Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
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Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen
KE-81-09-550-DE-C Falls Sie an den Veröffentlichungen der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit interessiert sind, können Sie sie unter folgender Adresse herunterladen: http://ec.europa.eu/employment_social/publications/about_us/index_de.htm oder sich unter folgender Adresse kostenlos online registrieren: http://ec.europa.eu/employment_social/publications/register/index_de.htm ESmail ist der elektronische Informationsbrief der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit. Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Eine vergleichende Analyse in der Europäischen Union, in Kanada, in den USA und in Südafrika Registrieren Sie sich online unter: http://ec.europa.eu/employment_social/emplweb/news/esmail_de.cfm http ://ec.europa.eu/social Europäische Kommission Diese Veröffentlichung wird im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms für Beschäftigung und soziale Solidarität (2007-2013) unterstützt, das von der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit der Europäischen Kommission verwaltet wird. Dieses Programm wurde eingerichtet, um die Verwirklichung der Ziele der Europäischen Union in den Bereichen Beschäftigung und Soziales – wie in der Sozialpolitischen Agenda ausgeführt – finanziell zu unterstützen und somit zum Erreichen der Vorgaben der Strategie von Lissabon in diesen Bereichen beizutragen. Das auf sieben Jahre angelegte Programm richtet sich an alle maßgeblichen Akteure in der EU-27, den EFTA-/EWR-Ländern und den Beitritts- und Kandidatenländern, die einen Beitrag zur Gestaltung geeigneter und effektiver Rechtsvorschriften und Strategien im Bereich Beschäftigung und Soziales leisten können. Mit Progress wird das Ziel verfolgt, den EU-Beitrag zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in ihrem Engagement und ihren Bemühungen um mehr und bessere Arbeitsplätze und größeren Zusammenhalt in der Gesellschaft auszubauen. Zu diesem Zweck trägt das Programm Progress dazu bei, · · · · Analysen und Empfehlungen in den Politikbereichen des Programms Progress bereitzustellen; die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und der Strategien der Gemeinschaft in den Politikbereichen des Programms Progress zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten; den Austausch von Strategien, das wechselseitige Lernen und die gegenseitige Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ziele und Prioritäten der Union zu fördern und die Auffassungen der beteiligten Akteure und der Gesellschaft insgesamt zu kanalisieren. Weitere Informationen finden Sie unter: http://ec.europa.eu/progress Wo erhalte ich EU-Veröffentlichungen? Kostenpflichtige Veröffentlichungen: • über den EU Bookshop (http://bookshop.europa.eu); • über die Buchhandlung mit Angabe des Titels, des Verlags und/oder der ISBN-Nummer; • direkt über eine unserer Verkaufsstellen. Die Kontaktangaben erhalten Sie über die Internetadresse http://bookshop.europa.eu oder durch eine Anfrage per Fax unter der Nummer +352 2929-42758. Kostenlose Veröffentlichungen: • über den EU Bookshop (http://bookshop.europa.eu); • bei den Vertretungen und Delegationen der Europäischen Kommission. Die Kontaktangaben erhalten Sie über die Internetadresse http://ec.europa.eu oder durch eine Anfrage per Fax unter der Nummer +352 2929-42758. Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Eine vergleichende Analyse in der Europäischen Union, in Kanada, in den USA und in Südafrika Europäische Kommission Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit Referat G4 Manuskript abgeschlossen im Januar 2009 Der Inhalt der vorliegenden Veröffentlichung spiegelt nicht unbedingt die Position oder die Meinung der Europäischen Kommission wider. Das Konsortium, das diesen Bericht erstellt hat, besteht aus dem Centre for Inclusion and Diversity der University of Bradford, dem European Roma Rights Centre und dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM). Das Forschungskonsortium University of Bradford Projekt- und Forschungsleiter, Professor Uduak Archibong Leitender Forschungsmitarbeiter, Dr. Jite Eferakorho Projektteam und Experten, Dr. Karl Atkin (University of York), Professor Carol Baxter (NHS Employers), Dr. Aliya Darr (NHS Employers/University of Bradford) und Professor Mark Johnson (De Montfort University) Rechtsteam, Professor Mark Bell (University of Leicester) und Professor Lisa Waddington (University of Maastricht) Statistiker, Andy Scally (University of Bradford) European Roma Rights Centre Tara Bedard, Tatjana Peric und Savelina Velislavova Russinova Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte Katrin Wladasch Experten für Länder außerhalb Europas Kanada: Professor Pat Bradshaw (York University) Südafrika: Professor Oluyinka Adejumo (Kwa-Zulu Natal University) USA: Professor Phyllis Sharps (Johns Hopkins University) Danksagungen Die Mitglieder des Konsortiums möchten sich bei allen betreffenden Organisationen, Regierungsstellen, Unternehmen, nichtstaatlichen Stellen und Einzelpersonen bedanken, die an der Erhebung, den Konsensworkshops, den Sachverständigengruppen, Interviews und Telefonkonferenzen teilgenommen haben. Das Konsortium bedankt sich außerdem für das Engagement und die großzügige Unterstützung, die es von den Mitgliedern des Steering Committees, Management Boards und insbesondere der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit erhalten hat. Trotz der oben genannten Beiträge sind allein die Mitglieder des Konsortiums für alle Fehler oder Irrtümer, die sich aus diesem Bericht ergeben, verantwortlich. © Fotos: University of Bradford Für die Benutzung oder den Nachdruck von Fotos, die nicht dem Copyright der Europäischen Gemeinschaften unterstellt sind, muss eine Genehmigung direkt bei dem/den Inhaber(n) des Copyrights eingeholt werden. Europe Direct soll Ihnen helfen, Antworten auf Ihre Fragen zur Europäischen Union zu finden Gebührenfreie einheitliche Telefonnummer (*): 00 800 6 7 8 9 10 11 (*) Einige Mobilfunkanbieter gewähren keinen Zugang zu 00 800-Nummern oder berechnen eine Gebühr. Zahlreiche weitere Informationen zur Europäischen Union sind verfügbar über Internet, Server Europa (http://europa.eu). © Europäische Gemeinschaften, 2009 Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Bibliografische Daten und eine Inhaltsangabe befinden sich am Ende der Veröffentlichung. Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2009 ISBN 978-92-79-11155-6 doi: 10.2767/13522 Printed in Luxembourg Gedruckt auf chlorfrei Gebleichtem PaPier Inhalt Inhalt Continuing the Diversity Journey Zusammenfassung ......................................................................................................................................................5 1 Einleitung und methodischer Ansatz ............................................................................................................ 11 2 Beschreibung des Kontextes ........................................................................................................................... 19 3 Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive ................................................. 25 4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen der Europäischen Union ...................................................... 39 5 Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA .................................. 53 6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren ...................................................................................................................................................... 61 7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen ...................................................................................................... 71 Literaturverzeichnis .................................................................................................................................................. 80 4 Zusammenfassung Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Es herrscht eine weitgehend einstimmige Meinung darüber, dass die Problematik der Diskriminierung am Arbeitsplatz und bei Dienstleistungen nicht von allein verschwindet. Die Regierungen spielen bei der Förderung des Einsatzes positiver Maßnahmen zur Überwindung diskriminierender Praktiken eine entscheidende Rolle. Auf EU-Ebene gibt es bereits eine bedeutende Reihe gesetzlicher Vorschriften, welche die Grundlage für Aktivitäten zur Vermeidung und Verhinderung von Diskriminierung gelegt haben. Bei der Definition der Parameter für positive Maßnahmen und ihrer Umsetzung wurden bisher jedoch trotz umfassender EU-Gesetze, die den Einsatz positiver Maßnahmen unterstützen, nur mäßige Fortschritte erzielt. Diese Studie wurde durchgeführt, um die Europäische Kommission dabei zu unterstützen, einen Rahmen für ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, welche Rolle positive Maßnahmen in der Praxis bei der Vermeidung oder Beseitigung von Diskriminierungen spielen können. Die Europäische Kommission wollte zudem Aufschluss darüber gewinnen, welche Art von positiven Maßnahmen bereits in der EU (und in den EFTA-/ EWR-Ländern) durchgeführt werden. Darüber hinaus sollten Angaben über die möglichen Kosten und Vorteile der positiven Maßnahmen gemacht werden. Im Rahmen dieser Erhebung sollte auch ein Vergleich zwischen der EU, Kanada, den USA und Südafrika in Bezug auf rechtliche Rahmenbedingungen, Strategien und die praktische Umsetzung positiver Maßnahmen erstellt werden. Bei der Erhebung wurde ein gemischter Methodenansatz mit drei verschiedenen Phasen der Datenerfassung verwendet, wobei die erste Phase in Literaturrecherche und Entwicklung einer Begriffsdefinition von „positiven Maßnahmen“ bestand. In der zweiten 6 Phase wurde in 27 EU-Mitgliedstaaten, zwei EFTA-/EWR-Ländern sowie in Kanada, den USA und Südafrika eine Online-Umfrage über den Einsatz positiver Maßnahmen durchgeführt. Die Abschlussphase bestand in einer vergleichenden Tiefenstudie der praktischen Umsetzung positiver Maßnahmen in elf Ländern. Sie stützte sich dabei auf Datenmaterial, das aus Konsensworkshops, Interviews, rechtlichen Rahmenbedingungen und Organisationsrichtlinien in jedem dieser Länder stammte. Definition und Verständnis positiver Maßnahmen Die Studie ergab, dass für die Beschreibung der positiven Maßnahmen in den untersuchten Ländern uneinheitliche und inkonsistente Terminologien verwendet werden. Während die europäischen Länder dazu tendierten, von „positiven Maßnahmen“ zu sprechen, war der Begriff „affirmative Maßnahmen“ in den außereuropäischen Ländern weitaus üblicher. Im Vergleich zur Zielvorgabe gab es eine sehr eingeschränkte Verwendung von Quoten, und ihre starke Assoziation mit einer Vorzugsbehandlung bewirkte eine eher negative Reaktion unter den Teilnehmern der Studie. Insgesamt wurde der Eindruck gewonnen, dass Art und Zweck positiver Maßnahmen eindeutiger definiert werden müssen. Dies würde wiederum zu einer positiveren Einstellung hinsichtlich der Nützlichkeit und Anwendung dieser Maßnahmen führen. Zu diesem Zweck wurde von der Studie ausgehend eine Definition entwickelt, die positive Maßnahmen folgendermaßen beschreibt: „Positive Maßnahmen sind angemessene Aktivitäten, die implementiert werden, um in der Praxis eine vollständige und effektive Chancengleichheit für alle Mitglieder von Gruppen zu gewährleisten, die sozial oder wirtschaftlich benachteiligt sind oder anderweitig die Folgen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung zu erleiden haben.“ Über diese Definition hinaus besteht für die Europäische Kommission eine große Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit gesamteuropäischen speziellen Interessenverbänden, wie unter anderem mit der organisierten Zivilgesellschaft, problemorientierten Lobbygruppen und Gewerkschaften, damit ein gemeinsames Verständnis entwickelt und kommuniziert werden kann, das die Basis für einen gemeinschaftlichen EU-Ansatz bei positiven Maßnahmen legt. Um ein gemeinsames Verständnis dafür zu fördern, welche Bedeutung den positiven Maßnahmen innerhalb der Europäischen Union zukommt, sollte die Europäische Kommission den Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft und den Sozialpartnern ausbauen. Auf einem solchen Dialog basierend sollten Leitprinzipien zur Bedeutung der positiven Maßnahmen auf EU-Ebene entwickelt werden. Dies könnte in Form eines unverbindlichen Rechtsaktes erarbeitet werden, wie Empfehlungen der Kommission oder eine Resolution des Rates. Ein alternativer Mechanismus könnte z. B. eine Gemeinsame Erklärung der Sozialpartner sein. Kontext von Gleichstellung und Vielfalt Generell wurden positive Maßnahmen von Organisationen innerhalb des Rahmens von schriftlichen Gleichstellungsrichtlinien, Leitbildern und Jahresberichten eingeleitet. Während eine beträchtliche Anzahl von Organisationen über schriftliche Richtlinien zu Gleichstellung und Vielfalt verfügten, waren größere Organisationen nicht so erfolgreich, wenn es darum ging, entsprechende Zielvorgaben für Beschäftigung und Dienstleistungen zu erstellen. Das Monitoring der Chancengleichheit wurde dabei als entscheidender Faktor für die Ent- 1. Introduction: New Business Zusammenfassung Horizons in Europe wicklung positiver Maßnahmen erachtet, wobei die Gleichstellung von Männern und Frauen die am stärksten überwachte und die Gleichstellung ungeachtet der sexuellen Ausrichtung die am wenigsten überwachte Dimension darstellte. In Anbetracht der zentralen Bedeutung, die dem Monitoring bei der Förderung nachhaltiger positiver Maßnahmen zukommt, müssen Organisationen in den wichtigsten Sektoren aufgeschlüsselte Daten über alle Bereiche der Diskriminierung erfassen. Da zurzeit aufgeschlüsselte Daten in den wichtigsten Branchensektoren fehlen, bedeutet dies, dass effektive positive Programme nicht umfassend entwickelt und umgesetzt werden können. Dieses Problem könnte man lösen, indem positive Maßnahmen als integraler Bestandteil eines übergreifenden Auftrags der Organisation, der Personalplanung und der Entwicklung von Dienstleistungen mit aufgenommen würden – dies in enger Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden. Gleichzeitig müssen positive Maßnahmen als Teil eines umfassenderen normativen Wandels durchgängig berücksichtigt und von Institutionen mit entsprechendem Mentoring und Training begleitet werden. Dazu könnten ein Bildungs– und Trainingsprogramm sowie Seminare und Veranstaltungen gehören, um den Kenntnisstand zum Thema, die praktische Umsetzung positiver Maßnahmen, ihren Nutzen und ihre Rolle innerhalb von „Diversity“Strategien zu verbessern. Einflussfaktoren bei positiven Maßnahmen Die Studie identifizierte die bestehenden Rechtsvorschriften als Haupteinflussfaktor für positive Maßnahmen. Andere wesentliche Einflussfaktoren sind Altruismus, moralische/ethische Gesichtspunkte, wirtschaftliche Gründe, demografischer Wandel, soziale Verantwortung der Unternehmen, Unternehmenspolitik und Bemühungen von Basisorganisationen. In einigen Fällen, in denen Organisationen Programme einrichteten, um politische und finanzielle Gewinne zu erzielen, und sie ein nur geringes Eigeninteresse am eigentlichen Ziel positiver Maßnahme zeigten, wurden diese Maßnahmen durch negative Faktoren vorangetrieben. Wenn man bedenkt, dass das Erreichen der Ziele einer Organisation in Bezug auf Gleichstellung und Vielfalt aufgrund des mangelnden Verständnisses der Gründe für positive Maßnahmen erschwert werden kann (und die Notwendigkeit besteht, weiterhin überzeugende Argumente für die Wirkung positiver Maßnahmen zu liefern und die Wirkung zu messen), erweist sich möglicherweise die Untersuchung ökonomischer Vorteile positiver Maßnahmen als nutzbringend. Die Untersuchung sollte zum einen die Rolle positiver Maßnahmen im Rahmen des Talentmanagements berücksichtigen und zum anderen die Rolle, die Bereichsleiter und Linienmanager bei der Umsetzung positiver Maßnahmen spielen. Außerdem könnte ein Augenmerk auf das Image von Organisationen bei potenziellen Kunden oder Nutzern gerichtet werden – und im Fall von Wohltätigkeitsorganisationen und öffentlichen Körperschaften auf das Image derer, die Gelder oder Spenden für diese Organisationen bereitstellen. Unterstützung für positive Maßnahmen Die Akzeptanz und Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten ist für den Erfolg positiver Förderprogramme unabdingbar. Aus der vorliegenden Studie ergaben sich divergierende Ergebnisse in Bezug auf die Unterstützung positiver Maßnahmen. Dabei wurden Initiativen dann als erfolgreich identifiziert, wenn die Zielgruppen bei der Gestaltung, Planung, Umsetzung und Evaluierung umfassend beteiligt waren. Manche öffentlichen Körperschaften bemühten sich sogar darum, die politischen Grenzen zu erweitern, um eine wesentlich breitere Anwendung positiver Maßnahmen zu erreichen. Während das starke individuelle Engagement und die Unterstützung seitens der Unternehmensführung als wichtige Faktoren identifiziert wurden, zeigte sich, dass Einzelpersonen relativ geringe Unterstützung von Linienmanagern erhielten. Diese Faktoren waren mit einer Reihe von Hindernissen verbunden (auf die nachfolgend eingegangen wird), die einer erfolgreichen Umsetzung positiver Maßnahmen entgegenstanden. Angesichts dieser Schwierigkeiten benötigt die Europäische Kommission Netzwerke zu bewährten Verfahren für die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bewältigung von Rechtsunsicherheiten, und um parallel eine Übertragung und Anwendung des EU-Ansatzes in Bezug auf positive Maßnahmen sicherzustellen. Die Netzwerke sollten auf nationalen und sektorübergreifenden Ebenen eingerichtet werden, um einen Austausch von Ideen, Ansätzen und Aktivitäten zu ermöglichen und Organisationen darin zu bestärken, Absichten in Aktionen umzusetzen. Den EU-Institutionen und Mitgliedstaaten wird, soweit erforderlich, die Einführung von Rechtsvorschriften zur Umsetzung positiver Maßnahmen empfohlen, um eine vollständige Chancengleichheit in der Praxis zu erreichen. Hindernisse für positive Maßnahmen Als häufigste Hindernisse für positive Maßnahmen wurden insbesondere in den europäischen Ländern begrenzte Human- und Finanzressourcen angeführt. Teilnehmer der Studie sahen außerdem mangelndes Bewusstsein für die Vorteile positiver Maßnahmen bei den Beschäftigten und in breiteren Gesellschaftsschichten sowie die Rolle der Medien bei der Problematisierung dieser Maßnahmen und der allenfalls symbolischen Darstellung von Ergebnissen als Hindernisse für 7 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen die Akzeptanz positiver Maßnahmen. Um dieses Problem anzugehen, sollten die Regierungen die Allgemeinheit durch „Social Marketing“ über positive Maßnahmen aufklären, um offenbar weit verbreitete Missverständnisse auszuräumen und eine Verknüpfung verschiedener Interessengruppen zu erleichtern, die bereits an solchen Maßnahmen beteiligt sind. Auch breit gefächerte Kampagnen zur Bewusstseinsbildung, sowohl was den Bedarf an positiven Maßnahmen für benachteiligte Gruppen anbetrifft als auch hinsichtlich der Vorteile solcher Maßnahmen für breite Gesellschaftsschichten, werden eine höhere Akzeptanz und eine positive Einstellung zu den Maßnahmen fördern. Ergebnisse und Wirkungen Ein von der Studie identifiziertes großes Problem in Bezug auf die Effektivität positiver Maßnahmen ist das fehlende systematische Monitoring bezüglich Leistungen und Ergebnissen. Die Organisationen bemühten sich sehr um die Erarbeitung einer aussagekräftigen Beweisführung und tendierten dazu, sich bei der Bewertung der Wirkungen positiver Maßnahmen eher auf „weiche“ Indikatoren zu verlassen. Während positive Maßnahmen insgesamt als effektiv angesehen werden, was die Schärfung des Bewusstseins für Gleichstellungsprobleme in Organisationen betrifft, so waren die tatsächlichen Wirkungen positiver Maßnahmen auf Minderheiten, die Verbesserung des Images und der Reputation einer Organisation sowie ihr potenzieller Beitrag zum Organisationsserfolg noch nicht ausreichend bekannt. Initiativen zu positiven Maßnahmen waren weitgehend zeitlich beschränkt und wurden nicht als langfristige Maßnahmen angesehen. Im Allgemeinen waren den Angaben zufolge ethnische Minderheiten und Frauen diejenigen Gruppen, die am meisten von den Initiativen profitierten, während homosexuell, bisexuell 8 und transsexuell orientierte Menschen die am wenigsten begünstigten Gruppen ausmachten. In Anbetracht der Tatsache, dass den Organisationen in Bezug auf Initiativen im Rahmen positiver Maßnahmen Evaluierungstools fehlten, ist es dringend notwendig, Tools zu entwickeln, um die Organisationen bei der Ermittlung von Basisdaten zu unterstützen, damit positive Maßnahmen umgesetzt werden können und um aussagekräftige Strategien für die Evaluierung der Wirksamkeit von Maßnahmen zu erarbeiten. Zur Evaluierung des Bedarfs an positiven Maßnahmen und ihrer Wirksamkeit ist eine Datenerhebung erforderlich. Trotz Einhaltung der Datenschutzgesetzgebung sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Organisationen sich in den Bereichen an Datenerfassungen beteiligen, wo sie zur Erleichterung und Analyse positiver Maßnahmen dienen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Zukunft für positive Maßnahmen gut aussieht und viele Organisationen künftig die Einführung von Initiativen oder Programmen im Rahmen positiver Maßnahmen planen. Daher sollten Untersuchungen durchgeführt werden, um die aktuelle Situation der „Benachteiligung“ im Hinblick auf die verschiedenen Felder, in denen positive Maßnahmen angewendet werden können, wie z. B. Beschäftigung, Bildung, Wohnverhältnisse, Gesundheitsversorgung etc., bezüglich dieser unterschiedlichen Dimensionen zu erfassen. Darüber hinaus gibt es so wenig Evaluierung von bewährten Verfahren bei positiven Maßnahmen, dass die Erarbeitung eines Modells für die Beurteilung Vorteile brächte. Positive Maßnahmen in der Praxis Beispiele für die Umsetzung positiver Maßnahmen in Organisationen bestätigen die Unsicherheit über die Festlegung eines Umfangs von Maßnahmen und zeigen eine Überschneidung mit anderen flankierenden Maßnahmen, wie das Monitoring von Gleichstellung und Vielfalt sowie die Bewertung der Wirkungen der Maßnahmen. Die unter das Schlagwort „positive Maßnahmen“ fallenden Aktivitäten sind erstaunlich breit gefächert. Viele Länder konzentrieren sich auf spezifische Gruppen, vielleicht zulasten anderer Gruppierungen. Dies spiegelt möglicherweise den besonderen Kontext oder die „Politik“ des jeweiligen Landes wider. Mitgliedstaaten sollten nationale Rechtsvorschriften überprüfen, wenn diese die Chancen für öffentliche, private Organisationen oder freie Initiativen beschränken, positive Maßnahmen zu ergreifen. Tatsächlich liegt bei den positiven Maßnahmen der Schwerpunkt eher auf Aus- und Weiterbildung sowie auf der Verbesserung von Beschäftigungschancen als auf Dienstleistungen. Die Einführung positiver Maßnahmen in Organisationen kann einige negative Konsequenzen oder auch eine Gegenbewegung bewirken, wie z. B. negative Klischees, Stigmatisierung, fehlende Aufsicht, unehrliches Verhalten und Amtsmissbrauch. Es ist bemerkenswert, dass die qualitativen Daten aus den Konsensworkshops und Befragungen keine Beispiele für Maßnahmen in Bezug auf Religion oder Glaubenszugehörigkeit erbrachten. Diese Studie ergab ethische, politische, soziale, strukturelle, strategische und betriebliche Fragestellungen für alle Interessengruppen, einschließlich Führungskräften und Personalbeauftragten, die größere Gleichheit und Diversität in Organisationen ermöglichen möchten. Positive Maßnahmen werden weithin als politischer Streitpunkt wahrgenommen und erfordern eine umsichtige Verfahrensweise und eine sorgfältige Einführung oder Erneuerung innerhalb von Organisationen. Positive Maßnahmen erfolgen in einem komplexen Kontext – ihre Entwicklung erfordert zunehmend eine Zusammenfassung starke Belegbasis erfolgreicher Praxis, um aufzuzeigen, dass sie auch zukünftig einen effektiven Weg hin zum Fortschritt in pluralistischen Kulturen darstellen und dass ihre Vorteile die Probleme aufwiegen, die gelegentlich entstehen können. Bei der Einführung und Überarbeitung von Antidiskriminierungsgesetzen in der EU sollte sichergestellt werden, dass öffentliche, private und freiwillige Organisationen, die sich an positiven Maßnahmen beteiligen wollen, auch das Recht haben, dies zu tun. 9 1 Einleitung und methodischer Ansatz Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen 1 Einleitung und methodischer Ansatz In diesem Kapitel werden Kontext und Ziele der Studie bestimmt und das Konzept der Studie sowie die Entwicklung und Anwendung der Datenerfassungsmethoden auf die verschiedenen Phasen der Studie erörtert. Wir geben einen Überblick über die Verfahren für die Literaturrecherche und die Erarbeitung einer Arbeitsdefinition positiver Maßnahmen. Dieses Kapitel erläutert das Verfahren für die Erarbeitung einer Online-Befragung und gibt einen Überblick über die in der Tiefenstudie und bei der Verbreitung der Studie verwendeten unterschiedlichen Methoden. 1.1 Überblick über die Studie In den letzten Jahren hat es in der Europäischen Kommission eine erhebliche Ausweitung der Rechtsvorschriften im Bereich der Gleichbehandlung gegeben. Im Jahr 2000 wurden zwei Richtlinien verabschiedet, die die Diskriminierung aufgrund von Rasse und ethnischer Herkunft (1), sexueller Ausrichtung, Religion oder Glaubenszugehörigkeit, Behinderung und Alter untersagten ( 2). Daraufhin folgten Änderungen an der lange bestehenden Richtlinie 76/207/EWG zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die Richtlinie im Jahr 2004 (3) zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen und kürzlich die Annahme einer Neufassung der Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter (4). Als Konsequenz dieser Fülle an Rechtsvorschriften ist die Europäische Gemeinschaft nun die treibende Kraft bei der Formulierung und inhaltlichen Definition nationaler Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsgesetze in allen 27 Mitgliedstaaten. Außerdem wurde vom European (1) Richtlinie 2000/43/EG des Rates. (2) Richtlinie 2000/78/EG des Rates. (3) Richtlinie 2004/113/EG des Rates. (4) Richtlinie 2006/54/EG des Rates. 12 Network of Independent Experts on Fundamental Rights (5) (Europäisches Netzwerk unabhängiger Experten zu Grundrechtsfragen) besonders viel Arbeit in positive Maßnahmen für Roma im Bereich Aus- und Weiterbildung investiert. Trotz der Ausweitung des EU-Rechts und der erheblichen Aufstockung an Personal und Materialien müssen die Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene immer noch in erster Linie durch Aktionen einzelner Diskriminierungsopfer durchgesetzt werden, die sich entschließen, gegen diskriminierendes Verhalten gerichtlich vorzugehen. Diese Mechanismen zur Durchsetzung waren bereits in den ersten Richtlinien zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die Mitte der 1970er Jahre erlassen wurden, gegeben, und sie wurden im Laufe der Jahre immer wieder kritisiert (Blom et al., 1995). Dies ist darauf zurückzuführen, dass Opfer eine Reihe von Hindernissen überwinden müssen, wenn sie gegen Diskriminierung klagen. Die finanziellen und emotionalen Belastungen sind dabei besonders hoch (Bell, 2005). Positive Maßnahmen, einschließlich positiver Pflichten zur Förderung der (5) Europäisches Netzwerk unabhängiger Experten zu Grundrechtsfragen (2005), Thematic Comment No 3, The Protection of Minorities in the European Union, unter http://ec.europa. eu/, Evetts justice_home/cfr_cdf/doc/thematic_comments_2005_en.pdf. Gleichstellung beispielsweise durch Vertragserfüllungsprogramme, sind ein Mittel zur Überwindung der Grenzen, die einem individuellen Durchsetzungsmodell inhärent sind, das auf Rechtsstreiten basiert. Es gibt jedoch einen Mangel an empirischer Literatur über den Einsatz positiver Maßnahmen in Europa, obwohl diese Maßnahmen als Methode zur europaweiten Realisierung der Chancengleichheit empfohlen werden. Dieser Bericht ist das Ergebnis einer Studie, die durchgeführt wurde, um der Europäischen Kommission ein besseres Verständnis für die Rolle zu vermitteln, die positive Maßnahmen in der Praxis bei der Vermeidung oder Beseitigung von Diskriminierungen spielen können. Die Studie baut dabei auf der Kenntnis des bestehenden gesetzlichen Rahmens auf, der in anderen Studien (De Vos, 2007) ausgeführt wurde. Sie soll die Europäische Kommission dabei unterstützen, Aufschluss darüber zu gewinnen, welche Art von praktischen positiven Maßnahmen bereits in der EU (und in den EFTA-/EWRLändern) durchgeführt werden. Darüber hinaus sollten Angaben über die möglichen Kosten und Vorteile der positiven Maßnahmen gemacht werden. Im Rahmen dieser Erhebung wurde auch ein Vergleich zwischen der EU, Kanada, den USA und Südafrika in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, Strategien und 1 Einleitung und methodischer Ansatz praktische Umsetzung positiver Maßnahmen erstellt. Mit dem über 15 Monate andauernden Projekt wurde das „Centre for Inclusion and Diversity“ der University of Bradford in Kooperation mit dem „European Roma Rights Centre“ und dem „Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte“ (BIM) beauftragt. Das Untersuchungsteam hatte im Verlauf der Studie vier Aufgabenstellungen zu bewältigen: 1. Erarbeitung einer Arbeitsdefinition positiver Maßnahmen; 2. Durchführung einer OnlineBefragung in 27 europäischen Mitgliedstaaten und in den EFTA/EWR-Ländern; 3. Durchführung einer eingehenden Fallstudie in acht EU-Ländern sowie in Kanada, den USA und Südafrika und 4. Verbreitung der Untersuchungsergebnisse über ein Seminar und über Veröffentlichungen. Außer diesem Bericht liegt zur Studie wichtiges Material vor, das wertvolle Zusatzinformationen und einen Einblick in sämtliche Aspekte der Studie vermittelt. Dazu gehören: • ein Synthesebericht mit einer vergleichenden Analyse sämtlicher Aspekte der Studie im ersten Band der Pamecus (Positive Maßnahmen in der EU, Kanada, den USA und Südafrika); • ein Bericht über die Umfrage, der die Antworten der Online-Umfrage zuordnet und zusammenfasst mit einer vergleichenden Analyse der Untergruppe im zweiten Band der Pamecus; • Berichte von elf Ländern zur Situation hinsichtlich positiver Maß- nahmen, einschließlich Beispielen in Frankreich, Irland, den Niederlanden, Österreich, Slowakei, Schweden, Ungarn, dem Vereinigten Königreich, Kanada, Südafrika und USA im dritten Band der Pamecus. 1.2 Definition positiver Maßnahmen Ergebnisse früherer Studien (z. B. Archibong et al., 2006b) ergaben Unsicherheiten und unterschiedliche Interpretationen positiver Maßnahmen. Organisationen ist zwar unter bestimmten Umständen per Gesetz die Möglichkeit gegeben, positive Maßnahmen zu ergreifen, es gibt jedoch keine gesetzliche Definition dieses Konzepts. Somit ist ein klares Verständnis positiver Maßnahmen erforderlich, da die gegenwärtigen Unsicherheiten in dieser Hinsicht die Ausgestaltung von Maßnahmen eher behindert. Zu diesem Zweck wurde im Zusammenhang mit der Studie eine Definition entwickelt, die positive Maßnahmen folgendermaßen beschreibt: „Positive Maßnahmen sind angemessene Aktivitäten, die implementiert werden, um eine vollständige und effektive Chancengleichheit für alle Mitglieder von Gruppen zu gewährleisten, die sozial oder wirtschaftlich benachteiligt sind oder anderweitig die Folgen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung zu erleiden haben.“ Eine vollständige Definition positiver Maßnahmen, wie sie in der Studie verwendet wurde, erfolgt in Kapitel 3. Positive Maßnahmen sollten im Projektzusammenhang als Überbegriff betrachtet werden, der alle Arten von Aktivitäten, Initiativen, Strategien und Eingriffen bezeichnet, mit denen ein oder mehrere Ziele erreicht werden sollen, auf die positive Maßnahmen hinsichtlich Beschäftigung und Dienstleistungen abzielen. 1.3 Aufgabenstellungen und Ziele der Studie An der Studie beteiligten sich Einzelpersonen, die für die Ausgestaltung und Implementierung positiver Maßnahmen verantwortlich sind, wie z. B. Personalbeauftragte, Beauftragte für Chancengleichheit und Vielfalt, Cohesion and Service Development Manager, Mitglieder der Geschäftsleitung und andere leitende Angestellte, die für die Gleichstellung zuständig sind. Spezifische Ziele sind dabei: • Untersuchung des historischen, sozialen und politischen Kontextes, innerhalb dessen gesetzliche Rahmenbedingungen für positive Maßnahmen sowohl für Beschäftigung als auch für Dienstleistungen erarbeitet wurden. • Bewertung der Wahrnehmungen, des Verständnisses und der Gründe für die Entwicklung und Implementierung von Strategien für positive Maßnahmen, wobei es um die Gleichbehandlung in Bezug auf Alter, Behinderung, Rasse, Religion, Glaubenszugehörigkeit und sexuelle Ausrichtung ging. Geschlechtsspezifische Aspekte, die sich mit anderen Bereichen überschneiden, wurden ebenfalls berücksichtigt. • Identifizierung von Typ und Umfang positiver Maßnahmen, ihrer Verbreitung im privaten, öffentlichen und dritten Sektor und des Zeitraums, in dem sie durchgeführt wurden oder werden. • Untersuchung der Ergebnisse und Wirkung positiver Maßnahmen in den teilnehmenden Organisationen. • Erfassen der Ansichten der Organisationen zu den tatsächlichen oder subjektiv wahrgenommenen Vorteilen, einschließlich des relativen Erfolgs und der wichtigsten Hindernisse und Einschränkungen 13 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen bei der Umsetzung positiver Maßnahmen (Schwerpunkt auf bewährte Verfahren) und der daraus gezogenen Lehren. • Untersuchung der subjektiv wahrgenommenen Effektivität der durchgeführten Maßnahmen und wie sie verbessert werden könnte. • Identifizierung der Kernaussagen und bewährten Verfahren, um diese Informationen an die Politik und die Praktiker weiterzugeben. 1.4 Aufbau dieses Berichts Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Hintergrund der Studie, ihren formalen Aufgabenstellungen und Zielen und stellt auf die Methodik und das Konzept der Studie ab. Kapitel 2 stellt die Literatur vor, Kapitel 3 untersucht positive Maßnahmen aus der rechtlichen Perspektive und legt eine Arbeitsdefinition positiver Maßnahmen vor, die für die aktuelle Studie verwendet wird, Kapitel 4 diskutiert die Wahrnehmung positiver Maßnahmen in der Europäischen Union und in den EFTA-Ländern, Kapitel 5 untersucht, wie positive Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA wahrgenommen werden, Kapitel 6 analysiert die Wahrnehmung positiver Maßnahmen durch die Teilnehmer an der Umfrage aller Länder, wobei der besondere Schwerpunkt auf den Unterschieden bei den Dimensionen der Gleichbehandlung, den Sektoren und Organisationsarten gelegt wird. Kapitel 7 stellt die Schlussfolgerungen und Empfehlungen vor, einschließlich eines Vergleichs positiver Maßnahmen zwischen europäischen und außereuropäischen Ländern. 1.5 Methodischer Ansatz 1.5.1 Konzept Das gemischte Konzept beinhaltete sowohl qualitative als auch quantita- 14 tive Methoden, um der Aufgabenstellungen der Studie gerecht zu werden, mit einem Grundprinzip, das die Ausarbeitung, Erweiterung, Darstellung und Klärung der Ergebnisse einer Methode mit den Ergebnissen der anderen Methode beinhaltet (Adamson et al., 2004). Die Kombination beider Methoden ermöglichte uns, ein umfassenderes Bild der Situation in den verschiedenen Ländern zu gewinnen, und ergab somit eine höhere Validität der Untersuchungsergebnisse (Tashakkori und Teddlie, 1998). Die Studie durchlief drei Phasen: Zunächst wurde die Literatur gesichtet und eine Arbeitsdefinition positiver Maßnahmen erarbeitet, daraufhin folgte eine Online-Umfrage in 27 Mitgliedstaaten, zwei EFTA/EWG-Ländern und drei Nicht-EU-Ländern, die an der Studie teilnahmen, und schließlich wurde eine vergleichende Tiefenstudie durchgeführt. Vor Beginn der Untersuchung hatten wir zwei Treffen zur Metaplanung mit einigen Mitgliedern der Lenkungsgruppe und dem Beauftragten der Europäischen Kommission, um über Kontext und Fokus der Studie, Datenquellen und Formen der Datenerhebung zu sprechen. Dabei ging es auch um Strategien für die Einbindung verschiedener Interessengruppen. Eine ausführliche Darstellung des bei der Studie verwendeten methodischen Ansatzes findet sich im Synthesebericht im ersten Band der Pamecus. Vor Beginn der Feldarbeit erhielt das Forschungsteam der Universität Bradford eine entsprechende Genehmigung, um sicherzustellen, dass die Studie die Anforderungen des Code of Research Ethics (forschungsethische Prinzipien) der University of Bradford und des Data Protection Act (Datenschutzgesetz) erfüllt. Unseren Partnern an der York University in Kanada, der Johns Hopkins University in den USA und der University of KwaZulu-Natal in Südafrika wurden ebenfalls die entsprechenden Genehmigungen erteilt. 