verordneter Opioide ■ Injektion oraler/transdermaler Applika tionsformen ■ Opioide + S-Ketamin ■ Regionaltechniken und/oder potente NichtOpioidanalgetika bevorzugt werden. Maximaldosierungen und Anwendungsbeschränkungen der Letztgenannten sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Ist der perioperative Einsatz schnell wirkender Opioide notwendig, sollten diese wegen der eingangs geschilderten Probleme – Toleranz und Hyperalgesie – in Kombination mit Ketamin verabreicht werden. Die Injektion kann entweder in Form von Boli (Dosierung 0,5 mg/kg Körpergewicht) oder kontinuierlich in einer Dosis von 2 µg/kg/ min nach Gabe eines Initialbolus erfolgen. SKetamin sollte dabei gegenüber dem Racemat den Vorzug erhalten, da diese linksdrehende Variante wesentlich seltener unangenehme Träume und Aufwachreaktionen verursacht. Fazit Die perioperative Schmerztherapie bei Opioidgewöhnten erfordert eine sorgfältige prä operative Anamnese, die die Einnahmegewohnheiten hinsichtlich der Opioid- und Begleitmedikation subtil erfragt. Wann immer möglich sollten Regionalanästhesie bzw. -analgesieverfahren eingesetzt werden, um Regionale Verfahren Parecoxib Paracetamol i. v. Metamizol NSARs Substitution bzw. Prophylaxe von Entzug Tabelle 2: Nichtopioidanalgetika Substanz Vorsicht bei Tagesdosis Paracetamol i.v. Leberinsuffizienz 4x1g Parecoxib i.v. Kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Niereninsuffizienz 2 x 40 mg Metamizol Hypovolämie, allergische Disposition 5 g kontinuierlich 4 x 1 g Bolus Diclofenac Kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Niereninsuffizienz ASS-induziertes Asthma 2 x 75 mg die Schmerztherapie zu optimieren. Bestehen Kontraindikationen hinsichtlich dieser Techniken, kann eine balancierte Anästhesie bzw. Analgesie unter Einschluss des NMDA-Antagonisten S-Ketamin und potenter Nichtopioide den erhöhten Opioidbedarf senken und die Analgesiequalität optimieren. Eine effiziente Schmerztherapie ist möglich, sie kann nach dem in Abbildung 1 gezeigten Stufenschema erfolgen. ❏ Uwe Junker, Remscheid Literatur 1. Jaksch W. Opiatabhängigkeit und Schmerztherapie. In: Beubler E, Haltmayer H (Hrsg.) Opiatabhängigkeit. Springer, 2006. 2. Junker U. Perioperative Schmerztherapie beim opioidgewöhnten Patienten. Vortrag auf dem V. Symposium „Akuter Schmerz im chirurgischen Alltag“, Köln, 12. Dezember 2007. 3. Martell BA, O’Connor PG, Kerns RD, et al. Systematic review: opioid treatment for chronic back pain: prevalence, efficacy, and association with addiction. Ann Intern Med 2007; 146:116–127. Weitere Literatur beim korrespondierenden Autor. I n fotelegramm Mit TNF-Alpha-Antikörper gegen das CRPS Eine intravenöse Regionalblockade mit dem Tumor-Nekrose-Faktor-alpha-Antikörper Infliximab lindert nach der ersten Erfahrung von M. Bernateck et al. an einem Patienten mit den typischen klinischen Symptomen eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms vom Typ 1 (mäßiger Schmerz, Ödem, Hyperhidrosis, erhöhte Hauttemperatur verglichen mit der kontralateralen Seite) alle klinischen Parameter innerhalb von 24 Stunden. Innerhalb von acht Wochen kam es fast zur vollständigen Remis 10 sion und nur die sensorischen Zeichen verbesserten sich erst innerhalb von sechs Monaten. Nebenwirkungen dieser Therapie wurden in diesem Einzelfall nicht beobachtet. delt, ergab eine aktuelle niederländische Umfrage der Universität Maastricht (Pain, 2007, Epub ahead of print). M. Bernateck et al.: Successful intravenous regional block with low-dose tumor necrosis factor alpha antibody infliximab for treatment of compex regional pain syndrome 1. Anesth. Analg. 105, 2007, 1148-1151. Intrathekales Morphin bei osteoporotischen Wirbelbrüchen Für Patienten, die die orale Einnahme von Opioiden nicht vertragen, stellt die kontinuierliche intrathekale Applikation von Morphin bei Wirbelfrakturen wegen Osteoporose eine wertvolle Alternative dar, empfehlen A. Shaladie et al. nach ihre Erfahrungen an 24 derartigen Patienten (Clin. J. Pain 23, 2007, 511–517). Krebsschmerzen nach wie vor häufig 42% der Patienten mit Krebs leiden an Schmerzen und sind analgetisch unzureichend behan- SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) DGS-Veranstaltungen Weitere Informationen zu den Seminaren erhalten Sie über die Geschäftsstelle des DGS Oberursel: Tel.: 06171/286060, Fax: 06171/286069, E-Mail: [email protected]. Die aktuellsten Informationen zu den Veranstaltungen und den Details finden Sie im Internet unter www.dgschmerztherapie.de mit der Möglichkeit der Onlineanmeldung. Februar 2008 Wermelskirchener Dialog, Der Gefäßkranke Beinamputierte – eine Standortbestimmung 22.02.– 23.02.2008 Bürgerzentrum, Wermelskirchen Curriculum Algesiologische Fachassistenz – Einführungsveranstaltung 08.03.2008 in Frankfurt/Main; Geschäftsstelle DGS März 2008 Curriculum Akupunktur 200 Stunden DGS/DAfNA – Vollausbildung zur Zusatzbezeichnung Aku-5 01.03.– 02.03.2008 in Bad Bergzabern; Regionales Schmerzzentrum DGS-Ludwigshafen Botulinumtoxin in der Schmerztherapie 12.03.2008 in München; Regionales Schmerzzentrum DGS-München Schmerztherapieführer 2007 Schmerztherapeuten in Deutschland sind immer noch rar. Interessierte Hausärzte finden jedoch im Schmerztherapieführer 2007 alle qualifizierten Ärzte und Ambulanzen. Neue Informationen über die schmerztherapeutische »Landschaft« der Bundesrepublik mit rund 4000 Anschriften gibt das aktuelle Mitgliederverzeichnis der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V., der „Schmerztherapieführer Deutschland 2007“. Dieses Nachschlagewerk der größten europäischen Schmerzfachgesellschaft ist ein seit Jahren wichtiges Standardwerk, das von Ärzten, ärztlichen Vereinigungen und Verbänden, Krankenkassen und anderen Institutionen des Gesundheitswesens bei der Geschäftsstelle unentgeltlich angefordert werden kann (siehe oben). Der Schmerztherapieführer der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. informiert über die Mitglieder der Fachgesellschaft, hauptsächlich schmerztherapeutisch fortgebildete Ärzte, Schmerztherapeuten und Psychologen. Ebenfalls aufgeführt sind die regionalen SchmerzzenStK tren der DGS, die interdisziplinäre Schmerzkonferenzen veranstalten. Aktueller Fortbildungskalender 2008 Die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. bietet mit über 200 regionalen Praxis-Seminaren und Curricula in etwa 120 regionalen Schmerzzentren ein umfangreiches Fort- und Weiterbildungsprogramm für Ärzte, Psychologen und medizinische Assistenzberufe. Die verbandsinternen Qualifikationen Algesiologie, Schwerpunkt Schmerztherapie und Schwerpunkt Palliativmedizin spielen bei Vergütungsregelungen eine Rolle. Erforderlich sind diese für die Teilnahme an der Qualitätssicherungs-Vereinbarung und sie sind Voraussetzung für die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“. Hierzu werden die von allen Landesärztekammern anerkannten Seminarreihen Curriculum Spezielle Schmerztherapie 1 und 2 angeboten. Der Kalender mit den Fortbildungsveranstaltungen 2008 informiert umfassend über dieses Angebot. Enthalten ist auch eine aktuelle Übersicht über die regionalen Schmerzzentren der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e. V. Der Kalender kann bei der Geschäftsstelle angefordert werden. StK SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Spezielle Schmerztherapie, Klinik von Kompartment-Syndromen myofaszialer Genese 05.03.2008 in Köln; Regionales Schmerzzentrum DGSKöln Theorie und Praxis der Low-Level-Lasertherapie 06.03.2008 in Bad Pyrmont; Regionales Schmerzzentrum DGS-Schieder Bad Pyrmont Systematik der Injektionstechniken - Seminar 3 08.03.– 09.03.2008 in Randersacker; Regionales Schmerzzentrum DGS-Würzburg Chronisches regionales Schmerzsyndrom 13.03.2008 in Tübingen; Regionales Schmerzzentrum DGS-Tübingen Schmerzen aus dem Bewegungssystem – Diagnostik, Therapie 15.03.2008 in Bernau; Regionales Schmerzzentrum DGS-Bernau Schmerzmanagement durch Selbstbewusstsein: Sscheres Auftreten mit der Wing-wave-Methode 15.03.2008 in Düsseldorf; Regionales Schmerzzentrum DGS-Düsseldorf Besonderheiten der Schmerztherapie im Alter 19.03.2008 in Gießen; Regionales Schmerzzentrum DGS-Gießen April 2008 Multiprofessioneller Gesprächskreis Qualitätszirkel Palliativmedizin Siegen 02.04.2008 Regionales Schmerzzentrum DGSSiegen Neuraltherapie – Störfeldbehandlung und urogynäkologische Erkrankungen 04.04.– 05.04.2008 in Dresden; Regionales Schmerzzentrum DGS-Dresden Qualifikanten Anette Schmitz, Lübeck, Algesiologe Dr. med. Rüdiger Knoche, Remagen Qualifikation Schwerpunkt Palliativmedizin Dr. med H.-G. Grobbel, Schmallenberg Qualifikation Schwerpunkt Schmerztherapie Hans-Gerald H. Forg, Mainz, Qualifikation Schwerpunkt Schmerztherapie Dr. med. Michael Said, Nonnenborn, Qualifikation Schwerpunkt Schmerztherapie Dr. med. Jürgen Rapin, Lingen, Algesiologe 11 Schmerzforschung Frauen und Schmerzen: Mythen und Fakten Unterscheiden sich Männer und Frauen in ihrem Schmerzempfinden? In der Tat leiden Frauen häufiger unter Schmerzen und scheinen auch eine niedrigere Schmerzschwelle zu haben. Diese und andere wissenschaftlich belegte Daten hinter den Mythen über den Unterschied zwischen den bei den Geschlechtern schildert Prof. Dr. Hartmut Göbel, Schmerzklinik Kiel. Frau sein tut mehr weh Schmerzen sind mit Abstand die am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen im Alltag. Frauen sind häufiger als Männer betroffen. Von den im Jahr 1998 im BundesgesundheitsSurvey befragten Bundesbürgern gaben nur 6% der Frauen und 12% der Männer an, im vergangenen Jahr keine Schmerzen erlitten zu haben. Frau zu sein hat schon immer mehr wehgetan, als Mann zu sein. Weiblichkeit und Schmerz gehören in vielen Kulturen eng zusammen. In China wickelte man die Füße von Mädchen in straffe Lappen, damit sie klein bleiben. Auch das Schuhwerk und die Kleidung in unserer Gesellschaft führen bei Frauen häufig zu Schmerzen. Das Gehen und Stehen in ungesunden Schuhen tut weh. Das Funktionieren in der Doppelbelastung von Familie und Beruf muss mit Kopfschmerzen erkauft werden. Archiv Urban & Vogel Guter und böser Schmerz Schmerzen warnen uns vor Schädigungen. Sie weisen darauf hin, dass wir unseren Körper überlasten. Das zu lange Arbeiten am Computer oder das zu lange Sitzen auf ungeeigneten Möbeln führen zu Rücken- und Schulterschmerzen. Der Schmerz lehrt, dieses Verhalten zu ändern. Dieser positive Frauen leiden z. B. häufiger unter Migräne. 12 Aspekt von Schmerzen führt dazu, dass unser Körper geschützt und vor Schaden bewahrt wird. Es ist wichtig, diese akuten Schmerzen möglichst schnell zu behandeln, damit einer Chronifizierung vorgebeugt werden kann. Die häufigsten Schmerzen im Alltag sind Kopf-, Nacken-, Rücken- und Muskelschmerzen. Häufigkeitsunterschiede beim chronischen Schmerz Treten Schmerzen immer wieder auf und werden chronisch, verlieren sie ihre Warnfunktion und können selbst schädigen. Solche Alltagsschmerzen können bei Männern und Frauen ganz unterschiedlich auftreten. 