1.5.2 Literaturanalyse und Erarbeitung einer Arbeitsdefinition von positiven Maßnahmen Es liegen bereits eine Reihe von Informationen über positive Maßnahmen in Berichten und Untersuchungen vor, wie z. B. die Studie von Dhami et al. (2006), Archibong et al. (2006b) und Baxter et al. (2008). Vor Beginn der Feldarbeit wurde eine eingehende Literaturrecherche durchgeführt, um den Kontext positiver Maßnahmen zu erforschen, die zurzeit in nichteuropäischen und in EU-Ländern implementiert werden. Es wurden ausgiebig elektronische und bibliothekarische Ressourcen sowie andere Einrichtungen genutzt, und wir führten eine umfassende Recherche allgemeinerer Literatur zur Untersuchung, Praxis und theoretischen Diskussion positiver Maßnahmen durch. Die sich aus der Literaturrecherche ergebenden Informationen brachten die Erkenntnis, dass eine Definition des Konzepts positiver Maßnahmen entwickelt werden müsste. Aufgrund der Informationen wurden außerdem Themen und Dimensionen eruiert, die in die anderen Phasen der Studie einzubringen waren. In dieser Phase ging es dem Untersuchungsteam darum, einen umfassenden Überblick über die Literatur zu gewinnen und auf bereits durchgeführten Studien aufzubauen, um eine eindeutigere Vorstellung von positiven Maßnahmen zu erhalten. Die Arbeitsdefinition wurde einer zügigen Prüfung durch die Mitglieder des Konsortiums, des Lenkungsausschusses, des Beauftragten der Europäischen Kommission und eines Sachverständigenrates unterzogen, der aus Personalbeauftragten, Beauftragten für Chancengleichheit und Vielfalt und Rechtsexperten bestand. Die Arbeitsdefinitionen und Antworten auf die 1 Einleitung und methodischer Ansatz Definition werden in Kapitel 3 vorgestellt. 1.5.3 Online-Umfrage Die Online-Umfrage wurde zwischen dem 15. Mai und dem 24. Oktober 2008 durchgeführt. An der Untersuchung nahmen 27 EU-Mitgliedstaaten, zwei EFTA-Länder (Island und Norwegen) und drei nichteuropäische Länder (Kanada, Südafrika und die USA) teil. Wir setzten unterschiedliche Strategien zur Datenerfassung aus mehreren Kundenkreisen von Organisationen im öffentlichen, im privaten und im Dienstleistungssektor ein. Im Mai 2008 wurde ein Online-Fragebogen gestartet (6). Für die Teilnehmer der Umfrage bestand die Möglichkeit, den Fragebogen in Englisch, Französisch oder Deutsch auszufüllen, und er wurde später in fünf weitere Sprachen (Slowakisch, Ungarisch, Bulgarisch, Polnisch und Italienisch) für die Verwendung in der Studie übersetzt. Der Fragebogen ist in zehn Abschnitte gegliedert und besteht aus 35 Fragen, die Informationen über die Implementierung von Richtlinien zur Gleichbehandlung und Vielfalt abdecken. In der Umfrage wurden die Organisationen auch zu potenziellen Hindernissen für positive Maßnahmen und zu ihren künftigen Plänen zur Durchführung positiver Maßnahmen befragt. Insgesamt füllten 632 Befragte den Fragebogen aus. Die Mehrheit stammte aus Italien (12,2 %), gefolgt vom Vereinigten Königreich (9,2 %), Österreich (7,3 %), Belgien (6,5 %), Kanada (5,5 %) und Deutschland (5,2 %). Andere Länder waren mit einer Rücklaufquote von weniger als 5 % vertreten (7). Generell stammten 40 % der Befragten aus den acht europäischen (6) Eine Kopie des Fragebogens wird in Band 1 der Pamecus unter dem Synthesebericht bereitgestellt. (7) Eine vollständige Aufschlüsselung der Befragten wird in Band 2 der Pamecus im Untersuchungsbericht bereitgestellt. Ländern und 11 % aus den an der Detailstudie teilnehmenden Nicht-EULändern. Gleichstellungsbeauftragte (23 %) repräsentierten den größten Pool an Befragten, gefolgt von Geschäftsführern, die mit 20 % vertreten waren. Fast die Hälfte aller Befragten war seit fünf Jahren in ihrer Position, über 30 % zwischen einem und fünf Jahren und 12 % weniger als ein Jahr. Bezüglich der Sektorverteilung in der gesamten Stichprobe stammte die große Mehrheit aus dem öffentlichen Sektor (39 %), gefolgt vom dritten Sektor (37 %) und dem privaten Sektor (19 %). In Nordamerika und Südafrika machte der private Sektor mit 43 % einen höheren Anteil aus. Während die Mehrheit der Befragten des öffentlichen Sektors von Colleges/Universitäten (24 %) kam, stammten die meisten des dritten Sektors aus dem Bildungsbereich (20 %), und die Befragten des privaten Sektors gehörten vorwiegend dem Bereich Arbeits- und Dienstleistungen für Unternehmen an (29 %). Die Befragten stammten aus unterschiedlich großen Organisationen, wobei die Mehrheit (40 %) öffentlichen/ privaten Organisationen mit über 1 000 Mitarbeitern angehörte. Über 50 % derjenigen, die aus VoluntaryInitiativen/NRO stammten, verfügten über einen bis zehn bezahlte(n) und unbezahlte(n) Mitarbeiter. Ein Viertel der Befragten gehörte Organisationen an, die eine Niederlassung/Tochtergesellschaft oder eine Kundenzentrale in anderen europäischen Ländern außerhalb ihres eigenen Landes hatten, wohingegen eine von fünf Organisationen über eine Niederlassung/Tochtergesellschaft oder eine Kundenzentrale in anderen Ländern außerhalb Europas verfügte. 1.5.4 Vergleichende Studie zu positiven Maßnahmen Es wurde eine vergleichende Fallstudie zur Untersuchung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und zur prakti- schen Anwendung positiver Maßnahmen in ausgewählten nichteuropäischen Ländern und in EU-Ländern (einschließlich EFTA/EWR-Ländern) durchgeführt. Der Fallstudienansatz bot eine hinreichend gründliche Untersuchung jedes Landes im Kontext des realen Lebens, wobei mehrfache Quellen zur Beweisführung verwendet wurden. Die Ergebnisse der vergleichenden Studie werden in den Kapiteln 3, 4, 5 und 6 vorgestellt. Die nichteuropäischen Länder, die für die Durchführung einer eingehenden vergleichenden Fallstudie ausgewählt wurden, sind Südafrika, Kanada und die USA. Diese Länder wurden wegen ihrer Geschichte und Glaubwürdigkeit bezüglich der Antidiskriminierungsgesetze und gezielten Maßnahmen ausgewählt, die sie praktizieren. In Kanada und den USA sind die Maßnahmen bereits gut etabliert, aber in Südafrika gibt es solche Maßnahmen und den gesetzlichen Rahmen erst seit einigen Jahren. Die an der Fallstudie beteiligten europäischen Länder sind das Vereinigte Königreich, Österreich, die Niederlande, Irland, Ungarn, die Slowakei und Schweden. Diese Länder wurden generell aufgrund der geografischen Bedeutung ausgewählt, da sie unterschiedliche Regionen in Europa abdecken, sowie aufgrund des Umfangs positiver Maßnahmen und der Erfahrung der Länder mit ihnen in den verschiedenen Dimensionen der Gleichstellung (z. B. Dhami et al., 2006). In Verhandlung mit der Kommission wurden Änderungen bei den ursprünglichen EU-Ländern vorgenommen, um möglichst viele Beispiele positiver Maßnahmen (in allen Dimensionen) und Erfahrungen bezüglich der Effektivität und Replizierbarkeit der Maßnahmen zu erfassen. Darüber hinaus hielten wir es auch für notwendig, mit Ländern zusammenzuarbeiten, die von Mitgliedern des Projektteams repräsentiert wurden, 15 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen um den Zugang zu den teilnehmenden Organisationen zu erleichtern. Diese Vergleichsstudie erbrachte wertvolle Erkenntnisse über den Bedarf an positiven Maßnahmen, ihren Einsatz und ihre Wirkung. Dieser Aspekt der Studie zielte insbesondere darauf ab, den historischen, sozialen und politischen Kontext positiver Maßnahmen aufzuzeigen, ihre Implementierung zu untersuchen, Methoden der Messung ihrer Wirkungen zu identifizieren, die Ansichten der Organisationen über die damit verbundenen Vorteile, Probleme und Erfolge zu untersuchen und Anregungen zur Überwindung der Schwierigkeiten für eine erfolgreiche Implementierung positiver Maßnahmen aufzugreifen. Neben einer eingehenden Sichtung der einschlägigen Literatur zum Kontext und zur Anwendung positiver Maßnahmen in den ausgewählten EU- und NichtEU-Ländern wurden die Daten zur vergleichenden Fallstudie mittels partizipativer Methoden erhoben. Außerdem wurden ein Konsensworkshop, Befragungen und die Analyse des gesetzlichen Rahmens und schriftlicher Richtlinien der teilnehmenden Organisationen durchgeführt. Die Feldarbeit zur Detailstudie erfolgte zwischen dem 10. Juli und dem 24. September 2008. Konsensworkshops und Befragungen Es wurde eine KonsensworkshopMethode eingesetzt, bei der die Erkenntnisse, Interpretationen und Erfahrungen aller Interessenvertreter hinsichtlich bestmöglicher Ergebnisse im Kontext positiver Maßnahmen in jedem Land zusammengetragen wurden (Spencer, 1989; Stanfield, 2002). Um einen tieferen Einblick in die Wahrnehmungen und Erfahrungen von positiven Maßnahmen zu gewinnen, führten wir in neun von elf Ländern, die an der Fallstudie beteiligt waren, Konsensworkshops durch. 16 Als Schwerpunkt der Datenerhebung während dieser Phase wurden in jedem Land, abgesehen von Frankreich und Schweden, halbtägige Konsensworkshops durchgeführt. In jedem Workshop wurden zwei Diskussionsgruppen mit Vertretern aller Interessengruppen, einschließlich Arbeitgebern aus dem privaten, öffentlichen und dritten Sektor, sowie Kampagnen/Initiativen, die benachteiligte Gruppen repräsentieren, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gebildet. Jeder Workshop begann mit einer Plenarveranstaltung, in der ein Hauptvortrag gehalten und ein Überblick über die Forschungsstudie gegeben wurden. Darauf folgten von den Wissenschaftlern begleitete Gruppendiskussionen, an die sich eine erneute, zusammenfassende Plenarveranstaltung anschloss. Insgesamt 272 Teilnehmer beteiligten sich an Diskussionen in 18 heterogen besetzten Kleingruppen. Die Gruppen erhielten zur Strukturierung der einleitenden Diskussionen eine Reihe von Fragen, aber es stand ihnen auch frei, andere sachbezogene Themen zu diskutieren. Die von den Workshops erarbeiteten Themen wurden weitergehend validiert, indem gezielte persönliche oder telefonische Interviews mit einzelnen Teilnehmern des Konsensworkshops, die dazu bereit waren, ihre Ansichten detaillierter zu diskutieren, oder mit Personen, denen die Teilnahme nicht möglich war, die jedoch einen Beitrag hierzu leisten wollten, durchgeführt wurden. Weitere spezifische Felder, hauptsächlich kontextspezifische Fragen, wurden erörtert. Zwischen Juli und September 2008 wurden insgesamt 141 ausführliche Interviews geführt. Mit Zustimmung der Befragten wurden die meisten Interviews auf Band aufgezeichnet; sie dauerten ca. 30 bis 60 Minuten. Die Interviews wurden teilstandardisiert in vertiefender Form mit zentralen Akteuren geführt, wobei ein Interviewformular verwen- det wurde, um ein geleitetes Gespräch zu führen (Fielding, 1993: 144). Die Fragen für die Workshops und die Interviews waren so gestaltet, dass das Verständnis und die Bindung an positive Maßnahmen untersucht und Beispiele guter Praxis identifiziert werden konnten, um die Verantwortungsträger innerhalb des Prozesses der Gestaltung und Implementierung solcher Initiativen zu bestimmen sowie den Umfang, in welchem sich positive Maßnahmen auf den gesamten Beschäftigungszyklus und die Ziele der positiver Maßnahmen bezogen – das heißt, warum die Maßnahmen eingerichtet wurden, wer verantwortlich war, wie sie gestaltet waren und welche Gedanken in die Gestaltung einflossen und wer über die Initiative beraten wurde. Die Workshops und Interviews wurden durchgeführt, um zu überprüfen, ob die Erfahrungen mit positiven Maßnahmen den Erwartungen an die Initiativen entsprachen. Dokumentenanalyse – Richtlinien und rechtlicher Rahmen In Ergänzung zum Konsensworkshop beinhaltete diese Phase eine Detailanalyse von Organisationsrichtlinien bzw. rechtlichen Rahmenbedingungen, die den positiven Maßnahmen in jedem der elf Länder zugrunde lagen. Die Dokumentenanalyse hat eine lange Tradition in den Sozialwissenschaften und kann eine wertvolle Datenquelle sein (Prior, 2003). Das Hinzuziehen von Dokumenten kann eine relativ ökonomische und sinnvolle Methode der Datensammlung sein. Sie kann entweder in qualitativer oder quantitativer Form erfolgen. Die Wissenschaftler erstellten ausgehend von den Aufgaben und Zielen des Projekts eine erste Liste aller benötigten Dokumente. Die Befragten wurden gebeten, die relevanten Dokumente zur Verfügung zu stellen. Die Dokumentenanalyse bot einen Überblick darüber, in welcher Weise die gesetzlichen 1. Introduction: 1 Einleitung New Business und methodischer Horizons in Europe Ansatz Rahmenbedingungen, Richtlinien und Verfahrensweisen die verschiedenen positiven Maßnahmen in den beteiligten Ländern unterstützten. Die rechtliche Analyse wurde mithilfe einer Vorlage durchgeführt und basierte auf vier zentralen Fragen, die in Kapitel 3 vorgestellt werden. Sachverständige Der Ansatz, Sachverständige einzubeziehen, wurde in zwei Phasen des Projektes umgesetzt. Er wurde zum ersten Mal bei der Entwicklung der Arbeitsdefinition von positiven Maßnahmen eingesetzt und anschließend in einer Telekonferenz, die zur Überprüfbarkeit durchgeführt wurde (8). Daran beteiligt waren drei Mitglieder des Untersuchungsteams und drei Mitglieder der Sachverständigengruppe, die aus dem Bildungs-, dem Gesundheits- und dem Personalentwicklungsbereich stammten. Die Überprüfbarkeit war für die Einschätzung der Validität der USDaten des Konsensworkshops erforderlich, da die Teilnehmer aus einem weniger divergenten Pool stammten. Sämtliche Mitglieder der Sachverständigengruppe wurden aufgrund ihrer umfangreichen wissenschaftlichen und praktischen Erfahrung mit den Thematiken der Studie ausgewählt. Zu Beginn erhielten die Mitglieder der Sachverständigengruppe einen Überblick zu den zentralen Themen, insbesondere zu den Kernaussagen, die im Rahmen des Konsensworkshops in den USA erarbeitet wurden. Sie wurden anschließend dazu aufgefordert, weitere Perspektiven zu ihrem Verständnis, zu den Einflussfaktoren, zur Effektivität und zur Wirkung positiver (affirmativer) Maßnahmen in den USA vorzustellen. 1.6 Datenanalyse Die Untersuchungsdaten wurden mit dem Statistikprogramm „Statistical Package for the Social Sciences“ (SPSS) analysiert, wobei eine Kombination aus deskriptiver und schließender Statistik angewendet wurde. Aufgrund der Schwierigkeiten, die sich bei der Stichprobenplanung ergaben, und dem daraus folgenden Einsatz des Schneeballverfahrens zur Verbesserung der Rücklaufquote ist die Stichprobe nicht völlig repräsentativ für die Grundgesamtheit aller Organisationen in den teilnehmenden Ländern und kann daher nicht wie eine Zufallsauswahl behandelt werden. Gleichwohl hielten wir es für nützlich, Kreuztabellierungen der Antworten mit organisatorischen Merkmalen durchzuführen und einen p-Wert von 0,05 einzusetzen, um einen Hinweis auf die Merkmale zu geben, die augenscheinlich einen Zusammenhang mit einer Antwort aufwiesen, die deutlich über oder unter dem Durchschnitt aller Antworten in den einzelnen Bereichen des Fragebogens lag. Der Chi-Quadrat-Test und der Fisher’s Exact Test wurden je nach Erfordernis angewendet. Um Transparenz und einen systematischen Ansatz zu erhalten, verwendeten wir für die qualitative Datenanalyse einen Framework-Ansatz (Silverman, 2001) in Bezug auf Konsensworkshops, Interviews, Analyse der Richtlinien und Expertendaten. Ein thematisches Framework war ein Querbezug zu Aufgabenstellungen und Zielen des Projekts und zu den Hauptdiskussionspunkten, die sich aus der Literaturrecherche ergaben. Unter Verwendung einer kontextbasierten Inhaltsanalyse wurde eine Dokumentenanalyse (Prior, 2003) durchgeführt. (8) Überprüfbarkeit bezieht sich auf den Grad, zu dem die Ergebnisse von anderen bestätigt oder bekräftigt werden konnten. 17 2 Beschreibung des Kontextes Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen 2 Beschreibung des Kontextes In diesem Kapitel geben wir einen Überblick über die Verfahren für die Literaturrecherche und die Entwicklung einer Arbeitsdefinition von positiven Maßnahmen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Sichtung der EG-Gesetzgebung und von Richtlinien, einschließlich einer Analyse des rechtlichen Rahmens in den an der Studie teilnehmenden Ländern. In diesem Kapitel wird jedoch die Untersuchung vorgestellt, die auf die Wirkungen der Gesetzgebungen auf positive Maßnahmen abzielt. Wir untersuchten die verschiedenen Meinungen und den Umfang positiver Maßnahmen und die damit verbundenen theoretischen Diskussionen. In dem Kapitel werden auch die wichtigsten Entwicklungen von Richtlinien und Implikationen für die Implementierung positiver Maßnahmen in einigen der an der Studie beteiligten Länder beleuchtet. Die Literaturrecherche half dabei, hinreichende Einblicke in die Untersuchung empirischer Daten zu gewinnen, die bei der Untersuchung und der Tiefenstudie erhoben wurden. Hinsichtlich der länderspezifischen Literatur über Richtlinien und Verfahrensweisen für positive Maßnahmen (und die rechtliche Analyse) wurden wir von den Konsortiumspartnern bei der Sichtung sachbezogener Veröffentlichungen unterstützt, wenn Sprachbarrieren auftraten. 2.1 Konzeptualisierung positiver Maßnahmen Das Verständnis des Begriffs „positive Maßnahmen“ und die darauf bezogene Terminologie variiert zwischen den einzelnen Ländern, Sektoren und Dimensionen der Gleichstellung erheblich. Diese Situation wird noch durch die Tatsache verschärft, dass Begriffe wie „positive Maßnahmen“, „positive Diskriminierung“, „affirmative Maßnahmen“ und „korrektive Maßnahmen“ in unzähligen Kontexten synonym verwendet werden (Adam, 1997; Archibong et al., 2006a). Alternative Bezeichnungen für positive Maßnahmen sind unter anderem „konstruktive Maßnahmen“, „strukturelle Initiativen“. Groschi und Doherty (1999) erwähnen „Diversifizierungsstrategien“, „Gender Mainstreaming-Projekte“ und McCrudden (2007) „ausgleichende Maßnahmen“. Diese Begriffe können zwar als auf die Thematik bezogen und als Grenzfälle betrachtet werden, jedoch postulieren Archibong et al. (2006a), dass die Begriffe von den 20 „positiven Maßnahmen“ abgegrenzt werden sollten. Genauer wird auf einige dieser Konzepte in Kapitel 3 bei Erläuterung der rechtlichen Hintergründe der Definition eingegangen. Als noch weitergehende Bedeutung begreifen Iles und Hayers (1997) den allumfassenden „Diversity-Kompetenz-Ansatz“, um eine effektive internationale Teamarbeit zu beschreiben, wohingegen Miller & Rowney (1999) „Diversity Management“ bevorzugen. Diversity Management ist ein aufkommendes Paradigma unter Fachleuten für Personalentwicklung, das die Maximierung des Potenzials unterschiedlicher Mitarbeiter definiert, um das Leitbild der Organisation zu erfüllen (Dhami et al., 2006; Thomas und Ely, 2002). Dhami et al. (2006) definieren Diversity Management als einen Prozess, der darauf abzielt, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen und aufrechtzuerhalten, in der die Unterschiede der einzelnen Mitarbeiter so geschätzt werden, dass alle ihr Potenzial nutzen und einen maximalen Beitrag zu den strategischen Zielen der Organisation leisten können (S. 22). Während positive Maßnahmen auf einer gesetzlichen Grundlage aufbauen, basiert Diversity Management auf einer Managementtechnik, die positive Maßnahmen ergänzt. Ergänzende Maßnahmen können den Erfolg und die Nachhaltigkeit fördern und im Gegenzug die Wirkung positiver Maßnahmen maximieren (Welsh et al., 1994). Nach Auffassung von Archibong et al. (2007) beinhalten positive Maßnahmen drei bedeutende Begriffsdimensionen: Die gesetzgebende, die exekutive oder praktische sowie die politische Dimension, die Kommunikation oder Debatten über das Umfeld beinhaltet. Sie geben Positionen vor, während die gesetzgebenden Organe das legislative Konzept erörtern. Manager wenden das Konzept schließlich durch Diversity-Maßnahmen am Arbeitsplatz an – aber insgesamt sind positive Maßnahmen in einen größeren politischen Kontext eingebettet. Diese Faktoren können auf die Art von posi- 2 Beschreibung des Kontextes tiven Maßnahmen und Initiativen wirken und Fehlinterpretationen positiver Maßnahmen zur Folge haben. Dies führt hingegen möglicherweise dazu, dass positive Maßnahmen überhaupt nicht oder nur eingeschränkt durchgeführt werden (Chater und Chater, 1992; Johns, 2005; Archibong et al., 2007). werden könnten“ (Burrows und Robinson, 2007, S. 26), nämlich zielgerichtete umfassende Richtlinien, beratende Maßnahmen und bevorzugte Behandlung. McCrudden (1986) unterscheidet „fünf Typen (9) positiver Maßnahmen, „… nicht in dem Sinn, was rechtlich zulässig ist, sondern darin, wie der Begriff im üblichen Sprachgebrauch verwendet wird“ (S. 223). Die Arbeit von Burrows und Robinson (2007) „untersucht einige der Möglichkeiten, positive Maßnahmen in Bezug auf den sexistischen Kontext der Gesetzgebung in der EU und Großbritannien begrifflich zu erfassen“ (S. 24). Die Autoren führen an, dass das EURecht progressiver sei und demzufolge Anregungen für eine mögliche Rechtsreform im Vereinigten Königreich bieten würde. Die Autoren äußern auch ihre Frustration über den langsamen Fortgang von Rechtsreformen und fordern Großbritannien auf, seine Gesetzgebung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Chancengleichheit von Frauen am Arbeitsplatz anzugleichen. Ihr Artikel bietet eine eingehendere Analyse positiver Maßnahmen und stützt sich auf einschlägige Literatur bei der Darlegung der zugrundeliegenden Prinzipien (z. B. in Bezug auf die Gleichstellung), die für künftige Änderungen der Gesetzeslage ein potenzielles Hindernis darstellen. Sich auf McCruddens Analyse berufend, stellen die Autoren drei Typen positiver Maßnahmen vor, „die im Kontext einer Überarbeitung der Arbeitsgesetzgebung eingesetzt In diesem Abschnitt werden die auf positive Maßnahmen bezogenen Untersuchungsergebnisse in der Literatur aus den verschiedenen Sektoren zusammengefasst. Die Literatur umfasst wenige Untersuchungen über positive Maßnahmen in den verschiedenen Sektoren (Shields und Price, 2001; Carter, 2000; Sheffield et al., 1999; Bagilhole, 1999; Iganski et al., 2001); die meisten stammten aus dem privaten und öffentlichen Sektor. Generell bestand ein Mangel an Untersuchungen in Bezug auf positive Maßnahmen im dritten Sektor. (9) McCruddens Typisierung positiver Maßnahmen: 1. Vollständige Beseitigung von Diskriminierungen; 2. augenscheinlich neutrale, aber gezielte, umfassende Richtlinien; 3. Beratungsprogramme; 4. Vorzugsbehandlung am Arbeitsplatz und 5. Neudefinition von „Leistung“. 2.2 Untersuchung positiver Maßnahmen in den verschiedenen Sektoren Die Kategorien der öffentlichen und privaten Sektoren sind nicht eindeutig definiert, und es ist daher schwierig, Organisationen des öffentlichen und des privaten Sektors klar voneinander abzugrenzen. Die meisten Untersuchungen bezogen sich auf positive Maßnahmen im öffentlichen Sektor in Bezug auf Gesundheit und Bildung. Eine Studie untersuchte mehrere Initiativen im Rahmen positiver Maßnahmen bei Großunternehmen des UK National Health Service (NHS) (Staatlicher Gesundheitsdienst), die von Erfahrungen am Arbeitsplatz und Mentorenprogrammen bis hin zu Ausbildungsprogrammen reichten, die der Förderung der Chancengleichheit und Vielfalt am Arbeitsplatz dienen sollten (Baxter et al., 2008), jedoch landesweit nicht sorgfältig koordiniert wurden (Arbeitgeber des NHS, 2005). Eine andere Studie untersuchte positive Maßnahmen in Gesundheits- und Bildungseinrichtungen (Archibong et al., 2006b) und deutet darauf hin, dass es verschiedene Auslegungen oder Unklarheiten hinsichtlich der Gleichstellungspraktiken und der Richtlinien für positive Maßnahmen gab. Im Allgemeinen waren die meisten Teilnehmer der Studie der Meinung, dass es mehr positive Aktivitäten in NHS- und Bildungseinrichtungen gab, die auf die Gleichstellung von Frauen, Farbigen und ethnischen Minderheiten als auf Menschen mit Behinderungen abzielten. Murphys (1993) Untersuchung eines dreijährigen Projekts im Rahmen positiver Maßnahmen in Nordirland ergab eine Programmerweiterung, eine hohe Erfolgsquote bei Frauen, die eine Arbeitsstelle suchten, und Vorteile für die gesamte Gemeinde. Das Projekt war zu einem Auslöser für regionale, nationale und europaweite Verbindungen geworden. Es gab eine ganze Reihe weiterer Organisationen, die sich am Angebot positiver Aktionsprogramme beteiligten, wie z. B. die Museums Association (größter britischer Museumsverband). Diese Programme wurden regelmäßig überwacht und evaluiert und gelten als erfolgreich (Museums Association, 2008). Darüber hinaus bestehen einige Projekte, die nicht als positive Maßnahmen bezeichnet werden. Dazu gehören Initiativen wie Cultural Understanding in Leadership and Management Project – CULM (Projekt zum Kulturverständnis in Führung und Management) (Archibong und Burford, 2007). Im Rahmen dieser Initiative entstanden eine vertrauensvolle und sichere Umgebung für die Beantwortung unangenehmer Fragen und eine offene und lockere Atmosphäre zur Meinungsäußerung. Mathur-Helm (2005) fand heraus, dass trotz einiger affirmativer Maßnahmen und Initiativen zur Förderung der Chancengleichheit Frauen in Südafrika ständig mit Hindernissen bei Beförderungen konfrontiert waren, weil eine Vorherrschaft patriarchaler Strukturen in den Organisationen besteht, die ih- 21 Internationale Sichtweisen International zu positiven perspectives Maßnahmen on positive action measures nen das Vordringen in die Führungsspitze erschwert. Außerdem konnten sie nicht von staatlichen Richtlinien und Gesetzen profitieren, um ihre Karrieren voranzubringen (S. 58). In der Untersuchung von Mathur-Helm werden Statistiken angeführt, nach denen Frauen in Top-Führungspositionen bedeutend unterrepräsentiert waren. Lediglich 3 % waren Mitglieder von Aufsichtsräten und nur 1,9 % von ihnen in der Geschäftsleitung. Die qualitative Studie von Parker et al. (1998) ergab, dass die Implementierung von Richtlinien zur Gleichstellung von Mann und Frau im Bankwesen zu reellen Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen in das Management führte, während das Telekommunikationsunternehmen British Telecommunications (BT) von Liff (1999) wegen seiner progressiven Ansätze bezüglich positiver Maßnahmen gelobt wurde, zu denen z. B. gezielte Einstellungsaktivitäten, Aus- und Weiterbildungen für Mitarbeiter, die ethnischen Minderheiten angehören, die Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen und die Kinderbetreuung zählten. Zu den Beispielen positiver Initiativen, die im dritten Sektor angesiedelt sind, gehört ein von der britischen Regierung finanziertes Programm unter der Bezeichnung „Positive Action Training in Housing (PATH)“ (Karriere im sozialen Wohnungsbau), das Angehörigen ethnischer Minderheiten in einem Unternehmen des sozialen Wohnungsbaus eine Anstellung vermittelt und ihnen die Teilnahme an einem Berufsausbildungsprogramm ermöglicht (Echiejile, 1994; Bowes und Sim, 2008; PATH, 2008). 2.3 Messung der Wirkung/ des Erfolgs positiver Maßnahmen Die Untersuchung ergab keine klare Liste von Erfolgskriterien, die „erfolgreiche“ Maßnahmen auszeichnen. Der Erfolg ist jedoch in hohem Maße 22 davon abhängig, welche Ziele für eine Initiative definiert werden. Folglich gibt es nur wenig evaluative Literatur zum Thema positiver Maßnahmen. Möglichkeiten zur Messung des Erfolgs und zur Bewertung ergriffener Maßnahmen finden sich in der Literatur entweder – und dies gilt in den meisten Fällen – gar nicht, oder sie sind unvollständig (Band und Parker, 2002) und stattdessen wird ausweichend erörtert, was „Erfolg“ bedeutet. Immerhin fanden sich Erwähnungen ermutigender Ergebnisse positiver Maßnahmen im Gesundheits- und Bildungssektor (Payne und Huffman, 2005). Es ist zwingend notwendig, dass direkt oder indirekt von solchen Maßnahmen betroffene Personen eine klare Vorstellung von deren Zweck haben und dass der Nutzen und Wert von Initiativen, deren Einführung mit großem finanziellem Aufwand verbunden ist, klar nachgewiesen werden kann. Dhami et al. (2006) kommen mit ihrer Einordnung der Effektivitätsmessung affirmativer Maßnahmen in den USA als schwieriges Unterfangen zum selben Schluss wie wir. Sie führen an, dass die meisten Untersuchungen zum Thema sich auf die wirtschaftliche Leistung ethnischer Minderheitengruppen konzentrieren. Während einige Studien aber die allgemeinen Ergebnisse betrachten, setzen andere den Schwerpunkt auf die Teilhabe der betrachteten Gruppen an der Arbeitnehmerschaft, und wieder andere konzentrieren sich auf das erzielte Einkommen. All diese Faktoren beeinflussen die Bewertungen. Während Stephanopolous und Edley (1995) bei ihrer Untersuchung der Effizienz affirmativer Maßnahmen in den USA zum Schluss kommen, dass insgesamt unklar sei, in welchem Maße die affirmativen Maßnahmen zu einer stärkeren Repräsentierung von Minderheiten in qualifizierten Positionen geführt hatten, bewerteten sie die untersuchten Programme doch als effek- tiv, wenngleich vermutlich eine fairere Umsetzung möglich wäre. In anderen Studien beobachten Holzer und Neumark (2000) klare Hinweise auf eine bessere medizinische Versorgung von Minderheiten und Geringverdienern durch affirmative Maßnahmen in der Medizinerausbildung. Holzer and Ihlanfeldt (1998) vertreten die These, dass Kunden es in der Regel genießen, von Mitarbeitern gleicher Ethnie bedient zu werden, und implizieren, dass Kunden aus Minderheiten aufgrund affirmativer Maßnahmen glücklicher (und weiße Kunden weniger glücklich) sein könnten. Die Bewertung der Effektivität von Gesetzesrecht und politischen Instrumenten auf dem Gebiet affirmativer Maßnahmen in den Niederlanden wird wegen der daraus erwachsenden zusätzlichen Belastung für die Arbeitgeber weithin als „bürokratische Monströsität“ (Glastra et al., 1998) bezeichnet. Ungeachtet der rechtlichen Konsequenzen (strafrechtliche Folgen) halten sich die meisten Unternehmen nicht vollständig an die gesetzlichen Vorschriften, weil die Arbeitgeber die Realität der Beschäftigung(slosigkeit) von Minderheiten „eher als Problem der Angebots- als der Nachfrageseite“ betrachten (Dhami et al., 2006, S. 44). Als Alternative zu den unterschiedlichen Formen der Bindung an gesetzliche Vorschriften schlug die Regierung eine Reihe freiwilliger Maßnahmen vor, zu denen auch „Diversitätsverträge“, die Einrichtung eines Zentrums für Management und Diversität und erweiterte freiwillige „Abkommen“ zählen. Hinsichtlich dieser Entwicklungen in den Niederlanden bestätigten Workshop-Teilnehmer, dass der Terminus der „enjoying currency“ sich auf das Diversitätsmanagement bezieht, während in der Literatur zur Beschreibung ähnlicher Aktivitäten in den Niederlanden die Begriffe affirmative Maßnahme (affirmative action: z. B. Dhami et al., 2006; Vries und Pettigrew, 1994) und positive Maßnahme 2 Beschreibung des Kontextes (positive action: z. B. Bacchi, 2004) verwendet werden. In aktuellen Studien wurde der nordirische Fair Employment Act (Gesetz zur fairen Beschäftigung) empirisch untersucht und die Muster der Abkommen über affirmative Maßnahmen zwischen der Fair Employment Commission und nordirischen Arbeitgebern in den Jahren von 1990 bis 2000 analysiert (Heaton und Teague, 1997; Osborne und Shuttleworth 2004; McCrudden et al., 2004). Heaton und Teague führen an, dass in einem friedlichen Klima besser mit der Spannung zwischen einem positiven institutionellen Rahmen für affirmative Maßnahmen und negativen religiösen Grundverhältnissen umgegangen werden kann. In jüngerer Vergangenheit untersuchten Osborne und Shuttleworth (2004) die Effekte der Gesetzgebung „eine Generation später“ und hoben den Erfolg der affirmativen Maßnahmen bei der Sicherung des Wandels und insbesondere hinsichtlich einer erheblichen Verbesserung des Beschäftigungsprofils katholischer Arbeitnehmer hervor, die heute auch in gehobenen Positionen gut vertreten sind. Berichte bewerten Initiativen häufig dann als „erfolgreich“, wenn sich eine vermehrte Einstellung Angehöriger von Minderheitengruppen feststellen lässt. Tatsächlich konzentriert sich ein großer Teil der Literatur zum Thema positive Maßnahmen im Beschäftigungsbereich vorrangig auf den Aspekt der Einstellung (Secker, 2001; Refugee Council, 2006; Ward, 2006). Sicherlich ist diese Konzentration auf die Umsetzung von Zielen nicht ganz abwegig. Dainty et al. (1999) beobachten beispielsweise, dass Frauen anders als Männern nur selten von Freunden, Familie oder Rollenmodellen gleichen Geschlechts dazu geraten wird, im Baugewerbe tätig zu werden. Deshalb war es wichtig, ihre Repräsentation zu stärken; und diese Studie ergab, dass Frauen in der Branche in der Regel durch Werbekampagnen oder Literatur angezogen worden waren, die explizit darauf abzielten, Frauen für diesen Sektor zu interessieren. Doch das Erreichen von Zielen oder die Steigerung von Zahlen sind nicht zwingend mit einem „Erfolg“ gleichzusetzen. Forschungen im Bereich positiver Maßnahmen in der Luftfahrt ergaben zwar, dass positive Maßnahmen zu einer stärkeren Vertretung von Frauen in der Branche geführt hatten, zugleich waren es aber auch weibliche Beschäftigte, die die Branche in weitaus größerer Zahl wieder verließen. Obwohl also Frauen durch positive Maßnahmen gewonnen wurden, kann dieser Umstand alleine noch nicht automatisch als Erfolg gewertet werden, weil viele von ihnen mit der Arbeit in einer von Männern dominierten Organisation einhergehende Schwierigkeiten erlebten (Davey und Davidson, 2000). In einer kanadischen Studie vertritt Agocs (2002) die Meinung, dass formalisierte Gleichberechtigungsprogramme im Beruf (eine alternative Umschreibung positiver Maßnahmen) mit verpflichtenden Zielsetzungen und einer strengen Durchsetzung durch die Behörden wichtige Erfolgsfaktoren sind. Die Studie gibt Organisationen den Rat, „verpflichtende Gleichbehandlungsgrundsätze für Unternehmen freiwilligen vorzuziehen …“ (Agocs, 2002:22). Obwohl der Autor feststellt, dass Kanada über eine im Vergleich zu anderen Ländern fortschrittliche und in Anwendung sowie Geltungsbereich umfassende Gesetzgebung verfügt, besteht doch eine Kluft zwischen den Versprechen der Regelungen und den begrenzten Folgen, die sich aus mangelhafter Unterstützung ihrer Um- und Durchsetzung durch politische Führer und Unternehmer sowie fehlendes Engagement und fehlende Ressourcen erklärt. Thomas und Jain (2004) versuchten, aus den in Kanada gemachten Erfahrungen potenzielle Lehren für Süd- afrika abzuleiten, und kamen zu dem Schluss, dass „Gleichberechtigung in Beschäftigung und Beruf sowohl aus einer Makro- wie aus einer Mikroperspektive betrachtet werden muss … und die wirkliche Herausforderung darin besteht, über die Einhaltung von Regelungen hinauszugehen sowie sicherzustellen, dass sich die oberste Führungsebene der der Gesetzgebung zugrundeliegenden Weltanschauung verpflichtet fühlt und sich für eine holistische Entwicklung der Mitarbeiter und einer Organisationskultur ohne jegliche historische Diskriminierung einsetzt“ (S. 51). Andere Studien berichten von einer Verbesserung der inneren Einstellung und Weltanschauung der beteiligten Personen durch positive Maßnahmen (Brew und Garavan, 1995; Band und Parker, 2002). Die Bewertung eines Mentorenprogramms für Studenten aus ethnischen Minderheiten in den ersten Studienjahren durch Band und Parker (2002) führte die Zufriedenheit der Betreuten und die Erfüllung ihrer Erwartungen insbesondere bezüglich ihrer Karriereentwicklung, ihres Selbstvertrauens und ihrer studentischen Fähigkeiten als Erfolge an. Außerdem wurden zur Bewertung des Erfolgs der Maßnahme auch Begeisterung und Engagement der Mentoren sowie deren Zufriedenheit mit dem für die Studenten erzielten Nutzen herangezogen. Unterschiedliche Initiativen berichten, dass Teilnehmer die Initiative genossen (Brew und Garavan, 1995) und werteten dies als „Erfolg“. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Selbsteinschätzungen nicht immer verlässlich und ein stichhaltiges Mittel zur Erfolgsmessung sind (David und Sutton 2004). Alle besprochenen Erfolgsfaktoren wurden mit einer Veränderung der Individuen selbst in Verbindung gebracht. Zugleich wurde aber auch festgestellt, dass Individuen nicht in einem Vakuum handeln, sondern im 23 International perspectives on positive action measures Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen breiteren Kontext einer Organisation, in dem Faktoren wie die Wahrnehmung von Fairness, Bedrohung und Nützlichkeit den Erfolg positiver Maßnahmen individuell oder kollektiv beeinflussen können (Kottke und Agars, 2005). Sich auf eine Fallstudie beziehend erklärt Anderson (2004), dass Fortbildung auf diesem Gebiet die Wahrnehmung sensibilisieren und Verständnis für Organisationsstrukturen wecken kann, betont aber auch, dass solche Initiativen nur begrenzten Einfluss haben werden, sofern sie nicht im Rahmen eines umfassenderen Maßnahmenpakets zur Herbeiführung von Veränderungen auf organisationeller Ebene verwirklicht werden. Im Rahmen dieser Literaturrecherche fanden wir jedoch keine Studie, in der der Effekt positiver Maßnahmen auf eine Kultur auf der Grundlage von Beweisen und Messungen evaluiert wurde. Auch für eine Erforschung des längerfristigen Erfolgs positiver Maßnahmen fanden wir kaum Belege. Typischerweise beschäftigt sich die Bewertung von Maßnahmen mit ihren unmittel- baren bis mittelfristigen Effekten. Eine Studie von Payne und Huffman (2005) jedoch macht Mut: Sie ergab, dass die Betreuung von Offizieren der amerikanischen Armee durch Mentoren sich positiv auf deren emotionales Engagement und negativ auf ihr Fluktuationsverhalten auswirkte. Außerdem bietet sie auch langfristige Erkenntnisse dazu, dass das emotionale Engagement teilweise den Zusammenhang zwischen der Betreuung und dem tatsächlichen Fluktuationsverhalten zehn Jahre später beeinflusste. 2.4 Überblick Während politische Initiativen im Bereich positiver Maßnahmen typischerweise alle Sektoren betreffen, lässt sich insbesondere im stärker auf öffentliche Gelder angewiesenen öffentlichen Sektor eine allgemeine Tendenz erkennen, die Gesetzgebung aus diesem Gebiet eins zu eins umzusetzen. Außerdem sind in die positiven Maßnahmen integrierte Mechanismen, z. B. zur Bewertung ihrer Wirkung, für Organisationen im öffentlichen Sektor ein wichtiger Anreiz zu deren Umsetzung. Im Gegensatz dazu werden Organisationen aus dem Privatsektor, die bei der Umsetzung positiver Maßnahmen weniger stark überwacht werden, von wirtschaftlichen Zwängen angetrieben. Die Dokumentation im Bereich von Organisationen aus dem Dritten Sektor macht deutlich, dass hier die Umsetzung weiter geht als in den Organisationen des öffentlichen Sektors. Im Dritten Sektor engagieren sich weit mehr Akteure im Bereich positiver Maßnahmen für die Visionen und Mission ihrer Organisation als in den finanziell (privater Sektor) oder durch Kontrollen (öffentlicher Sektor) motivierten Bereichen. Der allgemeine Mangel an Forschungsergebnissen zu den Auswirkungen positiver Maßnahmen im Dritten Sektor muss jedoch als Einschränkung für diese Literaturrecherche betrachtet werden. Diese kurze Bestandsaufnahme der Literatur zum Thema positive Maßnahmen ergibt ethische, politische, soziale, strukturelle, strategische und betriebliche Ansatzpunkte für Führungskräfte und Personalbeauftragte, die größere Gleichheit und Diversität in Organisationen ermöglichen möchten. Positive Maßnahmen werden überwiegend als politisch schwieriges Thema wahrgenommen und erfordern vorsichtiges Handeln und eine sorgfältige Einführung oder Erneuerung innerhalb von Organisationen. Sie werden in einem komplexen Kontext ergriffen – ihre Entwicklung erfordert zunehmend eine starke Belegbasis erfolgreicher Beispiele aus der Praxis, um aufzuzeigen, dass sie auch in Zukunft einen effektiven Weg hin zum Fortschritt in pluralistischen Kulturen darstellen und dass ihre Vorteile die Probleme aufwiegen, die gelegentlich entstehen können. 24 3 Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen 3 Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive Angesichts der Wichtigkeit des gesetzlichen Rahmens soll die Thematik positiver Maßnahmen in diesem Kapitel aus rechtlicher Perspektive betrachtet werden. Im ersten Teil des Kapitels werden positive Maßnahmen aus der Perspektive des EG-Rechts untersucht und die relevanten gesetzlichen Bestimmungen sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erörtert. Eine umfassende Beschäftigung mit dem EG-Recht in diesem Bereich bildet auch die Grundlage für die Arbeitsdefinition des Begriffes der positiven Maßnahme, die zum Gebrauch in dieser Studie entwickelt wurde. Arbeitsdefinition und Anmerkungen dazu finden Sie im zweiten Teil dieses Kapitels. Außerdem wird über die Reaktion der Befragten auf die Arbeitsdefinition berichtet. Nicht zuletzt bietet dieses Kapitel außerdem einen vergleichenden Überblick über die Gesetze, die in den elf in Fallstudien betrachteten Ländern die Anwendung positiver Maßnahmen regulieren. 3.1 Europäisches Gemeinschaftsrecht (10) In Anbetracht der Tatsache, dass alle positiven Maßnahmen in einem rechtlichen Rahmen angenommen und umgesetzt werden müssen, ist es notwendig, den gesetzlich festgelegten Rahmen und die geltenden Beschränkungen für positive Maßnahmen zu kennen. In der Europäischen Union definieren eine Reihe von Richtlinien des Rates und der EG-Vertrag selbst sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auf diesem Gebiet die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung positiver Maßnahmen. Im Grunde geben diese Instrumente den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, innerhalb eines bestimmten Rahmens positive Maßnahmen zuzulassen. In allen Mitgliedstaaten und auch in den nichteuropäischen Staaten, mit denen sich die PamecusStudie beschäftigt, werden die Grenzen der positiven Maßnahmen durch verschiedenste Rechtsinstrumente definiert, zu denen die nationalen Verfassungen und das Fallrecht zählen. (10) Teile dieses Abschnitts basieren auf einem Auszug aus L. Waddington und M. Bell (2001), „More Equal than Others: Distinguishing European Union Equality Directives“, 2001, Common Market Law Review 38, S. 587-611. 26 Mitgliedstaaten der EU können keine positiven Maßnahmen vorsehen, die die vom Gemeinschaftsrecht festgelegten Grenzen überschreiten; es besteht aber auch keine Verpflichtung, positive Maßnahmen im maximalen im Gemeinschaftsrecht festgelegten Umfang zu gestatten. So können national weitere, im EG-Recht nicht vorgesehene Grenzen gezogen werden. Viele Jahre lang befasste sich das europäische Gemeinschaftsrecht lediglich im Bereich der Geschlechtergleichheit mit der Nichtdiskriminierung und folglich auch mit positiven Maßnahmen. Die Situation änderte sich im Jahr 1999 mit der Aufnahme des Artikels 13 in den EG-Vertrag, der der Gemeinschaft die Kompetenzen zusprach, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts (11), der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen und dem die Richtlinien zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der (11) Wie bereits erwähnt, räumten frühere Versionen des EG-Vertrags einen gewissen Spielraum für den Beschluss von Gesetzen zur Gleichstellung der Geschlechter ein. Rasse (12) und zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung (13) folgten. Um einen umfassenden Einblick in den durch das Gemeinschaftsrecht gegebenen Rahmen für positive Maßnahmen zu erhalten, ist es dennoch wichtig, zunächst die entsprechenden Bestimmungen der Gleichstellungsrichtlinien der 1970er und 1980er Jahre (14) und die damit zusammenhängende Rechtsprechung näher zu beleuchten. Derzeit gibt es in diesem Gebiet noch keine weitere Rechtsprechung des EuGH bezüglich anderer Bestimmungen des Artikels 13 EGVertrag. Die ursprüngliche Gleichstellungsrichtlinie zum Thema Diskriminierung (12) Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABI. L 180 vom 19.7.2000, S. 22. (13) Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABI. L 303 vom 2.12.2000, S. 16. (14) Insbesondere Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABI. L 39 vom 14.2. 1976, S. 40 (im Folgenden: ursprüngliche Gleichstellungsrichtlinie). International perspectives on positive 3 Untersuchung action measures von positiven 1. Introduction: Maßnahmen New Business aus rechtlicher HorizonsPerspektive in Europe im Beruf sah in Artikel 2 Absatz 4 eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot für positive Maßnahmen vor: „Diese Richtlinie steht nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen … beeinträchtigen, entgegen.“ Bereits in dieser frühen Bestimmung wird ein wesentliches Element des gemeinschaftlichen Ansatzes zu positiven Maßnahmen deutlich: Es gibt keine Verpflichtung für Mitgliedstaaten oder andere Akteure, positive Maßnahmen zu genehmigen oder durchzuführen. Stattdessen hat De Vos (2007) zufolge: „die Gemeinschaft mit ihren Bestimmungen über positive Maßnahmen den Mitgliedstaaten eine politische Option geschaffen, die sie innerhalb allgemeiner [durch das Gemeinschaftsrecht definierter, MB/LW] Grenzen im Grunde nach eigenem Gutdünken nutzen können“ (De Vos, 2007, S. 38). Der Europäische Gerichtshof (im Folgenden: EuGH; Gericht) hatte verschiedene Gelegenheiten, die Bedeutung des Artikels 2 Absatz 4 der Richtlinie zu hinterfragen (15). In seiner strittigsten Entscheidung in der Rechtssache Kalanke betonte das Gericht, dass „Artikel 2 Absatz 4 als Ausnahme von einem in der Richtlinie verankerten individuellen Recht eng auszulegen ist“ (16). Im Jahr 1999 wurde mit dem Vertrag von Amsterdam eine neue Bestimmung zum Thema positive Maßnahmen in den EG-Vertrag aufgenom- men. Artikel 141 Absatz 4 besagt: „Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen“. Obgleich diese Formulierung positiver ist als die des Artikels 4 Absatz 4 der vorstehend erwähnten Richtlinie, lässt die Interpretation des Artikels 141 Absatz 4 EG-Vertrag durch den EuGH doch darauf schließen, dass der Spielraum für positive Maßnahmen nicht erheblich erweitert wurde (17). Seit dem Urteil in der Rechtssache Kalanke hat der EuGH immer wieder betont, dass er keine positiven Maßnahmen anerkennt, die durch automatische Mechanismen auf der Auswahl stufe „gleiche Resultate“ erbringen. Gleichzeitig ist festzustellen, dass das Gericht durchaus bereit ist, vor dem Punkt der Auswahl der Arbeitnehmer eine große Bandbreite positiver Maßnahmen und auch strikte Quoten zuzulassen. So war das Gericht beispielsweise in der Rechtssache Badeck bereit, Maßnahmen zu akzeptieren, mit denen eine strikte Quote zur Reservierung von mindestens 50 % der Ausbildungsplätze für Frauen eingeführt wurde und die darüber hinaus festlegte, dass mindestens 50 % der zu Vorstellungsgesprächen eingeladenen Bewerber Frauen sein sollten (18). Außerdem hat der EuGH positive Maßnahmen zum Zeitpunkt der Auswahl nicht prinzipiell abgelehnt, fordert aber, dass diese flexibel sind und eine objektive und individuelle Bewertung aller Kandidaten ermöglichen (19). Zudem hat sich der EuGH auch mit positiven Maßnahmen im Bereich der Arbeitsbedingungen befasst. In der Rechtssache Lommers, in der es um eine Bestimmung ging, die weiblichen Mitarbeitern Zugang zu Einrichtungen zur Kinderbetreuung einräumte und männlichen Angestellten den Zugang zu solchen Einrichtungen nur im „Notfall“ zugestand, entschied der EuGH, dass „es nicht Arbeitsplätze sind, die für Frauen reserviert werden, sondern der Genuss bestimmter Arbeitsbedingungen, die deren Karrieremöglichkeiten und -fortschritt begünstigen …“ (20). Der EuGH bewertete diese Maßnahmen als „Teil des begrenzten Konzepts zur Verwirklichung der Chancengleichheit“ (21), wie es in Artikel 2 Absatz 4 vorgesehen ist. Inzwischen wurde die ursprüngliche Gleichstellungsrichtlinie durch die „neugefasste“ Richtlinie (22) ersetzt, die alle älteren Richtlinien zur Gleichstellung der Geschlechter im Beruf zusammenfasst. Artikel 2 Absatz 4 wurde gestrichen, stattdessen dient nun Artikel 141 Absatz 4 EG-Vertrag als Grundlage aller positiven Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter (23). Sich auf neuere Instrumente besinnend, besagt Artikel 5 der Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft: „Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der vollen Gleichstellung in der Praxis spezifische Maßnahmen, mit denen Benachteiligungen aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft verhindert oder ausgeglichen werden, beizubehalten (15) Siehe Rechtssache C-450/93, Kalanke/Freie Hansestadt Bremen [1995] Slg. I-3069; Rechtssache C-409/97, Marschall/Land NordrheinWestfalen, [1997] Slg. I-6363; Rechtssache C-158/97, Badeck/Hessischer Ministerpräsident, [2000] Slg. I-1875; Rechtssache C-407/98, Abrahamsson und Anderson/Fogelqvist, [2000] Slg. I-5539; Rechtssache C-476/99, Lommers/Ministerie van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij, [2002] Slg. I-2891. (18) Badeck, Randnrn. 55 und 63. (22) Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung), ABI. L 204 vom 26.7.2006, S. 23. (16) Kalanke, ebd., S. 3078. (19) Marschall, Randnr. 35. (23) Siehe Artikel 3 der „Neufassung“. (17) Abrahamsson und Anderson/Fogelqvist. (20) Lommers, Randnr. 38. (21) Ebd. 27 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen oder zu beschließen“. Während dieser Text streng dem des Artikels 141 Absatz 4 EG-Vertrag folgt, entfällt das positive Element dieses Artikels, nämlich die Möglichkeit der Vergabe „spezifischer Vorteile, mit denen dem unterrepräsentierten Geschlecht das Ergreifen einer beruflichen Aktivität erleichtert wird“. Auf den ersten Blick scheint Artikel 5 der Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft enger gefasst zu sein als Artikel 141 Absatz 4 EG-Vertrag. Ähnlich behebt Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung lediglich die Dimension des Einsatzes „positiver Maßnahmen zur Kompensation von Fehlern der Vergangenheit“ des Artikels 141 Absatz 4 EG-Vertrag (24). Dennoch lässt sich daraus nicht ableiten, dass der Raum für positive Maßnahmen durch die beiden Richtlinien aus dem Jahr 2000 stärker eingeschränkt ist als der in Gleichstellungsfragen durch die Bestimmungen des Artikel 141 Absatz 4 EG-Vertrag definierte. Zunächst liegt angesichts der Rechtssache Abrahamsson kein Hinweis darauf vor, dass diese Unterschiede in der Formulierung einen weiteren Rahmen für positive Maßnahmen zum Vorteil des weiblichen Geschlechts als für andere Diskriminierungsopfer gemäß Artikel 13 EG-Vertrag abstecken. In diesem Fall entschied sich der EuGH dagegen, einen Neubeginn im Bereich geschlechtsspezifischer positiver Maßnahmen im Gemeinschaftsrecht zu machen, und verwob Artikel 141 Absatz 4 EG mit den Prinzipien der bisherigen Rechtsprechung. Außerdem sind die Situationen, die vergan(24) „Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden.“ 28 gene und gegenwärtige Geschichte der Benachteiligung und Diskriminierung sowie die Natur der erlebten Grenzen der acht in Artikel 13 EG-Vertrag aufgenommenen Diskriminierungsgründe oder Personengruppen nicht dieselben, und dieser Faktor könnte die Entscheidung beeinflussen, welche Arten positiver Maßnahmen mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Der Formulierung der Richtlinie folgend ließe sich argumentieren, dass, wo eine Gruppe eine besonders schwere Form der Benachteiligung erlebt, radikalere und weitergehende Formen der positiven Maßnahmen erlaubt werden sollten als dort, wo die Benachteiligung weniger stark ausgeprägt ist. Das würde darauf hindeuten, dass die „Einheitslösung“ ( 25), die der EuGH in den 1990er Jahren auf Gleichstellungsfälle anwandte, im Kontext der Richtlinien zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse und zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung nicht angemessen wäre. Aus Ermangelung von Entscheidungen des Gerichtshofs zu den neuen Bestimmungen auf europäischer Ebene bleibt eine Reihe positiver Maßnahmen, deren Vereinbarkeit mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht noch zu überprüfen ist. Während der EuGH beispielsweise in der Rechtssache Badeck bereit war, Fortbildungsprogramme zuzulassen, in denen 50 % der Plätze für Frauen reserviert waren, ist unklar, wie der Gerichtshof auf Fortbildungsprogramme reagieren würde, die ausdrücklich Personen bestimmter ethnischer Herkunft vorbehalten sind (26). Ein weiteres Problem dürfte die Vereinbarkeit von Beschäftigungsquoten mit der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung darstellen. Eine bedeutende Anzahl von Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehen die eine oder andere Form von (obligatorischen) Quoten vor (27), und in Ländern wie Frankreich und Deutschland sind Quoten zentraler Bestandteil der Politik im Bereich der Beschäftigung Behinderter. Solche Modelle würden die in der Rechtssache Kalanke etablierte Überprüfung natürlich nicht bestehen, obwohl, wie bereits weiter oben festgestellt, das Gericht den unterschiedlichen sozialen Kontext der verschiedenen Diskriminierungsfälle unter Umständen als Rechtfertigung für eine Veränderung des für positive Maßnahmen gesteckten Rahmens bedenken könnte. Darüber hinaus sieht Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung zusätzlichen Schutz für positive Maßnahmen zugunsten behinderter Arbeitnehmer vor: „Im Falle von Menschen mit Behinderung widerspricht der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht der Mitgliedstaaten, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten oder zu erlassen, noch steht er Maßnahmen entgegen, mit denen Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern.“ Letzteres Element dieser Bestimmung scheint auf Vorschlägen der niederländischen Delegation (28) zu basieren, die den Wunsch (25) Diese Bezeichnung bezieht sich auf Urteile, die darauf abzielen zu definieren, welche Art positiver Maßnahmen immer, für alle Mitgliedstaaten und unter allen Umständen verboten sind. (27) Weitere Informationen finden sich bei Lisa Waddington, „Reassessing the Employment of People with Disabilities in Europe: From Quotas to Anti-discrimination Laws“, Comparative Labor Law Review 18 (1996), S. 62-101. (26) Dies ist beispielsweise in den Artikeln 37 und 38 des British Race Relations Act von 1976 (britisches Gesetz zur Beziehung der Rassen) vorgesehen. (28) Rat der Europäischen Union (2000) Beratungsergebnisse der Arbeitsgruppe Sozialfragen vom 14. und 28. März 2000, 6941/00, Brüssel, 31. März 2000, S. 5-6. 3 Untersuchung von positiven 1. Introduction: Maßnahmen New Business aus rechtlicher HorizonsPerspektive in Europe zeigte, bereits bestehende Elemente niederländischer Gesetzgebung zu schützen, die eine Vorzugsbehandlung Behinderter vorsehen, um deren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen (29). Weniger klar ist, wie sich der Bezug auf Bestimmungen zu Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz mit positiven Maßnahmen für Behinderte vereinbaren lässt. Die logischste Erklärung ist die, dass diese Bestimmung den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, ihre Regelungen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz an die besonderen Bedürfnisse behinderter Arbeitnehmer anzupassen. Dies unterstreicht bestimmte bereits in Richtlinien zu Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz festgelegte Unternehmerverpflichtungen (30). Nichtsdestotrotz besteht aber auch das Risiko, dass übermäßig protektionistische Maßnahmen, die vordergründig dazu dienen, die Gesundheit und Sicherheit behinderter Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu garantieren, in der Realität dazu führen, dass Behinderte ausgeschlossen und eben nicht gleich behandelt werden (31). 3.2 Arbeitsdefinition positiver Maßnahmen Zum Gebrauch in der vorliegenden Studie wurde aus dem Gemeinschafts(29) Insbesondere Artikel 7 des Wet op de (re)integratie arbeidsgehandicaten. Siehe Lisa Waddington, „Tweede-generatie richtlijnen Gelijke Behandeling: de nieuwe Richtlijn inzake gelijke behandeling ongeacht ras of etnische afstamming en de Kaderrichtlijn gelijke behandeling in arbeid en beroep“, Sociaal Recht 12 (2000), S. 357-362. (30) Siehe z. B. Richtlinie 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, ABI. L 183 vom 29.6.1989, S. 1, Artikel 15. (31) Eine Betrachtung dieses Problems aus britischer Perspektive bieten Jackie Davies und William Davies, „Reconciling Risk and the Employment of Disabled Persons in a Reformed Welfare State“, Industrial Law Journal 29 (2000), S. 347-377. recht eine Arbeitsdefinition des Begriffes „positive Maßnahme“ entwickelt. So werden positive Maßnahmen in dieser Studie als verhältnismäßige Maßnahmen angesehen, die mit dem Zweck ergriffen werden, in der Praxis eine vollständige und wirksame Gleichstellung für Angehörige von Gruppen zu erzielen, die sozial oder wirtschaftlich benachteiligt sind oder auf andere Art und Weise die Konsequenzen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung erfahren. Zu diesem Zweck sind positive Maßnahmen darauf ausgelegt, eines oder mehrere der folgenden Ziele zu erreichen: • Verhinderung oder Ausgleich von Benachteiligungen und Diskriminierung, gleichgültig, ob diese in der Vergangenheit auftraten oder nach wie vor erlebt werden; • Förderung substanzieller Gleichbehandlung durch Beachtung der speziellen Situation der Angehörigen benachteiligter Gruppen und Durchbrechen des Benachteiligungskreislaufs, der mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe einhergeht; • Bekämpfung von Unterrepräsentation und Förderung von Diversität bei der Partizipation aller Gruppen am sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. • Positive Maßnahmen erreichen diese Ziele, indem sie darauf einwirken, wie soziale Güter wie Beschäftigung, Bildung, Unterkunft oder medizinische Behandlung vergeben werden. Zu den positiven Maßnahmen zählt eine große Vielzahl von Maßnahmen; automatische und nicht an Bedingungen gebundene Vorzugsbehandlungen für Frauen (oder Männer) bei der Auswahl von Arbeitnehmern (z. B. Quoten) werden im europäischen Gemeinschaftsrecht jedoch nicht zu den positiven Maßnahmen gezählt. Im Sinne des Gemeinschaftsrechts hat das Konzept der positiven Maßnahmen aber hinsichtlich Behinderter eine weitergehende Bedeutung und umfasst hier auch Maßnahmen, die darauf abzielen, Bedingungen oder Einrichtungen zu schaffen oder beizubehalten, die die Integration behinderter Menschen in die Arbeitswelt sichern oder fördern. Dies beinhaltet die Vorzugsbehandlung Behinderter, z. B. durch Quoten. 3.3 Kommentar zur Definition positiver Maßnahmen Wie aus vorstehender Definition klar hervorgeht, können positive Maßnahmen auf viele unterschiedliche Gruppen abzielen, miteinander in Zusammenhang stehende und dennoch unterschiedliche Ziele verfolgen und viele verschiedene Lebensbereiche beeinflussen. Außerdem können positive Maßnahmen landesweit gelten und durch das Gesetz oder die Regierung eingeführt, durch die Bemühungen eines Einzelnen am Arbeitsplatz umgesetzt werden oder eine Mischform dieser beiden Extreme sein. Positive Maßnahmen können sich also erheblich voneinander unterscheiden. Um weiteren Einblick in die verschiedenen Mittel zu gewähren, die als positive Maßnahmen bezeichnet werden können, sollen in diesem Kommentar unterschiedliche Aspekte der für diese Studie entwickelten Definition der „positiven Maßnahme“ erörtert und ausgearbeitet werden. 3.3.1 Terminologie – positive Maßnahme, positive Diskriminierung, affirmative Maßnahme Obwohl für diese Studie der Begriff „positive Maßnahme“ gewählt wurde, besteht in der wissenschaftlichen 29 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Literatur doch wenig Einigkeit darüber, was dieser beinhaltet. Diese Unklarheit wird durch die Verwendung anderer ähnlicher Begriffe wie „affirmative Maßnahme“, „positive Diskriminierung“ oder auch „Gegendiskriminierung“ noch verschärft. Affirmative Maßnahme ist ein Begriff, der in Europa eher selten verwendet wird, in den USA jedoch vorherrscht. In diesem Kontext wird er mit einer großen Vielzahl von Maßnahmen in Verbindung gebracht, zu denen auch ausgeprägte Formen der Vorzugsbehandlung für benachteiligte Gruppen zählen, z. B. Quoten für ethnische Minderheiten. Die europäische Situation ist in zweifacher Hinsicht einzigartig. Zunächst werden, mit Ausnahme der Gleichstellung Behinderter und in geringerem Maße auch der Geschlechter, generell weniger ausgeprägte Formen der Vorzugsbehandlung eingesetzt. Zum anderen hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zur Gleichstellung der Geschlechter herausgearbeitet, dass Maßnahmen, die dem unterrepräsentierten Geschlecht (typischerweise Frauen) auf dem Gebiet der Arbeitnehmerauswahl absolute und bedingungslose Priorität einräumen, eine gesetzeswidrige Diskriminierung des anderen Geschlechts darstellen (32). Folglich ist es hilfreich, die für unterschiedliche Maßnahmen, mit denen benachteiligten Gruppen geholfen werden soll, gebrauchte Terminologie zu unterscheiden. Die positive Maßnahme ist generell so definiert, dass der Begriff alle Maßnahmen beinhaltet, die sozial oder wirtschaftlich benachteiligten Gruppen zugutekommen sollen, ohne aber eine bedingungslose Bevorzugung bei der Zuteilung sozialer Güter ausschließlich auf der Grundlage der Merkmale eines Individuums zu beinhalten. Im Gegensatz hierzu steht die (32) Siehe z. B. Randnr. 27, Rechtssache C-319/03 Briheche Slg. 2004, I-8807. 30 positive Diskriminierung für Maßnahmen, die darüber hinaus gehen, wenn also beispielsweise die Angehörigen ethnischer Minderheiten mit geringeren Aufnahmeanforderungen an der Universität eingeschrieben werden als andere Studenten. Im Kontext der Gleichstellung der Geschlechter im Arbeitsmarkt reflektiert diese Unterscheidung zwischen positiven Maßnahmen und positiver Diskriminierung die Grenze des durch das Gemeinschaftsrecht Erlaubten; positive Maßnahmen sind legal, während positive Diskriminierung gesetzeswidrig ist. Obgleich in der Regel davon ausgegangen wird, dass der EuGH auch auf andere Formen der Diskriminierung ähnliche Prinzipien anwenden wird (33), ist dies in der Praxis noch nicht erwiesen. Auch die eindeutige Unterscheidung zwischen positiven Maßnahmen und positiver Diskriminierung bleibt schwierig. Im Falle Behinderter wird in der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung der Begriff „positive Aktion“ verwendet, und es werden so Maßnahmen ermöglicht, die anderenfalls in die Kategorie der positiven Diskriminierung fallen würden (34). 3.3.2 Nutznießer positiver Maßnahmen Wie aus vorstehender Definition klar ersichtlich, dienen positive Maßnahmen der Verbesserung der Position sozial oder wirtschaftlich benachteiligter Gruppen sowie von Gruppen, die die Konsequenzen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung erfahren. Weil es Gruppen aber von Natur aus zueigen ist, aus mehreren Individuen zu bestehen, sind auch die Nutznießer positiver Maßnahmen Individuen, nämlich (33) Kommission, „Zur Anwendung der Richtlinie 2000/43/EG vom 29.Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft“, KOM(2006) 643, S. 7. (34) Artikel 7 Absatz 2, Richtlinie 2000/78/EG. die Mitglieder der Zielgruppe. Durch das Abzielen auf und die Bevorteilung (einer genügend großen Anzahl) von Mitgliedern der fraglichen Gruppe sollen positive Maßnahmen dafür sorgen, dass die Benachteiligung der Gruppe als solche beendet wird. Nicht alle Gruppen sind (potenzielles) Ziel positiver Maßnahmen – stattdessen wenden sich solche Maßnahmen an sozial oder wirtschaftlich benachteiligte Gruppen sowie Gruppen, die die Konsequenzen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung erfahren. Weil die Intensität der sozialen und wirtschaftlichen Benachteiligung ebenso wie die Geschichte der Diskriminierung gelegentlich vom Stand der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes oder eines Wirtschaftssektors und von der kulturellen Wahrnehmung beeinflusst wird, ist es wichtig, echte Benachteiligung zu erkennen und zu identifizieren, bevor mit der Ausarbeitung eines Modells für positive Maßnahmen begonnen werden kann. Die in diesem Bericht angeführten Beispiele zeigen außerdem, dass positive Maßnahmen auf viele unterschiedliche Gruppen abzielen können. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich das europäische Gemeinschaftsrecht lediglich mit der Nichtdiskriminierung und damit positiven Maßnahmen bezüglich sechs genannter Kategorien, nämlich Gruppen, die sich durch ihr Geschlecht, ihre Rasse oder ethnische Herkunft, ihre Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, ihr Alter oder ihre sexuelle Ausrichtung abheben. Dies impliziert, dass jedes Maßnahmenpaket, das auf nationaler oder Organisationsebene auf solche Gruppen abzielt, dem Nichtdiskriminierungsgesetz der Gemeinschaft entsprechen muss. Auf die Grenzen, die das Gemeinschaftsrecht für positive Maßnahmen aufgrund von Geschlecht oder Behinderungen vorsieht, wurde in der Definition und 3 Untersuchung von positiven 1. Introduction: Maßnahmen New Business aus rechtlicher Horizons Perspektive in Europe vorstehend bereits kurz eingegangen; sie ergeben sich aus der EG-Gesetzgebung und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (35). Das Gemeinschaftsrecht zieht jedoch keine direkten Grenzen für positive Maßnahmen zugunsten von Gruppen, die nicht in diese Kategorien fallen, wie beispielsweise Vorbestrafte oder Asylbewerber. Dennoch kann die nationale Gesetzgebung die Möglichkeiten zur Durchführung positiver Maßnahmen für bestimmte Gruppen beschränken und diesbezüglich sogar enger gefasst werden als das europäische Gemeinschaftsrecht. 3.3.3 Für die Umsetzung positiver Maßnahmen zuständige Stellen Die Entscheidung, ob und in welchen Grenzen positive Maßnahmen zugelassen werden, kommt (im Rahmen der EG-Gesetzgebung) den einzelnen Staaten zu. Sobald positive Maßnahmen aber vom Staat grundsätzlich zugelassen werden, kann eine große Vielzahl von Akteuren die unterschiedlichsten Maßnahmen und Programme umsetzen. Der Staat selbst kann per Gesetz positive Maßnahmen wie beispielsweise die Einführung einer (verpflichtenden) Beschäftigungsquote zugunsten von Personen mit Behinderungen einführen oder in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber (35) Insbesondere Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABI. L 39 vom 14.2.1976, S. 40, und die entsprechende Rechtsprechung (einen guten Überblick über die Rechtsprechung bietet M. H. S. Gijzen, „Selected Issues in Equal Treatment Law: A multi-layered comparison of European, English and Dutch law”, Dissertation, Intersentia, 2006, S. 227-234 (Titel des Abschnitts: From Kalanke to Briheche); und Artikel 7 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABI. L 303 vom 2.12.2000, S. 16. und Dienstleister sowie bei der Vergabe von Stipendien positive Maßnahmen umsetzen. Solche Initiativen können im Rahmen ihrer Befugnisse von der Regierung, aber auch von den Behörden föderaler Einheiten oder lokaler Stellen ergriffen werden. Private Arbeitgeber und Dienstleister können ebenso wie Arbeitgeber und Dienstleister im öffentlichen Sektor, z. B. Universitäten und Krankenhäuser, oder auch Organisationen aus dem Sektor der Freiwilligenorganisationen positive Maßnahmen ergreifen. Solche Maßnahmen können von großen oder kleinen Organisationen umgesetzt werden und ihren gesamten Betrieb oder lediglich einen bestimmten Teil ihres Tätigkeitsgebiets betreffen. 3.3.4 Positive Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein Positive Maßnahmen verschaffen Mitgliedern benachteiligter Gruppen besseren Zugang zu bestimmten sozialen Gütern und erfüllen spezielle Ziele. Doch positive Maßnahmen können auch negative Auswirkungen auf Individuen haben, die nicht zur Zielgruppe gehören – wenn nämlich für diese der Zugang zu sozialen Gütern schwieriger wird, als er es anderenfalls gewesen wäre. Dies erklärt sich durch den Umstand, dass soziale Güter wie freie Arbeitsplätze oder Unterkünfte nur in begrenztem Maße verfügbar sind; ein Vergabeschema, das eine Gruppe bevorteilt, muss deshalb zwangsweise die Chancen anderer Gruppen minimieren. Nichtsdestotrotz sind positive Maßnahmen notwendig und angemessen, wenn unter anderem die vorherige Vergabemethode die Mitglieder bestimmter Gruppen unverhältnismäßig bevorteilte und die positive Maßnahme dazu dient, diese Ungleichbehandlung zu korrigieren. Positive Maßnahmen können jedoch nur so lange gerechtfertigt werden, wie die Zielgruppe sozial oder wirtschaftlich benachteiligt ist oder die Konsequenzen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung erfährt und die positive Maßnahme dazu dient, diese Benachteiligung auszuräumen oder zu minimieren. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass die Verhältnismäßigkeit der positiven Maßnahmen für das verfolgte Ziel gegeben sein muss. Wenn beispielsweise eine Gruppe eine besonders schwere Benachteiligung, Ausgrenzung und Diskriminierung erfährt, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, dass radikalere positive Maßnahmen gerechtfertigt sein werden als im Falle einer Gruppe, die weniger stark benachteiligt ist. Außerdem setzt das Verhältnismäßigkeitsprinzip voraus, dass positive Maßnahmen, sowie sie ihr Ziel erreicht haben und die soziale oder wirtschaftliche Benachteiligung der Gruppe oder die Konsequenzen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung entfallen, beendet werden. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass alle positiven Maßnahmen von Natur aus lediglich temporär sind. Einige Formen der Ausgrenzung und Benachteiligung sind so tief verwurzelt, dass sie nur durch langfristige positive Maßahmen korrigiert werden können; und wo eine Gruppencharakteristik wahrscheinlich zu einer permanenten Reduktion der (Berufs- und Bildungs-)Chancen führen wird, wie das bei bestimmten Arten (geistiger) Behinderung der Fall ist, können permanente positive Maßnahmen verhältnismäßig und berechtigt sein. 3.3.5 Positive Maßnahmen und Datenerhebung Häufig sind positive Maßnahmen eng mit der Erhebung von Daten verknüpft, wenngleich es sich auch um zwei separate Bereiche handelt. Unter Datenerhebung wird das Sammeln von Informationen zur Situation benachteiligter Gruppen verstanden. Dieses kann in unterschiedlichster 31 Internationale Sichtweisenon zu positive positivenaction Maßnahmen International perspectives measures Form geschehen (36). Einerseits kann eine quantitative Datenerhebung die Auflösung von Statistiken nach Geschlecht oder Alter oder alternativ auch die Auswertung des Anteils der einer ethnischen Minderheit zuzuordnenden Bewerber um einen Arbeitsplatz beinhalten. Andererseits können zur qualitativen Datenerhebung beispielsweise Umfragen bei Lesben und Schwulen durchgeführt werden, um Einblicke in ihre Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen zu erhalten. Die Sammlung von Daten allein erfüllt keines der Ziele positiver Maßnahmen, die in der für dieses Projekt entwickelten Definition genannt werden. Die Erstellung von Statistiken stellt keine Kompensation für Benachteiligungen oder frühere Diskriminierung dar und bekämpft keine Unterrepräsentation. Hauptzweck der Datenerfassung ist es vielmehr, herauszufinden, welche Ungleichheiten es derzeit gibt. Diese Daten bilden dann den Kontext, in dem positive Maßnahmen ergriffen werden können. Ergibt die Datenerhebung beispielsweise, dass nur wenige junge schwarze Jurastudenten an den Universitäten eingeschrieben sind, wäre es angemessen, positive Maßnahmen zu entwickeln, um dem entgegenzuwirken – z. B. spezielle Programme, mit denen diese Gruppe für das Studium begeistert werden soll. (36) Eine Reihe von Beispielen bietet T. Makkonen, Europäisches Handbuch zu Gleich stellungsdaten (Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2006); Europäische Kommission, Vergleichende Studie über die Sammlung von Daten mit dem Ziel der Bemessung des Ausma ßes und der Auswirkung von Diskriminierung in den Vereinigten Staaten, Kanada, Australi en, Großbritannien und den Niederlanden (Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2004). 32 3.3.6 Positive Maßnahmen und Mainstreaming Mainstreaming ist ein Ansatz, der durch die Mobilisierung aller Bereiche von Gesetz und Politik Gleichheit erreichen möchte (37). Statt lediglich auf spezielle Maßnahmen wie Antidiskriminierungsgesetze zu vertrauen, geht das Mainstreaming davon aus, dass bei jeder Handlung für Gleichberechtigung gesorgt werden muss. In der Praxis bedeutet dies, dass es die Gleichberechtigung bei der Formulierung, der Umsetzung und Bewertung von Bestimmungen zu beachten gilt. Man könnte beispielsweise davon ausgehen, dass der Gleichheitsproblematik in der Verkehrspolitik eine eher untergeordnete Bedeutung zukommt. Im Gegensatz dazu fordert das Mainstreaming, dass die Verkehrspolitik zur Förderung der Gleichberechtigung eingesetzt wird. Dies könnte beinhalten, dass sichergestellt wird, dass öffentliche Verkehrsmittel auch für behinderte Personen zugänglich sind, oder dass die Transportinfrastruktur in Stadtgebieten mit einem hohen Minderheitenanteil genauso gut ist wie in anderen Teilen der Stadt. Obwohl sich argumentieren lässt, dass Mainstreaming und positive Maßnahmen miteinander verwandt sind, ist es doch unzweifelhaft näherliegend, die beiden als völlig unterschiedliche Dinge zu betrachten. Während positive Maßnahmen auf zielgerichteten Mitteln basieren, die unter anderem versuchen, spezifische Benachteiligungen zu kompensieren, ist der Anspruch des Mainstreaming weiter gefasst. Die Natur seiner Methoden ist eher prozedural: die Integration der Förderung der Gleichheit in Entscheidungsprozesse und Diensterbringung. Mainstreaming zielt darauf ab, die geistige Haltung der politischen Entscheidungsträger so zu (37) Centre for Strategy and Evaluation Services, AntidiskriminierungsMainstreaming – Instrumente, Fallstudien und der Weg in die Zukunft (Brüssel: Kommission, 2007). verändern, dass Gleichheit zum zentralen Anliegen wird. Wirkt dieser Ansatz effektiv, liegt die Vermutung nahe, dass er politische Entscheidungsträger dazu motiviert, positive Maßnahmen zu ergreifen. Mainstreaming könnte beispielsweise bedeuten, dass ein Museum im Bestreben, seine Besucherzahlen zu erhöhen auch bedenkt, ob bestimmte Gruppen – beispielsweise muslimische Frauen – derzeit unterrepräsentiert sind. Sobald diese Thematik auf die Tagesordnung gefunden hat, könnte das Museum in einem nächsten Schritt positive Maßnahmen planen: z. B. ein Programm, mit dem bestimmte Zielgruppen angesprochen werden sollen. 3.3.7 Unterscheidung positiver Maßnahmen von angemessenen Vorkehrungen Auf den ersten Blick kann die Pflicht zum Ergreifen angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung (38) wie eine spezielle Form der positiven Maßnahme wirken, schließlich bietet sie Individuen aus der Gruppe der Menschen mit Behinderung „Vorteile“. Dieser Eindruck ist jedoch irreführend, und die Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen zu treffen, lässt sich besser als spezielle Form einer Nichtdiskriminierungsbestimmung charakterisieren, die mit den bestehenden Formen direkter und indirekter Diskriminierung zusammenhängt, jedoch nicht damit zu verwechseln ist (39). Die Verpflichtung zum Treffen angemessener Vorkehrungen erwartet von Arbeitnehmern und anderen Anbietern sozialer Güter, Behinderungen nicht zu ignorieren, wie das bei den meisten Elementen der Nichtdiskrimi(38) Wie in Artikel 5 der Richtlinie 2000/78/EG vorgesehen. (39) Siehe Artikel 2 der Richtlinien 2000/78/EG und 2000/43/EG für eine rechtliche Definition der Konzepte direkter und indirekter Diskriminierung. 