36,2% der Frauen und 21,5% der Männer, die im Bundesgesundheits-Survey 1998 befragt wurden, gaben an, in den letzten sieben Tagen an Kopfschmerzen gelitten zu haben (Tab. 1). Der Kopfschmerz vom Spannungstyp tritt bei rund 38% der deutschen Bevölkerung episodisch und bei rund 3% chronisch auf. Geschlechtsunterschiede gibt es für diese Kopfschmerzform nicht. Dagegen tritt die Migräne bei Frauen dreimal häufiger auf als bei Männern. Auch in der Krankenhausstatistik zeigt sich, dass Frauen häufiger an Migräne leiden als Männer. In stationäre Behandlung müssen sich doppelt so viele Frauen wie Männer wegen Migräne begeben. Auch bei den Aufnahmen in die Schmerzklinik Kiel zeigt sich ein deutlicher Geschlechtsunterschied. Rund 70% der Behandelten sind Frauen und nur 30% Männer. Auch leiden Frauen häufiger und stärker an Kreuz- und Rückenschmerzen. Der Altersgipfel von Rückenschmerzen liegt im Alter zwischen 50 – 59 Jahren. Rund 45% der Frauen und rund 35% der Männer geben an, in den letzten sieben Tagen an Rückenschmerzen gelitten zu haben. Beruflicher oder familiärer Stress, Störungen des seelischen Gleichgewichts, Angst und Depressivität wirken sich bei Frauen deutlich stärker auf die Schmerzen aus als bei Männern. Die psychosozialen Folgen von Schmerzen sind bei Frauen deutlich ausgeprägter als bei Männern. Frauen erleiden somit nahezu doppelt so viele Schmerzen wie Männer. Frauen bekla- gen auch intensivere und länger andauernde Schmerzen und mehr Körperareale sind betroffen. Frauen sind bessere Schmerzexperten Schmerzbewältigungsmechanismen werden bei Männern und Frauen unterschiedlich eingesetzt. Frauen konzentrieren sich mehr auf emotionale und interpersonale Aspekte von Schmerzen. Männer verfolgen im Gegensatz dazu problemlösende und instrumentelle Strategien. Bei der Bewältigung von Schmerzen steht Frauen eine größere Palette von Möglichkeiten zur Verfügung. Sie lassen sich eher helfen, suchen eine umfangreichere soziale Unterstützung, nehmen eher Medikamente ein und gehen früher zum Arzt. Männer dagegen ignorieren den Schmerz häufiger und interpretieren die Ursachen um. Sie versuchen, das Problem selbst zu lösen. Folgen können dabei eine schnellere Chronifizierung, die vergebliche Warnung vor möglichen Schäden und Überlastung sein. Andererseits finden sich Begleiterkrankungen von Schmerzen bei Frauen häufiger als bei Männern. So treten Ängste und Depressionen sowie Schlafstörungen im Zusammenhang mit Schmerzen bei Frauen öfter auf als bei Männern. In experimentellen Untersuchungen ist es Männern peinlich, Schmerzen zu zeigen. Frauen dagegen berichten früher über Angst und Irritation und kommunizieren dies auch ihrer Umwelt. Männliche Probanden teilen attraktiven weiblichen Versuchsleiterinnen signifikant weniger Schmerzen im Experiment mit. Dagegen kommunizieren weibliche Probandinnen attraktiven männlichen Versuchsleitern mehr und intensiver Schmerzen als den jeweils gleichgeschlechtlichen Versuchsleiterinnen. Umgekehrt wird Frauen und Männern in der Schmerztherapie unterschiedlich begegnet. Frauen erhalten eine weniger intensive medizinische Abklärung, die schmerztherapeutische Versorgung bei Frauen ist geringer als bei Männern. Männer und Frauen haben eine unterschiedliche Kommunikation bezüglich Schmerzen. Es gibt deutliche geschlechtstypische Unterschiede im sprachlichen Ausdruck. Sprachlich stufen Frauen Schmerzen zurück, während Männer die Schmerzen intensiver vermitteln. Frauen fokussieren mehr auf das soziale Umfeld, wenn sie Schmerzen kommunizieren: „Ich kann für meine Familie nicht mehr einkaufen gehen, weil durch die Schulterschmerzen die Taschen zu schwer SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Hartmut Göbel, Kiel sind.“ Männer dagegen wollen als eigene Experten die Ursachen der Schmerzen analysieren: „Ich habe Schulterschmerzen, es liegt wohl an den Bandscheiben.“ Männer schildern Schmerzen symptomorientierter, während Frauen ihr Verhalten skizzieren. Das weibliche Gehirn färbt Schmerzen mit mehr Gefühl In Untersuchungen zeigte sich, dass die Wahrnehmung und Verarbeitung von Schmerzen bei Männern und Frauen unterschiedlich organisiert ist. In psychophysischen Experimenten zeigen sich Frauen nahezu doppelt so empfindlich auf Schmerzreize wie Männer. Sie zeigen auch größere Unterschiede in der Lateralisation der Schmerzempfindlichkeit zwischen der linken und rechten Körperhälfte und die zirkadiane Rhythmik der Schmerzwahrnehmung ist bei Frauen und Männern unterschiedlich. Gehirnscans mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zeigen, dass das männliche und weibliche Gehirn bei gleichen Schmerzreizen unterschiedlich reagiert. Bei Frauen wird das limbische System, das für die gefühlsmäßige Tönung von Schmerzen verantwortlich ist, stärker aktiviert als bei Männern. Frauen verspüren daher die affektive und die emotionale Komponente von Schmerzen intensiver als Männer. Im Gegensatz zu Frauen zeigt das männliche Gehirn bei Schmerzreizen eine stärkere Aktivität in den kognitiven und analytischen Bereichen der Wahrnehmung. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede können entwicklungsgeschichtlich erklärt werden. So müssen die kognitiven Bereiche des männlichen Gehirns im Rahmen der Verteidigung nach außen bei Schmerz und Stress stärker aktiviert werden. Die Aktivierung der limbischen Gehirnareale führt dagegen zu einem verstärkten Schutz der Familie nach innen mit Bindung der Frau an die Familie und Sorge für den Zusammenhalt. Auch Hormone können die Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung beeinflussen. Frauen, die sich im Rahmen einer Geschlechtsumwandlung mit dem männlichen Hormon Testosteron behandeln ließen, sagen aus, dass sie nunmehr als Männer weniger starke Schmerzen empfinden als vorher. Tes tosteron scheint die Schmerzempfindlichkeit zu reduzieren, dagegen scheinen Östrogene die Schmerzhemmmechanismen zu bremsen und die Schmerzempfindlichkeit ansteigen zu lassen. Dabei scheint nicht der absolute Hormonspiegel relevant zu sein, sondern vielmehr Hormonschwankungen. Frauen benötigen besondere Aufmerksamkeit Bei Alltagsschmerzen ist es insbesondere für Frauen wichtig, eine schnelle und verträgliche Behandlungsstrategie nutzen zu können. Kopf-, Rücken-, Muskel-, Gelenk- und Sehnenschmerzen treten im Alltag häufig auf und können mit einfachen Mitteln präventiv oder therapeutisch behandelt werden. Die frühe und effektive Vorbeugung und Therapie ist notwendig, damit Schmerzen im Alltag nicht chronifizieren. Folgende Maßnahmen können dabei helfen: 1. Stressabbau: Die persönlichen Stressoren sollten identifiziert und möglichst ausgeschaltet werden. Tagesplanung, Pausen und ein selbstbestimmter Tagesablauf sind gerade für Frauen wichtige Maßnahmen, um Stress vorzubeugen. Nein zu sagen und den Tagesrhythmus selbst zu bestimmen, sind ebenfalls wesentliche Maßnahmen zur Stressreduktion. Entspannungstechniken wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacob- Tabelle 1: Unterschiede in der Häufigkeit von Schmerzen bei Frauen und Männern (Bundesgesundheits-Survey 1998) Schmerzart Frauen Männer Kopfschmerz Nackenschmerz Schulter Brust Rücken Bauch Hüften Unterleib Beine Füße 70% 53% 46% 13% 62% 32% 20% 25% 33% 23% 52% 35% 32% 15% 56% 21% 15% 5% 31% 15% SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Archiv Urban & Vogel Schmerzforschung Männer versuchen öfter, das Problem allein zu lösen. son und Atementspannungsmaßnahmen sind ebenfalls gut geeignet und bewährt. Solche Entspannungsmethoden können auch selbst mit CD-Programmen erlernt werden (www. neuro-media.de). 2. Bewegung: Wann immer möglich sollte man einseitige körperliche Tätigkeiten vermeiden. Das lange monotone Sitzen auf Stühlen mit fester Lehne sollte gänzlich aufgegeben werden. Die Treppe sollte anstatt des Aufzuges benutzt werden. Kleine Botengänge sollte man selbst erledigen, um körperlich aktiv zu bleiben. Regelmäßig sollte man einen Ausdauersport wie Schwimmen, Radfahren oder Walken betreiben. Lockerungsübungen, Gymnastik und leichtes Muskeltraining können Verspannungen lösen sowie Gelenke und Wirbelsäule entlasten. 3. Heben und Tragen: Um etwas hochzuheben, sollte man bei geradem Rücken in die Hocke gehen. Schwere Lasten sollten durch zwei Personen getragen werden. Frauen sollten nicht mehr als 10 kg und Männer nicht mehr als 20 kg allein heben. 4. Ernährung: Gegen Schmerzen hat sich eine kohlenhydratreiche und fettarme Kost bewährt. Es sollte mehrmals am Tag hauptsächlich frisches Obst und Gemüse verzehrt werden. Täglich sollten mindestens 2 bis 3 Liter getrunken werden. 5. Schmerzmittel: Wenn im Alltag Schmerzen auftreten, denen durch die beschriebenen Vermeidungsstrategien nicht vorgebeugt werden konnte, sollten Schmerzmittel eingenommen werden. Diese schützen das Nervensystem vor übermäßiger Schmerzstimulation und Stress. Schmerzen auszuhalten ist keine Tugend: Unbehandelter Schmerz macht noch 13 mehr Schmerz. Durch eine effektive Schmerzbehandlung können chronische Schmerzen vermieden werden. Bei der Selbstmedikation mit Schmerzmitteln im Alltag sollten wichtige Regeln eingehalten werden: ■ Es sollten ausschließlich Schmerzmittel mit nur einer einzigen Wirksubstanz verwendet werden. Auf ausreichende Dosis und rechtzeitigen Einsatz ist zu achten. Das Medikament der ersten Wahl ist dabei die Acetyl salicylsäure. Dieser Wirkstoff kann sowohl die Schmerzempfindlichkeit reduzieren, Schmerzabwehrmechanismen aktivieren als auch gleichzeitig entzündungshemmend wirken und Schmerzbotenstoffe stoppen. ■ S chmerzmittelmischpräparate sollten vermieden werden. Wesentlicher Grund ist, dass diese mit einem erhöhten Risiko einer Schmerzchronifizierung belastet sind. So zeigen Analysen von Patienten mit Kopf- schmerzen bei Medikamentenübergebrauch, dass in der Regel fixe Arzneimittelkombinationen für deren Entstehung ursächlich sind. Darüber hinaus ist aufgrund der erhöhten Einnahme dieser Medikamente die Gefahr von Magen-, Nieren- und Leberschädigungen gegeben. Die Verträglichkeit und die Sicherheit von Kombinationspräparaten im Langzeiteinsatz müssen weiterhin kritisch bewertet werden. ■ Im Bereich der Kopfschmerztherapie sollten Schmerzmittel maximal an zehn Tagen pro Monat eingenommen werden. Ein besonderes Risiko zur Entstehung von Kopfschmerzen bei Schmerzmittelübergebrauch ist bei Kombinationspräparaten gegeben. Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft hat daher für Schmerzmittelmischpräparate eine deutlich niedrigere Grenzschwelle als für Monopräparate angesetzt. Foto: Archiv Zur Dikussion Viel Gemüse und frisches Obst sind auch für Schmerzpatienten empfehlenswert. ■ S chmerzen, deren Ursache ungeklärt ist, die nicht abklingen oder die immer wieder auftreten, müssen durch ärztliche Untersuchungen diagnostisch geklärt werden. ❏ Hartmut Göbel, Kiel Literatur beim Verfasser Abdominelle Migräne? Nicht immer sind Bauchschmerzen beim Internisten optimal versorgt, schil dert Dr. med. Thomas Nolte, Vizepräsident und DGS-Leiter, Wiesbaden, an hand einer eindruckvollen Kasuistik aus dem Schmerzzentrum Wiesbaden, Regionales Schmerzzentrum – DGS,Facharztzentrum Medicum. Schmerzproblematik Frau B., 37 Jahre alt, sucht wegen vernichtender krampfartiger Abdominalbeschwerden auf Empfehlung eines gastroenterologischen Facharztes unsere schmerztherapeutische Praxis auf. Die Schmerzen strahlen attackenartig in den gesamten Unterbauch aus und sind in der letzten Zeit erheblich häufiger und intensiver geworden. Ihr Auftreten ist nicht vorhersehbar. Die Patientin muss wegen der Intensität und dem schnellen Auftreten ihre Alltagsaktivitäten unterbrechen, wenn diese ohne Vorboten unvermittelt auftreten. Übelkeit und Erbrechen fehlen. Mehrfach hat sie bereits den Notarzt rufen müssen! Sie selbst hält Stress und Wetterwechsel möglicherweise als Schmerzauslöser für mit verantwortlich. Die Attackenfrequenz beträgt aktuell alle zwei Wochen. Bildarchiv Urban & Vogel Anamnese Problemrelevant ist, dass ihre Schmerzattacken nach einer radikalen Unterleibsoperation wegen Plattenepithelkarzinom der Portio mit Darm- und Blaseninfiltration 1999 und anschließender Bestrahlungstherapie, Anus praeter und Neoblase aufgetreten sind. Ihre Schwester leidet unter Migräne. Heftige Bauchschmerzen, die kaum auf eine andere Behandlung, aber gut auf Triptane ansprechen ... 14 Sozialanamnese Frau B. ist verheiratet und arbeitet halbtags als Juristin. Seit einem Jahr hat das Ehepaar ein Kind Thomas Nolte, Wiesbaden adoptiert. Eine weitere Adoption wird erwogen. Bisherige Therapie Alle bisherigen therapeutischen Maßnahmen wie Wärme, Akupunktur und Verhaltenstherapie helfen nur unzureichend oder gar nicht. Auch alle bisher eingesetzten Medikamente wie Butylscopolamin, Metamizol, Tramadol, Buprenorphin und NSAR sind wenig effektiv. Schmerztherapie Unter der Hypothese einer abdominellen Migräne und unter Berücksichtigung aller anderen bisher gescheiterten Therapieversuche leiten wir zunächst den Versuch einer Schmerzattackenbehandlung mit einem Triptan ex juvantibus ein. Frau Blum berichtet bei einem Folgetermin drei Monate später, dass ihr das verordnete Triptan als Sublingualtablette sicher, sehr schnell und auch lang anhaltend geholfen hat. Eine erneute Einnahme während der Attacke ist nicht notwendig gewesen. ❏ Thomas Nolte, Wiesbaden [email protected] SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Psychologie Achtsamkeit und Akzeptanz – Erfolgsfaktoren in der Schmerztherapie? Ein Schmerz, der bleibt, kann auch und gerade beim sehr kooperativen und motivierten Patienten in eine Sackgasse von Erschöpfung und Verzweiflung führen. Die mitunter desolate Ausgangssituation und wie hier mit dem verhaltensmedizinischen Verfahren ACT (Acceptance & Commitment Therapy) neue Wege aus der Schmerzfalle gefunden werden können, schildert Herr Dipl.