3 Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive nierungsgesetzgebung der Fall ist (40), sondern fordert vielmehr speziell dazu auf, Behinderungen zu bedenken. Die Verpflichtung zum Treffen angemessener Vorkehrungen verbietet es beispielsweise einem Arbeitgeber, einem Menschen mit Behinderung eine Anstellungsmöglichkeit zu verwehren, weil er das geschützte Merkmal nicht berücksichtigt, sofern eine solche Berücksichtigung – durch eine Änderung der Aufgabe oder der physischen Umgebung des Arbeitsplatzes – dem Bewerber gestatten würde, die Arbeit auszuführen. Das Konzept der „angemessenen Vorkehrungen“ basiert aus dieser Perspektive auf einem Modell der Diskriminierung durch „Andersartigkeit“. Dieses Modell berücksichtigt, dass Individuen, die über das relevante Charakteristikum verfügen, sich in einem relevanten Merkmal von Individuen entscheiden, auf die dies nicht zutrifft, und dass eine Gleichbehandlung zu Diskriminierung führen kann. Es erfordert beispielsweise, dass Arbeitgeber manche Personen – Personen mit Behinderung, die qualifiziert wären, wenn der Arbeitgeber die Aufgabe so ändern würde, dass sie sie (40) Die konventionelle Gesetzgebung gegen Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf einschließlich der seit langem bestehenden EG-Richtlinien zur Gleichstellung der Geschlechter und der Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (2000/43/EG) basieren auf der Voraussetzung, dass sich Arbeitgeber durch bestimmte Merkmale wie Geschlecht oder Rasse nicht beeinflussen lassen sollen. Diese Merkmale werden im Allgemeinen als unbedeutend und für die Einstellungsentscheidung nicht relevant angesehen. So verfolgt die Nichtdiskriminierungsgesetzgebung in der Regel einen symmetrischen Ansatz, in dem sowohl die dominante Gruppe (z. B. Männer, die ethnische Mehrheit) wie auch die benachteiligte Gruppe (z. B. Frauen, die ethnische Minderheit) durch das Diskriminierungsverbot geschützt werden. Dies lässt sich als „Gleichheitsmodell“ der Diskriminierung bezeichnen. Diesem Modell zufolge liegt immer dann eine Diskriminierung vor, wenn Individuen, die im Grunde gleich sind, aus gesetzeswidrigen Gründen unterschiedlich behandelt werden. ausführen könnten – anders behandeln als andere. Dies ist ein asymmetrischer Ansatz und erfordert die Einbindung einer Definition oder Klassifikation der betroffenen Gruppe in die Gesetzgebung. Die Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen zu treffen, lässt sich auch in prozeduraler Hinsicht von positiven Maßnahmen unterscheiden. Im Gegensatz zu den meisten Formen positiver Maßnahmen zugunsten Angehöriger sozial oder wirtschaftlich benachteiligter Gruppen haben angemessene Vorkehrungen einen individualisierten Charakter (41). Deshalb sind statistische Daten, denen zufolge eine bestimmte Gruppe der Beschäftigten, z. B. Frauen oder ethnische Minderheiten, in der Organisation eines bestimmten Arbeitsgebers zahlenmäßig unterrepräsentiert sind, für Entscheidungen auf dem Gebiet der angemessenen Vorkehrungen weitgehend irrelevant. Im Gegensatz zur einmaligen Entscheidung, einer Frau oder einem Angehörigen einer ethnischen Minderheit Zugang zu einem Arbeitsplatz oder einer Ausbildung zu verschaffen, können solche Vorkehrungen auch regelmäßige und fortlaufende Ausgaben wie die Bereitstellung persönlicher Hilfe beinhalten. So treten im Kontext der Verpflichtung zum Treffen „angemessener Vorkehrungen“ auch nicht die mit klassischen positiven Maßnahmen immer wieder einhergehenden Probleme der unzureichenden oder übermäßigen Eingliederung auf. Nicht zuletzt wird die Verpflichtung zum Treffen angemessener Vorkehrungen in der Regel wie im Falle der Richtlinie für Gleichberechtigung in der Beschäftigung durch das (41) Eine Ausnahme stellt in diesem Kontext das Konzept des Treffens verhältnismäßiger Vorkehrungen im Vorfeld dar, das im Vereinigten Königreich im Bereich des Zugangs zu Gütern und Dienstleistungen zum Einsatz kommt und auf die Gruppe der Menschen mit Behinderungen als Ganzes abzielt. Diese Ausnahme wird hier nicht weiter erörtert. Gesetz auferlegt, während Arbeitgebern und Anbietern sozialer Güter die Entscheidung für positive Maßnahmen in der Regel freigestellt ist. 3.3.8 Abgrenzung positiver Maßnahmen von allgemeinen politischen Mitteln zur Förderung der sozialen Eingliederung Ein letzter zu betrachtender Punkt ist die schwierige Bestimmung der Grenze zwischen positiven Maßnahmen und allgemeinen politischen Mitteln zur Förderung der sozialen Eingliederung. Manche Initiativen lassen sich problemlos als positive Maßnahmen kategorisieren; man denke nur an das zu Beginn dieses Kommentars zitierte Praktikantenprogramm des Krankenhauses in Leeds, zu dem nur Schwarze oder Angehörige ethnischer Minderheiten zugelassen wurden. Am anderen Ende des Spektrums gibt es Maßnahmen, die benachteiligten Gruppen zwar im weitesten Sinne entgegenkommen, die aber eher traditionelle Elemente des sozialstaatlichen Systems als positive Maßnahmen sind. Die Bereitstellung staatlicher Renten für ältere Menschen ist hier ein gutes Beispiel. Die Rente zielt auf die soziale Realität ab, dass ältere Menschen sich langsam aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen und ein alternatives Einkommen benötigen. Obwohl in diesem Kontext von einem ausgleichenden System gesprochen werden kann, werden Renten in der Regel doch eher als grundlegender sozialer Anspruch betrachtet, der sich aus dem Beitrag zur Gesellschaft (finanziell oder anderweitig) nährt, den Individuen während früherer Lebensabschnitte erbringen. Außerdem sind Renten keine zeitlich begrenzte Maßnahme zur Bekämpfung einer Benachteiligung, sondern ein unbegrenztes Merkmal des Sozialstaats. Nicht zuletzt sind staatliche Renten häufig nicht darauf ausgerichtet, Benachteiligungen auszugleichen; tatsächlich ist es so, dass diejenigen, die während des 33 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Berufslebens mehr in das Rentensystem eingezahlt haben, möglicherweise auch eine höhere Rente erhalten als wirtschaftlich schlechter gestellte. Ein anderes Beispiel wäre das Angebot kostenloser Bildung für junge Menschen, die insofern eine Bevorzugung darstellt, als dieses Angebot für ältere Menschen nicht besteht. Dennoch wäre es eigenartig, das Bildungssystem als altersbedingte Form einer positiven Maßnahme betrachten zu wollen. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es im Grenzgebiet zwischen Sozialpolitik und positiven Maßnahmen angesiedelte Maßnahmen. Ist beispielsweise die finanzielle Unterstützung von Behinderten oder Alleinerziehenden durch den Staat, durch die Letztere zur Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung animiert werden sollen, eine Form der positiven Maßnahme (die darauf angelegt ist, Benachteiligungen auszugleichen) oder Element des Sozialstaates? Angesichts der Vielzahl solcher Maßnahmen ist eine lückenlose Aufzählung unmöglich. Dennoch ist den positiven Maßnahmen näherkommenden Maßnahmen Folgendes gemein: Erstens richten sie sich an eine eindeutig definierte soziale Gruppe. Zweitens zielen sie darauf ab, Benachteiligungen in einem bestimmten Bereich wie beispielsweise dem Zugang zu Ausbildung oder Arbeit auszugleichen. Und drittens wird die Notwendigkeit positiver Maßnahmen regelmäßig hinterfragt. Wie bereits an anderer Stelle betont, bedeutet dies nicht, dass positive Maßnahmen zeitlich begrenzt sein müssen, es kann aber auch nicht automatisch von einer unbegrenzten Laufzeit ausgegangen werden. 3.3.9 Reaktionen auf die Arbeitsdefinition positiver Maßnahmen Die für die vorliegende Studie entwickelte Definition wurde von unzähligen Experten auf dem Gebiet der Diversität sowie dem Publikum einer im 34 Juni 2008 an der Wirtschaftsuniversität Izmir in der Türkei stattfindenden internationalen Konferenz zum Thema „Geschlecht und positive Maßnahmen“ positiv aufgenommen. Die Ergebnisse der Umfrage – 81 % der Befragten gaben an, dass die Definition weit genug gefasst sei, um die Maßnahmen der eigenen Organisation abzudecken – bestätigten diesen Eindruck. Die Resonanz der Geschäftsführer (87 %) und im Sektor der Freiwilligenorganisationen/NRO (86 %) fiel am positivsten aus. Keine andere über das Land oder ein anderes Merkmal definierte Gruppe lag mit ihrer Antwort signifikant unterhalb des Gesamtniveaus. lage auf dem Gebiet positiver Maßnahmen in den für die Fallstudien ausgewählten Ländern innerhalb (42) und außerhalb der EU (43). Die Analyse der Rechtslage in Ungarn und der Slowakei beschränkte sich in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der Gesamtstudie auf die Bestimmungen im Bereich positiver Maßnahmen zugunsten der Roma. Die nachfolgenden Informationen basieren auf den Antworten nationaler Experten zu einem rechtlichen Fragebogen. Detailliertere Informationen zu den jeweils geltenden rechtlichen Bestimmungen finden sich in den Berichten zu den Fallstudien der einzelnen Länder (44). Auf die Frage, ob die Definition problemlos in der eigenen Organisation angewendet werden könne, antworteten 66 % mit Ja. Hier lag die höchste Zustimmungsquote mit 77 % im Sektor der Freiwilligenorganisationen/ NRO, bei den Organisationen aus dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung lag die Zustimmungsquote sogar bei 86 %. Im Gegensatz dazu antworteten mit nur 48 % deutlich weniger Teilnehmer aus dem öffentlichen Sektor, dass die Definition sich problemlos in ihren Organisationen anwenden lasse, hier lag die niedrigste Zustimmungsrate mit 45 % in der Unterkategorie der höheren Bildungsinstitute. Ein erstaunliches Ergebnis angesichts der Tatsache, dass Organisationen aus dem öffentlichen Sektor eher durch gesetzliche Anforderungen geleitet werden und man deshalb davon ausgehen sollte, dass ihnen die Definition der positiven Maßnahmen dieser Studie näherliegen sollte. Gibt es gesetzlich vorgesehene Maßnahmen? 3.4 Die rechtlichen Rahmenbedingungen in europäischen und nichteuropäischen Ländern Dieser Abschnitt des Berichts bietet einen Überblick über die Gesetzes- Durch diese Frage sollen Informationen zu Situationen erfasst werden, in denen positive Maßnahmen direkt durch das Gesetz eingeführt und nicht Organisationen gesetzlich dazu aufgefordert oder verpflichtet werden, eigene positive Maßnahmen umzusetzen. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass von verhältnismäßig wenigen gesetzlich verankerten positiven Maßnahmen berichtet wurde. Am eindeutigsten in diese Kategorie fielen positive Maßnahmen für Behinderte und die Einführung von Behindertenquoten auf dem Arbeitsmarkt. Solche Quoten gibt es in Frankreich und Österreich. In Frankreich müssen Behörden und Arbeitgeber aus dem Privatsektor mit mehr als 20 Vollzeitmitarbeitern sicherstellen, dass 6 % der Belegschaft aus Behinderten bestehen (45). In Österreich müssen alle Arbeitgeber mit mehr als 25 Angestellten sicherstellen, (42) Frankreich, Irland, die Niederlande, Österreich, Schweden, die Slowakei, Ungarn, Vereinigtes Königreich. (43) Kanada, Südafrika, USA. (44) Erhältlich auf der Pamecus-Website: http:// www.brad.ac.uk/acad/health/research/cid/pamecus.php. (45) Artikel L5212-2 Arbeitsgesetzbuch. 3 Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive dass auf 25 nichtbehinderte Arbeitnehmer ein Behinderter kommt (46). Beide Gesetze sehen jedoch alternativ zur Einhaltung dieser Quoten die Möglichkeit einer Ausgleichszahlung durch den Arbeitgeber vor. In Irland sind öffentliche Einrichtungen durch den Disability Act 2005 (Gesetz zur Verbesserung der Situation Behinderter) dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass Behinderte 3 % ihrer Belegschaft ausmachen, „sofern kein guter Grund dagegen spricht“ (47). Ein weiteres Beispiel für gesetzlich verankerte positive Maßnahmen jenseits der Gleichstellung Behinderter findet sich in Nordirland. Um die historische Unterrepräsentation katholischer Glaubensangehöriger in der Polizei zu bekämpfen, wurde im Police (Northern Ireland) Act 2000 (Nordirisches Polizeigesetz) eine Quotenregelung eingeführt, der das Prinzip zugrunde liegt, dass für jeden eingestellten Nichtkatholiken auch ein Katholik einzustellen ist. Gibt es gesetzliche Verpflichtungen für Organisationen des öffentlichen oder privaten Sektors, positive Maßnahmen zu ergreifen? In den betrachteten EU-Mitgliedstaaten gab es die unterschiedlichsten Vorgehensweisen bezüglich einer Ver pflichtung zu positiven Maßnahmen. Für Irland, die Niederlande und die Slowakei wurde von keinerlei generellen gesetzlichen Verpflichtungen berichtet. Im Gegensatz dazu hatten einige andere Länder Gesetze verabschiedet, die Organisationen dazu verpflichten, Schritte zur Förderung der Gleichberechtigung einzuleiten. In Schweden werden Arbeitgeber durch unterschiedliche Gesetze dazu verpflichtet, „zielgerichtete Maßnahmen“ zu ergreifen, um die Gleichstellung der Geschlechter und ethnische Diversität zu fördern (48). Ähnliche Verpflichtungen bestehen für Universitäten; diese sind jedoch noch weiter gefasst und beziehen sich auch auf die Religion, sexuelle Orientierung und Menschen mit Behinderung (49). Universitäten sind außerdem verpflichtet, Jahrespläne zu erstellen, in denen die zur Förderung gleicher Rechte für alle Studenten nötigen Maßnahmen untersucht werden. Eine ähnliche Verpflichtung zur Erarbeitung von Jahresplänen besteht für Behörden aus dem Bildungssektor, die Schulen, Vorschulen und Betreuungseinrichtungen für Schulkinder betreiben (50). Dieser auf Organisationsplänen basierende Ansatz wird auch im Vereinigten Königreich verfolgt. Hier haben Behörden die gesetzliche Pflicht, die Gleichberechtigung von Menschen unterschiedlicher Rasse, unterschiedlichen Geschlechts oder mit einer Behinderung zu fördern (51). Das bedeutet, dass viele Behörden unter anderem „Gleichstellungsprogramme“ erstellen müssen, die über die jeweiligen Maßnahmen zur Förderung der Gleichbehandlung Auskunft geben. In Ungarn ist die Gesetzgebung weniger detailliert, doch müssen öffentliche Einrichtungen und Organisationen mit mehr als 50 Arbeitnehmern einen Chancengleichheitsplan erarbeiten (52). (48) Gesetz zur Chancengleichheit 1991; Gesetz zu Maßnahmen gegen die ethnische Diskriminierung im Arbeitsleben 1999. (49) Gesetz über die Gleichbehandlung von Studenten an Universitäten 2002. (50) Gesetz zum Verbot der diskriminierenden oder anders herabsetzenden Behandlung von Kindern und Schülern 2006. (46) Behinderteneinstellungsgesetz BGBl. Nr. 22/1970, zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt Nr. 82/2005. (51) In Nordirland besteht diese Verpflichtung hinsichtlich einer längeren Liste von Diskriminierungsgründen einschließlich Religion, Alter, sexueller Orientierung und Personen mit Angehörigen (Artikel 75 Northern Ireland Act 1998: Nordirlandgesetz). (47) Artikel 47(4). (52) Artikel 63 Absatz 4, Gleichstellungsgesetz. Die vorstehend diskutierten Beispiele definieren weitgefasste Ziele für die jeweiligen Organisationen, in einigen Fällen kommen aber auch enger gefasste Maßnahmen zum Einsatz. So sind Arbeitgeber mit mehr als zehn Angestellten in Nordirland verpflichtet, die religiöse Zusammensetzung ihrer Belegschaft zu beachten. Ist keine „faire Teilnahme“ der katholischen und protestantischen Gemeinschaft gegeben, besteht eine gesetzliche Pflicht, „affirmative Maßnahmen“ zu ergreifen (53). In Frankreich müssen Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Kündigung von Arbeitnehmern deren Alter und gegebenenfalls vorhandene Behinderungen beachten (54). Unternehmen mit über 50 Beschäftigten müssen zusätzliche Anforderungen erfüllen, bevor über fünfzigjährigen Beschäftigten gekündigt werden kann. Behinderte Arbeitnehmer sind außerdem nicht der normalen Konkurrenz im Bewerbungsverfahren im öffentlichen Dienst ausgesetzt, und es gibt besondere Schutzmechanismen für Behinderte, denen eine Kündigung droht. In Kanada, Südafrika und den USA scheint es mehr gesetzliche Regelungen zu geben, durch die Organisationen zum Ergreifen positiver Maßnahmen verpflichtet werden (55). In Kanada zielt der Federal Employment Equity Act von 1995 (Bundesgesetz zur Gleichstellung im Berufsleben) darauf ab, die in der Vergangenheit erfolgte Diskriminierung von Frauen, Behinderten, Aborigines und Angehörigen sichtbarer Minderheiten auszugleichen. Das Gesetz gilt für Bun(53) Artikel 55 Absatz 2, Fair Employment and Treatment (Northern Ireland) Order 1998 [Anweisung zur fairen Beschäftigung und Behandlung (Nordirland)] , SI 3162 (NI 21). (54) Artikel L1233-5 Arbeitsgesetzbuch. (55) „Positive Maßnahme“ (positive action) ist nicht der in diesen Staaten verwendete Begriff, wird hier aber gebraucht, um die terminologische Einheitlichkeit des Berichts zu gewährleisten. 35 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen desbehörden und durch den Bund regulierte Arbeitgeber mit mehr als 100 Beschäftigten. Solche Organisationen müssen Pläne zur Gleichstellung im Berufsleben erstellen. Zusätzlich müssen Organisationen, die mit der Bundesregierung Verträge über mehr als 200 000 CAD (etwa 132 000 EUR) abschließen, und solche, die über 100 Mitarbeiter beschäftigen, sich schriftlich dazu verpflichten, sich im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen für Gleichberechtigung im Berufsleben einzusetzen. In Kanada gibt es darüber hinaus auch in der Gesetzgebung der Provinzen bedeutende Beispiele für Verpflichtungen zu positiven Maßnahmen. Sie werden hier aus Platzgründen nicht angeführt, genauere Informationen zu diesem Thema finden sich jedoch im Bericht zur kanadischen Fallstudie. Ein ähnliches Muster der gesetzlich verankerten Verpflichtung für Unternehmen, die für die Vereinigten Staaten tätig werden, findet sich in den USA. Im Jahr 1961 führte die Executive Order 10925 (Erlass des Präsidenten) eine Verpflichtung für Auftragnehmer des Bundes ein, „affirmative Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Bewerber und Angestellte bei der Bewerbung und im Arbeitsleben ohne Ansehen der Rasse, des Glaubens, ihrer Hautfarbe oder nationalen Herkunft behandelt werden“. Executive Order 11246 aus dem Jahr 1964 verpflichtet Auftragnehmer dazu, schriftliche Programme für affirmative Maßnahmen zu entwickeln, sofern sie mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigt und Verträge mit einem Volumen von mehr als 50 000 USD (etwa 38 750 EUR) abgewickelt werden sollen (Hepple et al., 2000). Artikel 202 Absatz 1 besagt: „Der Auftragnehmer ergreift affirmative Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Bewerber und Angestellte bei der Bewerbung und im Arbeitsleben ohne Ansehen der Rasse, ihrer Hautfarbe, Religion oder 36 nationalen Herkunft behandelt werden“ (56). In Südafrika sind Behörden und Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten an den Employment Equity Act von 1998 (Gesetz zur Gleichstellung im Arbeitsleben) gebunden. Es begründet eine rechtliche Verpflichtung für Arbeitgeber, sicherzustellen, dass ihre Belegschaft die südafrikanische Bevölkerung insbesondere hinsichtlich der ethnischen Herkunft, des Geschlechts oder von Behinderungen repräsentiert. Bestimmte Organisationen sind dazu verpflichtet, der Gleichstellungskommission jährlich oder halbjährlich Berichte über die Zusammensetzung ihrer Belegschaft zukommen zu lassen. Außerdem müssen sie die zur Förderung der Gleichberechtigung im Arbeitsleben ergriffenen Maßnahmen mit ihrer Belegschaft abstimmen. Artikel 15 Absatz 1 bezieht sich auf das Ziel einer gleichmäßigen Repräsentation in allen Berufsgruppen und Organisationsebenen. Der nationale Experte berichtet, dass diesem Artikel häufig durch die Einführung von Quoten entsprochen wird, obgleich diese im Gesetz nicht explizit vorgesehen sind. Außerdem sieht der Broad Based Black Economic Empowerment Act von 2003 (Gesetz für die wirtschaftliche Ermächtigung der schwarzen Bevölkerung auf breiter Basis) die Einführung von Quoten in speziellen Bereichen durch Transformation Charters und Verfahrensregeln vor. Welche Formen der positiven Maßnahmen sind gesetzlich gestattet, jedoch nicht vorgesehen? Die Vorgehensweise der EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich der Gestat(56) Der gesamte Text der Executive Order 11246 (Erlass des Präsidenten) kann unter http://w w w.dol.gov/esa/ofccp/regs/statutes/eo11246.htm eingesehen werden. Stand: 28. November 2008. tung positiver Maßnahmen ist sehr unterschiedlich. In Österreich und Irland wurden Texte in die nationale Gesetzgebung aufgenommen, deren Ansatz dem der EU-Richtlinien sehr nahe kommt. In Irland gab es zusätzliche Bestimmungen zu positiven Maßnahmen in Bereichen, die nicht mit der Arbeitswelt in Verbindung stehen. Artikel 14 der Equal Status Acts (Gleichstellungsgesetze) der Jahre 2000-2004 gestattet „bevorzugte Behandlung oder das Ergreifen positiver Maßnahmen in gutem Glauben, dass diese – (i) Chancengleichheit für Personen fördern, die anderen Personen gegenüber benachteiligt sind ...“. Eine vergleichbare Ausnahmeregelung zur Ermöglichung positiver Maßnahmen auch außerhalb der Arbeitswelt findet sich auch im British Race Relations Act von 1976 (britisches Gesetz zur Beziehung der Rassen). Artikel 35 dieses Gesetzes sieht Maßnahmen zugunsten bestimmter rassischer Gruppen vor, um „die besonderen Bedürfnisse von Menschen dieser Gruppe bezüglich deren Ausbildung, Weiterbildung oder Wohlergehen …“ zu befriedigen. Was die Diskriminierungsgründe angeht, bezüglich deren positive Maßnahmen genehmigt werden, herrscht eine gewisse Divergenz in der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten. Im Bereich der Beschäftigung gibt es in Österreich, Irland und im Vereinigten Königreich Bestimmungen, die bezüglich aller Diskriminierungsgründe positive Maßnahmen vorsehen. Hinsichtlich der Gesetzgebung zur Diskriminierung Behinderter im Vereinigten Köngreich ist dies implizit; der Disability Discrimination Act aus dem Jahr 1995 (Gesetz zur Diskriminierung Behinderter) verbietet lediglich die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Folglich können positive Maßnahmen für Menschen mit Behinderung nicht als Diskriminierung gegen Nichtbehinderte angefochten werden. Vom selben rechtli- 3 Untersuchung von positiven Maßnahmen aus rechtlicher Perspektive chen Ansatz wird auch aus Schweden berichtet. In mehreren Staaten wurde eine Tendenz zur Erlaubnis positiver Maßnahmen in Beziehung zu sozioökonomischem Nachteil festgestellt, die Diskriminierungsgrundlage stand dabei weniger im Vordergrund. In den Niederlanden sind positive Maßnahmen gesetzlich lediglich bezüglich Geschlecht, Rasse und Behinderung explizit gestattet (57). In Frankreich gibt es keine allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zu positiven Maßnahmen mit einer Erwähnung von Diskriminierungsgründen, obwohl von einer großen Vielzahl von Maßnahmen zur Bekämpfung sozioökonomischen Nachteils berichtet wird. Durch die Konzentration dieser Maßnahmen auf benachteiligte Gegenden kommen solche Programme indirekt Menschen mit Migrationshintergrund zugute. In der Slowakei ermöglicht ein im Jahr 2008 erlassenes Gesetz den Behörden, „affirmative Maßnahmen“ zu ergreifen, wenn diese auf sozioökonomische Benachteiligung und Benachteiligungen aufgrund von Alter und Behinderung abzielen (58). Auch in Ungarn zielen positive Maßnahmen meist auf sozial benachteiligte Gruppen ab, anstatt explizit die Roma als Zielgruppe anzugeben. In Bezug auf die betrachteten Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der EU sind, liegt der Hauptschwerpunkt der Bemühungen auf den im vorhergehenden Abschnitt behandelten gesetzlichen Schemata für positive Maßnahmen. In Kanada sehen die meisten Menschenrechtsbestimmungen der einzelnen Provinzen spezielle oder (57) Artikel 2 Absatz 3, Algemene Wet Gelijke Behandeling (Allgemeines Gesetz zur Gleichbehandlung); Artikel 5 Absatz 1, Gesetz zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen und Art. 7:646(4), Burgerlijk Wetboek (Bürgerliches Gesetzbuch). (58) Artikel 8(a), geänderte Fassung 85/2008 von Gesetz 365/2004, dem Gesetz zur Gleichbehandlung. bestärkende Programme zur Verbesserung der Situation benachteiligter Personen vor. In Südafrika können sich Organisationen, die nicht formell an die Verpflichtungen des Employment Equity Act (Gesetz zur Gleichstellung im Arbeitsleben) gebunden sind, dennoch freiwillig daran binden und in seinem Rahmen positive Maßnahmen ergreifen. In den USA räumt Artikel 706 Absatz g Satz 1 von Titel VII des Civil Rights Act (Bürgerrechtsgesetz) von 1964 Gerichten die Möglichkeit ein, positive Maßnahmen zur Bekämpfung erfolgter illegaler Diskriminierung zu verhängen: „Stellt das Gericht fest, dass der Beklagte bewusst einer in der Klage genannten illegalen Beschäftigungspraxis nachgeht oder dieser nachgegangen ist, kann das Gericht dem Beklagten untersagen, eine solche illegale Beschäftigungspraxis zu verfolgen, und angemessene affirmative Maßnahmen anordnen“ (59). Gibt es gesetzlich untersagte positive Maßnahmen? In einigen Mitgliedstaaten der EU sind die Grenzen positiver Maßnahmen ausdrücklich im Gesetz festgehalten. In Ungarn bietet das Gleichstellungsgesetz den Rahmen für Maßnahmen, die hier „bevorzugte Behandlung“ genannt werden; dies gilt jedoch nur, solange diese auf der Grundlage eines Gesetzes, eines Erlasses der Regierung oder eines Tarifvertrags ergriffen werden (60). Außerdem müssen solche Maßnahmen zeitlich begrenzt sein, oder ihre Begrenzung muss durch die Angabe eines bestimmten zu erfüllenden Umstandes definiert werden. Ähnlich enthält in der Slowakei die Gesetzgebung aus dem Jahr 2008 eine Liste der gesetzlichen Einschränkungen, durch die bestimmt wird, in welchem Rahmen positive Maßnahmen gesetzeskonform sind. Sie enthält auch die Bestimmung, dass positive Maßnahmen ausschließlich durch staatliche Stellen und nur dann ergriffen werden können, wenn „eine belegbare bestehende Ungleichheit besteht“ (61). In den Niederlanden gibt es keine gesetzliche Bestimmung zum Schutz positiver Maßnahmen auf der Grundlage der sexuellen Orientierung, der Religion oder des Alters (62). Dennoch werden Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung innerhalb bestimmter Altersgruppen nicht als illegale Diskriminierung betrachtet, wenn solche Maßnahmen durch das Gesetz zur Gleichberechtigung unterschiedlicher Altersgruppen in der Arbeitswelt (63) vorgesehen sind oder mit diesem übereinstimmen. Wie vorstehend erwähnt, gibt es im französischen Antidiskriminierungsrecht keine ausdrückliche Bestimmung zu positiven Maßnahmen, und es steht außer Zweifel, dass positive Maßnahmen, die offenkundig auf der Grundlage der ethnischen Herkunft erfolgen, nicht gesetzmäßig sind. In Schweden wurden die Grenzen positiver Maßnahmen erst kürzlich gerichtlich geprüft. Im Jahr 2006 hatte der oberste Gerichtshof entschieden, dass ein Programm der juristischen Fakultät Uppsala, in dessen Rahmen 10 % der Studienplätze an Studenten mit ausländischem Hintergrund vergeben wurden, eine gegen das Gesetz verstoßende Diskriminierung auf der (61) Artikel 8(a), geänderte Fassung 85/2008 von Gesetz 365/2004, dem Gesetz zur Gleichbehandlung. (59) Siehe außerdem, M. Connolly, Discrimination Law (Dikriminierungsgesetze) (London: Thomson Sweet & Maxwell, 2006), S. 365. (62) Aufgrund des fehlenden gesetzlichen Schutzes werden Maßnahmen, die auf der Grundlage der sexuellen Orientierung, Religion oder des Alters Vorteile in Bereichen gewähren, die in den Geltungsrahmen der Nichtdiskriminierungsgesetze fallen, vermutlich als Diskriminierung (der jeweils anderen Gruppen) betrachtet werden. Umgekehrt gilt, dass positive Maßnahmen in Bereichen, in denen wie bei der Diskriminierung aufgrund des Alters beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen kein Diskrimierungsverbot anwendbar ist, automatisch rechtmäßig sind. (60) Artikel 11 Absatz 1. (63) Artikel 7 Absatz 1a. 37 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen 3.5 Überblick Vorherrschendes Merkmal positiver Maßnahmen im EG-Gemeinschaftsrecht ist deren permissiver Charakter. Es scheint keine Verpflichtungen zum Ergreifen positiver Maßnahmen zu geben, und folglich ist es nicht weiter verwunderlich, dass die nationale Praxis auf diesem Gebiet ausgesprochen vielfältig ist. Diese Diversität herrscht sowohl bezüglich der Merkmale, auf deren Grundlage positive Maßnahmen zugestanden oder eingefordert werden, als auch bezüglich der Intensität, mit der die nationale Gesetzgebung Organisationen dazu verpflichtet, positive Maßnahmen zu ergreifen. Die Haupteinschränkung durch das Gemeinschaftsrecht der EU besteht auf dem Gebiet der Gleichstellung der Geschlechter. Hier lässt der Europäische Gerichtshof keine Maßnahmen zu, die dem unterrepräsentierten Geschlecht automatisch und bedingungslos Priorität einräumen. Ohne weitere Entscheidungen des Gerichtshofs ist es derzeit schwierig vorherzusehen, ob der Gerichtshof auch bezüglich positiver Maßnahmen aus anderen Gründen oder positiver Maßnahmen in Bereichen außerhalb der Arbeitswelt (z. B. in der Bildung) ähnlichen Linien folgen wird. Richtlinie 2000/78/EG deutet darauf hin, dass der gesetzliche Rahmen im Bereich der Behinderungen weiter gefasst sein dürfte. Dies entspricht der nationalen Praxis; Behinderung ist das weitgehend einzige Merkmal, für das Mitgliedstaaten Maßnahmen wie Quoten vorsehen. Die drei Fallstudien aus Ländern außerhalb der EU belegen einen deutlicheren Willen, Organisationen des privaten und öffentlichen Sektors zur Förderung von Gleichheit und zum Ergreifen positiver Maßnahmen zu verpflichten. Es zeichnet sich jedoch ab, dass vergleichbare Instrumente auch innerhalb der EU, insbesondere in Schweden und im Vereinigten Königreich, entwickelt werden. Grundlage ethnischer Herkunft darstellte (64). Wie weithin bekannt, hat es in den USA eine Reihe von Gerichtsverhandlungen zur Frage der Legalität positiver Maßnahmen gegeben, und es ist unmöglich, den großen Bestand an Fallrecht in den engen Grenzen dieses Berichtes im Detail darzulegen. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen, dass der Oberste Gerichtshof der USA zu dem Schluss gekommen ist, dass jede Klassifizierung auf der Grundlage der Rasse einer „strengen Prüfung“ zu unterziehen ist, mit anderen Worten also jedes Programm ein triftiges Inte- (64) Der Staat gegen Lönn und Midander, Fall T_400/06, 21. Dezember 2006. Siehe außerdem: A. Numhauser-Henning, Report on measures to combat discrimination: Directives 2000/43/EC and 2000/78/EC. Country report: Sweden (2007), S. 16. Verfügbar unter: http:// ec.europa.eu/employment_social/fundamental_rights/pdf/legnet/svrep07_en.pdf Stand vom 28. November 2008. 38 resse verfolgen und den Bedürfnissen möglichst genau entsprechen muss (65). Erst kürzlich akzeptierte der Oberste Gerichtshof im Fall Grutter gegen Bol linger, dass bei der Vergabe von Studienplätzen an juristischen Fakultäten die Rasse in die Annahmeentscheidung einfließt, um gegen die Unterrepräsentation ethnischer Minderheiten anzugehen (66). Das Oberste Gericht war jedoch nicht gewillt, diese Entscheidung auf ein Programm auszuweiten, in dem die Zuweisung von Kindern an bestimmte weiterführende Schulen aufgrund der Rasse erfolgte (67). In Kanada erfordert das Fallrecht Aussagen zufolge zudem eine rationale Verbindung zwischen den positiven Maßnahmen und ihrem Verbesserungsziel. In Südafrika schließlich hat das Oberste Gericht in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass positive Maßnahmen nicht als Rechtfertigung für anderweitig willkürliche Entscheidungen bei der Vergabe von Arbeitsplätzen angeführt werden können (68). (65) S. Fredman, Discrimination Law (Oxford: Oxford University Press, 2002), S. 147. (66) Grutter gegen Bollinger 539 USA; 306, 123 S Ct 2325 (2003). (67) An öffentlichen Schulen involvierte Eltern gegen Seattle School District No 1 et al, 127 S Ct 2738 (2007). (68) Supreme Court of Appeal (Oberstes Berufungsgericht) (17. September 2008) Martin Gordon v Department of Health KwaZuluNatal (337/2007) [2008] ZASCA 99. 4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen 4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union Dieses Kapitel bietet eine detaillierte Analyse der Wahrnehmung positiver Maßnahmen in der Europäischen Union und insbesondere der Wahrnehmung von Personen aus acht europäischen Ländern, die an der Detailstudie teilnahmen. Die Analyse erfolgt hauptsächlich auf der Basis der im Konsensworkshop und in Gesprächen in den einzelnen Ländern erhobenen Daten sowie der Erkenntnisse der Studie und Analyse des gesetzlichen Rahmens sowie der jeweiligen Richtliniendokumentation zum Vorgehen der einzelnen Länder im Bereich positiver Maßnahmen. Lediglich hinsichtlich Frankreich basieren die Erkenntnisse auf der Sekundäranalyse eines Landesberichts zu Frankreich zu Maßnahmen im Kampf gegen die Diskriminierung (70). Das Kapitel beginnt mit einem Vergleich zum Verständnis positiver Maßnahmen, wie es in Organisationen in der Europäischen Union und insbesondere in den acht Ländern, zu denen Fallstudien erstellt wurden, zum Tragen kommt. Dabei wurde auch betrachtet, welche Maßnahmen von einzelnen Individuen dem Bereich der positiven Maßnahmen zugeordnet wurden. Auch die Motivation hinter positiven Maßnahmen sowie Faktoren, die der Effektivität positiver Maßnahmen als zuträglich gelten, sollen erläutert werden. Als Teil dieser Analyse wird außerdem darauf eingegangen, wie Organisationen die Wirkung positiver Maßnahmen messen und Gruppen bestimmen, die am meisten oder wenigsten von gezielten Initiativen profitiert haben. Schließlich werden die wichtigsten Grenzen genannt, die die Umsetzung positiver Maßnahmen einschränken, und Pläne für zukünftige positive Maßnahmen erörtert. 4.1 Verständnis positiver Maßnahmen In den an der Studie beteiligten Mitgliedstaaten der EU gibt es kein einheitliches Verständnis dessen, was unter einer positiven Maßnahme zu verstehen ist. Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern zeigten sich unterschiedlich gut mit dem Begriff vertraut und in unterschiedlichem Maße bereit, ihn zur Beschreibung ihrer Aktivitäten zu verwenden. In Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Irland und Ungarn werden positive Maßnahmen als spezielle Maßnahmen angesehen, die ergriffen (69) Siehe S. Latraverse (2007). Report on mea sures to combat discrimination: Directives 2000/43/EC and 2000/78/EC. Country report: France. Erhältlich unter http://europa.eu.int/ comm/employment_social/fundamental_ rights/policy/aneval/mon_en.htm. 40 werden, um in der Vergangenheit geschehene Diskriminierung gegenüber einer bestimmten Gruppe mit dem Ziel der Gleichstellung dieser Gruppe mit der Mehrheit der Gesellschaft zu bekämpfen. In den genannten Ländern herrschte allgemein Einigkeit darüber, dass positive Maßnahmen soziale Ungleichheiten ausgleichen, Nachteile ausräumen und sie sogar aufwiegen sollen. Die Teilnehmer aus diesen Ländern assoziierten positive Maßnahmen mit der Beseitigung von Grenzen, mit sozialer und globaler Gerechtigkeit, dem Eintreten für andere und Empowerment. Doch obwohl sie uns eine klare Definition des Begriffs lieferten, waren nicht alle Teilnehmer der Meinung, dass „positive Maßnahmen“ eine adäquate Umschreibung ihres Verständnisses dieses Konzepts darstellte. Im Vereinigten Königreich wurde der Begriff der „positiven Maßnahme“ (positive action) als konzeptuelles Wirrwarr bezeichnet und vorgeschlagen, ihn durch den Begriff „balancing measures“, also etwa „ausgleichende Maßnahmen“ zu ersetzen, um so das Konzept leichter verständlich und auch der breiten Öffentlichkeit zugänglicher zu machen. In anderen europäischen Ländern wird der Begriff der „positiven Maßnahme“ in einem anderen Licht gesehen. In den Niederlanden werden positive Maßnahmen als altmodisches Konzept angesehen, die Studienteilnehmer hatten ihre Probleme damit. Sie wollten positive Maßnahmen lieber als wichtiges Instrument innerhalb einer weiter gefassten Diversitätsstrategie betrachten, die alle Methoden zur Bekämpfung der Effekte von Ausgrenzung, Diskriminierung und Stereotypieren bestimmter Grup- 4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union pen beinhaltet und darauf abzielt, eine Gesellschaft mit mehr Gleichberechtigung zu schaffen. Für die Teilnehmer aus den Niederlanden zählten dazu Gesetzgebung, Fortbildung, organisatorische Entwicklung und Coaching. Allgemein war man sich einig, dass positive Maßnahmen als Teil einer vielschichtigen Strategie eingesetzt werden müssen, um langfristig effektiv zu sein. Jede Maßnahme mit dem Ziel, mehr Gleichheit zu schaffen, wird als nutzlos eingeschätzt, solange sie nicht von der gesamten Gesellschaft getragen wird. Um einen Unterschied machen zu können, erfordert der Einsatz positiver Maßnahmen den Teilnehmern zufolge eine kritische Masse. Sie gingen davon aus, dass positive Maßnahmen Teil eines permanenten und kohärenten Vorgehens sein müssen, das einer für den Wandel offenen und zielorientierten Strategie folgt. Dies deckt sich mit der vorgebrachten Argumentation, dass positive Maßnahmen niemals lediglich in einer Abteilung oder auf einer Hierarchieebene, sondern stets in allen Geschäftsbereichen eingeführt werden sollten. Ähnlich ist auch in Schweden der Begriff der positiven Maßnahmen nicht gebräuchlich und findet sich auch in der Gesetzgebung zum Thema nicht. Vielmehr wird hier der Begriff der „aktiven Maßnahmen“ gebraucht. Verwirrung über das Konzept erwächst aus dem Umstand, dass Gesetz und Politiker in Schweden die Notwendigkeit des Ergreifens positiver Maßnahmen unterstreichen, gleichzeitig aber eine Reihe von Verboten und Einschränkungen verhängt wird und auch das Fallrecht restriktiv ist. Die meisten der in Schweden befragten Menschen konnten keine Definition positiver Maßnahmen geben, da sie dies als zu komplex empfanden. In Österreich maßen WorkshopTeilnehmer und Befragte den Vorteilen positiver Maßnahmen größeren Wert bei. Die Teilnehmer betonten, dass positive Maßnahmen einen Gewinn für die Allgemeinheit darstellen und deshalb in allen Bereichen der Gesellschaft und für alle bedürftigen Gruppen eingesetzt werden sollten. Der Sichtweise, dass positive Maßnahmen schlicht die Gelegenheit zur bevorzugten Behandlung einer oder zweier Gruppen darstellt, wurde widersprochen. Bevorzugt wurde der Ansatz, offen dafür zu sein, wer zu welchem Zeitpunkt welche Art der Unterstützung benötigt. Damit dieser Prozess effektiv sein kann, wurde der Schaffung eines Bewusstseins für Unterschiede und Diskriminierung in ihrer strukturellen Dimension zentrale Bedeutung eingeräumt. In einigen Punkten entspricht dies der Haltung in Frankreich zum Thema positive Maßnahmen. Wie in Kapitel 2 hervorgehoben, werden positive Maßnahmen in Frankreich im Allgemeinen nicht als Mittel zur Bekämpfung von Ungleichheiten angesehen oder eingesetzt. Die fehlende Vertrautheit mit dem Konzept erklärt unserer Meinung nach auch, wieso es uns nicht gelang, bei Personen aus dem französischen öffentlichen, privaten und dritten Sektor genügend Interesse für die Teilnahme an einem Konsensworkshop zu wecken. In Ermangelung von Daten französischer Befragter zu positiven Maßnahmen in Frankreich verglichen wir Daten aus den in Konsensworkshops und Befragungen in anderen europäischen Ländern erhobenen Daten mit unserer Literaturanalyse zum Thema positive Maßnahmen in Frankreich. Insgesamt scheinen das Prinzip der Gleichheit aller Mitglieder der französischen Gesellschaft und die Tatsache, dass gesetzlich kein Teil der französischen Bevölkerung Rechte als Minorität geltend machen kann, dazu geführt zu haben, dass es keine politischen Maßnahmen gibt, die auf spezielle, durch ihren Ursprung definierte ethnische Gruppen abzielt (vgl. dazu die Analyse der Gesetzeslage in Frankreich). Kategorien für positive Maßnahmen sind nur dann als solche akzeptabel, wenn sie auf neutralen Kriterien – z. B. sozioökonomischen Überlegungen – basieren, die nichts mit der Identität der Zielgruppe zu tun haben. Folglich gibt es lediglich politische Maßnahmen zugunsten der Roma – die nicht durch ihre ethnische Zugehörigkeit definiert werden – und die deren Lebensweise hinsichtlich Unterbringung und Ausbildung ermöglichen sollen. Positive Maßnahmen für Menschen mit Behinderung sind gesetzlich erlaubt, derzeit sind ähnliche Maßnahmen für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender aber nicht möglich. In Frankreich gibt es eine Reihe von Initiativen, die sich als positive Maßnahmen beschreiben lassen, wenngleich sie bisher nicht unter diesem Begriff zusammengefasst wurden. Im Jahr 2005 beispielsweise verfolgte man Pläne zur Einführung umfassender Weiterbildungs- und Unterstützungsprogramme zur Eingliederung Arbeitsloser in die Arbeitswelt, zur Schaffung regionaler Beschäftigungszentren und zur Einführung einer Reihe von Programmen und Dienstleistungen zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen. Zusätzlich wurden unter dem Oberbegriff des sozialen Zusammenhalts Versuche unternommen, arbeitslose benachteiligte Jugendliche und ältere Langzeitarbeitslose durch Praktika und Weiterbildungsprogramme im privaten und öffentlichen Sektor anzusprechen. Außerdem waren massive Investitionen in den sozialen Wohnungsbau zugunsten benachteiligter Gegenden und zur Bereitstellung von Notunterkünften geplant. Ähnlich gab es im Bildungswesen Pläne zur Konzentration auf Kinder mit ernsthaften Schwierigkeiten, um die Chancengleichheit durch spezielle Unterstützung von Kindern in benachteiligten Bereichen und durch die Zuweisung spezieller Budgets an Schulen in bestimmten geografischen Gebieten zu verbessern. 