-Psych. Gideon Franck, Institut für Gesundheit, Fulda. SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) aber vermeide ich meinen eigenen Körper bei Schmerzen? Wer kann ihn reparieren? Im Ex tremfall findet die Kontrolle und Vermeidung von Leid ihren Höhepunkt darin, dass ich den Körper wegwerfe, ihn entsorge, Suizid bege he – eine Diskussion, die gerade in Bezug auf Palliativpatienten heiß geführt wird. Das Problem liegt darin, dass Kontrollstra tegien, die in der Außenwelt hervorragend funktionieren, in Bezug auf unser inneres Er leben schlichtweg unfunktional sind. Da wir sie aber so gut und automatisiert beherrschen, wenden wir sie, meist ohne es uns bewusst zu machen, immer wieder an. Aus diesem Kampf um Kontrolle entsteht zusätzliches Leiden, welches für viele der psychopathologischen Symptome bei chronischen Schmerzen, aber auch für einen Teil der Chronifizierung ver antwortlich ist [2]. Vermeidung von erneutem oder weiterem Schmerz (z. B. im Konzept der Fear-Avoidance enthalten) und die damit ge koppelten Handlungen sind eine solche Kon trollstrategie. Erschöpfung im Kampf gegen den Schmerz Der Schmerz wird als Eindringling, Übeltäter und Gefahr gesehen, der mit allen Mitteln be kämpft werden muss. Wie ein Fremdkörper soll er unterdrückt, vielleicht sogar ausgetrie ben werden. Ein Bild, welches wir als Behand ler gerne bedienen. Aber dieser Kampf bringt oft hohe Kosten mit sich. Denn aus dem ur sprünglichen Leiden durch den Schmerz ent steht erneutes, zusätzliches Leiden, welches sich durch misslungene Kontrollversuche er gibt. Typische Kosten sind Energielosigkeit, Unruhe, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Angst, Selbstzweifel, aber auch Subs tanzmissbrauch. Wie mit diesen Folgen um gehen? Oftmals wirken sie schmerzaufrechter haltend. Viele, auch psychotherapeutische Ansätze zeigen bei Weitem noch nicht die gewünschten Wirkungen, wenn auch die kognitive Verhaltenstherapie dabei recht gut abschneidet. Im hier vorgestellten Verfahren handelt es sich um die Acceptance & Commitment Therapy, ACT (als ein Wort gesprochen) [1], eine relativ neue Richtung innerhalb der Ver haltenstherapie, welche bisher gute Erfolge auch im Bereich der chronischen Schmerzen aufweisen konnte. Vor allem erweist sie sich als sinnvoll im Hinblick auf die Steigerung der Aktivität und Lebensqualität der Patienten. Wenn Kontrolle zum Problem wird Ein grundlegendes Problem hängt damit zu sammen, dass wir die Tendenz haben, aver sive Zustände, egal ob innerlich oder in der Außenwelt, kontrollieren zu wollen. Bezogen auf die äußere Welt funktioniert das meist sehr gut. Vom Beginn unseres Lebens an ler nen wir die Umwelt so zu formen, dass wir angemessen damit zurechtkommen. Ein ka puttes Gerät reparieren wir oder werfen es weg, eine stärkere, unliebsame Person oder gefährliche Situation vermeiden wir usw. Wie Archiv Urban & Vogel H err M. kam im Rollstuhl in die Praxis. Nach einem schweren Autounfall vor drei Jahren querschnittsgelähmt leidet er un ter starken Deafferenzierungsschmerzen im unteren Bereich der BWS. Dieser neuropa thische Schmerz zeigte sich bisher therapie resistent. Versuche mit Gabapentin, Pregaba lin, Opioiden (verschieden verabreicht, inkl. zweier Schmerzpumpen, die ungefüllt im Bauch verweilen) und vielem anderen mehr scheiterten aufgrund der Nebenwirkungen oder einer gänzlich fehlenden Wirkung. Herr M. beschrieb seine Situation folgen dermaßen: Er versuche, den Schmerz nicht zum Zuge kommen zu lassen, und beschäf tige sich den ganzen Tag mit etwas. Er ver suche sich abzulenken, wo immer es gehe. Er gehe schwimmen, sei politisch aktiv, gehe im Winter seiner Leidenschaft, dem Skifahren, nach und versuche, sein Leben so reichhaltig wie möglich zu gestalten, um dem Schmerz so wenig Raum wie möglich zu lassen. So weit schien dies ein Patient mit optimalen Bewältigungsstrategien zu sein, jemand, der sich nach einem schweren Schicksalsschlag mutig aufgerappelt und das Beste daraus ge macht hat. Nachdem all dies anfangs erwähnt wurde, berichtete der Patient, dass er am Ende sei, dass er nicht mehr könne. All seine Kraft sei im Kampf gegen den Schmerz aufgebraucht. Mit der Behinderung fertig zu werden, sei letztendlich leichter gewesen, als andauernd und meist erfolglos gegen den Schmerz vor zugehen. Er habe Angst, dass es irgendwann so weit komme, dass er nicht mehr leben wol le, einfach weil er keine Kraft mehr habe. Trotz eines positiven Ansatzes und des starken Willens, das Leben zurückzuero bern, reibt sich der Patient im Kampf gegen den Schmerz bis zur andauernden Erschöp fung auf. Ein Bild, das sich im Umgang mit Schmerzpatienten häufig bietet. Oft zeigt sich dazu noch früher oder später die Abgabe der Kontrolle an die meist ärztlichen Behandler. Gideon Franck, Fulda Bewältigungsstrategien von Schmerzpatienten können in eine Sackgasse führen. 15 Psychologie Ähnlich verhält es sich mit Ablenkungsstra tegien, die auch eine Form von Vermeidung darstellen. Obwohl in der Literatur immer wieder als effektiv gegen Schmerz gepriesen funktionieren sie besser bei akutem und bei Weitem nicht immer bei chronischem Schmerz (wie viele Patienten bezeugen können). Das Dilemma der kurzfristig erfolgreichen Strategien Der anfangs vorgestellte Patient Herr M. ver suchte sich meisterlich abzulenken. Manch mal funktionierte es auch, und dieser kurzfristige Erfolg war Wasser auf die Mühlen, es nur noch öfter und „besser“ zu probieren. Das ist das Verführerische bei kurzfristig wirksamen Strategien. Letztlich ging er arbeiten, um sich abzulenken, schwamm, um sich abzulenken, hörte Musik, um sich abzulenken, fuhr Auto, um sich abzulenken – er war nur noch mit Ab lenken beschäftigt. Er war ständig auf der Flucht vor sich selbst. Das ist nicht nur extrem anstrengend, sondern frustrierend und absolut aussichts los. Denn alles, was er tat, um nicht mit dem Schmerz in Kontakt zu sein, zwang ihn auto matisch, sich mit ihm zu beschäftigen. Jeder Schwimmbadbesuch, nahezu jede Autofahrt war für Herrn M. eine Erinnerung an das, wovon er weg wollte. Jede Kontrollstrategie bezieht sich immer irgendwie auf das, was kontrolliert werden soll. Damit ist der Schmerz immer präsent. zug auf ihre kurzfristige und vor allem langfristige Wirksamkeit, mit dem Schmerz umzuge hen, untersucht. Letztlich zeigte sich, dass alle Versuche, den Schmerz zu kontrollieren, lang fristig gescheitert waren. Dies vor Augen ge führt zu bekommen, war für den Patienten verwirrend, gleichzeitig aber befreiend, da er sich in seiner Erfahrung der letzten Jahre be stätigt fühlte und ahnte, dass es da etwas gibt, woran er bisher keineswegs gedacht hatte. „Kreative Hoffnungslosigkeit“ Der erste Schritt, dies zu unterminieren und so die Gewohnheit der Kontrolle oder Vermeidung zu lockern, ist in ACT das Herstellen einer „kreativen Hoffnungslosigkeit“. Die Bezeich nung Hoffnungslosigkeit bezieht sich hier auf die bisher verwendeten Strategien, nicht auf die Person an sich oder einen emotionalen Zustand. Kreativ ist sie, weil dieser Moment die Möglichkeit gibt, einen neuen Weg zu be schreiten – den der Akzeptanz. Mit Herrn M. wurden seine Strategien immer wieder in Be Akzeptanz als Ausweg Das Gegenteil von Kontrolle und Vermeidung ist Akzeptanz. Akzeptanz bedeutet die Bereit schaft, auch die unangenehmen Dinge im Leben zu erleben. Es geht nicht darum, sie passiv über sich ergehen zu lassen, sondern ihnen aktiv akzeptierend zu begegnen. Viele Patienten mögen dabei das Bild: dem Tiger ins Auge schauen. Akzeptanz ist somit etwas ganz anderes als Resignation. Es funktioniert aber nur, wenn die Intervention genügend gut vorbereitet wurde und die Patienten Techniken Der Deutsche Schmerz- und Palliativtag 2008 – 05.03.– 08.03.2008 − Congress Center Messe Frankfurt Im Fokus: Multimodale Schmerztherapie und Palliativversorgung in Wissenschaft, Politik und Ökonomie Mittwoch 05.03.08 Donnerstag 06.03.08 Freitag 07.03.08 7:00 8:00 Auftaktvortrag Sterbehilfe/Euthanasie: Wie können wir das konfliktträchtige Spannungsfeld zwischen Medizin, Ethik, Recht und Politik überwinden? Eine kritische Bilanz Harmonie, 08.15–08.30 Uhr 9:00 Plenum Schmerz: ein KörperSeele-Problem Harmonie 08.30–10.00 Uhr 10:00 Plenum Paradigmenwechsel in der Schmerztherapie – das WHO-Stufenschema – didaktisches Instrument oder klinische Realität? Harmonie, 10.30–12.00 Uhr 11:00 12:00 Lunchseminar Interdisziplinäre Schmerztherapie in der Onkologie Illusion 1 + 2 12.10–13.30 Uhr 13:00 14:00 Juristische Beratung für DGSMitglieder 15:00 16:00 Lunchseminar Der chronische Rückenschmerz: Mechanismen und Behandlungsoptionen Conclusio 1 + 2, 12.10–13.30 Uhr Harmonie, 13.45–15.15 Uhr Spektrum 1, 13.45–15.15 Uhr Plenum Alltag in der Rückenschmerztherapie – Rollenspiel in 2 Akten Harmonie 15.45–17.15 Uhr Plenum Zukunftsarbeit Schmerz Mitgliederversammlung Fantasie 1 + 2 18.00–19.30 Uhr 16 Lunchseminar Medikamentöse Behandlung von Bewegungsschmerz – Strategien und Evidenzen Fantasie 1 + 2, 12.10–13.30 Uhr HOW (begrenzte Teilnehmerzahl) Standardisierte Dokumentation für Algesiologie (Teil 1) Mitgliederversammlung GGMM Conclusio 1 + 2 16.30–17.15 Uhr 18:00 19:00 Illusion 3 10.30–12.00 Uhr Harmonie 17.30–19 Uhr HOW Illusion 3 08.30–10.00 Uhr Freie Vorträge Session II Illusion 1 + 2 7-8.20 Uhr Illusion 3 7-8.20 Uhr HOW Integrierte Versorgung – Erfolgsmodelle der Schmerztherapie und Palliativmedizin Illusion 1 + 2 10.30–12.00 Uhr Plenum Palliativmedizin bei Tumorschmerz: Synergien durch mehrdimensionales Zusammenspiel VIP-Lounge 14.00–17.00 Uhr 17:00 HOW Die Versorgung von Patienten mit Schmerzpumpen HOW Illusion 1 + 2 08.30–10.00 Uhr Freie Vorträge Session I Lunchseminar Sektorenübergreifende Versorgung in Schmerztherapie und Palliativmedizin Illusion 3, 12.10–13.30 Uhr InternetCafé HOW (begrenzte Teilnehmerzahl) Gefäßerkrankungen als Differenzialdiagnose für Schmerzen bei orthopädischer und neurologischer Mitbeteiligung Illusion 1 + 2, 13.45–15.15 Uhr HOW (begrenzte Teilnehmerzahl) Offene Schmerzkonferenz – darf’s ein bisschen mehr sein? Illusion 1 + 2 15.45–17.15 Uhr Mitgliederversammlung VDÄA Fantasie 1 17.30–18.30 Uhr InternetCafé Spektrum 1 11–18 Uhr HOW (begrenzte Teilnehmerzahl) Moderationstechniken Arbeit der Schmerztherapiekommissionen Illusion 3 15.45–17.15 Uhr Fantasie 1 + 2 15.45–17.15 Uhr Vorbesprechung und Prüfungen Algesiologische Fachassistenz HOW (begrenzte Teilnehmerzahl) HOW Idee 16.30– ca. 18.00 Uhr Illusion 1 + 2 17.30–19 Uhr Illusion 3 17.30–19 Uhr Lunchseminar F.A.S.T. – ein neuer Meilenstein in der Therapie von Durchbruchschmerzen Conclusio 1 + 2 12.10–13.30 Uhr Spektrum 1 10–18 Uhr Juristische Beratung für DGSMitglieder VIP-Lounge 14.00–17.00 Uhr Abendsymposium Diabetische Neuropathie neu abgeschmeckt Marriott Hotel, 19.30 Uhr SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Psychologie an die Hand bekommen, um die Bereitschaft hierfür aufzubringen. Die einfache Aussage „Akzeptieren sie es! Sie müssen damit le ben.“, die die Patienten allzu oft hören, wird fast ausschließlich als eine Aufforderung zur Selbstaufgabe verstanden und daher ver ständlicherweise nicht befolgt. Für den Patienten ist wichtig zu wissen, dass die Schmerzen durch Akzeptanz nicht notwendigerweise weniger werden. Es berich ten aber die meisten, dass sie über die Zeit als nicht mehr so einschränkend und vor allem als nicht mehr alles bestimmend erlebt werden. Akzeptanz macht aber nur Sinn, wenn sich daraus ein Vorteil im Leben ergibt. Als Selbst zweck ist es reine Quälerei. In ACT wird sie im mer daran gekoppelt, ein reicheres, vitaleres Leben führen zu können und dafür Schmerz in Kauf zu nehmen. Nur mit einer sinnvollen Perspektive werden die Patienten bereit sein, Akzeptanz für Schmerz zu entwickeln. Eine gute Übung hierfür ist die Schmerz fokussierung, welche bei Seemann [3] sehr Gedanken wie Wolken ziehen lassen ... schön beschrieben ist. Der Patient wird ange leitet, sich auf den Schmerz zu konzentrieren, ihn genau zu untersuchen und ihn in andere Sinnesmodalitäten zu überführen. Verhaltenstherapeutisch gesehen han delt es sich hierbei um eine Expositionsübung. Der Patient setzt sich willentlich dem Schmerzerleben aus, betrachtet es aber anders und kann so ein neues Verhältnis zu der Symptomatik entwickeln. Typischerweise wird der Schmerz nicht stärker empfunden, sondern eher schwächer. Gleichzeitig wird die Erfahrung gemacht, sich mit dem Schmerz beschäftigen zu können, ohne überwältigt zu werden. In einer eindrücklichen Studie zeigten McCracken und Eccleston [4], wie positiv und stark der Einfluss von Akzeptanz der Schmer zen auf Variablen wie Schmerzintensität, Ar beitsstatus, Depression, Angst oder die Zeit ist, die die Patienten tagsüber auf den Beinen sind. Auch spätere Arbeiten zeigen den starken Einfluss von Akzeptanz auf Schmerz [5, 6]. Kratz et al. fanden beispielsweise Akzeptanz als Moderator zwischen Schmerz und nega tivem Affekt bei Frauen mit Fibromyalgie und Arthritis [7]. Ein an Werten ausgerichtetes Leben Die meisten Schmerzpatienten haben große Teile ihres Lebens dem Schmerz und dessen Bekämpfung geopfert. Bei fast jedem Pati Der Deutsche Schmerz- und Palliativtag 2008 – 05.03.– 08.03.2008 − Congress Center Messe Frankfurt Im Fokus: Multimodale Schmerztherapie und Palliativversorgung in Wissenschaft, Politik und Ökonomie Freitag 07.03.08 7:00 8:00 9:00 10:00 11:00 12:00 13:00 Frühstücksseminar Aktuelle Aspekte in der Rückenschmerztherapie: Moderne Schmerztherapie bestimmt durch neurophysiologische Mechanismen Frühstücksseminar Paradigmenwechsel in der Therapie mit NSAR – ist die Zukunft wirklich immer selektiver? Fantasie 1 + 2, 7.00–8.20 Uhr Conclusio 1 + 2, 7.00–8.20 Uhr Plenum Versatis: eine neue Therapieoption zur Behandlung lokaler neuropathischer Schmerzen Harmonie 8.30–10 Uhr HOW IGEL-Leistungen und Privatliquidation in der Schmerztherapie Illusion 1 + 2 10.30–12.00 Uhr Lunchseminar Herpes zoster: Schicksal – oder können wir uns schützen? 15:00 16:00 17:00 18:00 19:00 Plenum Therapie von Rückenschmerzen – nichts Neues? Harmonie 13.45–15.15 Uhr Plenum Präzise und flexibel: Akutund Supportivtherapie von Schmerzpatienten Harmonie 15.45–17.15 Uhr Plenum Jede Minute zählt – warum wir über Durchbruchschmerzen sprechen müssen Harmonie 17.30–19 Uhr Illusion 1 + 2 8.30–10 Uhr HOW (begrenzte Teilnehmerzahl) 1 1/2 Jahre Ziconotid in Deutschland Rückblick und Zukunftsperspektiven Illusion 1 + 2 15.45–ca. 19.00 Uhr Fantasie 1 + 2, 7.30–8.50 Uhr Plenum Multimodale Therapie neuropathischer Schmerzen Harmonie 9–10.30 Uhr Illusion 3 8.30–10 Uhr Plenum Rückenschmerzen wirksam, rational, ökonomisch behandeln Harmonie 10.30–12.00 Uhr Conclusio 1 + 2 10.30–12.00 Uhr Von der Grundlagenforschung bis zur Therapie Maritim HOW Achtsamkeitstraining zur Schmerztherapie und Schmerzbewältigung Illusion 1 + 2 13.45–15.15 Uhr ALFA-Seminar Conclusio 1 + 2 13.45–14.45 Uhr Conclusio 1 + 2 7.30–8.50 Uhr HOW HOW Posterpräsentation und -diskussion HOW Fortsetzung Ziconotid-Workshop Illusion 3 17.30–19 Uhr Illusion 1 + 2 17.30–19 Uhr Freie Vorträge Session III Freie Vorträge Session IV Illusion 1 + 2 7.30–8.50 Uhr Illusion 3 7.30–8.50 Uhr HOW (begrenzte Teilnehmerzahl) Somatoforme Störungen – Vorurteile erschweren die Behandlung Illusion 1 + 2 9–10.30 Uhr ganztags InternetCafé Spektrum 1 10–16 Uhr ALFASeminar Curriculum Algesiologische Fachassistenz HOW Die Versorgung von Patienten mit Schmerzpumpen Illusion 3 9–10.30 Uhr 10–15 Uhr Plenum Aktuelle Herausforderungen der differenzierten Therapie starker Schmerzen Harmonie 11.00–13.00 Uhr Lunchseminar 10 Jahre Rizatriptan in Deutschland – Gegenwart und Ausblick Fantasie 1 + 2 13.10–14.30 Uhr Plenum Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen: evidenz- oder eminenzbasiert? Harmonie, 14.45–16.15 Uhr Conclusio 1 + 2 15.45-17.15 Uhr SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Frühstücksseminar Ökonomie in der Praxis – praxisnahe Beratung vor Ort ALFA-Seminar Conclusio 1 + 2 10–11 Uhr ALFASeminar HOW/LS Rückenschmerz aus schmerztherapeutischer, rheumatologischer und ganzheitlich-funktionaler Sicht – ein interdisziplinärer Workshop Illusion 1 + 2, 12.10–13.30 Uhr HOW Standardisierte Dokumentation für Algesiologie Spektrum 1 13.45–15.15 Uhr Frühstücksseminar Über die Funktion zur Struktur: Manuelle Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen HOW Die Versorgung von Patienten mit Schmerzpumpen HOW Nordic Walking HOW Biofeedback bei Kopf- und Rückenschmerzen Illusion 3 10.30–12.00 Uhr Fantasie 1 + 2, 12.10–13.30 Uhr 14:00 Samstag 08.03.08 LS/HOW Dronabinol in der Schmerztherapie – a never ending (love)story Illusion 1+ 2 13.10–14.30 Uhr HOW (begrenzte Teilnehmerzahl) Fantasie 1+ 2 14.45–16.15 Uhr Lunchseminar Ganzheitliche und naturheilkundliche Verfahren in der Schmerztherapie Conclusio 1+ 2 13.10–14.30 Uhr HOW Illusion 3 14.45–16.15 Uhr HOW Illusion 3 13.10–14.30 Uhr Tag der Öffentlichkeit MARITIM I–III 14.00–16.00 Uhr Gesundheitspolitisches Forum Ein Jahr Gesundheitsreform – wo bleiben chronisch Schmerzkranke? Harmonie 16.30–18.00 Uhr 17 Archiv Urban & Vogel Psychologie Schmerzakzeptanz und Achtsamkeit für die kleinen Dinge. enten besteht der Wunsch, sich sein Leben wieder zurückzuerobern. In diesem Teil der Therapie geht es darum, sich innerlich an dem zu orientieren, was einem im Leben wichtig ist, und diese Qualitäten zu verfolgen. So wird hier große Sorgfalt darauf verwendet einen Überblick der persönlichen Werte und wertgeschätzten Handlungen in mehreren Bereichen des Lebens zu erstellen (z.B. Part nerschaft, Familie, Freizeit, Beruf, Spiritualität etc.). Eine gute Anleitung hierfür findet sich in Dahl et al. [2]. Diese Liste wird immer wieder als Referenz genommen, ob sich die Pati enten in Richtung ihrer wertgeschätzten Le bensinhalte bewegen. Es werden auch kon krete Handlungen mit dem Patienten geplant, um dies zu bewerkstelligen. Bei Herrn M. ging es hauptsächlich darum, den Dingen, die er früher tat und gern mochte, wieder etwas Po sitives abzugewinnen und sie genießen zu können. Gedanken als das sehen, was sie sind – Defusion Wird Schmerz erlebt, so setzt dies meist eine Reihe von Kognitionen und Handlungen in Gang, die wie automatisch mit dem Schmerz verbunden scheinen. Sie sind geradezu ver schmolzen mit ihm. Beispiele von Herrn M. sind: „Reicht es nicht, dass ich gelähmt bin, warum muss ich auch noch mit dem Schmerz bestraft werden?“ oder: „Ein wirklicher Krüp pel bin ich wegen der Schmerzen, nicht we gen des Rollstuhls.“ Im Sinne von ACT geht es nicht darum, die Gedanken zu kontrollieren oder zu verändern, wie dies in der klassischen kognitiven Verhal tenstherapie der Fall ist. Es geht viel mehr 18 darum, dass die Probleme erst entstehen, wenn wir uns die Gedanken abkaufen, sie als Fakt nehmen. In dem Moment sind wir mit ihnen „verschmolzen“. So werden sie emo tionsauslösend und handlungsleitend. Alle Menschen haben irgendwann einmal merk würdige, negative, verschrobene oder kin dische Gedanken. Das heißt aber lange noch nicht, dass wir ihnen eine größere Bedeutung beimessen. Sie verschwinden auch einfach wieder von selbst – wie alle Gedanken, die die Chance dazu bekommen. So gibt es in ACT einen großen Fundus an Übungen, um Vorgänge auf Gefühlsebene und als Kognitionen zu bemerken und dann Ab stand zu ihnen zu gewinnen. Eine Möglichkeit ist u. a. die Schmerzfokussierung. Eine andere ist, sich vorzustellen, man setzt die Gedanken auf Blätter, die auf einem Fluss an uns vorbei treiben. Man kann sie betrachten, muss ihnen aber nicht folgen. Nicht um die Gedanken zu verdrängen, sondern um sich darin zu üben, immer wieder innerlich Abstand von ihnen zu nehmen und nicht der Aufforderung zum Grü beln nachzugeben. Es wird geübt, dass es eine willentliche Entscheidung sein kann, einem Gedanken zu folgen oder eben auch nicht. Ge nauso kann mit Gefühlen verfahren werden. Es geht nicht darum zu sagen, dass bestimmte Gedanken gut oder schlecht seien. Es geht viel mehr darum, auf sie schauen zu können, statt von ihnen aus in die Welt zu blicken. Herr M. kam mit vielen festen Überzeu gungen wie „Mein Schmerz ist unvorstellbar schlimm!“. Vielleicht stimmt das sogar, subjek tiv sicherlich. Doch jetzt? Wie sehr hilft das, ein vitaleres, wertgeschätztes Leben zu führen? Die Übungen wurden immer wieder durchge führt und – wie viele Patienten – war Herr M. erstaunt darüber, dass auch so schwerwie gende Gedanken sehr flüchtig sein können, wenn man gelernt hat, sie zu beobachten und Abstand zu nehmen. Gleiches wurde auch mit dem Schmerz geübt – sich immer wieder lösen zu können, ohne ihn weghaben zu wollen. Achtsamkeit als Weg – präsent sein Um Obiges tun zu können, ist es wichtig, achtsam zu sein. Achtsam sein heißt, sich dessen gewahr zu werden, was gerade jetzt im Moment passiert – möglichst ohne zu be urteilen. Wir sind innerlich immer beschäftigt und die Aufmerksamkeit liegt selten dort, wo wir uns momentan physisch befinden. Solan ge wir uns nicht mit größeren Problemen be fassen müssen, ist das nicht weiter schlimm. Anders ist es jedoch, wenn wir uns schlecht fühlen. Unser Verstand ist leidenschaftslos, will Probleme lösen (das ist sein Job), hat aber nicht die passenden Werkzeuge parat. So produziert er eine Unmenge an Gedan ken, Gründen, Vorschlägen, in die wir uns immer weiter verstricken. Gerade bei Schmerzkranken liegt die Auf merksamkeit nur noch auf dem Schmerz und den damit verbundenen Kognitionen. Das restliche Leben tritt in den Hintergrund. In der Achtsamkeit geht es aber darum, aufmerksam in der Gegenwart zu sein. Dies erfordert die Fertigkeit der Defusion und die Entscheidung zur Akzeptanz. Diese Entscheidung ist radikal, denn es geht nicht, ein bisschen achtsam zu sein. Wenn ich es wirklich bin, dann nehme ich das an, was dieser Moment zu bieten hat. Ich muss es nicht mögen, aber ich akzeptiere es. Hayes et al. [1] schreiben, dass es nicht nur darum geht, sich besser zu fühlen, sondern eher besser zu fühlen. Es geht darum, das Leben in all seinen Facetten wahrzunehmen und so reichhaltiger zu machen. Wird dies vom Patienten erfolgreich umgesetzt, ändert sich das subjektive Erleben hierdurch enorm. Achtsamkeit kann bei jeder kleinsten Aktivi tät ausgeübt werden (Essen, Händewaschen, Gehen ...). Sie wird aber auch zur Intensivie rung der Erfahrung und zum Üben der Fertig keit in Form von Meditationen unterrichtet. In den Achtzigerjahren des letzten Jahr hunderts hat Jon Kabat-Zinn die ursprünglich buddhistische Methode für therapeutische Belange aufbereitet. Sie wurde von ihm als Gruppentherapie für Schmerzpatienten mit guten Ergebnissen überprüft [8, 9]. Auch neuere Forschung unterstreicht ihren Stel lenwert in der Schmerztherapie [10]. Seitdem hält das Konzept der Achtsamkeit immer stär ker Einzug in die Psychotherapie. Sie ist ein grundlegender Baustein der Dialektisch Beha vioralen Therapie der Borderline-Störung (M. Linehan) und wird bei Ängsten, Depression sowie verschiedenen körperlichen Erkran kungen als Therapiebaustein angewendet. In ACT ist sie auf eine sehr gewinnbringende Art in das Gesamtkonzept eingebettet. Für Herrn M. war Achtsamkeit der wich tigste Schritt in der Therapie. Er lernte für sich wieder, schwimmen zu gehen um des Schwimmens willens, Musik zu hören, einfach nur um Musik zu hören. Vor allem lernte er die kleinen Momente wieder zu schätzen, die ihm zuvor in seinem Leben nicht mehr aufgefallen waren. Resümee Viele Schmerzpatienten können mit den der zeit verfügbaren Behandlungsmethoden nicht schmerzfrei werden. Oft reiben sie sich beim Versuch auf, den Schmerz irgendwie in den Griff zu bekommen. Angst, Depression und starke Einschränkungen in der Lebensqualität SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Medizin und Recht sind die Folge. Die Acceptance and Commit ment Therapy (ACT) als eine Art der kogni tiven Verhaltenstherapie bietet durch die Bau steine der Akzeptanz, der wertegerichteten Lebensweise, der Defusion und der Achtsam keit eine vielversprechende Basis zur Psycho therapie von Schmerzpatienten. Herr M. lebt weiterhin mit seinen Schmer zen, sie dirigieren aber nicht mehr, in welche Richtung sein Leben geht. Er sieht sein Leben wieder als sinnerfüllt und lebenswert an, und er tut nun viele Dinge trotz der Schmerzen, nicht mehr nur, um ihnen zu entfliehen. ❏ Gideon Franck, Fulda Literatur 1. Hayes SC, Strohsal KD, Wilson KG: Akzeptanz und Commitment Therapie. CIP-Medien München 2004. 