41 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Schließlich ging das Institut d’Etudes Politiques angesichts der praktischen Unmöglichkeit für Kinder aus benachteiligten Gegenden, spezialisiertere höhere Eliteschulen zu besuchen (um eine solche handelt es sich auch in diesem Falle), eine Partnerschaft mit Schulen in solchen Gegenden ein, um deren beste Schüler auszuwählen und ein Parallelsystem zur Schüleraufnahme zu schaffen. Andere Schulen folgten diesem Beispiel. In der Gruppe der europäischen Länder zeigte sich in der Slowakei das geringste Verständnis für das Konzept der positiven Maßnahmen; Probleme im Bereich der Gleichberechtigung und Chancengleichheit werden hier ausgesprochen abstrakt diskutiert. Die wenigsten Workshopteilnehmer und Befragten verfügten über ein tiefergehendes Verständnis positiver Maßnahmen; nahezu jede Initiative wurde unabhängig von ihrer Zielsetzung als solche verstanden und bezeichnet. Einige Teilnehmer verstanden unter einer positiven Maßnahme ausnahmslos jede Initiative zur Unterstützung der Roma und führten Initiativen wie gezielte Ausbildung, Anstellung, Stipendien, Wohnprojekte und Sprachunterstützung an. Die Teilnehmer räumten ein, dass diese Maßnahmen alle Roma als ethnische Gruppe ansprechen können, doch das Gespräch über konkrete Beispiele konzentrierte sich in der Regel auf Maßnahmen, die in anderem Kontext als Instrumente zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung angesehen würden. Andererseits realisierten die Teilnehmer, dass nicht nur arme oder sozial ausgegrenzte Roma diskriminiert werden und dass auch anderen Gruppen der Roma mehr Aufmerksamkeit zukommen sollte. Slowakische Organisationen gaben an, dass das bisherige Fehlen gesetzlicher Regelungen zu positiven Maßnahmen dazu geführt habe, dass es kein allgemeines Verständnis dieses Begriffs gebe. Außerdem wiesen sie darauf hin, wie wichtig es sei, dass 42 die Regierung hinsichtlich einiger Einschränkungen der aktuellen Gesetzgebung Klarheit schaffe und ein öffentliches Bewusstsein für positive Maßnahmen fördere. Die Tatsache, dass diese erst im Jahr 2008 Eingang in die Gesetzgebung gefunden haben, mag erklären, warum die Slowakei eines der Länder mit den geringsten Antwortzahlen in der Umfrage war. Es ist außerdem wichtig zu bemerken, dass in Ungarn und der Slowakei gleichermaßen die meisten Programme, die als positive Maßnahmen für Roma betrachtet werden könnten, mit politischen Maßnahmen zu sozialer Eingliederung und allgemeinen Strategien bezüglich der Situation dieser Gruppe verknüpft sind. In manchen dieser Länder wurde als negative Folge auf das Ergreifen positiver Maßnahmen in Unternehmen eine Gegenreaktion einzelner Personen beobachtet, die die Überlegungen hinter den positiven Maßnahmen nicht vollständig verstanden und diese als „Bevorzugung“ bestimmter Gruppen wahrnahmen. In den Niederlanden herrscht das Gefühl vor, dass positive Maßnahmen eng mit Quoten und anderen Formen der bevorzugten Behandlung verknüpft sind. Deshalb gab es unterschiedliche Reaktionen auf bevorzugte Behandlung zur Verbesserung der Repräsentation bestimmter Gruppen. Die Bedeutung des Quotensystems zur besseren Repräsentation von Frauen im öffentlichen Dienst wurde als positive Folge bevorzugter Behandlung angesehen, zugleich wurde aber auch bemerkt, dass es Vorurteile gegenüber Personen gibt, von denen angenommen wird, dass sie ihre Arbeitsstelle einem Quotensystem zu verdanken haben. Diese Vorurteile wiederum führen zu einer gewissen Zögerlichkeit von Seiten derer, die in diesem System bevorzugt angestellt würden. Einige schwedische Teilnehmer verbanden in ihrem Verständnis positive Maßnahmen auch mit Quoten oder bevorzugter Behandlung als Mittel zur Bekämpfung von Benachteiligung. Viele der Befragten vertraten die Meinung, dass positive Maßnahmen häufig als gegen das Prinzip der Gleichheit verstoßend angesehen werden, Gegner des Konzepts argumentierten gerne mit der Notwendigkeit, „alle Menschen gleich zu behandeln“. Eine Besonderheit im slowakischen Verständnis ist es, dass hier nicht zwischen positiven Maßnahmen und positiver Diskriminierung unterschieden wird; einige Teilnehmer erklärten sich zwar mit der Legitimität von Quoten einverstanden, äußerten jedoch ernste Vorbehalte bezüglich ihrer Effektivität. Dies bestätigt Ergebnisse der Umfrage, die signifikante Verwirrung über positive Maßnahmen ergab. Insgesamt 19 % der Befragten verwechselten positive Maßnahmen mit positiver Diskriminierung. Diese Unsicherheit war in Österreich mit 48 %, Griechenland (42 %), Ungarn (33 %) und Bulgarien (32 %) besonders hoch und lag in den acht europäischen Ländern, in denen Fallstudien erarbeitet wurden, insgesamt bei 23 %. 4.2 Motivation für positive Maßnahmen In den europäischen Ländern dient eine Vielzahl von Faktoren als Impulsgeber für positive Maßnahmen, einige davon sind mehreren Ländern gemein. Die Umfrage ergab, dass die Gesetzgebung (47 %) den wichtigsten Antrieb darstellt. In Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Irland gaben die gesetzlichen Bestimmungen zu positiven Maßnahmen einen starken Anstoß zum Wandel. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit Behinderungen in Irland, wo Quoten gesetzlich vorgesehen sind. Der gesetzliche Rahmen in diesen Ländern verpflichtet Arbeitgeber und Dienstleister zu speziellen proaktiven Maßnahmen, durch die die Gleichbehandlung aller ohne Ansehen von Unterschieden sichergestellt werden soll. Dieser gesetzliche Rahmen deckt 4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union in Irland neun Diskriminierungsgründe ab (Geschlecht, Ehestand, Familienstand, sexuelle Orientierung, Religion, Alter, Behinderung, Rasse und Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Zigeuner), im Vereinigten Königreich immerhin sechs (Alter, Behinderung, Geschlecht, Rasse, Religion, sexuelle Orientierung). Die Umfrage ergab außerdem, dass das Vereinigte Königreich (84 %) und Irland (83 %) mit Abstand den höchsten Anteil an Antwortenden aufweisen, die über schriftliche Richtlinien zu Gleichbehandlung und Diversität verfügen. Eine Analyse der von Organisationen aus diesen beiden Ländern zur Verfügung gestellten Dokumente wie Unternehmensleitbildern und Jahresberichten zeigte außerdem eine über bloße Rhetorik hinausgehende Verpflichtung zur Gleichbehandlung. Am unteren Ende lagen bezüglich des Vorhandenseins von Gleichstellungsund Diversitätsrichtlinien die Slowakei (29 %), Griechenland (25 %), Bulgarien (24 %) und Polen (13 %). Insgesamt verfügten 59 % der acht in der komparativen Studie betrachteten EU-Länder über schriftliche Richtlinien zu Gleichbehandlung und Diversität. In Österreich werden Gesetze zur Gleichstellung aufgrund der ihnen zugrundeliegenden Ziele der Chancengleichheit, der Behebung von Defiziten und der Anerkennung der Rechte aller als positive Maßnahme schlechthin gewertet. Im Gegensatz dazu wird gesetzlichen Regelungen in Ländern wie den Niederlanden keine entscheidende Rolle zur Förderung positiver Maßnahmen zugeschrieben, weil Organisationen in diesen Ländern es ablehnen, positive Maßnahmen zu ergreifen, und Gesetze zur Erhebung von Daten zum ethnischen Hintergrund ihrer Belegschaft offen missachten, ohne dass die Regierung Sanktionen verhängt hätte (vgl. die Analyse der Rechtslage in den Niederlanden). In gewissem Ausmaß, so denken Teilnehmer in den Niederlanden, gibt weniger rechtlicher Druck, sondern vielmehr das Bedürfnis, anderen zu helfen, den Ausschlag zum Ergreifen positiver Maßnahmen. Diese Motivation wurde gemeinsam mit dem Wunsch geäußert, einen guten Ruf zu erlangen und soziale Schande zu vermeiden. Dieser Überlegung kommt wohl bei öffentlichen Organisationen und Regierungsabteilungen mehr Bedeutung zu als bei Privatunternehmen, weil erstere zur Selbstlegitimierung die Diversität der Gesellschaft in ihrer Organisation abbilden müssen und dies als Teil ihrer öffentlichen Verpflichtung als Rollenmodell ansehen. So wurden jüngst Initiativen im Justizwesen, die Zahl der Richter mit Migrationshintergrund zu erhöhen, durch die Beobachtung motiviert, dass keine Allochthone (Minderheiten) im Justizwesen vertreten sind und dieser Faktor zu einer verschobenen Wahrnehmung und mangelndem Wissen um strukturelle Diskriminierung sowie zur Beeinflussung der Einstellung gegenüber Klienten und sogar der Gerichtssprechung durch Vorurteile führen könne. Wie in den Niederlanden stellt auch in Ungarn die moralische Grundlage positiver Maßnahmen eine starke Motivation für ihre Umsetzung dar. Dies gilt insbesondere hinsichtlich einer Verbesserung der benachteiligten Situation der Roma-Gemeinschaft. Auch in der Slowakei lässt sich beobachten, dass Projekte zur Besserstellung der Roma nicht auf gesetzlichen Vorschriften basieren oder aus der Menschenrechtsperspektive begründet sind, sondern vielmehr auf dem Verständnis der schwierigen sozialen Situation innerhalb der Roma-Gemeinschaften aufbauen. Neben den gesetzlichen Vorschriften wird auch die Möglichkeit einer Verbesserung der Unternehmensleistung als wichtige Triebfeder für die Imple- mentierung positiver Maßnahmen angesehen. Auf Veränderungen in der Bevölkerung reagierend, greifen Unternehmen zunehmend auf sie zurück, um durch gezielte Personalwerbungsund -bindungspraktiken Arbeitsplätze zu schaffen, die die örtlichen Gemeinschaften widerspiegeln. In Ländern wie den Niederlanden, Österreich, Schweden und Irland berichten Teilnehmer von positiven Maßnahmen als Bestandteil guter Geschäftspraktiken und betrachten die Förderung der Gleichbehandlung durch positive Maßnahmen als Möglichkeit für Unternehmen, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Auch die Bedeutung des öffentlichen Bildes und der PR-Aspekt positiver Maßnahmen wurden erwähnt. In Schweden und den Niederlanden liegt die größere Betonung auf der Bedeutung positiver Maßnahmen für die Privatwirtschaft, in der es nicht länger akzeptabel ist, ein Team „männlicher Weißer“ zu präsentieren oder eine Belegschaft zu haben, die sich ausschließlich aus „blonden, blauäugigen Schweden“ zusammensetzt. Die Beschäftigung einer multiethnischen Belegschaft gilt außerdem als Möglichkeit, neue Marktsegmente zu erschließen, weil sie ein breites Zielpublikum anspricht. Im Gegensatz dazu wird in Ländern wie dem Vereinigten Königreich die Notwendigkeit diskutiert, dass Organisationen des öffentlichen Sektors die Gesellschaft besser abbilden, um insbesondere im Gesundheitssektor die Bedürfnisse aller ihre Dienste in Anspruch nehmenden Menschen besser abdecken zu können. Außerdem werden Unternehmen durch die Furcht vor Verurteilungen und Schadenersatzforderungen dazu motiviert, den Vorschriften zu entsprechen. In Ungarn und der Slowakei sind die Beweggründe für das Ergreifen positiver Maßnahmen zugunsten der Roma nicht so klar; sie scheinen tendenziell aus unterschiedlichen Gründen durchgeführt zu werden. Die meisten 43 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen positiven Maßnahmen privater und staatlicher Organisationen zielen auf eine Besserstellung der Roma im Allgemeinen ab, einige Maßnahmen nehmen sich der besonderen Bedürfnisse der Roma-Frauen an, und viele Bildungs- und Ausbildungsprogramme zielen auf junge Roma ab. Das Bedürfnis nach mehr Arbeitskräften bewog Organisationen dazu, der Anstellung von Roma sehr viel offener gegenüberzustehen; und auch die Möglichkeit finanzieller Unterstützung für Roma-Programme motivierte einige Organisationen zur Aufnahme einer Zusammenarbeit mit ihnen. Aus der Umfrage geht hervor, dass viele der Organisationen aus Bulgarien (84 %) und Ungarn (75 %) sich selbst klare Ziele in den Bereichen Dienstnutzung/Kundenprofil und Diensterbringung hinsichtlich benachteiligter Gruppen gesetzt haben. Die deutlich niedrigsten Quoten klar gesetzter Ziele werden im Vereinigten Königreich (45 %) und Irland (33 %) erzielt. Dieser Umstand ist angesichts der langen Geschichte der Gleichberechtigungsgesetze dieser Länder und insbesondere auch der im Vereinigten Königreich bestehenden Verpflichtungen besonders erwähnenswert. Bezüglich Zielsetzungen für Gleichheit und Diversität im Bereich der Diensterbringung werden die höchsten Anteile in den EG-Ländern aus Organisationen in Bulgarien (76 %), Ungarn (75 %), Italien (66 %) und die niedrigsten aus Deutschland (24 %) berichtet. Teilnehmer aus der Slowakei und Ungarn sprachen über die Notwendigkeit, Arbeitslosigkeit, niedrige Bildungsniveaus und die in vielen Roma-Kulturen insgesamt unterdurchschnittlichen Wohnverhältnisse zu bekämpfen. Auch hier basieren positive Maßnahmen zugunsten der Roma auf einer ähnlich eigenartigen Motivationsvielfalt, darunter auch die Wahrnehmung finanzieller und anderer Bedrohungen durch die demografische Entwicklung. Aufgrund höherer Geburtenraten in 44 Roma-Familien werden nämlich die Kosten für ihre soziale Eingliederung weiter steigen, sofern eine echte Veränderung ausbleibt (und so entstehen auch bei weiterer Tatenlosigkeit dieselben Kosten). Teilnehmer aus unterschiedlichen EU-Ländern erklärten außerdem, wie positive Maßnahmen ihnen die Möglichkeit gaben, ihre Gleichstellungsrichtlinien umzusetzen und echte praktische Folgen zu erreichen. Betont wurde die Bedeutung positiver Maßnahmen, um „Worten Taten folgen zu lassen“ und „das Vertrauen der Bevölkerung in den öffentlichen Dienst sicherzustellen“. Des Weiteren haben Unternehmen durch die Förderung von Fairness und Gleichheit Diversitätsrichtlinien und ein starkes Unternehmensimage geschaffen, das sie durch positive Maßnahmen in vielerlei Hinsicht ausbauen können. Im britischen Gesundheitssektor werden positive Maßnahmen, in deren Rahmen Personalbeschaffungsstrategien und Anstellungsvoraussetzungen auf Behinderte („Two ticks“) 70, Lesben, Schwule, Bisexuelle oder Transgender („Stonewall Diversity Champions“)71, das Alter („Age Positive“)72 und Menschen mit psychischen Störungen („Mindful Employer“) ausgerichtet werden, als nützliches Mittel zur Vertrauensbildung in örtlichen Gemeinschaften verstanden. Aus Schweden wird berichtet, dass eine größere Diversität im höheren Bildungssektor „die Qualität der Bildung steigert“, und aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu Richtlinien für positive Maßnahmen berichten die meisten Befragten von einem Reichtum an Richtlinien zur Unterstützung von Diversitätsinitiativen. In Irland stellte die Verpflichtung zur internen Richtlinie für Chancen( 70) h t t p : / / w w w . d i r e c t . g o v . u k / e n / D i s a b l e d Pe o pl e / E mpl oy m e nt s up p or t / LookingForWork/DG_4000314 (71) http://www.stonewall.org.uk/workplace/ (72) www.agepositive.gov.uk gleichheit für einige Unternehmen einen Teil des größeren institutionsstrategischen Ziels dar. In Österreich, wo das Bewusstsein für die steigende Bedeutung sozialer Verantwortung als hoch eingestuft wird, werden positive Maßnahmen von der Geschäftsleitung vorrangig als Instrument zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und -effizienz eingesetzt und schaffen so Vorteile und Chancen für Management und Mitarbeiter gleichermaßen. Organisationen in den meisten Ländern berichteten von der engen Ausrichtung der positiven Maßnahmen an ihrem Organisationsleitbild und davon, wie sie ihnen bei der effektiveren Erfüllung ihrer Ziele geholfen haben. In Irland wurde beispielsweise eine Reihe auf die besonderen Bedürfnisse der Zigeunergemeinschaften zugeschnittener Projekte eingeführt. In Schweden betrachten Unternehmen Gleichheit und Diversität als Teil ihres Unternehmensleitbilds und sehen klare Zusammenhänge zwischen positiven Maßnahmen und ihren speziellen Pflichten, z. B. der Polizeiarbeit. In Ungarn sahen Teilnehmer darüber hinaus auch einen Zusammenhang zwischen positiven Maßnahmen und dem Bestehen ihrer Organisation sowie der Regierungspolitik zur Integration der Roma in Ungarn. Auch ein Gefühl der Eigentümerschaft an einem Projekt hat sich als wichtiger Erfolgsfaktor erwiesen. In Irland werden Engagement und Unterstützung des Managements als zusätzliches Kriterium für den Erfolg positiver Maßnahmen betrachtet. Ähnlich wird auch in Schweden der Unterstützung durch die obere Führungsebene zentrale Bedeutung beigemessen und die Beteiligung der Zielgruppe selbst von Beginn an als ebenso wichtig bezeichnet. Lediglich im Vereinigten Königreich fanden sich Hinweise auf gesellschaftliche Gruppen und Organisationen an der Basis, die sich angetrieben von der eigenen Unzufriedenheit mit der beste- 4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union henden Situation für positive Maßnahmen einsetzten und die Einrichtung spezieller Dienste zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse erreichten. 4.3 Unterstützung für positive Maßnahmen Trotz einer gewissen Verwirrung und beträchtlichen Unterschieden im Verständnis dessen, was eine positive Maßnahme ist, wurde das Konzept von Teilnehmern in allen an der Studie beteiligten europäischen Ländern ausgesprochen positiv aufgenommen. Diese Unterstützung ist jedoch nicht bedingungslos; so wurde die Ansicht vertreten, dass positive Maßnahmen nur unter bestimmten Bedingungen erfolgreich sein können; und in den unterschiedlichen Ländern herrscht weitgehend Einigkeit darüber, welche Faktoren hier ausschlaggebend sind. Teilnehmer aus den meisten Ländern rechneten der Verfügbarkeit von Ressourcen einschließlich finanzieller Mittel eine zentrale Rolle bei der Umsetzung positiver Maßnahmen zu. Am ausführlichsten äußerten sich Teilnehmer aus Österreich und den Niederlanden dazu, welche Erfolgsfaktoren und Umstände zu einem möglichst effektiven Einsatz positiver Maßnahmen beitragen. Für sie sind für den Erfolg eine positive Einstellung bei den Organisatoren der Initiative sowie die Entwicklung individueller Strategien erforderlich, die sich in Abhängigkeit von Zielgruppe, Sektor und Organisationskultur unterscheiden. Die Prüfung einer Veränderung der Ursprungssituation bezüglich des formulierten Ziels wird als zentrales Kriterium genannt. Auch die Ermächtigung der Beschäftigten und ein starkes Engagement der oberen Führungsebene und anderer leitender Akteure innerhalb der Organisation haben sich als wichtige Antriebsfaktoren für erfolgreiche Initiativen erwiesen. Darüber hinaus ist es notwendig, dass die Relevanz der Diskriminierung und der strukturellen Grenzen für bestimmte in der Organisation vertretene Gesellschaftsgruppen wahrgenommen wird; ebenso bedeutend sind ein klares Engagement und Bewusstsein auf allen Hierarchieebenen, besonders aber auf der Ebene des Top-Managements und die Beteiligung aller Abteilungen einer Organisation an der Entwicklung und Umsetzung dieser Maßnahmen. Effektivität ist nur dann möglich, wenn die Vorteile der Diversität fortwährend erörtert werden. Anderenfalls ist das Risiko groß, die grundlegende Unterstützung für die positiven Maßnahmen zu verlieren. In Ländern wie Schweden, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich wurde die Bedeutung einer Bewertung zur Effektivitätsmessung und die Notwendigkeit der Lernbereitschaft betont. Unabhängig von der Größenordnung der Initiative können positive Maßnahmen nicht spontan umgesetzt werden, sondern erfordern stets sorgfältige Planung, kritische Reflektion und eine realistische Messung der Ergebnisse. Insbesondere in Schweden werden die Bedeutung der Erarbeitung praktischer Pläne, die Notwendigkeit, sich bestimmte Ziele zu setzen, und die Wichtigkeit fortwährender Ausund Weiterbildung in diesem Bereich in den Vordergrund gerückt. In der Slowakei wie in Irland wurde die Ansicht vertreten, dass die Effektivität positiver Maßnahmen für Roma- bzw. Zigeunergemeinschaften von einer Reihe von Faktoren abhängt, denen bislang nur unzureichend Beachtung geschenkt wurde. Obwohl die Natur der Projekte völlig unterschiedlich ist, ergaben sich aus dem Feedback zu Projekten zugunsten von Roma- und Zigeunergemeinschaften in den beiden Ländern Themen, denen bei der Planung solcher Projekte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Zusammenfassend lassen sich die Beteiligung der Gemeinschaften an der Entwicklung der Initiativen und die Motivation zur Verbesserung ihrer Situation als wichtige Voraussetzungen für positive Maßnahmen nennen. Einen Nachhall findet diese Erkenntnis in der in Ungarn herrschenden allgemeinen negativen Einstellung gegenüber Angehörigen der Roma-Gemeinschaften. Außerdem brachte die Entwicklung positiver Maßnahmen in Ungarn, wo Roma-Projekte durch Organisationen entwickelt wurden, die von der Verfügbarkeit finanzieller Mittel für solche Projekte angezogen worden waren, jedoch nicht notwendigerweise auch die Bedürfnisse der Roma-Gemeinschaften verstanden, eine Reihe moralischer Fragen mit sich. Die Umfrage zeigt, dass am ehesten Initiativen wie die Schaffung von Netzwerken und Foren, Ausbildungs- und Leadership-Programme sowie Programme zur Förderung von Kommunikation und Selbstvertrauen bewertet wurden – und zwar insbesondere bezüglich Geschlecht, Behinderung und ethnischer Zugehörigkeit. Das europäische Land mit der mit Abstand höchsten Rücklaufquote mit Beschreibungen der als positive Maßnahmen ergriffenen Maßnahmen war Österreich mit 89 % – die allgemeine Rücklaufquote lag bei 72 %. 4.4 Ergebnisse und Auswirkungen Trotz starker Worte über die Wichtigkeit auf Fakten basierender Strategien förderte die Studie klar zutage, dass Verlauf und Ergebnis eines Großteils der in europäischen Ländern initiierten positiven Maßnahmen nicht systematisch überwacht werden. Lediglich knapp über ein Drittel der Befragten aus den acht im Rahmen von Fallstudien untersuchten Ländern gaben an, dass die Maßnahmen durch externe Stellen überprüft werden, fast die Hälfte verließ sich zur Bewertung der Effektivität der positiven Maßnahmen auf Einzelberichte. Dennoch konnten die Teilnehmer eine gewisse Bewer- 45 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen tung des Erfolgs der umgesetzten Projekte vornehmen und von beobachteten Verbesserungen berichten. In Österreich haben positive Maßnahmen demzufolge zu einem veränderten Umgang mit Frauen und Behinderten geführt, besonders betont wurde die gestiegene Zahl der Gleichstellungsgesetze zugunsten dieser Gruppen. Insgesamt scheinen das öffentliche Bewusstsein und die Aufmerksamkeit kulturellen Differenzen gegenüber gewachsen zu sein. Außerdem wird eine Verhaltensänderung innerhalb von Organisationen beobachtet; konkrete Maßnahmen hatten ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse der Beschäftigten sowie Interaktion innerhalb der Belegschaft gefördert und neue interne Kommunikationskanäle geöffnet. In den Niederlanden ergab die Auswertung des Zeitraums, in dem Daten zu ethnischen Minderheiten erhoben wurde, dass es keine effektive Verbesserung der Repräsentation ethnischer Minderheiten am Arbeitsplatz gegeben zu haben scheint. Dennoch, so wurde berichtet, hatten sie einen positiven Effekt, denn die Vorgabe, Daten zum ethnischen Hintergrund der Beschäftigten zu erheben, hatte die Aufmerksamkeit auf die unterschiedlichen Hintergründe und die Realität des Ungleichgewichts in der Repräsentation von Menschen unterschiedlicher Herkunft in Unternehmen, auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft gelenkt. Außerdem, so wurde argumentiert, wäre die Umsetzung von Strategien zur Veränderung des Einstellungsverhaltens in einem Unternehmen ein zeitraubender Prozess gewesen und werde dies auch in Zukunft sein, so dass eine Erfolgsprüfung ohnehin erst nach einem längeren Zeitraum durchgeführt werden könne. Die in den 1990er Jahren verfolgte Praxis der positiven Diskriminierung, d. h. die Anstellung von Menschen auf- 46 grund ihres ethnischen Hintergrunds und in der Hoffnung, die Bedürfnisse und Ziele dieser Gruppe besser zu verstehen, hat sich nicht als erfolgreich erwiesen. Die zwei Jahrzehnte andauernden Bemühungen der niederländischen Polizei um die Einstellung Angehöriger ethnischer Minderheiten hatte zwar die Personalzusammensetzung verändert, zugleich aber zur Bildung einer Brigade mit marokkanischen Polizisten, einer mit türkischen und einer Brigade mit Polizisten von den Antillen geführt, die für die Lösung von Konflikten innerhalb der eigenen Gemeinschaften verantwortlich sind. So ergaben sich unglücklicherweise kaum Auswirkungen auf die Kultur der niederländischen Polizei, die in erster Linie durch männliche Niederländer geformt wurde, und die Maßnahme trug sogar zum Weiterbestehen von Stereotypen und Grenzen innerhalb der Organisation bei. Die hohe Anzahl der sich anschließenden Austritte aus dem Polizeidienst führte schließlich zu der Schlussfolgerung, dass ein besserer Weg, die Attraktivität eines Arbeitgebers für die gesamte Nation zu erhöhen, in der Unterstreichung des Stellenwertes läge, den Diversität und Gleichheit innerhalb der Organisation einnehmen. Seitdem steht bei Unternehmen und Organisationen in den Niederlanden die Fähigkeit, qualifizierte Mitarbeiter aus den bisher nicht angesprochenen Gruppen anzuziehen, als wichtigste und förderlichste Auswirkung positiver Maßnahmen im Vordergrund. Dabei hatten Veränderungen in den Einstellungsprozessen bedeutenden Anteil am Abbau von Grenzen und der Verwirklichung von mehr Gleichberechtigung beim Zugang zu einer Beschäftigung. Kulturell verzerrte Tests, die Tradition, Mitarbeiter über spezielle Studentenvereinigungen anzuwerben, Sprachbarrieren oder schlicht Vorurteile hatten die Personaleinstellung beeinflusst. Eine Analyse dieser Prozesse und die anschließende Entwicklung und Umsetzung angepasster Vorgehensweisen haben die Situation grundlegend verändert und zu einer höheren Heterogenität der Gruppe der Erwerbstätigen geführt. Netzwerke bestimmter Gruppen im Fokus positiver Maßnahmen haben sich von ihren ursprünglichen Zielsetzungen gelöst, verfolgen heute eigene Ziele und repräsentieren die Unternehmensidentität in ihrer Diversität. Die Ergebnisse der Workshops und Befragungen widerspiegelnd, zeigte auch die Studie (Abbildung 1), dass Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Behinderungen die am meisten beachteten Diskriminierungsgründe ABBILDUNG 1: GLEICHSTELLUNGSMERKMALE, HIER GEMESSEN ANHAND VERSCHIEDENER KATEGORIEN Kategorien Gleichstellungsmerkmale, bewertet Geschlecht Gegenwärtige Mitarbeiter Alter Bewerber Behinderung Anwerbung Rassische oder ethnische Herkunft Aus- und Weiterbildung Religion oder Glaubenszugehörigkeit Beförderung Sexuelle Orientierung Konsumenten von Dienstleistungen/Kundenprofile Sonstiges 0 Personalbindung 10 20 30 40 50 0 10 20 30 40 50 60 70 4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union darstellen. Außerdem ergab sie, dass in den Organisationen in geringerem Maße auch dem Alter Aufmerksamkeit zukommt; Gespräche in Workshops und Befragungen ergaben jedoch kaum Hinweise auf Aktivitäten in diesem Bereich. Im Vereinigten Königreich werden mehrere Gruppen als Gewinner positiver Maßnahmen genannt, insbesondere Menschen mit Behinderung, Schwarze und ethnische Minderheiten sowie Frauen (hier insbesondere Südasiatinnen). Der eindeutige Charakter der gesetzlichen Regelungen hinsichtlich Behinderungen und die in der Gesellschaft weit verbreitete Akzeptanz der Benachteiligung, der Behinderte ausgesetzt sind, wurden als zentrale Faktoren zur Verbesserung ihrer Position genannt. Aus demselben Grund wird davon ausgegangen, dass positive Maßnahmen zugunsten dieser Gruppe in der Gesellschaft mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf Widerstand stoßen würden. Als weitere Nutznießer positiver Maßnahmen werden Frauen sowie Schwarze und ethnische Minderheiten genannt, die in weniger traditionellen Arbeitsgebieten stärker vertreten zu sein scheinen. Maßnahmen zugunsten dieser Gruppen beruhen hauptsächlich auf den Bedürfnissen der Gemeinschaften vor Ort, auf Regierungsgeldern, die unterrepräsentierten Gruppen in Organisationen zugute kommen sollen, oder internen Prüfverfahren innerhalb der Organisationen. Vertreter des Freiwilligensektors haben dennoch die Befürchtung, dass positive Maßnahmen keine langfristige Verpflichtung zur Förderung der Gleichberechtigung darstellen. Nur wenige Befragte gaben an, dass sich die Situation von Lesben, Schwulen oder Bisexuellen durch positive Maßnahmen tief greifend verändert habe, Transgender scheinen am wenigsten profitiert zu haben. Insgesamt wurden nur wenige Informationen über die zur Überprüfung positiver Maßnahmen eingesetzten Systeme geboten. Es wurde offensichtlich, dass nicht alle Organisationen gerne über die Auswirkungen ihrer Initiativen sprachen; ein Umstand, der sich auf mangelnde Klarheit über die ursprüngliche Zielsetzung der Initiativen und deren Verhältnis zu den jeweiligen Ergebnissen zurückführen lässt. Im öffentlichen Sektor wurde die Notwendigkeit des Belegens der Effektivität positiver Maßnahmen eher bestätigt; ohne diese Belege laufen die Organisationen Gefahr, den Antrieb zur Weiterführung der ergriffenen Maßnahmen zu verlieren. Positive Maßnahmen auf dem Gebiet der Beschäftigung wurden folglich generell als erfolgreich betrachtet, weil sie die Chancen der Betroffenen auf eine Anstellung (wenn auch auf niedrigerem Niveau) und innerhalb der Organisationen verbessert, einen Beitrag zur Verbesserung ihrer Karrierechancen und zur Gründung von Personalnetzwerken geleistet und Gelegenheiten für Mentorenprogramme geschaffen hatten. Ähnliches lässt sich auf dem Gebiet der Dienstleistung beobachten: Die Veränderung des Lebensstils der Patienten, ihres Wohlbefindens und der Zugang zu Angeboten im Gesundheitssektor gelten als ausreichender Beleg für den Erfolg der Patientenaufklärung durch Beratungsstellen für Schwarze und Angehörige ethnischer Minderheiten (einschließlich junger Immigrantengemeinschaften aus Ostafrika) in den Midlands. Diese Projekte waren in der Regel kurzfristig angelegt und gesundheitsbezogen, sie wandten sich an Schwarze und Angehörige ethnischer Minderheiten. Auch die Möglichkeit der Nutzung positiver Maßnahmen zur Behandlung Angehöriger ethnischer Minderheiten durch alternative therapeutische Ansätze gilt als positiver Nebeneffekt. Insgesamt lässt sich in Irland eine durchweg zustimmende Reaktion auf positive Maßnahmen verzeichnen, allerdings ist sie angesichts fehlender Bewertungsinstrumentarien und der Tatsache, dass viele der Programme sich noch in der Anfangsphase befinden, noch zurückhaltend. Hauptnutznießer positiver Maßnahmen in Irland sind Frauen, Zigeunergemeinschaften, Behinderte, ethnische Minderheitengruppen und Langzeitarbeitslose. In Schweden gelten wie im Vereinigten Königreich ethnische Minderheiten und Frauen als Hauptnutznießer positiver Maßnahmen durch Initiativen wie Aus- und Weiterbildungsprogramme, gezielte Einstellungs- und Mentorenprogramme. Weniger Aufmerksamkeit wurde Lesben, Schwulen und Transgendern gewidmet, obwohl sich auch die Aufmerksamkeit für diese Gruppen durch die Schaffung von Netzwerken und Foren im öffentlichen Sektor verbesserte. Bedenken wurden auch und insbesondere hinsichtlich Bildung und Beschäftigung der Roma-Gemeinschaft in Schweden geäußert. Hinsichtlich erreichter Verbesserungen wurde berichtet, dass die positiven Maßnahmen zu größerer Sensibilität für die Bedeutung von Unterschieden und deren Folgen für Ungleichheiten, einer Einstellungsänderung und zu einer neuen Rollendefinition innerhalb von Organisationen geführt haben. Zusätzlich wurde die Repräsentation bestimmter Gruppen verbessert, Kommunikationsbarrieren wurden abgebaut, und es gibt mehr interne Beförderungen und Weiterbildungsangebote. Schweden ist das europäische Land mit den meisten Prüfsystemen für positive Maßnahmen, so dass detaillierte Bewertungen bestimmter Projekte vorliegen. Außerdem wurden beispielsweise über von allen betroffenen Mitarbeitern auszufüllende Bewertungsformulare im Internet Daten erhoben und in einer Informationsdatenbank gesammelt. Nur wenige Initiativen verfügten nicht über eine Bewertungskomponente. 