2. Dahl JC, Wilson KG, Luciano C, Hayes SC: Acceptance and commitment therapy for chronic pain. Context Press Reno 2005. 3. Seemann H: Freundschaft mit dem eigenen Körper schließen. Über den Umgang mit psychosomatischen Schmerzen. 5. Aufl. Pfeiffer bei Klett-Cotta, München 2005. 4. McCracken LM, Ecclestone C: Coping or acceptance: what to do about chronic pain? Pain 2003;105:197–204. 5. McCracken LM and Eccleston C: A prospective study of acceptance of pain and patient functioning with chronic pain. Pain. 2005; 118:164–169. 6. Vowles KE, McNeil DW, Gross RT et al.: Effects of pain acceptance and pain control strategies on physi- cal impairment in individuals with chronic low back pain. Behavior Therapy 2007;38:412–425. 7. Kratz AL, Davis MC, Zautra A.: Pain acceptance moderates the relation between pain and negative affect in female osteoarthritis and fibromyalgia patients. Ann Behav Med. 2007;33:291–301. 8. Kabat-Zinn J: An outpatient program in behavioral medicine for chronic pain patients based on the practice of mindfulness meditation: theoretical considerations and preliminary results. Gen Hosp Psychiatry 1982;4:33–47. 9. Kabat-Zinn J, Lipworth Land Burney R: The clinical use of mindfulness meditation for the self-regulation of chronic pain. J Behav Med. 1985;8:163–90. 10.Morone NE., Greco CM, Weiner DK: Mindfulness meditation for the treatment of chronic low back pain in older adults: A randomized controlled pilot study. Pain. 2007 June 1 [Epub ahead of print]. Anforderungen an die Genehmigung einer Zweigpraxis In § 24 Abs. 3 Ärzte-/Zahnärzte-ZV wurden durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz die Voraussetzungen für den Betrieb von Zweigpraxen erstmals gesetzlich normiert, und dabei gleichzeitig die Anforderungen gelockert. Mittlerweile sind die ersten gerichtlichen Entscheidungen dazu ergangen, so jüngst eine Entscheidung des LSG Hessen, denen sich erste Anhaltspunkte für eine Konkretisierung der Voraussetzungen entnehmen lassen. Was dies konkret für den vertragsärztlichen Bereich einer Schmerzpraxis bedeutet, schildert Dr. Ralf Clement von der Kanzlei Rechtsanwälte Ratajczak & Partner, Sindelfingen. Die gesetzliche Regelung Nach § 15a Abs. 1 S. 2 BMV-Ä/EKV a. F. durfte die Genehmigung für den Betrieb einer Zweig praxis von den Kassenärztlichen Vereinigungen nur erteilt werden, wenn die Zweigpraxis zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärzt lichen Versorgung notwendig war. § 24 Abs. 3 Ärzte-/Zahnärzte-ZV eröffnet nunmehr die Möglichkeit, vertragsärztliche Tätigkeiten au ßerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten auszuüben, wenn und soweit die Versor gung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versor gung der Versicherten am Ort des Vertragsarzt sitzes nicht beeinträchtigt wird. lichen Bereich allerdings noch nicht gesche hen ist. Ein erster Interpretationsansatz findet sich in den Bundesmantelverträgen für Zahn ärzte: „Eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten im Sinne von Satz 1 liegt insbesondere dann vor, wenn in dem betreffenden Planungsbereich eine bedarfsplanungsrechtliche Unterversorgung vorliegt. Eine Verbesserung ist in der Regel auch dann anzunehmen, wenn unabhängig vom Versorgungsgrad in dem betreffenden Pla nungsbereich regional bzw. lokal nicht oder nicht im erforderlichen Umfange angebotene Leistungen im Rahmen der Zweigpraxis er bracht werden und die Versorgung auch nicht durch andere Vertragszahnärzte sichergestellt werden kann, die räumlich und zeitlich von den Versicherten mit zumutbaren Aufwendungen in Anspruch genommen werden können. Definitionen Der Begriff der Versorgungsverbesserung ist im Gesetz nicht näher definiert, und auch den Gesetzesmaterialien zum VÄndG lassen sich keine konkretisierenden Hinweise für seine Auslegung entnehmen. Der Gesetzgeber hat vielmehr den Partnern der Bundesmantelver träge die Möglichkeit gegeben, die Rege lungen näher auszugestalten, was im ärzt SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) 19 Medizin und Recht Dies gilt auch, wenn in der Zweigpraxis spezielle Untersuchungs- und Behandlungs methoden angeboten werden, die im Pla nungsbereich nicht im erforderlichen Umfang angeboten werden“ (§ 6 Abs. 6 S. 4 ff. BMV-Z, § 8a Abs. 1 S. 4 ff. EKV-Z). Interpretation in praxi Die Kassenärztlichen Vereinigungen handha ben die Anwendung von § 24 Abs. 3 Ärzte-/ Zahnärzte-ZV bislang sehr unterschiedlich. Um die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht zu beeinträchtigen, muss der Vertrags arzt an seinem Vertragsarztsitz persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung stehen. Die Tätigkeit am Vertragsarztsitz muss die Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich überwiegen (§ 17 Abs. 1a BMV-Ä, § 13 Abs. 7a EKV). Erste Urteile Das SG Marburg hat in zwei erstinstanzlichen Entscheidungen vom 7.3.2007 – S 12 KA 701/06 – und 27.8.2007 – S 12 KA 374/07 ER –, bei denen es zum einen um eine hausärzt liche Zweigpraxis in einem überversorgten großstädtischen Planungsbereich und zum anderen um eine zahnärztliche Zweigpraxis mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Kinderzahn heilkunde ging, die Anträge auf Erteilung ei ner Zweigpraxisgenehmigung jeweils zurück gewiesen. Nach Auffassung des SG Marburg setze der Begriff der Verbesserung der vertragsärz tlichen Versorgung eine Bedarfslücke voraus, bezüglich der die Zweigpraxis zu einer nach haltigen Verbesserung des Angebots oder der Erreichbarkeit führe. Eine Versorgungsverbes serung könne daher nur eintreten, wenn die bereits vorhandenen ärztlichen Leistungser bringer das Leistungsangebot des Zweigpra xisbewerbers nicht oder nicht im erwünschten Umfang erbringen könnten. Nach der Absicht des Gesetzgebers könne nicht jede Eröffnung einer weiteren Praxis bzw. Zweigpraxis unter dem Gesichtspunkt der freien Arztwahl zur Versorgungsverbesserung in diesem Sinne führen, da es sonst einer besonderen Rege lung nicht bedurft hätte. In überversorgten großstädtischen Pla nungsbereichen sei jedenfalls für den haus ärztlichen Bereich von einer grundsätzlich ausreichenden Versorgung auszugehen. Das SG hat auch in der Spezialisierung auf den Tätigkeitsschwerpunkt Kinderzahnheilkunde keine im Sinne des § 24 Abs. 3 Ärzte-/Zahn ärzte-ZV ausreichende Verbesserung der ver tragsärztlichen Versorgung gesehen. 20 Der Beschluss des LSG Hessen Das LSG Hessen hat die Entscheidung des SG Marburg vom 27.8.2007 nunmehr durch Beschluss vom 29.11.2007 – L 4 KA 56/07 ER – aufgehoben und die KZV im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Vertragszahnarzt bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Tätigkeit am Zweigpraxisstandort zu gestatten. Der Senat hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach seiner Auffassung unter dem Gesichtspunkt der qualitativen Verbesse rung der Versorgung bei einem Vertragszahn arzt, der den Tätigkeitsschwerpunkt Kinder zahnheilkunde führe, davon auszugehen sei, dass er auf diesem Gebiet über vertiefende Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt, die ein Vertragszahnarzt ohne diesen Tätigkeits schwerpunkt zumindest nicht in gleichem Um fang besitzt, auch wenn die Kinderzahnheilkun de grundsätzlich Gegenstand der Ausbildung aller Zahnärzte sei. Er hat es offen gelassen, ob entgegen der Ansicht des SG Marburg ne ben zusätzlichen qualitativen Tätigkeiten auch lediglich zusätzliche quantitative Tätigkeiten als Verbesserung der Versorgung der Versicherten angesehen werden können. Die Bedeutung der Entscheidung Die der Entscheidung zugrundeliegende Situation entspricht der von Vertragsärzten, die in Planungsbereichen tätig sind, in denen kei ne Zulassungsbeschränkungen für ihr Fach gebiet bestehen, da Vertragszahnärzte seit dem 1.4.2007 nicht mehr der Bedarfsplanung unterliegen. Das LSG hat in seiner Entscheidung aus drücklich klargestellt, dass bei der Entschei dung über eine Zweigpraxisgenehmigung auch bedarfsplanungsrechtliche Gesichts punkte und Differenzierungen relevant sein können, ohne dies jedoch näher zu präzisie ren. Es ist daher zu befürchten, dass in ge sperrten Planungsbereichen die Vorausset zungen für eine Zweigpraxis auch weiterhin nur ausnahmsweise bejaht werden, wenn entweder in Teilen eines Planungsbereichs ein lokaler quantitativer Versorgungsbedarf, oder ein spezielle Kenntnisse erfordernder qualitativer Versorgungsbedarf besteht. Ausblick Die Entscheidung des LSG Hessen zeigt, dass § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV für schmerzthera peutisch tätige Vertragsärzte trotz des teilwei se bestehenden grundsätzlichen Widerstands der Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Erteilung von Zweigpraxisgenehmigungen durchaus Chancen bergen kann. Die Anforderungen, die das LSG in seiner Ralf Clement, Sindelfingen Entscheidung an die erforderliche qualitative Verbesserung der vertragsärztlichen Versor gung für Fachgebiete, die keiner Zulassungs beschränkung unterliegen, gestellt hat, sind vergleichsweise gering. Es spricht viel dafür, dass unter Berücksichtigung dieser Grundsät ze auch ein (zusätzliches) Angebot spezieller schmerztherapeutischer Leistungen grund sätzlich geeignet ist, die vertragsärztliche Ver sorgung im Sinne des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV je nach Versorgungslage qualitativ entscheidend zu verbessern. Dies gilt jedenfalls in nicht ge sperrten Planungsbereichen; je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls aber möglicherweise auch darüber hinaus. Wie die Gerichte die Anforderungen für gesperrte Planungsbereiche im Einzelnen ausgestalten, bleibt abzuwarten. Zu beach ten ist allerdings, dass die Eröffnung einer Zweigpraxis das Budget der Praxis nicht erhöht. Dies wäre lediglich durch einen an gestellten Arzt, soweit für dessen Fachgebiet keine Zulassungsbeschränkungen bestehen, zu erreichen. ❏ Ralf Clement, Sindelfingen Infotelegramm Postherniotomieschmerzen ernst nehmen Schmerzen bei der Ejakulation treten nach einer Leistenhernienoperation bei fast 2,5% der Männer auf und sind keineswegs psychisch bedingt. Wie eine Studie mit der quantitativen sensorischen Testung an 20 Betroffenen zeigte scheint dieses Beschwerdebild durch eine Verletzung der Nerven oder des Vas deferens zu entstehen und sollte als Neuropathie konservativ behandelt werden oder/und erfordert evtl. einen erneuten operativen Eingriff (Anesthesiology 2007;107:298–04). Rückenschmerz und Depressionen Bei über 65-Jährigen mit Rückenschmerzen finden sich häufig auch depressive Symptome, ergab eine prospektive Studie an über 55 690 Teilnehmern aus Lübeck. Wer depressive Symp tome zeigt verschlechtert sich auch zunehmend in seinem Rückenschmerz unabhängig von seinem soziodemographischen Status, den medizinischen oder funktionellen Befunden. Daher folgern T. Meyer et al., dass diesen beiden Erkrankungen gemeinsame pathogene Mechanismen zugrunde liegen könnten (Spine 2007; 32:2380–2386). SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Berufspolitik EBM 2008 – ein „Meilenstein für die Zukunft“ auch für Algesiologen Für Vertragsärzte wird es im Jahr 2008 nicht mehr Geld geben. Das soll aber so für Algesiologen in schmerztherapeutischen Zentren nicht ganz gelten. Die KBV hat anerkannt, dass unsere Vorhersagen bezüglich der Auswirkungen des EBM 2000plus für überwiegend oder ausschließlich algesiologisch tätige Ärzte zutreffend gewesen sind. Dr. Dietrich Jungck, DGS-Leiter in Hamburg und Präsident des VDÄA, der die Verhandlungen mit der KBV geführt hat, stellt die erreichten Änderungen dar. I n den Jahren 2006 und 2007 hat es mehrere Gespräche und Verhandlungen des Verbandes Deutscher Ärzte für Algesiologie – Berufsverband Deutscher Schmerztherapeuten e. V. (VDÄA) mit Herrn Dr. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der KBV, und Herrn Dr. Bernhard Rochell, Leiter des Dezernats Gebührenordnung und Vergütung, gegeben. Ergebnis ist, dass Schmerzpraxen entsprechend ihrem Versorgungsauftrag gefördert werden sollen. SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Neues für die Schmerztherapie Im EBM 2008 ist die Schmerztherapie nach diesen intensiven Vorarbeiten, aus denen sich die Schmerz-Fachgesellschaften herausgehalten haben, neu gefasst. Neu sind: ■ Änderungen in der Präambel zum Kapitel 30.7 Schmerztherapie, ■ die eigenständige Grundpauschale 30700 dieses Kapitels, ■ die Zusammenfassung der bisherigen Positionen 30700 (Zuschlag zum Ordinationskomplex für die Basisabklärung und umfassende schmerztherapeutische Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten ...) und 30701 (Zuschlag zum Ordinationskomplex für die Fortführung einer schmerztherapeutischen Versorgung ...) zu einer gemeinsamen Zusatzpauschale 30702, ■ der Zuschlag 30704 für die Erbringung der Zusatzpauschale 30702 in schmerztherapeutischen Einrichtungen gemäß Anlage 1 der Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie und Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Präambel Nr. 5, ■ die Position 30706 für die Teilnahme an einer schmerztherapeutischen „Fallkonferenz“, ■ die Position 30708 Beratung und Erörterung und/oder Abklärung im Rahmen der Schmerztherapie, ■ leicht angehobene Punktbewertungen der Positionen im Kapitel 30.7.2 Andere schmerztherapeutische Behandlungen. Bildarchiv Jungck Zustandekommen des Kapitels Schmerztherapie Der EBM 2000plus hatte gerade für Schmerztherapeuten in Schmerzpraxen gravierende Verschlechterungen mit sich gebracht, sodass sich einige von der Schmerztherapie abwenden mussten. Unsere Beteiligung bei den Ärzteprotesten in Berlin hat eindringlich auf die Nöte der Schmerzpatienten und -ärzte hingewiesen. (Außer dem VDÄA waren keine schmerzbezogenen Verbände oder Gesellschaften dabei.) Nachdem die im Auftrag der KBV erstellten Analysen die Schwächung der Schmerzzentren bestätigt hatten (Dr. Köhler: „Das Gegenteil war beabsich tigt“), konnten Gespräche über die Neuordnung des Kapitels Schmerztherapie aufgenommen werden. Diese neuen Verhandlungen ab November 2006 kamen auf dankenswerte Vermittlung von Herrn Dieter Bollmann, dem Vorstandsvorsitzender der KV Hamburg, zustande und waren von Anfang an durch eine diesmal vertrauensvolle Zusammenarbeit und den Willen zur positiven Veränderung gekennzeichnet. Die verschiedenen neueren und neuen Berufsverbände hatten keine einheitlichen Positionen zu den anstehenden Fragekomplexen. Unsere bekannte Position war, dass wir besondere Patienten mit hohem Betreuungs- und Zeitaufwand und maximaler Problemschwere zu betreuen haben, deren Ver- sorgung in algesiologischen Spezialpraxen besondere Aus- und Weiterbildung, auf diese Patienten ausgerichtete Praxisstrukturen und das dafür notwendige Geld erfordert. Unsere Vorstellungen und die der Kassenärztlichen Bundesvereinigung waren anfangs nicht kongruent. Sie näherten sich im Verlauf der konstruktiven Gespräche jedoch an, bis Herr Dr. Köhler mir auch öffentlich versicherte: „Die versprochenen Verbesserungen werden kommen. Darauf können Sie sich verlassen.“ Die Vorstellungen der Krankenkassen waren anfangs von weitgehender Unkenntnis über die Problemschwere chronisch Schmerzkranker geprägt, obwohl sie von uns mit entsprechenden Informationen versorgt worden waren. Wegen des Wechsels der handelnden Personen, auch aufgrund der geänderten gesetzlichen Vorgaben, waren noch bis zum Vorabend der letzten Entscheidung des Arbeitsausschusses am 31. Oktober 2007 eingehende Gespräche mit den neuen Verhandlungspartnern und schriftliche Aufklärungen notwendig, um deren Zustimmung zum neuen Konzept der KBV zu erhalten. Dietrich Jungck, Hamburg Teilnahme des VDÄA an den Ärzteprotesten 2006 in Berlin. 21 Berufspolitik Im Einzelnen: Die Präambel stellt klar, dass die Positionen 30700 und 30702 an die Genehmigung der KV für die Teilnahme an der Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie und an den Nachweis von Schmerzkonferenzen gebunden sind. Die fachlich nicht sinnvollen Ausführungen zur Erwägung psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Mitbehandlungen sind leider geblieben, ebenso die problemwidrige Begrenzung der Behandlungsdauer chronisch Schmerzkranker auf zwei Jahre. Die sinnvolle Begrenzung der Patientenzahl auf 300 ist geblieben. Zur Berechnungsfähigkeit der Nr. 30704 listet die Präambel unter den Nrn. 4, 5 und 6 die Bedingungen auf. Die Ausführungen über die Berechtigung zur Erbringung der Leistungen nach den Nrn. 30790 und 30791 stehen bereits seit Juni 2007 in dieser Präambel. Eigene, versorgungs- und tätigkeitsbezogene Grundpauschale Mit der GOP 30700 gibt es endlich eine eigenständige Grundpauschale für die Behandlung von Patienten im Rahmen der Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie. Mit der Einführung dieser Leistung werden ab sofort gleiche schmerztherapeutische Grundleistungen gleich vergütet; es kommt nicht mehr darauf an, welchem (früheren) Fachgebiet der Schmerztherapeut angehört. Damit sind endlich unsere Forderungen nach Eigenständigkeit in der Gebührenordnung erfüllt. Allerdings ist die Bewertung mit 685 Punkten, obwohl deutlich besser als die der bisherigen Ordinationskomplexe, noch nicht ausreichend. In dieser Gebührenordnungsposition sollen nun auch Briefe und alle Konsultationen des Quartals enthalten sein (Einzelheiten im Verzeichnis der nicht gesondert berechnungsfähigen Leistungen, Anhang 1 des EBM). Diese Nr. ist mit einer Quartalsprüfzeit von 20 Minuten versehen. Zusatzpauschale für die algesio logische Versorgung Die GOP 30702 ersetzt die bisherigen Nrn. 30700 und 30701. Historisch haben diese Leistungen im EBM die früheren Schmerztherapievereinbarungen abgelöst, die seit 1991 (in Hamburg) und 1994 (bundesweit für Angehörige der Ersatzkassen) auf Initiative des VDÄA die Versorgung Schmerzkranker außerhalb des EBM geregelt hatten. Die Vergütung nach dieser Position 30702 deckt sowohl die Erstaufnahme von Schmerzkranken als auch deren Weiterbetreuung ab. 22 Es wird den betreuenden Schmerztherapeuten leichter gemacht, die notwendige Versorgung auch nach der Erstdiagnostik selbst weiterzuführen. Es ist nicht mehr lukrativer, Patienten nach dem abgerechneten Erstkontakt weiterzuverweisen. Die Leistungen der Nr. 30702 werden zum großen Teil ohne Patientenkontakt erbracht; die Zeitprüfung (Kalkulationszeit 40, Prüfzeit 32 Minuten) erfolgt deshalb nur im Quartalsprofil. Wird die Nr. 30702 jedoch im zeitlichen Zusammenhang mit der Erörterungsziffer 30708 abgerechnet, verlängert sich die Prüfzeit für beide auf mindestens 70 Minuten an diesem Tag, was nicht verständlich ist. Förderung von Schmerzzentren Mit der GOP 30704 soll der besondere Aufwand in Schmerzzentren abgedeckt werden. Wer mindestens 75% seiner Patienten nach der Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie und mindestens 150 dieser Schmerzkranken betreut, außerdem zehn Schmerzkonferenzen im Jahr nachweisen kann, darf diese Position abrechnen. Voraussetzung ist jedoch, dass der notwendige Antrag von der KV positiv beschieden worden ist. Deshalb haben wir unseren Mitgliedern rechtzeitig geraten, noch vor dem 1. Januar den Antrag auf Anerkennung als schmerztherapeutisches Zentrum zu stellen (Einzelheiten s. Tab. 1). Diese Förderung ist als Konsequenz aus der Benachteiligung solcher Praxen durch den EBM 2000plus eingeführt worden. Ob die Bewertung ausreicht, um die Unterversorgung zu beenden, muss sich zeigen. Die GOP 30702 und 30704 werden extrabudgetär vergütet. Die Bundesempfehlung aus dem Jahr 2005, die für die früheren Nrn. 30700 und 30701 abgeschlossen worden war, wurde den neuen Gegebenheiten angepasst und fortgeschrieben. Der jeweilige Punktwert ist regional zwischen der KV und den Krankenkassen vertraglich zu vereinbaren. Die neue GOP 30706 ist sehr zwiespältig zu sehen. Einerseits ist es erfreulich, dass eine Position zur Abgeltung der notwendigen und obligatorischen Schmerzkonferenzen eingeführt wurde, zum anderen sind Bezeichnung und Bewertung eine Herabsetzung der Schmerztherapie. Die „Schmerztherapeutische Fallkonferenz“ ist keinesfalls Tabelle 1: Bedingungen für die Anerkennung als schmerztherapeutisches Zentrum (für die Abrechnung der Nr. 30704): ■ Das Behandlungsspektrum des schmerztherapeutischen Zentrums umfasst mindestens folgende Schmerzkrankheiten: ■ Chronische muskuloskelettale Schmerzen ■ Chronische Kopfschmerzen ■ Gesichtsschmerzen ■ Ischämieschmerzen ■ Medikamenteninduzierte Schmerzen ■ Neuropathische Schmerzen ■ Sympathische Reflexdystrophien ■ Somatoforme Schmerzstörungen ■ Tumorschmerzen ■ Es sind sämtliche der unter § 6 Abs. 1 und mindestens drei der in § 6 Abs. 2 der Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie genannten Verfahren eigenständig vorzuhalten. ■ Der Vertragsarzt hat an mindestens zehn interdisziplinären Schmerzkonferenzen mit Patientenvorstellung im Kalenderjahr teilzunehmen (Nachweis auf Verlangen der KV), außerdem ■ an mindestens 30 Stunden algesiologischer Fortbildung pro Kalenderjahr (Nachweis auf Verlangen der KV). ■ Es werden ausschließlich bzw. weit überwiegend chronisch schmerzkranke Patienten entsprechend der Definition der Präambel und des § 1 Abs. 1 der Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie behandelt – mindestens 75% der Patienten. ■ Es sind regelmäßig mindestens 150 chronisch schmerzkranke Patienten im Quartal zu betreuen. ■ Es werden an vier Tagen pro Woche mindestens je vier Stunden schmerztherapeutische Sprechstunden abgehalten, in denen ausschließlich Patienten mit chronischen Schmerzkrankheiten behandelt werden. ■ Die Gesamtzahl der schmerztherapeutisch betreuten Patienten darf die Höchstzahl von 300 Behandlungsfällen pro Vertragsarzt pro Quartal nicht überschreiten (Ausnahmen nach Genehmigung durch die KV). SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Berufspolitik Tabelle 2: Sehr deutlich fällt die Bevorzugung der Akupunktur auf GOP 30790 Akupunktur-Eingangs- 1135 P und Abschlussuntersuchung* GOP 30702 Schmerztherapie- Zusatzpauschale** 1060 P GOP 30791 Körperakupunktur- 510 P Sitzung GOP 30720 Analgesie eines Hirnnerven 265 P *Zusätzlich zur fachspezifischen **Nicht neben einer anderen Grundbzw. Versichertenpauschale, wenn GOP 30700 abgerechnet wurde Grund- bzw. Versichertenpauschale Vor- und Nachbereitungszeit). Eine solche Missachtung unserer Tätigkeit können wir so nicht hinnehmen. Dass die Krankenkassen in den EBM-Verhandlungen bei der Bewertung so krass von dem abweichen, was sie im Rahmen des ISK-Vertrages („Vertrag zur Etablierung und Erprobung interdisziplinärer Schmerzkonferenzen“) an Vergütung vereinbarten, kann nur bedeuten, dass wir die Patienten von an der ISK-Vereinbarung teilnehmenden Kassen bei den Schmerzkonferenzen vorziehen sollen. Die Nr. 30706 wird darum wohl sehr selten in den Abrechnungen auftauchen. Leider kommt der Vorschlag zu dieser Legende mit zugehöriger Bewertung aus den Reihen der Schmerztherapeuten selbst; hier wird wieder einmal deutlich, dass man mit Naivität und ohne den notwendigen Sachverstand Unheil anrichten kann. Eigene Beratungsleistung Auch mit der GOP 30708 Beratung und Erörterung und/oder Abklärung im Rahmen der Schmerztherapie wurde eine unserer wesentlichen Forderungen erfüllt und von der KBV gegenüber den Kassen durchgesetzt. Wir haben endlich eine versorgungsspezifische Erörterungs- und Abklärungsposition, die ausschließlich im Rahmen der Schmerztherapie nach der Qualitätssicherungsverein- barung Schmerztherapie berechenbar ist. Die Bewertung lässt mit 255 Punkten pro 10 Minuten noch zu wünschen übrig. Wir streben eine dem Schwierigkeitsgrad und der Problemschwere angemessene Honorierung analog zum psychiatrischen Gespräch (Nr. 21220 – 385 Punkte) an, was uns in einzelnen KV-Bereichen bisher zugestanden wird. Andere schmerztherapeutische Behandlungen Die weiteren Leistungslegenden unter 30.7.2 Andere schmerztherapeutische Behandlungen sind weitgehend unverändert geblieben. Es ist lediglich eine leichte Anhebung der „Bepunktung“ zu verzeichnen – wie bei anderen Leistungen im übrigen EBM auch. Bezüglich Änderungen haben sich die Krankenkassen