47 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Wie bereits festgestellt, richten sich positive Maßnahmen in Ungarn und der Slowakei an Roma-Gemeinschaften, und so lassen sich Ähnlichkeiten herausarbeiten. In beiden Ländern wurde in Gesprächen insbesondere die Problematik des Datenschutzes und dessen Auswirkungen auf die Möglichkeiten, positive Maßnahmen zugunsten der Roma zu ergreifen, angesprochen. Sowohl in Ungarn wie in der Slowakei ist die Erhebung ethnischer Daten nur im Rahmen strenger gesetzlicher Vorschriften möglich; häufig entsteht deswegen der Eindruck, diese seien gesetzeswidrig (dies ist nicht der Fall, sie unterliegen jedoch strengen Auflagen). Probleme entstehen, weil speziell auf die Roma abzielende positive Maßnahmen als gesetzeswidrig angesehen werden könnten. Das Vorgehen der Regierung spiegelt diesen Umstand wider: Maßnahmen zur besseren Eingliederung der Roma werden häufig als zugunsten „benachteiligter Gruppen“ bezeichnet, anstatt offiziell als Maßnahmen für die ethnische Gruppe der Roma gekennzeichnet zu werden. Dies wird der historischen Diskriminierung, die zur Notwendigkeit positiver Maßnahmen geführt hat, nicht gerecht. In der Slowakei beziehen sich selbst die Bestimmungen des Antidiskriminierungsgesetzes auf positive Maßnahmen, die auf der Basis sozialer Benachteiligung gesetzesmäßig sind. Datenschutzüberlegungen erschweren eine offizielle Begleitung und Evaluierung der positiven Maßnahmen zugunsten der Roma und deren Auswirkungen. Positive Maßnahmen zugunsten der Roma in Ungarn und der Slowakei können klar und ohne jeden Zweifel der Sozialpolitik zur Eingliederung der Roma in Verbindung zugerechnet werden, und erst in der jüngsten Vergangenheit gehen die positiven Maßnahmen auf gesetzliche Bestimmungen auf diesem Gebiet zurück. Die meisten Programme werden im Rahmen der Regierungsstrategie zum 48 Jahrzehnt der Roma-Eingliederung verwirklicht. Auch die frühen nationalen Programme für eine Verbesserung der Situation der Roma und deren Finanzierung sind mit dieser Regierungsstrategie verknüpft. Abschließend lässt sich also sagen, dass die Politik positive Maßnahmen zugunsten der Roma in Ungarn und der Slowakei fördert und zugleich auf eigenartige Weise einschränkt. Die Verknüpfung der positiven Maßnahmen zugunsten der Roma mit der Politik bringt logischerweise eine Diskontinuität der Programme mit sich, die dazu führt, dass diese häufig enden, bevor das zugrunde liegende größere Ziel erreicht werden konnte. Dieser Umstand spiegelt die negativen Auswirkungen von Änderungen der Politik auf echte Verbesserungen durch (insbesondere durch den öffentlichen und Freiwilligen Sektor durchgeführten) positive Maßnahmen wider. Viele der ausdrücklich als positive Maßnahmen zugunsten der Roma bezeichneten Projekte in Ungarn und der Slowakei sind ausdrücklich an Ausschreibungen und Projekte gebunden, die zeitlich begrenzt sind und nicht unbedingt (tatsächlich eher selten) erneuert werden. Viele von ihnen werden durch die Regierung finanziert (auch diese Quellen verändern sich mit Änderungen in der Politik), manche jedoch auch durch Privatorganisationen mit sich wandelnden Prioritäten, die sich im Wechsel der unterstützten Programme niederschlägt. Dies gilt in geringerem Maße auch für den Privatsektor, in dem positive Maßnahmen durch finanzielle Mittel der Unternehmen getragen werden, obwohl positive Maßnahmen im Privatsektor weniger weit verbreitet sind. Sowohl in Ungarn wie in der Slowakei gab es heftige Diskussionen über die negative Reaktion der Nicht-Roma auf diese Programme, die als lediglich den Roma (und nicht der Gesellschaft als Ganzes) zugutekommend wahrgenommen werden. Dies reflektiert zum einen die weite Verbreitung einer negativen und von Vorurteilen geprägten Wahrnehmung der Roma in beiden Ländern, zum anderen aber auch mangelndes Verständnis für positive Maßnahmen im Allgemeinen. Die negative Wahrnehmung lässt sich auf signifikante Unzulänglichkeiten von Informationskampagnen und bei der Bekanntmachung positiver Maßnahmen (einem relativ neuen Konzept) in beiden Ländern zurückführen. In Ungarn und der Slowakei lässt sich eine Kluft zwischen den zum Erreichen adäquater Verbesserung nötigen komplexen Programmen und den tatsächlich umgesetzten Maßnahmen beobachten. Es gibt isolierte Programme, die zu Verbesserungen in einzelnen Bereichen führen mögen, letztlich jedoch negative Entwicklungen auf anderen Gebieten mit sich bringen (siehe dazu die Fallstudie zu Wohnprogrammen in Ungarn), weil ihre volle Tragweite nicht ausreichend bedacht wurde. Auch bei der Bewertung der Projekte gibt es Probleme. Vielen Initiatoren positiver Maßnahmen zugunsten der Roma in Ungarn ist nicht klar, wie ihre Auswirkungen gemessen werden sollten. Tatsächlich gibt es bei einer Vielzahl von Programmen, sofern diese nicht ausdrücklich erforderlich ist, keinerlei systematische Bewertung, weil viele der von örtlichen Behörden in Ungarn umgesetzten Programme sich an sozial benachteiligte Gruppen im Allgemeinen und nicht an die Roma im Besonderen wenden. Als bei weitem erfolgreichste positive Maßnahme in der Slowakei gilt derzeit das Programm für Lehrassistenten aus Roma-Gemeinschaften. Es wird nicht zuletzt deshalb am häufigsten als erfolgreiches Programm genannt, weil es seit mehreren Jahren besteht und sich einige sichtbare Fortschritte im Bildungsbereich verzeichnen lassen. 4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union Die Mehrheit der Länder gab keine Auskunft über Zukunftspläne im Bereich positiver Maßnahmen. Dies mag sich teilweise durch den Umstand erklären lassen, dass wir in den Workshops nicht explizit nach Weiterführungs- und Entwicklungsplänen fragten. In den Befragungen zeigten sich die Organisationen jedoch interessiert daran, mehr über bewährte Verfahren zu erfahren, und interessierten sich auch für Vorschläge dazu, wie sich bereits bestehende Programme bewerten lassen könnten. Insbesondere in Schweden sprachen einige Organisationen davon, den Umfang ihrer Aktivitäten zu vergrößern und diese auch auf andere Gebiete und weitere benachteiligte Gruppen auszuweiten. Einige schwedische Universitäten würden ihre positiven Maßnahmen gerne auf die Merkmale soziale Klasse und sexuelle Orientierung ausweiten, sind aber aufgrund begrenzter Ressourcen nicht dazu in der Lage. Eine Reihe von Institutionen gab außerdem an, dass ab 2009 auch das Alter aufgrund des neuen Antidiskriminierungsgesetzes in die Überlegungen einfließen müsse, räumten aber auch ein, nicht zu wissen, wie sie damit umgehen sollten. Frankreich erwies sich als das europäische Land in der Studie, das mit 78 % Antworten zum Thema für die Zukunft geplanter positiver Maßnahmen am höchsten und damit erheblich über den durchschnittlichen 55 % lag. Das ist insbesondere deshalb erstaunlich, weil wir wegen der unterschiedlichen Wahrnehmung des Nutzens positiver Maßnahmen in den unterschiedlichen Wahlbereichen erhebliche Schwierigkeiten bei der Organisation des Workshops hatten. Weit unterhalb des Durchschnitts europäischer Länder lag der Rücklauf bezüglich für die Zukunft geplanter positiver Maßnahmen im Vereinigten Königreich (47 %) und in den Niederlanden (35 %). Abschließend lässt sich feststellen, dass allgemeine Einigkeit darüber herrscht, dass nur gut geplante, komplexe, angemessen finanzierte und partizipative Maßnahmen signifikante Veränderungen für Roma-Gemeinschaften ergeben können. Leider unterscheidet sich die Wirklichkeit insbesondere in der Slowakei noch erheblich von diesem Anspruch. 4.5 Hindernisse für positive Maßnahmen Es wurden einige Hindernisse ausgemacht, die die Auswirkungen positiver Maßnahmen hemmen. Einige dieser Hindernisse betreffen mehrere Länder, wohingegen sich andere auf eine bestimmte Situation beziehen. Zu diesen Hindernissen zählt etwa die potenzielle Offenlegung sensibler Daten, die aus unterschiedlichen Gründen als problematisch betrachtet wird. In Irland geht es beispielsweise um den Bereich Behinderungen, wohingegen im Vereinigten Königreich die sexuelle Orientierung im Vordergrund steht. Zudem machte die Umfrage deutlich, dass Organisationen zögern, wenn es darum geht, potenziellen und aktuellen Arbeitnehmern Fragen zu diesen Themen zu stellen. Monitoring im Bereich Behinderungen findet lediglich bei 26 % der Organisationen statt, im Bereich sexuelle Orientierung sind es kaum 10 %. Es besteht die Meinung, dass negative Einstellungen seitens der Gesellschaft sowie von den Medien gepflegte Klischees und Vorurteile zu einer Problematisierung positiver Maßnahmen führen und die Ergebnisse positiver Maßnahmen zu rein symbolischen Ergebnissen werden lassen. Während etwa die schwedische Gesellschaft in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter und entsprechende Maßnahmen relativ aufgeklärt scheint, werden Afrikaner und Muslime aus dem Nahen Osten sowie Menschen mit Behinderungen eher am unteren Ende der Hierarchie innerhalb der benachteiligten Gruppen angesiedelt. Darüber hinaus werden positive Maßnahmen nicht als vorteilhaft betrachtet, und es gibt kein Bewusstsein für den Wert solcher Maßnahmen. Die Befragten gaben an, dass sie manchmal keine Unterstützung ihrer Kollegen erhalten oder auf Widerstand beim Management stoßen, die ihre Gleichheitsverpflichtungen als reine Formalitäten ansehen und lediglich die gesetzlich erforderlichen Bemühungen unternehmen. Einige Arbeitnehmer sind überzeugt, dass nur die Diversitätsquoten verbessert werden müssen, um das „Immigrantenalibi“ zu erlangen. Problematisch sind zudem die geschlossenen Strukturen, wie zum Beispiel bei der Polizei. Es finden keine externen Anwerbungsverfahren statt, und es besteht nur wenig oder kaum Raum für Veränderungen. Andererseits haben einige Gemeinschaften, wie etwa die Roma und Immigranten, wenig Vertrauen in schwedische Einrichtungen. Aufgrund ihrer in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen in Schweden oder auch in ihren eigenen Ländern misstrauen sie der Polizei und dem Justizwesen. Als weiteres Hindernis wurden von den Teilnehmern der Studie die Gesetze in Schweden genannt, da sie die Datenerfassung untersagen, wodurch die Bewertung positiver Maßnahmen anders als in anderen Ländern erschwert wird. Auch der Mangel an Ressourcen im Bereich Personal, Finanzen und Zeit werden als wichtige Stolpersteine wahrgenommen. Positive Maßnahmen werden gelegentlich als eine zusätzliche Verpflichtung angesehen. Während viele Universitäten und große Unternehmen eigens Mitarbeiter für Gleichstellungsaufgaben eingestellt haben, werden in vielen kleinen Unternehmen und Einrichtungen die Mitarbeiter häufig zusätzlich mit Aufgaben der Gleichstellung und Vielfalt belastet. In Bezug auf den Bereich Anstellung beklagten einige Befragte, dass ihre Unterneh- 49 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen men mehr Mitarbeiter entlassen als einstellen, wodurch ein Umfeld geschaffen wird, in dem die Einstellung von mehr Frauen oder Minderheiten erschwert wird. Des Weiteren wurde hervorgehoben, dass die meisten positiven Förderungsmaßnahmen als Projekt durchgeführt werden und dass die Notwendigkeit für ein langfristiges Engagement besteht, da Erfolge Zeit und Anstrengungen erfordern. Auch das Geld spielt häufig eine Rolle, da positive Maßnahmen als kostspielig betrachtet werden. In Bezug auf positive Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen beispielsweise wird die Einrichtung von Zugangsmöglichkeiten als sehr teure Investition betrachtet. In Frankreich werden Fortschritte im Bereich der positiven Maßnahmen dadurch erschwert, dass keine regelmäßige Erfassung von Monitoringdaten erfolgt. Obwohl kein Verbot zur Erfassung von Daten auf der Grundlage der ethnischen Herkunft, der Religion, des Alters, einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung existiert, ist in den meisten Fällen eine Genehmigung zur Erfassung dieser Daten erforderlich. Staatliche Statistikeinrichtungen lehnen es ab, bei der nationalen Volkszählung Daten über die Rasse oder die ethnische Herkunft zu erfassen, außer es betrifft die Nationalität und die Herkunft Verwandter ersten Grades. Daher stehen keine rassischen oder ethischen statistischen Indikatoren zur Verfügung, die eine Bewertung der Auswirkungen von Richtlinien oder Monitoring ermöglichen würden. 50 In den Niederlanden wurden Hindernisse ausgemacht, die eher mit den Verhaltensweisen der Zielgruppe selbst als mit den Verhaltensweisen von Personen, die positive Maßnahmen umsetzen sollen, in Verbindung stehen. Es besteht der Eindruck, dass Werbeanzeigen, die eine bevorzugte Behandlung thematisieren, nicht effektiv sind, da die betreffenden Personen nicht als „Quotenperson“ bezeichnet werden möchten. Die Teilnehmer hatten den Eindruck, dass die aktive Ansprache spezieller Zielgruppen die betreffenden Personen davon abhält, sich für eine Stelle zu bewerben. Denn sie möchten nicht mit dem Stigma belegt werden, der „Bewerber der affirmativen Maßnahme“ zu sein. Um derartigen Reaktionen entgegenzuwirken, wird es als notwendig erachtet, ein Klima der Befürwortung zu schaffen, in dem sich Menschen unabhängig von ihrem Hintergrund, ja sogar gerade wegen ihres andersartigen Hintergrundes, willkommen und anerkannt fühlen. Auch im Zusammenhang mit Programmen positiver Maßnahmen, die auf die Roma in der Slowakei ausgerichtet sind, wurden einige Probleme festgestellt. Diese Probleme begrenzen die Effektivität der Programme in Bezug auf die Verbesserung der Ausbildungs- und Beschäftigungschancen und führen in einigen Fällen möglicherweise sogar zu einer verstärkten Ausgrenzung. Die spontanen und kurzfristigen Projekte sind nur in geringem Maße in der Lage, die Maßnahmen voranzutreiben und die Lage der Roma auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu verbessern. Aufgrund des fehlenden Monitoring und der fehlenden Bewertung werden effektive ordnungspolitische Verfahren verhindert, in denen die Erfahrungen in die zukünftige Politik einfließen. Aus der Sicht der NRO-Teilnehmer ist die Ursache für die Diskontinuität im Geldbeschaffungssystem zu sehen. Es ist nahezu unmöglich, Programme und Maßnahmen mit langfristigen Zielen zu entwickeln, da die Finanzmittelgeber ständig innovative Programme fordern und gleichzeitig bestehende Dienstleistungen nur zögerlich unterstützen (z. B. Pflegehelfer und Lehrkräfte, die der Gruppe der Roma angehören). In Ungarn beispielsweise hat die Einstellung der Mehrheit der Bevölkerung zu den Roma nicht zu einer Stärkung einer positiven Beziehung zwischen beiden Seiten beigetragen. Kunden aus der Gruppe der Roma wurde häufig vorgeworfen, dass sie nicht mit Dienstleistern zusammenarbeiten möchten, die ihrerseits nicht lange zögern und die Roma als unzuverlässig bezeichnen. Eine Reihe gut gemeinter Programme wurde aufgrund einer breiten Ablehnung seitens der Mehrheit der Bevölkerung in den Slowakei blockiert. Dies wurde insbesondere auf lokaler Ebene sichtbar, wo sich die lokale, nicht den Roma angehörende Bevölkerung gegen die Maßnahmen des Bürgermeisters oder einer NRO gestellt hat. Doch auch auf lokaler Ebene ist zumindest in geringem Maße politischer Wille zu erkennen, sich effektiv für die Belange der Roma einzusetzen. 4 Wahrnehmung der positiven Maßnahmen in der Europäischen Union 4.6 Zusammenfassung Durch die vergleichende Analyse positiver Maßnahmen, die in der Europäischen Union umgesetzt wurden, wurde eine Reihe signifikanter Probleme deutlich. Positive Maßnahmen werden unterschiedlich stark als effektives Mittel zum Ausgleich von Benachteiligungen, die spezielle Gruppen innerhalb der Gesellschaft erleiden, begrüßt. Die Teilnehmer aus vielen Ländern sind gegen die Möglichkeit einer bevorzugten Behandlung. Dieses Konzept hat eindeutig zu Unmut und einer feindseligen Einstellung, berechtigt oder unberechtigt, gegenüber der Umsetzung positiver Maßnahmen geführt. Bei denjenigen, die von positiven Maßnahmen profitieren sollen, herrscht die Wahrnehmung vor, dass sie einen unfairen Vorteil erhalten, was ebenso Besorgnis auslöst. Angesichts dieser Spannungen betonen einige Länder, wie Australien oder die Niederlande, die Bedeutung positiver Maßnahmen als Teil einer umfassenden Gleichstellungsstrategie im Vergleich zu isolierten Maßnahmen. In acht Ländern beziehen sich die bestehenden positiven Maßnahmen insbesondere auf die Bereitstellung von Ausbildungsmöglichkeiten und die Verbesserung von Beschäftigungsmöglichkeiten und weniger auf die Bereitstellung von Dienstleistungen. Menschen mit Behinderungen, Frauen und ethnische Minderheiten scheinen am stärksten von den positiven Maßnahmen zu profitieren, wobei die Gesetze und die soziale Einstellung eine wichtige Rolle bei der Förderung von Maßnahmen zugunsten dieser Gruppen spielen. In zunehmendem Maße sind gerade in Ländern, die einem demografischen Wandel unterliegen, Organisationen aufgrund des hohen finanziellen Drucks und politischer Einflussfaktoren gezwungen, ihre Anwerbungsverfahren und die Art der Bereitstellung von Dienstleistungen zu ändern. Bei einigen Gruppen wird dies durch die Verfügbarkeit von Fördermitteln unterstützt. In der Regel jedoch stellen begrenzte Ressourcen ein Haupthindernis für die Umsetzung dar. Trotz der Unterstützung positiver Maßnahmen werden Fortschritte in diesem Bereich durch die mangelnde Datenerfassung seitens der Organisationen behindert, denn diese Daten könnten für zukünftige Maßnahmen verwendet werden. Die Tatsache beispielsweise, dass nicht alle Organisationen ein Monitoring ihrer Belegschaft im Hinblick auf die unterschiedlichen Dimensionen der Gleichstellung durchführen, führt dazu, dass sämtliche Strategien auf einer schwachen Datenbasis beruhen werden. Negativ wirkt sich in diesem Zusammenhang auch aus, dass – wie etwa im Bereich Behinderung und sexuelle Orientierung ersichtlich wurde – einige Personen möglicherweise nicht bereit sind, Daten in einem Umfeld offenzulegen, in dem sie Diskriminierungen ausgesetzt sein könnten und in dem ihnen das Gefühl gegeben werden könnte, anders zu sein. Diese Unfähigkeit zur Datenerfassung und zum Datenmonitoring ist auch in Organisationen zu finden, die Programme positiver Maßnahmen umsetzen. Infolgedessen sind die meisten Organisationen, obwohl sie sich über die für den Erfolg ihres Projekts erforderlichen Ergebniskennzahlen bewusst sind, nicht in der Lage, quantitative Daten zu den Fortschritten oder auch zu fehlenden Fortschritten bereitzustellen. Stattdessen verlassen sich Organisationen auf „weiche“ Indikatoren, die sich auf eine allgemein wahrgenommene Verbesserung, eine größere Sensibilität für die Bedürfnisse von Randgruppen sowie ein besseres Verständnis für die Andersartigkeit beziehen. 51 5 Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen 5 Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA In diesem Kapitel wird auf der Grundlage der Daten der Online-Umfrage, der Dokumentenanalyse, des Konsensworkshops und aus Einzelgesprächen eine Analyse der positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA vorgestellt. Dabei erfolgt eine detaillierte Analyse der Wahrnehmung von positiven Maßnahmen, die von den in diesen Ländern ansässigen Organisationen durchgeführt werden. Dabei werden insbesondere Maßnahmen betrachtet, die von einzelnen Personen dem Bereich der positiven Maßnahmen zugeordnet wurden, sowie Einflussfaktoren für positive Maßnahmen und Faktoren, die der Effektivität positiver Maßnahmen als zuträglich gelten. Des Weiteren wird untersucht, wie Organisationen die Wirkung positiver Maßnahmen messen. Zudem wird festgestellt, welche Gruppen am stärksten oder am geringsten von gezielten Initiativen profitieren. Darüber hinaus werden die wichtigsten Hindernisse genannt, die die Umsetzung positiver Maßnahmen behindern, und Pläne für zukünftige positive Maßnahmen erörtert. In diesen Ländern wird der Begriff affirmative Maßnahme verwendet, wenn Bezug auf Programme genommen wird, die auf die Beseitigung vergangener und gegenwärtiger Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit Randgruppen der Gesellschaft ausgerichtet sind. In diesem Kapitel werden die Begriffe affirmative Maßnahme und positive Maßnahme daher synonym verwendet. 5.1 Verständnis positiver Maßnahmen Es bestehen zwar große Unterschiede unter den Ländern, was das Verständnis von positiven Maßnahmen anbelangt, dennoch können einige Verallgemeinerungen getroffen werden. Die meisten Teilnehmer der in den Ländern durchgeführten Workshops stimmen in der Regel überein, dass affirmative Maßnahmen ein Paket spezieller Maßnahmen zur Bekämpfung vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierungen gegenüber bestimmten, aus der Gesellschaft ausgegrenzten Gruppen darstellen. Es bestehen jedoch zwischen diesen Ländern Unterschiede bei der Wahrnehmung und der Umsetzung von positiven Maßnahmen sowie bei den Gesetzen und politischen Leitlinien für positive Maßnahmen. Anders als Kanada und die USA, die seit langer Zeit affirmative Maßnahmen umsetzen, steht die 54 Entwicklung und Umsetzung solcher Maßnahmen in Südafrika noch am Anfang. Dadurch entsteht ein interessanter Gegensatz zu den nordamerikanischen Ländern. Die Teilnehmer in Südafrika beschrieben ihre Erfahrungen sehr emotional, was sich in der Wortwahl widerspiegelte, die sie zur Erläuterung ihres Verständnisses positiver Maßnahmen und ihres diesbezüglichen Engagements verwendeten. Aufgrund des Erbes der Apartheid und der Segregation zwischen den verschiedenen rassischen Gruppen werden affirmative Maßnahmen in Südafrika als politische Linie begrüßt, doch bestehen Bedenken in Bezug auf deren Umsetzung. Die Unterstützung von affirmativen Maßnahmen spiegelt sich in den gesetzlichen Rahmenbedingungen von Südafrika wider. Nach dem Ende der Apartheid wurden affirmative Maßnahmen von der nachfolgenden Regierung von Südafrika eingeleitet, um die Ungerechtigkeiten und Missverhältnisse zwischen den Rassen zu bekämpfen, die auf die systematischen Auswirkungen der Apartheid in dem Land zurückgeführt wurden. Es wurde angenommen, dass die affirmativen Maßnahmen sicherstellen würden, dass der zuvor benachteiligten Bevölkerung von Südafrika (in Artikel 1 des Employment Equity Act Nr. 55 von 1998; Gesetz zur Gleichstellung im Arbeitsleben (Department of Labour Republic of South Africa, 2008; Arbeitsministerium von Republik Südafrika) auch als „designated groups“ (benachteiligte Gruppen) bezeichnet) die gleichen Vorteile und Chancen zuteil werden, die durch die Verfassung aus der Zeit nach der Apartheid für alle rassischen Gruppen garantiert werden. In Kanada besteht eine stärkere gesetzliche Unterstützung von affirmativen Maßnahmen als in den USA. In 5 Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA Kanada wird der Begriff „Gleichstellung im Arbeitsleben“ verwendet, um Distanz zwischen den damit einhergehenden positiven Maßnahmen und der harten Reform über affirmative Maßnahmen (z. B. Quoten) in den USA zu schaffen, die im Grunde als positive Diskriminierung betrachtet werden kann (Bacchi, 2004). Die affirmativen Maßnahmen sind in Kanada in der Verfassung verankert, in der jedem Menschen die gleichen Rechte gewährt werden; in der Kanadischen Charta der Rechte und Freiheiten (Canadian Charter of Rights and Freedoms) wird ausdrücklich erklärt, dass jedes Individuum vor und nach dem Gesetz gleich ist und das Recht auf den gleichen gesetzlichen Schutz und die gleichen gesetzlichen Vorteile hat, und zwar ohne diskriminiert zu werden, insbesondere aufgrund der Rasse, der nationalen oder ethnischen Herkunft, der Farbe, der Religion, des Geschlechts, des Alters oder einer physischen oder psychischen Behinderung (73). In den USA besteht im Bewusstsein der Bevölkerung ein enger Zusammenhang zwischen den affirmativen Maßnahmen durch Quoten sowie anderen Formen der bevorzugten Behandlung. Deshalb hat die bevorzugte Behandlung, die auf eine verbesserte Repräsentation bestimmter Gruppen abzielte, in den USA häufig zu negativen Reaktionen geführt. In dieser Umfrage verstand die Mehrheit der Teilnehmer affirmative Maßnahmen als eine Reihe von Strategien, die in erster Linie von Arbeitgebern und Bildungseinrichtungen, insbesondere höheren Bildungseinrichtungen, verwendet werden, um gleiche Chancen und Fairness in Bezug auf Arbeitsplätze und die Zulassung zu Universitäten und Colleges zu schaffen. Insbesondere in den USA werden affirmative (73) Charter of Rights and Freedoms, Teil I des Constitution Act, 1982, Schedule B des Canada Act 1982 (U.K.), 1982, c.11. Maßnahmen in den Medien negativ als Mittel zur Bereitstellung von Chancen für unqualifizierte Personen und Personen, die dies nicht verdienen, dargestellt. Diese Wahrnehmung ist weitverbreitet. In der Literatur wird die Behauptung unterstützt, dass affirmative Maßnahmen in den Medien politisch ausgenutzt werden, um deren Wert zu untergraben. Obwohl das Verständnis von affirmativen Maßnahmen in Kanada auf Erfahrungen am Arbeitsplatz oder innerhalb von Organisationen beruht, herrscht allgemeine Einigkeit darüber, dass „die positiven Maßnahmen gleichen Zugang, eine vollständige Teilnahme und eine Verbesserung in allen Bereichen der kanadischen Gesellschaft – sozial, politisch, wirtschaftlich und kulturell – sicherstellen.“ Darüber hinaus besteht teilweise das Gefühl, dass ein strategischer, durchdachter Ansatz erforderlich ist, um historische Hindernisse zu überwinden und einen systemischen Wandel herbeizuführen. Es fand eine Diskussion über die Verwirrung um die Begriffe „affirmative Maßnahmen“ und „positive Maßnahmen“ statt, da mehrere unterschiedliche staatliche Behörden, Richtlinien und Gesetzesdokumente existieren, die die Anforderungen und Erwartungen in Bezug auf diese Thematik beeinflussen. Zu den in der Analyse der Gesetzeslage genannten verschiedenen gesetzlichen Gruppen und Dokumenten zählen der Employment Equity Act (Gesetz zur Gleichstellung im Arbeitsleben), der Ontario Human Rights Code (Menschenrechtskodex von Ontario) sowie Gesetze auf Gemeindeebene und Unternehmensrichtlinien. Darüber hinaus gab es eine Diskussion über die Tatsache, dass in Kanada keine Quoten existieren, wohl aber Ziele für spezielle Minderheiten. Die Diskussion bezog sich außerdem auf den Unterschied zwischen den Begriffen „gleich“ (gleiche Behandlung aller Menschen) und „Gleichheit“ (faire Behandlung aller Menschen). Während die Teilnehmer des kanadischen Workshops bei der Erwähnung der „positiven Diskriminierung“ die Stirn runzelten, wurden affirmative Maßnahmen von den Teilnehmern aus Südafrika und den USA als Maßnahmen zur positiven Diskriminierung beschrieben. Bei Antworten auf Fragen zum Verständnis von positiven Maßnahmen ergab die Umfrage, dass die Befragten aller Nicht-EU-Länder zusammen in einem bedeutend geringeren Maße (9 %) positive Maßnahmen und positive Diskriminierung verwechseln. Interessanterweise war bei keinem der 18 Teilnehmer der Umfrage aus den USA diese Verwechslung zu erkennen. Diese Ergebnisse machen den Widerspruch zwischen der Literatur (Bacchi, 2004), die in den USA positive Diskriminierung automatisch mit affirmativen Maßnahmen in Verbindung bringt, und den Ansichten der Workshop-Teilnehmer deutlich. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich weit mehr um einen indikativen als um einen bilanzierenden Vergleich der Ergebnisse der Umfrage und des Workshops handelt. Dies liegt in dem vollkommen unterschiedlichen Kontext und der unterschiedlichen Anzahl von Teilnehmern aus den Nicht-EULändern [von den insgesamt 70 Befragten kamen 35 aus Kanada (5,5 %), 18 aus den USA (2,8 %) und 17 aus Südafrika (2,7 %)] begründet. 5.2 Einflussfaktoren bei positiven Maßnahmen Während der Workshops herrschte in den meisten Ländern allgemeine Einigkeit darüber, dass die Gesetze den wichtigsten Einflussfaktor für positive Maßnahmen darstellen. Und auch von den Teilnehmern der Umfrage wurden die Gesetze als höchster Einflussfaktor eingestuft, was nicht weiter überraschte. Gesetzliche Bestimmungen stellen einen starken Einflussfak- 55 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen tor für affirmative Maßnahmen dar; dies gilt insbesondere für Kanada und Südafrika und in geringerem Maße für die USA. Wie aus den Umfragedaten hervorgeht, gaben 71 % der Befragten aus diesen Nicht-EU-Ländern an, über schriftliche Leitlinien zu Gleichstellung und Vielfalt zu verfügen. Weitere Einflussfaktoren sind u. a. Business Case, soziale Verantwortung der Unternehmen, moralische und ethische Gesichtspunkte, Führungskräfte und Unternehmenspolitik. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Einflussfaktoren in Abhängigkeit der Faktoren Teilnehmerpool, Kontext, Sektor und Land eine jeweils unterschiedliche Priorität aufwiesen. In Kanada stellt der Business Case den wichtigsten Impulsgeber dar. Darüber wurde im Zusammenhang mit dem Umgang mit der sich auf dem kanadischen Arbeitsmarkt entwickelnden Reduzierung von Fachkräften und im Zusammenhang mit der Sicherstellung, dass die Belegschaft die rassische und ethnische Komplexität der Gesellschaft widerspiegelt, diskutiert. Als weiterer Einflussfaktor für die Umsetzung positiver Maßnahmen wurden die richtlinienbezogenen Reaktionen auf Regulierungen genannt. Während große Unternehmen gemäß Employment Equity Act (Gesetz zur Gleichstellung im Arbeitsleben) verpflichtet sind, positive Maßnahmen umzusetzen, kommen in kleineren Unternehmen Richtlinien wie etwa antirassistische Erklärungen und Leitbilder, die den Business Case einbeziehen, zur Anwendung. Als Impulsgeber für affirmative Maßnahmen wurden im Rahmen des USA-Workshops die demografische Notwendigkeit, Bemühungen von Basisorganisationen, das Zivilrecht zur Bekämpfung der Segregation sowie der Business Case genannt. Die Gesetze spielen zwar eine Rolle, sind jedoch nicht so wichtig wie in Ka- 56 nada oder in Südafrika. Dies könnte im Wesentlichen auf die Flexibilität bei der Umsetzung von Programmen affirmativer Maßnahmen in Einrichtungen und Sektoren zurückzuführen sein. Viele beschrieben eine Veränderung des Kontexts, wie etwa der „sich verändernde Charakter“ der Nation – mit anderen Worten, dass die Vielfalt in den USA wächst und dass die „herkömmlichen Methoden“ nicht mehr so wirkungsvoll sind wie in der Vergangenheit. Sie erklärten, dass durch die Bemühungen der Basisorganisationen aus den umliegenden Gemeinschaften die affirmativen Maßnahmen vorangetrieben werden könnten, damit sich die umliegenden Gemeinschaften in den Organisationen widerspiegeln. Sie waren außerdem der Ansicht, dass Organisationen, die eine größere Vielfalt aufweisen und bei der Einstellung auf eine stärkere Vielfalt achten, mehr Kunden aus den Gemeinschaften vor Ort anziehen würden. Andere nannten den historischen Kontext als Einflussfaktor für affirmative oder positive Maßnahmen. Ein Pädagoge erklärte, dass Afroamerikaner früher keinen Zugang zu Schulen und zu einer höheren Bildung erhielten. In Kanada wurden zudem Führungskräfte als wichtiger Einflussfaktor genannt, was auch aus der folgenden Äußerung eines Workshop-Teilnehmers hervorgeht: „Die Mitarbeiter werden sagen, dass sie selten in einem Team gearbeitet hätten, in dem eine derart große Vielfalt vorzufinden ist. Die beiden obersten Führungskräfte [Befragte und ihr Vorgesetzter] verfügen über ein breites Fachwissen und profunde Erfahrung auf ihrem Gebiet und sind Menschen, die sich auch früher schon für die Vielfalt eingesetzt haben. Daher unterscheiden sich ihre Bemühungen für eine stärkere Vielfalt von den Bemühungen anderer, zudem werden die Bemühungen wohlüberlegt und ganz bewusst unternommen. Es ist ein Unterschied, ob man lediglich einer Verpflichtung nachkommt oder ob man Ziele verfolgt. Es kann nur funktionieren, wenn die Führungskräfte den Worten auch Taten folgen lassen.“ Neben den Gesetzen wurden in Südafrika auch eine Reihe von moralisch-ethischen Gesichtspunkten als wichtige Einflussfaktoren ausgemacht. Zu den Impulsgebern für affirmative Maßnahmen zählen Gerechtigkeit, Fairness, Integration, Emanzipation und Bemühungen von Basisorganisationen. Von den Teilnehmern der Umfrage wurden die Gesetze als wichtigster Einflussfaktor für positive Maßnahmen eingestuft, was eigentlich nicht überraschte. Dies deckt sich weitestgehend mit den Antworten bei dem Workshop, bei dem in allen Ländern insbesondere die Gesetze als größter Einflussfaktor genannt wurden. Bei näherer Betrachtung der Umfragedaten wird jedoch deutlich, dass Faktoren wie „interne Beratungsgespräche“, „gutes Vorbild“ sowie „Arbeit mit Interessengruppen“ als nahezu ebenso wichtig eingestuft wurden. Der Unternehmensnutzen wurde bei den Umfrageantworten relativ weit unten angesiedelt. Andererseits stuften die Workshop-Teilnehmer den Business Case als wichtigeren Hebel für Programme positiver Maßnahmen ein. Daneben nannten sie auch einige andere Einflussfaktoren wie das Organisationsleitbild/die Organisationsvision, ethisch-moralische Aspekte sowie die soziale Verantwortung der Unternehmen. Die Ergebnisse der Umfrage und des Workshops weichen zum Teil voneinander ab, decken sich jedoch teilweise auch. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die methodologischen Unterschiede die Antworten möglicherweise beeinflusst haben. Bei der Umfrage wurde eine begrenzte Liste mit Antwortmöglichkeiten bereitgestellt, und die Befragten mussten ihre Antworten mit den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten abstimmen. Dies stellt, wie aus der nun folgenden 5 Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA Analyse deutlich wird, eine rekurrente Dynamik dar, was erneut hauptsächlich auf die Stichprobengröße zurückzuführen ist. 5.3 Unterstützung für positive Maßnahmen Die Umfrage und der Workshop lieferten zum Teil unterschiedliche und zum Teil sich deckende Ergebnisse. Die folgenden Faktoren wurden von den Teilnehmern der Umfrage als unterstützende Faktoren für positive Maßnahmen genannt, wobei sie ihrer Priorität nach angeordnet sind: starkes individuelles Engagement der Beteiligten, Unterstützung der Führungskräfte und der oberen Führungsebene, positives Feedback von den Konsumenten der Dienstleistungen/Kunden, breite Unterstützung der Arbeitnehmer sowie Unterstützung der Linienmanager. Die WorkshopTeilnehmer nannten neben diesen die positiven Maßnahmen unterstützenden Faktoren zudem unter anderem die Unterstützung durch Gesetze, die Verantwortung der Unternehmen sowie finanzielle Ressourcen. In Kanada, den USA und Südafrika wurden folgende unterstützende Faktoren genannt: Gesetze, Führungskräfte, demografische Notwendigkeit, soziale Verantwortung der Unternehmen, gesetzlich eingerichtete Behörden sowie Leitbild der Organisation. Die Ergebnisse der Umfrage und des Workshops weichen zum Teil voneinander ab, decken sich jedoch teilweise auch. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die methodologischen Unterschiede die Antworten möglicherweise beeinflusst haben (ähnlich wie bei der oben erörterten Frage nach den Einflussfaktoren für positive Maßnahmen). Bei dieser Frage beispielsweise mussten die Teilnehmer der Umfrage eine Antwort aus einer begrenzten Liste mit Antwortmöglichkeiten wählen, wohingegen die Workshop-Teilnehmer bei der Nennung unterstützender Faktoren vollkommen frei waren. 5.4 Ergebnisse und Auswirkungen Viele Teilnehmer sind überzeugt, dass durch die affirmativen Maßnahmen effektiv Chancen für Gruppen geschaffen werden, die zuvor diskriminiert oder unfair behandelt wurden. Jedoch werden Probleme bei der Umsetzung der affirmativen Maßnahmen genannt. In den USA werden unbeabsichtigte Folgen der affirmativen Maßnahmen, negative Einstellungen gegenüber den affirmativen Maßnahmen, ein feindseliges politisches Klima sowie Fehlinformationen aufgrund der von den Medien betriebenen Manipulation als Probleme aufgezählt. In Südafrika dagegen werden die Probleme bei der Umsetzung auf negative Klischees, Stigmatisierung, fehlende Aufsicht, unehrliches Verhalten und Amtsmissbrauch zurückgeführt. Ein Teilnehmer brachte die Probleme, die mit der Umsetzung affirmativer Maßnahmen assoziiert werden, auf den Punkt, indem er die Folgen affirmativer Maßnahmen mit dem Apartheidsystem verglich. In beiden Fällen kam es in der Folge zu negativen Erscheinungen. In Kanada erklärten einige Teilnehmer, dass die affirmativen Maßnahmen durch einen umfassenden normativen Wandel und die Unterstützung von Institutionen begleitet werden müssten, damit sie effektiv seien; sie erklärten zudem, dass für den Erfolg von affirmativen Maßnahmen die Unterstützung von Führungskräften (obere Führungsebene) in Organisationen und in einigen Fällen auch kompensierende Maßnahmen erforderlich seien. Die affirmativen Maßnahmen müssten darüber hinaus Teil einer umfassenden Unternehmensstrategie sein, damit sie effektiv sind. Zu Fällen, in denen positive Maßnahmen erfolgreich sind, sagte ein Teilnehmer: „Dies erfordert das Engagement der oberen Führungsebene. Nur wenn die Geschäftsführung und die obere Führungsebene dies zu ihrem Projekt ma- chen, funktioniert es. Ist dies nicht der Fall, sind Fortschritte nur sehr schwer zu erzielen.“ Die Ergebnisse der Umfrage machen eine überraschend unterschiedliche Dynamik in Bezug auf das Ergebnis und die Auswirkungen von positiven Maßnahmen deutlich. Während es sich bei den im Workshop eingesetzten Methoden zur Bewertung von Ergebnissen überwiegend um qualitative Methoden handelte, wurden bei der Umfrage qualitative, auf der Anzahl der Teilnehmer basierende Methoden eingesetzt. Die Ergebnisse des Workshops lassen sich jedoch anhand der übereinstimmenden Äußerungen der Teilnehmer quantifizieren. Die Teilnehmer der Umfrage stuften nichtgreifbare Faktoren wie „Schärfung des Bewusstseins für Gleichstellungsprobleme in Organisationen“, „Verbesserung des Organisationsimages“ sowie „Stärkung des Vertrauens der Beteiligten“ an höchster Stelle ein; andere Faktoren, die von den WorkshopTeilnehmern hoch eingestuft wurden, wie z. B. „Repräsentation in der Belegschaft oder demografische Notwendigkeit“, „bessere finanzielle Ergebnisse“ oder „Business Case“ wurden von den Teilnehmern der Umfrage niedriger eingestuft. Bei der Frage, welche Gruppen am stärksten von affirmativen Maßnahmen in den drei Ländern profitieren, stimmten die Teilnehmer der NichtEU-Länder darin überein, dass dies vor allem auf ethnische und rassische Minderheiten sowie Frauen zutrifft. In den USA spüren die Auswirkungen insbesondere Frauen und alle ethnischen Minderheiten. Dies zeigt sich in erster Linie bei der Beförderung in Führungspositionen in Organisationen sowie bei der Zahl der eingeschriebenen Hispanoamerikaner und Afroamerikaner in höheren sowie weiterführenden Bildungseinrichtungen. In Südafrika betonten die Teilnehmer den Nutzen, den die „Kö- 57 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen nigsmacher“, die im Weiteren von den Teilnehmern als Dynastien, politisch verbundene Mitglieder oder Familien von Managern beschrieben wurden, aus den affirmativen Maßnahmen zogen. In Südafrika und den USA wurden Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender sowie Menschen mit Behinderungen als die Gruppen genannt, die am wenigsten von affirmativen Maßnahmen profitieren, da sie noch immer schwach in der arbeitenden Bevölkerung vertreten sind. Dies war angesichts der starken Gesetze im Bereich Behinderungen, insbesondere des Americans with Disabilities Act (ADA) und Individuals with Disabilities Education Act (IDEA), ziemlich überraschend. Die Teilnehmer in Kanada jedoch erklärten, dass sich die affirmativen Maßnahmen positiv auf diese Gruppen auswirken. Dies läge an „einer schwulen oberen Führungskraft, die sich intern für die Sache einsetze“ und der systematischen Umsetzung von Strategien zur Barrierefreiheit für behinderte Menschen. 