bisher Vorschlägen, die auch sicherheitsrelevant und qualitätsverbessernd sind, ablehnend gezeigt. Es besteht noch keine Bereitschaft, für Sicherheit und Qualität mehr Geld auszugeben. Auch die Notwendigkeit der Einführung „neuer“ Leistungen, die in Schmerzzentren selbstverständlich sind, wird noch nicht anerkannt. Kritik Nachholbedarf für die Krankenkassen Die Kassen wollen zwar eine „kostenneutrale“ Lösung, können aber so einen Versorgungs- Bildarchiv Jungck eine Schmerzkonferenz nach § 5 Abs. 3 der Qualitätssicherungsvereinbarung. „Der Arzt muss mindestens achtmal im Jahr an einer interdisziplinären Schmerzkonferenz teilnehmen. Folgende Anforderungen müssen von einer interdisziplinären Schmerzkonferenz erfüllt werden: ■ Die Konferenzen müssen mindestens achtmal im Jahr stattfinden. ■ Ort, Daten und Uhrzeit der Schmerzkonferenzen stehen fest, so dass sich die Ärzte auf die regelmäßige Teilnahme einrichten können. ■ Die Konferenzleiter müssen die Voraussetzungen zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung erfüllen. ■ Vertreter mehrerer Fachgebiete sollen an den Sitzungen teilnehmen (können). ■ Ausgewählte Patienten sollen in den Sitzungen vorgestellt werden und anwesend sein. ■ Die Schmerzkonferenzen sind zu dokumentieren (Datum, Teilnehmer, vorgestellte Patienten mit Diagnosen und weiterem Vor gehen)“. Die in der Legende herangezogene Definition nach Anlage 1 Nr. 4 Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie stimmt ebenfalls nicht mit der „Fallkonferenz“ überein; sie lautet: „Es müssen mindestens zwölfmal im Jahr nach außen offene, interdisziplinäre Schmerzkonferenzen mit Patientenvorstellung durchgeführt werden. Thema und Teilnehmer sind zu dokumentieren, die Patienten werden persönlich vorgestellt, die Teilnehmer unterliegen der Schweigepflicht, Ort, Daten und Uhrzeit dieser Konferenzen stehen fest.“ Die „Bewertung“ mit 130 Punkten ist grob unangemessen; als Kalkulationszeit ist eine Zeit von 5 Minuten angegeben – bei einer tatsächlichen Konferenzdauer von mindestens 60 Minuten pro Patient (ohne die notwendige Engagiert bei den Ärzteprotesten auch Dr. Thomas Flöter, Dr. Erika Höhne, Dr. Bruno Kniesel ... SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) 23 Berufspolitik bereich, der kaum zu 20% gedeckt ist, nicht aus den roten (Versorgungs-)Zahlen holen. Auf Kassenseite besteht noch erheblicher Nachholbedarf in Kenntnissen über Patienten mit chronischen Schmerzkrankheiten. Es ist nur rudimentäres Verständnis für die Problemschwere dieser Patientengruppe vorhanden. Das liegt sicher auch daran, dass sie diese nach den ICD-Ziffern kaum identifizieren können. (Was nicht kodierbar ist, gibt es nicht.) Es fehlt nach wie vor eine eindeutige Kodierung nach Chronifizierungsstadium (nach Gerbershagen). Wenn sich die Vertreter der Rentenversicherung dieser Kodierung nicht verwehrt hätten, wäre auch dieses Problem längst gelöst. Dass die KBV und der Spitzenverband der Krankenkassen die Kennzeichnung der Chronifizierungsstadien im Rahmen der ICDKodierung unterstützen, sei nur am Rande erwähnt. Dann wäre der Weg frei zu von uns seit Jahren vorgeschlagenen qualitätsgesicherten Gebührenordnungspositionen, die an den Schweregrad der Schmerzkrankheit gekoppelt sind. Schmerzärzte sind sich dieses Problems kaum bewusst. Wir sollten deshalb alle unsere chronisch Schmerzkranken mit der Verschlüsselung F62.80 („Andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom“) nach ICD 10-G kennzeichnen. Dies ist für Kassen und KVen bisher die einzige Möglichkeit, chronisch Schmerzkranke zu identifizieren. Die KBV hatte in die Verhandlungen mit den Krankenkassen deutlich höhere Bewertungsvorschläge eingebracht, die sich fast mit den von uns vorgeschlagenen deckten; die Kassen haben sich diesen notwendigen Bewertungen bisher leider verweigert; es fehlt noch die Einsicht, dass eine der Problemschwere und den Anforderungen an Schmerzärzte angemessene Vergütung für eine Beendigung der Unterversorgung unabdingbar ist. Die Diskrepanzen in manchen Bewertungen sind offensichtlich. Für Akupunktur wird z. B. weit mehr bezahlt als für die qualifizierte algesiologische Versorgung (Tab. 2). Hinzu kommt noch, dass zusätzlich zu den außerbudgetär abzurechnenden Gebühren der „Kassenakupunktur“ auch die Versicherten- und Grundpauschalen des jeweiligen Faches anzuschreiben sind. Neben der algesiologischen Grundpauschale nach Nr. 30700 hingegen ist keine andere Grund- oder Versichertenpauschale möglich. 24 Positiv zu bewerten: Der VDÄA konnte fast das maximal Mögliche für Algesiologen und die Versorgung chronisch Schmerzkranker erreichen. Damit ist wieder ein Meilenstein auf dem Weg der Geschichte der Schmerztherapie errichtet. Über die Grundpauschalen und Zuschläge sind jetzt pro Jahr 9520 Punkte abrechenbar – gegenüber 4940 bisher. Auch Ärzte, die nicht die Zuschläge nach Nr. 30704 abrechnen können oder wollen, können mit 6980 Punkten ein deutliches Plus verzeichnen. Über die noch offenen Punkte laufen die Gespräche, auch über den EBM 2009, der den jetzigen ablösen wird. Jetzt „nur noch“ die gleichen Probleme wie andere Arztgruppen Wir sind jetzt im EBM den anderen Arztgruppen gleichgestellt. Die Probleme, die wir jetzt noch haben, entsprechen denen anderer Fach- und Versorgungsbereiche. Die Unterfinanzierung des Gesundheitswesens, das der ärztlichen Versorgung immer mehr Geld ent- Tabelle 3: Mit dem EBM 2008 wurde für Algesiologen erreicht: ■ Eigenständige Grundpauschale für die algesiologische Versorgung (30 700) ■ Zusatzpauschale Schmerztherapie ohne Differenzierung nach Erst- und Folgequartal (30 702) ■ Zuschlag für die Versorgung in Schmerzzentren (30 704) ■ „Schmerztherapeutische Fallkonferenz“ – nicht: „Schmerzkonferenz“ (30706) ■ Eigene schmerztherapeutische Erörterungsleistung (30708) ■ Leichte Höherbewertung der anderen schmerztherapeutischen Behandlungen ■ Erstmals eine wirtschaftliche Basis für algesiologische Tätigkeit zieht und in andere Kanäle lenkt, wird sich zunehmend bemerkbar machen und zu einer Zunahme der Rationierung führen. Auch wenn der VDÄA nur seinen Mitgliedern verantwortlich ist, werden sich – wie in den vergangenen 20 Jahren – auch andere an den Früchten unserer Arbeit freuen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich andere wieder diese Verdienste an die Fahnen zu heften versuchen. Wir sind mit dem zurzeit Erreichten recht zufrieden (Tab. 3). Nach den 20 Jahren, in denen unser Anliegen keine Priorität hatte, freuen wir uns, dass bei den jetzigen Verhandlungen die Änderung der Vergütung der Schmerztherapie als einziger Versorgungsbereich auf der Prioritätenliste der KBV für das Jahr 2007 ganz oben stand. Wieder ein Meilenstein auf unserem Weg, aber noch nicht der letzte ... ❏ Dietrich Jungck, Hamburg Bildarchiv Jungck Regelleistungsvolumina Die Berechnungsgrundlagen für Regelleis tungsvolumina haben sich durch das neu gestaltete Kapitel Schmerztherapie und die Einführung neuer Positionen grundlegend geändert. Diese neuen Grundlagen erfordern, dass die Regelleistungsvolumina den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Sonst wird weiterhin schon beim Ersttermin das Punktekontingent überschritten, sodass die weiteren Behandlungen umsonst erbracht werden müssen. Es wäre nicht solide, höher bewertete und neue Leistungspositionen einzuführen, dies aber bei den Regelleistungsvolumina nicht zu berücksichtigen und durch die Hintertür wieder einzukassieren. Jetzt kommt es darauf an, mit welchem medizinischen Sachverstand und ethischen Wollen die einzelnen KVen die Umsetzung betreiben ... Schmerzpatienten und Schmerzärzte protestieren gemeinsam in Berlin. SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Dokumentation Dokumentation: Therapeutisches Muss, kein bürokratischer Unsinn! D ie Verwendung standardisierter Dokumentationsinstrumente ist eine der Voraussetzungen zur Teilnahme an der Qualitätssicherungsvereinbarung Spezielle Schmerztherapie. Als standardisierte Instrumente wurde seitens DGS und DGSS hierfür eine Reihe validierter Fragebogen in Form des sog. Deutschen Schmerzfragebogens (DSF) zusammengefasst, der – ergänzt durch das Deutsche Schmerztagebuch (DST), eine Zwischendokumentation und ein Datenblatt zur Dokumentation veranlasster Maßnahmen – seit nunmehr über zwei Jahren von der Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie in Oberursel bezogen werden kann. Kontinuierlich und zeitnah Obwohl bereits der Einsatz derartiger Standards den gesetzlichen Anforderungen grundsätzlich genügt, entfaltet erst die kontinuierliche und zeitnahe elektronische Aufbereitung der dokumentierten Daten das wahre Potenzial dieser Instrumente für die tägliche Arbeit in Praxis und Klinik. Hierfür empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie ein spezielles Softwaresystem (PainSoft), über welches die dokumentierten Daten zügig elektronisch erfasst, analysiert, aufbereitet und insbesondere für therapeutische Entscheidungen optimal genutzt werden können. Erfassungstool Im praktischen Alltag erweist sich PainSoft nicht nur als ideales Erfassungs- und Bearbeitungstool für die DGS-Version des Deut PainSoft® DGS Ihre Software zur vollständigen und schnellen Erfassung schmerztherapeutisch relevanter Patienteneingaben ■ ■ ■ im Deutschen Schmerzfragebogen im Schmerztagebuch in der Zwischendokumentation Ihr Nutzen mit PainSoft DGS ■ Daten verbleiben nur in Ihrer Praxis ■ kein externer Zugriff auf Daten möglich ■ enorm schnelle Erfassung und Speicherung ■ standardisierte Verlaufsdokumentation auf Knopfdruck ■ zusätzlicher Fragenkomplex zu Neuropathischen Schmerzen ■ Übersichtliche grafische Aufbereitung der Daten zur besseren Therapiekontrolle Wir gewähren 5% Rabatt bei Abnahme von mindestens 10 Software-Paketen. Nutzen Sie die Möglichkeit einer Sammelbestellung. Informieren Sie sich unter: http://www.deutscher-schmerzfragebogen.de schen Schmerzfragebogens, sondern auch als umfangreiches Instrumentarium zur Entwicklung eigener oder zur Erfassung bereits vorhandener Fragebogeninstrumente. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt und die Erstellung und elektronische Erfassung eigener Dokumentationsinstrumente bereits nach kurzer Einarbeitung problemlos möglich, wodurch sich beständig neue Perspek tiven für die alltägliche Nutzung ergeben. Praxistauglich Umfangreiche wissenschaftliche Untersu chungen und kontinuierliche Evaluationen im Rahmen verschiedenster Versorgungsprojekte belegen nicht nur die Praxistauglichkeit des Systems und eine entsprechende Prozessoptimierung im klinischen Alltag, sondern zeigen darüber hinaus insbesondere auch, dass durch die Verwendung standardisierter DGS-Dokumentationsinstrumente in Verbindung mit dem zugehörigen Softwaresystem PainSoft die Ergebnisqualität in der Behandlung chronisch schmerzkranker Menschen entscheidend verbessert werden kann. ❏ Michael Überall, Nürnberg Deutscher Schmerzpreis 2007 für den Schmerzforscher Toni Yaksh SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Foto E. Andonovic Mit dem Deutschen Schmerzpreis 2007 wurde der amerikanische Schmerzforscher Prof. Dr. Toni Yaksh, San Diego, USA, ausgezeichnet, dessen Arbeiten u. a. wegbereitend waren für die spinale oder epidurale Analgesie und die Aufklärung der Pathomechanismen von Tumorschmerzen. Bei der Preisverleihung im Rahmen des Innovationsforums in Köln sehen Sie (v. l. n. r.): Harry Kletzko, Deutsche Schmerzliga; Thomas Nolte, Vizepräsident DGS; Birgit Steinhauer, Mundipharma; Toni Yaksh, San Diego, Deutscher Schmerzpreisträger 2007; Gerhard Müller-Schwefe, Präsident DGS, und Michael Überall, Vizepräsident DGS. 25 Bücherecke Essen als Abenteuer Dieser Ernährungsratgeber für die Familie erläutert anschaulich und gut bebildert, wie gesunde Ernährung in der Familie umgesetzt werden kann. Das Buch enthält viele alltagstaugliche Tipps für die ganze Familie und beantwortet Fragen wie: Was ist Genfood? Wie kann ich meine Kinder von Anfang an für gesunde Ernährung begeistern? Geschichten wie die von den Zuckerzwergen und Knochenriesen bereiten Spaß und zeigen spielerisch auf, welche Auswirkungen Zucker auf die Knochenbildung hat. Der Ratgeber von der Barmer Krankenkasse vermittelt in zehn liebevoll illustrierten Kapiteln Wissenswertes, Neues und Spannendes rund um das brisante Thema „Ernährung“. Er kann im Buchhandel und direkt über den Verlag Mehr Zeit für Kinder e.V., Verlag, Frankfurt/Main StK 069/156896-0, www.mzfk.de. bezogen werden. „Essen – ein Abenteuer?!“ 128 S., ISBN 978-9811056-3-6M Hardcover; 14,80 Euro; Mehr Zeit für Kinder e.V., Verlag, Frankfurt/Main. Arztschicksal zum Nachdenken In diesem autobiografischen Werk schildert der Arzt und Schriftsteller Mathias Schröder das Leben des Münchener Arztes Marin, begonnen von der Kriegskindheit 1943 bis zur Jahrtausendwende. Teil 1 der Trilogie ,„Der Krähenbaum“, schildert eine Kindheit mitten im Naziterror, der die gesamte Familie mit ihren jüdischen Freunden bedroht, und ist tragisch überschattet durch den Bombenteppich der letzen Kriegstage. Im zweiten Teil „Lampedusa“ schildert er ein modernes Eheschicksal. Die erste Ehe des Romanhelden Marin ist gerade gescheitert und er flüchtet, um Abstand zu gewinnen, nach Lampedusa, die südlichste Insel Europas. Der dritte Teil „Sinai“ schildert die zweite harmonische Ehe des Münchener Arztes, die jedoch später unter dem Burn-out der Ehefrau schwieriger wird. Schließlich erleidet die Ehefrau im wohlverdienten Urlaub auf dem Sinai einen schweren Schlaganfall. Eine Lektüre, die sich spannend wie ein Krimi liest und dessen erster Teil bereits für das ZDF verfilmt wurde, eignet sich speziell für Hausärzte, da sie vielfach den altbekannten Alltag StK eindrucksvoll vor Augen führt. Mathias Schröder: Marin. Romantrilogie. 424 S., 12,90 €, ISBN 3-9809144-4-5, 2004, Verlag edition Rester, Utting am Ammersee. Wenn das Knie schmerzt Verletzungen und degenerative Erkrankungen im Kniegelenk zählen zu den häufigsten Beschwerden, die die Betroffenen zu Orthopäden und vielfach dann auch zu Schmerztherapeuten führen. Eine Rückkehr zum Sport nach sporttraumatologischen Befunden gelingt meist nur, wenn Diagnostiker, Operateur und Physiotherapeuten eng zusammenarbeiten. Dieses moderne Übersichtswerk rund um alle Knieverletzungen soll Profi-, Amateursportlern und auch Nichtsportlern mit schmerzhaften Knien dazu dienen, die medizinischen Grundbegriffe sowie die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen verständlich zu erklären. Die DVD erläutert mit Kurzfilmen den Hergang von Verletzungen, verschiedene Operationstechniken und illustriert, wie die optimale KnieRehabilitation nach einer Kreuzbandplastik auszusehen hat. Dass dies in praxi funktioniert, schreiben Weltmeister im Nachwort, die ihre Rückkehr auf die Sportarena dem Wiener Sporttraumatologen verdanken. Ein durch und durch gelungenes Werk, das sich bei der Aufklärung für Knieoperationen StK hervorragend nutzen lässt und eigene anatomische Defizite schließt. Rudolf Schabus, Elisabeth Bosina: Das Knie. Diagnostik – Therapie – Rehabilitation. 164 S., Mit DVD. Geb. Eur 99,95, 2007. ISBN 978-3-211-29686-8. Springer Verlag, Wien, New York. 26 Impressum Organ der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie Herausgeber Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Schillerplatz 8/1, D-73033 Göppingen Tel. 07161/976476 · Fax 07161/976477 E-Mail: [email protected] Schriftleitung Thomas Flöter, Frankfurt; Olaf Günther, Magdeburg; Dietrich Jungck, Hamburg; Uwe Junker, Remscheid; Stephanie Kraus (verantw.), Stephanskirchen, Tel.: 08036/1031; Thomas Nolte, Wiesbaden; Michael Überall, Nürnberg Beirat Joachim Barthels, Bad Salzungen; Christoph Baerwald, Leipzig; Wolfgang Bartel, Halberstadt; Heinz-Dieter Basler, Marburg; Günter Baust, Halle/ Saale; Klaus Borchert, Greifswald; Burkhard Bromm, Hamburg; Kay Brune, Erlangen; Thomas Cegla, Wuppertal; Mathias Dunkel, Wiesbaden; Oliver Emrich, Ludwigshafen; Gerd Geisslinger, Frankfurt; Hartmut Göbel, Kiel; Henning Harke, Krefeld; Ulrich Hankemeier, Bielefeld; Winfried Hoerster, Gießen; Stein Husebø, Bergen; Klaus Jork, Frankfurt; Uwe Kern, Wiesbaden; Edwin Klaus, Würzburg; Eberhard Klaschik, Bonn; Lothar Klimpel, Ludwigshafen; Bruno Kniesel, Hamburg; Marianne Koch, Tutzing; Bernd Koßmann, Wangen; Peter Lotz, Bad Lippspringe; Eberhard A. Lux, Lünen; Christoph Müller-Busch, Berlin; Robert Reining, Passau; Robert F. Schmidt, Würzburg; Günter Schütze, Iserlohn; Hanne Seemann, Heidelberg; Ralph Spintge, Lüdenscheid; Birgit Steinhauer, Limburg; Georgi Tontschev, Bernau; Roland Wörz, Bad Schönborn; Henning Zeidler, Hannover; Walter Zieglgänsberger, München; Manfred Zimmermann, Heidelberg In Zusammenarbeit mit: Deutsche Gesellschaft für Algesiologie – Deutsche Gesellschaft für Schmerzforschung und Schmerztherapie; Deutsche Akademie für Algesiologie – Institut für schmerztherapeutische Fort- und Weiterbildung; Deutsche Gesellschaft für interdisziplinäre Palliativversorgung e. V.; Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS); Deutsche Schmerzliga e.V. (DSL); Gesellschaft für algesiologische Fortbildung mbH (gaf mbH); Gesamtdeutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin e.V. (GGMM); Institut für Qualitätssicherung in Schmerztherapie und Palliativmedizin (IQUISP); Verband Deutscher Ärzte für Algesiologie – Berufsverband Deutscher Schmerztherapeuten e.V. Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffentlichung erwirbt der Verlag vom Autor alle Rechte, insbesondere das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken mithilfe fotomechanischer oder anderer Verfahren. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Hinweis: Die in dieser Zeitschrift angegebenen Dosierungen – vor allem von Neuzulassungen – sollten in jedem Fall mit dem Beipackzettel der verwendeten Medikamente verglichen werden. Bezugspreis: Einzelheft 12,– Euro; Abonnement für 4 Ausgaben pro Jahr 40,– Euro (zzgl. Versand, inkl. MwSt.). Der Mitgliedsbeitrag der DGS schließt den Bezugspreis der Zeitschrift mit ein. Die Zeitschrift erscheint im 24. Jahrgang. Verlag: © URBAN & VOGEL GmbH, München, Februar 2008 Leitung Medical Communication: Ulrich Huber (verantw.) Schlussredaktion: Dr. Brigitte Schalhorn Herstellung/Layout: Maren Krapp Druck: Vogel Druck und Medienservice GmbH & Co. KG, Höchberg Titelbild: Portfolio Borstelmann SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Der Schmerzfall aus der Praxis Tumorschmerzen Gastrointestinale Nebenwirkungen von Opioiden wie Übelkeit, Völlegefühl, Obstipation und saures Aufstoßen wie auch Darmkrämpfe limitieren für viele Patienten mit opioidpflichtigen Schmerzen eine eigentlich wirksame Therapie. Die frühzeitige Gabe von retardiertem Oxycodon mit Naloxon eröffnet für diese Patienten neue Perspektiven für eine nebenwirkungsarme und effektive Schmerztherapie, schildert Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Göppingen, anhand einer Patientin mit starken Tumorschmerzen. m Montagmorgen ruft der aufgelöste Ehemann einer Patientin an, das Wochenende sei schrecklich gewesen, der ärztliche Notdienst habe viermal kommen und Morphium spritzen müssen, da die Tumorschmerzen unerträglich gewesen seinen. Der Notdienst habe ihm geraten, schmerztherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Gespräch stellt sich heraus, dass die 38-jährige Ehefrau wie auch er selbst völlig verzweifelt und hoffnungslos sind, nachdem eine Schmerztherapie für die Patientin nach ihren Erfahrungen nicht verfügbar ist. Noch am gleichen Tag wird die Patientin liegend in unser Schmerzzentrum gebracht. Anamnese und Vortherapie: Bei der 39-jährigen Mutter einer 12-jährigen Tochter war im Februar 2005 ein Mammakarzinom diagnostiziert worden. Nach zunächst brust-erhaltender Tumorresektion im März 2006 Ablatio mammae. Im August 2007 traten zunehmend atemabhängige Schmerzen auf, als deren Ursache sich Pleurametastasen herausstellten. Da die Patientin nach jeder operativen Maßnahme unter einem massiven Kräfteund Energieverlust litt, beschloss sie, keine weiteren Operationen mehr zuzulassen. Dauerschmerzen bestünden vor allem zwischen den Schulterblättern mit Ausstrahlung in den gesamten Rücken. In den folgenden Wochen seien alle möglichen entzündungshemmenden Schmerzmittel versucht worden, ohne den Schmerz auch nur einigermaßen erträglich zu machen. Daher sei nach sechs Wochen auf transdermales Fentanyl umgestellt worden. Bei Gabe von 25 µg/Stunde kam es immer wieder zu massiven Durchbruchschmerzen. Metamizol als Escape-Medikation war völlig unwirksam. Erst nachdem von der Brückenpflege nicht retardierte Morphinsulfattabletten als Notfallmedikation empfohlen worden waren, Besserung der Schmerzsituation bei einem Verbrauch von täglich 8 Tabletten à 20 mg. Deshalb wurde die Fentanyldosis auf 50 µg/ Stunde verdoppelt. Hierunter kam es von Anfang an zu starker Übelkeit, Inappetenz und massivster Obstipation, die auch unter La- SCHMERZTHERAPIE Nr. 1/2008 (24. Jg.) Foto Archiv A Mit Targin zurück ins Leben. xanzien wie Macrogol nicht zu beherrschen war. In den folgenden zwei Monaten seien die Schmerzen zwar erträglicher gewesen, aufgrund von Übelkeit, Erbrechen und Obstipation jedoch Gewichtsverlust von 20 kg, was einherging mit einem weiteren Kräfte- und Energieverlust. Deshalb erfolgte in Eigenregie Reduktion der Opiatdosis. Bei der Erstvorstellung im Schmerzzentrum berichtet die Patientin, dass die Therapie bis vor zwei Tagen aus Fentanyl-Pflaster 25 µg/Stunde betragen habe. Sie sei dann zurückgegangen auf 2 x 30 mg Morphinsulfat tabletten retardiert, unter denen sie jedoch die gleichen quälenden Magen-Darm-Symptome habe wie unter der Pflastertherapie. Die Aussicht, ihr Leben nun qualvoll zu Ende bringen zu müssen, lässt sie verzweifeln. Befund Dies spiegelt sich wider in der Auswertung des Deutschen Schmerzfragebogens, in dem nicht nur eine hohe Schmerzintensität (90 auf der VAS 100) auffällt bei Erträglichkeitsniveau 20, sondern vor allem auch eine ausgeprägte Angststörung (HADS Dimension Angst) und eine massive Einschränkung der globalen Lebensqualität durch Schmerzen (QLIP). Bei der körperlichen Untersuchung fand sich bei der 175 cm großen, 53 kg schweren Patientin ein prall gefülltes Abdomen mit spärlichen Darmgeräuschen, teilweise prall gefüllte Darmschlingen tastbar. Ausgeprägte Dyspnoe bei Zwerchfellhochstand. Therapie und Verlauf Angesichts der hervorragenden analgetischen Wirksamkeit von Opioiden bei dieser Patientin kam nur eine besser verträgliche Opioidtherapie in Betracht. Die Patientin erhielt deshalb Oxycodon in Verbindung mit Naloxon (Targin®) 2 x täglich 20 mg. Als Antiemetikum wurden Haloperidol-Tropfen gegeben. Am Abend des ersten Tages stellt die Patientin eine deutliche Schmerzreduktion fest. Zwei Tage darauf berichtet sie überglücklich, sie habe heute zum ersten Mal seit zwei Monaten spontan Stuhlgang gehabt und fühle sich wesentlich besser. In den nun folgenden sechs Wochen bleibt unter derselben Dosierung von Targin® die gute Analgesie erhalten (VAS 100 zwischen 0 und 10 bei individuellem Behandlungsziel [IBZ] 20). Bei Durchbruchschmerzen nimmt die Patientin selten 10 mg Sevredol. In diesen sechs Wochen verzeichnet sie nicht nur eine Gewichtszunahme von 15 kg, sondern auch ein Mehr an Energie und Lebensfreude. Diskussion Pleurametastasen eines metastasierenden Mammakarzinoms verursachen bei der 39jährigen Patientin massivste Schmerzen, die auf NSAR überhaupt nicht ansprechen, mit Opioiden jedoch sehr effektiv zu beherrschen sind. Sowohl orale als auch transdermale Opio ide verursachen jedoch so starke gastrointestinale Nebenwirkungen, dass sie als Therapie für diese Patientin nicht verfügbar scheinen. Durch die Umstellung auf Oxycodon mit Naloxon (Targin®) lässt sich innerhalb von drei Tagen die gestörte Magen-Darm-Funktion vollständig wiederherstellen bei gleichzeitig hervorragender Analgesie. Bemerkenswert bei dieser Patientin ist, dass – wie auch in großen Untersuchungen nachgewiesen – die transdermale Applikation von Opioiden keineswegs eine bessere gastrointestinale Verträglichkeit gewährleistet. Erst die Gabe des oralen Opioids Oxycodon in Kombination mit dem ausschließlich peripher und prähepatisch wirksamen Naloxon, das im First-Pass-Effekt in der Leber eliminiert wird, ermöglicht eine wirksame und nebenwirkungsfreie Schmerztherapie mit einem Opioid. ❏ Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Göppingen 27