5.5 Hindernisse für positive Maßnahmen Die Teilnehmer nannten eine Reihe von Hindernissen, die ihre Bemühungen zur Umsetzung positiver Maßnahmen hemmen. Im Allgemeinen herrschte der Eindruck vor, dass der Mangel an einer geeigneten Aufklärung über den Nutzen von affirmativen Maßnahmen in der Gesellschaft sowie Fehlinformationen der Medien negative Einstellungen gegenüber affirmativen Maßnahmen hervorrufen, wie es in den USA der Fall ist. Unklare und mehrdeutige Gesetze wurden ebenfalls als Faktoren empfunden, die den Erfolg von Programmen affirmativer Maßnahmen beeinträchtigen würden. Die Ausnutzung der Vorteile von affirmativen Maßnahmen für politische Zwecke wird als schwierige Herausforderung für Programme affirmativer Maßnahmen 58 gesehen. In einigen Fällen führe dies zu unnötigen Rechtsstreitigkeiten. der Diensterbringung verfügen; in Kanada sind es sogar nur 26 %. Es herrschte Einigkeit darüber, dass die affirmativen Maßnahmen Teil einer umfassenden Unternehmensstrategie sein müssten, damit sie effektiv seien. Einige Teilnehmer argumentierten, dass sich die affirmativen Maßnahmen sogar als kontraproduktiv erweisen könnten, wenn sie nicht Teil eines umfassenderen normativen Wandels wären und von Institutionen durch entsprechendes Mentoring und entsprechende Schulungen begleitet würden. Auch das mangelnde Engagement der oberen Führungsebene in Organisationen sowie in einigen Fällen der Mangel an kompensierenden Maßnahmen können den Erfolg von affirmativen Maßnahmen gefährden. Die Teilnehmer in Südafrika hatten das Gefühl, dass einige Begünstigte für die Übernahme von Verantwortung am Arbeitsplatz nicht ausreichend vorbereitet und qualifiziert sind. Dies führte zur Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften ins Ausland und zu dem Vorwurf der positiven Diskriminierung, da von Mitarbeitern erwartet wurde, dass sie die Aufgaben übernehmen, die eigentlich von den unqualifizierten Kollegen hätten durchgeführt werden sollen. Anders als die Teilnehmer der in den Ländern durchgeführten Workshops nannten die Teilnehmer der Umfrage in einem erstaunlich höheren Maße Faktoren wie fehlende finanzielle Mittel und Mangel an Zeit als Haupthindernisse für positive Maßnahmen. Faktoren wie Gesetze, Unterstützung der Linienmanager und Widerstand von Arbeitnehmern wurden bei der Bewertung von Hindernissen für positive Maßnahmen als relativ gering eingestuft. Diese Unterschiede zwischen den Ergebnissen des Workshops und der Umfrage sind aufgrund der im Abschnitt zur Methodologie erörterten Probleme, die sich durch die Stichprobengröße ergeben, mit Vorsicht zu betrachten. Darüber hinaus wurde die Rolle der Zielgruppen als wichtiger Faktor für den Erfolg von Projekten gesehen. Das Engagement und die Sichtbarkeit von Mitgliedern dieser Zielgruppe wurde als vorteilhaft für das Erreichen der Ziele von Programmen affirmativer Maßnahmen betrachtet. Daher finden sich in Kanada Beispiele dafür, dass Mitglieder der Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender aktiv an speziellen Programmen mitwirken. Die Ergebnisse der Umfrage zeigten, dass im Vergleich zur Gesamtgruppe (51 %) bedeutend weniger Organisationen in Nicht-EULändern (36 %) über Zielsetzungen zu Gleichheit und Diversität im Bereich 5 Wahrnehmung von positiven Maßnahmen in Kanada, Südafrika und den USA 5.6 Zusammenfassung Obwohl der Begriff affirmative Maßnahmen je nach nationalem Kontext sehr unterschiedliche Bedeutungen hat, herrscht eine überwältigende Einigkeit darüber, dass ein derartiges Programm auf die Bekämpfung vergangener und gegenwärtiger Ungerechtigkeiten abzielt. Die unterschiedlichen Bedeutungen sind in hohem Maße auf nationale Gesetze und Richtlinien zurückzuführen. In Kanada beispielsweise sind affirmative Maßnahmen stark auf die Menschenrechte ausgerichtet. Trotz der Einigkeit in Bezug auf die Bedeutungen dieses Begriffs wurden in Südafrika in einigen Fällen unangemessenes Verhalten und Amtsmissbrauch als Faktoren genannt, die der Effektivität von Programmen affirmativer Maßnahmen entgegenwirken. Die breite Mehrheit der Teilnehmer stimmte darin überein, dass die Gesetze den wichtigsten Einflussfaktor für Programme affirmativer Maßnahmen darstellen. Gleich darauf folgten Business Case (insbesondere in Kanada), demografische Notwendigkeit, Leitlinien und Führungskräfte. Trotz der Vorteile wird die Umsetzung mit Problemen wie negative Einstellungen gegenüber affirmativen Maßnahmen, Manipulation durch die Medien, mehrdeutige Gesetze, fehlendes eigenes Engagement, Mangel an angemessenen finanziellen Mitteln, negative Stereotypen/Klischees und fehlende Aufsicht in Verbindung gebracht. 59 6 1. Introduction: New Business Horizons in Europe Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen 6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren In diesem Kapitel erfolgt eine Analyse der Wahrnehmung positiver Maßnahmen seitens der Teilnehmer aller Länder, die an dieser Umfrage teilgenommen haben, wobei der besondere Schwerpunkt auf die Unterschiede bei den Dimensionen der Gleichbehandlung, den Sektoren und Organisationsarten gelegt wird. Darüber hinaus erfolgt in diesem Kapitel eine Darstellung der Ergebnisse des Workshops sowie eine Analyse der Richtlinien. Zu Beginn des Kapitels werden der Kontext von Gleichstellung und Vielfalt in den teilnehmenden Organisationen, das Verständnis positiver Maßnahmen, Einflussfaktoren, die vorhandene Unterstützung sowie die Hindernisse für eine erfolgreiche Umsetzung beschrieben. Des Weiteren wird darüber berichtet, wie Organisationen die Wirkung positiver Maßnahmen messen. Zudem werden Beispiele für positive Maßnahmen, die in den an der Fallstudie teilnehmenden Ländern durchgeführt werden, gegeben. 6.1 Kontext von Gleichstellung und Vielfalt Wie in den vorherigen Abschnitten dargelegt, betonten die Teilnehmer, dass die positiven Maßnahmen in jeder Organisation als Teil einer umfassenden Strategie zur Gleichstellung und Vielfalt betrachtet werden müssten. Es wurde untersucht, ob Organisationen über schriftliche Leitlinien zu Gleichstellung und Vielfalt verfügen und welche Unterschiede zwischen Sektoren und Organisationen bestehen könnten. Aus den Umfragedaten geht hervor, dass nahezu die Hälfte (49 %) der kontaktierten Organisationen über schriftliche Richtlinien für Chancengleichheit verfügen, wobei zwischen den demografischen Gruppen beträchtliche Unterschiede bestehen. Organisationen mit 5000 Mitarbeitern und mehr aus dem öffentlichen Sektor verfügen eher über schriftliche Leitlinien zu Gleichstellung und Vielfalt (81%) als Organisationen mit weniger als zehn Mitarbeitern (24 %) aus dem dritten Sektor. Die Teilnehmer aus dem öffentlichen Sektor verfügen zwar eher über schriftliche Leitlinien (59 %), doch bestehen Unterschiede zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen: 62 Gesundheitsorganisationen (79 %) sowie Colleges/Universitäten (64 %) verfügen eher über schriftliche Leitlinien zu Gleichstellung und Vielfalt als im Bereich der sozialen Fürsorge tätige Organisationen aus dem dritten Sektor (38 %). Diese Verteilung überrascht in gewisser Hinsicht nicht, denn sie spiegelt die Tendenz wider, dass für Organisationen aus dem öffentlichen Sektor eine Verpflichtung bestehen wird, schriftliche Leitlinien zu verfassen. Unter den Teilnehmern der Umfrage herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass das Monitoring von Gleichstellung und Vielfalt Arbeitgebern ermöglicht, die Effektivität ihrer Richtlinien und Verfahren zu überprüfen. Dies wird als erforderliche Voraussetzung für die Entwicklung und Umsetzung von zielgerichteten Strategien gesehen. Das Monitoring stellt einen wichtigen Faktor für eine erfolgreiche Umsetzung von positiven Maßnahmen dar, wobei eine deutliche Hierarchie zu erkennen ist: Monitoring findet hauptsächlich in Bezug auf geschlechtsspezifische Aspekte statt (49 %), Monitoring der sexuellen Orientierung findet dagegen in sehr geringem Maße statt (15 %). Die Organisationen, die ein Monitoring für ihre Maßnahmen zu Gleichstellung und Vielfalt durchführen, führen dies in erster Linie für gegenwärtige Angestellte durch, an nächster Stelle erfolgt das Monitoring für Bewerber. Nahezu die Hälfte (48 %) der Organisationen, die ein aktives Monitoring der Vielfalt durchführen, veröffentlichen einige oder alle Daten. 55 % der an der Umfrage teilnehmenden Organisationen verfügen über klare Ziele bezüglich Nutzern von Dienstleistungen und Kundenprofilen, was die Gleichstellung von Gruppen anbelangt; im Vergleich dazu verfügen wesentlich mehr lokale Behörden (75 %) und im Bereich der sozialen Fürsorge tätige Organisationen über derartige Ziele. Überraschend ist, dass Organisationen mit wenigen Mitarbeitern (11-25) eher über klare Ziele bezüglich der Bereitstellung von Dienstleistungen verfügen (81 %) – bei einer Rücklaufquote von 51 % der befragten Organisationen – als Organisationen mit vielen Mitarbeitern (5000 +) (37 %). 6.2 Verständnis positiver Maßnahmen Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, wurde bei der Frage, welche Aussa- 6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren ABBILDUNG 2: BESCHREIBUNG DES VERSTÄNDNISSES VON POSITIVEN MASSNAHMEN IN ORGANISATIONEN Engagement der Organisation für Gleichstellung und Vielfalt Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligung und Diskriminierung Maßnahmen zur Bekämpfung von Stereotypen Gesetzliche Verpflichtung zum Umgang mit Gleichstellung und Vielfalt Maßnahmen zur Bekämpfung der Unterrepräsentierung Bestärkende Maßnahmen in Bezug auf die positive Diskriminierung Positive Diskriminierung zur bevorzugten Behandlung einiger Gruppen Keiner der genannten Punkte Sonstiges 0 ge am ehesten dem Verständnis von positiven Maßnahmen in der Organisation entspricht, nur die Aussage „Engagement der Organisation für Gleichstellung und Vielfalt“ von über der Hälfte (56 %) der Stichprobe übereinstimmend ausgewählt. Rund 40 % nannten „Maßnahmen zur Bekämpfung von Benachteiligung und Diskriminierung“ sowie „Maßnahmen zur Bekämpfung von Klischees“. Mehr als ein Drittel nannte die gesetzliche Verpflichtung zum Umgang mit Gleichstellung und Vielfalt, Maßnahmen zur Bekämpfung der Unterrepräsentierung sowie „affirmative Maßnahmen in Bezug auf die positive Diskriminierung“. Die Unterschiede zwischen den Gruppen, die positive Maßnahmen mit positiver Diskriminierung verwechseln, sind in erster Linie länderspezifisch. Dies wurde in den Kapiteln 4 und 5 ausführlich dargelegt. 10 20 30 40 50 60 blieb gleich. Dies deutet darauf hin, dass die Verdeutlichung des Wesens und Zwecks von positiven Maßnahmen zu einem besseren Verständnis ihres eigentlichen Wesens führten. Dies hat möglicherweise eine positivere Antwort oder Einstellung zu positiven Maßnahmen bewirkt und bei den Teilnehmern zu einer größeren Wertschätzung des Nutzens dieser Maßnahmen geführt. Trotz der offensichtlichen Verwirrung, die über das Wesen von positiven Maßnahmen besteht, hat eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer eine positive Einstellung zu positiven Maßnahmen. Wenn eine Verdeutlichung den Anteil der positiven Antworten unter den Teilnehmern erhöht, kann zumindest angenommen werden, dass ein stärkeres Bewusstsein bei den Personen, die derzeit nur wenig über positive Maßnahmen wissen, eine noch größere Wirkung haben würde. Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse, dass nahezu alle Teilnehmer, die als leitende Angestellte/ Geschäftsführer tätig sind oder Positionen auf einer ähnlichen Ebene bekleiden, bestimmte Punkte höher bewerteten: „Positive Maßnahmen [würden/werden] [können] von dieser Organisation als wertvoll angesehen [werden]“ (im Durchschnitt 76 % vor und 85 % nach Abschluss der Umfrage) wurde von den leitenden Angestellten/Geschäftsführern mit 90 % vor und mit 94 % nach der Umfrage bewertet. „Positive Maßnahmen stellen ein strategisches Ziel der Organi- ABBILDUNG 3: WAHRNEHMUNG DES NUTZENS VON POSITIVEN MASSNAHMEN ZU ANFANG UND IM WEITEREN VERLAUF DER STUDIE a) Wahrnehmung des Nutzens von positiven Maßnahmen zu Beginn der Studie Positive Maßnahmen sind für die Beteiligten von Vorteil Positive Maßnahmen sind für die lokale Gemeinschaft von Vorteil Positive Maßnahmen sind für die Organisation von Vorteil Positive Maßnahmen werden von dieser Organisation als wertvoll angesehen Die allgemeine Wahrnehmung der Vorteile von positiven Maßnahmen wurde zu Beginn und am Ende der Umfrage bewertet; beim zweiten Mal sollten die Teilnehmer die Aussage unter Berücksichtigung der in dieser Umfrage verwendeten Definition für positive Maßnahmen bewerten. Aus Abbildung 3 geht hervor, dass die Bewertungen beim zweiten Mal höher waren, wobei der gesamte Anstieg bezogen auf den übereinstimmenden Anteil der Teilnehmer bei 3 % lag. Die Reihenfolge der Antworten Positive Maßnahmen sind Bestandteil der strategischen Ziele der Organisation -200 Definitiv nein -100 Eher nein 0 100 Weder noch 200 300 Eher ja 400 500 600 Definitiv ja b) Nutzen von positiven Maßnahmen nach Abschluss der Studie Positive Maßnahmen können für die Beteiligten von Vorteil sein Positive Maßnahmen können für die Organisation von Vorteil sein Positive Maßnahmen können für die lokale Gemeinschaft von Vorteil sein Positive Maßnahmen können von der Organisation als wertvoll angesehen werden Positive Maßnahmen sind Bestandteil der strategischen Ziele der Organisation -200 -100 0 100 200 300 400 500 600 63 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen sation dar“ (im Durchschnitt 69 % vor und 73 % nach der Umfrage) wurde von leitenden Angestellten mit 82 % vor und mit 88 % nach der Umfrage bewertet. Gemeinnützige Organisationen und NRO tendierten ebenso zu etwas höheren Bewertungen. 6.3 Einflussfaktoren bei positiven Maßnahmen In der allgemeinen Stichprobe stellten die Gesetze den wichtigsten Einflussfaktor für positive Maßnahmen dar (47 %). Die Antworten zu den anderen festgestellten Einflussfaktoren verteilten sich relativ einheitlich, wobei 17 % auf den Einfluss von Finanzierungseinrichtungen und 36 % auf interne Beratungsgespräche entfielen (siehe Abbildung 4). Alle Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, Organisationen zur Entwicklung von positiven Maßnahmen zu bewegen, müssen eine Reihe von möglichen Einflussfaktoren berücksichtigen, deren Relevanz je nach Organisationstyp unterschiedlich sein kann. 6.4 Unterstützung für positive Maßnahmen Aus Abbildung 5 geht hervor, dass eine große Mehrheit der Teilnehmer (85 %) darin übereinstimmte, das ein starkes individuelles Engagement der Beteilig ten vorhanden ist. Der Prozentsatz lag bei NRO sowie gemeinnützigen Organisationen etwas höher, bei 88 %, beim öffentlichen Sektor (78 %) und in großen Organisationen mit 1000-5000 Mitarbeitern (73 %) lag der Prozentsatz jedoch niedriger. 78 % nannten übereinstimmend Unterstützung der Führungskräfte und der oberen Führungsebene; leitende Angestellte und Geschäftsführer zeigten sich hier optimistischer (90 %), bei Organisationen im öffentlichen Sektor lag die Rate mit 70 % niedriger und bei Colleges und Universitäten mit 60 % sogar noch niedriger. Personen, die angaben, dass sie im Rahmen ihrer gegenwärtigen 64 ABBILDUNG 4: EINFLUSSFAKTOREN FÜR DIE UMSETZUNG VON POSITIVEN MASSNAHMEN Gesetze Interne Beratungsgespräche Gutes Vorbild durch andere Zusammenarbeit mit Interessengruppen Analyse des Mitarbeiterprofils Analyse der Konsumenten von Dienstleistungen/Kundenprofile Gespräche mit Konsumenten der Dienstleistung/Kunden Vertretungen von Gewerkschaften/Mitarbeitervereinigungen etc. Unternehmensnutzen (oder Gegenwert) Einfluss von Finanzierungseinrichtungen Sonstiges Politik gegenüber Aktionären/Investoren 0 Position im Bereich Gleichstellung und Vielfalt tätig sind, waren weniger von der Unterstützung durch die Vorgesetzten überzeugt (64 %). Drei Viertel (76 %) erklärten übereinstimmend, dass sie von den Konsumenten der Dienstleistungen/Kunden ein positives Feedback erhielten. Der einzige signifikante Unterschied bei dieser Bewertung bestand zwischen den Sektoren, wobei gemeinnützige Organisationen sowie NRO diesen Punkt mit 81 % höher und Organisationen aus dem öffentlichen Sektor diesen Punkt mit 70 % niedriger bewerteten. Ein etwas niedrigerer Prozentsatz (72 %) war der Ansicht, dass eine breite Unterstützung der Arbeitnehmer vorhanden ist. Auch 10 20 30 40 50 dies wurde von gemeinnützigen Organisationen und NRO höher (80 %) und von Organisationen aus dem öffentlichen Sektor niedriger (60 %) bewertet. Deutlich niedriger lag die Bewertung auch bei Colleges und Universitäten (48 %). Die niedrigste Bewertung entfiel auf Unterstützung von Linienmanagern (69 %). Sollte dies ein Problem darstellen, scheinen sich leitende Angestellte und Geschäftsführer dessen nicht bewusst zu sein, da ihre Bewertung bei 82 % lag. Organisationen aus dem öffentlichen Sektor sowie Colleges und Universitäten lagen mit ihren Bewertungen auch hier mit 62 % beziehungsweise 35 % unter dem Durchschnitt. Personen, ABBILDUNG 5: UNTERSTÜTZUNG FÜR POSITIVE MASSNAHMEN Starkes individuelles Engagement der Beteiligten Unterstützung der Führungsebene und des Managements Positives Feedback von Konsumenten der Dienstleistungen/Kunden Breite Unterstützung der Arbeitnehmer Unterstützung der Linienmanager -150 -100 Definitiv nein -50 Eher nein 0 50 100 Weder noch 150 200 Eher ja 250 300 Definitiv ja 350 6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren 6.6 Ergebnisse und Wirkungen die im Bereich Gleichstellung und Vielfalt tätig sind, bewerteten dies mit 59 % ebenfalls niedriger. Aus Abbildung 6 geht hervor, wie die Wirkung von positiven Maßnahmen in verschiedenen Bereichen betrachtet wird. Interessant ist hierbei, dass die höchsten Bewertungen auf weniger greifbare Punkte wie etwa Bewusstsein für Probleme, Image der Organisation und Selbstvertrauen der Personen entfallen; diese Punkte wurden von mehr als drei Viertel der Befragten genannt. Der potenzielle Beitrag von positiven Maßnahmen zum Geschäftserfolg wurde seltener genannt. Nur ein Drittel der Befragten (32 %) stimmte darin überein, dass positive Maßnahmen zu besseren finanziellen Ergebnissen führen. Die Bewertungen von leitenden Angestellten/Geschäftsführern lagen im Allgemeinen höher und im öffentlichen Sektor, insbesondere bei Colleges und Universitäten, niedriger. 6.5 Hindernisse für positive Maßnahmen Fehlende finanzielle Mittel sowie ein Mangel an Zeit stellten die am häufigsten genannten Hindernisse für positive Maßnahmen dar (46 % beziehungsweise 37 %). Zurückhaltung bei der Teilnahme seitens der Zielgruppen, mangelnde Unterstützung der Linienmanager und Widerstand von Arbeitnehmern wurde von weniger als 20 % der Teilnehmer genannt. Ein relativ niedriger Anteil der Befragten (13 %) war der Ansicht, dass erheblicher Widerstand sowie Zynismus der Arbeitnehmer ein wichtiges Hindernis darstellen. Angesichts der selektiven Auswahl der Stichprobe könnte angenommen werden, dass dieses potenzielle Hindernis in der breiteren Bevölkerung noch bedeutsamer sein könnte. Unter Berücksichtigung der vorherigen Diskussion zur Definition/ zum Verständnis von positiven Maßnahmen könnte dieses Problem angegangen werden, indem die allgemeine Öffentlichkeit besser über das Wesen von positiven Maßnahmen informiert wird. Die Befragten nannten zahlreiche Kennzahlen, die von ihnen eingesetzt werden, wobei keine einzige Kennzahl von mehr als 40 % der Teilnehmer genannt wurde. Lediglich 16 % lassen eine Bewertung durch externe Stellen durchführen, und nur 26 % verfügen über Ziele/Leistungsindikatoren. Weitere Kennzahlen sind regelmäßige ABBILDUNG 6: WIRKUNG VON POSITIVEN MASSNAHMEN Schärfung des Bewusstseins für Gleichstellungsprobleme in der Organisation Verbesserung des Organisationsimages Stärkung des Vertrauens der Beteiligten Bereitstellung von Netzwerkmöglichkeiten Bereitstellung von beruflichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten Verbesserung der Repräsentation der Zielgruppen in der Belegschaft Verbesserung der Servicequalität/Kundenzufriedenheit Verbesserung der Arbeitsleistung der Belegschaft Steigerung der Effizienz Verbesserung der Personalbindung Verbesserung der finanziellen Ergebnisse Sonstiges -350 -300 -250 -200 -150 -100 -50 Nicht zutreffend Gar nicht effektiv Wenig effektiv 0 50 100 150 200 250 300 350 Ziemlich effektiv Sehr effektiv oder Ad-hoc-Überprüfungen, Gespräche mit Mitarbeitern und Nutzern sowie Einzelberichte, wobei diese ihrem Wesen nach eher einstellungsbezogen sind und weniger messbare Ergebnisse liefern. 6.7 Positive Maßnahmen in der Praxis Insgesamt erklärten 72 % der Befragten, dass ihre Organisation über Maßnahmen oder Programme verfügt, die ihrer Meinung nach als positive Maßnahmen bezeichnet werden könnten. Wie aus Abbildung 7 hervorgeht, setzen 50 % oder mehr der Befragten Maßnahmen in den Bereichen Alter, Behinderung, rassische und ethnische Herkunft sowie Geschlecht um; ein Drittel verfügt über Maßnahmen im Bereich Religion oder Religionszugehörigkeit, und ein Fünftel verfügt über Maßnahmen im Bereich sexuelle Orientierung. Die Antworten verteilten sich relativ gleichmäßig auf die in dem Fragebogen ausgemachten Arten von positiven Maßnahmen. Dies macht deutlich, dass mehrere Maßnahmen Anwendung in den verschiedenen Dimensionen der Gleichstellung fanden. Bei der Frage, wann positive Maßnahmen zum ersten Mal eingesetzt wurden, erklärte nahezu die Hälfte der Befragten (48 %), dass derartige Maßnahmen vor über fünf Jahren eingeführt wurden, 40 % gaben einen Zeitraum von ein bis fünf Jahren und 8 % einen Zeitraum von unter einem Jahr vor Durchführung der Umfrage an. Das Gesamtbild spiegelt die Ergebnisse des Workshops und der Befragungen wieder, wie aus Abbildung 7 hervorgeht. Die einzige Diskrepanz besteht jedoch im Bereich der Einrichtung von Netzwerken und Foren, was in den an der Fallstudie teilnehmenden Ländern nicht so stark verbreitet zu sein scheint. Der Grund hierfür könnte darin bestehen, dass lediglich zehn Länder an den Konsenswork- 65 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen ABBILDUNG 7: POSITIVE MASSNAHMEN FÜR VERSCHIEDENE DIMENSIONEN DER GLEICHSTELLUNG Verwendete Kennzahlen Netzwerke und Foren Aus- und Weiterbildung sowie Weiterentwicklung von Führungskräften Unterstützung bei der Kommunikation/Vertrauensbildung Unterstützung beim Erwerb weiterer Qualifikationen Verbesserung der Work-Life-Balance Bereiche Gezielte Einstellung Schulung zu positiven Maßnahmen Geschlecht Beratungsstellen Rassische oder ethnische Herkunft Mentorenprogramme Behinderung Zielvorgaben Befürwortungsprogramme Alter Religion oder Glaubenszugehörigkeit Quoten Sexuelle Orientierung Sonstiges Sonstiges 0 shops und Befragungen teilnahmen, während 32 Länder an der Umfrage teilnahmen. Nichtsdestotrotz wurde mit Überraschung festgestellt, dass kein Land Beispiele für positive Maßnahmen im Bereich Religion oder Glaubenszugehörigkeit nannte. 6.7.1 Beispiele für positive Maßnahmen Zum Zweck eines besseren Überblicks über die Arten von Maßnahmen, die als positive Maßnahmen betrachtet werden können, werden konkrete Beispiele für positive Maßnahmen gegeben, die in der Europäischen Union, in Kanada, Südafrika und den USA umgesetzt wurden. Abbildung 8 enthält eine Aufstellung aller positiven Maßnahmen, die von den Teilnehmern der Umfrage in den an der Fallstudie beteiligten Ländern genannt wurden. Diese Beispiele sind der aktuellen Umfrage entnommen und spiegeln lokale Interpretationen von positiven/affirmativen Maßnahmen wider. Eine detaillierte Beschreibung dieser Beispiele ist in den Länderberichten verfügbar. Die Analysen in diesen Berichten bestätigen das 66 10 20 30 40 0 50 % erhebliche Missverständnis darüber, was eine positive Maßnahme darstellt, sowie die Überschneidung mit anderen ergänzenden Maßnahmen, wie z. B. Monitoring von Gleichstellung und Vielfalt sowie Bewertung der Wirkungen der Maßnahmen. Es 10 20 30 40 50 60 70 80 existierten keine Beispiele für positive Maßnahmen im Bereich Religion und Glaubenszugehörigkeit. ABBILDUNG 8: INTENSITÄT DER POSITIVEN MASSNAHMEN IN DEN AN DER FALLSTUDIE TEILNEHMENDEN LÄNDERN Quoten (2) Mentoren programme/ Netzwerke und Foren (7) Befürwortungsprogramme/ Beratungsstellen (12) Schulung zur positiven Maßnahmen, Schulung der Führungskräfte, Vertrauensbildung (15) Gezielte Einstellung/Zielvorgaben (15) Überprüfung von Dienstleistungen/Richtlinien Schärfung des Bewusstseins für positive Maßnahmen (19) 6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren Die folgenden Beispiele für positive Maßnahmen stammen aus den an der Fallstudie beteiligten Ländern: Eltern ethnischer Minderheiten und Bildung in Österreich Farbige sowie ethnische Minderheiten und Berufsbildung im Vereinigten Königreich Die Stadt Wien hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen ethnische Minderheiten repräsentierenden Organisationen ein Projekt ins Leben gerufen (MA 17), das auf die Förderung einer stärkeren Einbeziehung von Eltern ethnischer Minderheiten bei der Ausbildung ihrer Kinder abzielt. Dieses Projekt umfasst Informationsveranstaltungen, Übersetzungsdienstleistungen sowie Kinderbetreuungsdienstleistungen und bietet Deutschkurse für Mütter von Kindern, die einer ethnischen Minderheit angehören. Diese finden an den Schulen der Kinder statt. Das Leeds Mental Health Teaching National Health Service Trust (ein Krankenhaus) im Vereinigten Königreich ermutigt Farbige und Angehörige ethnischer Minderheiten, Praktika zu absolvieren. Ziel ist dabei, dass die Praktikanten Selbstvertrauen gewinnen und Fähigkeiten erwerben und nach Abschluss des Praktikums beim National Health Service (staatlicher Gesundheitsdienst) weiter angestellt bleiben. Asylsuchende und Beschäftigung in Österreich Durch ein von dem ESF (EQUAL) finanziertes Projekt, FluEQUAL, werden für Asylsuchende mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt geschaffen. Dies geschieht, indem sie Zugang zu Deutschkursen und zur Berufsbildung erhalten und ermutigt werden, am Arbeitsleben teilzunehmen. Menschen mit Behinderungen und höhere Bildung im Vereinigten Königreich Die Universität Birmingham hat ein Programm eingerichtet, das Stipendien für Studenten mit Behinderungen, darunter auch Studenten mit Dyslexie, vergibt, um sie bei ihrem Studium zu unterstützen. Diese Gelder müssen nicht für spezielle Hilfsmittel für Behinderte ausgegeben werden. Durch das Stipendium wird vielmehr dem Umstand Rechnung getragen, dass Studenten mit Behinderungen häufig Schwierigkeiten haben, ihr Einkommen durch Teilzeitarbeit neben dem Studium zu bestreiten. Verschiedene Gruppen und Wohnraum Die für den Wohnraum zuständige Abteilung der Stadt Wien hat ein Programm zur Bewältigung von interkulturellen Konflikten zwischen den Bewohnern von Sozialwohnungen der Stadt eingerichtet. Die Stadt beschäftigt eine Gruppe von interkulturellen Mediatoren, die in gemischten Teams arbeiten und Unterstützung bieten, die leicht zugänglich ist und von möglichst vielen Personen angenommen wird. Der in dem Programm verwendete Begriff „Kultur“ bezieht sich nicht nur auf Personen mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Traditionen, sondern umfasst ebenso Konflikte zwischen jungen und älteren Menschen sowie Menschen, die die Gebärdensprache verwenden. Ethnische Minderheiten und Hochschulen Die Einrichtung Netherlands Organisation for Scientific Research (NOW) hat ein Förderprogramm (Mozaic) eingerichtet, um die Zahl der Forscher aus ethnischen Minderheiten zu erhöhen, die an einem Doktoratsprogramm an niederländischen Uni- versitäten teilnehmen. Das Programm richtet sich ausschließlich an Bewerber, die einer ethnischen Minderheit angehören. Sozial benachteiligte Gruppen und Zulassung zu Universitäten In Ungarn ist in Artikel 19/A des Regierungserlasses 268/2000 zu den allgemeinen Bestimmungen für das Zulassungsverfahren zu Universitäten festgelegt, dass ein Bewerber oder eine Bewerberin aus einer sozial benachteiligten Gruppe zu der Fakultät einer Universität zugelassen werden muss, wenn er oder sie 80 % des für die Zulassung zu dieser Fakultät erforderlichen Wertes erreicht. Die Kategorie „sozial benachteiligte“ Personen umfasst unter anderem Personen, deren Eltern nur über einen Grundschulabschluss verfügen. Die Zahl der auf der Grundlage dieses Verfahrens zugelassenen Studenten darf 3 % der Gesamtzahl der zu dieser Fakultät zugelassenen Studenten nicht überschreiten. Integrierte Ausbildung für Roma Seit 2004 ruft das Bildungs- und Kulturministerium von Ungarn Programme ins Leben, um die Ausgrenzung von Roma-Kindern durch die Platzierung in unterdurchschnittlichen Schulen/Klassen sowie in Schulen/ Klassen für Kinder mit einer geistigen Behinderung zu reduzieren und die Einbindung dieser Kinder in die Standardausbildung zu fördern. Die Programme der Regierung umfassen Maßnahmen wie die Bereitstellung von Integrationsmitteln für Schulen, die Kinder mit speziellen Bildungsbedürfnissen beherbergen. Ein Programm mit dem Titel „Last Bench“ zielt darauf ab, Roma-Kinder, die zu Unrecht als unfähig klassifiziert wurden, wieder in normale Klassen zu integrieren. Zu den Maßnahmen der Regierung zählt zudem die Einfüh- 67 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen rung der Bestimmung, dass Schulen konkrete Gleichstellungsrichtlinien übernehmen und umsetzen müssen, um einen Anspruch auf die Mittel des Strukturfonds zu haben. Roma und Zugang zu Beschäftigung In der Slowakei existiert bei dem in Kosice ansässigen Unternehmen USA Steel ein spezielles Beschäftigungsprogramm für die Roma-Gemeinschaft. Im Rahmen dieses Programms arbeitet USA Steel eng mit den lokalen Behörden der drei angrenzenden Gebiete (Vel’ka Ida, Saca und Lunik IX) zusammen, um in der Roma-Gemeinschaft Bewerber für eine Anstellung in der Fabrik des Unternehmens auszuwählen. USA Steel schließt über die lokale Behörde für die Dauer von einem Jahr einen Untervertrag mit den Bewerbern aus der Roma-Gemeinschaft ab. Nach Ablauf dieser Zeit können die betreffenden Personen für eine reguläre Anstellung in Betracht gezogen werden. Projekte zur Barrierefreiheit in Kanada Die Unterrepräsentation von Menschen mit Behinderungen in der Belegschaft von Unternehmen führte zu einer Überprüfung potenzieller Hindernisse. In der Folge wurden die Vorkehrungsleitlinien verbessert und modernisiert, damit Arbeitnehmer und Manager geeignete technische Lösungen besser bewerten und anfordern können. Ability-Edge-Projekt in Kanada Eine Initiative, bei der sich mehrere Banken zusammenschlossen, Praktikumsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Darüber hinaus erhalten Studenten mit Behin- 68 derungen ein Stipendium für postsekundäre Bildungseinrichtungen. Praktikumsprogramme für Studenten, die von den Ureinwohnern abstammen, in Kanada Die Bank von Montreal gibt Studenten, die von den Ureinwohnern abstammen, die Möglichkeit, Berufserfahrung in der Bank zu erwerben. Des Weiteren vergibt die Bank für diese Studenten Stipendien für postsekundäre Bildungseinrichtungen. Wien braucht Dich – Polizisten mit Migrationshintergrund Um die Zahl der Polizisten mit Migrationshintergrund in Wien zu erhöhen, wurde im November 2007 eine Rekrutierungsinitiative ins Leben gerufen, die sich an Personen mit österreichischer Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund richtet. Ein „Tandempaar“ aus einem Polizisten mit Migrationshintergrund und einem Vertreter der Abteilung für Vielfalt der Stadt Wien besucht Schulen und Vereinigungen von Migrantengemeinschaften, um ihnen die Initiative vorzustellen und ein Vorbild zu sein. Es existieren keine Quoten und keine ausdrückliche bevorzugte Behandlung von Bewerbern mit einem Migrationshintergrund. Mingo Migrant Enterprises in Österreich Im Mai 2008 wurde eine Stelle eingerichtet, die kostenlos Informationen und Beratung in verschiedenen Sprachen für Unternehmen mit Migrationshintergrund bereitstellt, die aufgrund von sprachlichen Hindernissen und kulturellen Unterschieden häufig Schwierigkeiten haben, die allgemeinen Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen. Die Unterstützung umfasst die Bereitstellung von Informationen und Hilfe bei der praktischen Umsetzung von Innovationen sowie Unterstützung beim Umgang mit Agenturen und Behörden. An die Roma gerichtetes Praktikumsprogramm für Journalisten und Redakteure in Ungarn Das Ziel dieser Initiative besteht darin, die positive Präsenz der Roma in den Medien zu erhöhen. Das öffentliche Fernsehen und Radio vergibt ein zehnmonatiges Praktikum an fünf Personen. Während des Praktikums nehmen die Praktikanten an Kursen zum Erwerb bestimmter Berufsqualifikationen teil und erhalten Instrumente an die Hand, um psychologisch heikle Situationen, in die sie geraten könnten, zu bewältigen. Zudem wird ihnen ein professioneller Mentor zur Seite gestellt, und sie erhalten ein Stipendium sowie ein Zertifikat nach Abschluss des Praktikums. Chancengleichheit bei Brustkrebs für sozial benachteiligte Frauen in Ungarn In Zusammenarbeit mit den NRO der Roma sowie Vertretern suchen die Organisationen Kontakt zu Roma-Frauen, um die Durchführung von Brustkrebsuntersuchungen auf breiterer Ebene zu fördern. Dazu zählt der Transport zu den Untersuchungseinrichtungen sowie die Bereitstellung von Untersuchungsgeräten in abgeschiedenen Gebieten. Im Rahmen dieses Projekts wurde über die Zusammenarbeit mit Vertretern der Roma und Gesundheitsdienstleistern versucht, die Nach- 6 Positive Maßnahmen in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren haltigkeit durch die Schaffung einer offenen Kommunikation und Zusammenarbeit zu fördern. Akzeptanz von Arbeitsplatzmodellen in Ungarn Um der hohen Schwundquote in einem geflügelverarbeitenden Werk entgegenzuwirken, arbeitete das Unternehmen mit dem örtlichen Arbeitsamt und Bildungszentrum zusammen, um ein Projekt ins Leben zu rufen, in dessen Rahmen eine betriebliche Fortbildung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, darunter viele Ungelernte mit einem niedrigen Bildungsniveau, bereitgestellt wurde. Roze in den Niederlanden Aufgrund der Probleme, denen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender im Berufsleben begegnen – Zugang zu Beschäftigung und Arbeiten in einem feindseligen Umfeld – gründeten sie ein Netzwerk innerhalb der Gewerkschaft Roze. Sie errichteten eine Website und ein webbasiertes Forum, um einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Dies wird auch als Plattform für die Organisation öffentlicher Veranstaltungen und Kampagnen zur Verstärkung der Sichtbarkeit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern im Beschäftigungsbereich genutzt. Soziale Feldarbeit in der Slowakei Das Hauptziel dieses Projekts besteht darin, den sozial ausgegrenzten und in speziellen Siedlungen lebenden Roma hochwertige soziale Beratung und Unterstützung bereitzustellen. Das Programm wird von dem Sozialentwicklungsfonds verwaltet und richtet sich an Gemeinden, in denen RomaGemeinschaften leben. Das Dorf oder die Stadt kann gemessen an der Größe Mittel für einen oder mehrere Straßensozialarbeiter beantragen. Die Arbeitsbelastung ist eindeutig festgelegt, und die Straßensozialarbeiter helfen Einzelpersonen oder Familien. Gezielte Einstellungen auf Management- und Führungsebene in Südafrika 1993 führte ein staatliches Elektrizitätsunternehmen die gezielte Einstellung von Farbigen im Unternehmen durch, um die Zahl der Farbigen auf der Management- und Führungsebene zu erhöhen. Formelle Mentorprogramme wurden geschaffen, damit Mitarbeiter auf nachgeordneten Ebenen in Managementpositionen aufsteigen können. Gleichzeitig wurden weiße Mitarbeiter, die diese Positionen bereits bekleideten, ermutigt, als Mentoren zur Verfügung zu stehen. Des Weiteren wurden Stipendien eingerichtet, damit Farbige an einer geeigneten Universität in und außerhalb von Südafrika studieren können und anschließend in der Lage sind, die Positionen, die von Weißen bekleidet werden, zu übernehmen. Verbesserung der Einstellungsmöglichkeiten im Gesundheitsdienst für Personen mit einem chinesischen oder einem gemischten ethnischen Hintergrund im Vereinigten Königreich Ein Grundversorgungsfonds führte eine Reihe von Initiativen durch, um die Repräsentation von unterrepräsentierten Gruppen unter den Erwerbstätigen, einschließlich ethnischer Gruppen, zu verbessern. Um mehr Bewerber mit chinesischem oder gemischtem ethnischem Hintergrund anzuziehen, wurden E-Mails mit Stellenangeboten an 300 Organisationen von Gemeinschaften verschickt. Zudem wurden diese Stellenangebote über das wöchentliche Bulletin der Organisation verbreitet. Darüber hinaus wurden 80 Stellenanzeigen auf der nationalen Website „Ethnic Britain“ veröffentlicht. Und es wurde eine Anleitung, wie potenzielle Bewerber Zugang zu Stellen im staatlichen Gesundheitsdienst erhalten können, in verschiedene Sprachen übersetzt. Mosaic-Initiative in den USA Als Teil der Strategie der Universität für mehr Vielfalt und eine bessere Repräsentation von unterrepräsentierten ethnischen Gruppen an der Fakultät wurden seit Mai 2008 1 Mio. USD für die Mosaic-Initiative zur Verfügung gestellt. Im Rahmen dieses Projekts können die Abteilungen finanzielle Mittel vom Dekan oder Direktor des Bereichs beantragen, um die Kosten für Posten wie Gehälter, Forschungsprojekte oder Laborausstattung zu decken. Open-Up-Projekt in Schweden Im Rahmen dieses Entwicklungsprojekts wurde von SEKO tele Stockholm ein Beschäftigungsprogramm für junge Menschen mit funktionellen Behinderungen ins Leben gerufen, um für diese Personen eine Beschäftigung im IT-/Telekommunikationssektor zu finden. Dieses Projekt unterstützt zudem Unternehmen, die Personen aus dieser Gruppe anstellen und ganz allgemein Kontakt zu Menschen mit Behinderungen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, herstellen möchten. Drogenprojekt in Irland Ein Projekt für ein stärkeres Bewusstsein gegenüber Drogen wurde geschaf- 69 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen fen, das sich vor allem an Pavee-Eltern richtet. Denn wie Forschungsergebnisse zeigten, besteht in dieser Gemeinschaft ein Drogenproblem. Das Ziel des Projekts besteht darin, die Zahl der drogenkonsumierenden Personen zu reduzieren und zu versuchen, Diskussionen über Drogen durch die Einbeziehung der Gemeinschaft in die mit dem Drogenkonsum verbundenen Probleme zu normalisieren. Bis heute wurde der zehn Sitzungen umfassende Kurs in weniger als zwei Jahren fünf Mal durchgeführt. Lehrkräfte in der Slowakei Es wurde ein Programm zur Finanzierung von Lehrkräften in Schulen eingerichtet, damit sie sozial benachteiligte Kinder bei Sprachproblemen und individuellen Lernproblemen unterstützen und so die im Bildungssystem vorhandenen Hindernisse überwunden werden. Dieses Programm begann als NRO-Initiative, wird nun jedoch von dem Bildungsministerium über die regionalen Schulbehörden finanziert. 6.8 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde deutlich, dass im privaten Sektor positive Maßnahmen nur in begrenztem Maße vorhanden sind. Der Schwerpunkt liegt bei Organisationen, die positive Maßnahmen einführen, eher auf der Behebung von Ungleichgewichten in der Belegschaft als auf der Bereitstellung von Dienstleistungen. Bei Organisationen aus dem Dritten Sektor besteht ein günstigeres Umfeld für die Umsetzung positiver Maßnahmen. In diesem Bereich ist es wahrscheinlicher, dass die Personen ein breiteres Verständnis von positiven Maßnahmen entwickeln und Vertrauen schaffen, Mitarbeiter bestärken und Nachhaltigkeit sicherstellen. Insgesamt wächst das Verständnis von positiven Maßnahmen mit einem stärkeren Bewusstsein. Zudem bedarf es hierfür der kontinuierlichen Unterstützung durch Führungskräfte und Manager. 70 7 1. Introduction: New Business Horizons in Europe Schlussfolgerungen und Empfehlungen 71 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen 7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen Dieses Kapitel dient zunächst der Zusammenfassung der vorliegenden Studie. Sodann wird ein Vergleich der praktischen Umsetzung positiver Maßnahmen in europäischen und nichteuropäischen Ländern sowie ein Vergleich der praktischen Umsetzung in Bezug auf verschiedene Dimensionen der Gleichstellung, Organisationen und Sektoren angestellt, und es werden Schlussfolgerungen aus diesen Vergleichen gezogen. Abschließend werden Empfehlungen ausgesprochen und Auswirkungen für Forschung, Strategien und Praxis erörtert. 7.1 Schlussfolgerungen 7.1.1 Vergleiche zwischen EU- und Nicht-EU-Ländern Eine grundsätzliche Schlussfolgerung, die aus den Forschungsarbeiten gewonnen werden kann, ist etwa, dass die Konzepte bezüglich positiver Maßnahmen zwischen den verschiedenen Ländern zwar stark variieren, einige Verallgemeinerungen aber dennoch getroffen werden können. Die für die Beschreibung der Maßnahmen zur Beseitigung vergangener und gegenwärtiger Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit Randgruppen verwendeten Terminologien sind dabei bisweilen sehr unterschiedlich. In den Nicht-EULändern ist etwa der Begriff „affirmative action“ (affirmative Maßnahme) weit verbreitet. In Europa ist hingegen der Terminus „positive action“ (positive Maßnahmen) gebräuchlicher. Die in dieser Studie verwendete Definition von „positiven Maßnahmen“ wurde im vierten Kapitel vorgestellt und als angemessene Aktivitäten beschrieben, die implementiert werden, um in der Praxis eine vollständige und effektive Chancengleichheit für alle Mitglieder von Gruppen zu gewährleisten, die sozial oder wirtschaftlich benachteiligt sind oder anderweitig die Folgen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung oder Benachteiligung zu erleiden haben. Aus der Studie wird deutlich, dass allgemein Konsens darüber besteht, 72 dass positive Maßnahmen bestimmte Maßnahmen zum Ausgleich von Diskriminierungen begründen, die bestimmten Gruppen in einer Gesellschaft widerfahren. Während in verschiedenen Ländern besonderer Wert auf die Definition von positiven Maßnahmen gelegt wird, wird deutlich, dass erhebliche Unterschiede in der Verwendungshäufigkeit und im Verständnis des Begriffs existieren. Aus qualitativer Sicht offenbart die Studie eher verschiedene Ansätze zur Interpretation des Begriffs positive Maßnahmen, wohingegen die Ergebnisse der Umfrage eine einheitlichere Sicht der Teilnehmer zeigt. Es bestehen vor allem Unterschiede bei der Verwendung des Begriffs positive Maßnahmen sowie bei den Gesetzen und der Politik in Bezug auf diese Maßnahmen. In einigen Ländern halten die Teilnehmer positive Maßnahmen für eine „veraltete“ Strategie und hatten Mühe, diesen Begriffen ihnen bekannte Maßnahmen auf lokaler Ebene zuzuordnen. So betrachten beispielsweise Teilnehmer aus den Niederlanden positive Maßnahmen vielmehr als wichtiges Instrument innerhalb einer umfassenderen Diversitätsstrategie, die alle Methoden zur Bekämpfung der Effekte der Ausgrenzung, Diskriminierung und des Stereotypierens bestimmter Gruppen umfasst und darauf abzielt, eine Gesellschaft mit mehr Gleichberechtigung zu schaffen. In Südafrika wird der Begriff hingegen aufgrund der durch Apartheid und Rassentrennung geprägten Vergangenheit, mit der der Begriff „affirmative Maßnahme“ verbunden wird, als „Stand-Alone“-Strategie wahrgenommen. Diese unterschiedliche Wahrnehmung und Haltung gegenüber dem Begriff „positive Maßnahmen“ spiegelt sich letztlich im gesetzlichen Rahmen beider Länder wider. Während in einigen Ländern der allgemeine Trend dahin geht, positive Maßnahmen weniger per Gesetz durchzusetzen (beispielsweise in den Niederlanden), finden affirmative Maßnahmen in Ländern wie Kanada und Südafrika eine stärkere gesetzliche Verankerung. Insgesamt kamen Quoten sehr selten zur Anwendung, und die damit verbundene Vorzugsbehandlung rief in der Regel ein negatives Echo hervor. Die Ergebnisse dieser Studie legen den Schluss nahe, dass Rechtsvorschriften den wichtigsten Faktor bei der Durchsetzung positiver Maßnahmen darstellen. Zahlreiche Teilnehmer hatten allerdings das starke Gefühl, dass diese Rechtsvorschriften durch wirksame Mechanismen zur Durchsetzung gestützt werden müssten und eine aufgeblähte Bürokratie in diesem Bereich eine Umsetzung in Unternehmen und Organisationen behindere. Weitere durch die Studie identifizierte Einflussfaktoren umfassen den Business Case, soziale Verantwortung der Unternehmen, moralische und ethische Gesichtspunkte, Führungskräfte und 7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen Unternehmenspolitik. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist des Weiteren, dass positive Maßnahmen nicht unmittelbar durch Rechtsvorschriften untermauert wurden, vielmehr die moralische Begründung einen starken Anreiz darstellte. Dies fiel vor allem dort auf, wo bestimmte Gemeinschaften (zum Beispiel Roma) unter ärmlichen sozioökonomischen Bedingungen lebten. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigten divergierende Resultate in Bezug auf die Unterstützung positiver Maßnahmen. Vor dem Hintergrund, dass ein starkes Engagement von Einzelpersonen sowie die Unterstützung durch die Unternehmensführung als die entscheidenden Faktoren identifiziert werden konnten, ist die Tatsache, dass die Teilnehmer relativ wenig Unterstützung durch Linienmanager erhielten, besorgniserregend. Ein Umdenken ist hier unbedingt erforderlich. Dies, zusammen mit einer Reihe weiterer Hindernisse im Hinblick auf menschliche und finanzielle Ressourcen, kann eine erfolgreiche Umsetzung positiver Maßnahmen ernsthaft gefährden. Der Vergleich von qualitativen und quantitativen Aspekten dieser Studie ergab recht unterschiedliche Folgen positiver Maßnahmen. Die Teilnehmer der Umfrage stuften nicht greifbare Faktoren wie „Schärfung des Bewusstseins für Gleichstellungsprobleme in Organisationen“, „Verbesserung des Organisationsimages“ sowie „Stärkung des Vertrauens der Beteiligten“ als hoch ein; andere Faktoren in Bezug auf die Repräsentation in der Belegschaft und bessere finanzielle Ergebnisse waren hingegen für Workshop-Teilnehmer von höherer Bedeutung. Während diese Studie die Vorteile positiver Maßnahmen klar herausstellte, gibt es gleichzeitig auch Berichte über negative Auswirkungen. Einige der nachteiligen Folgen, darunter etwa Kompetenzengpässe aufgrund des „Brain-Drain-Effekts“ und eine Gettoisierung innerhalb der Belegschaft infolge von gezielten Einstellungen, wurden in manchen Ländern beobachtet. Die Ausnutzung der Vorteile von affirmativen Maßnahmen für politische Zwecke wird als schwierige Herausforderung für Programme affirmativer Maßnahmen gesehen. Hier besteht die Gefahr, dass dies zu unnötigen Rechtsstreitigkeiten führen könnte, die ihrerseits (andere) Einrichtungen von der Umsetzung positiver Maßnahmen abhalten könnte. Es liegt auf der Hand, dass sich Organisationen mit der Entwicklung einer Datenbasis für positive Maßnahmen schwer tun. In einigen Ländern (darunter Schweden) wird dieser Prozess durch Gesetzesschranken behindert (z. B. durch das gesetzliche Verbot der Datenerfassung unter Berücksichtigung der ethnischen Herkunft), wohingegen in anderen Ländern (darunter Südafrika und das Vereinigte Königreich) eine Methode zur Erfassung von Daten unter Berücksichtigung von Behinderungen oder sexueller Orientierung noch nicht umfassend erarbeitet worden ist. In EU-Ländern wie auch in NichtEU-Ländern konnten vergleichbare Versuche von Gruppen beobachtet werden, die nur ein geringes Interesse am Ethos positiver Maßnahmen haben und die Situation zu deren Vorteil zu nutzen suchten. Deutlich wurde dies vor allem in Ländern, in denen positive Maßnahmen Missbrauch und unehrliches Verhalten begünstigten. Diese Studie förderte zudem zutage, dass es sowohl in den Belegschaften als auch in der Gesellschaft selbst ein mangelndes Bewusstsein im Hinblick auf die Vorteile positiver Maßnahmen gibt. Hinzu kommen durch Medien verbreitete Fehlinformationen. Sehr ausgeprägt war dieses Phänomen in Ländern, in denen die Medien eine Problematisierung positiver Maßnahmen förderten und die Ergebnisse positiver Maßnahmen zu rein symbolischen Ergebnissen abstempelten. Ebenso wurden Gruppen wie Afrikaner und Moslems aus dem Nahen Osten sowie Menschen mit Behinderungen nicht als Zielgruppe positiver Maßnahmen ausgemacht, während schwedische Teilnehmer der Auffassung waren, dass ihre Gesellschaft im Hinblick auf die geschlechtliche Gleichberechtigung grundsätzlich aufgeklärt und fortschrittlich sei. Im Hinblick auf die Formulierung positiver Maßnahmen gibt es in manchen Ländern Bedenken über die Einbeziehung der betroffenen Zielgruppen. In Kanada herrschte die Auffassung vor, dass ein Mangel an Engagement und Sichtbarkeit von Mitgliedern dieser Zielgruppen den Erfolg affirmativer Maßnahmen untergraben könnte. Als Folge sahen wir, dass Mitglieder der Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender aktiv Verantwortung übernahmen. Ebenso konnten im Vereinigten Königreich Gruppen und Basisorganisationen betroffener Randgruppen ausgemacht werden, die angetrieben durch ihre Unzufriedenheit mit dem Status quo eine Lobby für positive Maßnahmen etablierten und erfolgreich auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Dienstleistungen einrichteten. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Zukunft für positive Maßnahmen gut aussieht und viele Organisationen künftig die Einführung von Initiativen oder Programmen im Rahmen positiver Maßnahmen planen. 7.1.2 Unterschiede bei Organisationen und Sektoren Unter den Teilnehmern der Umfrage herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass das Monitoring von Gleichstellung und Vielfalt Arbeitgebern ermöglicht, die Effektivität ihrer 73 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Richtlinien und Verfahren zu überprüfen. Dies wird als erforderliche Voraussetzung für die Entwicklung und Umsetzung von zielgerichteten Strategien gesehen. Die zentrale Bedeutung des Monitoring für die erfolgreiche Umsetzung positiver Maßnahmen zeigte, dass Geschlecht, Alter, Behinderung und ethnische Herkunft zu den am meisten überwachten Aspekten gehörten, während sexuelle Orientierung und Religion oder Glaube die am wenigsten überwachten Aspekte darstellten. Das Ausmaß, in dem Sektoren ein geeignetes Umfeld für die Entwicklung positiver Maßnahmen bereitstellten, variierte stark. Während eine beträchtliche Anzahl von Organisationen über schriftliche Richtlinien zu Gleichstellung und Vielfalt verfügten, waren größere Organisationen nicht so erfolgreich, wenn es darum ging, entsprechende Zielvorgaben für Beschäftigung und Dienstleistungen zu erstellen. Monitoring ist ein wichtiges Hilfsinstrument bei der Umsetzung positiver Maßnahmen, da hierdurch eine Grundlage für den Nachweis von Unterrepräsentation geschaffen wird. Während einige Organisationen den Wert des Monitoring anerkennen, kann das Nichtvorhandensein relevanter Daten Bemühungen zunichte machen, geeignete positive Maßnahmen zu formulieren. Eine Verdeutlichung des Wesens und Zwecks von positiven Maßnahmen führte zu einem besseren Verständnis des eigentlichen Wesens positiver Maßnahmen. Die Antworten in Bezug auf die Einflussfaktoren positiver Maßnahmen waren sehr ausgeglichen, wobei gesetzgeberische Einflussfaktoren häufig genannt wurden. Daher müssen Aktionen, die auf die Förderung der Entwicklung von Positionen oder Initiativen durch Organisationen abzielen, eine Vielzahl von potenziellen Einflussfaktoren berücksichtigen, deren Relevanz je nach betroffener Organisation variiert. Es gab einen breiten Konsens über die Notwendigkeit organisatorischer Unterstützung für positive Maßnahmen, insbesondere Management Buy-In. Allerdings bestanden in verschiedenen Sektoren Unterschiede, wobei Organisationen aus dem dritten Sektor positive Maßnahmen eher unterstützten als Organisationen aus dem öffentlichen und privaten Sektor. Bemerkenswert war, dass ein relativ niedriger Teil der Befragten der Ansicht war, dass erheblicher Widerstand sowie Zynismus der Arbeitnehmer ein wichtiges Hindernis darstellen. Zahlreiche Methoden wurden zur Bewertung der Auswirkungen positiver Maßnahmen herangezogen. Es konnte jedoch die Tendenz festgestellt werden, sich auf „weiche“ Ansätze zur Evaluierung zu verlassen, darunter Ad-Hoc-Überprüfungen und Einzelberichte. Während die quantitativen Daten der Umfrage eine Streuung der positiven Maßnahmen im Hinblick auf die verschiedenen Dimensionen nahelegen, lieferten die qualitativen Daten aus Konsens-Workshops und Befragungen keine Beispiele für Maßnahmen in Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsoder Glaubensgemeinschaft, obgleich der traditionellen Anwendungshierarchie Folge geleistet worden ist. 7.2 Kernaussagen Aus diesem Bericht können eine Reihe von Kernaussagen gewonnen werden, die ihrerseits unter den Hauptüberschriften zusammengefasst werden können, die den in den vorherigen Kapiteln erörterten Ergebnissen der vorliegenden Studie entsprechen. Kontext von Gleichstellung und Vielfalt (diversity) • Generell werden positive Maßnahmen innerhalb des Rahmens schriftlicher Gleichstellungsrichtlinien, von Leitbildern und von Jahresberichten eingeleitet, die eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung widerspiegeln. • Monitoring und bestimmte Zielvorgaben in Bezug auf Gleichstellung und Vielfalt sind weitverbreitet, wobei die geschlechtsspezifische Dimension die am intensivsten überwachte Dimension und die sexuelle Orientierung die am wenigsten überwachte Dimension darstellt. • Der Mangel an aufgeschlüsselten Daten in den wichtigsten Branchensektoren bedeutet, dass effektive positive Programme nicht umfassend entwickelt und umgesetzt werden können. • Die Förderung von Vielfalt in der Gemeinschaft bedeutet nicht notwendigerweise eine Änderung von Kultur und Einstellung gegenüber positiven Maßnahmen. 74 7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen Definition und Verständnis positiver Maßnahmen • Die Studie ergab, dass für die Beschreibung der positiven Maßnahmen in den untersuchten Ländern uneinheitliche und inkonsistente Terminologien verwendet werden. • Das gemeinsame Verständnis der Bedeutung positiver Maßnahmen in Europa, innerhalb der Länder und in den einzelnen Sektoren ist mangelhaft. • Eine Klärung des Wesens und des Zwecks positiver Maßnahmen kann ein besseres Verständnis der tatsächlichen Natur der Maßnahmen fördern und des Weiteren zu einer positiveren Einstellung und Wahrnehmung der Nützlichkeit dieser Maßnahmen führen. • Der betreffende historische und politische Hintergrund eines Landes beeinflusst dabei die sprachliche Ausgestaltung und praktische Umsetzung der positiven Maßnahmen. Einflussfaktoren bei positiven Maßnahmen • Rechtsvorschriften bleiben ein Haupteinflussfaktor für positive Maßnahmen. Andere wesentliche Einflussfaktoren sind Altruismus, moralische/ethische Gesichtspunkte, wirtschaftliche Gründe, demografischer Wandel, soziale Verantwortung der Unternehmen, Unternehmenspolitik und Bemühungen von Basisorganisationen. • In einigen Fällen, in denen Organisationen Programme einrichteten, um politische und finanzielle Gewinne zu erzielen, und sie ein nur geringes Eigeninteresse am eigentlichen Ziel positiver Maßnahmen zeigten, werden diese Maßnahmen durch negative Faktoren vorangetrieben. Hindernisse für positive Maßnahmen • Als häufigste Hindernisse für positive Maßnahmen werden in den europäischen Ländern insbesondere mangelnde zeitliche, menschliche und finanzielle Ressourcen angeführt. Der Mangel an Engagement von Einzelpersonen sowie an Unterstützung durch die Organisationsführung bleibt bedeutendes Hindernis für den Erfolg und die Nachhaltigkeit positiver Maßnahmen. • Der gesetzliche Rahmen für positive Maßnahmen bleibt weit hinter den Forderungen der Sozialpolitik zurück, und kollidierende Datenschutzvereinbarungen in einigen Ländern schaffen ernsthafte Schranken für die Umsetzung positiver Maßnahmen. • Es gibt Schwierigkeiten bei der Sicherstellung, dass der gesetzliche Rahmen in der Praxis tatsächlich einheitlich angewandt wird. Darüber hinaus werden in den verschiedenen Ländern Sanktionen gegen Organisationen, die positive Maßnahmen entweder gar nicht umsetzen oder es nicht schaffen, eine Gleichberechtigung herzustellen, unterschiedlich umgesetzt. • Außerdem werden mangelndes Bewusstsein für die Vorteile positiver Maßnahmen bei den Beschäftigten und in breiteren Gesellschaftsschichten sowie die Rolle der Medien bei der Problematisierung dieser Maßnahmen und allenfalls symbolische Ergebnisse als Hindernisse für die Akzeptanz positiver Maßnahmen gesehen. Unterstützung für positive Maßnahmen • Die Akzeptanz und Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten ist für den Erfolg positiver Förderprogramme unabdingbar. Starkes individuelles Engagement und Unterstützung durch Kollegen, Führungskräfte und Unternehmensführung sind für die Nachhaltigkeit positiver Maßnahmen unabdingbar. 75 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen • In Bezug auf die Einstellung gegenüber positiven Maßnahmen und deren Umsetzung bestehen nicht unerhebliche Unterschiede zwischen sämtlichen Sektoren. Manche öffentlichen Körperschaften bemühten sich um eine Erweiterung der politischen Grenzen, um so eine wesentlich breitere Anwendung positiver Maßnahmen zu erreichen. • Positive Maßnahmen sind am erfolgreichsten, wenn die Zielgruppen einbezogen werden und an Gestaltung, Planung, Umsetzung und Bewertung umfassend beteiligt werden. Ergebnisse und Auswirkungen • Das systematische Monitoring der Effizienz positiver Maßnahmen in Bezug auf Leistungen und Ergebnisse ist mangelhaft. Die Organisationen bemühen sich sehr um die Erarbeitung einer aussagekräftigen Beweisführung und tendieren dazu, sich bei der Bewertung der Wirkungen positiver Maßnahmen eher auf „weiche“ Indikatoren zu verlassen. • Während positive Maßnahmen insgesamt als effektiv angesehen werden, was die Schärfung des Bewusstseins für Gleichstellungsprobleme in Organisationen betrifft, sind die tatsächlichen Wirkungen positiver Maßnahmen auf Minderheiten, die Verbesserung des Images und der Reputation einer Organisation und ihr potenzieller Beitrag zum Unternehmenserfolg noch nicht ausreichend bekannt. • Initiativen zu positiven Maßnahmen sind weitgehend zeitlich beschränkt und werden nicht als langfristige Maßnahmen angesehen. Im Allgemeinen profitieren ethnische Minderheiten und Frauen am meisten von positiven Maßnahmen, Mitglieder der Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender sowie Menschen mit Behinderungen am wenigsten. Positive Maßnahmen in der Praxis • Beispiele für die Umsetzung positiver Maßnahmen in Organisationen bestätigen die Unsicherheit über die Festlegung eines Umfangs von Maßnahmen und zeigen eine Überschneidung mit anderen flankierenden Maßnahmen, wie das Monitoring von Gleichstellung und Vielfalt sowie die Bewertung der Wirkungen der Maßnahmen. • Die unter das Schlagwort „positive Maßnahmen“ fallenden Aktivitäten sind erstaunlich breit gefächert. Viele Länder konzentrieren sich auf spezifische Gruppen, vielleicht zu Lasten anderer Gruppierungen. Dies spiegelt möglicherweise den besonderen Kontext oder die „Politik“ dieses Landes wider. • Tatsächlich liegt bei den positiven Maßnahmen der Schwerpunkt eher auf Aus- und Weiterbildung sowie auf der Verbesserung von Beschäftigungschancen als auf Dienstleistungen. • Die Einleitung positiver Maßnahmen innerhalb von Organisationen kann einige negative Konsequenzen oder auch eine Gegenbewegung bewirken, wie z. B. negative Klischees, Stigmatisierung, fehlende Aufsicht, unehrliches Verhalten und Amtsmissbrauch. 7.3 Empfehlungen 7.3.1 Untersuchungen über positive Maßnahmen • Untersuchungen sollten durchgeführt werden, um die aktuelle Situation der „Benachteiligung“ im Hinblick auf die verschiedenen Felder, in denen positive Maßnahmen angewendet werden können, wie z. B. Beschäftigung, Bildung, Wohnverhältnisse, Gesundheitsversorgung etc., bezüglich dieser unterschiedlichen Dimensionen zu 76 7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen erfassen. Dies ist wesentlich und kann die Verwendung von Werkzeugen erforderlich machen, die in einem Bereich oder einer Dimension der Gleichberechtigung/Diskriminierung geschaffen worden sind, um parallele Effekte zu untersuchen, die durch eine andere Dimension sozialer Ausgrenzung verursacht wird. • Diese Untersuchung sollte auf nationaler Ebene durchgeführt werden, da zu erwarten ist, dass die Situation in Bezug auf unterschiedliche Dimensionen der Gleichstellung in den jeweiligen Mitgliedstaaten variieren kann. Diese nationalen Studien sollten sodann die Grundlage für weitere politische Evaluierungen, die Neuausrichtung positiver Maßnahmen (in Bezug auf Bereiche und Dimensionen) sowie die Identifizierung von (öffentlichen) Ressourcen für bestimmte Formen positiver Maßnahmen bilden. • Untersuchungen müssen angestellt werden, um Gerichte bei ihrer Entscheidung zu unterstützen, ob eine Situation, in der Personen benachteiligt werden, die Anwendung einer bestimmten positiven Maßnahme rechtfertigt. Diese Untersuchungen sollten die Gerichte auch dabei unterstützen, die relevanten Fragen oder Probleme zu erkennen, die es zu klären gilt, und könnten zudem zur Beantwortung von grundlegenden Fragen beitragen (die dann von Fall zu Fall konkretisiert werden könnten), mit denen sich die Gerichte auseinanderzusetzen haben. Die Untersuchung sollte auf europäischer Ebene erfolgen. Die Beantwortung der grundlegenden Fragen könnte in der Folge europarechtliche Rahmenbedingungen für die Beurteilung von „Benachteiligungen“ schaffen sowie zur Umsetzung dieser in nationales Recht beitragen. Es könnte analog zur „Kosten-Nutzen-Analyse“ ein Ansatz auf der Grundlage von Gerechtigkeitsmaßnahmen entwickelt werden. • Wenn man bedenkt, dass das Erreichen der Ziele einer Organisation in Bezug auf Gleichstellung und Vielfalt aufgrund des mangelnden Verständnisses der Gründe für positive Maßnahmen erschwert werden kann (und die Notwendigkeit besteht, weiterhin überzeugende Argumente für die Auswirkung positiver Maßnahmen zu liefern und die Auswirkungen zu messen), erweist sich die Untersuchung ökonomischer Vorteile positiver Maßnahmen als nutzbringend. • Zur Entwicklung eines kohärenten Modells/einer Theorie zur Erfolgsmessung ist eine umfassende Interventionsstudie erforderlich, die den Typ der umzusetzenden positiven Maßnahme bestimmen würde. • Darüber hinaus gibt es eine so geringe Evaluierung von bewährten Verfahren bei positiven Maßnahmen, dass die Erarbeitung eines Modells für die Identifikation, Evaluierung und Weitergabe von Maßnahmen zu bewährten Verfahren Vorteile bringen würde. • In Anbetracht der zentralen Bedeutung, die dem Monitoring bei der Förderung nachhaltiger positiver Maßnahmen zukommt, müssen Organisationen in den wichtigsten Sektoren aufgeschlüsselte Daten über alle Bereiche der Diskriminierung erfassen. Dies scheint nicht gerade ein radikaler oder innovativer Vorschlag zu sein, dennoch sind wir angesichts der mangelhaften Umsetzung der Auffassung, dass dieser trotz der Nennung als letzte Maßnahme in dieser Auflistung von höchster Bedeutung ist und sich für die meisten Organisationen und Verwaltungsstellen in der Praxis als innovativ herausstellen wird. 7.3.2 Rechtliche und politische Entwicklung • Um ein gemeinsames Verständnis dafür zu fördern, welche Bedeutung den positiven Maßnahmen innerhalb der Europäischen Union zukommt, sollte die Europäische Kommission den Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft und den Sozialpartnern ausbauen. • Auf einem solchen Dialog basierend sollten Leitprinzipien zur Bedeutung der positiven Maßnahmen auf EUEbene entwickelt werden. Dies könnte in Form eines unverbindlichen Rechtsaktes erarbeitet werden, wie Empfehlungen der Kommission oder eine Ratsresolution. Ein alternativer Mechanismus könnte z. B. eine Gemeinsame Erklärung der Sozialpartner sein. 77 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen • Bei der Einführung und Überarbeitung von Antidiskriminierungsgesetzen in der EU sollte sichergestellt werden, dass öffentliche oder private Organisationen oder freie Initiativen, die sich an positiven Maßnahmen beteiligen wollen, auch das Recht haben, dies zu tun. • Mitgliedstaaten sollten nationale Rechtsvorschriften überprüfen, wenn diese die Chancen für öffentliche oder private Organisationen oder freie Initiativen beschränken, positive Maßnahmen zu ergreifen. • Zur Evaluierung des Bedarfs an positiven Maßnahmen und ihrer Wirksamkeit ist eine Datenerhebung erforderlich. Trotz Einhaltung der Datenschutzgesetzgebung sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Organisationen sich in den Bereichen an Datenerfassungen beteiligen, in dem sie zur Erleichterung und Analyse positiver Maßnahmen dienen. • Den EU-Institutionen und Mitgliedstaaten wird, soweit erforderlich, die Einführung von Rechtsvorschriften zur Umsetzung positiver Maßnahmen empfohlen, um eine vollständige Chancengleichheit in der Praxis zu erreichen. 7.3.3 Praxis Europäische und nationale Ebene • Schaffung eines Rahmens für das Verständnis positiver Maßnahmen auf europäischer Ebene und Bestimmung spezifischer Erfolgsindikatoren bei der Umsetzung dieser Maßnahmen. Die Europäische Kommission benötigt Netzwerke zu bewährten Verfahren für die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bewältigung von Rechtsunsicherheiten und um parallel eine Übertragung und Anwendung des EU-Ansatzes in Bezug auf positive Maßnahmen sicherzustellen. Die Netzwerke sollten auf nationalen und sektorübergreifenden Ebenen eingerichtet werden, um einen Austausch von Ideen, Ansätzen und Aktivitäten zu ermöglichen und Organisationen darin zu bestärken, Absichten in Aktionen umzusetzen. Dies könnte zur Aufgabe bloßer Rhetorik und zur Erreichung tatsächlicher Ergebnisse beitragen. • Regierungen sollten die Allgemeinheit mithilfe von „Social Marketing“ über positive Maßnahmen aufklären, um so scheinbar weitverbreitete Missverständnisse auszuräumen und eine Verknüpfung verschiedener Interessengruppen zu erleichtern, die bereits an solchen Maßnahmen beteiligt sind. Auch breit gefächerte Kampagnen zur Bewusstseinsbildung – sowohl was den Bedarf an positiven Maßnahmen für benachteiligte Gruppen anbetrifft als auch hinsichtlich der Vorteile solcher Maßnahmen für breite Gesellschaftsschichten – werden eine höhere Akzeptanz und eine positive Einstellung gegenüber den Maßnahmen fördern. • Entwicklung klarer Strategien zur Identifikation und Bewältigung der negativen Folgen positiver Maßnahmen (bzw. deren Missbrauch und Verwendung in betrügerischer Absicht). Die Rolle der Medien und anderer robuster Kommunikationswege sollte in Betracht gezogen werden. Schaffung von Bildungsforen und -netzwerken zur Förderung von Verständnis und Dialog im Hinblick auf positive Maßnahmen. • Regierungsstellen auf sämtlichen Ebenen sollten aktiv dazu ermuntert werden, positive Maßnahmen für benachteiligte Gruppen umzusetzen, um so im Hinblick auf die Einstellung gegenüber solchen Maßnahmen mit gutem Beispiel voranzugehen. Mindeststandards für die Durchführung von positiven Maßnahmen sowie geeignete Wege zur Kommunikation diesbezüglicher Erfolge und Herausforderungen sollten durch die Europäische Kommission auf europäischer Ebene festgelegt werden. Der Wichtigkeit dieses Vorhabens könnte noch dadurch Nachdruck verliehen werden, dass Möglichkeiten der Sanktionierung von Körperschaften, die Gleichbehandlungs- und Menschenrechtsgrundsätze verletzen, sowie zur Durchsetzung dieser Sanktionen erarbeitet werden. • Bereitstellung angemessener Finanzmittel durch nationale Regierungen oder die Europäische Union zur Förderung komplexer Programme für die effektive Umsetzung und Evaluierung positiver Maßnahmen. Zu diesen Programmen können dabei auch Programme gehören, die sektorübergreifende Ansätze zur Nichtdiskriminierung fördern. 78 7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen • Entwicklung von Werkzeugen zur Unterstützung der Organisationen bei der Erfassung von Basisdaten, damit positive Maßnahmen umgesetzt und aussagekräftige Strategien für die Evaluierung der Wirksamkeit von Maßnahmen erarbeitet werden können. Verabschiedung eines EU- sowie eines nationalen Aktionsplans zur Identifizierung von Systemen, die für ein effizientes und lückenloses Monitoring erforderlich sind. Für diese Zwecke kann ein Werkzeug zur Folgenabschätzung bereitgestellt werden. Ebene der Organisationen • Positive Maßnahmen müssen als Teil eines umfassenderen normativen Wandels durchgängig berücksichtigt und von Institutionen mit entsprechendem Mentoring und Training begleitet werden. Steigern der internen und externen Akzeptanz von positiven Maßnahmen durch Steigerung des Bewusstseins für die Natur und die Vorteile positiver Maßnahmen. Ein Bildungs- und Trainingsprogramm sowie Seminare und Veranstaltungen zur Steigerung des Wissens um das Thema und die praktische Umsetzung positiver Maßnahmen sowie deren Nutzen und deren Rolle innerhalb von „Diversity“-Strategien. • Förderung positiver Maßnahmen als integraler Bestandteil eines übergreifenden Auftrags des Unternehmens, der Personalplanung und der Entwicklung von Dienstleistungen, und zwar in enger Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden. Integration positiver Maßnahmen in das Talentmanagement, in Nachfolge- und Einstellungsregelungen sowie in Verfahren zur Dienstleistungsentwicklung. Dies kann zur Sicherstellung eines koordinierteren Ansatzes eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit erforderlich machen. • Schaffung eines kohärenteren und auf Zusammenarbeit zwischen Organisationen basierenden Ansatzes für die Etablierung positiver Maßnahmen. Die Zusammenarbeit wird dabei nicht nur die Akzeptanz der Programme steigern, sondern auch die Geschäftsführung von den zu erwartenden Vorteilen überzeugen, nicht zuletzt wenn es sich bei den anderen Organisationen um Konkurrenzorganisationen handelt. Eine in den USA erfolgreich eingesetzte Strategie zielt auf die Schaffung eines Wettbewerbs zwischen den Organisationen im Hinblick auf die Anerkennung auf dem Gebiet der Gleichstellung und Vielfalt (diversity): Durch den Wettbewerb im Hinblick auf positive Maßnahmen wird eine gesunde Konkurrenzsituation geschaffen. Zur Förderung dieses Wettbewerbs können zudem Auszeichnungen ins Leben gerufen und öffentlich verliehen werden. • Einbeziehung von Angehörigen von Minderheiten in die Entwicklung und Evaluierung positiver Maßnahmen. Einzelpersonen, die von positiven Maßnahmen profitieren konnten, sollten sich an der Ausweitung dieser Programme beteiligen, um so deren Präsenz unter den Förderern positiver Maßnahmen zu erhöhen. 79 Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Literaturverzeichnis Adam, K. (1997), „The politics of redress: South African style affirmative action“, The Journal of Modern African Studies 35(2), S. 231-249 Adamson, J., Gooberman-Hill, R., Woolhead, G., und Donovan, J. (2004) „,Questerviews‘: Using questionnaires in qualitative interviews as a method of integrating qualitative and quantitative health services research“, Journal of Health Services Research and Policy 9 (2004) (3), S. 139-145. Agocs, C. (2002), „Canada’s employment equity legislation and policy, 1987–2000. 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Außerdem war es eine der Aufgaben der Studie, die rechtlichen Rahmenbedingungen, politischen Maßnahmen und Praktiken für Aktionsprogramme in der EU mit denen in Kanada, den USA und Südafrika zu vergleichen. Die Druckausgabe dieser Veröffentlichung ist in Englisch, Französisch und Deutsch erhältlich. Diese Veröffentlichung wird im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms für Beschäftigung und soziale Solidarität (2007-2013) unterstützt, das von der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit der Europäischen Kommission verwaltet wird. Dieses Programm wurde eingerichtet, um die Verwirklichung der Ziele der Europäischen Union in den Bereichen Beschäftigung und Soziales – wie in der Sozialpolitischen Agenda ausgeführt – finanziell zu unterstützen und somit zum Erreichen der Vorgaben der Strategie von Lissabon in diesen Bereichen beizutragen. Das auf sieben Jahre angelegte Programm richtet sich an alle maßgeblichen Akteure in der EU-27, den EFTA-/EWR-Ländern und den Beitritts- und Kandidatenländern, die einen Beitrag zur Gestaltung geeigneter und effektiver Rechtsvorschriften und Strategien im Bereich Beschäftigung und Soziales leisten können. Mit Progress wird das Ziel verfolgt, den EU-Beitrag zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in ihrem Engagement und ihren Bemühungen um mehr und bessere Arbeitsplätze und größeren Zusammenhalt in der Gesellschaft auszubauen. Zu diesem Zweck trägt das Programm Progress dazu bei, · · · · Analysen und Empfehlungen in den Politikbereichen des Programms Progress bereitzustellen; die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und der Strategien der Gemeinschaft in den Politikbereichen des Programms Progress zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten; den Austausch von Strategien, das wechselseitige Lernen und die gegenseitige Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ziele und Prioritäten der Union zu fördern und die Auffassungen der beteiligten Akteure und der Gesellschaft insgesamt zu kanalisieren. Weitere Informationen finden Sie unter: http://ec.europa.eu/progress Wo erhalte ich EU-Veröffentlichungen? Kostenpflichtige Veröffentlichungen: • über den EU Bookshop (http://bookshop.europa.eu); • über die Buchhandlung mit Angabe des Titels, des Verlags und/oder der ISBN-Nummer; • direkt über eine unserer Verkaufsstellen. Die Kontaktangaben erhalten Sie über die Internetadresse http://bookshop.europa.eu oder durch eine Anfrage per Fax unter der Nummer +352 2929-42758. Kostenlose Veröffentlichungen: • über den EU Bookshop (http://bookshop.europa.eu); • bei den Vertretungen und Delegationen der Europäischen Kommission. Die Kontaktangaben erhalten Sie über die Internetadresse http://ec.europa.eu oder durch eine Anfrage per Fax unter der Nummer +352 2929-42758. KE-81-09-550-DE-C Falls Sie an den Veröffentlichungen der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit interessiert sind, können Sie sie unter folgender Adresse herunterladen: http://ec.europa.eu/employment_social/publications/about_us/index_de.htm oder sich unter folgender Adresse kostenlos online registrieren: http://ec.europa.eu/employment_social/publications/register/index_de.htm ESmail ist der elektronische Informationsbrief der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit. Internationale Sichtweisen zu positiven Maßnahmen Eine vergleichende Analyse in der Europäischen Union, in Kanada, in den USA und in Südafrika Registrieren Sie sich online unter: http://ec.europa.eu/employment_social/emplweb/news/esmail_de.cfm http ://ec.europa.eu/social Europäische Kommission